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Full text of "Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur"

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ZEITSCHRIFT 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTHUM 

UND 

DEUTSCHE  LITTERATÜß 

UNTER  MITWIRKUNG  VON  WILHELM  SCHERER 

HERAUSGEGEBEN 

vox 

ELIAS  STEINMEYER 


NEUNUNDZWANZIGSTER   BAND 

DER  NEUEN  FOLGE   SIEBENZEHNTER   BAND 


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BERLIN 

WEIDiMANNSCHE   BÜCHHANDLUNG 

1885 


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INHALT. 


Seite 

Die  lücken  im  Ruodlieb,  von  Laistner  (mit  facsimile) 1 

Der  Noe  der  Wiener  Genesis,  von   Pniower 26 

Die  Überlieferung  des  Reinhart  fuchs,  von  Schönbach 47 

Über  Neidharts  reihen,  von  Wiimanns 64 

Zur  Faustsage,  von  Schmidt 85 

Zu  Schillers  Handschuh,  von  demselben 102 

Ein  weihnachtsspiel  aus  Kreutzburg,  von  Mayer 104 

Die  Iweinhandschriften  i,  von  Henrici 112 

Die  Tübinger  Rennerhandschrift,  von  Strauch 115 

Parallelen  zur  mhd.  lyrik,  von  Schmidt IIS 

Alte  deutsche  volksliedchen,  von  Aleyer 121 

Zwei  bruchstücke  aus  Rudolfs  Weltchronik,  von  Loserth       ....  236 

Ungedruckte  lateinische  osterfeiern ,  von  Lange 246 

Actenstücke  zu  meister  Eckharts  process,  von  Denifle 259 

Zum  Parzival,  von  Bötticher 266 

ruLoßöixuQoq,  von  Kossinria 268 

Bemerkungen  zu  Älfrics  Lives  of  saints  (i)  ed.  Skeat,  von  Zupitza     .  269 

Tölzer  bruchstücke  aus  dem   Buche  der  väter,  von  Westermayer  .     .  296 

Rosegger  bruchstück  aus  Otlackers  Reimchronik,  von  Dürnwirth  •     .  307 
Bruchstücke    aus   des  mönchs  von    Heilsbronn  Buch  von   den   sechs 

namen  des  fronleichnams,   von  Tomanetz 318 

Deutsche    prosanovellen    des  fünfzehnten  jhs.     i  Marina,   von  Strauch  325 

Arator  und  Prudenlius  als  Vorbilder  Otfrids,  von  Olsen 342 

Ein  segen,  von  Schönbach 348 

Miscellen  aus  Grazer  hss.,  von  demselben 350 

Zu  der  Wiener  meerfahrt,  von  Schröder 354 

Die  Summe  der  fugenden  und  laster.    zum  Renner  2755.  56,  von  dem- 
selben     357 

Die  Iweinhandschriften  ii,  von  Henrici 360 

Hildebrandslied  65,  von  Holtliausen 365 

Beiträge 'zur  germanischen  lautlehre,  von  Bechtel 366 

Zum  Renner,  von  Wöifel 369 


IV  INHALT 

Seite 

Eine  conjectur  zu  Lessings  Dramaturgie,  von  Tonianetz 369 

Zu  Klopstocks  Wingolf,  von  vWeilen 370 

Nachträge  zu  s.  288  ff,  von  Zupitza 372 

Deutsche  prosanovellen  des  fünfzehnten  jhs.    ii  Grisardis  von  Albrecht 

von  Eyb,  von  Strauch 373 

Ruodlieb-märchen  in  Russland,  von  Laistner 443 

Zum  prolog  von  Hartmanns  Gregorius,  von  Martin 466 

Worterklärungen,  von  demselben       467 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB. 

Als  ich  Anz.  ix  70  ff  die  neue  Ruodliebausgabe  besprach, 
gab  es  in  dem  buche  so  vieles  aufzuräumen,  klarzustellen,  zu 
berichtigen  und  zurechtzurücken,  dass  ich  mich  auf  die  mitteilung 
des  notwendigsten  beschränken  und  anderes  für  später  aufsparen 
muste  —  vor  allem  eine  aus  dem  inhalt  der  fragmente  gezogene 
gegenprobe  auf  die  richtigkeit  der  aus  anderen  gründen  er- 
schlossenen anordnung  derselben,  der  sache  nach  ist  das  fol- 
gende nichts  als  eine  fortführung  jener  recension  und  setzt  die 
dort  gewonnenen  resultate  als  bekannt  voraus;  auch  die  Zählung 
nach  der  neuen  ausgäbe  ist  um  der  bequemlichkeit  des  lesers 
willen  beibehalten  worden,  obschon  ich  heute  wie  damals  vor 
allgemeinem  gebrauch  derselben  warnen  muss,  weil  sie  die  rich- 
tige reihenfolge  doch  nicht  trifft,  jene  gegenprobe  führt  übrigens 
ganz  von  selbst  über  den  inhalt  des  zufällig  auf  uns  gekommenen 
hinaus,  wenn  man  sich  lange  und  eingehend  mit  einzelheiten 
beschäftigt  und  die  teile  hin-  und  hergewendet  hat,  meldet  sich 
ohnehin  das  bedürfnis,  das  ganze  ins  äuge  zu  fassen,  nach- 
dem ich  aber  einmal  versucht  habe  die  ursprüngliche  folge  der 
fragmente  ix  ff  herzustellen  (nämhch  so:  xn.  xni.  ix.  x.  xi.  xv.  xiv) 
und  die  abstände  zwischen  den  einzelnen  bruchstücken  zu  be- 
stimmen ,  erscheint  es  mir  als  eine  ebenso  schöne  wie  unerläss- 
liehe  aufgäbe,  in  die  genau  umgränzten  leeren  räume  hinein  mit 
vorsichtiger  band  die  umrisse  der  verlorenen  partien  zu  zeichnen, 
selbstverständlich  nur  so  weit  als  es  sich  auf  grund  gewisser  merk- 
male  in  den  erhaltenen  teilen  tun  lässt. 

Zunächst  gilt  es  festzustellen  dass  in  fragment  xni  der  neffe 
Ruodhebs  nicht  etwa  zum  zweck  der  brautfahrt  in  das  haus  der 
commater  zurückgekehrt  ist,  sondern  dass  er  vielmehr  seine  zu- 
künftige jetzt  erst  kennen  lernt,  der  eingang  zeigt  uns  den 
vniles  und  seinen  contribulis  im  gewandgaden  des  Schlosses,  wo 
die  beiden  viantes  ablegen,  sie  werden  von  der  burgfrau  be- 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVJI.  1 


2  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

grüfst.    es  folgt  die  kurzweil  mit  dem  fischzug,  dessen  geheimnis 
der  »?27es  in  der  fremde  gelernt  hat;  auf  die  noch  junge  bekannt- 
schaft  zwischen  beiden  vettern  darf  man  vielleicht  v.  30  beziehen, 
wo  der  jüngere  sich  novizenhaft  an  der  geschicklichkeit  des  älteren 
freut,     nun  wird   die  beute  von   den  kochen  zubereitet  und  die 
tafel  gedeckt,    auf  geheifs  der  domma  holt  man  die  henh's  herbei, 
und  wir  lesen  hier  ein  parverse,  die  dartun  dass  es  schlechter- 
dings unmöglich  ist,  irgendwelche  vorhergehende  beziehung  zwi- 
schen   dem   contrihuUs    und   dem   fräulein   anzunehmen,     dieses 
nämlich  sitzt,  als  sie  zu  tisch  gerufen  wird,  an  einer  weibhchen 
arbeit,    welche    dem    bräutigam   bestimmt    ist,    falls    ihr    der 
himmel     einmal     einen     solchen     bescheren     sollte 
(V.  53  f) : 

Texuit  ex  auro  quae  bina  ligamina  sponso, 
Post  quemcunqne  sibi  tribnat  dementia  Christi, 
wozu    mau    vergleiche,    wie    späterhin   Ruodliebs    mutter   ihrem 
Sühne  vom  heiraten  spricht  und  auf  eine  frau  (ganz  im  allgemeinen, 
vgl.  XVI  52 fl)  zu  denken  rät, 

Quam  tibi  demonstret  demens  dens  (xvi  IS). 
Wie  das  fräulein  dann  zur  gesellschaft  kommt,  wird  sie  dem 
monde  verglichen,  dies  bild  sehen  wir  Nib.  760  auf  einen  beiden 
angewandt;  meist  gilt  es  von  einer  schönen  frau  (vgl.  Ruodl.  xiv3), 
so  von  Cresceutia,  wie  sie  aus  ihren  gemächern  tritt  (Kaiser- 
chron.  1 1769),  so  von  Kriemhilt,  döSifrit  sie  ah  est  ersach  (Nib.  282), 
und  ganz  ähnlich  dient  es  hier  zur  ersten  einfiihrung  der 
schönen,     leider  stört  dann  eine  lücke  von  9  versen. 

Man  geht  zu  tisch,  die  Verteilung  der  platze  deutet  nicht 
entfernt  darauf,  dass  auf  ein  liebes-  oder  gar  brautpar  rücksicht 
genommen  würde,  dessen  beisammensein  doch  nach  anderen 
stellen  (ix  61 ;  x  31)  so  gern  gesehen  wird,  sondern  erfolgt  ein- 
fach nach  dem  alter:  der  ohm  setzt  sich  zur  mutter,  der  neffe 
zur  tochter.  auch  von  der  Verliebtheit,  mit  welcher  anderwärts 
das  pärchen  recht  eintönig  und  nicht  sonderlich  fein  characteri- 
siert  ist,  noch  keine  spur:  die  kosten  der  Unterhaltung  muss 
ein  hund  bestreiten,  von  dem  wir  nachher  noch  werden  zu 
handeln  haben. 

Zum  nachtisch,  heifst  es,  kamen  erdbeereu;  anderes  obst 
irgendwelcher  art  gab  es  noch  nicht  (v.  10811).  auch 
dieser   kleine   zug   ist   beachtenswert,     bei   der  commater  finden 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  3 

die  reisenden  reife  erdbeeren ,  vor  dem  hause  von  Ruodiiebs 
mutter  aber  steht  ein  kirschbaum ,  dessen  fruchte  den  beiden 
ankömmhngen  reif  entgegenwinken;  wenigstens  wundert  sich  die 
kluge  dohie  (x  69  ffj  dass  der  in  den  zweigen  nacii  seinem  herru 
ausspähende  knabe  unberührt  von  den  lockungen  der  fragrantia 
mora  bleibt,  die  heimkehr  ins  Vaterhaus  fällt  mithin  in  eine  vor- 
gerücktere Jahreszeit,  fragm.  x  gehört  hinter  fragm.  xiii. 

Abermals  eine  kleine  lücke,  von  11  versen,  dann  ein  stark 
verstümmelter  text,  aus  dem  nur  so  viel  zu  ersehen,  dass  die 
fremdlinge  sich  umkleiden  und  dann  zu  den  damen  zurückkehren. 
bei  der  toilette  des  contribulis  erfahren  wir  absonderliche  dinge, 
dieser  Jüngling,  den  wir  uns  nach  der  bisherigen  anordnung  im 
besitz  eines  traurings  von  seiner  liebsten  und  auf  der  hrautfahrt 
vorstellen  sollen,  erscheint  hier  in  einem  aufzug,  der  eine  wahre 
schände  für  einen  bräutigam  ist:  er  entledigt  sich  nämlich  in 
der  umkleidescene  eines  ungewaschenen  hemdes  und 
eines  vor  alter  und  Schweifs  fuchsig  gewordenen 
mantels  aus  marderfeilen;  jenes  ringlein  aber,  das  er 
als  getreues  minnerleiu  gar  nie  hätte  vom  finger  streifen  dürfen, 
das  er  mindestens  schon  beim  einreiten  hätte  funkeln  lassen 
müssen,  steckt  er  jetzt  erst  an. 

Auch  darauf  könnte  man  allenfalls  noch  aufmerksam  machen, 
wie  wunderlich  unter  der  traditionellen  Voraussetzung  eines  schon 
bestehenden  liebeseinverständnisses  das  benehmen  der  herilis  sich 
darstellen  muss,  die  sich  um  den  besuch  des  bräutigams  so  wenig 
kümmert,  dass  sie  sich  still  auf  dem  zimmer  hält  und  erst  ge- 
legentlich der  mahlzeit  als  mond  aufgeht,  allein  es  ist  über- 
flüssig nach  weiteren  belegen  sich  umzuschauen:  die  Scheidung 
der  abschnitte,  die  ich  seiner  zeit  aufgrund  der  bezeichnungen 
miles  und  Ruodlieb  vorgenommen,  bestätigt  sich  auch  inhaltlich 
vollauf,  welche  bewandtnis  aber  hat  es  mit  dem  ring?  und  warum 
tritt  der  neffe  so  abgerissen  auf? 

In  bezug  auf  den  ring  gibt  es  nur  eine  alternative:  ent- 
weder ist  es  der,  den  ihm  das  fräulein ,  oder  derjenige,  welchen 
er  ihr  schenkt,  das  erste  ist  undenkbar  nach  allem  bisherigen, 
bleibt  somit  nur  die  zweite  niöglichkeit.  für  den  ringtausch 
IX  62  ff  ist  beiderseits  ein  ring  nötig,  dass  das  fräulein  einen 
solchen  trägt,  braucht  bei  ihren  Verhältnissen  nicht  erst  erwähnt 
zu  werden;   anders  bei  dem  contribulis   in  seinem  bedenklichen 

1* 


4  DIE  LÜCKEN  IM  RÜODLIEB 

aufziig.  zu  dem  aschenbrödelgewand  hatte  der  schmuck  nicht 
gepasst;  jetzt,  da  er  sich  aus  demselben  schält  und  in  Staat  wirft, 
bleibt  auch  der  reif  am  finger  nicht  vergessen,  woher  er  ihn 
hatte,  stand  vermuthch  in  dem  verlorenen  halbvers  127  zu  lesen, 
wie  sich  aus  dem  erhaltenen  donanü  schliefsen  lässt.  aber  noch 
eine  andere  motivierung  war  für  den  dichter  zu  bedenken,  die 
zwei  bände  sind  von  ungleicher  gröfse,  beim  tausch  aber  müssen 
die  ringe  passend  sein,  in  bezug  auf  den  des  fräuleins  hilft  er 
sich  so,  dass  er  ihn  mit  einem  hohlen  knauf  ausstattet,  vermöge 
dessen  das  (ohne  zweifei  federnde,  mit  dem  einen,  freien  ende 
in  dem  hohlraum  spielende)  reiflein  sich  dem  finger  des  trägers 
anschmiegte  (ix  71),  der  ring  des  neffen  aber  ist  so  eng,  dass 
er  ihm  selber  kaum  an  den  kleinen  finger  geht  (xni  128).  wie 
das  kam,  vermöchten  wir  zu  sagen,  wenn  wir  den  namen  des 
gebers  aus  jenem  verlorenen  halbverse  wüsten,  an  das  execra- 
hile  scortum  xv  35  werden  wir  wol  nicht  denken  dürfen ;  die 
einfachste  annähme  ist  die,  es  sei  ein  andenken  aus  der  kinder- 
zeit,  etwa  ein  geschenk  der  mutter  gewesen,  von  dem  er  sich 
nicht  trennen  mochte,  auch  nachdem  es  ihm  am  finger  unbe- 
quem geworden  war,  und  das  er  nun  hervorsuchte,  um  sich 
vor  dem  fräulein  ein  bischen  herauszuputzen,  schon  in  meiner 
früheren  arbeit  hatte  ich  über  die  ergäuzung  jenes  verses  nicht 
schlüssig  werden  können  und  dieselbe  für  den  nachtrag  auf- 
gespart, der  Sache  nach  weifs  ich  auch  jetzt  noch  nichts  besseres 
als  das  dort  vorgeschlagene:  Sumpsit  herili  quem  post  donauit  usw.; 
wer  hiergegen  etwa  das  formelle  bedenken  hat,  eine  derartige 
Vorausdeutung  stimme  nicht  zu  dem  sonstigen  stil  des  gedichtes, 
dem  gefällt  vielleicht  besser: 

Sumpsit  quem  puero  quis  donauit  .  .  . 
oder: 

Sumpsit  quem  mater  sibi  donauit.  .  .  . 
das  fehlen   des  mittelreims  macht  nicht  die  mindeste  Schwierig- 
keit, da  die  schlusssilbe  mit  dem  nächsten  vers  durch  den  reim 
gebunden  ist. 

Schwieriger  und  ungleich  wichtiger  ist  die  andere  vorhin 
aufgeworfene  frage,  was  nämlich  die  bäreuhäutcrei  des  nefl'en  zu 
bedeuten  habe,  der  zustand ,  in  welchem  der  miles  ihn  unter- 
wegs antraf,  war  nichts  weniger  als  standesgemäfs.  ein  lange 
nicht  gewaschenes  hemd ,  ein  abgetragener,  verschwitzter  raantel 


DIE  LÜCKEN  IM  RÜODLIEB  5 

sind  kennzeichen  der  Verwahrlosung;  dazu  jener  hund,  über  den 
weiter  unten  mehr  zu  sagen  ist  —  es  fehlt  nur  noch  eine  herde, 
und  das  bild  des  verlorenen  sohnes  ist  fertig,  in  der  tat  er- 
fahren wir  auch  aus  xv  28.  35  dass  er  nicht  das  ehrbarste  leben 
geführt  hat,  und  seine  verwandten  danken  gott  dass  das  fräulein 
es  mit  dem  dehonestatns  trotz  seiner  antecedentien  wagen  will, 
ein  weih  hatte  es  ihm  angetan,  und,  wie  es  scheint,  können 
die  leute  das  Verhältnis  nur  durch  behexung  erklären ,  es  kommt 
ihnen  wie  ein  wunder  vor  dass  ein  frauenzimmer  auf  der  weit 
sei,  die  im  stände  war,  ihn  von  der  magica  zu  reifsen.  wenn 
es  von  diesem  scortum  turpe  heifst,  es  sei  dignum  satis  igne  cre- 
mari,  so  hängt  das  übrigens  nicht  mit  ihrer  eigenschaft  als  'hexe* 
zusammen,  denn  eine  hexenverbrennung  ist  unerhört  in  dem 
Zeitalter  unseres  gedichts  (Soldan  Geschichte  der  hexenprozesse^ 
1,  135 — 140);  der  Scheiterhaufen,  den  die  volksmeinung  ihr  zu- 
erkennt, kann  sie  lediglich  als  ehebrecherin  kennzeichnen 
(RA  699;  vgl.  Mafsmann  Kehr.  3,  900.  907.  908). 

Die  Stimmung  ferner,  in  welcher  der  verliebte  tor  sich  be- 
fand, als  ihn  der  miles  zum  mitgehen  aufforderte,  muss  eine 
ziemlich  gedrückte  gewesen  sein,  das  kleine  fragment  xn,  nur 
durch  eine  lücke  von  35  versen  von  dem  anfang  des  bisher  be- 
sprochenen abschnitts  getrennt,  scheint  den  beweis  zu  enthalten. 
Anz.  IX  99  habe  ich  mich  mit  diesen  versen  ganz  vergeblich  ab- 
gequält, die  Situation  ist  diese,  auf  seiner  heimreise  findet  der 
miles  den  Jüngling,  der  gleichfalls  in  der  fremde  ist  (debes  ire 
domnm  v.  7).  der  junge  mensch  fürchtet  sich  vor  einem  zu- 
sammentreffen mit  den  landsleuten ,  vollends  wenn  er  in  gesell- 
schaft  des  reich  an  ehren  heimkehrenden  oheims  sich  blicken 
lasse;  auch  liegt  ihm  ein  geständnis  schwer  auf  dem  herzen, 
man  sieht  nicht,  ob  ein  jetzt  vor  dem  miles  oder  später  vor  den 
compatriotae  abzulegendes,  dass  dies  seine  bedenken  waren,  dürfte 
aus  der  antwort  des  miles  erhellen :  'all  das  darfst  du  ja  zu  ge- 
legener zeit  bekennen;  zunächst  mache  dich  nur  erst  reisefertig, 
die  landsleute  [brauchen  dir  keine  sorge  zu  machen ;  sie]  kennen 
dich  besser  als  mich  [,der  ich  so  lang  fort  war,]  und  werden 
sich  um  mich  gar  nicht  bekümmern,  wenn  sie  dich  widersehen, 
du  must  [mit]  heimgehen ,  wenn  du  mich  lieb  hast.'  durch 
solches  zureden  heitert  er  ihn  so  auf,  dass  der  andere  freuden- 
tränen  weint,    'hör  auf,  sagt  der  miles. .  .  .    dann  folgen  einige 


6  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

arg  verstümmelte  doppelverse,  aus  deren  geringen  Überresten 
nur  zu  entnehmen  ist  dass  die  beiden  mit  zwei  knappen  in 
eiligem  ritte  davonsprengen ,  unaufgehalten  wie  es  scheint  durch 
die  sei^a,  was  vielleicht  ein  gatter,  einen  schlagbaum  bezeichnet, 
falls  es  nicht  statt  sera  steht,  das  übrigens  x  15  richtig  gemessen 
vorkommt. 

Man  sieht,  der  junge  fühlt  sich  so  delwnestatus ,  dass  er  den 
landsleuten  nicht  unter  die  äugen  zu  treten  wagt;  andererseits 
muss  in  seinem  liebeshandel  eine  wendung  eingetreten  sein ,  die 
ihm  sehr  wünschenswert  macht  fortzukommen,  sonst  würde  er 
nicht  in  tränen  ausbrechen  prae  laetüia,  dass  der  oheim  ihm  die 
Überzeugung  beibringt,  der  rückweg  in  die  heimat  stehe  ihm 
trotz  allem  vorgefallenen  offen,  wir  sind  nun  vor  die  frage  ge- 
stellt, ob  die  abenteuer  des  ueffen  ausschliefslich  in  die  lücke 
zwischen  vm  und  xii  fallen,  oder  ob  wir  sie  an  erhaltene  teile 
des  gedichtes  anknüpfen  dürfen,  ich  glaube,  für  die  letztere 
annähme  gibt  es  gründe,  die  sich  hören  lassen,  vorhin  hat  sich 
ergeben  dass  das  scortnm,  das  ihn  bestrickt  hatte,  wahrschein- 
lich ein  ehebrecherisches  weih  war.  eine  solche  ehebrecherin, 
eine  saepe  rea  (vni  47 ;  vi  122  f)  finden  wir  aber  tatsächlich  in 
den  zunächst  vorhergehenden  fragmenten;  und  ganz  wie  die 
landsleute  das  execrabile  scortum  für  dignum  satis  erklären  igae 
cremari,  so  bekennt  dieselbe  reuig,  den  feuertod  verdient  zu 
haben  (vni  57  ff),  einen  directen  beweis  für  die  identität  der 
leichtfertigen  jungen  bäurin  mit  dem  scortum  haben  wir  freilich 
nicht;  aber  die  vorhin  dargelegte  Stimmung  des  jungen  menschen 
würde  sich  wenigstens  ganz  gut  erklären,  wenn  wir  sie  auf  die 
blutige  katastrophe  im  haus  der  bäurin  beziehen  dürften,  auch 
kann  uns  vielleicht  der  mehrerwähnte  hund  auf  eine  leidlich 
sichere  spur  helfen. 

Der  hund  hat,  da  wir  ihn  kennen  lernen,  zwei  herreu 
(dominos  xni  97):  der  miles  lässt  ihn  künste  machen,  vom  con- 
tribulis  nimmt  er,  in  äufserster  wolerzogenheit,  sein  futter.  ur- 
sprünglich muss  er  dem  letzteren  allein  gebort  haben;  denn  der 
mües  hatte  zwar  bei  seinem  ausritt  vor  zehn  jähren  einen  hund 
bei  sich  (i  44 ff),  auf  der  heimfahrt  aber  wird  nicht  nur  nichts 
von  einem  solchen  begleiter  erwähnt,  es  kommt  sogar  ein 
abenteuer  vor,  welches  die  anwesenheit  wenigstens  dieses  hundes 
geradezu  ausschliefst,    er  ist  nämlich  ein  tier  von  fabelhafter  be- 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  7 

gabung,  das  einem  menschen  anmerkt,  ob  er  gestohlen  hat, 
und  durch  zerren  und  beifsen  den  dieb  verrät,  der  manteldieb- 
stahl  des  roten  beim  Übergang  über  den  fluss  hätte  also  dieser 
feinen  nase  unmöglich  verborgen  bleiben  können,  gleichwol  bin 
ich  der  meinung  dass  der  dichter  gerade  mit  bezug  auf 
diesen  dieb  stahl  den  diebe  witternden  hund  ein- 
geführt habe,  der  rote,  welcher  nicht  blofs  den  miles  be- 
stohlen ,  sondern  auch  dessen  person  lügenhafter  weise  in  seine 
buhlerische  Werbung  bei  der  männersüchtigen  bäurin  hineinge- 
zogen hatte  (vgl,  das  hornsignal  vii  75  mit  i  32),  hat  vor  gericht 
die  frechheit  sich  auf  das  Zeugnis  des  nämlichen  ritters  zu  be- 
rufen (viii  121  ff);  und  dieser,  dessen  nachsieht  gegen  den  auf- 
dringlichen, unfriedfertigen  gesellen  wir  kennen  (v  590;  vi  7), 
wird  gutmütig  genug  gewesen  sein,  zu  dessen  gunsten  zu  sprechen, 
nun  aber,  so  lässt  sich  die  weitere  entwicklung  denken,  drängt  sich 
ein  hund  durch  die  menge  der  umstehenden,  es  erfolgt  eine  scene 
wie  sie  uns  xiii  7 7 ff  geschildert  wird,  ähnlich  der  mit  dem  hund 
des  Aubry  (Mafsmann  Kehr.  3,907.  918  f;  vdHagen  GA  l,cvi; 
Dunlop-Liebrecht  anm.  216;  Gervasius  vTilbury  113 f;  vgl.  Hertz 
Werwolf  92.  93.  95;  Kaufmann  Cäsarius  vHeisterbach  195),  der 
besilzer  des  tieres  kommt  nachgeeilt  und  verdolmetscht  die  wort- 
lose anklage ,  und  damit  wird  wol  das  Schicksal  des  roten  (vii  34) 
besiegelt  gewesen  sein,  dass  auf  diese  weise  zweimal  die  ent- 
deckung  eines  diebes  durch  den  hund  vorkomme,  bildet  keinen 
gewichtigen  einwand,  denn  auch  das  raoliv  des  kunstreichen  fisch- 
zugs  (ii  Iff;  xni  10  ff)  und  des  Würfelspiels  der  liebenden  (ix  62  ff; 
X  22  ff)  ist  doppelt  verwertet,  wol  aber  wäre  umgekehrt  zu  sagen 
dass  die  uns  erhaltene  hundescene  etwas  wunderhches  hat,  wenn 
wir  die  einführung  des  tieres  nicht  aus  der  öconomie  des  ganzen 
erklären  dürfen;  auch  ist  offenbar  der  manteldiebstahl  nicht  er- 
funden um  verborgen  zu  bleiben ,  und  da  derselbe  ohne  zeugen 
geschah,  liegt  der  gedanke  an  die  spürnase  des  hundes  nahe 
genug. 

Wenn  diesen  Schlussfolgerungen  einige  Wahrscheinlichkeit 
zugestanden  wird,  so  hätten  wir  uns  also  die  begegnung  zwischen 
ohm  und  neffen  in  dem  nämlichen ,  unweit  der  landesgränze  ge- 
legenen (v  585.  611)  dorfe  zu  denken,  wo  das  ehebrecherische 
weib  wohnt;  ein  umstand,  der  offenbar  sehr  günstig  ist  für  die 
annähme,  das  execrahile  scortum  und  dieses  weib  seien  eine  und 


8  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

dieselbe  person.  dass  die  bäurin  so  rasch  auf  den  Vorschlag  des 
roten,  sich  von  einem  schönen  ritter  entfuhren  zu  lassen,  ein- 
geht (vn  65  ff),  spricht  wol  kaum  dagegen:  das  loos  an  der  seite 
des  vornehmen  unbekannten  erscheint  ihr  eben  verlockender  als 
die  nur  auf  Schleichwegen  genossene  liebe  des  jungen  menschen, 
abwechslung  liebte  die  saepe  rea  (vm  47),  welche  ihren  gatten 
crebro  (vi  122)  betrog,  ohnehin,  war  würklich  der  letzte  von  ihr 
begünstigte  unser  contribulis,  dann  ergibt  sich  eine  beachtens- 
werte parallele ,  wie  sie  nach  Anz.  ix  89  gerade  für  diese  partie 
des  gedichtes  characteristisch  ist,  der  rote  nämlich  erfährt,  die 
bäurin  sei  seine  neptis,  und  benutzt  diesen  umstand,  sich  raschen 
zutritt  zu  verschaffen  (vii  34.  52.  80.  95);  neben  diese  unverhofft 
entdeckte  neptis  würde  sich  ganz  schicklich  der  ebenso  unver- 
mutet gefundene  nepos  (xv  23)  des  ritters.  stellen,  der  redsehge 
Schäfer  (vi  10),  der  über  die  Verhältnisse  der  dorfbewohner  aus- 
kunft  gibt,  könnte  demnach  in  der  lücke  nach  vi  123  gesagt 
haben:  früher  hielt  sies  mit  dem  und  jenem,  eben  jetzt  hat  sie 
es  mit  einem  jungen  fremdling  aus  vornehmen  stände,  der  ihr 
zu  lieb  hier  hängen  geblieben  ist  und  nachgerade  recht  abge- 
rissen herumläuft,  aber  ein  gesiebt  hat  wie  milch  und  blut  (vgl. 
XI  2  ffj.  diese  Schilderung  hätte  sich  dann  der  rote  gemerkt  und 
zu  dtMu  erdichteten  bilde  des  ritters  mit  den  entführungsabsichten, 
wobei  ihm,  wie  oben  gezeigt,  zunächst  der  niiles  vorschwebt, 
die  färben  vom  contribulis  entlehnt :  est  similagineus  totusue  genis 
rubicnndus  (vii  67). 

Auf  anderem  wege  bin  ich  schon  Anz.  ix  90  zu  der  Ver- 
mutung gelangt,  dass  unter  dem  scortum  die  bäurin  zu  verstehen 
sei.  stützt  sich  dort  der  beweis  auf  gewisse  ähnlichkeiten  des 
leichtfertigen  weibes  mit  der  ancilla  der  sechsten  lehre  (v  476  ff), 
so  lässt  sich  derselbe  noch  verstärken  durch  die  erwägung,  dass 
auch  das  ignominiosus  (v  483)  und  das  öfter  angeführte  deho- 
nestatus  (xv  28.  35)  einander  zu  entsprechen  scheinen,  nur  darf 
dabei  nicht  übersehen  werden,  was  gleichfalls  an  jener  stelle 
ausgeführt  wurde ,  dass  von  fragm.  vi  an  der  dichter  seinen  ur- 
sprünglichen plan  aufgibt  und  die  schon  erfundenen  personen, 
scenen  und  motive  nur  so  weit  in  seine  darstellung  herübernimmt, 
als  er  sie  bequem  brauchen  kann,  um  den  anschluss  an  den 
'Ruodliebus'  (Anz.  ix72f)  zu  gewinnen. 

Wie  wir  uns  das  leben  des  nelTen  in  oder  bei  jenem  dorfe 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  9 

vorzustellen  haben ,  darüber  ist  schwer  etwas  zu  sagen ;  ebenso 
ob  er  daselbst  eigene  behausung  hat.    wenn  er  xii  4  aufgefordert 
wird :    nunc   falerare   tibi  jubeas  unique   climti  (unus  als  unbe- 
stimmter artikel,  wie  vi  10;  xvi  29)  und  wenn  dieser  cliens  beim 
einritt   in  Ruodliebs  haus   neben   ihm  als  scutifer  erscheint,    so 
geht  daraus  hervor  dass  er  in  der  fremde  den  besitz  von  rossen 
und  knechten   nicht  aufgegeben  hatte;    das  wird   aber  auch  das 
einzige   herrenmäfsige   gewesen   sein,    wie   aus   dem   verfall    der 
einst  kostbaren  kleidung  und   aus  der  unsauberkeit  der  wasche 
zu  schliefsen  ist:  die  gewänder,  die  er  in  der  toilettenscene  an- 
legt, brauchen  nicht  einer  mitgeführten  entheca  (vgl.  i  19;  v560; 
XI  37  ff)    entnommen   zu   sein ,    sondern   können   von    dem   ver- 
storbenen (ix  31)  hausherrn  herstammen  (vgl.  Weiuhold  Deutsche 
frauen  s.  392  f).     wäre  er  jedoch   noch  weit  bettelhafter   in  die 
heimat  zurückgekehrt  und  hätte  sich  das  ärgerliche  Verhältnis  statt 
in  der  fremde  draufsen   in  nächster   nähe  abgespielt,   so  würde 
das  allein  nicht  hinreichen  zu  erklären ,  warum  er  gar  so  dehones- 
tatus  erschien,     für  dehonestata  durch    einen  ehebruch   galt  wol 
die   schuldige  frau   (Wilda  Strafrecht   der   Germ.  s.  810),   nicht 
aber   der  buhle,    der  einer  weit  milderen  beurteilung   unterlag, 
vollends  ein  unverheirateter,     ganz    anders  wird  jedoch  der  fall 
in  unserem  gedieht  behandelt,     obgleich  der  junge  mensch  sich 
von  der  magica  losgesagt  hat  und  nichts  sehnlicher  wünscht  als 
die  heiilis  zu  heiraten,    kommt  es  noch   immer  darauf  an,   ihn 
möglichst  schnell  (citius)  der  anderen  zu  entreifsen  (xv  28),  und 
er  selbst  bekennt,  nach  jener  geschichte,  die  ihm  schauder  und 
schäm  verursache,   tue  ihm   in  seiner  entehrung  dringend  eine 
frau  not  (34 — 36).     erst  die  heirat  stellt  also  seine  ehre  wider 
her,  und  die  übermütige  haltungi  des  fräuleins  bei  der  Vermäh- 
lung XV  69 ff"  zeigt,   wie   sehr   sie  sich  dessen  bewust  war.     all 
das  deutet  darauf  dass  zu  der  verbotenen  liebschaft  noch  etwas 
anderes  hinzugekommen   sein   muss;    ein  solches   andere  hätten 
wir  aber  in  der  tat  in  dem  umstand,  dass  die  ehebrecherin  ihm 
gegenüber    zur  treubrecherin   ward   und   ihres   galten   tod   ver- 
schuldete,   lediglich    um   des    schuftigen   roten   willen,     hörner 

^  im  vorbeigehen  sei  bemerkt  dass  xv  80  quo  nur  adverb  sein  kann 
im  sinne  von  ad  quos  (vgl.  vi  24).  die  fufsnote  über  die  angebliche  ana- 
koluthie  verstehe  ich  nicht,  da  der  singular  von  qiäöus  in  diesem  falle  cui 
heifsen  moste;  wäre  aber  quo  als  abl.  mit  ausgelassenem  cu?u  gefasst,  so 
wäre  diese  auffallende  construction  sicherlich  auf  s.  114  mit  aufgeführt. 


