Der deutsch-schweizerische Kampf um Biegen und Brechen findet diesmal im Viertelfinale statt. Foto: Tobias Schlegel (auf Bild klicken für MMS)

Schweiz wie 1992?

Von Urs Berger

Will die Schweiz das erste Mal seit 1998 wieder in das Halbfinale vorstossen, dann müsste morgen Donnerstag das Spiel gegen Deutschland gewonnen werden. Dass Deutschland alles daran setzen wird, um dies zu verhindern, ist in der Natur der Sache.

Drehen wir das Rad der Zeit zurück. Es ist 1992. Die Schweiz spielte erst das dritte Mal seit der Einführung der Play-offs in der Schweiz wieder in der A-Gruppe mit. Zuvor war man eine Nation, welche im B-Pool spielte. Dazu kam, dass das jetzt gültige Format erst viel später eingeführt wurde. Die Schweiz konnte erst 1986 in Eindhoven aufsteigen um dann ein Jahr später in Wien wieder abzusteigen. Drei Jahre später in Lyon und Mégève konnte die Schweiz den Aufstieg in die A-Gruppe erreichen und sich dank der beschlossenen Aufstockung 1990 auch 1991 in der A-Gruppe halten. So kam es dass die Schweiz 1992 in Prag bis in das Viertelfinale vorstossen konnte. Nach Siegen über Norwegen und Frankreich und den beiden Unentschieden gegen Russland und Kanada traf man dann am 7. Mai in Prag auf Deutschland. Blickt man auf den Kader der damaligen Teams, dann blickt man auf eine Goldene Zeit im Deutschen Eishockey zurück. Spieler wie Peppi Heiss, Helmut de Raaf, Stefan Ustorf, Peter Draisaitel, Gerd Truntschka, Didi Hegen, Jürgen Rumrich oder Andreas Bruckmann standen in dem Kader der Deutschen. Auf Seiten der Schweizer waren Reto Pavoni, Reto Tosio, Christian Weber, Patrick Howald, Roberto Triulzi, Sven Leuenberger, Gil Montandon, Manuele Celio oder Doug Honegger gelistet. Die damalige Schweizer Equipe wurde durch Bill Giligan, heute Nationaltrainer von Österreich, betreut. Die Schweizer überraschten als Aussenseiter dabei Deutschland und gingen mit 1:0 in Führung. Die deutsche Nationalmannschaft glich noch vor Ende des zweiten Drittels aus. Im letzten Drittel konnte dann die Schweizer Mannschaft zwei weitere Treffer erzielen und so das Spiel für sich entscheiden.

Andere Vorzeichen – Anderer Sieger?

Über die Jahre haben sich die Gesichter der beiden Nationalmannschaften und deren Erfolge geändert. Deutschland drohte hie und da in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, stieg 2005 in Wien sogar in den B-Pool ab und wäre, wenn es nach den sportlichen Kriterien gehen würde, auch dieses Jahr nicht an den Weltmeisterschaften dabei. Da jedoch der Veranstalter gesetzt ist, konnte Deutschland an der Weltmeisterschaft im eigenen Land antreten. Der bisher einzige Makel an den Weltmeisterschaften des deutschen Eishockey. Blickt man auf die Spiele an der jetzigen Weltmeisterschaft, so erkennt man einige parallelen zur Ära Krueger. Die Mannschaft spielt aus einer gesicherten Defensive und kann sich auf drei gleich starke Schlussmänner verlasen. Im Sturm hat man den einen oder anderen Spieler, der für Überraschung sorgen kann. Und dennoch vergisst man nicht, nach dem Motto „Defence First“ zu spielen. So haben sich auch die bisherigen Gegner die Zähne an der Verteidigung aus gebissen. Die USA scheiterte im Eröffnungsspiel in der Verlängerung an den Deutschen. Die Slowakei verloren mit 1:2 und auch Dänemark unterlag den Deutschen. Anders sieht dies bei der Schweizer Nationalmannschaft aus. Mit drei Siegen in Serie stürmte man auf den ersten Platz in der Vorrunde. Und reihte gegen Tschechien einen weiteren Sieg an. Um dann, die in der Zwischenzeit zur Pflicht verkommenen Spiele gegen Norwegen und Schweden mit Niederlagen zu beenden. Keine gute Ausgangslage für die Schweizer Nationalmannschaft.

Sean Simpson: „Wie Spiel sieben in den Play-offs“

Dies bestreitet Sean Simpson jedoch vehement: „Wir wissen seit Sonntag, dass wir für das Viertelfinale qualifiziert sind. Vielleicht hat uns das in den beiden letzten Spielen gehemmt. Nun stehen wir vor einem wichtigen Spiel. Dies kann man durchaus mit einem Spiel sieben in den Play-off vergleichen. Es ist `Win oder Die` Zeit. Nur der Gewinner kommt weiter. Und ich liebe diese Herausforderung.“ Die Frage ist nur, ob das Team bereit ist, diese Herausforderung auch anzunehmen oder nicht. Blickt man auf die Hauptprobe gegen Schweden zurück, muss man feststellen, dass dem nicht so ist. Blickt man aber auf den gesamten Verlauf des Turniers zurück, so kann durchaus ein leichter Trend der offensiven Öffnung im Spiel gegen vorne festgestellt werden. Dies schlägt sich nicht nur in den erzielten Toren nieder, auch die Anzahl der erhaltenen Tore ist gestiegen. Dennoch weisst man ein positives Torergebnis von +3 aus. Mit dem Spiel gegen Deutschland um 20:15 Uhr in der SAP Arena in Mannheim kann die Schweiz das nachholen, was das Team vor einem Jahr in der Schweiz verpasst hat. Doch werden dies die Deutschen, welche das erste Mal seit sieben Jahren wieder einen Viertelfinale erreicht haben, zulassen? Die Vermutung liegt daher sehr nahe, dass das Spiel gegen Deutschland ein enges werden wird. Die Frage ist nur, auf welche Seite das Spiel kippen wird. Aus der Sicht der Schweizer hofft man natürlich auf einen Erfolg der Schweizer. Und damit das erste Mal das Weiterkommen ins Halbfinale nach 1998. Ironie der gesamten Geschichte: Auch damals gelang dies mit einem neuen Nationaltrainer: Ralph Krueger.