10  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

tragen  müssen,  und  gar  von  eiüer  buhlerin,  ausgestochen  werden 
durch  einen  dieb  und  morder,  diese  unheimhche  mischuug  von 
lächeriichkeit  und  grausen  spiegelt  sich  in  dem  geständnis:  hoj- 
rere  petiitus  se  seque  pudere  (xv  34),  sie  ist  gemeint,  wenn 
er  fortfährt:  sie  dehonestalum.  kein  wunder  dass  die  verwandten 
gott  danken  für  die  vorurteilsfreie  gesiunung  des  fräuleins.  wäre 
es  ihr  nicht  gelungen,  seine  gedanken  von  dem  schnöden  weihe 
abzuziehen  (magicam  de  se  divellere  xv  31),  ihn  innerlich  von  ihr 
zu  lösen ,  der  er  blofs  unter  dem  eindruck  jener  schreckensnacht 
und  auf  zureden  des  miles  durch  rasche  flucht  (xii  19)  sich  ent- 
zogen hatte,  und  käme  jetzt  die  heirat  nicht  zu  stände,  so  wäre 
ihm  zuzutrauen  dass  er  aus  furcht  vor  dem  gerede  der  lands- 
leute  wider  der  hexe  zuliefe,  von  deren  lebenslanger  bufse 
(vni  89 — 117)  man  damals  ja  nichts  wissen  konnte:  so  lange 
die  hochzeit  nicht  gehalten  ist,  scheint  er  noch  nicht  sicher  vor 
der  argen,  und  darum  gilt  es,  citius  nt  eripiatur  a  scorto  turpi 
(XV  28  f). 

Mau  darf  von  einem  indicienbeweis  nicht  mehr  verlangen 
als  er  leisten  kann;  dass  es  der  mühe  wert  sei  ihn  zu  versuchen, 
wird  einem  gedichle  wie  Ruodlieb  gegenüber  nicht  auf  Wider- 
spruch stofsen. 

INach  Auz.  ix  74  hatte  die  läge  F  635  verse.  teilen  wir 
davon  dem  fehlenden  schlussblatte  64  verse  zu,  so  gibt  das  mit 
dem  verlorenen  anfang  von  läge  G  (ebend.  s.  76),  welcher  deren 
161  enthielt,  zusammen  225,  eine  summe,  welche  vollständig 
genügt,  um  den  oben  erschlossenen  inhalt  der  lücke  zwischen 
vni  und  xn  zu  füllen,  nämlich:  unlerbrechung  der  gerichtsver- 
bandlung  durch  den  hund,  Verurteilung  und  hinricbtung  des 
roten,  erkennung  zwischen  miles  und  contrihdis,  und  anfang 
des  gesprächs ,  dessen  ende  uns  in  xn  vorliegt,  die  kleine  lücke 
zwischen  xn  und  xni  enthielt  dann  den  weiteren  verlauf  des  aus 
XII  zu  erratenden  fluchtähnlichen  rittes,  das  betreten  des  vater- 
ländischen bodens  (vgl.  v  585)  und  die  ankunft  in  der  bürg  der 
commater  nebst  der  meidung  bei  der  herrin.  da  nun  aus  der 
Zählung  der  SFlorianer  fragmente  mit  hoher  Wahrscheinlichkeit 
sich  ergibt  dass  mit  G  44  ein  neuer  abschnitt  anhebt,  so  kann 
nicht,  wie  Anz.  ix  76  vermutet  ist,  die  gränzmarke  zwischen 
fremde  und  heimat  zugleich  den  anlass  zur  Scheidung  der  zwei 
gesänge  gegeben  haben ,  sondern  mit  G  43  wird  die  hinricbtung 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  11 

des  roten  und  überhaupt  die  geschichte  von  den  ursprünglichen 
drei  lehren  zu  ende  gebracht  sein ,  sodass  das  neue  capitel  mit 
der  Unterredung  zwischen  ohm  und  ueffen  begänne,  ist,  wie 
oben  gemutmafst  worden,  das  Verhältnis  des  contribulis  zu  der 
jungen  bäurin  schon  durch  den  schäfer  erzählt  im  anfang  der 
lücke  zwischen  vi  und  vn,  welche  auf  63 — 64  verse  zu  berechnen 
sein  wird,  so  reichen  die  118  verse  von  G  44  bis  zum  anfang 
von  XII  reichlich  hin  zur  auseinandersetzung  zwischen  den  beiden 
verwandten. 

Dieser  ganze  dritte  abschnitt  schildert  die  fürsorge  des  miles 
für  seinen  auf  abwege  geratenen  contribulis J  ob  der  letztere  schon 
in  dem  ursprünglichen  plan  diese  breite  Stellung  eingenommen 
habe,  ist  sehr  zweifelhaft,  sollte  der  in  der  fünften  lehre  ge- 
nannte contribulis  (v  472)  den  unsrigen  meinen,  so  wäre  in  der 
älteren  conception  das  Verhältnis  zwischen  ohm  und  neffen  ganz 
anders  gedacht  gewesen  als  es  jetzt  sich  darstellt. 

Fassen  wir  nun  die  übrigen  lücken  dieses  abschnitts  ins 
äuge,  zwischen  dem  schluss  von  xui  und  dem  anfang  von  ix 
fehlen  78  verse,  zwischen  ix  und  x  sind  99  ausgefallen,  zwischen 
X  und  XI  nur  33,  hinter  xi  standen  noch  100  zu  läge  G  ge- 
hörige, aufserdem  etwa  2  den  anfang  der  läge //  bildende,  dann 
schliefst  sich  xv  an,  und  damit  ist  der  abschnitt  zu  ende.  vgl. 
Anz.  IX  76.  77.  das  ganze  zerfällt  in  zwei  hälften:  die  erste 
zeigt  uns  die  entwicklung  des  liebesverhältnisses  zwischen  dem 
neffen  des  miles  und  der  tochter  der  commater,  die  zweite  führt 
uns  ins  haus  des  miles,  der  von  nun  an  den  nameu  Ruodlieb 
trägt,  und  schliefst  mit  der  hochzeit  des  jungen  pares. 

Wie  lang  der  aufenthalt  auf  der  bürg  der  commater  gedauert 
habe,  ist  schwierig  auszumitteln.  auf  der  einen  seile  brauchen 
wir  zeit,   bis  die  beziehungen   der  jungen  leute  dahin  gediehen 

*  hiernach  möchte  ich  an  dem  abschnitt  Ruodlieb  redux  (Anz.  ix  76) 
noch  eine  andere  correctur  vornehmen,  nämlich  ihn  bis  v.  102  der  läge  H 
{=  schluss  von  xv)  reichen  lassen ,  sodass  die  episode  'ohra  und  neffe'  den 
eigentlichen  gegenständ  des  capitels  bildet,  aufser  jenen  102  versen  ge- 
hören also  dazu  noch  die  letzten  91  von  läge  G  (904  —  994),  im  ganzen 
193  verse,  vi'elche  zusammen  mit  den  bisher  angesetzten  S60  die  summe 
von  1053  versen  ergeben,  damit  erhalten  die  drei  ersten  bücher  nahezu 
gleichen  umfang,  das  vierte  dagegen,  welches  ja  lediglich  den  anschluss 
an  den  Ru,odliebus  zu  vermitteln  hat,  wird  um  die  nämlichen  193  verse 
verkürzt  und  muss  sich  mit  528  begnügen. 


12  DIE  LÜCKEN  IM  RIJODLIEB 

sind,  dass  sie  die  einwilligung  von  seilen  der  mutter  des  fräuleins 
bekommen;  und  damit  stimmt  die  oben  gemachte  bemerkung  über 
die  erdbeer-  und  kirschenreife,  auch  setzt  vielleicht  die  freude 
der  mandpia  x  18  einen  längeren  aufenthalt  des  miUs  voraus, 
auf  der  anderen  sollte  man  erwarten ,  der  miles  habe  nach  hause 
getrachtet,  wie  er  denn  auch  x  13  ff  grofse  eile  eigt.  augen- 
scheinlich aber  hat  er  keine  ahnung,  wie  nahe  der  heimat  er 
sich  befinde  (x  14);  die  beziehungen  der  burgfrau  zu  seiner 
mutter  sind  ihm  unbekannt  (x  3),  und  umgekehrt  erfährt  man 
jetzt  erst  im  hause,  wessen  söhn  er  sei  (x  17).  will  man  also 
nicht  zu  der  gezwungenen  auskunft  greifen,  ein  gegenseitiges 
versteckspiel  anzunehmen,  so  bleibt  nichts  anderes  übrig,  als 
beide  teile  eine  zeit  lang  unerkannt  verkehrend  zu  denken,  frei- 
lich sollte  man  meinen ,  der  ritter  habe  gleich  anfangs  seinen 
namen  genannt,  und  das  hätte  sofort  auf  die  erörterung  jener 
Patenschaft  führen  müssen,  allein  der  dichter  könnte  den  um- 
stand, dass  seine  Personen  überhaupt  ohne  namen  auftreten,  zur 
Umgehung  jener  förmlichkeit  benützt  haben ,  um  dadurch  einen 
längeren  aufenthalt  auf  der  bürg  zu  ermöglichen.  —  auch  bei 
der  bisherigen  anordnung  ergeben  sich  dieselben  Schwierigkeiten; 
vgl.  s.  36  der  neuen  ausgäbe:  'dass  Ruodlieb  diese  frage  so 
spät  stellt,  ist  nicht  zu  verwundern ;  es  liegt  in  ihr  etwas  pein- 
liches' usw.  der  hier  angedeutete  gedanke,  der  miles  habe  zeit  ge- 
braucht, um  mit  der  unbehaglichen  neuigkeit  (aus  der  er  auf  eine 
zweite  ehe  seiner  mutter  schloss)  innerlich  ins  reine  zu  kommen, 
hätte  etwas  sehr  ansprechendes,  wäre  nur  nach  dem  obigen  über- 
haupt wahrscheinlich  dass  er  sie  schon  früher  erfahren  habe. 

Am  schluss  von  xin  sehen  wir  die  beiden  gaste  nach  be- 
endigung  ihrer  toilette  zu  den  damen  zurückkehren,  welche  am 
fenster  stehen  und  ausguck  halten,  zwar  scheint  an  jenem  tage 
coena  und  prandium  in  eine  einzige  mahlzeit  zusammengezogen 
zu  sein  (Seiler  s.  99),  die  dann  früher  fiele  als  das  übliche  haupt- 
mahl vor  Schlafengehen;  immerhin  aber  werden  wir  uns  zu  der 
sceue  am  fenster  abendbeleuchtung  zu  denken  haben,  der  anfang 
des  nächsten  fragmentes  (ix)  zeigt  uns  die  gesellschaft  bei  den 
abgerichteten  vögeln,  zu  deren  besichtigung  eine  späte  stunde 
sich  nicht  wol  eignet,  mitbin  fällt  in  die  lücke  von  78  versen 
zum  mindesten  eine  nacht,  vielleicht  eine  ganze,  summarisch  be- 
handelte reihe  von  tagen  oder  wochen.    während  in  xin  die  unter- 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  13 

haltung  aus  den  eigenen  mittein  der  gesellschaft  bestritten  wird, 
finden  wir  in  ix  eine  bände  fahrender  leute.  auch  die  vögel 
scheinen  dieser  truppe  zu  gehören  und  im  hause  neu  zu  sein, 
das  zeigt  das  benehmen  des  fräuleins.  während  den  älteren  per- 
sonen  das  unaufhörliche  gezwitscher  unleidlich  ist,  bereitet  es 
der  herilts  ein  ohlectamentiim  deliciosum  (ix  12)  und  sie  scheint 
sich  gar  nicht  trennen  zu  können;  wenigstens,  da  der  miles  und 
sein  cotisanguineus  die  domina  zu  den  harfnern  begleiten  (v,  25), 
ist  sie  nicht  mitgenannt,  auch  deutet  die  Überleitung  mit  int  er ea, 
wie  VII  26;  x  22,  augenscheinlich  darauf  dass  das  fräulein  zurück- 
geblieben ist.  V.  46  ff  hat  sie  sich  allerdings  der  übrigen  gesell- 
schaft wider  angeschlossen,  ohne  dass  es  ausdrücklich  erwähnt 
wäre  (in  der  kurzen  lücke  hinter  v.  35  stand  es  schwerlich),  da 
V.  5  hervorgehoben  ist  dass  die  in  dem  gröfseren  käfig  (doma) 
befindlichen  vögel  rasch  zutraulich  werden,  und  da  aus  v.  20 
erhellt  dass  für  den  kleineren  bauer  (domicella)  noch  eine  ab- 
gerichtete stärin,  den  anderen  zur  lehrmeisterin,  eligitur,  so 
dürfen  wir  wol  annehmen ,  die  tierchen  seien  eben  erst  gekauft, 
ausgewählt  aus  einem  gröfseren  vorrat,  und  als  Verkäufer 
wären  die  fahrenden  zu  denken,  auf  deren  gegenwart  die  har- 
patores  weisen,  die  kunst,  vögel  sprechen  zu  lehren,  stand  zu 
Byzanz  in  hoher  blute  (Prutz  Culturgesch.  der  kreuzzüge  s.  448)  — 
und  somit  wäre  zu  den  sonstigen  morgenländischen  bezügen 
unseres  gedichts  möglicher  weise  ein  neuer  zu  fügen. 

Weiterhin  folgt  die  bekannte  schöne  stelle  vom  tanz  des 
jungen  pares.  aus  v.  53  ff  lässt  sich  wahrscheinlich  machen  dass 
erst  jetzt  die  keimende  neigung  ihnen  selber  zum  bewustsein 
kommt,  während  die  mutter  schon  früher  bemerkte,  was  im 
werden  war,  und,  weil  sie  es  guthiefs,  den  zwanglosen  verkehr 
der  jungen  leute  begünstigte,  unter  diesem  gesichtspunct  würden 
vielleicht  die  lustbarkeiten  als  absichtliche  Veranstaltung  zu  be- 
trachten sein  nicht  blofs  zu  ehren  der  gaste,  sondern  hauptsäch- 
lich der  tochter  zu  liebe. 

Andeutungen  dieser  art  könnten  allenfalls  in  der  78  verse 
betragenden  lücke  vor  fragm.  ix  gestanden  haben,  eine  erörterung 
zwischen  der  mutter  und  dem  miles  über  die  Verhältnisse  des 
contribulis  fand  schwerlich  schon  dort  ihren  platz ,  sondern  wahr- 
scheinlich erst  in  der  folgenden  lücke  von  99  versen ;  und  diese 
auseinandersetzung  wird  dann  auch  zur  entdeckung  der  familien- 


14  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

beziehungen  des  miles  geführt  haben ,  welche  im  eiogang  von  x 
besprochen  werden,  da  dem  leser  das  abenteuernde  leben  des 
contrihulis  schon  aus  den  partien  hinter  fragm.  viii  bekannt  sein 
muste,  so  durfte  hier  der  dichter  sich  kurz  fassen  und  wird  sich 
darauf  beschränkt  haben,  durch  den  miles  die  hera  aufmerksam 
machen  zu  lassen  dass  ein  'verlorener  söhn'  ihr  als  eidam  un- 
willkommen sein  möchte,  worauf  dann  sie  etwa  äufserte,  sein 
kern  scheine  unverdorben,  nach  solchen  erfahrungen  werde  er 
ein  um  so  musterhafterer  ehemann  werden,  sie  selber  stofse  sich 
nicht  an  seiner  Vergangenheit,  die  tochter  aber  habe  ohnehin 
ihr  herz  an  ihn  verloren  udgl. 

Ob  der  miles  auf  bitten  seines  neffen  oder  aus  eigenem  an- 
trieb mit  der  mutter  gesprochen,  ist  aus  den  bruchstückeu  nicht 
zu    entnehmen,     wir  sehen    nur  so  viel,    dass  das  pärchen  jetzt 
seine  gefühle  nicht  mehr  verltergen  kann  oder  will  (x  29).    v.  31 
braucht   nicht  auf  eine   schon   ausgesprochene   Zustimmung  der 
mutter  zu  der  heirat  zu  deuten,  sondern  kann  auch  heifsen:  die 
mutter,   welche  weifs   und  vor  äugen   sieht,   wie  es  steht,   hat 
nichts   gegen    die   sofortige  Verbindung,   aber   sie  achtet   selbst- 
verständlich auf  das,   was  die  sitte  erheischt,     die  Ungeduld  des 
mädchens  allerdings  (v.  32)  lässt   schliefsen  dass  sie  der  einvril- 
ligung  der  mutter  schon  sicher  war.  —  schwer  ist  zu  eulrälseln, 
was  der  dichter  unter  dem  soloecismus  versteht,  vermöge  dessen 
der  Jüngling  die  Jungfrau  mutato  sexu   als  suus  und  sie  ihn  als 
siia   anredet,     der  herzwechsel  (Myth.^  3,  247)  könnte  die  sache 
allenfalls  erklären  helfen,    vielleicht  aber  ist  an  ein  Wortspiel  zu 
denken ,  deren  das  gedieht  ja  mehrere  bietet  (Anz.  ix  96) ,    etwa 
zwischen  man  und  diw.nü  histu  mir  gemannet,  sagt  er,  worauf  sie 
so  bist  mir  du  gediut  (Graff  5,  89).    man  vergleiche,  wie  im  lande 
ob    der  Enns  Simon   als    namenspatron  der  pantoffelhelden    gilt, 
weil  er  ein  sie -mann  und  umgekehrt  sie  mann  ist  (Baumgarten 
Volksmäfsige  Überlieferung  der  heimat  =  achlundz wanzigster  be- 
richt  über  das  museum  Francisco -Carolinum,  Linz  1869,  s.  41). 
Es   folgt   nun    eine   lücke   von    27  versen,    vermutlich   ab- 
machungen  über  die  ordnungsmäfsige  Werbung  (Weiuhold  Deutsche 
frauen  205 — 207)  und  den  aufbruch  der  beiden  gaste  berichtend, 
dann  eine  stark  verstümmelte  stelle  33 — 66,  am  schluss  mit  einer 
lücke  von  9  versen:    die  beiden  herren    auf  dem  ritt    nach  dem 
hause  des  miles.    es  kommen  zweimal  oscida  vor;  das  erste  mal 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  15 

begrüfst  der  ritter  die  abgesandten  seiner  mutler  (v,  39f),  das 
zweite  mal  (v.  57)  scheinen  die  küsse  antwort  auf  eine  entschul- 
digung  der  einholenden  (v,  54  non  nisi  tres).  den  schluss  des 
fragments  bildet  die  anmutige  scene  mit  dem  knaben  auf  dem 
kirschbaum ,  welche  zur  einführung  des  namens  Ruodb'eb  dient. 
Von  hier  an  heifst  der  held  ausschlielslich  Ruodlieb;  wenn 
X  90  der  ausspähende  knabe  ruft  'der  herr  naht,  freuet  euch!' 
und  zwei  Zeilen  zuvor  gesagt  wird ,  er  habe  seinen  dominus  aus 
dem  wald  hervortauchen  sehen ,  so  wird  das  wol  niemand  als 
durchbrechung  dieses  ausschliefslichen  gebrauchs  ansehen,  die 
entscheidende  bedeutung,  welche  die  einführung  des  namens  hat 
sowol  bezüglich  der  anordnung  der  fragmente  als  der  entstehungs- 
geschichte  des  ganzen  gedichles ,  mag  es  rechtfertigen ,  wenn  wir 
hier  den  gang  unserer  Untersuchung  uoterbrechen  und  den  Sach- 
verhalt etwas  ausführlicher  als  früher  geschah  darlegen. 

1)  die  einzige  stelle,  wo  die  ausgaben  das  wort  Ruodlieb 
noch  aufserdem  kennen,  ist  v  223;  allein  es  rührt  da  nicht  vom 
dichter  her.  der  obere  rand  des  blattest  zeigt  starke  kleister- 
spuren, durch  das  ablösen  vom  holzdeckel  ist  der  anfang  der 
zweiten  zeile,  vor  dilectae,  so  beschädigt  worden,  dass  mau  eine 
rasur  vor  sich  zu  haben  glaubt,  das  wort  Ruodlieb,  welches 
heutzutage  hier  zu  lesen  steht,  gibt  sich  schon  dadurch  als 
spätere  zutat  zu  erkennen,  dass  man  darunter  noch  leise  spuren 
eines  etwas  kürzeren  Wortes  sieht,  dessen  letzter  buchstabe  kein 
b  war.  aufserdem  ragt  es  mit  seinem  R  über  die  columne  in 
den  leergelassenen  rand  hinein ,  läuft  schräg  unter  die  zeile  und 
ist  mit  roter  linte  geschrieben  und  unterstrichen,  und  zwar  mit 
derselben,  welche  auch  anderwärts  zum  unterstreichen  einzelner 
ausdrücke  angewandt  ist,  zb.  auf  bl.  29,  wo  zweimal  Ruodlieb 
in  dieser  weise  hervorgehoben  wird:  ohne  zweifei  bildete  dies 
bl.  29  die  vorläge  für  den  ergänzer,  dem  übrigens  die  nachbil- 
dung  nicht  völhg  glückte  (sein  R  hat  eine  in  der  ganzen  hs. 
nicht  widerkehrende  gestalt).  davon,  dass  etwa  alte  schwarze 
schriftzüge  mit  rot  nachgefahren  wären,  zeigt  sich  nicht  die 
mindeste  spur;  wäre  das  aber  auch  der  fall,  und  hätte  der  dichter 
selbst  die  correctur  vorgenommen,  so  dürften  wir  darin  nichts 
weiter  erblicken  als  einen  vereinzelten  versuch,  den  namen  nach- 
träglich in  den  früheren  text  einzusetzen  —  einen  versuch  übrigens, 
^  vgl,  das  beigegebene  facsimile. 


16  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

der  die  hübsche  erfindung  der  kirschbaumscene  um  ihren  tech- 
nischen wert  brächte,  allein,  wie  gesagt,  die  beschaffenheit  des 
Pergaments,  die  schrift,  die  tinte  gibt  für  eine  solche  Vermutung 
nicht  den  geringsten  anhält,  im  gegenteil  deutet  die  wähl  der 
roten  tinte  auf  eine  besondere  vorsieht,  den  schein  einer  fälschung 
zu  vermeiden.  Schmeller  mag  den  eintrag  schon  vorgefunden 
haben,  sonst  würde  er  nicht  s.  239  die  stelle  mit  unter  denen 
aufführen,  die  den  uamen  darbieten,  allerdings  wird  die  auf- 
zählung  (die  etwas  flüchtig  geraten  ist,  denn  ihr  nach  fände  sich 
die  form  mit  t  nur  3  mal)  nach  dem  druck  gearbeitet  sein ,  und 
in  diesem  oder  schon  in  seiner  abschrift  könnte  der  herausgeber 
V  223  die  anbriugung  von  klammern  übersehen  haben,  so  gut 
wie  X  (=  Seiler  xi)  34  die  irreführende  antiqua  steht,  dass  er 
selbst  (in  gutem  glauben)  das  wort  vor  jähren  in  die  hs.  gesetzt 
und  das  später  bei  der  herausgäbe  vergessen  gehabt,  ist  aber 
doch  nicht  wahrscheinlich. 

2)  in  dem  kurzen,  mit  xvii  85  beginnenden  Schlussabschnitt 
ist  die  prosodie  und  metrische  Verwendung  des  Wortes  Ruodlieb 
eine  andere  als  zuvor,  die  silbe  lieb  nämlich  erweist  sich  als 
unzweifelhaft  kurz  xvii91;  xvni  3. 14  (vielleicht  auch  xvii  87 
Ruodlieb  nalde)  und  steht  deshalb  in  der  Senkung;  durch  position 
verlängert  kommt  sie  in  dieser  nur  noch  einmal  vor  xvn  96; 
sonst  tritt  sie  in  position  nur  unter  dem  ictus  und  regel- 
mäfsig  folgt  eine  lange  silbe  xvn  85.  100.  107;  xviii  30.  in 
den  vorhergehenden  abschnitten  dagegen  ist  lieb  ebenso  un- 
zweifelhaft von  natur  lang  x  78  und  steht  deshalb  sowol 
ohne  ictus  (xi  18.34;  xv  42.  90;  xvi  19.  26;  xvn  51)  wie  mit 
ictus,  hat  aber  im  letzteren  falle  gewöhnlich  zwei  kürzen 
nach  sich  (x  78.  84;  xv  8.  17;  xiv  65;  xvn  59),  seltener  eine 
länge  (xi  30;  xvl8.  46;  xvn  10).  man  sieht,  es  handelt  sich 
nicht  um  eine  regel  mit  gelegentlichen  ausnahmen ,  sondern  um 
zwei  verschiedene  regeln ,  deren  jede  ihren  bestimmt  abgegränzten 
bereich  hat ,  um  einen  an  bestimmter  stelle  eintretenden  Umschlag 
der  quantitätsempfmdung  bezüglich  der  silbe  lieb. 

3)  dieser  Umschlag  tritt  genau  da  ein ,  wo  die  ganze  haltung 
des  gedichtes  sich  ändert  (Schmellers  ausg.  217).  beiden  er- 
scheinungen  wird  mithin  eine  gemeinsame  Ursache  zu  gründe 
liegen,  wir  treten  aus  dem  roman  ins  epos,  das  sich  durch 
seinen  apparat  von  vorausdeutenden  träumen,  zwergen,  königs- 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  17 

töcbtern  auf  den  ersten  blick  kenntlich  macht,  wir  vertauschen 
die  Sphäre  des  täglichen  lebens  mit  dem  Stoff-  und  anschauungs- 
gebiet  der  heldensage,  wir  vernehmen  die  namen  der  handelnden 
personen,  während  sich  bisher  alles  in  der  anonymität  des 
märchens  bewegte,  wir  erhalten  in  dem  träum  der  mutter  ein 
neues  programm  statt  des  im  lehrencatalog  aufgestellten  alten, 
dies  letztere  war  nur  in  bezug  auf  die  drei  ersten  lehren  durch- 
geführt worden  und  blickte  im  weiteren  verlauf  blofs  noch  aus 
einzelnen  zügen  und  moliven  hervor,  und  dies  aufgeben  des 
alten  zu  gunsten  des  neuen  spiegelt  sich  zugleich  darin ,  dass 
noch  innerhalb  der  realistischen  partie  die  anonymität  des  haupt- 
helden  bei  schicklicher  gelegenheit  fallen  gelassen  wird,  der 
neue  plan,  lediglich  als  solcher,  kann  aber  unmöglich  eine  ver- 
änderte prosodie  des  namens  nach  sich  ziehen,  sie  kann  nur  aus 
einem  fertig  vorliegenden  anderen  gedieht  stammen,  solange  der 
dichter  aus  diesem  gemutmafsten  werke  in  das  seine  nichts  weiter 
herübernahm  als  den  namen  Ruodlieb,  folgte  er  in  dessen  pro- 
sodischer  behandlung  seinem  eigenen  Sprachgefühl;  sobald  er  in 
das  werk  selbst  eintritt,  nimmt  er  die  prosodie  wie  er  sie  hier 
findet:  er  entlehnt  nicht  mehr  blofs  den  namen,  sondern  die 
verse,  an  denen  er  nach  bedarf  da  und  dort  ändern  mag,  die 
aber  seine  vorläge  sind,  er  wird  aus  einem  dichter  zum  ab- 
schreiber  und  hört  mit  abschreiben  auf,  sobald  er  meint  nun 
dem  älteren  dichter  einfach  das  wort  lassen  zu  sollen. 

Diese  ganze  Zwischenerörterung  wäre  vielleicht  entbehrlich, 
hätte  nicht  der  neue  herausgeber  gegen  die  von  mir  vorge- 
schlagene anordnung  der  fragmente  und  meine  annähme  eines 
Ruodliebus  (wie  ich  nach  analogie  von  Waltharius  und  zum  unter- 
schied von  unserem  gedieht  sage)  Zs.  27,  332  ff  einen  angriff  ge- 
richtet, der  freilich  nicht  viel  mehr  als  seinen  wünsch  beweist, 
die  von  ihm  gewählte  reihenfolge  zu  retten,  er  betont  seine 
Übereinstimmung  mit  Schmeller,  dessen  Zählung  er  nicht  einmal 
seiner  eigenen  ausgäbe  beigefügt  hat,  und  dessen  äufserung,  dass 
er  gerade  bei  den  letzten  14  blättern  es  sich  am  wenigsten  habe 
zu  danke  machen  können  (Schmeller  202),  jener  Übereinstimmung 
nicht  sonderlich  zur  empfehlung  gereicht.  er  spricht  gerne 
davon,  dass  ich  dies  oder  jenes  soll  versehen,  allenfalls  auch 
nachträglich  erkannt,  gleichwol  aber  nicht  geändert  haben,  er 
weifs,  worin  mein  'fehler  besteht',  redet  von  einem  auf  sand  ge- 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVll.  2 


18  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

gründeten  haus,  einem  phanlom  udgl.  die  paläographische  tat- 
sache,  dass  v  223  der  uanie  Ruodlieb  unecht  ist,  bezweifelt  er 
unter  berufuug  auf  sein  gedächtnis.  die  zweite  tatsache,  dass 
dieser  narae  erst  in  der  letzten  hälfte  des  gedichtes  gebraucht 
wird,  sucht  er  aus  ästhetischen  gründen  zu  erklären;  wie,  lese 
man  s.  335 ff  nach,  gegen  die  dritte  tatsache,  dass  die  prosodie 
des  Wortes  im  Schlussabschnitt  plötzlich  eine  andere  wird ,  glaubt 
er  aufzukommen  durch  den  hinweis  auf  die  gelegentliche  Ver- 
wendung der  ersten  silbe  in  monedula  als  länge,  die  vierte  tat- 
sache aber,  dass  das  auftreten  der  neuen  prosodie  zusammenfällt, 
mit  der  neuen  haltung  des  gedichts ,  verschweigt  er.  dass  über- 
haupt alle  vier  aufs  engste  zusammengehören,  dass  auf  ihrem 
ineinandergreifen  ihre  beweiskraft  wesenthch  mitberuht,  dieser 
fünften  tatsache  entzieht  er  sich ,  indem  er  bald  hier  bald  da  einen 
Stab  aus  dem  bündel  nimmt  und  einzeln  abzutun  sucht. 

Ich  hatte  aus  jenen  tatsacheu  gefolgert,  es  seien  zwei  be- 
standteile  zu  sondern ,  und  glaubte  den  zweiten  derselben  be- 
stimmen zu  dürfen  als  bruchslück  eines  alten  Ruodliebus.  in- 
dem ich  fragte,  aus  welchen  gründen  und  in  welcher  weise  die 
Verknüpfung  beider  teile  vorgenommen  worden  sei ,  ergaben  sich 
notwendige  coroUarien ,  aber  keine  neue  hypothese.  auf  grund 
der  tatsache  endlich ,  dass  in  einem  einzigen  fragment  der  held 
erst  miles,  dann  Ruodlieb  heifst,  alle  übrigen  aber  ihn  ent- 
weder appellativ  oder  namentlich  bezeichnen,  unternahm  ich 
es,  jenes  eine  fragment  als  brücke  zwischen  die  appellierende 
und  die  nomenclatorische  gruppe  zu  stellen ,  und  fand  dass  sich 
diese  neuordnung  nicht  nur  mit  jener  hypothese  vertrug,  sondern 
auch  den  gang  der  handlung  vereinfachte,  wieso  nun  das  eine 
'hypothese  von  sich  ausschliefsenden  miles-  und  Ruodlieb-ah- 
schnitlen'  heifsen  kann  (aao.  338),  ist  mir  unklar,  noch  unbe- 
greiflicher aber  dass  das  meine  'erste'  hypothese  sein  soll,  an 
welche  eine  andere  sich  'lehne'. 

Die  annähme  eines  zweiten  bestandteils  halte  sich  gestützt 
auf  die  einfülirung  lieroischer  namen ,  auf  die  neue  prosodie  der 
silbe  lieb,  auf  die  veränderte  haltung  des  gedichts  und  einige 
minder  erhebliche  gründe  (Anz.  ix  71.  72).  während  nun  mit 
den  letzteren  die  eutgegnung  sich  ausführlich  beschäftigt,  lässt 
sie,  mit  einer  einzigen  ausnähme,  jene  'gewichtigen'  unberührt, 
etwas  mehr  Vollständigkeit  in  der  aufzählung  der  von  mir  'vor- 


DIE  LÜCKEN  IM  RÜODLIEB  19 

geführten'  beweise  hätten  die  leser  schwerlich  übel  genommen, 
auch  etwas  mehr  vorsieht  im  gebrauch  grofser  worte  wäre  viel- 
leicht  zweckmäfsig   gewesen,     wer  bei   gelegenheit  des  von  mir 
'vorgeführten'  verses   xvm  5    so  zuversichtlich    sein   'letzteres  ist 
einfach  nicht  richtig'  zum  besten  gibt,  der  müste  seine  kenntnis 
des  reimgebrauchs  anders  docuinentieren  als  durch  die  dort  bei- 
gebrachten   belege    geschieht,     ein    vers,    der    ein    citat   enthält, 
kann  doch  wol  nicht  ernstlich  in  anschlag  kommen,  ^  damit  fällt 
also  IX  48  fort;  die  drei  anderen  beigebrachten  stellen  aber  sind 
völlig  untauglich  zu  dem  beweise,    dem  sie  dienen  sollen, 2  und 
ich  bleibe   dabei   dass  xvni  5  der   herkunft  aus    einem   anderen 
gedieht   aufs  dringendste  verdächtig   sei.     ich   setze   sogar   noch 
zu  einem  anderen  verse  des  Schlussabschnittes  den  obelus.     eine 
schlagende   gegenprobe   nämlich   auf   die    richtigkeit   der   in  der 
anm.  1  dargelegten  beobachtungen  über  die  behandlung  des  reims 
ist  die,   dass  mit  ihrer  hilfe  auch   in    den  angeblich  reimlosen 
Versen    (vgl.    die   eiul.    s.  153)    der   reim    sich   nachweisen   lässt. 
vm  50  zerfällt   in   zwei  halbverse,   die   in    sich   selbst  vocaliscb, 
unter  einander  consonantisch  reimen,    in  halbverse,  deren  reim 
aber   zugleich   an    die   umschliefsenden  verse    sich  anlehnt,   zer- 
fällt auch  v551.    die  assonanzen  des  zweiten  halbverses  in  xi  3 
klingen   auch   in   der  ersten   hälfte   wider,    deren   ende   seiner- 
seits mit  der  cäsur  des  vorhergehenden  verses  reimt,     vi  73  ist 
die  ergänzung  falsch  (vgl.  dazu  Diez  Wörterb.^  1,  363:  sagimen), 
es   muss  heifsen:   ad  quae  nil  nisi  lac  posco  modicum  vesaginam 
(ein  wenig  milch,  und  schmalz;  über  ve  s.  Anz.  ix97),  und  der 
reim  ist  lac:nam,  zugleich  saginam :  farinis.    in  vii  18  reimt  in 
hac  auf  ittat  und  i  dat  der  vorhergehenden  verse  und  auf  istud, 
das  sich  gleichfalls  an  jene  lehnt,    xvii  72  ist  isse  gespalten  zwi- 
schen ico  (ito)  und  essit  der  Umgebung ,  der  cäsurreim  vernach- 
lässigt;   zur   stütze  dient   tun  :  dona.     v  524  assoniert   die  cäsur 
vocalisch  mit  der  vorhergehenden ,  undo  consonantisch  mit  ante; 
aufserdem  assonanz  in  a  (sata,  fiant ,  nam,  fossas).     bei  xvii  52 
reimt  die  cäsur  mit  der  vorhergehenden,   der  schluss  assoniert 
^  auch  IX  22,  gleichfalls  mit  einem  citat,  ist  unregelmäfsig:   usque  'qui 
esfin  coelis'    lis  j  lis  lis  triplicatis.     die  worte  qui  es   sind   behandelt  als 
stünde  quies.    so  gestattet  sich  der  gegen  den  hiatus  überaus  strenge  archi- 
poeta  eine  ausnähme  in  dem  citat  tu  autem  (JGrimra  Kl.  sehr.  3,49);  vgl. 
WMeyer  Ludus  de  antichristo  s.  135. 
2  s.  anm.  1  am  schluss. 

•2* 


20  DIE  LÜCKEN  IM  RÜODLIEB 

mit  dem  folgenden;  hilfsreim  vidit :  dixit.  vii  116  spaltet  sich 
der  schluss  nach  den  umgebenden  versschlüssen  hin  (wobei  n 
auf  m  reimt  wie  xv  44),  zugleich  findet  vocalische  Verstärkung 
statt  durch  perqueA  hephthemiraeres  findet  sich  an  drei  stellen. 
VI  62  reimt  die  cäsur  vocalisch  mit  dem  schluss  (Verstärkung 
durch  cumque,  sufferre),  consouantisch  mit  dem  vorhergehenden 
vers.  VI  98  ist  die  cäsur  reimlos,  der  schluss  durch  zweisilbige 
assonanz  mit  den  umschliefseuden  versen  gebunden,  xvii  128 
assoniert  der  schluss  mit  127,  die  cäsur  wahrscheinlich  mit  dem 
verlorenen  nächsten  vers;  aufserdem  bene:male,  tibi : sibi.  be- 
denklich, jedoch  durch  zweisilbige  assonanz  an  den  folgenden 
vers  allenfalls  deutbar  ist  xviii  21.  mit  xvii  113  dagegen  weifs 
ich  gar  nichts  anzufangen  und  stelle  diesen  reimlosen  vers  neben 
den  cäsurlosen  xviii  5  als  beleg  für  die  abweichende  versbehand- 
lung  im  Schlussabschnitt,  für  sich  allein  betrachtet  liefse  sich 
diese  Sonderstellung  der  zwei  verse  gegenüber  dem  im  ganzen 
übrigen  gedieht  geltenden  gebrauch  aus  der  ermüdung  des 
dichters  erklären ,  der  mitten  im  werke  stecken  blieb ;  im  zu- 
sammenhält mit  den  anderen  gründen  erhöht  sie  die  Wahrschein- 
lichkeit, dass  der  anfang  eines  verlorenen  gedichtes  in  den 
schluss  unserer  fragmente  hereinragt. 

Wir  wenden  uns  wider  zur  besprechung  der  lücken.  eine 
kleine,  von  nur  33  versen,  trennt  die  kirschbaumscene  von 
fragm.  xi,  dessen  eigene  starke  blüfsen  durch  eins  der  blätter 
aus  SFlorian  so  glücklich  gedeckt  werden,  dass  wir  ein  ganzes 
gewinnen ,  dessen  Verständlichkeit  weder  durch  die  eben  bezeich- 
nete lücke,  noch  durch  die  zwischen  v.  9  und  10  fallende  von 
31  versen  wesentlich  beeinträchtigt  wird,  nach  diesem  fragment 
aber  gehen  102  verse  ab,  deren  hauptinhalt  wol  die  Vorbereitungen 
für  die  hochzeit  des  neffen  bildeten:  das  während  seiner  ab- 
vvesenheit  vernachlässigte  hauswesen  wird  für  den  einzug  der 
jungen  frau  in  stand  gesetzt,  die  förmliche  Werbung  (falls  sie 
nicht  schon  vor  x  angebracht  war)  erfolgt,  es  gehen  die  ein- 
ladungen  hinaus  zur  verlöbnisleier,  —  all  das  ohne  viel  scenische 
ausmalung,  in  schlichtem  historischen  Vortrag,  wie  er  noch  im 
anfang  von  xv  zu  spüren  ist.  dass  die  Verlobung  in  Ruodliebs 
hause,  statt  in  dem  des  bräutigams,  gefeiert  wird,  hängt  wol 
damit  zusammen,   dass   die  Schilderung    eines  neuen  locals  ver- 

*  s.  aiim.  2  am  schluss. 


DIE  LÜCKEN  IM  RÜODLIEß  21 

mieden  werden  sollte,  wie  sehr  der  dichter  zum  abschluss  der 
episode  drängte,  verrät  sich  darin,  dass  er  von  den  üblichen 
formalitäten  (vgl.  Auz.  ix94)  nur  diejenigen  erwähnt,  welche  der 
braut  zur  anbringuog  ihrer  schnippischen  redensarten  gelegenheit 
geben ;  auch  der  letzte  vers  des  abschnitts  ist  dafür  characteristisch. 
Über  die  Voraussetzung,  die  hierbei  gemacht  ist,  dass  näm- 
lich XIV  hinter  xv  gehöre,  darf  ich  auf  Anz.  ix  77  f  verweisen, 
das  doppelblalt,  auf  welchem  die  beiden  fragmente  stehen,  ist 
aus  zwei  stücken  zusammengeklebt,  mittels  eines  farblosen  Stoffes, 
wie  er  auch  bei  anderen  blättern  (zum  ausstückelu  eines  loches 
udgl.)  verwendet  ist.  im  lauf  der  zeit  hat  sich  die  bindung  eine 
strecke  weit  gelöst,  sodass  der  rand  des  einen  blattes  sich  auf- 
sträubt und  dadurch  das  umbiegen  des  anderen  nach  dieser  seite 
herüber  hindert,  wenn  man  nicht  die  vorsieht  gebraucht,  jene 
Sperrung  niederzudrücken. ^  wenn  ich  aao.  durch  eine  blofse 
Zurückdeutung  auf  s.  73  anm.  etwaige  bedenken  wegen  der  falzung 
zu  beseitigen  glaubte,  so  habe  ich  mich  geteuscht.  die  Zurecht- 
weisung, die  mir  Zs.  27,337  erteilt  wird,  fängt  mit  den  Worten 
an:  'aus  s.  16  konnte  L.  ersehen  dass  mir  bereits  der  gedanke 
gekommen  war,  blatt  25  und  30  umzustellen.'  ich  habe  das  in 
der  tat  ersehen,  weifs  mich  jedoch  nicht  zu  entsinnen,  ob  das 
für  mich  mitbestimmend  war  zur  vornähme  der  Umstellung,    im 

*  bei  dieser  gelegenlieit  sei  noch  einiges  über  das  äufsere  der  frag- 
mente gesagt,  eingebunden  war  das  ms.  niemals,  nicht  einmal  in  der  bei 
Wattenbach  Schriftw.*  331  anm.  2  angedeuteten  weise,  denn  wenn  auch 
die  nadelstiche  am  bug  der  doppelbiätter  innerhalb  der  einzelnen  lagen 
meistens  auf  einander  passen  (wobei  jedoch  keine  läge  zur  anderen  stimmt, 
an  durchlaufende  rückenschnüre  also  nicht  zu  denken  ist),  so  machen  die 
lagen  F  und  /  eine  ausnähme,  die  doppelbiätter  19.  24  und  20.  23  stimmen 
wol  unter  sich,  durchaus  nicht  aber  zu  21.  22;  ebenso  wenig  31.  34  zu 
32.33.  die  vorderen  lagen  könnten  wol  vom  dichter  geheftet  sein;  bei 
den  späteren  hätte  er  es  dann  unterlassen ,  und  die  stiche  würden  von 
einem  früheren  verband  herrühren,  aus  dem  er  sie  löste,  oder  aber  liefs 
er  die  lagen  ungeheftet  und  eine  spätere  band  holte  es  nach ,  wobei  einzelne 
blätter  an  die  falsche  stelle  gerieten  (und  dann  wäre  denkbar  dass  die  faden 
zugleich  durch  den  bug  eines  Umschlags  liefen);  auch  bei  dieser  annähme 
ist  nicht  ausgeschlossen  dass  die  stiche  z.  t.  aus  älteren  verbänden  her- 
rühren, sicherlich  nicht  der  fall  ist  dies  letztere  bei  bl.  31.  34,  dem  bruch- 
stück  eines  in  breiten  spalten  liniierten  folioblattes,  dessen  bug  nicht  zwi- 
schen diesen  spalten  verläuft,  sondern  in  die  eine  hineingerückt  ist,  ohne 
zweifei  weil  beim  ausschneiden  ein  streifen  des  inneren  randes  stehen  ge- 
lassen ward. 


22  DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB 

schlimmsten  fall  hätte  ich  mich  eines  fündlings  gegen  seinen 
vater  angenommen ,  der  nun  nachträglich  geneigt  scheint,  'nichts 
gegen  ihn  einzuwenden'  (ebenda  338). 

Damit  sind  wir  schon  in  die  erörterung  des  kurzen ,  über- 
leitenden buches  IV  eingetreten,  verloren  ist  der  anfang  von 
mutmafshch  210  versen  (= //,  103—312),  dann  folgt  bl.  25  oder 
fragm.  xiv,  das  im  anfang  3,  in  der  mitte  2  verse  eingebüfst  zu 
haben  scheint  {=  H,  313 — 387),  und  hieran  schliefst  sich  das 
erste  blatt  der  läge  J,  im  anfang  um  wenige  verse  verkürzt : 
fragm.  xvi,  für  die  lücke  hinter  diesem  fragment  sind  Anz.  ix  78 
ohngefähr  66  verse  angesetzt. 

Der  ganze  abschnitt  hat  die  aufgäbe,  den  bruch  mit  dem 
lehrencatalog  zu  vollziehen ,  damit  das  traumprogramm  an  die 
stelle  treten  könne  (vgl.  aao.  s.  89):  die  inscenierung  der  lehre  7' 
(v484 — 487)  dient  nur  dazu,  sie  ad  absurdum  zu  führen,  wenn 
Ruodlieb  ihr  folgend  sich  einfach  auf  den  rat  der  mutier  verliefse, 
so  würde  er  das  gegenteil  einer  mulier  cognoscibilis  heimführen ; 
er  behält  aber  die  äugen  selber  offen  und  kommt  hinter  die 
saubere  geschichte  mit  dem  dericus.  diese  entdeckung  muss  den 
hauptinhalt  der  grofsen  lücke  von  213  versen  vor  fragm.  xiv  aus- 
gemacht haben,  etwa  so:  nachdem  Ruodlieb  die  hochzeit  des 
neffen  ausgerichtet  hat,  hält  er  in  der  stille  für  sich  selbst  Um- 
schau unter  den  töchtern  des  landes,  bei  gelegenheit  von  be- 
suchen oder  durch  Vermittlung  eines  scurra  (vgl.  xvii  7;  dazu 
Weinhold  Deutsche  frauen  352  f);  seine  besondere  aufmerksamkeit 
erregt  das  nachher  vom  familienrat  ihm  empfohlene  fräulein.  wie 
es  ihm  gelang,  in  den  besitz  der  verräterischen  toilettestücke  zu 
kommen,  dafür  haben  wir  kaum  einen  anhält,  aus  xvn  31  ist 
nur  die  andeutung  zu  entnehmen  dass  das  Schäferstündchen  nicht 
in  ihrem  hause  stattfand,  war  es  im  walde,  so  konnte  Ruodlieb 
selbst  sie  belauscht  und  durch  ein  unvorsichtiges  geräusch  das 
per  verscheucht  haben ,  sodass  in  der  eile  der  flucht  hut  und 
bänder  zurückblieben,  dass  auch  der  kluge  hund  hiebei  wider 
aufgetreten,  wäre  nicht  unmöglich,  die  scene  wird  mit  behag- 
licher breite  ausgeführt  gewesen  sein ;  dass  der  dericus  dem  miles 
bei  einer  schonen  den  rang  abläuft,  ist  ein  nachmals  in  der 
vagantenpoesic  beliebtes  thema  (ühland  3,  41 2  ff),  die  erzähluug 
mag  bis  kurz  vor  xiv  gereicht  haben,  denn  die  durch  ganz  xiv 
und  den  anfang  von  xvi  sich  erstreckende  rede  der  mutter  (über 


die!  Lücken  im  ruodlieb  23 

deren  ergänzung  s.  Anz.  ix  77)  scheint  uns  nahezu  in  ihrem  vollen 
umfang  vorzuliegen,  nachdem  der  söhn  mit  verstellter  Unterwürfig- 
keit (plactdissime  xvi  19)  auf  den  verschlag  der  mutter  eingegangen 
ist,  kartet  er  (vgl.  xvii  17.  72)  mit  dem  freivverber  ab,  wie  der 
sich  vor  dem  fräulein  zu  benehmen  habe,  dies,  sowie  vorher 
der  ausgang  des  familienrates  und  nachher  der  empfang  des 
boten  bei  dem  fräulein,  stand  in  den  66  versen  zwischen  xvi 
und  XVII. 

Ebenso  viel  verse  sind  zwischen  xvn  und  xvui  ausgefallen, 
über  ihren  Inhalt  lässt  sich  nicht  mehr  sagen,  als  dass  er  von 
Ruodliebs  auszug  auf  abenteuer  handelte,  übrigens  ist  sowol 
diese  lücke  als  diejenigen,  welche  zwischen  den  vorderen  frag- 
menten  liegen,  von  keinem  belaug  für  das  Verständnis  des  ganzen, 
welches  nur  da  eine  füllung  der  leeren  räume  erheischt,  wo 
dieselbe  einen  hilfsbeweis  für  die  anordnung  der  bruchstücke 
abzugeben  vermag,  dass  ein  solcher  versuch  der  nachdichtenden 
phantasie  nicht  entrateu  kann,  wäre  blofs  dann  ein  grund  zum 
mistrauen,  wenn  er  zugleich  einen  mangel  an  behulsamkeit  ver- 
riete, ob  der  vorliegende  das  rechte  getroffen ,  würde  sich  am 
anschaulichsten  zeigen,  wenn  wir  eine  ausgäbe  besäfsen,  die 
seine  ergebnisse  verwertete,  in  bücher  geteilt,  mit  durchlaufender, 
auch  die  lücken  einbeziehender  verszählung,  in  den  Zwischen- 
räumen kurze  andeutungen  über  den  Inhalt  des  verlorenen;  un- 
mittelbar, ohne  die  krücken  einer  umständlichen  führung  des 
Wahrscheinlichkeitsbeweises,  würde  der  Zusammenhang  sich  dar- 
legen und  die  erzählung  verständlich  vor  unseren  äugen  dahin- 
schreiteu.  dafür  mag  ja  noch  rat  werden;  dass  die  bisherige 
reihenfolge  ein  völlig  verworrenes  bild  der  einschlägigen  partie 
gebe,  ist  auch  ohne  den  vergleich  mit  einer  anderen  anordnung 
zu  erkennen. 

ANMERKUNGEN. 

1.  Der  dichter  des  Ruodlieb  hat,  wo  ihm  der  gewöhnliche 
reim  unbequem  lag,  zu  allerhand  beheifen  gegriffen,  die  zwar 
auf  wenige  einfache  grundlinien  sich  zurückführen  lassen,  deren 
manigfaltigkeit  jedoch  nicht  in  der  kürze  darzulegen  ist.  eine 
art  der  assonanz ,  die  ich  gespaltenen  reim  nennen  möchte, 
tritt  gleich  im  beginn  des  gedichtes  auf:  i  2  reimen  cäsur  und 
schluss  nu^  vermöge  des  consonanten ,  vocalisch  lehnt  sich  jene 
an  den  vorhergehenden,   dieser  an  den  folgenden  vers;   andere 


24  DIE  LÜCKEiN  IM  RÜODLIEB 

beispiele:  i  102;  iii39;  iv211;  v74.  116.269.493.596;  vi  100; 
VIII  42.  dabei  kommen  verschiedene  modificalionen  vor:  i  38. 
56.73.139;  vl67;  vii  30.63.85;  viir27;  ix24;  xv74;  xvi37; 
XVII  29.  48.  wir  werden  dieser  reimform  noch  in  anderer  Ver- 
wendung begegnen:  hier  bildet  sie  lediglich  eine  abart  des  für 
unser  gedieht  so  characteristischeu  keltenreims  (vgl.  die  einl.  der 
neuen  ausg.  s.  150  f).  eine  stelle  wie  xvi  57  (itaiüer)  streift, 
so  fern  der  einsilbige  reim  die  regel  bildet,  an  diejenige  be- 
handlungsart,  welche  die  cäsursilbe  nicht  mit  in  den  reim  ein- 
bezieht, sodass  das  gewicht  desselben  nur  auf  dem  versschluss 
ruht;  wie  in  solchem  falle  dem  unreinen  reime  durch  mitreimende 
Wörter  innerhalb  desselben  verses  aufgeholfen  wird,  zeigen  die 
beispiele  i59;  vi  42;  xvii  50.  solche  plänkelreime  unterscheiden 
sich  vom  cäsurreim  dadurch,  dass  sie  an  keine  bestimmte 
stelle  des  fufses  gebunden  sind  (vgl.  auch  iv  12),  selbst 
in  dem  völlig  anders  gearteten  falle  nicht,  wenn  ein  blofser 
halbvers  als  reim-einheit  behandelt  ist,  ihnen  also  in  kleinerem 
rahmen  eine  dem  cäsurreim  analoge  bedeutuug  zukommt:  i  132; 
ivl51;  vl85.194;  yih^  (ovesiboves;  in  der  zweiten  hälfte  bilden 
adäquat  und  porcos  gespaltenen  reim  sui  capellas);  ähnlich  vi  51; 
VII  20  (ur:um;  bibit :  misü ;  zugleich  anlehnung  an  den  folgenden 
vers  —  inum:inae;  misü :  ipse);  xvn  70  (daneben  durch  quo  an- 
lehnung an  den  nächsten  vers);  viii  50  (assonanz);  iv  79  (blofs 
zweite  hälfte ,  durch  gespaltenen  reim  zugleich  mit  78  und  80 
gebunden);  iv  240  (anlehnung  au  die  umschliefsendeu  verse); 
viu  27  (der  schluss  durch  gespaltenen  reim  mit  der  cJisur  und 
dem  vorhergehenden  verse  gebunden,  daneben  am:  am,  nt:dt, 
pe:ptem).  dem  letzten  beispiel  ähnlich  ist  v  58,  doch  stehen 
die  begleitenden  reime  (mus :  mus)  auf  die  beiden  vershälften 
verteilt,  allenthalben  zeigt  sich  die  cäsur  als  strenge  regel ,  selbst 
in  der  oben  eliminierten  stelle  quem  per  sistema  siue  diastema 
dando  responsa  liefse  sich  uuter  annähme  einer,  freilich  sinn- 
widrigen, weiblichen  cäsur  hinter  siue  die  auffassung  verteidigen: 
siue  assoniert  mit  mirabiliter ,  quem,  per,  der  schluss  reimt  auf 
sistema  und  diastema.  keine  cäsur  dagegen  hat  xvni  5,  wol  aber 
steht  der  reim  am  schluss  des  dritten  fufses;  und  dass  im  ganz- 
vers  an  dieser  stelle  dieses  fufses  der  reim  unerhört  sei,  dieser 
satz  (und  einen  anderen  habe  ich  Anz.  ix71  nicht  aufgestellt) 
ist  durch  keine  abläugnung  umzustofsen,  aus  dem  einfachen 
gründe,  weil  der  reim  im  vollvers  an  die  cäsur  gebunden  ist. 
wer  jedoch  lust  hat  abzuteilen  si  me  non  occideris  atquejjmanus 
mihi  solues,  dh.  hephtliemimeres  anzunehmen,  und  zwar  weib- 
liche, und  zwar  widersinnige,  und  zwar  ohne  beenguug  durch 
ein  cilat,  der  könnte  zur  not  mit  hilfe  der  oben  gegebenen  an- 
deutungen  eine  reimbindung  nachweisen,  aber  auch  dann  haben 
wir  einen  vers,  wie  er  im  ganzen  gedieht  sich  sonst  nicht  findet, 
der  dichter  wollte  ihn  umgestalten   und  hatte  angefangen  si  non 


DIE  LÜCKEN  IM  RUODLIEB  25 

oc,  vermutlich  wollte  er  fortfahren:  cidesjjme,  dann  ward  er 
den  hiatus  durch  das  anstofsende  atque  inne  und  setzte  die  zeile 
her  wie  er  sie  vorfand ,  ohne  sich  der  vn  5  gebrauchten  auskunft 
(velque  für  atque)  zu  bedienen  —  auf  einen  schlecht  gebauten 
vers  mehr  oder  weniger  kam  es  nicht  an ,  wenn  er  darauf  ver- 
zichtete, den  Ruodliebus  umzuarbeiten,  gerade  dass  jene  nahe- 
liegende auskunft  übersehen  ward,  stimmt  aufs  beste  zu  meiner 
hypothese. 

2.  Sonst  ist  die  Verstärkung  einer  bestimmten  gattung  von 
versen  eigen :  sie  tritt  ein  bei  assonanz  ohne  anlehnung  an  den 
vor-  oder  nachstehenden  vers,  dh.  der  gemeinsame  consonant 
oder  die  vocale  finden  sich  noch  in  anderen  Wörtern  desselben 
verses  an  der  reimstelle  (dass  die  erscheinuug  auch  bei  völligem 
reim,  als  blofser  schmuck ,  nicht  selten  vorkommt,  benimmt  der 
beobachtung  nichts  von  ihrer  richtigkeit).  1)  consonantische 
Verstärkung:  ii  30.  35;  iv  71;  xni  37;  xi  17;  iv  247;  xm  132 
(anlehnung  an  den  verlorenen  nächsten  vers?).  2)  vocalische 
Verstärkung  (meist  mit  deckung  durch  schliefsende  consouanten): 
a)  beider  vocale:  v  544;  xvi  7;  iv  235;  viii  122;  xni  60;  m  25; 
XV  24;  VII  104;  b)  nur  des  einen  vocals:  v  535;  xvii  64;  v  222. 
292;  IX  52;  xv  81  (hier  zugleich  consonantische  anlehnung  an 
den  folgenden  vers),  3)  consonantische  und  vocalische  zugleich 
(die  vocalische  trifft  fast  ausnahmslos  nur  einen  der  beiden  vocale, 
verbindet  sich  jedoch  nicht  selten  mit  der  consonantischen  zu 
völligem  reime):  in  8.  32;  v235;  vi  4.  50 ;  viil09;  vm83;  v3; 
VI  59;  VII  91;  vin  98;  xiii  102;  xvii61.  —  statt  der  Verstärkung 
findet  sich  hie  und  da  der  beireim,  dh.  innerhalb  desselben 
Verses  steht  ein  zweites,  meist  reines,  reimpar,  das  sich  zu- 
gleich an  den  vorhergehenden  oder  folgenden  vers  anlehnt:  v  344; 
XIII  97;  1x69;  vi  90;  v  317.  eine  besondere  reihe  bilden  die 
wenigen  fälle,  wo  gedeckter  und  ungedeckter  vocal  assonieren ; 
sowol  Verstärkung  als  beireim  finden  sich,  aber  der  letztere  ist 
freier  behandelt:  v  425;  vn  13;  viii  121;  vi  74.  —  zweisilbige 
assonanz  kann  der  Verstärkung  und  des  beireims  entraten:  xvit  85. 
102;  VII  57;  v315;  ix  29;  in  28;  auch  im  kettenreim  tritt  sie 
ohne  weitere  stütze  auf:  xvii  88  reimt  are  auf  atur  und  apros.  — 
in  allen  anderen  fällen ,  die  sich  der  gewöhnlichen  reimregel  nicht 
fügen,  wird  man  anlehnung  an  einen  benachbarten  vers  finden, 
sei  es  durch  reim  einer  vershälfte,  während  die  andere  reimlos 
ist,  sei  es  durch  assonanz,  deren  volle  entfaltung  den  gespaltenen 
reim  ergibt. 

München ,  februar  1884.  LUDWIG  LAISTNER. 


26  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS. 

Ich  habe  in  meiner  dissertation  (Zur  Wiener  Genesis.  Halle, 
Niemeyer  in  comm.,  18S3)  im  anschluss  an  Scherer  (Geistl.  poeten 
der  deutschen  kaiserzeit  i,  QF  i)  und  unter  berücksichtigung  von 
FVogt  (Paul-Braunes  ßeitr.  ii315ff)  die  beiden  ersten  gedichte 
der  Wiener  Genesis:  Schöpfung  und  Sündenfall  (i)  und  Kain  und 
Abel  (n)  einer  nochmaligen  Untersuchung  unterzogen,  deren 
resultat  die  aufstelluugen  Scherers  nur  bestätigte,  denn  auch 
Roedigers  ansieht  (Zs.  18,  263  ff),  dass  für  i  zwei  Verfasser  an- 
zusetzen seien ,  deren  erster  bis  17,5  (ich  eitlere  nach  Hoffmauns 
Fundgruben  ii),  deren  zweiler  von  da  bis  23,  17  das  wort  haben 
solle,  auch  diese  ansieht  glaubte  ich  verwerfen  zu  müssen. 

Dagegen  habe  ich  für  das  dritte  gedieht,  den  Noe,  eine 
andere  auffassung  als  Scherer  in  den  QF,  wie  ich  das  hier  des 
näheren  begründen  will. 

Am  Schlüsse  meiner  dissertation  wies  ich  darauf  hin  dass 
stück  III  —  das  ist  der  Noe  —  nicht  als  unmittelbare  fortsetzung 
des  zweiten  gedichts  von  Kain  und  Abel  gedacht  sein  könnte, 
dass  es  sich  nicht  in  dem  sinne  an  ii  anschlösse  wie  ii  au  i. 
dies  hat  schon  Roediger  behauptet,  indem  er  aao.  s.  268  sagt: 
'bei  einer  in  denselben  kreisen  entstandenen  fortsetzung  wäre 
das  auffallend:  erklärlich  ist  es  bei  einer  dichtung,  die  aus 
anderem  boden  erwuchs  und  gar  keine  fortsetzung  von  i  und  ii 
sein  sollte.' 

Aber  damit  ist  das  Verhältnis  von  lu  zu  den  vorangehenden 
gedichten  keineswegs  erschöpft ,  sondern  die  sache  ist  weit  com- 
plicierter. 

III  zerfällt  nämlich  deutlich  in  zwei  hälften,  von  denen  die 
erste  einen  an  die  einsetzung  des  regenbogens  anknüpfenden, 
hymnenartigeu  schluss  zeigt  28,  14 — 24,  die  andere  sachlich  gut 
schliefst  mit  der  Zerstörung  des  turmes,  eine  ähnliche,  an  das  be- 
handelte sich  anlehnende  Schlussbetrachtung  aber  vermissen  lässt. 

Wir  wollen  die  teile  mit  in"  und  in''  bezeichnen,  ui'  reicht 
von  27,  6—28,  24,  ui''  von  da  bis  zum  schluss  des  Noe  29,  35. 
in''  zerfällt  aber  wider  genau  genommen  in  zwei  disparate  teile, 
denn  während  in"  eine  in  sich  geschlossene,  einheitliche  episode 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  27 

darstellt:  die  sintflut,  behandelt  iii''  zwei  ganz  heterogene  Stoffe: 
Noes  Verspottung  durch  Cham  und  den  turmhau  von  Babel, 
zwischen  beiden  besteht  kein  anderer  Zusammenhang  als  ein  rein 
chronologischer. 

in*  ist  nun  trotz  seiner  kürze  stark  interpoliert.  28,  12 
haben  schon  Vogt  und  Roediger  unabhängig  von  einander  aus- 
geschieden, in  der  tat  sind  diese  verse,  namentlich  12''  —  denn 
tage  soll  wol  auf  sagen  reimen  —  metrisch  so  überladen,  dass 
sie  wie  reine  prosa  kUngen.  auch  die  ungeschickte,  den  Zu- 
sammenhang störende  eiuführung  mit  oiich  verrät  die  Interpolation, 
endlich  erweckt  die  berufung  auf  die  quelle  in  der  ersten  person 
bei  einem  dichter,  der  nirgends  hervortritt  und  keine  spur  von 
subjectivität  aufweist,  lebhaftes  bedenken,  ich  glaube  daher  dass 
wir  diese  verse  unbedingt  ausscheiden  dürfen. 

Aber  noch  an  einer  anderen  stelle  scheint  mir  der  ursprüng- 
liche text  erweitert ,  ich  meine  27,  18.  einmal  sagt  v.  19  nichts 
anderes  als  27,  17^  dann  scheint  v.  18  in  dem  ohnehin  schon 
freien  hau  der  periode  vöUig  aus  der  construction  zu  fallen, 
denn  wir  dürfen  wol  nicht  so  construieren ,  dass  wir  in  17'' 
den  satz  enden  und  in  27,  18  einen  neuen  beginnen  lassen,  dann 
müste  das  ndme  in  27,  20  abhängig  von  so  vaste  hiez  er  chlam- 
pheren  usv>.  sein,  der  satz,  in  dem  ndme  steht,  kann  aber  un- 
möglich consecutiven  sinn  haben,  man  kann  nicht  sagen:  so 
fest  hiefs  er  die  arche  verklammern  und  verpichen ,  dass  er  von 
allem  lebenden  hineinnähme  oder  nehmen  könnte  je  sieben  reine 
je  zwei  unreine  tiere.  das  ist  keine  sachliche  und  logische  Ver- 
bindung, was  hat  das  verklammern  der  arche  auch  mit  der  an- 
zahl  der  tiere  zu  tun?  die  genaue  angäbe:  je  sieben  reine  und 
je  zwei  unreine  tiere  stempelt  den  satz  notwendig  zu  einem  auf- 
forderungssatze.  man  muss  ihn  also  von  hiez  27,  14  abhängen 
lassen,  wobei  dann  27,  18  wegzufallen  hat.  v.  20  schlösse  sich 
nun  sachlich  gut  an  v.  16  an,  nur  erhalten  wir  eine  etwas 
monströse  construction:  und  hiefs  ihn  sie  an  der  seite  fünfzig 
eilen  weit  zu  machen,  auch  dünkte  es  ihn  genügend,  wenn  sie 
dreifsig  eilen  in  der  höhe  hätte,  ferner  (befahl  er)  sie  so  zu 
bauen,  dass  sie  nicht  zu  gründe  gienge,  und  hineinzunehmen 
von  allem  lebenden:  je  sieben  reine  usw.  —  schon  hier  haben 
Avir  ein  'er  befahl'  in  klammern  zugesetzt,  um  das  Satzgefüge 
verständhcher    zu   macheu.     und    man   wird    sich   entschUefsen 


28  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

müssen  auch  in  den  text  27,  17  ein  neues  verbum  des  befehlens 
einzusetzen  und  etwa  zu  lesen:  er  gebot  im,  daz  er  si  onch  so 
worhte  usw.  wir  werden  noch  sehen ,  wie  diese  einschiebung 
auch  aus  anderen  gründen  erforderlich  ist.  —  jetzt  nach  be- 
seiligung  von  27,  18  —  denn  dieser  vers  dürfte  unter  keinen 
umständen  zu  retten  sein  —  wird  auch  27,  19  nicht  mehr  als 
unnötige  tautologie  empfunden,  sondern  scheint  als  corrigierendes 
asyndetou  unter  widerholung  der  conjunction:  daz  si  verwerden 
ne  dorfte,  daz  si  erliden  mähte  an  dem  ihm  gebürendeu  platze 
zu  stehen. 

Auf  eine  andere  interpolation  kommen  wir  nachher  zu 
sprechen,  m"  ist  von  allen  stücken  der  Genesis  weitaus  am 
schlechtesten  überliefert,  denn  zu  diesen  Interpolationen  kommt 
hinzu  die  textesenlstellung  27,  21,  die  schon  Lachmann  beseitigt 
hat,  das  unverständliche  utisis  28,  23,  wofür  Diemer  (Genesis  und 
Exodus  anm.  zu  30,  21)  merkwürdiger  weise  unsich  vorschlägt, 
der  höchst  wahrscheinlich  durch  Verderbnis  auf  drei  hebungen 
reducierte  vers  28,  9,  dann  vor  allem  der  schluss,  auf  dessen 
unVollständigkeit  zuerst  Roediger  aufmerksam  gemacht  hat,  und 
endlich  noch  eine  stelle,  über  die  weiterhin  zu  sprechen  sein  wird. 

Aber  wir  müssen  einen  standpunct  gewinnen  für  die  be- 
urteilung  von  m',  wir  müssen  zunächst  die  differenzen  aufsuchen, 
die  zwischen  ihm  und  i  und  ii  bestehen,  und  wollen  zu  dem 
zwecke  sein  Verhältnis  zum  grundtext  etwas  eingehender  be- 
handeln, dabei  machen  wir  die  Wahrnehmung,  dass  in  der  bibel 
selbst  mit  dem  Noe  eine  breitere  manier  platz  greift,  alles  tat- 
sächliche wird  hier  mehrere  male  vorgebracht,  motive  widerholen 
sich,  die  darstellung  bewegt  sich  in  lauter  retardalioneu.  der 
Noe  setzt  ein  (1  Mos.  vi 8)  mit  der  characteristik  der  hauptfigur: 
Noe  inveiiit  gratiam  coram  domino ,  Noe  vir  justns  atque  per- 
fectus  fnit  und  cap.  vu  hebt  an:  ingredere  tu  —  in  nrcam:te  enim 
vidi  justum  coram  me.  im  cap.  vi  kann  nicht  oft  genug  gesagt 
werden  dass  die  erde  verderbt  war:  v.  11  corrupta  est  terra  et 
repleta  iniquitate,  12  cum  vidisset  terram  esse  corrnptam,  13  repleta 
est  terra  iniquitate.  dabei  bewegt  sich,  wie  mau  sieht,  die  Va- 
riation des  ausdrucks  innerhalb  bescheidener  gränzeu.  so  wird 
auch  von  der  reue  gottes  vi  6  erzählt:  poenituit  eum,  quod  ho- 
minem  fecisset  und  vi  7  spricht  es  gott  selbst  wider  aus:  poenitet 
me  fecisse  eos.     und  von   der  arche  wird  unendlich  oft  dasselbe 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS        29 

widerholt,  vi  14  befiehlt  gott  Noe,  die  arche  zu  bauen,  tiere 
und  lebensmittel  hineinzunehmen  (vi  19  ff),  vii  1  sagt  der  herr 
zu  Noe:  geh  hinein  in  die  arche,  und  wider:  nimm  von  allen 
tieren  —  nun  freilich  specialisiert:  je  sieben  von  den  reinen,  je 
zwei  von  den  unreinen,  vn  7  heifst  es  dann:  Noe  gieng  in  die 
arche  und  von  den  tieren  je  ein  männliches  und  weibliches,  nun 
bricht  die  vi  17  und  genauer  durch  die  Zeitangabe  vii  4  ange- 
kündigte Sintflut  aus  vn  10 — 12,  und  vii  13  heifst  es  wider:  Noe 
gieng  in  die  arche  usw.  die  breite  der  darstellung  zeigt  sich 
auch  darin,  dass  das  datum  mehrmals  und  immer  sorgfältig 
angegeben  wird:  wie  alt  Noe  beim  ausbruche  der  flut  war,  wie 
alt  bei  ihrem  ende,  wie  lange  Noe  noch  in  der  arche  blieb  nach 
aufhören  des  regens,  wann  die  wasser  antiengen  sich  zu  ver- 
laufen, wann  die  erde  wider  trocken  war,  und  so  fort. 

Mau  braucht  nun  nicht  ein  dichter  von  so  ausgesprochen 
kürzender  manier  zu  sein,  wie  es  der  von  m*  allem  tatsächlichen 
aus  der  bibel  gegenüber  ist,  um  zu  erkennen  dass  diese  breite 
der  darstellung  für  eine  poetische  behaodlung  welcher  art  auch 
immer  unbrauchbar  sei.  es  wäre  also  noch  keine  gegenüber  der 
Stellung  von  i  und  ii  zur  biblischen  quelle  erheblich  in  betracht 
kommende  differenz,  wenn  unser  dichter  nur  diese  auswüchse 
vermiede,  weder  in  dem  dichter  von  i  noch  in  dem  von  ii  würde 
diese  manier  der  bibel  einen  willigen  und  unbedingten  nachahmer 
gefunden  haben. 