Das Schweizer Eishockey aus der Sicht eines Deutschen

hockeyweb.de-Redaktor Oliver Koch blickt auf die Eidgenossen

Die Schweiz ist bei uns Deutschen sehr beliebt. Besonders gerne fährt der deutsche Eishockeyfan zum Spengler Cup nach Davos. Alleine schon die Bahn-Fahrt von den Flughäfen in Basel oder Zürich aus in Richtung Graubünden lässt viel von der Schönheit dieses Landes erahnen. Sei es die lange Strecke am Zürichsee in Richtung der „Bündner Alpen“ oder die Fahrt mit der Rhätischen Bahn vom tief gelegenen Landquart bis hoch nach Davos. Sogar der deutsche Schriftsteller Thomas Mann hat in seinem Roman „Der Zauberberg“ diese Fahrt beschrieben.

Weniger romantisch geht es aber nun beim Eishockey weiter. Wobei eigentlich die Schweizer Eliteliga, die NLA, unserer DEL zum Vorbild werden sollte. Vernünftige Ligastrukturen, ein nicht aufgeblähter Spielplan, sowie die Förderung der einheimischen Spieler durch ein gesundes begrenztes Ausländerkontingent je Mannschaft liessen die Eidgenossen wohl zu einem besseren Team wachsen. Seit Jahren etabliert sich die Schweiz schon im Dunstkreis der Weltspitze, hatte aber einen grösseren Wurf in Form eines Titels trotzdem nie erreichen können. Dafür sind die „grösseren“ Eishockey-Nationen (noch?) zu mächtig.

Massgeblich beteiligt an diesem Schritt unter die Top 8 war ein Deutscher. Okay, eigentlich ein Eingedeutschter, aber mit Ralph Krueger betrat vor 12 Jahren ein Mann die Trainerbühne in der Schweiz, der auch nie zu müde war, Reformen im Eishockey anzukurbeln. Letztendlich hatte sich aber auch sein System anscheinend aufgebraucht. Dies wurde spätestens ersichtlich, als er zusammen mit seinem Team in der letztjährigen Schweizer Heim-WM lediglich den neunten Platz erreichte, nachdem im vornherein die Euphorie auf mindestens Halbfinale getrimmt wurde. Entsprechend gab er im Verlauf der letzten Spielzeit seinen Abschied bekannt und wurde schon früher als geplant von seinem Nachfolger Sean Simpson abgelöst. Vielleicht ist Krueger gegenwärtig in einer beratenden Funktion für die deutsche Nationalmannschaft tätig. Immerhin spielt sein Sohn Justin für die Schwarz-Rot-Goldenen.

Sean Simpson ist aber auch in Deutschland kein Unbekannter. Mit den München Barons holte er 2000 als Trainer die Meisterschaft in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL), später zog er mit deren Franchise nach Hamburg und trainierte die dortigen Freezers. Danach zog es ihn in die Schweiz, wo er zuletzt bei den ZSC Lions als Chefcoach arbeitete und mit ihnen die Champions League 2009 sowie den Victoria Cup gewann. Den Grundstein für diese Titel legte allerdings Harold Kreis, welcher mit den Zürchern 2008 Schweizer Meister wurde. Bemerkenswert: Kreis ist während der Heim-WM der Assistent vom deutschen Bundestrainer Uwe Krupp.

Die Chancen für das Spiel gegen Deutschland stehen mit Sicherheit 50/50. Die Schweizer konnten in der Vorrunde vielleicht sogar ein Stück mehr überzeugen als die Deutschen. Einzig in der Zwischenrunde liessen die Eidgenossen etwas Federn, zehrten aber noch von den Punkten aus der Gruppenphase und kamen auf den zweiten Tabellenrang der „Mannheimer Zwischenrunde“. Dass der Viertelfinalgegner nun mit Deutschland der dritte der „Kölner Zwischenrunde“ ist, macht die Aufgabe für den Schritt ins Halbfinale nicht leichter. Obwohl die Ergebnisse der letzten Jahre eher „Pro Schweiz“ sind, scheinen die Deutschen mit dem gegenwärtigen Rückenwind ein harter Brocken zu werden.

Für uns Deutsche wachsen natürlich nun die Bäume bis in den Himmel und hoffen mit der Schweiz einen Gegner zu haben, der mit uns auf Augenhöhe zu sein scheint. Vielleicht schaffen wir ja den kurzfristigen Erfolg, langfristig gesehen wird der Weg des Schweizer Eishockeys aber so etwas wie ein Vorbild für uns bleiben. Ach ja, und zum Spengler Cup nach Davos reisen wir auch bei einer Niederlage wieder gerne an.