Aber  gleich  von  vorn  herein  fällt  auf  dass  der  dichter  die 
namen  der  söhne  Noes  nicht  angibt,  wiewol  es  doch  1  Mos.  vi  10 
heifst:  genuit  tres  filios  Sem,  Cham  et  Japhet  und  wiewol  der 
dichter  das  Noe  was  ein  guot  man  eben  noch  dem  biblischen 
Noe  vir  justus  atque  perfectus  fuit  wörtlich  nachdichtete,  was 
dann  der  herr  zu  Noe  sagt  vi  13:  finis  universae  carnis  venit 
coram  me  usw.  wird  von  unserem  dichter  in  erzählung  umgesetzt 
und  kurz  abgetan  mit  den  worten:  dem  chlagete  er  dei  leit,  dei 
der  wären  in  der  werlte  breit,  die  Verderbnis  der  weit  wird  also 
nur  flüchtig  in  einem  nebensatz  gestreift,  während  sie  doch  aus- 
führlich hätte  behandelt  werden  müssen,  wenn  der  dichter  darauf 
ausgienge,  die  Vorgänge  der  bibel  um  ihrer  selbst  willen  dar- 
zustellen, denn  das  darf  man  nicht  geltend  machen,  dass  der 
dichter  von  der  ausführlichen  behandlung  deshalb  abstand  nehmen 
durfte,  weil  eben  am  ende  von  ii  (26,46 — 27,  4)  eingehend  von 


30  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

der  Sündhaftigkeit  der  weit  die  rede  war.  in  setzt  ja  ii  nicht  fort 
imd  knüpft  auch  nicht  daran  an ,  wie  wir  spüter  sehen  werden. 
Es  folgt  dann  der  befehl  gottes  an  Noe,  die  arche  zu  bauen. 
27,  11  ff  geht  zurück  auf  1  Mos.  vi  15  —  die  form  der  directen 
rede  wird  umgesetzt  durch  hiez  — ,  27,  20  aber  nicht  mehr  auf 

VI  19  ff,  soudern  schon  auf  vu  2,  wo  der  befehl  gottes  über  die 
in  die  arche  aufzunehmenden  tiere  noch  einmal  mit  bestimmteren 
angaben  widerholt  wird,  dass  nun  aber  dieser  befehl  von  Noe 
auch  würklich  ausgeführt  wird,  wie  es  1  Mos.  vi  22  heilst:  fecü 
igitur  Noe  omnia,  quae  praeceperat  Uli  Dens  —  das  sagt  unser 
dichter  nicht,  er  geht  vielmehr  gleich  zur  inneren  einrichtung  der 
arche  über,  wobei  er  nicht  mehr  sagt,  wie  sie  aussehen  soll, 
sondern  unter  aufgäbe  der  form  des  gebotes  tatsächliche  Schil- 
derung gibt:  er  erzählt  dass  Noe  söller  errichtete  und  wie  die 
menschen  und  tiere  in  ihre  benutzung  sich  teilten,  und  durch 
diese  angäbe  erfahren  wir  zugleich  dass  Noe  auch  würklich  die 
arche   bezog,    während    die  hibel   hier  wider   ausdrücklich  sagt: 

VII  13  ingressus  est  Noe  —  in  arcam.  darauf  folgt  die  höchst 
primitive  und  auf  die  einfachsten  demente  einer  Schilderung  redu- 
cierte  darstellung  der  sintflut,  bei  welcher  an  die  arche  trotz 
vii  17  elevavenmt  arcam  in  sublime  a  terra  und  18  porro  arca 
ferebatnr  super  aquas  gar  nicht  erinnert  wird.  27,  30"  wird  das 
verschwinden  der  wasser  berichtet,  aber  nur  einzig  die  tatsache 
verzeichnet,  dass  gott  der  flut  einhält  gebietet,  Noes  gedenkend 
und  seines  gefolges,  davon  sagt  der  dichter  nichts,  und  27,30'' 
erledigt  das  allmähliche  zurückweichen  der  wasser  in  drei  worten, 
der  dichter  macht  auch  nicht  den  geringsten  versuch  einer  Schil- 
derung, obgleich  die  bibel  viii  2—5  material  genug  dafür  bietet.  — 
noch  eclatanter  zeigt  sich  seine  skizzenhafte,  auf  jede  ausmalung 
verzichtende  manier  in  den  folgenden  versen  27,  32 — 35.  dass 
der  dichter  von  der  aussendung  nur  6ines  raben  und  einer  taube 
spricht,  während  die  bibel  die  Steigerung  auf  die  spitze  treibt 
und  Noe  drei  tauben  ausschicken  lässt,  darauf  soll  kein  besonderes 
gewicht  gelegt  werden,  aber  dass  er  in  einer  anderen  beziehung 
der  bibel  nicht  folgt,  unterscheidet  ihn  wesentlich,  namentlich 
von  dem  dichter  von  i.  Scherer  hat  Geistl.  poeten  i  13  darauf 
hingewiesen  und  ich  habe  das  s.  9  f  meiner  disserlation  weiter 
ausgeführt,  wie  der  autor  von  i  durch  Zerlegung  von  gesammt- 
begriffen  in  einzelanschauung  allgemeine  Vorstellungen  in  einzelne 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  31 

genrebildliche  sceoen  aufzulösen  bestrebt  ist.  und  sein  getreuer 
Schüler  und  nachlreter,  der  dichter  von  ii  tut  es  ihm  gleich, 
wenn  er  24,  27  ff  in  ähnlicher  melhode  statt  allgemeiner  begriffe 
bilder  aus  dem  ländlichen  leben  bietet,  wir  dürfen  daraus  schhefsen 
dass  beide  dichter  die  eigeuart  der  biblischen  darstellung  in  viii.6 
oder  9  nicht  völlig  ignoriert  hätten ,  wie  es  doch  unser  Verfasser 
tut.  die  biblische  darstellung  würkt  hier  auch  durch  Zerlegung. 
nur  handelt  es  sich  nicht  um  die  poetische  Verkörperung  all- 
gemeiner Vorstellungen,  sondern  um  die  veranschaulichung  einer 
Situation,  es  wird  eine  haupthaudlung  in  die  einzelnen  neben- 
handlungen  aufgelöst  und  durch  die  sorgfältige  angäbe  dieser 
eine  unmittelbarkeit  der  anschauung  erreicht,  dass  der  Vorgang 
wie  direct  vor  unser  geistiges  äuge  gerückt  erscheint,  die  bibel 
sagt  nicht  einfach:  Noe  sendet  den  raben  aus,  sondern:  Noe 
öffnet  das  fenster  und  sendet  den  raben  aus  vm  6  und  noch 
characteristischer  viii  9  beim  hineinholen  der  taube :  Noe  streckte 
die  band  aus,  ergriff  die  taube  und  nahm  sie  in  die  arche. 
diese  einfache  und  doch  so  würksame  art  der  versinnlichung 
findet  bei  unserem  dichter  keine  nachahmung,  wie  27,  32  und 
33  lehren. 

Und  wie  nach  der  darstellung  unseres  dichters  die  wasser 
schwanden  ohne  gottes  zutun,  so  verlässt  auch  27,  36  Noe  auf 
eigene  faust  die  arche,  während  die  bibel  gott  zu  Noe  sagen  lässt: 
egredere  de  arca  vm  16  und  dann  in  ihrer  art  vui  18  meldet: 
egressus  est  Noe. 

27,  37  specialisiert  der  dichter  zum  ersten  und  einzigen 
male:  er  spricht  nicht,  wie  man  erwartet,  kurzweg  von  tieren, 
sondern  nach  dem  vorgange  der  bibel  vru  17  von  tiei'  unde  wurme, 
fihe  jouck  gefugele.  aber  die  Zusammenstellung  verrät  sich  als 
formelhaft  vgl.  in  i  13,  12  tier ,  13,  17  wurm  und  15,  37  fihe 
jouch  fogele. 

Dass  die  darstellung  sich  nun  verwirrt  und  der  dichter  27,  38 
Noe  sagen  lässt,  was  in  der  bibel  gott  spricht,  hat  Scherer  er- 
wähnt, es  ist  gewis  denkbar  dass,  wie  Scherer  annimmt,  dieses 
energische  kürzen  zu  einer  derartigen  Verwirrung  führen  kann, 
aber  ich  weifs  nicht,  ob  wir  bei  der  durch  und  durch  zerrütteten 
überheferung  des  ganzen  Stückes  nicht  besser  verderbtheit  der 
stelle  annehmen,     wir  kommen  später  noch  darauf  zurück. 

27,  39  f  wird  das  opfer  Noes  wider  auf  die  einfachste  weise 


32  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

erzählt,  von  der  erbaiiung  des  altars,  von  dem  opfern  des  viehes 
und  gefliigels  (viir  20)  ist  nicht  die  rede,  die  verheifsungen 
gottes,  die  sich  an  das  wolgefallen  knüpften,  das  der  herr  an 
dem  opfer  findet,  werden  in  den  allgemeinsten  Zügen  widergegeben 
(28,  1).  von  dem  gedanken,  der  gott  zur  milde  und  Versöhn- 
lichkeit stimmt,  dass  das  menschliche  herz  von  Jugend  auf  zum 
bösen  geneigt  sei,  nimmt  der  dichter  keine  notiz.  der  segen, 
den  gott  über  Noe  und  seine  nachkommen  ausspricht,  wird  28,  2 
mit  6inem  verse  abgetan,  von  der  herschaft,  die  gott  den  ge- 
retteten innerhalb  der  Schöpfung  einräumt,  wird  nichts  berichtet, 
der  ausdruck  in  der  bibel  schliefst  sich  hier  eng  an  das  an ,  was 
zu  anfang  1  Mos.  i  26  von  der  Stellung  des  menschen  gegenüber 
der  tierweit  in  der  Schöpfung  gesagt  ist:  man  sehe,  was  der 
erste  dichter  13,  5  und  15,  42  If  daraus  gemacht  hat,  diss.  s.  10 f. 

Dieses  zusammenziehen  dauert  auch  für  die  folgenden  reden 
gottes  fort  IX  3 ff.  nur  das  gebot:  mord  solle  durch  tod  ver- 
golten werden,  wird  herausgegriffen  28,3 — 5,  aber  so  ungeschickt 
angebracht,  dass  die  verse  sehr  stark  den  verdacht  der  unecht- 
heit  erregen,  schon  Scherer  bemerkt  s.  21  f  dass  jede  Vermitt- 
lung fehle,  da  das,  woran  das  gebot  in  der  bibel  sich  anschliefst, 
übergangen  ist.  aber  er  meint  dass  der  dichter  vermutlich  einer 
rauflustigen  bevölkerung  gegenüber  gestanden  habe  und  deshalb  das 
gebot  nicht  habe  übergehen  wollen,  das  scheint  mir  indes  wenig 
zu  dem  character  des  Stückes  zu  stimmen,  in  welchem  die  moralisie- 
rende tendenz  erst  am  schluss  und  im  vergleich  zu  ii  zb.  mit  ver- 
hältnismäfsig  nicht  geringer  Zurückhaltung  durchbricht,  ferner 
und  vor  allem  wird  wol  jeder  an  dem  ungelenken  ausdruck  in  den 
Versen  anstofs  nehmen:  daz  er  die  wize  liden  muose,  nehet'n 
ander  wize  ne  wäre  daz  er  daz  selbe  muose  liden.  ich  glaube 
dass  wir  es  auch  hier  mit  einer  Interpolation  zu  tun  haben  und 
zwar  mit  einer  sehr  plumpen,  deutlich ,  allzu  deutlich  verrät 
sie  die  tendenz ,  den  grundtext  in  gröfserem  mafse  zu  worte 
kommen  zu  lassen,  als  es  durch  den  ursprünglichen  dichter  ge- 
schehen ist. 

Auch  die  folgenden  verse  28,  6f,  welche  die  einselzung  des 
regenbogens  behandeln ,  fassen  energisch  zusammen ,  was  in  der 
bibel  1x9 — IS  ausgeführt  wird,  der  begriff  des  lebenden  wird 
widerum  nicht  wie  ix  19  specialisierl,  sondern  allgemein  und 
ungenau  duich  manchunne  widergegehen. 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  33 

Bis  dahin,  bis  28,  11  stützt  sich  die  darstellung  auf  den 
grundtext.  es  folgt  dann  —  selbstverständlich  unabhängig  von 
der  biblischen  vorläge  —  die  deutung  der  färben  des  regeu- 
bogens  auf  das  blut  und  wasser,  das  Christus  aus  der  seile  floss, 
und  die  beziehung  auf  das  messopfer,  dessen  Symbole  wasser 
und  wein  auf  dem  altare  zum  blute  werden,  mit  dem  wir  die 
taufe  widergewinnen,  die  wir  durch  unsere  Sünden  so  oft  ver- 
lieren. ^  die  thränen  der  reue  geben  sie  uns  wider  dadurch,  dass 
sie  das  höllenfeuer  erlöschen.  ... 

,  Dieser  schluss  erinnert  einiger  mafseu  an  den  von  i.  beide 
dichter  benutzen  das  vorbildliche  des  alten  testamentes  gerade 
am  schluss.  beide  weisen  auf  Christus  am  kreuz,  und  der  haupt- 
gedanke  in  der  grofsen  paraenetischen  episode  von  i  20,  27  ff: 
dass  der  durch  die  taufe  von  seinen  Sünden  gereinigte  mensch 
sich  durch  seine  Sündhaftigkeit  befleckt,  klingt  hier  nach,  sogar 
der  dort  mit  Vorliebe  gebrauchte  ausdruck  bewellaji  kehrt  wider, 
doch  ist  in  i  der  schluss  pointierter.  Adams  fall  —  von  dem 
die  ganze  zweite  reimlection  handelte  —  hat  unermesslichen 
schaden  über  die  meuschheit  gebracht,  durch,  die  leiden  Christi 
an  dem  holze  aber,  an  dem  der  teufel  den  menschen  verführte, 
wird  dieser  wider  aus  seiner  gewalt  gerettet,  so  konnte  der 
dichter  mit  einem  versühnenden  ausblick  scbliefsen. 

In  unserem  stücke  weist  auch  der  schluss  auf  den  anfang 
zurück,  denn  das  ganze  setzt  ein  (27,  8)  mit  der  Sündhaftigkeit 
der  weit  und  28,  22  kommt  wider  darauf  zurück,  aber  hier  be- 
gegnet sich  doch  nur  ein  gedanke  im  grofsen  und  eine  so  deut- 
liche Verknüpfung  des  behandelten  gegenständes  mit  späteren  neu- 
testamenllichen  ereignissen,  wie  sie  das  spielen  mit  dem  worte 
holz  bietet,  fehlt,  jedoch  muss  man  festhalten  dass  der  schluss 
uns  nicht  ganz  erhalten  ist:  mit  28,  24  kann  das  stück  nicht 
enden,  und  auch  wenn  wir  in  28,  24,  wo  nur  eine  halbzeile 
vorliegt  vgl.  Roediger  aao.  s.  269,  den  langvers  herstellen  — 
berr  prof.  Scherer  ergänzt  sehr  glücklich:  unde  uns  die  sunde 
abe  waskent  vgl.  Wackernagel  Predigten  xxxii  71  — ,  erhalten 
wir  kaum  den  schluss  des  ganzen,  jedesfalls  fehlt  innerhalb  der 
letzten  verse  noch  etwas,   wie  wir  sehen  werden.  : 

Ich  habe  das  Verhältnis  von  in*  zur  biblischen  vorläge  bis 
ins  einzelne  vorgeführt,  weil  wir  aus  ihm  am  besten  die  von  i 
.--..ß.  vgl.  MSD*  XXXIV  22  und  anni. 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  3 


34  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

und  II  total  verschiedene  manier  des  dichters  erkennen,  wir 
haben  schon  während  der  vergleichuug  auf  unterschiede  in  der 
behandlung  aufmerksam  gemacht  und  verweisen  noch  auf  Scherer, 
der  s.  21  sehr  schön  zeigt,  wie  die  dichter  von  i  und  ii  sich 
ganz  anders  als  unser  autor  bei  der  darstellung  der  sintflut  ver- 
halten haben  würden ,  wie  sie  an  gewissen  motiven  der  biblischen 
vorläge,  die  unser  dichter  ignoriert,  nicht  achtlos  vorübergegangen 
sein  könnten,  die  differenzen  sind  zu  deutlich  als  dass  es  noch 
längerer  ausführung  bedarf,  während  an  i  gerade  der  lebendige 
anteil  des  dichters  am  Stoffe  zu  rühmen  war,  documentiert  sich 
in  diesem  stücke  in  der  behandlung  der  biblischen  Überlieferung 
eine  au  Starrheit  gränzende  anteillosigkeit  des  autors.  während 
der  dichter  von  i  sich  in  die  seelen  seiner  gestalten  hineindenkt 
und  ihre  gefühle  darzulegen  bestrebt  ist,  während  er  sogar  an 
die  empfindungen  des  pubhcums,  das  er  andauernd  im  äuge 
hat,  appelliert,  weifs  unser  autor  seinem  Stoffe  weder  psycho- 
logisches Interesse  abzugewinnen  noch  beabsichtigt  er  in  der 
widergabe  des  biblischen  Stoffes  auf  die  gemütliche  seite  seiner 
hörer  zu  würken.  in  seinem  Stile  scheint  überhaupt  kein  räum 
zu  sein  für  das  persönliche,  überall  würken  die  tatsachen  nur 
durch  sich  selbst,  nicht  nur  tut  der  dichter  nichts  aus  eigenem 
hinzu,  um  die  handlungen  auf  innere  Vorgänge  zurückzuführen, 
sondern  da,  wo  der  grundtext  ihm  den  weg  dazu  weist,  schlägt 
er  ihn  nicht  ein.  das  Verhältnis  gottes  zu  Noe  und  zur  mensch- 
heit  überhaupt  ist  bei  ihm  lange  kein  so  inniges,  wie  es  die 
biblische  darstellung  voraussetzt,  er  streift  es  nur  am  anfang 
und  am  schluss.  während  endlich  i  und  ii  in  der  poetischen 
ausmalung  von  zuständen  ihr  bestes  zeigen,  beobachten  wir  an 
iii*  hierin  ein  völliges  Unvermögen. 

Indessen:  das  bild,  das  wir  bisher  von  unserem  dichter  ent- 
worfen haben ,  gewannen  wir  aus  dem  Verhältnis  von  uP  zu  der 
biblischen  quelle  und  es  konnte  demgemäfs  nur  die  Verarbeitung 
des  biblischen  Stoffes  berücksichtigt  werden,  es  scheint  nun  fast, 
als  ob  die  an  die  einsetzung  des  regenbogens  anknüpfenden ,  vom 
biblischen  texte  unabhängigen  schlussverse  28,  14  ff  das  bild  lügen 
strafen,  der  autor  zeigt  sich  von  einer  neuen  seite.  die  spräche 
wird  bewegter  und  nimmt  etwas  von  schvvung  an.  die  wider- 
holung  des  pronomens  in  28, 14 — 15  daz  —  daz  —  daz  zeigt  rhe- 
torische färbung.     und  wenn  wir  in  den  vorhergehenden  versen 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  35 

eine  abwenduDg  von  allem  gefühlvollen  und  weichen  beobachteten, 
so  beschwört  hier  der  dichter  das  bild  des  am  kreuze  leidenden 
erlösers  herauf  und  verschmäht  selbst  die  thränen  der  rührung 
nicht  28,  23.  woher  dieser  Umschlag?  wie  kommt  es  dass  der 
starre,  objective  ton  verlassen  und  ein  weicher  gefühlston  an- 
geschlagen wird  ?  wie  kommt  es  dass  der  dichter ,  der  eben  noch 
kalt  und  teilnahmslos  erschien ,  dem  der  Untergang  der  weit  nicht 
einen  laut  des  Schmerzes  entlockte,  wie  kommt  es  dass  er  weiche 
regungen  der  seele  kund  gibt,  die  ein  religiös  gestimmtes  herz 
verraten?  offenbar  ist  für  den  dichter  der  historische  teil  — 
wenn  ich  so  sagen  darf  —  der  mehr  nebensächliche,  er  gibt 
nur  das  gerüst  ab.  der  dichter  benutzt  ihn  nur  als  Vorgeschichte, 
als  eine  art  einleitung  und  legt  den  hauptaccent  auf  die  schluss- 
betrachtung,  in  der  er  von  der  sinlflut  weg  sich  erhebt  bis  zur 
erscheinung  Christi  und  zur  gegenwart.  daher  die  flüchtige  be- 
handlung  der  biblischen  geschichte,  daher  der  verzieht,  ihre  so 
dankbaren  motive  auszunutzen,  damit  aber  erweist  sich  m^  als 
fundamental  verschieden  von  i  und  ii.  bei  diesen  war  immer 
noch  die  biblische  geschichte  die  hauptsache.  sie  galt  es  vor 
allen  dingen  darzustellen,  im  sinne  des  predigers  zu  commen- 
tieren  und  betrachlungen  moralischer  art  daran  zu  knüpfen,  und 
wenn  i*  dabei  die  biblische  vorläge  nur  wenig  berücksichtigt, 
weil  die  mittelalterliche  tradition  die  Schöpfungsgeschichte  sich 
anders  dachte  als  sie  der  biblische  grundtext  zur  darstellung 
bringt,  so  geschieht  den  einzelnen  Vorgängen  dabei  nirgends 
abbruch.  sie  stehen  immer  im  mittelpunct.  und  wenn  bei  ii 
gegen  das  ende  diese  aufgäbe  zurücktritt,  so  geschieht  es,  weil 
der  autor  gerade  dem  ihm  vorliegenden  Stoffe  nicht  ganz  ge- 
wachsen war  und  weil  er  gewissen  nebensächlichen  zügen  des- 
selben, die  seinem  talente  mehr  zusagten  als  das  eigentliche 
grundthema,  einen  zu  breiten  räum  gönnt,  keineswegs  aber  ist 
bei  ihnen  der  biblische  Stoff  nur  als  rahmen  benutzt  wie  bei 
unserem  autor.  aus  diesem  fundamentalen  unterschiede  möchte 
sich  nun  auch  ergeben  dass  iii^  ursprünglich  i  und  n  nicht  fort- 
setzte, da  es  eben  ein  litterarisches  product  ganz  anderer  art  ist. 
wir  dürfen  kaum  annehmen  dass  ein  fortsetzer  die  den  ersten 
gedichten  zu  gründe  liegende  idee  so  verkannt  haben  könne  und 
dürfen  demnach  schliefsen  dass  der  dichter,  wenn  er  auch  viel- 
leicht aus  I  —  einfluss  von   n  ist  nirgends  deutlich  —  die  an- 

3* 


36        DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

regung  zu  seinem  werke  empfieng,  doch  nicht  beabsichtigt  habe, 
mit  seinem  product  ein  diesen  beiden  homologes  gedieht  zu 
schaffen,  das  sie  fortzusetzen  geeignet  sei. 

Aber  wir  gewinnen  aus  dem  Verhältnisse  von  nr  zum  grund- 
text  mehr  als  die  Überzeugung,  dass  m^  von  einem  anderen  dichter 
verfasst  sei  als  von  einem  derjenigen,  die  i  und  ii  gedichtet 
haben,  wir  gewinnen  auch  die  einsieht,  dass  28,  25 ff  nicht  mehr 
derselbe  autor  fortfahre,  der  eben  in  in'  zu  uns  gesprochen  hat. 
ein  blick  auf  das  Verhältnis  von  in''  zum  gruudtext  lehrt  das. 
schon  Vogt  bemerkt  s.  298  'dass  der  dichter  bei  der  weniger 
wichtigen  erzählung  von  Noe  und  seinen  söhnen  ausführlicher 
ist  (als  er  es  in  der  widergabe  der  sintflut  nämlich  war)  und 
dass  es  hier  nicht  an  eigenen  zutaten  fehle',  ohne  die  consequenz 
zu  ziehen ,  die  unserer  ansieht  nach  daraus  gezogen  werden  muss. 
denn  wir  haben  es  nicht  mit  der  launenhaftigkeit  eines  und  des- 
selben dichters  zu  tun,  der  bald  mehr  bald  weniger  der  Über- 
lieferung folgt,  sondern  eine  genauere  betrachtung  lehrt  dass  in 
in  von  verschiedeneu  Verfassern  herrührende  stücke  zusammeu- 
geschweifst  sind. 

Gleich  in  der  episode  von  Cham  ist  die  darstelluug  gegen- 
über derjenigen  der  quelle  nicht  mehr  kurz  und  tlüchtig ,  sondern 
die  motive  der  bibhschen  vorläge  werden  ausgenutzt,  ergänzt, 
um  neue  vermehrt,  nach  dem  gruudtext  sieht  Cham  seinen  vater 
entblöfst  liegen  und  meldet  das  seinen  brüdern  (ix  22).  nach 
der  darstelluug  unseres  dichters  sieht  er  ihn ,  will  ihn  nicht 
decken  und  geht  spottende  weg  vgl.  28,  28 — 29.  ja  der  dichter 
begnügt  sich  nicht  einmal  mit  der  blofsen  angäbe  spottende, 
sondern  fügt  noch  die  geste  des  spottes  hinzu:  shie  hende  sluog 
er  zesamine  (vgl.  übrigens  Rolaodslied  ed.  Grimm  13,  1  zesa- 
mine  slnog  er  die  hende).  und  von  den  brüdern  Sem  und  Japhet 
erwähnt  er  ausdrücklich  dass  sie  vom  spotte  sich  fern  hielten, 
während  hier  die  bibel  nichts  weiter  sagt  als:  Sem  et  Japhet 
pallium  imposuerunt  usw.  das  bedecken  INoes  wird  dann  der 
bibel  genau  nacherzählt  mit  derselben  klarheit  und  ausführlichkeit, 
derselben  angäbe  der  einzelzüge  —  sie  warfen  die  decke  über 
die  achsela  =  pallium  imposuerunt  humeris  suis,  giengeu  rück- 
lings auf  Noe  zu  =  et  incedentes  retrorsum  und  deckten  ihn  mit 
dem  mantel  =  operuerunt  usw.  (vgl.  dagegen  oben  das  verhalten 
von   in"  bei   der   Schilderung   der  aussendung  der  tiere   aus  der 


DER  jNOE  der  wiener  GENESIS  37 

arche  s.  31).  nur  fügt  der  dichter  noch  aus  eigenem  zu.  er 
lässt  die  beiden ,  nachdem  sie  dea  vater  bedeckt  haben ,  davon 
eilen,  wovon  die  bibel  nichts  sagt. 

Und  wie  er  28,  40  fortfährt:  Dö  Nöe  erwachete  und  vil  rehte 
vrescete,  zeigt  er  dieselbe  pietät  gegen  die  quelle ,  indem  er  der 
bibel  die  nur  veranschaulichende  Zwischenhandlung  evigilans  ge- 
treulich nachdichtet:  vgl.  ix24  evigilans  antem  Noe aim  di- 

dicisset. 

Der  fluch  Noes,  der  im  grundtext  in  directer  rede  wider- 
gegeben ist,  wird  bei  unserem  dichter  in  handlung  umgesetzt 
28,  42  f,  die  mit  indirecter  rede  abwechselt  29,  2  f. 

Was  sich  an  den  fluch  anschhefst,  dersegen,  den  Noe  den 
anderen  söhnen  erteilt,  und  die  einrichtung  der  stände  hält  sich 
wol  an  den  grundtext  ix  25,  geht  aber  doch  über  ihn  hinaus, 
wichtig  für  uns  ist  dass  der  dichter  nicht  unterlässt,  die  würkung 
des  Segens  auszumalen :  gärten,  bäume  nehmen  teil  an  der  weihe, 
ross  und  rinder  und  viel  anderes  vieh  werden  sehr  fruchtbar, 
was  der  dichter  gibt,  ist  nicht  gerade  viel  und  erhebt  sich  nicht 
über  eine  gewisse  trockene  formelhaftigkeit ,  aber  gegen  nf  ge- 
halten, das  nirgends  sinn  für  detail  zeigt,  bedeutet  das  etwas 
und  bedeutet  um  so  mehr,  als  der  versuch  der  ausmalung  ohne 
anregung  und  ganz  unabhängig  von  der  bibel  unternommen  ist. 

Und  was  nun  folgt,  der  ausfall  gegen  den  nitspottdre  29, 14  f, 
scheint  mir  mit  der  manier  von  ni*  ganz  unvereinbar,  eine  solche 
aus  dem  erzählten  vorgange  gezogene  specielle  nutzanwendung 
steht  in  schroffem  gegensatze  zu  der  art,  wie  der  dichter  von 
m^  sich  am  Schlüsse  seiner  erzählung  mit  hilfe  der  deutungs- 
methode  zu  allgemeinen  betrachtungen  aufschwingt. 

Die  angäbe  des  alters  von  Noe  ix  28  f  fehlt  in  unserer  Genesis, 
ebenso  das  ganze  zehnte  capitel  mit  seinem  geschlechtsregister, 
wie  auch  schon  früher  in  ii  das  ende  des  vierten  und  das  ganze 
fünfte  capitel  übergangen  wurde,  es  folgt  gleich  die  darstellung 
des  turmbaus  von  Babel. 

Hier  scheint  nun  wider  eine  andere  manier  platz  zu  greifen, 
obgleich  das  stück  denn  doch  zu  kurz  ist,  um  eine  sichere  ent- 
scheidung  zu  ermöglichen,  jedesfalls  hört  die  sorgfältige  berück- 
sichligung  jeder  von  der  biblischen  vorläge  gegebenen  einzel- 
handlung ,  wie  wir  sie  eben  beobachteten ,  auf  und  es  tritt  wider 
ein  mehr  summarisches  verfahren  ein.     zwar  will  das  nicht  viel 


38        DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

besagen ,  dass  die  biblische  darstellungsmethode  nicht  nachgeahmt 
ist,  nach  der  wie  schon  in  der  Schilderung  der  sintflut  einmal 
die  aufforderung  zur  handlung  gegeben  und  dann  diese  selbst 
nachgebracht  wird  vgl.  xi  3 ;  xi  6  —  8,  oder  nur  von  der  auffor- 
derung die  rede  ist,  während  die  ausführung  als  selbstverständ- 
lich nicht  mehr  erwähnt  wird;  denn  auch  in  der  darstellung  der 
episode  von  Cham  wird  bei  der  Verfluchung  die  directe  rede  ver- 
mieden und  dafür  die  daraus  resultierende  handlung  gegeben, 
aber  es  werden  auch  der  vorläge  gegenüber  motive  und  züge 
Übergängen,  was  schon  weniger  der  manier  des  eben  besprochenen 
Stückes  entspricht,  dass  der  zu  erbauende  türm  bis  zum  himmel 
reichen  solle,  wird  nicht  gesagt  und  doch  ist  das  für  die  charac- 
teristik  nicht  unwesentlich :  ein  micheler  türm  29,  24  ist  gegen- 
über der  vermessenheit  des  Unternehmens  recht  diü'ftig  und  farb- 
los, auch  wird  nur  von  einem  türm  gesprochen,  während  die 
bibel  XI  4  von  türm  und  Stadt  zu  erzählen  weifs.  dazu  kommt 
nun  eben  noch  das  übergehen  der  eiuzelhandlungen,  wodurch 
sich  der  darsleller  um  die  bildlichkeit  des  ausdruckes  bringt,  die 
wir  an  dem  ersten  teile  von  m^  zu  rühmen  hatten,  er  handelt 
nicht  erst  von  der  herslellung  der  ziegel  (xi  3),  sondern  sagt 
gleich:  sie  nahmen  ziegel  und  begannen  einen  türm  zu  errichten, 
er  sagt  nicht,  als  dieser  nun  fertig  ist:  gott  stieg  herab,  um 
Stadt  und  türm  zu  sehen  (xi  5) ,  sondern  nach  Vollendung  des 
baues:  dö  wisse  unser  trehtin  usw.  er  folgt  auch  in  der  moti- 
vierung  nicht  genau  dem  grundtext,  sondern  übertreibt,  in  der 
bibel  sagt  gott;  sie  tiengen  das  werk  an  und  werden  nicht  eher 
ruhen  als  bis  sie  ihre  absieht  ausgeführt  haben,  deshalb  wollen 
wir  ihre  spräche  verwirren  (xi  6  und  7).  unser  dichter  aber 
iässt  gott  fürchten,  die  Übeltäter  würden,  falls  sie  das  werk 
vollendeten,  die  ganze  weit  zerstören  (29,25 — 26). 

Diesem  ganzen  verfahren  gegenüber  muss  es  auffallen  dass 
der  dichter  durch  einen  selbsterfundenen  zug  die  Schilderung 
der  Sprachverwirrung  sehr  hübsch  belebt:  29,  31  'wenn  einer  den 
stein  wollte,  so  wähnte  der  andere  dass  er  den  kalk  bringen 
sollte.'  das  geht  noch  darüber  hinaus  dass  in  der  episode  von 
Cham  durch  hinzufugung  der  spottgebärde  der  bibUschen  dar- 
stellung nachgeholfen  wird  und  sondert  jedesfalls  auch  diesen  teil 
von  ni**  von  ni"  ab ,  wo  in  der  widergabe  des  biblischen  Stoffes  für 
die  veranschaulichung  der  Situation  vom  dichter  nichts  getan  wird. 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  39 

Wenn  nun  m^  und  m^  würklich  von  verschiedenen  Verfassern 
herrühren  sollen ,  dann  erhebt  sich  die  frage ,  ob  die  beiden  uns 
vereinigt  überheferten  stücke  je  einzeln  —  und  dann  in  welcher 
weise  —  existiert  haben,  dafür  dass  in*  ein  selbständiges  ge- 
dieht ist,  ist  der  indirecte  beweis  im  vorhergehenden  eigentlich 
schon  erbracht,  denn  wenn  es  kein  stück  aus  einer  bibelüber- 
setzung  ist,  was  soll  es  dann  anderes  sein?  es  fragt  sich  nur, 
ob  anfang  und  schJuss,  inhalt  und  anläge  des  Stückes  nicht  da- 
gegen sprechen,  nach  unserem  dafürhalten  nicht,  bis  auf  das 
am  schlösse  fehlende,  das  vom  biblischen  Stoffe  offenbar  nichts 
mehr  enthielt,  haben  wir  gewis  den  ganzen  umfang  des  gedichles 
vor  uns.  es  ist  nicht  zu  besorgen  dass  der  dichter  etwa  fort- 
gefahren sein  könne  in  der  widergabe  dessen,  was  in  der  bibel 
sich  noch  um  JNoe  bewegt,  vielmehr  ist  für  das  thema,  das  der 
dichter  sich  stellte,  der  biblische  stoff  mit  28,  11  erschöpft. 

Es  sprechen  aber  direct  momente  dafür,  dass  in*  ursprüng- 
lich ein  selbständiges  gedieht,  vielleicht  ein  lied  war,  das  in  an- 
läge und  tendenz  i  und  ii  natürlich  gar  nicht  entsprach  und  das 
der  compilator  erst  durch  interpolationen  diesen  beiden  anzuähn- 
lichen  suche,  damit  es  nicht  aus  dem  rahmen  herausfiele,  wir 
erinnern  uns:  die  hauptinterpolation  in  iii*  28,3  —  5  verfolgte 
'den  zweck,  dem  grundtext  in  höherem  mafse  gerecht  zu  werden 
als  es  der  Verfasser  des  gedichtes,  der  den  biblischen  stoff  nur 
skizzenhaft  behandelt,  bestrebt  war.  und  auch  die  einschiebuug 
des  einen  verses  27,  18  wird  auf  diese  absieht  zurückzuführen 
sein  (vgl.  vi  14  bitumme  linies).  der  compilator  der  ganzen  Genesis 
—  von  einem  solchen  werden  wir  wol  sprechen  dürfen  — ,  der  mit 
seinem  machwerk  offenbar  eine  poetische  Übersetzung  des  ersten 
buches  Mosis  liefern  wollte ,  muste  vor  allem  darauf  bedacht  sein, 
dass  das  original  auch  würklich  zu  worte  komme ,  und  von  diesem 
gesichtspunct  aus  bessert  er  und  hilft  nach,  wo  wie  in  diesem 
stücke  der  biblische  text  allzu  frei  behandelt  war. 

Es  sprechen  also  direct  momente  dafür,  dass  ni*  einst  als 
lied  eine  Sonderexistenz  geführt  habe,  und  zwar  vor  allem  eine 
gewisse  regelmäfsigkeit  des  baues  der  einzelnen  in  der  hs.  mit 
grofsen  anfangsbuchstabeu  bezeichneten  abschnitte  (vgl.  über  diese 
Scherer  Dkm.^  335),  in  denen  wir  unschwer  frühere  Strophen 
erkennen,  freilich  haben  wir  auch  hier  mit  der  schlechten  Über- 
lieferung  zu  kämpfen   und  einmal  —  an  einer  auch  sonst  ver- 


40  DER  i\OE  DER  WIENER  GENESIS 

derbten  stelle  —  zu  gunsten  der  Symmetrie  gegen  die  hs.,  aber 
mit  Unterstützung  des  sinnes  und  der  metrik  einen  langen  ab- 
schnitt in  zwei  zu  zerlegen.  —  ich  bemerke  hier  dass  ich  zu 
der  annähme  der  vorher  behandelten  interpolätionen  nicht  durch 
die  bemühung,  eine  symmetrische  anordnung  der  Strophen  heraus- 
zubekommen, veranlasst  wurde,  sondern  zu  dieser  gelangte,  noch 
ehe  ich  in  m^  ein  selbständiges  gedieht  erkannte,  einmal  auf- 
merksam geworden  auf  die  Unmöglichkeit  27,  17  If,  so  wie  sie 
überliefert  sind,  zu  construieren ,  dann  aus  der  vergleichung  des 
Stückes  mit  dem  grundtext  heraus. 

Der  abschnitt,  den  ich  in  zwei  zerlege,  ist  der  von  27,11 — 21 
reichende,  der  mit  seinen  sechszehn  versen  —  27,  18  ist  inter- 
poliert —  das  mafs  der  anderen  weit  überschreitet,  ich  teile  ihn 
so,  dass  mit  27,  17  ein  neuer  beginnt,  zwar  umfasst  27,  11—21 
im  ganzen  alles,  was  um  die  arche  sich  dreht,  aber  mit  27,  15 f 
hören  die  genauen  bestimmungen  in  bezug  auf  länge,  höhe  und 
breite  auf.  27,17  enthält  eine  angäbe  über  die  arche  ganz  all- 
gemeiner natur  und  27,20  wendet  sich  vom  baue  derselben  weg 
und  handelt  von  den  tieren,  die  Noe  aufnehmen  solle,  endlich  ist 
27,  15*^  ein  langer  vers  von  wenigstens  sechs  hebungen,  der  eine 
verlängerte  schlusszeile  anzudeuten  scheint,  freilich  spricht  die 
Satzverbindung  in  27,  17  sehr  entschieden  gegen  diese  teilung.' 
denn  so  wie  der  vers  überliefert  ist,  kann  er  unmögHch  eine  neue 
Strophe  einleiten,  aber  wir  wissen  dass  hier  auch  aus  anderen 
gründen  geändert  und  v.  27,  17  er  gebot  daz  er  si  onch  so  worhte 
gelesen  werden  muss.i  wir  beseitigen  also  auf  diese  weise  nicht 
nur  eine  unschöne  construction ,  sondern  erhalten  noch  einen 
guten  strophenanfang,  der,  wie  sich  noch  aus  der  anordnung 
der  anderen  abschnitte  ergeben  wird,  hier  wol  angesetzt  werden 
muss.  ich  verdanke  übrigens  diesen  Vorschlag  herrn  professor 
Schercr. 

Lassen  wir  nun  bei  27,  17  einen  neuen  abschnitt  beginnen, 
dann  erhallen  wir  unter  ausscheidung  aller  als  interpoliert  er- 
achteten verse  abschnitte  von: 

8.  8.  8.  8.  8.  10.  6.  10.  12.  12.  8? versen. 

davon  ist  zunächst  der  letzte  abschnitt  unvollständig,  indem,  wie 

*  auch  in  den  Drei  Jünglingen  G,  1  ist  ein  nicht  angezeigter  stropiien- 
beginn  mit  textesentstcllung  verbunden  vgl.  Dkm.-  excurs  zu  xxxvi,  ebenso 
wie  auch  in  diesem  gedieht  bei  den  Interpolationen  der  grundtext  benutzt  wird. 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  41 

wir  schon  wissen ,  ein  halbvers  sicher  fehlt,  indessen  fehlt  wahr- 
scheinlich mehr,  sodass  wir  widerum  einer  nicht  unbedeutenden 
textzerrüttung  gegenüberstehen,  man  beachte  genau  die  straff 
gegliederte  gedankenverbindung  in  den  beiden  letzten  hymnischen 
abschnitten  bis  v.  28,  22  und  man  wird  sehen  dass  von  hier  an 
die  strenge  Ordnung  durch  eine  liicke  gestört  ist. 

Der  rohe  gedankengaog  ist  folgender:  das  zeichen  ist  so 
schön,  es  ist  grün  und  rot,  es  bezeichnet  wasser  und  blut.  ... 
deshalb  sollen  wir  auch  zu  dem  wasser  den  wein  mischen,  dann 
wird  das  wasser  zum  blut. 

Mit  diesem  blute  gewinnen  wir  die  verlorene  taufe  wider  — 
und  nun:  die  thränen  der  reue  geben  sie  uns  wider,  klafft  da 
nicht  deutlich  eine  kicke?  —  offenbar  werden  das  'grün  und 
rot'  gedeutet  einmal  auf  das  aus  Christi  seile  fliefsende  blut  und 
dann  auf  den  aus  wasser  und  wein  gemischten  trank  des  mess- 
opfers  und  endlich  drittens  auf  die  thränen  der  reue,  und  — 
das  will  der  dichter  sagen  —  so  wie  uns  das  blut  und  der  trank 
die  taufe  widergeben,  so  auch  die  thränen  oder,  unsymbolisch 
ausgedrückt,  die  reue  über  begangene  Sünden,  kann  nun  der 
dichter,  nachdem  er  vorher  so  deutlich,  so  schritt  für  schritt  den 
gedanken  fortführt,  plötzlich  in  so  unklarer  weise  die  beiden 
letzten  deutungen  vermischt  und  gesagt  haben,  so  vs'ie  da  steht  — 
mit  dem  blute  gewinnen  wir  die  taufe  zurück,  die  thränen  geben 
sie  uns  wider?  gewis  nicht,  sondern  die  Verwirrung  rührt  von 
der  schlechten  Überlieferung  her,  der  ein  oder  mehrere  verse 
zum  opfer  gefallen  sind,  wie  viele  freilich,  lässt  sich  genau 
nicht  mehr  feststellen,  und  doch  wäre  das  hier,  wo  es  sich  um 
die  bestimmung  der  versanzahl  der  einzelnen  abschnitte  handelt, 
sehr  erwünscht,  vielleicht  dürfen  wir,  da  eine  Symmetrie  nicht 
zu  verkennen  ist,  auf  einen  Schlussabschnitt  von  12  versen 
schliefsen.  es  würden  demnach  aufser  dem  halbvers  noch  zwei 
langverse  fehlen,  wenn  man  einwendeu  könnte  dass  der  dichter 
bei  der  ihn  auszeichnenden  kürze  kaum  vier  halbverse  gebraucht 
haben  würde,  um  die  dritte  deutung  anzuschliefsen,  so  gebe  ich 
zu  bedenken  dass  es  noch  zweifelhaft  ist,  ob  er  mit  diesen  deu- 
tungen schloss  und  ob  er  nicht  vielmehr  nach  einer  deutlicheren 
beziehung  auf  den  behandelten  stoff:  die  durch  die  Sündhaftigkeit 
der  weit  herbeigeführte  sintflut  strebte. 

Dann   fällt   noch   heraus    der   siebente    abschnitt,    der  nur 


42  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

6  verse  umfasst,  während  der  vorhergehende  und  folgende  je 
zehn  enthalten,  aber  gerade  in  diesem  abschnitt  befindet  sich 
der  vers,  welcher  Noe  aussprechen  lässt,  was  in  der  bibel  gott 
sagt  vgl.  27,  38  und  oben  s,  31.  die  annähme,  zu  der  wir  vor- 
her schon  neigten,  dass  die  stelle  verderbt  sei,  wird  dadurch 
noch  wahrscheinlicher,  ob  wir  auch  hier  berechtigt  sind,  aus 
dem  Verhältnisse  der  Strophen  von  acht  und  zwölf  versen  zu 
einander  zu  schliefsen  dass  dieser  abschnitt  wie  der  vorhergehende 
und  folgende  ursprünglich  zehn  verse  enthielt,  lasse  ich  dahin 
gestellt.  —  jedesfalls  findet  sich  au  keiner  stelle  in  der  ganzen 
Genesis  ein  ähnliches,  ich  will  vorsichtig  sagen,  den  eindruck 
symmetrischer  anordnung  erweckendes  Verhältnis  der  einzelnen 
abschnitte  zu  einander,  und,  was  am  wichtigsten  ist,  diese  glie- 
derung  der  Strophen  entspricht  vollkommen  dem  gange  der  hand- 
lung  wie  dem  inhalte  des  gedichts  und  ergibt  eine  tadellose  Ver- 
teilung des  stofl'es. 

Die  fünf  Strophen  von  je  acht  versen  reichen  bis  27,  30  so 
der  liegen  begunde  stillan  dh.  bis  dahin,  wo  die  sintflut  ihren 
höhepunct  erreicht  hat  und  wo  die  wasser  schwinden,  die  nächsten 
drei  Strophen,  von  denen  also  die  erste  und  dritte  je  10  verse 
enthält,  die  zweite  vermutlich  unvollständig  ist,  beschäftigen  sich 
mit  dem  verlassen  der  arche  durch  Noe  und  dem  dankopfer,  das 
er  gott  für  die  rettung  darbringt,  die  letzten  Strophen  endlich, 
von  denen  die  beiden  ersten  je  12  verse  enthalten,  die  letzte 
aber  mit  ihren  7  versen  zweifellos  unvollständig  ist,  handeln 
von  der  einsetzung  des  regenbogens  und  dem  bunde  gottes 
mit  Noe,  woran  sich  dann  die  hymnenartige  schlussbetrachtuug 
anschliefst. 

Und  ebenso  wie  die  durch  gleiche  verszahl  zusammenge- 
haltenen Strophen  unter  sich  immer  einen  wichtigen  abschnitt 
des  ganzen  stoll'es  darstellen,  so  umfasst  auch  jede  einzelne  Strophe 
ein  für  sich  stehendes  moment  der  handlung,  sodass  ein  tadelns- 
wertes übergreifen  von  einer  Strophe  in  die  andere  nirgends  sicht- 
bar ist.  die  erste  enthält  die  exposition,  die  zweite  gottes  befehl 
an  Noe,  die  arche  zu  bauen,  die  dritte  etwas  über  die  allgemeine 
natur  der  arche  und  was  Noe  darin  aufnehmen  solle,  die  vierte 
die  innere  einrichtung  und  beschreibung  der  bewohnten  arche, 
die  fünfte  die  sintflut,  die  sechste  das  ende  der  sintflut,  die 
siebente  das  verlassen  der  arche,  die  achte  Noes  dankopfer,  die 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS        43 

neunte  handelt  vom  bunde  gottes  und  dem  regenbogen  als  bundes- 
zeicben,  die  zehnte  bringt  die  deutungen  der  färben  grün  und 
rot  und  die  elfte  endlich  eine  neue  moralische  deutung  als  schluss. 

Zeichnet  sich  so  das  stück  durch  die  symmetrische  anord- 
nung  der  abschnitte  vor  allen  anderen  teilen  der  Genesis  aus,  so 
scheint  in  ihm  nun  auch  der  vers  von  vier  hebungen  durchgeführt, 
ich  muss  allerdings  gestehen  dass  ich  früher  das  nicht  annahm, 
sondern  in  unserem  liede  —  wie  ich  jetzt  wol  sagen  darf  — 
eines  jener  gruppenweise  oder  symmetrisch  geordneten ,  ungleich- 
strophischen gedichte  sah,  wie  es  Christus  und  die  Samariterin 
(Dkm.  x)  und  das  Ludwigslied  (xi)  sind,  auf  welche  aber  die  Se- 
quenz, deren  einfluss  auf  gleich-  wie  auf  ungleichstrophige  ge- 
dichte Scherer  in  den  Dkm.  s.  414  besprochen  hat,  so  eigenartig 
eingewürkt  haben  sollte,  dass  unser  stück  gegenüber  den  in  den 
Dkm.  aus  dem  einflusse  der  sequenz  hergeleiteten  kategorien  eine 
neue  darstellen  würde,  denn  sie  sollte  hier  'das  gruppenweise 
oder  symmetrische  beieinander  der  ungleichen  gesätze'  nicht 
aufgehoben,  dagegen  die  Überschreitung  der  geraden  (parvveise 
gebundenen)  zahl  der  reimzeileu  veranlasst  haben  und  zwar  so, 
dass  die  durch  die  gleiche  verszahl  zusammengehaltenen  Strophen 
im  inneren  bau  sich  nicht  mehr  entsprächen,  indessen  belehrt 
mich  herr  prof.  Scherer  dass  der  vers  von  vier  hebungen  ohne 
allzu  harten  zwang  durchzuführen  sei:  es  sind  durchweg  4  hebun- 
gen, nur  zuweilen  4  hebungen  klingend  und  verlängerte  schluss- 
zeilen.  freilich  werden  wir  manche  metrische  freiheit  mit  in 
den  kauf  nehmen  müssen,  aber  in  einem  liede  eines  vermut- 
lich österreichischen  dichters  des  11  jhs.  wird  das  nicht  weiter 
auffallen  (vgl.  Scherer  QF  i  71  f.  Roediger  Zs.  18,  288  ff.  Schroe- 
der  QFLxivl2ffj. 

Überladener  erster  fufs  findet  sich  27,  36^  und  28,  14  in 
beiden  auf  einander  reimenden  kurzzeilen ,  falls  wir  an  der  Über- 
lieferung durchaus  festhalten  wollen,  sonst  können  wir  auch 
beide  male  statt  also  das  unverstärkte  so  lesen ,  wodurch  diese 
verse  erheblich  geglättet  werden,  ich  will  gleich  hier  die  beiden 
anderen  textesänderungeu  anführen ,  die  zur  durchführung  des 
viermal  gehobenen  verses  nötig  scheinen:  in  27,19  ist  statt  der 
flectierten  form  elliu  wol  besser  al  zu  lesen  und  in  27,  39  ist 
moiite  zu  streichen. 

Dreisilbiger  auftact,   der  leicht    als  zweisilbiger   angesehen 


U  DER  NOE  DER  WIENER  GElNESlS 

werden  kaim,  findet  sich  27,15^  übe  si.  schwerer  wiegt  27,33 
dö  sante  er  als  auftact,  aber  da  schon  in  der  vorauf  gehenden 
langzeile  uzsante  vorkommt,  wird  auch  dieser  nicht  gar  zu  übel 
empfunden,  härter  scheint  28,  16"^  dö  si  ime  zu  sein,  aber  die 
Verschmelzung  von  formen  des  pronomens  der  dritten  person  ist 
in  dieser  poesie  nichts  seltenes,  vgl.  in  der  Genesis  Schreibungen 
wie  14,  21  sime,  19,  6  und  8  siz;  22,  24  sinn  =  si  in  und  bei 
Gonsonantischem  ausgange  der  ersten  form  17,  4  ers,  72,  21  erme 
==  er  ime,  auch  sal  29,  2(3.  übrigens  linden  sich  auch,  wie  ich 
bei  der  gelegenbeit  bemerken  will,  für  die  Verschmelzung  des 
Personalpronomens  mit  dem  pronomen  der  dritten  person  interes- 
sante Schreibungen :  24,  9  wirre  =  wir  ire,  68,  29  dirn. 

Zweisilbiger  auftact  ist  sehr  häufig,  doch  oft  durch  leichte 
kürzungen  zu  umgehen,  die  schwereren  fälle  notiere  ich:  27,  8*" 
dei  der,  27,11  er  hiez  (vielleicht  statt  A'de  m  zu  lesen?),  27,20'' 
alles,  27,  21*  reines,  27,  23"  aller;  27,  24''  was  Nöe,  27,  30*  so 
der,  28,  11*  daz  wir,   28,  22"  so  wir,   28,  23"  gehent.     einmal 

27,  9*  finden  wir  vor  zweisilbigem  auflact  noch  er  sprach,  dieses 
kann  hier  als  aufserhalb  des  verses  stehend  wol  angesehen  werden 
(vgl.  QF  i71). 

Kürzungen  sind  mehrfach  anzusetzen: 
Apocope:    unt   statt  unde   27,  37%  loolte  27,  9'',  bei  inver- 
tierter Stellung   des  verbs   gewinnen  wir  28,  21''    und  wol   auch 

28,  18*  sculen  wir,  wodurch  zweisilbiger  aultact  vermieden  wird. 

Syncope  der  schwachen  praelixe  27,  12''  g  waltiger,  28,  19 
gedenchet,  27,  30*''  begunde,  28,  22''  bewellan.  sonstige  syncope 
27,38  ilet  und  28, 11  zwivelen  mit  tonversetzungvgl.Dkm.xi8  anm. 

Synaioephe  von  der  hebung  in  die  Senkung:  27,  26  tage 
unde,  '21,  33  sante  er,  '21,  35  poume  unde,  von  der  Senkung  in 
die  hebung:    27,  15  elline  an. 

Verschleifung  27,12*  elline  und  schwebende  betonung  27,  23* 
nidersten.  endlich  findet  sich  ein  fall  der  inclinatiou  des  artikels 
an  das  folgende  Substantiv  in  28,  21   die  tonffe. 

Räumt  man  diese  freiheiten  ein,  so  erhält  man  also  bis  auf 
die  verlängerten  Schlusszeilen  den  regelmäfsigen  vers  von  vier 
hebungen  durchgeführt,  verlängerte  Schlusszeilen  haben  nun  die 
erste,  zweite,  dritte  und  sechste  Strophe,  und  zwar  scheint  der 
vers  gegenüber  dem  regelmäfsigen  immer  um  6ine  hebung  ver- 
mehrt,   sicher  ist  das  27,  35  und  unter  Voraussetzung  der  Lach- 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  45 

mannschen  lesart  27,  21.  auch  für  27,  9''  wird  man  es  annehmen 
dürfen,  da  die  annähme  nur  das  opfer  des  e  in  wolle  verlangt, 
dagegen  erreichen  wir  das  plus  von  nur  einer  hehung  in  27,  15"^ 
nur  dann ,  wenn  wir  den  reim  genuoge :  hohe  als  khngend  an- 
sehen dürfen,  aber  auch  dagegen  werden  wir  uns  nicht  sträuben 
können,  dass  der  klingende  reim  an  sich  in  unserem  Hede  schon 
gilt,  beweisen  die  guten  binduugen  in  27,9  denchen :  trenchen, 
21,  li  arche  :  starche,  27,24  höhe  :  gezöhe,  27,29  sunchen:trmichen, 
21,  32  sante:  erlante,  27,38  erde  :  werde ,  2S,  20  wäre  :  altdre. 
aber  wir  werden  in  dieser  zeit  der  metrischen  Unzulänglichkeit 
auch  den  reim  28,  1 1  scolten :  gehalten  für  klingend  halten  dürfen 
und  so  auch  21 ,  \1  worhte :  dorfte.  dürften  wir  das  nicht,  dann 
scheiterte  freilich  die  ganze  annähme  vom  durchgeführten  regel- 
mäfsigen  verse.  denn  nicht  nur  die  reime  scollen ;  halten  oder 
worhte: dorfte,  sondern  auch  die  viel  unvollkommeneren  bindungen 
27,  36  chinden :  wiben  und  27,  38  wurme :  gefugele  müssen  als 
klingende  aufgefasst  werden,  wenn  die  theorie  vom  durchgeführten 
verse  von  vier  hebungen  richtig  sein  soll,  in  dem  letzteren  falle 
hätten  wir  zugleich  eine  bindung  von  vier  hebungen  klingend 
zu  drei  hebungen  klingend,  diese  ist  wahrscheinlich  auch  28,  20 
anzusetzen,  wenn  wir  nicht  üf  in  die  Senkung  setzen  und  ältdre 
betonen  wollen. 

Gar  nicht  dem  gesetze  anzupassen  ist  der  kurze  vers  28,  9'' : 
hier  liegt  wol  eine  Verderbnis  vor. 

Demnach  gehört  unser  lied  wol  kaum  einer  neuen  kategorie 
von  gedichten  an,  welche  durch  eine  eigenartige  einwürkung 
der  Sequenz  auf  die  gruppenweise  oder  symmetrisch  geordneten 
ungleichstrophigen  entstanden  sein  könnte,  sondern  reiht  sich 
hinsichtlich  der  form  in  die  schon  von  Scherer  berücksichtigte 
kategorie  ein:  ungleichstrophig  mit  verlängerter  schlusszeile  uiid 
klingendem  ausgang  des  viermal  gehobenen  verses.  analoge  bei- 
spiele  für  diese  form  sind  dann  die  Drei  jünghnge  im  feuerofen 
und  die  ältere  Judith  (Dkm.  xxxvi,  xxxvn).  l-rivi 

Wenn  wir  nun  also  in  iii"  ein  ehemals  selbständiges  lied  zu 
erkennen  glauben,  wie  haben  wir  dann  ni''  aufzufassen?  die  be- 
antwortung  dieser  frage  fällt  ganz  verschieden  aus,  je  nachdem 
wir  ni''  noch  einmal  zerlegen  oder  nicht,  bei  dem  geringen  um- 
fange der  stücke  lässt  sich  nun  die  berechligung  dazu  sehr  schwer 
herleiten,      die   betrachtung   des   Stiles    ergab  dafür   nichts   aus- 


46  DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS 

reichendes,  die  betrachtung  der  metrik  zeigt  freilich  dass  in  der 
episode  von  Cham  der  reguläre  vers  von  vier  hebungen  und  zwar 
ohne  verlängerte  Schlusszeilen  unschwer  durchzuführen  ist,  wäh- 
rend das  stück  vom  turmbau  jedes  derartigen  Versuches  spottet, 
indessen  ist  auch  das  nicht  entscheidend,  denn  in  der  Genesis 
wird  oft,  wie  schon  Vogt  bemerkt  hat,  in  demselben  unzweifel- 
haft einheitlichen  stücke  ganze  strecken  hindurch  der  reguläre 
vers  von  vier  hebungen  beobachtet,  während  dann  wider  verse 
unscandierbarer  art  folgen,  nimmt  man  nun  an  dass  beide  stücke, 
die  episode  des  Cham  wie  der  turmbau,  von  einem  und  dem- 
selben dichter  herrühren ,  dann  kann  man  m**  nicht ,  wie  wir  es 
für  lu^  taten,  eine  ehemals  selbständige  exislenz  zuschreiben, 
sondern  muss  es  etwa  auf  das  conto  des  compilators  setzen,  von 
dem  wir  oben  sprachen  und  dem  wir  die  Überlieferung  der  Ge- 
nesis als  eines  einheitlichen  Werkes  verdanken,  denn  die  Ver- 
einigung dieser  beiden  episoden,  die  in  der  biblischen  Über- 
lieferung nur  chronologisch  zusammenhängen,  innerlich  aber 
nichts  mit  einander  zu  tun  haben ,  ist  nur  versländlich  bei  einem 
Verfasser,  der  eine  poetische  Übertragung  der  bibel  bezw.  eines 
teiles  derselben  bezweckt. 

Dagegen  konnte  wol  —  unter  Voraussetzung  der  Verschieden- 
heit der  Verfasser  —  der  erste  teil  von  in'',  die  episode  des  Cham, 
einst  eine  selbständige  existenz  geführt  haben,  wenigstens  eignet 
sich  das  thema  ganz  vortrefflich  für  die  behandlung  in  einem 
selbständigen  liede.  handelt  es  sich  doch  um  die  darstellung 
einer  scene  von  ganz  allgemeinem  interesse,  einer  scene,  an  die 
das  mittelalter  mit  der  bibel  den  Ursprung  der  stände  knüpfte, 
auch  entbehrt  der  stolT  nicht  einer  gewissen  tragik,  die  sich  im 
sinne  der  kirchlichen  moral  ganz  vortrefflich  ausbeuten  lässt:  die 
schwer  empfundene  sociale  Ungleichheit  der  menschen  wird  auf 
den  fehltritt  eines  einzelnen  frevlers  zurückgeführt,  dieser  auf- 
gäbe wird  die  darstellung  in  unserem  stücke  freilich  sehr  wenig 
gerecht:  sie  ist  recht  matt  und  entbehrt  jedes  höheren  Schwunges, 
wie  anders  hätte  der  dichter  von  i  dieses  für  seine  Individualität 
wie  geschaffene  thema  behandelt!  aber  immerhin  konnte  das  ge- 
dieht ein  lied  in  der  art  von  Christus  und  die  Samariterin  sein,  in 
diesem  falle  rührte  dann  der  turmbau  allein  vom  compilator  her. 
denn  für  dieses  stück  schliefst  sich  die  annähme,  als  habe  es 
einst  selbständig   existiert   und   sei   vom   compilator   nur   aufge- 


DER  NOE  DER  WIENER  GENESIS  47 

griffen  worden,  wol  von  selbst  aus,  da  die  behandlung  so  dürftig 
und  armselig  ist  wie  es  nur  bei  einem  lückenbüfser  sein  kann, 
welche  von  diesen  auffassungen  den  Vorzug  verdient,  will  ich 
nicht  entscheiden,  mir  kam  es  vor  allem  darauf  an,  die  ehe- 
malige Selbständigkeit  von  in*  als  einem  in  stil,  anläge  und  tendenz 
von  I  und  ii  total  verschiedenen  gedichte  zu  erweisen,  um  ein 
neues  argument  zu  liefern  für  die  ansieht,  dass  die  Wiener  Ge- 
nesis ein  werk  durch  und  durch  compilatorischen  characters  sei. 
Berlin  im  februar  1884.  OTTO  PNIOWER. 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART 
FUCHS. 

Das  gedieht  des  fahrenden  erzählers  Heinrich  des  glichessere 
ist  uns  bekanntlich  in  zwei  sehr  verschiedenen  gestalten  über- 
liefert, von  der  einen,  welche  in  einer  hs.  aus  dem  ende  des 
XH  jhs.  enthalten  war,  sind  nur  fragmente  auf  uns  gekommen, 
etwa  700  verse  umfassend,  welche  Jacob  Grimm  in  seinem  Send- 
schreiben an  Karl  Lachmann.  Über  RF,  Leipzig  1840,  s.  13 — 67 
zuerst  in  diplomatisch  genauem  abdruck ,  dann  in  einer  herstel- 
lung  mit  anmerkungen  herausgegeben  hat.  ich  nenne  die  hs.  S. 
im  laufe  des  xiri  jhs.  wurde  eine  bearbeitung  des  ursprünglichen 
Werkes  von  einem  unbekannten  vorgenommen,  die  es  dem  ge- 
schmacke  der  zeit  besonders  in  bezug  auf  die  form  anbequemte, 
diese  gestalt  ist  in  zwei  abschriften  auf  uns  gekommen:  dem 
Heidelberger  codex  nr  341  (P)  und  der  sogenannten  Koloczaer 
hs.  (K).  aus  dieser  letzteren  haben  graf  Mailäth  und  Köffinger 
in  ihrer  auswahl  (Pest  1817)  den  Reinhart  veröffentlicht  s.  357  bis 
420.  Jacob  Grimm  hat  in  seinem  Reinhart  fuchs  (Berlin  1834) 
beide  hss.  benutzt  und  darnach  das  gedieht  ediert  s.  25  — 114, 
vorher  vgl.  s.  ein — cxv.  bei  meiner  Untersuchung  durfte  ich  mich 
einer  collation  beider  hss.  bedienen,  welche  Karl  Reifsenberger 
zum  behuf  einer  neuausgabe  des  gedichtes  in  Pauls  Altdeutscher 
textbibliothek  angefertigt  hat. 

Was  zunächst  die  beschaffenheit  und  den  wert  der  hss. 
selbst  anlangt,  so  scheint  mir  dass  vor  allem  folgendes  festgehalten 
werden  muss:    S  ist  nicht  das  original     zwar  glaube  ich  nicht, 


48         DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS 

wie  Jacob  Grimm  Sendscbr.  s.  19.  29.  39  und  57,  dass  vers  864 
fehlt,  aber  1703.  4  ist  doch  ohne  zweifei  (wahrscheinlich  wegen 
des  gleicJien  auslautes  zweier  schwachen  präterita)  das  stück  eines 
Verses  ausgefallen,  und  zudem  zeigen  sich  mancherlei  fehler,  ver- 
schreibungen  und  nachtrage,  sodass  unmöglich  S  als  die  ursprüng- 
liche aufzeichnung  des  gedichtes  angesehen  werden  kann.  S  be- 
sitzt an  sich  die  eigenschaften  einer  guten  quelle,  der  Schreiber 
sprach  denselben  dialect  wie  der  dichter,  hatte  also  keinen  grund 
zu  mundartlichen  äuderungen,  auch  war  er  der  zeit  nach  nicht 
so  weit  von  dem  dichter  entfernt,  um  an  den  eigentümlichkeiten 
der  verse  desselben  anstofs  zu  nehmen,  dass  metrische  schwierig- 
keilen ihn  nicht  störten,  sieht  man  aus  dem,  was  er  selbst  über- 
liefert hat,  also  für  zulässig  hielt,  auch  wenn  man  schwere  zwei- 
silbige, drei-,  sogar  viersilbige  auflade  annimmt,  erübrigen  eine 
anzahl  verse,  in  denen  zweisilbige  Senkung  nicht  nach  mhd.  weise 
verschleift  werden  kann;  wo  entweder  die  beiden  silben  durch 
mehrere  consonanten  getrennt  sind,  oder  auf  ein  tonloses«  (mit 
oder  ohne  nachfolgenden  consonanten)  ein  einsilbiges  wort  mit 
einem  anderen  vocal  als  e  folgt,  so  620.  703.  733.  734.  (736.)  73S. 
755.  763.  SOO.  834.  868.  886.  887.  934.  (946.)  975.  1559.  1572. 
1573.  1605.  1628.  1643.  1670.  1682.  1697.  (1705.)  1725.  1759. 
ich  glaube  nicht  dass  diese  fälle  weggeschafft  oder  anders  gelesen 
werden  können,  wie  ESchröder  in  bezug  auf  ähnliche  verse  von 
Arnolds  Juhaua  meinte  DLZ  1883  sp.  555,  sondern  dass  dies 
würklich  zweisilbige  Senkungen  sind,  die  auch  zweisilbig  ge- 
sprochen werden  müssen,  vgl.  Roediger  Anz.  ix  331.  334.  vier 
hebungen  klingend  kommen  vor  789.90.  859.  60.  (893.4.)  1525.  6; 
drei  auf  vier  hebungen  klingend  805.  6  und  am  Schlüsse  von 
absätzen  625.  6.  überlange  uulesbare  verse  sind  699.  704.  946. 
dagegen  nach  normalem  mafs  zu  kurz  618.  1579.  1616,  vielleicht 
auch  721.  945.  1674.  die  namen  werden  sehr  verschieden  be- 
bandelt: neben  hingrin  steht  Isingrin  591.  607.  652.  709.  791. 
805.  943  und  Isingrin  749.  777.  781.  873.  973-  —  nandölt  1633. 
1653.  —  Reinhart  wird  abwechselnd  auf  der  ersten  und  zweiten 
Silbe  betont,  mitunter  steht  das  ganze  wort  im  auftact.  ver- 
setzte betonungen  noch  647.  710.  759.  1591.  dabei  habe  ich 
selbsiverständlich  die  verse  ausgeschlossen,  die  durch  Grimm  er- 
gänzt worden  sind.  —  die  ungenauen  reime  hat  der  Schreiber 
von  S  geduldet,  ich  glaube  nicht  dass  er  einen  getilgt  oder  des- 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         49 

halb  geändert  hat.  dagegea  hat  er  möglicher  weise  einzelne  worte 
durch  andere  ersetzt;  darüber  sowie  was  die  episode  1687  ff  an- 
langt, vgl.  die  bemerkungen  zum  texte.  —  berücksichtigt  man 
das  angeführte ,  so  ergibt  sich  lür  den ,  welcher  aus  S  einen  text 
der  ursprünglichen  fassung  des  Reinhart  herstellen  will,  die  regel: 
geändert  darf  nur  werden  1.  bei  offenkundigen  Schreibfehlern  und 
versehen.  2.  wenn  die  umstände  gründe  zur  Vermutung  an  die 
band  geben  dass  in  S  geändert  worden  sei;  dies  festzustellen, 
kann  P  bisweilen  dienen,  der  versbau  erlaubt  fast  nirgends  zu 
ändern,  ebenso  wenig  der  reim  oder  dialectische  eigenheiten. 

Unter  den  hss.  der  Umarbeitung  ist  K  nur  eine  copie  von 
P  und  zwar  mechanisch  angefertigt  und  ohne  dass  eine  andere 
hs.  dabei  zu  rate  gezogen  wäre.  R  bietet  allerdings  an  ziemlich 
vielen  stellen  andere  lesarten  als  P,  aber  das  sind  alles  nur 
weitere  fortschritte  auf  dem  in  P  bereits  betretenen  wege  der 
verflachung  und  verplattung.  K  wünscht  noch  deutlicher  zu  sein 
als  P,  noch  mehr  die  prosaische  redeweise  seiner  zeit  einzuführen, 
keine  einzige  abweichende  lesart  findet  sich  in  K,  deren  entslehung 
sich  nicht  zur  genüge  erklärte ,  wenn  man  P  als  vorläge  voraus- 
setzt, was  also  in  K  anders  steht  als  in  P  hat  höchstens  den  wert 
einer  conjectur,  und  da  dem  Schreiber  von  R  ein  sonderliches 
Ingenium  nicht  verheben  war,  den  wert  einer  schlechten  con- 
jectur.- ich  wüste  keine  stelle,  welche  durch  R  gebessert  werden 
könnte.  : —  das  alles  zu  sagen  war  fast  überflüssig,  denn  das  Ver- 
hältnis von  R  zu  P  ist  von  anderen  stücken  her ,  die  aus  beiden 
hss.  gedruckt  vorliegen,  hinlänglich  bekannt  (vgl.  zb.  WGrimms 
vorrede  zur  Gold,  schmiede;  dagegen  Haupt,  vorrede  zu  Hart- 
manns Armen  Heinrich^  s.viii);  es  ist  beim  Reinhart  kein  anderes 
als  bei  den  übrigen  gedichteu. 

P  enthält  ebenfalls  seinerseits  eine  grofse  anzahl  von  dich- 
tungen,  welche  uns  in  anderen  hss.  überliefert  sind,  und  wir 
sind  darnach  im  stände,  in  mehreren  fällen  uns  ein  urteil  über 
das  verfahren  der  Schreiber  von  P  gegenüber  ihren  vorlagen  zu 
bilden,  ich  habe  vor  jähren ,  als  ich  gröfsere  stücke  aus  P  ab- 
schrieb, darüber  Zusammenstellungen  gemacht,  anderes  ist  aus 
gedruckten  editionen  bekannt  und  das  wird  ohne  wesentliche  fehler 
auch  auf  Reinharl  sich  anwenden  lassen,  für  welchen  wir  die 
vorläge  von  P  nicht  besitzen,  darnach  ist  P  gut,  wenn  die  vor- 
läge gut  war,  und  auch  schlecht  mit  dieser.  P.  ändert  eben  nur 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  4 


50        DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS 

wenig  und  leise,  ergänzt  in  reimen  mit  überschüssigem  n  uä.  das 
fehlende,  und  strebt  nach  gröfserer  klarheit  der  Satzverbindungen, 
dh.  es  sucht  kühne  constructionen  zu  vereinfachen ,  fügt  prono- 
mina  ein,  bringt  Übereinstimmung  zusammengehöriger  Satzteile 
zu  wege,  bemüht  sich  alles  plan  zu  machen,  verwischt  aber  dabei 
manchmal  eigentümliches.  Wörter  ändert  P  nur  in  seltenen  fällen, 
wenn  sie  unverständlich  sind  oder  veraltete  formen  haben,  den 
vers  trachtet  P  zu  glätten,  schaltet  kleine  formwörter  oder  Par- 
tikeln zu  diesem  zwecke  ein  und  lässt  dafür  bisweilen  ein  oder 
das  andere  wort  fallen,  auch  hier  ist  das  vorgehen  glücklicher 
weise  ohne  energie,  stärkere  änderungen  wagt  P  aus  metrischen 
gründen  nicht,  wenn  daher  in  P  sich  schlechtgebaute,  holprige, 
schwierige  verse  finden ,  so  ist  es  höchst  wahrscheinlich  dass  sie 
schon  der  vorläge  angehörten,  eben  das  ist  bei  Reinhart  der 
fall,  von  den  vorhin  aufgezählten  metrisch  unvollkommenen  versea 
hat  P  aus  S  im  wesentlichen  19  noch  übernommen,  abgesehen 
von  versetzten  betonungen.  aber  P  enthält  nicht  blofs  in  den 
teilen ,  für  welche  die  fragmente  S  uns  vorliegen ,  etliche  metrisch 
schlechte  verse  mehr,  sondern  im  übrigen  überhaupt  noch  sehr 
viele  und  zwar:  nach  anwendung  sehr  schwerer  auftacte,  ver- 
setzter betonung  udgl.  erübrigen  noch  zweisilbige  Senkungen ,  die 
nach  gewöhnlicher  mhd.  weise  nicht  einsilbig  gemacht  werden 
können,  in  den  versen  6.  47.  49.  135.  (139.)  298.  303.  4.  332. 
345.  348.  375.  403.  457.  471.  499.  534.  (559.)  621.  725.  (785.) 
(877.)  908.  960.  1001.  (1017.)  1021.  1028.  1049.  1107.  1140. 
(1170.)  (1182.)  1188.1224. 1251.  1260.  1312.(1368.  1390.)  1438. 
1445.  1460.  1463.  1465.  (1479.)  1484.  1516.  1520.  1748.  1749. 
1763.  1805.  6.  1873.  1903.  1951.  2038.  2061.  2079.  2083.  2119. 
20.  21.  23.  2152.  2190.  2208.  nur  durch  ungewöhnlich  harte 
syncopen  und  apocopen  ist  der  mehrzahl  dieser  verse  aufzuhelfen, 
einige  bleiben  unheilbar,  in  einer  anzahl  von  versen  reimen  drei 
auf  vier  hebungen  klingend:  dh.  man  muss  dann  den  einen, 
welchem  eigentlich  nur  drei  hebungen  zukommen,  ebenfalls  mit 
vier  lesen:  141.  2.  (149.  50.)  185.  6.  (333.  4.)  383.  4.  399.  400. 
1.  2.  445.  6.  745.  6.  795.  6.  909.  10.  1265.  6.  1967.  8.  2077.  8. 
2209.  10.  2251.  2.  versetzte  betonungen  kommen  öfters  vor: 
647.1108.1352.1422.1903.2150.2162  und  wol  noch  in  anderen, 
durch  verschiedene  betonung  der  namen  kann  man  manche  verse 
erträglich  machen,     so  ist  neben  dem  regelmäfsigen  Isengrin  zu 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         51 

betonen  Isengrin  All.  591.  607.  652.  697.  791.  1005. 1121.  Isen- 
gri'n  111.  (785.)  973.  1140.  1188.  1193.  —  neben  der  betonung 
Schänteder  in  8  fällen  kommt  noch  zweisilbig  SchäntecUr  vor 
55.  83.  99.  103.  108.  126.  141.  147.  1857.  —  Reinhart  rauss  sich 
natürlich  alles  gefallen  lassen ,  steht  auch  als  auftact.  —  diese 
fälle  finden  sich  alle  in  Grimms  text,  sie  vermehren  sich  aber 
um  ein  bedeutendes,  wenn  man  P  mehr  recht  lässt  und  seine 
Überlieferung  nicht  des  Versbaues  halber  ändert,  dass  man  dies 
nicht  darf,  ergibt  sich  wol  aus  der  grofsen  zahl  schwieriger  verse 
zur  genüge,  nach  dem  früher  geschilderten  verhalten  von  P 
gegenüber  seinen  vorlagen  kann  man  durchaus  nicht  annehmen 
dass  diese  härten  durch  den  Schreiber  von  P  in  die  verse  ge- 
kommen seien ,  sie  waren  schon  in  der  vorläge  enthalten,  über 
diese  hinaus  aber  vermögen  wir  die  Überlieferung  nicht  zu  ver- 
folgen,  ja  die  beschaffenheit  von  S  selbst  legt  uns  alle  reserve 
auf.  somit  ist  es  nicht  erlaubt,  aus  metrischen  gründen  (ohne 
mitwürkung  anderer  sachlichen)  P  zu  corrigieren,  und  es 
müssen  die  lesarten  von  P,  welche  Grimm  deshalb  geändert  hat, 
in  einem  kritischen  text  wider  restituiert  werden,  ich  halte  es 
nicht  einmal  für  geraten,  bei  einer  neuen  ausgäbe  in  der  Schreibung 
der  verse  sich  der  das  lesen  erleichternden  kürzungen  zu  bedienen, 
welche  in  unseren  mhd.  texten  eingeführt  sind,  weil  das  bei  so 
vielen  versen  nichts  hilft  und  weil  endlich  (was  freilich  nicht 
direct  in  betracht  kommt)  S  sie  ebenfalls  nicht  enthält,  so  weit 
als  wir  nach  der  Überlieferung  zu  urteilen  vermögen ,  ist  der  ano- 
nyme bearbeiter  des  alten  Reiuhart  seinem  vorhaben  nicht  nach- 
gekommen; allerdings,  wie  er  selbst  sagt: 

an  sumeliche  rime  sprach  er  me 

dan  e  dran  wcere  gesprochen, 
2260  ouch  hat  er  abe  gebrochen 

ein  teil  da  der  worie  was  ze  vil, 
aber  dabei  sind   ihm  keineswegs  gutgebaute  verse  gelungen  und 
man  darf  aus  seinen  worten  nicht  das  recht  schöpfen ,  solche  aus 
P  herzustellen. 

Dagegen  ist  der  anonymus  eingreifender  in  bezug  auf  einea 
anderen  punct  verfahren,     der  Glichessere 

—  lie  die  rime  ungerihtet; 

die  rihte  sider  ein  ander  man 

der  ouch  ein  teil  getihtes  kan, 

4* 


52        DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REI^HART  FUCHS 

vnd  hat  daz  onch  also  getan, 

daz  er  daz  mcere  hat  mrldn 

ganz  rehte  als  ez  onch  was  e. 
teils  behielt  der  umarbeiter  dieselben  reimworte  bei  und  änderte 
die  form,  was  natürlich  nur  bei  wenigen  leichten  consonantischen 
ungenauigkeiten  geschehen  konnte,  teils  ersetzte  er  eines  der  bei- 
den reimworte  durch  ein  anderes,  teils,  und  dies  sind  die  weitaus 
meisten  fälle,  stellte  er  ein  anderes  reimpar  ein.  das  fragment  S 
lässt  erkennen  dass  das  ursprüngliche  gedieht  eine  grofse  masse 
mehr  und  minder  grob  ungenauer  reime  besafs,  der  umarbeiter 
hat  sie  bis  auf  eine  kleine  zahl  unbedeutender  (wie  sie  ihm  selbst 
gelegentlich  bei  der  umdichtung  passierten)  weggeschafft  und  nur 
in  einigen  fällen,  wo  neugestaltung  unausführbar  schien,  sind 
die  alten  reime  stehen  geblieben,  vergleicht  man  die  bearbeitung 
mit  dem  fragmente ,  so  zeigt  sich  dass  man  umgeschriebene  stellen 
auch  dort  unschwer  erkennen  kann,  wo  das  fragment  nicht  zu 
hilfe  kommt;  abgesehen  von  den  allgemeinen  zeichen  der  Unord- 
nung, Verschiebung,  queren  Wortstellung,  dem  vorkommen  ge- 
wisser lieblingsreime,  welche  alle  auf  änderungen  der  reime 
deuten,  zugleich  aber  lehrt  das  fragment  dass  versuche,  den 
ursprünglichen  text  aus  der  Umarbeitung  ohne  die  fragmente  zu 
reconstruieren ,  mit  geringen  atisnahmen  müfsig  und  resultatlos 
sind,  denn  der  bearbeiter  behält  zwar,  wie  er  selbst  sagt, 
meistens  den  gedankengang  oder  Inhalt  der  geänderten  stelle 
bei,  bringt  ihn  aber  in  einer  so  vollkommen  neuen  gestalt,  dass 
das  conjicieren  dabei  auf  ein  unfruchtbares  raten  hinausläuft. 

Noch  in  einer  anderen  beziehung  ist  das  alte  gedieht  ver- 
ändert worden ,  deren  in  der  schlussrede  des  bearbeilers  nicht  er- 
wähnung  geschieht:  für  veraltete,  nicht  mehr  wol  verständliche 
Worte  werden  moderne  eingesetzt,  dasselbe  geschieht  mit  etUcheu 
aus  der  französischen  quelle  übernommenen  ausdrücken,  alte  for- 
men und  enduugen  (participia  auf  -6t  zb.)  werden  getilgt,  endlich 
unterliegt  eine  anzahl  von  werten  dem  geschmacksurteile  des  be- 
arbeiters,  der  sie  unpassend  findet,  zb.  allenthalben  hrunne  für 
söt  schreibt  (dabei  aber  scedelin  2090  stehen  lässt).  man  ver- 
gleiche darüber  Grimms  Zusammenstellungen  im  Sendschreiben 
s.  63  ff. 

Aus  dem  gesagten  erhellt  dass  es  unmöglich  ist,  das  alte 
gedieht  aus  der  Umarbeitung  wider  herzustellen,    dort  nicht,  wo 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS        53 

das  fragment  vorhanden  ist,  weil  die  änderungen  allzu  stark  sind, 
am  wenigsten  aber  in  den  zwei  dritteln  des  gedichtes ,  denen  das 
fragment  nicht  zur  seile  steht,  die  kritische  aufgäbe  muss  sich 
darauf  beschränken ,  den  text  zu  geben ,  welchen  der  Überarbeiter 
geliefert  hat,  und  da  wird  denn  die  arbeit  bei  der  geschilderten 
metrischen  beschaffenheit  des  gedichtes,  bei  den  bekannten  qua- 
litäten  von  P,  darin  bestehen,  leicht  erkennbare  zusätze  des 
Schreibers  von  P  auszuscheiden  und  würkliche  fehler  und  Un- 
ordnung zu  verbessern,  vor  allem  aber  gegen  Jacob  Grimm  einer 
grofsen  anzahl  von  versen  die  in  P  überlieferte  gestalt  widerzu- 
geben, man  kann  dabei  nicht  wol  conservativ  genug  verfahren, 
fehler  in  P  sind  dort  natürlich  leicht  zu  eruieren  und  zu  bessern, 
wo  man  S  daneben  hat,  aber  auch  in  den  übrigen  partien  lässt 
eine  zahl  sich  finden,  i 

Es  liegen  zwei  gesonderte  Verpflichtungen  vor:  einen  text 
von  S,  einen  text  von  P  zu  bringen,  und  wenn  ich  eine  aus- 
gäbe Reinharts  zu  arbeiten  hätte,  so  würde  ich  unter  dem  texte 
von  P  auch  die  zugehörigen  stellen  von  S  abdrucken,  damit 
wäre  das  kritische  material  beisammen  und  es  liefsen  recht  lehr- 
reiche beobachtungen  sich  daran  machen,  in  seminarübungen 
könnte  das  büchlein  dann  mit  nutzen  gebraucht  werden. 

Noch  ist  eine  frage  nicht  abzuweisen;  lag  dem  bearbeiter 
das  alte  gedieht  in  der  hs.  S  vor  oder  in  einer  anderen,  einer 
identischen  oder  einer  geänderten  ?  es  scheinen  mir  einige  stellen 
dafür  zu  sprechen,  dass  der  gestalt  in  P  eine  fassung  des  Ori- 
ginals zu  gründe  lag,  welche  von  der  in  S  überlieferten  an  ein 
par  stellen  abwich  und  gegen  S  das  bessere  hatte,  diese  stellen, 
besonders  1687  ff  werden  in  den  nun  folgenden  bemerkungen 
besprochen  werden,  wo  ich,  um  breite  zu  vermeiden,  immer  zu- 
sammen erörtere,  was  für  S  und  P  in  denselben  versen  an- 
lass  gibt. 

V.  12  1.  ist  mit  P.  wo  ich  glaube  dass  die  widereinsetzung 
der  lesart  von  P  in  den  Grimmschen  text  ausdrücklicher  be- 
gründung  nicht  bedarf,  dort  führe  ich  sie  einfach  an.  —  20  P  hat 
hier  Ruczela,  K  Runtzela,  PK  haben  an  den  beiden  anderen  stellen 
28  und  36   die  formen  mit  m.     trotzdem  rate  ich,   bei  der  von 

1  diese  auffassung  steht  in  directem  gegensatze  zu  der  von  Wilhelm 
Grimm  Graf  Rudolf  s.  13  f  vertretenen,  wo  versucht  wird,  die  'ungefügen' 
verse  zu  'beseitigen',  andere  zu  glätten. 


54        DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS 

Grimm  hergestellten  Schreibung  Ruozela  zu  bleiben,  dieser  name 
ist  mehrfach  belegt  vgl,  Förstemann  Altd.  namenbuch  1,  719, 
gerade  aus  Flandern ,  Rnnzela  aber  nicht  aao.  s.  748.  auch  sind 
die  menschlichen  eigenuamen  der  tiersage  nirgends  mit  spotten- 
dem bezuge  der  bedeutung  versehen,  vgl.  Grimm  einl.  cviir.  cxLivf, 
■während  in  den  späten  hss.  leicht  eine  Umgestaltung  des  namens 
in  solcher  absieht  vorgenommen  sein  kann,  vgl.  die  stelle  aus 
den  Fastnachtsspielen  902,  16,  welche  Lexer  2,  542  anzieht.  -^ 
nach  33  ist  komma  zu  setzen ,  34  in  eine  klammer  zu  bringen, 
denn  33  und  35  gehören  zusammen,  —  36  bdbe  P  macht  den 
vers  schlimmer,  aber  das  ist  bei  diesem  gedichte  kein  grund  zur 
tilgung.  —  44  hier  stand  gewis  (ebenso  521)  im  original  un- 
minne.  vgl.  Grimm  einl.  cxni,  —  47  ff  sind  deutlich  verändert. 
49  1.  sin  (sine?)  spachen  (P  sinen).  Grimm  schreibt  in  diesem 
verse  mit  der  hs.  nnde  senete  sich  dö,  von  dem  fuchs,  der  eben 
Zaunlatten  ausgezogen  hat,  50  froh  ist  dass  ihn  niemand  sieht 
und  51  sich  durch  den  hag  windet,  in  der  anmerkung  hat  Grimm 
es  nicht  wahrscheinlich  gemacht  dass  senete  sich  bedeute  'er  dehnte, 
spannte,  streckte  sich  durch  die  Zaunlücke',  denn  das  geschieht 
erst  51.  denete  schickt  sich  ebenso  wenig  und  erklärt  nicht  die 
änderung.  dagegen  passt  ein  smncte,  welches  leicht  verlesen 
wäre,  prät.  von  smücken  (zu  dem  starken  verbum  smiegen,  auf 
welches  Lachmann  geraten  hatte),  vortrefflich  für  die  Situation, 
nach  49  komma.  —  nach  53  ist  punct  zu  setzen,  nach  54  komma. 
—  54  1.  ver  Finte.  P  hat  die  henne  pinte,  erklärend,  denn  der 
name  kommt  zum  ersten  male  vor.  —  57  f  wol  ursprünglich 
swelle :  gellen.  —  62  ff  'irn  dürft  vor  keinem  tiere  niemer  uf  er- 
warten in  disem  bezunten  garten  ist  sicher  verderbt,  ist  üf  prä- 
position  und  steckt  der  fehler  in  er?  —  nach  64  punct.  — 
69  es  muss  einem  heifsen,  wie  die  hs.  hat,  denn  die  inclination 
in'm  lässt  zunächst  auf  in  deme  schliefsen ,  was  hier  ganz  un- 
geeignet wäre ,  weil  der  fuchs  noch  nicht  gesehen  worden  ist.  — 
die  klammer  um  100  ist  kaum  angemessen,  aber  die  Verbindung 
fehlt;  vielleicht  ist  sit  einzuschalten,  da  Reinharts  betrug  doch 
allmählich  geschieht.  —  108  hier  jcdesfalls  ich  enbin,  weil  Schan- 
tecler  in  diesem  verse  zweisilbig  ist.  —  117  es  ist  wol  nicht  nötig, 
von  dem  hslichen  des  minen  abzugehen.  —  121.  2  nie  und  ie 
weisen  darauf  hin  dass  hier  geändert  worden  ist.  —  135  mit 
schrei  und  P  ist  dieser  vers  um  nichts  schlechter  als  viele  andere. 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         55 

es  ist  wol  geändert  worden  und  das  original  wird  gereimt  haben : 
missehabete:drabete.  solche  reime  meidet  der  bearbeiter.  —  143  ist 
disen  gehiir  aus  der  hs.  beizubehalten,  es  entsteht  dann  wie  öfters 
die  Verbindung  eines  verses  von  3  mit  einem  von  4  hebungen 
klingenden  ausganges,  —  148  ist  P  verderbt,  denn  als  er  im 
entweich  da  wart  er  sam  vro  den  hals  mz  Reinhartes  munde  (dö :  vrö 
ist  machwerk  des  bearbeiters)  gibt  keinen  sinn,  ensweic,  was 
Grimm  vorschlägt,  ist  sehr  gut,  vernachlässigt  aber  das  im  der 
hs.  ich  lese  als  er  im  entleip  und  beziehe  natürlich  er  auf  den 
iuchs.  entweich  als  falsche  lesart  hat  auch  K  563.  sam  weist 
auf  sd  des  Originals,  das  mehrfach  anlass  zur  änderung  gab.  — 
169.  70  sieht  man  es  dem  nachgeschobenen  und  ir  strit  an  dass 
geändert  worden  ist.  wahrscheinUch  war  der  frühere  reim  zit 
:kip.  ebenso  ist  171.  2  deutlich  geändert,  172  stand  wol  dan- 
nan  im  reim.  —  178  1.  iuch  mit  P  (obzwar  717  P  euch  gegen 
dir  in  S  liest),  denn  der  Wechsel  der  pronomina  ist  in  den  reden 
der  tiere  zu  häufig  als  dass  man  ändern  dürfte,  die  Zusammen- 
stellung Grimms  cxi  f  entspricht  nicht  der  Überlieferung.  —  nach 
199  sollte  punct  stehen,  nach  200  komma.  —  237  ist  P  ganz 
gut:  ob  ez  wcere  dins  vater  loise.  —  256  ist  wahrscheinlich  eine 
flickzeile,  welche  durch  lilgung  eines  Zeitwortes  auf  -6t  notwendig 
wurde.  —  258  und  264  1.  trütneve.  ebenso  330.  339.  1077.  1086. 
vgl.  Sendschr.  s.  66.  —  262  nach  sere  komma.  — -283  f  sind  ge- 
ändert, sichthch  stand  284  der  reim  (ge)rat:  dem  fuchs  war 
der  rabe  zu  schnell;  P  ist  im  recht,  auch  285.  6  werden  ge- 
ändert sein,  denn  sonst  kommt  iJem/jarf  nicht  in  zwei  aufeinan- 
der folgenden  zeilen  vor.  —  nach  296  komma,  297  in  klammer.  — 
300  auch  hier  hat  Grimm  das  pronomen  geändert  und  für  euch 
der  hs.  dir  geschrieben,  euch  steht  in  mitteldeutscher  weise  in 
P  für  iu  noch  578.  717.  1250.  1853.  1889.  vers  1581  hat  P 
uch,  das  Grimm  zu  iu  geändert  hat,  während  er  iuch  an  der- 
selben stelle  iu  S  beliefs.  1558.  1873.  1883.  1896  Mest  S  iuch 
-gegen  iu  in  P.  ich  halte  es  darum  nicht  für  erlaubt,  diese 
diabetische  form  zu  bessern.  —  303.  4  sind  wahrscheinlich  ge- 
ändert, ebenso  317.  8;  in  dem  letzteren  wird  von  dir  P  ebenso 
anstandslos  zu  behalten  sein  wie  323.  —  nach  328  möchte  ich 
einen  punct  setzen,  die  klammer  bei  329  tilgen  und  dafür  ein 
komma  geben,  ob  nicht  329.  330  zu  vertauschen  sind  ?  —  352 
1.  dne.   —    357.  8  dürfte   dannan   das  eine  reimwort   gewesen 


56        DIE  ÜBERLIEFERLNG  DES  REINHART  FUCHS 

seJD.  —  365.  6  vermute  ich  die  alten  reime  Meilief,  366  schliefse 
ich  iu  klammer.  —  382  wird  nach  im  reime  (bei  P)  die  Ursache 
zur  änderung  gewesen  sein.  —  401  1.  hure  wol  z.  —  415  wird 
man  wol  bei  P  in  daz  lant  bleiben  müssen,  vgl.  574.  —  479 
ist  niht  notwendig.  —  485  soll  er  sprach  behalten  werden  wie 
in  578.  2078.  —  488  ndchManc  sieht  aus  als  ob  es  von  dem 
bearbeiter  käme.  —  489  spilinde  P  würde  ich  belassen,  weil  es 
zu  der  spräche  der  älteren  fassung  stimmt.  —  499  1.  durstet  und 
nach  dem  verse  punct.  —  516  ist  qtiam  in  aus  qndmin  der 
vorläge  entstanden,  die  ja  i  in  den  endungen  hatte.  —  517  1. 
^ine.  der  alte  reim  wird  nam :  dannan  gelautet  haben ,  worauf 
auch  die  Wortstellung  in  P  weist.  —  nach  Grimm  scheint  P  562 
im  reim  ein  anderes  wort  gestanden  zu  haben,  Reifseuberger 
liest  brot.  —  576  nach  P  vermute  ich  ursprüngliches  tiiheinen.  — 
587  hat  es  für  gevrit  gewis  ursprünglich  gehit  geheifsen.  —  594 
kann  es  wol  in  S  bei  iceder  bleiben.  —  626  P  liest  ich  tromvete 
im  an  triuwen  wol  —  das  ist  aber  nicht  wahr,  denn  Isengrin 
hat  Künin  nicht  geglaubt  597  ff.  nimmt  man  den  entsprechenden 
vers  in  S  dazu:  'nu  sehint,  ich  drie  ime  an  diu  ougen'  und  602, 
wo  in  SP  die  drohung  würklich  ausgesprochen  wurde,  so  ist  es 
nicht  eben  schwer  626  richtig  zu  schreiben:  ich  drouwete  ime 
entriuwen  wol.  es  steht  entriuwen  noch  1207,  drouxoen  1050. 
1801.  2247.  —  635  Grimm  nimmt  in  der  anm.  an  vestin  (auch 
Wackernagel  und  Lexer  3,  329),  aber  es  wird  wol  aus  vestine 
verkürzt  sein  und  der  reim  ist  wie  viele  andere  wegen  des  über- 
schüssigen w  geändert  worden.  —  648  ist  ach  wol  die  form, 
welche  man  aus  aha  in  P  am  leichtesten  entnimmt,  vil  muss 
bleiben,  wenn  es  auch  in  diesem  verse  bei  S  fehlt,  dafür  steht 
es  dort  im  nächsten.  —  653  1.  dar  in.  —  655  und  659  sind 
gdn  und  varn  —  bern  elsässische  formen  der  2  person  plur.  vgl. 
Weinhold  Mhd.  gr.-  §  352,  und  Grimms  erklärung  im  Sendschr. 
entfällt.  < —  658  die  lesart  von  P  den  sin  din  muss  belassen 
werden,  denn  sie  corrigiert  den  ungenauen  reim  in  S  <:l.  — 
669  wie  die  Wortstellung  zeigt,  ist  hier  geändert,  es  wird  in 
S  geheifsen  haben :  nemen  :  vergeben,  ich  bin  mit  Wackernagel 
(LR'*  230)  dafür,  die  Ordnung  der  worte  zu  lassen.  —  iolO  Isen- 
grin muss  bleiben ,  er  dafür  zu  schreiben ,  wie  Wackernagel  tut, 
ist  unrecht.  —  671  1.  hast.  —  673  f  jedesfalls  verderbt,  der 
unvers  673  stand  gewis  so  in  der  vorläge  von  P.    vielleicht:    'du 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         57 

mäht  lihte'  sprach  Reinhart.  —  675  das  verbum  hier  ecitweder 
mit  e  für  ce  wie  677,  oder  e,  was  alemannisch  schon  im  xiii  jh, 
vorkommt,  durch  getete  der  hs.  (welches  auch  Wackernagel  re- 
cipiert,  dabei  jedoch  unnötig  einen  gekürzt  hat)  ist  der  vers 
nicht  schlechter  als  viele  andere.  —  680  1.  ginen.  —  684  1. 
hinne  mit  Wackernagel.  —  685  wol  des  reimes  halber  geändert. 
war  mäht :  bruoderschaft  das  alte  und  hiefs  es  etwa:  wiltn  hie  zuo 
der  briwderschaft?  Wackernagels  er  für  Reinhart  ist  ungut.  — 
688  sdn  ist  oft  flickwort.  vielleicht  stand  alzan  =  sofort,  vier 
hebungen  klingend  hat  schon  687.  —  697.  8  wo  bleibt  der  reim, 
wenn  man  mit  Grimm  die  Schreibung  von  S  acceptiert?  ich  ver- 
mute: 'daz  tuot  mir  we'  sprach  Isingrin.  'wdnit  ir  daz  paradis 
mit  senfte  bisizzin?'  die  änderung  in  P  fand  wegen  des  ungenauen 
reimes  -in:-is  statt.  —  703  vielleicht  ist  auch  hier  in  P  also 
aus  siis  gemacht  worden  wie  wahrscheinlich  noch  mehrmals.  — 
104  cehinzic  tüsint  in  S  wird  doch  richtig  sein,  denn  so  grofse 
Ziffern  weisen  die  messgemeinschaften  und  geistlichen  zechen 
häufig  auf.  cehinzic  ist  in  P  weggelassen  worden,  wie  es  760 
zu  hundert  geändert  wurde;  tiisent  blieb  wie  747.  —  712  ist 
Sit  in  P  wol  nur  aus  sul  (solS)  verschrieben. —  IIA  sint  kann 
bleiben.  —  723  in  S  lies  trotz  Grimms  anmerkung:  fisce  diu 
mäht,  vgl.  die  stellen  bei  Lexer  1,2013.  oder  blofs  Verstellung 
der  Worte:  der  fisce  mäht?  —  734  in  S  lies:  eins  eimirs  neizwer 
da  vergaz.  —  740  S  phulsin  P  stürmen,  welches  aber  zu  der 
Situation  gar  nicht  passt.  ein  heute  noch  angewendeter  lischer- 
ausdruck,  die  an  den  ufern  stehenden  und  in  den  löchern  des- 
selben verborgenen  fische  aufzutreiben,  ist  sturen,  was  wol  in  der 
vorläge  von  P  gestanden  hat.  dass  der  teich  zugefroren  ist,  ver- 
gessen entweder  dichter  und  bearbeiter,  oder  es  soll  nur  die 
dummheit  des  wolfes  bezeichnen,  der  Reinharls  Worten  glaubt? 
—  743  1.  sihe  sie  mit  PS.  —  746  hat  Wackernagel  mit  recht 
ist  er  in  S  beibehalten.  —  750  1.  drinne.  —  751.  2  wahrschein- 
lich hat  der  bearbeiter  niet  gesprochen,  der  dichter  aber  nieht. 
vgl.  die  verse  249.  511.  533.  769.  (968.)  1297.  1671.  1687.  1769. 
1809.  1879.  2119.  —  752  sehr  gut  ist  Wackernagels  warnete 
sin  für  warnetes  in  bei  S;  vielleicht  darf  es  auch  für  die  be- 
arbeitung  vermutet  werden.  —  769  ff  liest  P:  Isengrin  kochen 
geriet,  daz  is  wolde  smelzen  niht,  den  zagel  muoser  Idzen  stdn. 
das  ist  aus  S  geändert,  welches  hat:   Isingrin  geriet  zucken,  daz 


58        DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS 

is  begnnde  drucken  den  saget,  er  muose  da  stdn.  in  P  ist  aber 
■bei  der  änderung  auch  der  gedanke  umgestaltet  worden :  der 
woIf  bemüht  sich  (nicht  den  schwänz  herauszuziehen ,  sondern) 
das  eis  zum  schmelzen  zu  bringen ,  was  ihm  nicht  gelingt,  für 
diese  tätigkeit  ist  nun  das  von  Grimm  769  eingesetzte  zeitwort 
zocken  ganz  unpassend,  wol  aber  lässt  aus  dem  kochen  der  hs. 
leicht  ein  ursprüngliches  küchen  sich  erraten  =  hüchen,  also  durch 
hauchen  erwärmen,  vvelches  DWB  5,  305  f  und  Lexer  1,  1761 
als  rheinische  form  belegt  ist.  —  773  in  S  lies:  vorn  heim.  — ; 
778  1.  der  vernam.  — '  784  in  diesem  neuen  verse  hat  P:  dihein 
tier  er  ungelat  liez,  Grimm  nimmt  die  conjectur  nngelabt  aus  K 
auf.  keins  von  beiden  passt,  denn  die  seltene  ironische  bedeutung 
würde  in  diesem  allgemeinen  satze  kaum  verstanden  worden  sein, 
ich  glaube,  es  lag  ungeletzet  zu  gründe,  ungejaget  in  Grimms 
anmerkung  würde  zwar  einen  halt  an  S  haben,  aber  P  nicht  er- 
klären. —  786  wenn  auch  vart  zu  S  passt  und  mit  781  stimmt, 
so  ist  es  doch  gegen  den  kritischen  grundsatz,  das  gute  var  in 
P  zu  ändern.  —  789  1.  zuo.  —  795  Wackernagel  schreibt  gd 
in  S  gegen  die  hs.  und  bei  deren  ungenauen  reimen  gewis  nicht 
richtig.  —  79§~1.  vil  n.  —  807  1.  nf  den  r.  —  808  natürlich 
mit  der  anm.  hegnnden  im  die  vüeze  engdn  zu  lesen ;  vuoze  setzt 
allerdings  das  bnoze  der  hs.  voraus  wie  auch  S.  —  813  im  aber 
ist  zu  behalten.  —  814  hat  Wackernagel  aus  dem  heht  in  S  hübsch 
eht  vermutet.  —  833  die  hsliche  form  burne(n)  muss  wol  hier 
und  an  allen  folgenden  stellen  bewahrt  bleiben.  —  837  sicher- 
lich liegt  hier  ein  Irrtum  des  Schreibers  vor.  es  ist  zweifellos 
dass  der  bearbeiter  ergonchete  änderte,  aber  was  er  setzte  wurde 
von  dem  abschreiber  misverstanden.  ich  denke:  daz  der  sich  ver- 
ginte  hie  —  sich  vergaffte,  aus  885  ist  für  diese  stelle  nichts 
zu  lernen.  —  863  gegen  die  bisherige  auffassung  (vgl.  Grimms 
anm.  im  Sendschr.,  Wilhelm  Grimm  und  Lachmann  Graf  Rudolf 
s.  13)  glaube  ich  dass  S  in  Ordnung  ist  und  lese:  tmvirwdnet 
komer  /  nber  den  diefin  s6t.  —  870  vielleicht  ist  in  S  Hersinde 
zu  lesen.  —  886  ff  die  Verbindung  der  abenteuer  ist  hier  schlecht, 
der  wolf  misst  später  dem  Verluste  seines  Schwanzes  so  grofse 
bedeutung  bei,  dass  er  unmöglich  hier  mit  dem  fuchs  sofort 
wider  freundlich  verkehren  kann.  —  890  dass  lounet  in  S  als 
wunnet  zu  nehmen  ist,  hat  schon  Lexer  gesehen  3,  996.  vers  896 
spricht  nicht  dagegen.  —  893  f  der  reim  bevolhen :  leren  ist  mir 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         59 

ebenso  unglaublich  wie  Wilhelm  Grimm  aao.  ich  nähme  gerne 
ausfall  eines  verses  an  und  läse:  mir  ist  diu  scole  hinne  bevölhen, 
wenn  nicht  die  bearbeitung  dagegen  spräche  (scöl :  wol  ist  kaum 
denkbar).  —  904  niowe  in  P  ist  wol  aus  einem  Schreibfehler  der 
vorläge  entstanden  wie  in  808:  v  für  b  und  umgekehrt.  —  913  e 
ist  zu  streichen.  —  914  vielleicht  ist  auch  hier  in  P  nur  ver- 
lesen worden ,  dann  müste  man  houbethdr  aus  S  restituieren.  — 
916  m  halte  ich  nur  für  einen  Schreibfehler,  1.  nn.  —  925  hie 
muss  bleiben.  —  929  ist  nur  versehen,  die  vorläge  enthielt  dm 
=  tno  geschrieben,  wie  die  media  in  S  häufig  ist.  1.  ja  tuo.  — 
930  mir  in  S  ist  nicht  unmöglich ,  wenn  auch  nicht  wahrschein- 
lich. —  936  der  starke  fehler  in  S  (liht  für  riiht)  muss  stutzig 
machen.  —  938  wenn  höster  =  hanstrum  richtig  ist,  was  ich 
glaube,  denn  östert  gibt  keinen  verständigen  sinn,  dann  war  die 
vorläge  von  P  besser  als  S.  —  943  I.  der  den.  —  946  scheint 
mir  selbst  für  S  zu  schlecht,  bruoder  Reinhart  wird  fehlen  dürfen. 
—  952  die  Variante  bei  Grimm  erklärt  sich  dadurch,  dass  in  PK 
var  fehlt,  es  wird  dann  nach  S  verst  einzuschalten  sein.  — 
954  die  einschaltung  von  vuor  in  P  fällt  wol  nur  dem  Schreiber 
zur  last  und  Grimm  hatte  recht,  sie  zu  streichen.  —  955  f  sind 
recht  characteristisch  für  die  Unfähigkeit  des  bearbeiters ,  in  cor- 
recter  weise  umzugestalten.  —  960  der  bearbeiter  stellt  einen  un- 
vers  her,  den  man  aber  belassen  muss.  —  975  ist  scheufslich, 
muss  aber  meines  erachtens  bleiben,  zur  änderung  veranlasste 
notlich  vgl.  826  und  söt  nach  980.  der  reim  ist  wie  955.  6  bei  der 
Schreibung  burnen  leichter.  —  976  ist  mit  P  der  name  zu  geben; 
wart  ist  aber  fehler.  —  wie  es  mit  981  f  ursprünglich  stand, 
ist  nicht  mehr  zu  erraten.  —  992  1.  diu  werlt  stet  noch  alsus 
ie.  —  997  1.  genüoge  jehent.  —  998  siu?  —  999  ich  vermute 
hier  einen  fehler  —  stand  grd  im  reime?  — ,  weifs  aber  nicht 
zu  bessern.  —  1001  ist  es  wol  besser  er  icwnet  anzufügen,  viel- 
leicht lauteten  die  verse  in  der  vorläge :  maneges  not  ist  so  ma- 
necvalt,  weiz  got,  er  xooenet ,  junc  oder  alt:  diz  geschach  niemanne 
me — ).  —  1028  als  ist  wol  erst  in  P  zugesetzt.  —  1040  1.  habe.  — 
1041.  2  sind  sicher  geändert.  Grimms  interpuuction  scheint  mir 
nicht  richtig  und  ich  schlage  vor:  punct  nach  zo7'n,  kein  zeichen 
nach  gdn.  das  wird  durch  1090.  1  bestätigt.  —  1044  =  615.  — 
1046  wird  betrouc  reim  wort  gewesen  sein.  —  1047  vermute  ich 
für   das  original:    von  slner  untriuwe  wart  ich  harte  zerbliuwen, 


60         DIE  ÜBERLIEFERUAG  DES  REINHART  FUCHS 

vgl.  531.  2113.  2151.  —  1049  hat  brauchbaren  sinn  nur  wenn 
man  mac  schreibt.  —  1065  ich  sehe  nicht  ein,  weshalb  der  un- 
genaue reim  in  P  weggeschafft  werden  soll,  und  schreibe:  unge- 
zomoe :  urlouge ,  was  überdies  die  für  den  dichter  correcte,  vom 
Schreiber  geänderte  form  ist.  ungezouwe  kann  bedeuten:  1.  ganz 
dasselbe  was  Grimms  nngeziuge,  mangelhafte  rüstung;  2.  über- 
mäfsige  eile.  —  1069  verstehe  ich  nicht,  der  kämpf  hat  1061 
schon  begonnen,  soll  es  aber  heifsen:  'dieser  streit  verlief  also', 
dann  ist  das  ganz  schlecht  ausgedrückt.  —  1075  hier  fehlt  wol 
ein  dem  Schreiber  unverständliches  wort.  —  1101  f  lautete  früher 
woi:  ein  teil  ich  ir  nenne,  die  muget  ir  erkennen.  —  1103  das 
t  in  Wisent  kann  auch  der  Schreiber  getilgt  haben,  vgl.  1334.  — 
1109  \.  alle.  —  1114  ist  sicher  geändert,  denn  der  vers  ist  ganz 
leer,  jedesfalls  ist  komma  nach  quam  zu  setzen.  —  1120  muss 
nzer  mdze  bleiben  wie  1419.  1964.  —  1125  entsckuldegen  wäre 
nur  hier  in  dieser  weise  gebraucht;  vielleicht  entredet  wie  1531. — 
1130  l.  Reitze  mit  P  wie  sonst,  das  l  in  K  ist  nur  Schreibfehler 
wegen  des  folgenden  aulautes.  —  1133  I.  mirs.  —  1141  wurbes 
kann  bleiben,  vgl.  Weinhold  iMhd.  gr.-  §  350.  —  1142  1.  sam 
mir  min  Up.  —  1147  woraus?  nz  dem  ringe  stdn?  —  1157  1. 
alles.  —  1160  l.  und  durch  I.  —  1162  die  stelle  ist  unverständ- 
lich, entweder  will  Reinhart  seine  spur  verwischen  oder,  da 
dies  doch  kaum  angeht,  der  verfolgenden  wohin  staub  in  die 
äugen  streuen,  sicher  ist  mnlte  das  wort,  welches  im  reime  stand 
und  geändert  wurde,  denn  dass  erst  in  P  die  stelle  verderbt  sei, 
glaube  ich  nicht,  dürfte  man  die  bei  Jeroschin  und  im  Rarlmeinet 
belegte  (Lexer  1,  2195)  mitteldeutsche  form  des  starken  mascu- 
linums  ansetzen ,  so  wäre  mit  den  mnlt  für  den  munt  einfach  ge- 
holfen, bestätigend  würkt  dass  ein  ähnliches  Verderbnis  vom 
niederländischen  zum  niederdeutschen  Reinhart  sich  einmal  ent- 
wickelte, vgl.  Grimms  eiuleitung  cLxvin.  —  1167  der  nanie  ist 
einzusetzen.  —  ill b  \.  I.  ein  h.  —  U&l  der  name  ist  mit  P  zu 
behalten;  ebenso  1190.  —  1209  f  der  reim  war  ursprünglich 
wol  viant :  hant.  —  12 IS  l.  nu  sint  iz.  —  1223  l.  gehOnet  mit 
der  hs.  wie  1383.  gehoenen  steht  1423,  hoenen  1470.  — .1230 
vgl.  2213  und  andere  stellen.  —  1233  hier  wol  früher:  min  trüt- 
herre  I.  —  1235  f  der  reim  war  vielleicht:  hinnan:  hin.  —  1241 
1.  der  icas.  —  1247  ein  verbum  auf  -6t  hat  wahrscheinlich  hier 
gestanden:    verkundigöt?  vgl.  1128.   —    1259  gehört  noch  zum 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         61 

vorhergehenden  satz.  —  1266  1.  sine  mit  P  und  also  vier  hebungen 
klingend.  —  1267  f  klagen :  schaden  wird  der  reim  gewesen  sein.  — 
1283  1.  daz  wir  im  solden  s.  —  1285  der  reim  wol  schaden  :er- 
slagen.  —  1290  bekorn?  vgl.  913.  —  1297  1.  gerechen.  —  1331 
1.  ich  nenne  iu  wer  dare  quam:.  —  1381  1.  sich  vaste.  —  1401  ff 
ist  jedesfalls  stark  geändert  und  dabei  confus  geworden,  vom 
schwänze  des  wolfes  soll  die  rede  sein,  das  ist  aber  1402 — 4 
ganz  schlecht  gesagt,  im  folgenden  darf  doch  Krimel  nicht  wider 
auf  die  Wölfin  zurückkommen,  der  er  bereits  den  gröfseren  teil 
seiner  Verteidigungsrede  1387 — 1400  gewidmet  hat.  zudem  passt 
in  den  versen  1405  ff:  und  hdt  hern  Isengrines  wip  durch  Rein- 
harten verwert  ir  lip  so  gröz  als  umb  ein  linsin  ....  das  verbum 
verwerten  verletzen  (synonym  etwa  zu  verschroten)  durchaus  nicht 
zu  Krimeis  ansieht  von  frau  Hersant,  überhaupt  nicht  zu  der 
Schändung,  wol  aber  sehr  gut  zu  dem  Verluste  des  wolfszagels. 
ebenso  schickt  sich  büezen  1408  nur  für  die  körperverletzung 
und  dieser  erwähnt  auch  der  wolf  zuerst  in  seinem  gegenwort 
1411.  1401 — 4  kann  ich  nicht  aufhelfen,  aber  1405  f  haben 
wahrscheinlich  so  geheifsen:  unde  hat  hern  Isengrin  Reinhart  ver- 
wert den  lip  so  gröz  als —   nach   1427  doppelpunct, 

nach  1428  komma.  —  1435  lautete  gewis  früher:  si  sprachen 
alle  'jd' :  gdch  (wider  R.  icas  in  gdch?).  —  1447  1.  ze.  —  1453  f 
der  reim  war  wol  Isengrin  :  st.  —  1465  schäme  :  gamen  früher?  — 
besser  wird  1471  zu  1470  gezogen  und  erst  nach  1471  punct 
gesetzt.  —  1482  1.  lodnd.  —  1489  f  war  der  reim  leit :  gemeit? 
—  1498  scheint  mir  sehr  ungeschickt  erzählt,  ob  nicht  Inte 
==  homines  gemeint  sind?  —  1521  1.  wie  schon  früher  burc 
und  später  1795.  —  1525  1.  mit  der  hs.  edeler  wie  2203.  — 
1536  =  753.  —  1543  f  wird  wol  beide  male  hdte  stehen  müssen, 
vgl.  1724.  —  1549  1.  birien.  man  könnte  darnach  denken  dass 
P  eine  Schreibung  vorlag  wie  bine  in  S,  wo  dann  die  läge  des 
Striches  miskannt  wurde.  —  1568  1.  sprach.  —  1586  einen  bur- 
duz  in  S  ist  von  dem  bearbeiter  mit  eme  statige  irrig  widergegeben 
und  von  Grimm  demgemäfs  erklärt  worden,  was  tut  der  ki'mdec 
sprenzinc  mit  dem  pilgerstab?  bnrduz  entspricht  lautlich  ganz 
denselben  worten  ital.  bordone,  span.  bordon,  portug.  bordäo,  franz. 
bourdon,  aber  es  hat  die  bedeutung  einer  laugen  trompete,  auch 
Orgelpfeife  (noch  heute  beim  harmonium  das  bordonregister)  und 
heifst  ursprünglich  'bass,  basssaite',  franz.  bourdonner,  summen. 


62        DIE  CBERLIEFERÜNG  DES  REINHART  FUCHS 

vgl.  Diez  Etymolog,  wb.^  i  75  f.  das  passt  zu  dem  bauer  und 
erklärt  auch  das  sonst  unverständliche  1587:  rfer  kaplän  hörte 
wol  den  dös.  —  1589  —  91  sind  mit  P  zu  lesen.  1591  muss 
man  vielleicht  in  S  auch  den  huot  schreiben,  vgl.  1600.  1762.  — 
1597  zu  der  formel  in  S  vgl.  meine  anmerkung  zu  Arnolds  Ju- 
liana 58.  —  1603  1.  daz  ir  seilet  —  daz  ist  conditional  und  fordert 
hier  den  conj.  prät.  —  1605  f  diese  verse  sind  vom  bearbeiter 
hinzugefügt,  was  schon  aus  dem  zweimaligen  her  Brun  sich  er- 
kennen lässt.  vgl.  1238.  —  1632  I.  gevolgen.  —  1634  gehört 
nicht  mehr  dem  hirsch,  die  anführung  schliefst  schon  nach  reht.  — 
1639  1.  diz  inmac  in  S.  —  1644  1.  oder.  —  1666  nach  der  col- 
lation  in  PK:  ich  enwart  nie  gastes  so  vro ,  was  beizubehalten 
ist.  —  1077  1.  gesach.  —  1681  die  interpunction  Grimms  in  S 
ist  zu  acceplieren,  denn  wmi  ist  hier  nicht  ==  lüa».  —  1687  f 
die  formel  wie  751  f.  —  1691  IT  ältere  fassungen  dieser  geschichte 
(vgl.  Grimms  einl.  lxxi.  cxlu)  haben  hier  den  pfaffen  und  eine 
concubine  wie  P,  während  S  gebnre  durchführt.  Grimm  schliefst 
daraus  dass  S  den  pfaffen  anstöfsig  gefunden  und  die  erzählung 
darnach  umgearbeitet  habe,  mir  scheint  das  nicht  so  ganz  sicher, 
freilich  sehen  die  P  eigentümlichen  verse  1705.  6  ganz  nach  dem 
XII  jh.  aus  und  bieten  keine  spur,  dass  in  der  vorläge  die  verse 
von  S  (irscricte :  kripfte)  gestanden  haben,  doch  passt  anderer- 
seits Werinburc,  das  kammerweib,  1722  viel  weniger  in  den  haus- 
hält des  pfaffen  als  den  des  bauers  und  wenn  sie  für  den  ge- 
schlagenen ehemann  mit  erfolg  interveniert,  so  steht  ein  solcher 
anspielungsvoller  zug  schlecht  zu  der  pfaffenvvirtschaft.  der  be- 
arbeiter kann  ja  auch  in  polemischer  tendenz  die  stellen  umge- 
staltet haben;  dann  hätte  er  den  kapeldn  von  1727  aus  der  vor- 
angehenden erzählung  vom  hären  entnommen  und  dabei  nicht 
vorausgewust  dass  er  ganz  unpassend  1741  widerkommt.  —  1695 
hat  die  vorläge  von  P  irrtümlich  zuerst  hol  geschrieben  (etwa  gar 
der  bearbeiter?),  was  dann  falsch  mit  dem  richtigen  loch  zu  einem 
Worte  verbunden  wurde,  hes  also  loch,  wie  schon  das  Mhd.  wb. 
1,  1024  besserte.  —  1719  1.  ze  dem  o.  —  1757  1.  al  umbe.  — 
1758  der  bearbeiter  zieht  einen  sonst  ängstlich  gemiedeneu  un- 
genauen reim  (überschüssiges  n)  dem  mangel  des  artikels  vor.  — 
1772  1.  wie  S  hat;  da  ist  erst  später  verschrieben  und  von  K 
richtig  erraten  worden.  —  nach  1772  komma,  nach  1773  strich- 
punct.  —   1776  ich  müchte  böte  in  P  (gegen  S)  halten,  weil  es 


DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS         63 

mir  nicht  entbehrlich  scheint,  aber  auch  das  in  P  noch  conser- 
vierte  der  liunic  sprach  mit  S  aufnehmen.  —  1777  ist  in  P  wegen 
engerer  Verknüpfung  geändert  worden.  —  1781  1.  Krimein  d. 
vgl.  Grimms  ein),  cxi.  —  1789  der  bearbeitung  entspricht  es 
besser,  für  S  gesamenöt  anzusetzen. i  —  zu  1805.  6  vgl.  1479. 
SQ.  —  18 lg  dar  inne  ist  aufzunehmen.  —  1836  =  1189.  — 
1842  1.  der  si  beide.  —  .1844  1.  sohle.  —  man  könnte  zur  not  an- 
nehmen dass  der  bearbeiter  die  beiden  verse  von  S  vor  1845 
wegliefs,  weil  1835  schon  der  Inhalt  augegeben  war  (R.  g.  an  den 
hof  sd,  der  kunic  hiez  in  fur  sih  stau?).  —  1856  wenn  man 
in  S  verrdtdre  hest,  dann  auch  in  P.  vgl.  1615  f.  S  hat  ver- 
schiedene Schreibungen  für  mhd.  ce  und  zwar:  a  600.  623.  4. 
709.  957.  8.  1602.  1604.  161S.  1621.  2.  1833.  4.  1859.  60;  e 
591.  2.  599.  620.  762.  777.  8.  974.  2.  1526.  1603.  1856.  15  a 
gegen  12  e.  Wackernagel  hat  vorsichtig  die  hs.  widergegeben; 
ich  glaube  allerdings  dass  mau  unumgelautetes  d  im  reim  für  den 
Glicheseere  noch  annehmen  darf. —  18571.  sin.  —  1859  l.rehter. — 
1872  ich  nehme  mit  einer  stelle  der  Urstende  uhirhreht  für  S  an; 
das  seltene  wort  scheint  mir  hinlänglicher  grund  zur  änderung, 
sodass  man  des  ungenauen  reimes  nicht  bedarf.  —  1896  1.  enbiutet. 
—  1909f  die'alte  dichtung  etwa:  nnib  iur  geslehte  alzan.  Reinhart 
hdt  mir  kunt  getan.  —  1919  P  hat  richtig  iz  im:  er  sprach  zu 
sich  selbst,  vgl.  214.  —  1925  1.  so.  —  1938  1.  ver  P.  —  1945.  6 
hiefs  vielleicht  früher :  der  künec  hiez  vern  Finten  van,  Schantecler 
gdhte  dannan.  —  1968  1.  ern  muoste  im  einen  r.  —  1972  1.  arm- 
man.  —  1978  1.  also.  —  1980  ich  ist  nur  versehen,  keinen  ge- 
nügt. —  2001.  2  vielleicht  ist  damit  der  leopard  gemeint,  der 
das  bad  besorgen  muss.  aber  das  ist  alles  sehr  unklar  ausge- 
drückt und  die  stelle  offenbar  corrumpiert.  —  2005.  6  reim  le- 
harten :  harte?  —  2007  ist  blofs  angeflickt,  —  2023  f  früher 
arzät :  gebat?  —  2030  1.  hdle  wie  2163  und  schon  vorher.  — 
2035  1.  die  truoc.  —  2054  1.  er  tet  mir  not,  wan(d)  mir  zebrach.  — 
2065.  6  war  der  reim  vorher  harte : drdte?  —  2069  allen  tac.  — 
2073  1.  zervullenne  der  h.  g.  —  2074  daz  erbarme  got  weist  wol 
auf  die  änderung  hin  wie  2034.  —  2081  die  ergäuzung  von 
auch  noch  scheint  mir  überflüssig.  —  2088  1.  er.  —  2090  1.  soe- 
delin.  —   2104  sollte   da   nicht  vane  irgendwo  vorkommen  wie 

^  hat  der  Glichesaere  vielleicht  zuerst  sein  gedieht  nur  bis  1784  —  92 
geführt  und  dann  später  die  fortsetzung  angeschlossen? 


64         DIE  ÜBERLIEFERUNG  DES  REINHART  FUCHS 

2127  hfint?  —  2114  der  plural  in  P  ist  wol  ein  zeichen  dass 
zeblinicen :  geriuwen  früher  im  reime  standen.  —  2119.  20  waren 
vielleicht  ursprünglich  vier  verse.  —  2123.  4  wol  verderbt  (ebtis- 
sin:  — '?)  wie  2145.  6.  —  2140  1.  si  ndmm  ir  vil  g.  w.  — 
nach  2157  doppelpunct.  —  2158  1.  einem.  —  2161  1.  valsch, 
des  ... .  —  vielleicht  auch  nach  2167  doppelpunct.  —  2181  früher 
gevolgöt?  —  2189.90  älterer  reim  gdn:dd?  —  2191  oiich  nicht  zu 
streichen.  —  2248  dem  röten  R.?  —  2253  1.  sider.  —  für  ge- 
ändert halte  ich,  ohne  dass  ich  das  ursprüngliche  erraten  kann, 
noch  die  verse  in  P:  333.  4.  352.  385.  6.  524.  534.  581.  1055. 
6.  1090.  1.  1095.  1109.  1121.  2.  1137.  1199  f.  1207.  8.  1225.  6. 
1243.  4.  1251.  1281.  2.  1305.  6.  1327.  8.  1377.  8.  1419.  1432. 
1445.  1457.8.  1479.  80.  1509.  10.  1931.  2039.  40.  2055.  6.  2061. 
2.  2097.8.  2115.6.  2126.  2165.  2205.  2207.8.  2227.8.  2245.— 
her  wird,  wie  S  zeigt,  oft  vor  Isengrm  nicht  gestanden  haben, 
was  ich  nicht  ausdrücklich  anführte. 

Graz  1.  7.  84.  ANTON  SCHÖNBACH. 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN. 

Die  reihen  Neidharts  stehen  in  ihren  gedankeu  und  ihrer 
anläge  so  nahe,  dass  sie  als  verschiedene  darstellungen  desselben 
typus  erscheinen ;  mit  dem  mehr  oder  weniger  ausgeführten  lobe 
des  frühlings  verbindet  sich  die  aufforderung  sich  seiner  zu  freuen, 
zu  munteren  festen,  zu  ball  und  tanz  sich  einzufinden,  darauf 
folgt  dann,  gewöhnlich  in  einem  dialog  ausgeführt,  eine  länd- 
liche scene,  welche  darstellt,  wie  diese  aufforderung  in  der  frauen- 
weit würkt.  manche  lieder  schliefseu  mit  solchem  dialog,  andere 
laufen  in  eine  kurze  epische  erzählung  aus,  schliefsen  reflexionen, 
empfindungen  oder  auch  die  erörteruüg  persönlicher  angelegen- 
heiten  an.  diese  verschiedenen  beslaudleile  des  reihens  sind  oft 
sehr  lose  gefügt,  die  scene  wechselt  plötzlich ,  sie  wird  aus  der 
öffentlichkeit  ins  haus  und  ans  dem  hause  in  die  öffentlichkeit 
verlegt,  und  selbst  die  continuiläl  der  zeit  ist  nicht  überall  fest- 
gehalten, während  der  Sänger  im  ersten  teile  die  scharen  zum 
reihen  sammelt  und  der  tanz  das  eigentliche  ziel  seiner  auffor- 
derung ist,  rückt  derselbe  nachher  unversehens  in  die  Vergangen- 
heit, sodass  bei  aller  lebendigkeit  des  einzelneu  das  ganze  eine 


ÜBER  KEIDHARTS  REIHEN  65 

feste  geslalt   nicht  gewinnt,    wie   ein  gemälde,   dessen  teile  von 
verschiedenen  slandpuncten  aufgeaommen  sind. 

Es  ist  als  sicher  anzusehen  dass  N.s  reihen  an  ältere  im 
Volk  gebrauchte  tanzlieder  anknüpften,  und  sehr  wahrscheinlich 
dass  er  in  diesen  dicht  nur  die  allgemeine  anregung  sondern  den 
lypus  vorfand,  den  er  kunstgerecht  ausbildete,  die  beiden  haupt- 
bestandteile ,  aufforderung  zum  tanz  und  ländliche  scene ,  werden 
schon  in  den  älteren  liedern  vorhanden  gewesen  ^ein ,  öbwol  die 
lose  composition,  selbst  noch  bei  N.,  darauf  hindeutet  dass  die  Ver- 
bindung nicht  ursprüngUch  ist.  beide  teile  waren  zunächst  selbstän- 
dig ins  leben  getreten  und  wurden  erst  später  zur  einheit  verbunden. 

Das  thema,  um  das  es  sich  in  diesem  zweiten  teile  handelt, 
ist  fast  immer  tanz  und  liebe,  einige  mal  gibt  ein  mädchen  im 
monolog  sehnsüchtiger  klage  ausdruck ,  gewöhnlich  erscheint  sie 
im  Zwiegespräch ,  mit  der  alten ,  die  sie  vom  tanz  und  liebesver- 
kehr  zurückhalten  will,  oder  mit  einer  gespieliu,  die  sie  begleiten 
soll,  dass  meistens  der  tanz  als  zielpunct  erscheint,  ist  in  der 
Verbindung  dieses  teiles  mit  dem  ersten  begründet;  ehe  man 
diese  Verbindung  vollzogen  hatte,  war  wol  die  hebe  das  haupt- 
thema ,  obgleich  die  beziehung  auf  den  frühling  und  seine  heiteren 
spiele  oft  genug  auch  in  den  älteren  einfachen  liedern  vorge- 
kommen sein  mag.  die  Vorstellung,  die  wir  uns  nach  IV. s  reihen 
von  diesen  alten  liedern  bilden  müssen,  entspricht  ganz  dem, 
was  wir  von  den  früh  erwähnten  winnehedern  wissen  und  er- 
schliefsen  können,  wir  haben  in  ihnen  erzeugnisse  einer  alten 
liebeslyrik;  aber  nicht  einer  liebeslyrik,  wie  sie  im  minnesang 
vorliegt,  'es  ist  unerweislich  und  unwahrscheinlich'  und  auch 
aus  N.s  reihen  in  keiner  weise  zu  folgern  'dass  solche  lieder 
sich  als  der  ausdruck  persönlicher  empfindung  gaben';  noch 
hüllt  sich  die  empfindung  in  ein  episches  gewand.  i 

•  das  citat  bezieht  sich  auf  mein  Leben  Walthers  s.  17.  Burdach  hat, 
als  er  seinen  aufsatz  über  das  volkstümliche  deutsche  liebeslied  schrieb ,  die 
Worte  merkwürdiger  weise  nicht  verstanden  (Zs.  27,  352).  es  ist  ein  wesent- 
licher unterschied,  ob  jemand  in  der  darsteilung  fremden  leides  sein  eigenes 
bekennt,  für  die  eigene  empfindung  ein  symbol  sucht,  oder  ob  er  die 
schützende  hülle  verschmäht,  und  das  persönlich  empfundene  auch  als  aus- 
druck persönlicher  empfindung  gibt,  'die  liebeslyrik  in  ihrer  persönlichen 
form  als  eine  sich  fortentwickelnde  und  der  entwickelung  fähige  kunstgattung 
ist  nicht  älter  als  die  geistige  erhebung  der  ritterlichen  gesellschaft ,  wie  sie 
sich  seit  der  mitte  des  12jhs.  vollzog'  Leben  Walthers  s.  18. 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVIL  5 


66  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

Was  den  ersten  teil  betrifft,  so  fällt  zunächst  ins  äuge  dass 
diese  tanzlieder  sich  nie  als  begleitung  des  tanzes  geben,  selbst 
in  liedern,  in  denen  die  ersten  Strophen  den  reihen  als  zukünftig, 
die  letzten  als  vergangen  annehmen,  wo  also  die  composition  es 
nahe  legte,  die  tanzende  gesellschaft  in  ihrer  bewegung  als  gegen- 
wärtig vorzustellen,  geschieht  das  nicht,  auf  Improvisationen, 
welche  das  gefühl  auf  der  höhe  der  erregung  gleichsam  unwill- 
kürhch  hervorgebracht  hätte,  weisen  diese  dichtungen  also  nicht. 

Ferner  erscheinen  N.s  lieder  durchaus  nicht  als  chorHeder; 
die  menge  wird  nicht  einmal  aufgefordert  mit  einzustimmen,  der 
dichter  steht  überall  im  Vordergrund,  er  tritt  als  Vorsänger  und 
und  vortänzer  auf;  er  hat  die  neue  weise  gefunden  und  lehrt 
neue  sprünge  (21,26.  23,19 — 24);  er  ruft  die  jungen  zur  freude, 
heifst  die  mädchen  sich  schmücken,  und  fordert  sie  auf  sich  zu 
paren  und  zu  reihen,  auf  seine  einladung  legen  die  mädchen 
ihr  festgewand  an,  und  eilen  hinaus,  um  ihm  den  ball  zuzuwerfen 
und  an  seiner  band  zu  tanzen,  der  typus  des  tanzliedes,  dem 
N.  folgt,  ist  also  zunächst  nicht  tanzlied,  sondern,  wenn  ich  so 
sagen  soll ,  Ouvertüre  zum  tanz ,  es  ist  das  lied  des  reihenführers, 
der  die  schöne  Jahreszeit  verkündet  und  die  Jugend  um  sich  schart, 
die  Vermutung,  dass  N.s  häuGger  gebrauch,  sich  in  seinen  liedern 
zu  nennen  oder  nennen  zu  lassen,  in  altem  herkommen  begründet 
sei  (Meyer  Die  reihenfolge  der  lieder  Neidharts,  Berlin  1883, 
s.  68),  ist  diesem  zweck  gemäfs;  es  scheint  ganz  angemessen  dass 
der  mann,  der  mit  dem  anspruch  auftrat,  die  frühlingsfeste  zu 
leiten,  sich  nannte  und  auf  seinen  namen  warb. 

Wenn  nun  N.s  lieder  einzelvorträge  sind,  die  nach  ihrem 
Inhalt  den  tanz  nicht  begleiten  sondern  einführen ,  so  fragt  sich, 
was  denn  zum  tanz  gesungen  wurde,  denn  dass  dies  geschah, 
ist  selbstverständlich  und  wird  auch  durch  N.  bezeugt,  zwar  7,  9 
heifst  es:  diu  minnedkhe  junge,  si  bat  daz  man  ir  sunge;  aber 
an  anderen  stellen  wird  der  gesang  der  menge  erwähnt.  4,  9 
sagt  das  mädchen:  ja  ist  ez  laue  daz  ich  diu  kint  niht  tiiuwes 
hörte  singen  und  33,  22  sagt  der  dichter  selbst:  künde  ich  nü 
gesingen,  daz  die  jungen  gerne  sungen.  dass  für  den  tanz  be- 
sondere compositionen  angewandt  wären,  darauf  deutet  nichts 
bei  N.  mau  wird  also  annehmen  dürfen  dass  die  auffordern ug 
zum  tanz  auch  als  tanzlied,  der  einzelvortrag  als  chorlicd 
diente;  wer  das  lied  gelernt  hatte,  sang  mit;  vgl.  42,  1   daz  wirt 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  67 

aber  Wkrdt  ein  epfeltranc  e  daz  siz  gelerne  :wan  diu  hoßret  min 
geplätze  gerne.  88,  14  s6  knmt  einer  unde  sprichet  'guote,  singet 
etewaz.     Idt  uns  mit  iu  singen,     tuot  tms  vröudehelfe  schin.' 

Man  hat  vvol  angcDommen  dass  der  chor  sich  mit  einem 
refrain  begnügte,  und  dass  ein  solcher  refrain  auch  platz  gehabt 
haben  könne  in  hedern ,  für  welche  ihn  die  Überlieferung  nicht 
bezeugt,  aber  für  N.s  dichtung  ist  das  nicht  wahrscheinlich, 
überliefert  ist  der  refrain  nur  bei  einem  liede  (3,  1),  und  gerade 
für  dieses  ist  N.s  autorschaft  sehr  zweifelhaft,  den  gebrauch  für 
andere  anzunehmen,  ist  unbegründet  und,  wenn  man  das  gefüge 
der  lieder  betrachtet,  wenig  glaublich,  die  lieder  sind  strophisch, 
aber  N.  hat  eine  unverkennbare  neigung,  das  strophenende  wenig 
zu  markieren;  er  liebt  es  eine  gedankenreihe  über  das  ende  der 
Strophe  fortzuführen  und  in  den  ersten  versen  der  folgenden 
abzuschliefsen  (5,  19.  9,  30.  36.  14,  27.  15,  36.  17,  18.  22,  23. 
31,  19.  24).  also  die  gliederung  der  gedanken  und  der  metri- 
schen form  decken  sich  nicht;  die  eine  sucht  die  würkung  der 
anderen  abzuschwächen,  diese  auffallende  erscheinung  muss  in 
dem  Ursprung  und  zweck  der  lieder  begründet  sein,  ich  nehme 
an  dass  die  strenge  gliederung  der  strophischen  poesie  den  reihen 
ebenso  wenig  natürlich  war,  als  sie  unsern  jetzigen  rundtänzen 
natürlich  sein  würde,  die  nur  ein  ende  aber  keine  Unterbrechung 
durch  regelmäfsig  widerkehrende  pausen  kennen,  erst  als  im 
minnesang  sich  eine  regelmäfsige  strophenform  als  gesetz  der 
lyrischen  poesie  herausgebildet  hatte,  wurde  sie  auf  das  alte  tanz- 
lied  übertragen,  möglicher  weise  von  N.  zuerst.  N.  suchte  den 
zwang  der  form  zu  mildern ,  andere  Sänger  entzogen  sich  ihm 
ganz  und  dichteten  tanzleiche. 

Ich  habe  im  vorstehenden  N.s  lieder  schlechtweg  als  tanz- 
lieder  angesehen,  ohne  die  frage  zu  erörtern,  ob  sie  auch  würk- 
lich  als  tanzlieder  gebraucht  werden  sollten,  an  und  für  sich 
wäre  es  ja  möglich  dass  der  dichter  sich  einer  vorhandenen  form 
bedient  habe,  ohne  den  zweck  zu  verfolgen,  der  diese  form  her- 
vorgebracht hatte,  wie  so  manches  minneüed  wären  dann  auch 
N.s  reihen  einfach  als  gesellschaftslieder  anzusehen,  zur  Unter- 
haltung eines  sangliebenden  zuhörerkreises  vorgetragen,  in  der 
tat  zweifle  ich  auch  nicht  daran  dass  N.  in  dieser  weise  seine 
lieder  gebraucht  hat,  gerade  so  wie  heute  zu  tage  jemand  einen 
tanz  componieren  und  iu  einer  gesellschafl  vortragen  kann ,  ohne 

5* 


68  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

zu  erwarten  und  zu  verlangen  dass  die  anwesenden  nach  seiner 
weise  sich  im  kreise  drehen.  >  aber  unglauWich  wäre  es  dass 
hiermit  die  bedeutung  der  Neidhartschen  lieder  erschöpft  sein 
sollte,  wir  dürfen  uns  getrost  dem  glauben  überlassen  dass  die 
nächstliegende  auffassung  auch  die  richtige  ist,  dass  N.  zunächst 
reihen  dichtete,  um  sie  selbst  zum  tanz  und  zwar  zum  tanz  der 
ländlichen  bevölkerung  zu  singen,  das  erscheint  als  die  grund- 
lage  seiner  dichtung,  und  warum;  sollte  er  sie  so  consequent  be- 
hauptet haben,  wenn  sie  nur  eine  fiction  wäre?  selbst  in  dem 
liede,  das  er  aus  Ägypten  als  grufs  in  die  .heimat  sendet,  hält 
er  an  dieser  Voraussetzung  fest:  si  reten  oder  tanzen,  si  tnon  vil 
manegen  unten  schrit ,  ich  allez  mit  12,  33;  und  nur,  wenn  sie 
der  würklichkeit  entsprach ,  versteht  man  das ,  was  N.  über  seine 
Schicksale  und  den  wendepunct  seines  lebens  mitteilt. 

Als  das  entscheidende  ereignis  bezeichnet  N.  bekanntlich  die 
unbill,  welche  Engelmar  an  Vriderun  verübte,  über  den  Vorfall 
weifs  ich  nicht  mehr  als  andere  auch:  Engelmar  hat  der  Vri- 
derun beim  tanz  einen  spiegel  von  der  seile  gerissen,  wodurch 
aber,  fragt  man,  konnte  diese  rücksichtslosigkeit  so  wichtig  für 
den  dichter  werden?  Meyer  hat  versucht  die  frage  zu  beant- 
worten: 'ich  meine',  sagt  er  auf  s.  17,  'der  Vorgang  habe  seine 
bedeutung  darin,  dass  er  dem  dichter  eine  wichtige  tatsache 
plötzlich  offenbart,  welche  aber?  dass  Engelmar  ein  tölpel  ist? 
gewis  nicht,  sondern  dass  die  art,  wie  die  gelieble  des  dichters 
die  Zudringlichkeit  des  dritten  aufnimmt,  beweist  dass  dieser 
längst  zu  einem  glücklichen  nebenbuhler  geworden  ist  (vgl.  Frey- 
tag Bilder  ii  50).  und  das  macht  die  würkuug  des  ereignisses 
denn  doch  erklärlicher  1'  ich  finde  nicht,  nirgends  erscheint  die 
tat  Engelm.ars  als  eine  zudringliche  liebenswürdigkeit  und  nirgends 
verrät  N.,  wo  er  von  ihr  spricht,  ein  durch  geteuschle  liebe  ge- 
kränktes ,  in  seinen  tiefen  erschüttertes  gemüt.  es  mag  sein  dass 
er  mit  Vriderun  ein  liebesverhältnis  hatte;  aber  bei  dieser  liebe 
war  sein  herz  kaum  viel  mehr  engagiert  als  in  anderen  Verhält- 
nissen, von  denen  er  spricht;  und  wenn  es  wahrscheinlich  ist 
—  nötig  ist  es  nicht  —  dass  Engelmar  zunächst  eineu  act  per- 
sönlicher eifersucht  vollzog,  so  hatte  seine  tat  doch  sicher  mehr 
als  persönliche  bedeutung.  denn  nicht  nur  verfolgt  N.  den  Engel- 
mar jetzt  als  das  urbild  des  übermütigen  und  verhassten  dörpers 
(78,  35.  91,  19),    nicht  nur  benutzt  er  ibn  als  mafsstab  für  die 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  69 

nichtsüutzigkeit  der  anderen  (74,  15.  81,  14.  56,  3.  88,  27):  er 
bezeichnet  die  Spiegelgeschichte  als  den  anfang  zahlreicher  Un- 
bilden (78,  7.  93,  5),  als  den  beginn  einer  unglücklichen  läge 
(70,  32  tf)  und  friedlosen  zeit  schlechthin  (96,6).  die  katastrophe 
betraf  nicht  sowol  sein  Seelenleben  als  seine  äufsere  existenz.  N. 
geriet  dadurch  in  not. 
70,32  mir  enioil  diu  Scelde  nindert  volgen  einen  vuoz: 

swelhen  ende  ich  var, 

s6  Icet  si  mich  immer  eine. 

got  vor  nngednlde  mich  bewar. 
'    ■     "''min  gelücke  ist  wider  si^  s6  kleine. 

!'  von  imoern  schulden  hdn  ich  disiu  leit,  her  Engelmdr. 
die  art,  wie  sich  N.  hier  und  an  den  anderen  stellen  über 
das  ereignis  ausspricht,  lässt  meines  erachtens  über  dessen 
wahre  bedeutung  keinen  zweifei ,  und  gestattet  dann  weiter  einen 
sicheren  schluss  auf  N.s  leben,  in  der  bäuerlichen  bevölkerung 
hatte  er  für  seinen  kunstbetrieb  einen  gedeihlichen  boden  ge- 
funden, Engelmars  auftreten  machte  dem  ein  ende,  als  dieser 
es  wagte,  N.s  reihen  zu  stören  (26,  2 ff),  stand  das  übrige  bauern- 
volk,  die  getelinge,  wie  N.  sie  bezeichnend  nennt,  hinter  ihm, 
und  dem  spielmann  blieb  nichts  übrig  als  das  feld  zu  räumen, 
von  den  festen,  die  er  früher  geleitet  hatte,  sah  er  sich  ausge- 
schlossen (52,  23  vgl.  56,  35),  die  dörper  springen  den  reihen 
ihm  zum  trotz  (90,  8.  74,  9  vgl.  64,  36) ,  und  der  verschmähte 
rächt  sich  vor  anderen  zuhorern  durch  eine  neid-  und  spott- 
erfüllte Satire. 

Es  wird  manchen  mit  Verwunderung,  vielleicht  sogar  mit 
Unwillen  erfüllen,  den  begabten  Sänger  so  geradezu  als  spiel- 
mann unter  die  bauern  gestellt  zu  sehen;  denn  wenngleich  man 
den  glauben ,  dass  N.s  bauern  nur  masken  für  seine  ritterlich- 
höfische  Umgebung  seien,  aufgegeben  hat  und  würklich  annimmt 
dass  er  unter  bauern  gelebt  hat,  so  sieht  man  gemeinhin  seine 
tätigkeit  doch  wol  in  einem  anderen  licht,  man  möchte  in  ihm 
einen  jungen  herren  sehen,  der-  im  vertrauten  verkehr  mit  den 
genossen  seiner  Jugend  sich  ohne  zwang  der  lebenslust  hingab, 
durch  seiiie  geselligen  talente  bezauberte  und  hinriss  und  in  einem 
gewissen  jugendlichen  enthusiasmus  die  Vorzüge ,  welche  die  ge- 

^  si  beziehe  ich  auf  Scelde;  ich  sehe  das  wort  als  petsonificatiön  an 
und  habe  es  daher  mit  grofsem  anfangsbuchstaben  geschrieben. 


70  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

burt  ihm  gab,  unberücksichtigt  liefs.  aber  die  häufigen  klagen 
über  ein  dürftiges  los  zeigen  dass  N.  wenigstens  zeitweise  darauf 
angewiesen  war,  vom  ertrage  seiner  kuust  zu  leben,  und  wir 
haben  keinen  grund ,  anzunehmen  dass  er  nicht  auch  unter  den 
bauern  dieses  ziel  mit  seiner  kunst  verfolgte,  der  darbende  sänger 
sieht  mit  neid  auf  die  bauern,  die  wie  tauben  mit  vollem  kröpf 
auf  dem  korukasten  stehen  (54,  40),  und  der  Standesdünkel  hielt 
den  ritterbürtigen  sicher  nicht  ab,  ihre  gaben  zu  seinem  lebens- 
unterhalt  zu  empfangen,  freilich  umgibt  N.  in  seinen  reihen 
sich  mit  einem  gewissen  glänz ,  er  stellt  sich  als  führer  der  ge- 
sellschaft,  als  abgott  der  mädchen  vor;  aber  das  ist  der  glänz 
der  rolle,  die  er  als  Veranstalter  öffentlicher  lustbarkeiten  spielte, 
ein  glänz  und  ein  selbstbewustsein  ähnlich  wie  wir  sie  noch  heut 
zu  tage  kunstreiter  und  Seiltänzer  entfalten  sehen,  wenn  sie  in 
den  dörfern  ihre  Vorstellungen  ankündigen,  in  den  winterliedern 
tritt  N.  nicht  so  in  den  mittelpunct  der  gesellschaft ;  da  verspricht 
er  wol  ein  neues  lied  als  freudensteuer  (35,  15),  aber  bei  den 
tanzen  im  privathause  begnügt  er  sich  mit  einem  bescheideneren 
platz,  nirgends  eilt  ein  mädchen  dem  gepriesenen  sänger  entgegen 
wie  in  den  reihen,  nie  erscheint  sein  Reuental  als  ort  der  Ver- 
sammlung, sein  erbärmliches  hauswesen  bot  nicht  den  räum  und 
die  mittel  zum  kovenanz ,  er  ist  da  gast  der  wolhabenden  bauern ; 
ja  wenn  45,  22  und  37,  24  aus  dem  leben  gegriffene  züge  sind, 
schien  es  für  die  dirnen  nicht  einmal  recht  anständig  mit  dem 
musikanten  zu  verkehren,  er  empfing  seineu  lohn  und  damit 
gut  (40,  1): 

'iSrnc  ein  guldin  huon;  ich  gibe  dir  weize'. 

schiere  dö  wart  ich  vrö. 

N.  verliert  durch  diese  betrachtungsweise  an  persönlicher  würde, 
er  gewinnt  an  Interesse  für  die  kulturgeschichte.  er  ist  für  uns 
der  erste  dichter,  der  sich  mit  seiner  kunst  an  die  bäuerlichen 
kreise  wendet,  niemand  wird  glauben  dass  ihn  eine  art  idylli- 
scher Schwärmerei  oder  gar  plane  von  Volksbeglückung,  wie  sie 
JHVoss  als  Jüngling  ausheckte,  geleitet  haben,  die  zeitverhält- 
nisse  wiesen  ihm  den  weg.  bis  dahin  hatte  die  moderne  kunst 
allein  die  adelichen  hüfe  gesucht,  je  gemeiner  sie  wurde,  je 
gröfser  die  zahl  der  sänger,  je  mehr  die  mode  den  reiz  der  neuheit 
verlor,  um  so  weniger  ergibig  wurde  der  boden  und  die  künstler 
suchten    neue  gebiete   zu   gewinnen,     wir  sehen  die  kunst  vom 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  71 

Westen  nach  dem  osten ,  vom  Süden  nach  dem  norden  vorrücken, 
aber  auch  von  den  höheren  schichten  der  gesellschaft  zu  den 
niederen,  so  eigentümlich  N.s  lyrik  dem  minnesang  gegenüber- 
steht: seine  poetische  technik,  die  Sauberkeit  der  spräche,  der 
genaue  versbau  und  reimgebrauch,  die  manigfalligkeit  und  strenge 
des  Strophenbaues  setzen  die  entwicklung  voraus,  welche  die  kunst 
in  der  höfischen  dichtung  des  12  jhs.  gemacht  hatte.  N.  bot 
diese  schätze  dem  landvolk  und  sein  rühm  zeigt ,  wie  willig  man 
sie  aufnahm..  N.  kam  einem  bedürfnis  entgegen;  derselbe  trieb, 
der  sich  in  der  nachahmung  höfischer  kleidung  und  höfischen 
benehmens  äufserte,  bekundet  sich  auch  in  der  empfänglichkeit 
für  eine  feiner  gebildete  kunstform,  die  bevorzugten  stände  der 
geistlichkeit  und  des  adels  waren  in  dem  streben  nach  höherer 
kultur  vorangegangen,  jetzt  bemühte  sich  ein  teil  des  übrigen 
Volkes  nachzukommen. 

Aber  auch  die  kunst  selbst  gewann  durch  diese  einkehr  auf 
dem  lande,  indem  N.  sich  mit  seinem  gesauge  an  die  bauern 
wandte,  muste  er  an  die  kunst  anknüpfen,  die  er  unter  ihnen 
vorfand,  die  höfischen  poeten  erschöpften  sich  im  adehchen 
minnesang;  N.  nahm  das  volkstümliche  tanzUed  in  seine  pflege 
und  führte  es  in  modernem  gewande  in  die  litteratur  ein.  der 
enge  kreis  der  höfischen  lyrik,  den  Walther  zuerst  durch  die 
aufnähme  der  spruchpoesie  mächtig  durchbrochen  hatte,  erweiterte 
sich  jetzt  von  neuem ,  obschon  die  exclusive  höfische  gesellschaft 
den  ihr  eigentümlichen  minnesang  noch  mit  so  eifersüchtiger  liebe 
hegte,  dass  N.,  um  den  zutritt  zu  ihr  zu  finden,  die  minne- 
strophen  in  seine  lieder  aufnehmen  muste. 

Die  kunst  hatte  ein  weiteres  gebiet  gewonnen  und  zog  aus 
dem  neuen  boden  frische  kraft,  während  der  minnesang  die  be- 
rührung  mit  dem  würklichen  leben  gemieden  und  allzu  ängstlich 
sich  in  die  weit  der  gedanken  und  empfindungen  zurückgezogen 
hatte,  sucht  N.  überall  die  realität  auf,  und  selbst  seine  typischen 
figuren  gewinnen  in  den  besseren  liedern  den  schein  individuellen 
lebens.  hier  endlich  erschliefst  sich  der  sinn,  der  sonst  fast  nur 
nach  innen  gekehrt  war,  der  aufsenwelt,  nicht  um  ihr  gleichsam 
nur  einen  verstohlenen  blick  zuzuwerfen,  sondern  um  sie  ganz 
zu  geniefsen  und  ein  auch  in  kleinen  zügen  treues  bild  festzu- 
halten, freilich  fehlt  auch  die  kehrseite  nicht,  mit  der  natür- 
lichkeit   und   frische,    welche    die   poesie   durch  die  berührung 


72  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

mit  dem  volke  erhielt,  verlor  sie  zugleich  an  würde  und  an- 
stand.* ■     :  li  -;     >y  "lab   uo'.ib'iihi   i'fj'iof'.^f! 

An  diese  allgemeinen  bemerkungen  schliefse  ich  einige  bei- 
trage zur  kritik  und  erkläruug  einzelner  lieder  und  stellen. 

1.  Haupt  eröffnet  seine  ausgäbe  mit  acht  gedichten,  die  in 
der  Riedegger  hs.  nicht  überliefert  sind,  'sie  haben',  sagt  er, 
'ungenügende  äufsere  gewähr,  aber  sie  klingen  neidhartisch  und 
wenn  in  ihnen  die  eigenart  des  dichters  nicht  ganz  so  scharf 
ausgeprägt  erscheint  wie  in  den  meisten  reihen  der  Riedegger 
hs.,  so  wird  das  Jugendgedichte  erkennen  lassen.'  allerdings  sind 
die  meisten  gedichte  der  art,  dass  sich  N.  ihrer  nicht  zu  schämen 
hätte,  aber  doch  fallen  einige  puncte  in  ihnen  auf,  die  seinem 
gebrauche  nicht  entsprechen,  sehr  beachtenswerte  bedenken  sind 
gegen  3,  1  geltend  gemacht,  schon  von  Liliencron:  der  fehlende 
natureingang  und  derrefrain,  den  nur  dieses  lied  hat;  vgl.  auch 
Tischer  Über  Nithart  von  Riuwental,  Leipzig  1872,  s.  19  und 
Meyer  s.  7  f.  das  gedieht  als  erzeugnis  der  Jugend  anzusehen, 
widerrät  das  motiv,  die  tanzlustige  alte  im  widerstreit  mit  der 
moralisierenden  jungen,  augenscheinlich  suchte  der  dichter  ein 
neues  motiv  und  wüste  es  nicht  anders  zu  finden  als  durch  um- 
kehrung des  natürlichen  und  nächstliegenden,  auf  die  ähnlichkeit 
mit  einem  anderen  unechten  liede  (4,  6)  hat  Meyer  hingewiesen.  — 
kaum  weniger  bedenklich  scheint  mir  das  zweite  lied.  wenn 
Paul  (Beiträge  2,  554)  in  den  versen  4,  6  f  mit  recht  die  lesart 
von  C  bevorzugt,-  würde  schon  der  reim  velde: selbe  hindern,  das 

1  als  ich  mein  buch  über  Walthers  leben  schrieb,  nahm  ich  noch  an 
dass  N.  alle  seine  lieder,  auch  die  reihen,  für  den  Vortrag  in  ritterlichen 
kreisen  gedichtet  habe,  und  glaubte  deshalb  aus  Walthers  Worten  (65,  31) 
bi  den  gebüreti  lieze  ich  st  wol  sin  schliefsen  zu  müssen  dass  das  lied  Owe 
hoi'elichi'z  singen  nicht  gegen  N.  gerichtet  sein  könne  (Leben  s.  47).  jetzt 
würden  mich  diese  werte  nicht  mehr  ahlialten,  Uhlands  beziehung  als 
richtig  anzuerkennen,  aber  bedenklich  bleibt  sie  mir  doch;  denn  Walthers 
tadel  scheint  viel  mehr  auf  die  Vortragsweise  als  auf  den  Inhalt  gerichtet  zu 
sein  und  seine  gegenüberstellung  von  nachtigall  und  fröschen  auf  einen 
anderen  gegensatz  hinzuweisen  als  den  zwischen  seiner  und  N.s  lyrik;  siehe 
anm.  zu  65,21.  Leb.  iv29.  übrigens  lässt  Walthers  ganze  art  erwarten  dass 
N.s  poesie  seinen  beifall  nicht  fand,  wie  er  ähnliche  gegenstände  behandelt 
zu  sehen  wünschte,  zeigt  sein  lied  74,  20.  es  ist  ein  ländliches  tanzlied  wie 
Neidharts  reihen  und  teilt  mit  ihnen  die  lose  composition  (vgl.  auch  51,13), 
aber  nichts  erinnert  an  den  kecken  realismus  Neidharts,  das  gemälde  ist  in 
den  zarten  färben  und  dem  zuchtvollen  stil  des  minneliedes  ausgeführt. 

2  so  sinnlos,   wie   es  Paul   scheint,  ist  die  lesart  muoter!  Idtz  äne 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  73 

lied  als  N.s  eigenlum  aozuseheD.  sehr  auffallend  für  N.  wäre 
auch  die  folgende  Strophe: 

'neina,  tohter,  neine! 
ich  kdn  dich  alt  er  seine 
gezogen  an  minen  brüsten: 
nü  tno  ez  durch  den  willen  min, 
Idz  dich  der  mari  niht  lüsten.' 
diese  feierlich  gefühlvolle  beschwörung  der  alten  widerspricht 
durchaus  dem  tone,  der  in  N.s  dichtung  herscht.  endlich  ist 
die  Verbindung  zwischen  der  vierten  und  fünften  Strophe  mangel- 
haft, wer  der  mann  sei,  hat  die  alte  nicht  zu  wissen  verlangt, 
ein  sonst  gebräuchliches  motiv  hat  hier  den  dichter  geleitet  und 
die  natürliche  entwicklung  der  gedanken  gestört.  —  in  dem  ge- 
dichte  7,  11  fällt  auf  dass  ein  gewisser  Merze  deu  reihen  vor- 
springt; sonst  nimmt  N.,  wenn  er  einen  bestimmten  vortänzer 
nennt,  die  rolle  für  sich  in  anspruch,  und  die  abweichung  von 
diesem  gebrauch  fällt  um  so  stärker  ins  gewicht,  wenn  wir  den- 
selben vorhin  richtig  gedeutet  haben.  —  in  dem  hübschen  Hede 
8,  12  hat  die  vierte  Strophe  zweimal  stumpfen  reim  (9,  2f),  wo 
sonst  klingender  steht,  zwar  wird  die  unregelmäfsigkeit  metrisch 
ausgeglichen ,  wenn  man  die  drei  letzten  verse  der  Strophe  zu 
einer  einheit  verbindet  und  statt  des  versendes  cäsuren  annimmt, 
aber  die  unregelmäfsigkeit  ist  für  N.  doch  auffallend  und  ver- 
dient bemerkt  zu  werden.  -^'  unter  den  noch  übrigen  vier  liedern 
sind  drei,  in  denen  allein  der  Sänger  das  wort  führt,  kein 
mädchen  redend  auftritt,  das  kommt  nun  zwar  auch  in  anderen 
liedern  vor,  entspricht  aber  jedesfalls  nicht  N.s  gewohnheit.  er 
hat  die  einführung  eines  monologs  oder  dialogs  nur  in  den  beiden 
späten  tönen  31,  5  und  33,  15  unterlassen,  und  dann  in  drei 
gedichten,  für  welche  besondere  bedingungen  gelten,  in  25,  14 
und  den  beiden  auf  der  kreuzfahrt  gesungenen  11,  8.  13,  8.  -^ 

melde  nicht.  N.s  lieder  zeigen  dass  die  teilnähme  an  den  öffentliclien  reihen 
manchem  anstöfsig  war,  und  so  konnte  die  mutter  wol  aufgefordert  werden 
zu  schweigen;  vgl.  17,39  und  MSH  3,216'  str.  13  tohterlm,  swic  stilie! 
minne  wenig  oder  vil,  daz  ist  min  guoter  wille;  scehe  ichz  an  mit  beiden 
minen  ougen,  ich  verswig  ez  tohterlm:  also  tuo  du  kint  daz  min  und 
minn  wir  beide  tougen.  —  auch  in  v.  4,  25  will  Paul  (s.  555)  die  über- 
lieferte lesart  ich  beiige  den  knabeii  werden  beibehalten;  Haupt  habe  sie 
vermutlich  nur  geändert,  um  den  doppelten  auftact  zu  entfernen,  den  er 
doch  anderwärts  zugebe,     wie  stellt  sich  denn  Paul  die  sache  vor? 


74  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

die  vorgetragenen  bedenken  würden  nicht  ausreichen,  gut  ver- 
bürgte lieder  dem  dichter  zu  entziehen;  aber  sie  vermehren  das 
mistrauen  gegen  schlecht  bezeugte,  wir  haben  hier  einen  der 
fälle,  in  denen  die  kritik  der  liederdichter  zu  einem  sicheren 
resultat  nicht  kommen  kann. 

2.  in  mehreren  reihen  N.s  hat  man  einzelne  Strophen  oder 
Strophengruppen  abgetrennt  und  angenommen ,  der  dichter  habe 
sie  nachträglich  hinzugefügt  oder  auch  denselben  ton  in  einem 
neuen  liede  widerholt,  ob  Haupt  dies  auch  in  dem  Hede  11,  8 
angenommen  hat,  ist  mir  zweifelhaft;  er  bezeichnet  zwar  hinter 
der  siebenten  Strophe  einen  abschnitt,  hat  aber  nicht,  wie  er 
es  sonst  bei  neuen  liedern  tut,  den  ersten  vers  der  achten  Strophe 
vorgerückt.  Meyer  stellt  es  s.  97. 108  frei,  ob  man  die  vier  letzten 
Strophen  als  selbständiges  hed  ansehen  will,  und  s.  121  sagt  er,, 
sie  brauchten  nicht  gerade  unmittelbar  nach  den  sieben  ersten 
Strophen  vorgetragen  zu  sein,  aber  andererseits  bemerkt  er  richtig 
dass  die  worte  ob  sich  der  böte  nü  süme  das  erste  lied  voraus- 
setzen, man  darf  die  Strophen  desselben  tones  nicht  von  einander 
trennen,  wenn  sie  der  Verbindung  nicht  widerstreben,  einen 
abschnitt  wie  nach  str.  7  kann  man  auch  nach  str.  3  wahr- 
nehmen, aber  alle  drei  teile  gehören  zusammen,  die  Steigerung 
der  empfindung  vom  ersten  zum  zweiten  und  vom  zweiten  zum 
dritten  teil  ist  unverkennbar,  die  Sehnsucht  nach  der  heimat 
und  der  geliebten,  die  klage  über  die  misliche  läge  in  Ägypten 
gewinnen  immer  lebhafteren  ausdruck,  in  immer  deutlicheren 
Zügen  sieht  das  verlangende  äuge  das  bild  des  heimatlichen  lebens, 
immer  lauter  ertönt  die  frohe  erwartung  der  baldigen  heimkehr. 
gegenüber  dieser  stetigen  entwicklung  der  empfindung  fällt  es 
wenig  ins  gewicht  dass  der  dichter  im  zweiten  teil  einen  boten 
entsendet,  im  dritten  selbst  die  botschaft  übernehmen  will,  das 
ganze  beruht  ja  doch  nur  auf  einer  fiction  und  eine  Verbindung 
ist  durch  12,  19  bezeichnet,  das  lied  wurde  vorgetragen,  als 
der  herzog  Leopold  im  frühjahr  1219  sich  anschickte,  Ägypten 
zu  verlassen;  vielleicht  als  er  seine  boten  abordnete,  um  die 
bevorstehende  rückkehr  ankündigen  zu  lassen;  so  fände  auch  N.s 
gesandtschaft  in  der  würklichkeit  ihr  gegenbild  und  ihren  anlass. 
die  historischen  Verhältnisse,  auf  die  N.  anspielt,  hat  Schmolke 
im  Programm  des  gymnasiums  zu  Potsdam  (1875)  s.  13  angeführt, 
hinzuzufügen  wäre   etwa  noch   dass  die  erwähnung   des  äugest 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  75 

(13,  2),  die  in  dem  frühliugsliede  auffällt,  durch  die  Verkündigung 
des  cardinals  Pelagius  veranlasst  ist:  jeder,  der  bis  zum  nächsteo 
herbstpassagium  ausharre,  solle  sündenerlass  für  sich  und  seine 
angehörigen  erhalten,  in  erinnerung  an  den  schlimmen  Spät- 
sommer des  Jahres  1218  antwortet  N. :  er  dnnket  mich  ein  narre, 
swer  disen  ougest  hie  bestät. 

Über  die  Strophen  des  tones  25,  14  urteilte  Haupt  dass  sie, 
wie  es  scheine,  verschiedenen  liedern  augehörten,  'die  dritte 
Strophe  würde  wol  in  demselben  liede  weder  den  gesang  der 
Vögel  erwähnen ,  nachdem  die  erste  Strophe  von  den  liedern  der 
nachtigallen  geredet  hatte,  noch  aus  '\hr  tichen  an  derselben  vers- 
stelle widerholen,  die  fünfte  Strophe  schliefst  sich  nicht  recht 
an  die  vorhergehende  an:  die  deutung  Lihencrons  s.  103  be- 
friedigt nicht;  der  Zusammenhang  war  wol  anders  und  deutlicher. 
die  sechste  Strophe  muste  als  eine  einzelne  abgesondert  werden.' 
ähnlich  aber  entschiedener  tritt  Schmolke  s.  15  für  die  trennung 
in  zwei  lieder  ein ,  und  Meyer  s.  98.  letzterer  bemerkt  noch, 
dass  die  letzte  Strophe  jünger  sei,  werde  durch  26,  19 f  bewiesen 
gegenüber  der  ruhigen  erwähnungVrideruns  und  Engelmars  26,2f. 
ich  halte  die  annähme,  dass  hier  die  fragmente  zweier  reihen  vor- 
liegen, für  unbegründet  und  glaube  einen  teil  der  bemerkten 
Schwierigkeiten  heben  zu  können,  an  die  spitze  des  tones  setze 
ich  die  zweite  Strophe,  denn  die  bemerkung  über  den  winter 
kommt  zu  spät,  wenn  die  Schilderung  des  frühUngs  vorangegangen 
ist.  'man  sagt,  der  winter  habe  sich  heuer  in  die  länge  ge- 
zogen', beginnt  der  dichter;  'jetzt  ist  der  frühhng  da.'  nun  folgt 
die  Schilderung:  zuerst  wiese  und  beide,  dann  die  linde  und  die 
nachtigall,  die  vöglein  und  die  aufforderung  der  mädchen.  dass 
nach  den  nachtigallen  noch  die  vögel  erwähnt  werden,  finde  ich 
nicht  so  auffallend,  um  daraus  auf  verschiedene  lieder  zu  schliefsen. 
N.  lässt  hier  wie  in  anderen  gedichten  die  gedankenreihen  aus 
einer  strophe  in  die  andere  übergreifen,  die  linde  in  v.  14  f  setzt 
die  in  der  ersten  strophe  begonnene  Schilderung  der  pflanzenweit 
fort;  die  dritte  mit  dem  gesang  der  vögel  knüpft  an  die  nachti- 
gallen in  der  zweiten,  die  widerholung  des  wortes  tichen  in  zwei 
auf  einander  folgenden  Strophen  ist  allerdings  auffallend,  aber 
hier  bedarf  Haupts  text  wol  einer  änderung.  tichen  bedeutet 
'schafl"en ,  treiben ,  ins  werk  setzen'  und  so  braucht  N.  das  wort 
19,  21  die  vögele  ..  die  singent  wunniclkhen  ir  gesanc,   weint  in 


76  ÜB£R  NEIDHARTS  REIHEN 

flfter  tieften  den  sumer  lanc.  ''45,  14  mnschä  mirz,  wiez  Gisel  cid 
mit  tanze  tkhen  sol.  aber  was  ioW  ticken  Idzen  bedeuten?  dieses 
Idzent  ist  mir  unverständlich,  die  hs.  c  liest:  darunter  Idt  diu 
nahtigal  strichen;  sie  hat  das  richtige  reimwort  erhalten,  strichen 
Idn  ist  die  bekannte  elliptische  wenduug,  deren  ursprüngliche 
bedeutung  nicht  mehr  gefühlt  wurde;  IN.  braucht  sie  gerade  so 
18,  15  HM  loset  wie  diu  nahtegal  dar  ndher  strichen  Idt;  vgl. 
MSH  3,219''  nahtigal  ir  hi'igen  Idzt  dar  strichen. 

Also  die  ersten  drei  Strophen  braucht  man  nicht  aus  ein'- 
ander  zu  reifsen.  sie  sind  der  eingang  des  frühÜngsliedes, 
in  dem  nach  herkömmlicher  anläge  an  den  preis  des  früh- 
lings sich  eine  au  die  mädchen  gerichtete  einladung  schliefst; 
eigentümlich  ist  diesem  eingange  nur  dass  der  sänger  ein  be- 
stimmtes mädchen  nennt,  an  das  er  einen  kränz  gesandt  habe, 
die  vierte  Strophe  schliefst  sich  aufs  engste  an  die  dritte  an. 
in  dieser  Strophe  selbst  aber  erfolgt  der  Übergang  zu  einem 
neuen  teil,  zu  der  darstellung  einer  ländlichen  scene,  die  uns 
ähnlich  wie  25,-7  und  20,  35  auf  den  tauzplatz  führt,  eine  ge- 
sprächsscene  fehlt  diesem  liedie  wie  den  späteren  31,  5  und 
33,  15.  dass  eine  solche  jemals  vorhanden  gewesen,  ist  nicht 
anzunehmen;  denn  weder  vor  der  vierten  Strophe  noch  hinter 
derselben  würde  sie  nach  der  analogie  der  anderen  lieder  einen 
platz  haben. 

Weiter  fragt  sich ,  ob  die  Verbindung  von  str.  4  und  5  ur- 
sprünglich ist.  Haupt  und  Schmolke  vermissen  einen  rechten 
zusammenbang,  und  in  der  tat  ist  die  erwähnung  Engelmars  so 
unbestimmt,  dass  man  weiteres  hören  möchte,  aber  doch  ist 
schwer  zu  sagen,  was  in  der  verlornen  Strophe  gestanden  haben 
sollte,  denn  der  anfang  do  sich  aller  liebes  gelich  begunde  zweien 
steht  noch  bei  der  Vorbereitung  zum  reihentanz,  wie  der  schluss 
der  vorhergehenden  Strophe,  also  in  der  allgemeinen  Situation 
ist  kein  sprung  und  keine  lücke  bemerkbar,  ich  nehme  daher 
an  dass  der  dichter  doch  beide  Strophen  aufeinanderfolgen  liefs 
und  dass  er  von  Engelmar  hier  nicht  mehr  erzählen  wollte, 
die  zweite  hälfte  der  Strophe  vermag  ich  im  einzelnen  nicht  genau 
zu  erklären ,  auch  Liliencron  lässt  in  seiner  paraphrase  das  wort 
bescheiden  unübersetzt.  der  gedanke  im  ganzen  aber  ist  deutlich, 
der  Sänger  sagt  dass  er  der  erwartung,  er  werd6,  da  alles  vor- 
bereitet  war,    den    reihen   anstimmen,    nicht  habe    entsprechen 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  77 

können,      augenscheinlich   hielt   Engelmar,   der   lauernd   gegen- 
über stand,  ihn  davon  ab. 

Endlich  die  letzte  Strophe: 

Nil  heizent  si  mich  singen, 
ich  muoz  ein  hus  besorgen, 

daz  mich  sanges  wendet  manegen  morgen. 

wie  sol  ich  gebären? 

mir  st  an  Engelmdren 

Ungemach  . 

daz  er  Vriderünen 

ir  Spiegel  von  der  siten  brach. 
Haupt  sieht  die  Strophe  als  ein  selbständiges  liedchen  an,  für 
das  der  dichter  also  jede  andere  weise  ebenso  gut  hätte  wählen 
können,  allerdings  ist,  was  IS',  vorher  darzustellen  unternommen 
halte,  mit  der  fünften  Strophe  abgeschlossen;  aber  die  compo- 
sitionsweise  des  dichters  verlangt  doch  nicht,  in  der  fünften 
Strophe  das  ende  des  liedes  zu  sehen,  wie  er  mitten  in  der 
vierten  Strophe  plötzlich  aus  der  gegenwart  zurückschaut  und  eine 
scene  der  Vergangenheit  schildert,  so  konnte  er  nach  dieser  scene 
wider  zur  gegenwart  zurückkehren,  in  dieser  hinsieht  steht  die 
sechste  Strophe  zu  den  vorhergehenden  in  demselben  Verhältnisse, 
wie  die  letzte  Strophe  des  liedes  31,  5  zu  31,  30 — 39.  die  ge- 
danken  aber,  die  N.  in  der  sechsten  Strophe  ausspricht,  stehen 
in  unverkennbarer  beziehung  zum  vorhergehenden,  die  fünfte 
schloss  er  mit  der  erklärung,  dass  er  nicht  singen  konnte, 
die  sechste  beginnt  mit  der  erklärung,  dass  er  nicht  singen  kann; 
in  der  vierten  hat  er  auf  Engelmars  drohende  Stellung  hingedeutet, 
in  dieser  sagt  er,  freilich  nicht  deutlicher  als  überall  sonst  auch, 
was  Engelmar  nachher  verbrochen  hat.  ich  bin  deshalb  der  an- 
sieht dass  die  sechste  Strophe  mit  den  anderen  zu  verbinden  und 
gleichzeitig  mit  jenen  vom  dichter  verfasst  und  vorgetragen  ist. 
Welcher  Zusammenhang  findet  aber  in  der  sechsten  Strophe 
selbst  statt?  w-as  hat  Engelmar  mit  N.s  haussorge  zu  tun?  wie 
kommt  überhaupt  der  arme  dichter,  der  an  anderen  stellen  dringend 
um  ein  eigenes  heim  bittet,  dazu,  hier  über  die  sorgen  eigenen 
hauswesens  zu  klagen  (vgl.  39,  30)?  ich  vermute  dass  der  aus- 
driick  hüs  besorgen  bildlich  zu  nehmen  ist,  und  dass  die  zweite 
hälfte  der  Strophe  den  bildlichen  ausdruck  erklärt;  etwa  als  wenn 
mau   in  unserer  spräche   sagte:    'nun  soll  ich  tanzen;   aber  ich 


78  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

trage  eineu  schuh,  der  mir  das  tanzen  verleidet:  es  verdriefst 
mich  an  Eugelmar  dass  er  der  Vriderun  den  spiegel  von  der 
Seite  riss.'  das  spiel,  das  N.  widerholentlich  mit  dem  namen 
Riuwental  treibt,  würde  die  Wendung  vermitteln,  ich  muoz  ein 
hus  besorgen  daz  mich  sanges  wendet  manegen  morgen  bedeutet 
so  viel  als  'ich  bin  ein  armer  Reuentaler',  ein  kind  des  Unglücks; 
vgl.  5,  32.1 

Was  nun  das  ganze  gedieht  betrifft,  so  ist  darin  die  Zurück- 
haltung bemerkenswert,  mit  der  N.  von  Engelmars  tat  spricht, 
ohne  höhnendes  beiwort,  ohne  satirischen  Seitenblick  auf  die 
dörper.  er  legt  seiner  gesinnung  noch  zwang  an;  also  noch 
hoffte  er  wol  den  verlorenen  platz  wider  zu  gewinnen,  das  lied 
ist  in  der  form  der  reihen  gedichtet,  andere  mochten  es  zum 
reihen  singen;  N.  selbst  aber  trat  mit  ihm  nicht  auf  den  tauzplatz, 
er  will  nicht  singen,  wegen  der  kränkung,  die  Engelmar  ihm 
zugefügt  hat.  das  lied  erscheint  wie  ein  fühler,  den  er  aus- 
streckt, um  zu  sehen,  ob  die  alten  beliebten  klänge  ihm  eine 
schar  gewinnen  werden,  mächtig  genug,  Engelmar  und  seine 
genossen  hindan  zu  halten. 2 

In  der  anmutigen  Strophe  30,  36  bittet  N.  um  ein  haus  am 
Lengenbache,  ob  er  sich  damit  an  Otto  von  Lengenbach  richtet, 
der  in  Urkunden  bis  in  die  dreifsiger  jähre  des  13jhs.  häufig 
erscheint,  oder  etwa  an  herzog  Friedlich  den  streitbaren,  dem 
nach  einer  Urkunde  vom  11  märz  1241  wenigstens  decimae  in 
foro  Lengenbach  als  passauisches  leben  zukamen ,  liefs  Haupt  un- 
entschieden und  wird  sich  nicht  entscheiden  lassen,  die  Wahr- 
scheinlichkeit aber  spricht  durchaus  für  Otto  von  Lengenbach, 
nicht  nur  erscheint  der  schluss  der  Strophe  got  vilege  mir  ein 
hus  mit  obedache  bi  dem  Lengebache  würksamer,  wenn  sie  an 
einen  herren  von  Lengeubach  gerichtet  war,  auch  N.s  lebensver- 
hältnisse  sprechen  dafür,  anfangs  hatte  N.  die  gunst  des  herzogs 
Friedrich   gesucht   und  empfangen,   er  war  von   ihm  mit  einem 

'  so  ist  auch  str.  74, 25  zu  verstehen;  wenn  N.  zum  schluss  an  seine 
Zuhörer  die  bitte  richtet,  ihn  des  namens  Reuental  frei  zu  lassen,  so  will 
er  damit  nicht  sowol  sagen  dass  er  nicht  mehr  N.  von  R.  genannt  sein  will, 
als  dass  er  in  eine  läge  versetzt  zu  werden  wünscht,  auf  die  dieser  name 
nicht  passt.     die  folgende  strophe  ist  von  dieser  nicht  abzutrennen. 

^  andere  Strophen  desselben  tones  hat  Liliencron  bereits  für  unecht 
erklärt,  Haupt  in  die  anmerkungen  verwiesen,  durch  Pauls  gegenbemerkungen 
(Beiträge  2,  55Tf)  bin  ich  ebenso  wenig  überzeugt  wie  Meyer  s.  6. 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  79 

hause  ze  Medelicke  belehnt  (75,  3);  aber  die  gäbe  genügte  seinen 
bedürfnissen  nicht;  er  geriet  in  schulden  und  das  gut  war  bald, 
wie  es  scheint,  verpfändet  (73,  18).  neuen  auforderungen  ent- 
sprach der  herzog  nicht;  die  str. 84,32  deutet  Haupt  vermutungs- 
weise und  gevvis  richtig  auf  denselben ,  und  als  Friedrichs  händel 
mit  dem  reich  begannen ,  finden  wir  den  dichter  auf  der  seite 
der  gegenpartei.  wenn  wir  nun  wissen  dass  N.  die  gegend  von 
Medelicke,  wo  er  ursprünglich  gehaust  hatte,  später  verhefs  und 
weiter  ostwärts  in  die  gegend  von  Lengenbach  zog  (Haupt  zu 
75,  7),  so  ist  es  doch  sehr  wahrscheinlich  dass  die  Umsiedelung 
und  die  bitte  um  ein  haus  am  Lengenbache  eine  folge  des  ge- 
trübten Verhältnisses  zum  herzog  waren,  dazu  kommt  noch  dass 
Otto  von  Lengenbach,  soviel  wir  aus  dürftigen  documenten 
schhefsen  können,  zu  Friedrich  ebenso  stand  wie  N.  er  er- 
scheint häufig  in  Urkunden  Leopolds  vi,  nur  zweimal  bei  seinem 
nachfolger  zu  anfang  seiner  regierung  am  30  nov.  1230  und  am 
2  nov.  1231.  am  18  sept.  1235  entzieht  ihm  Friedrich  die  vogtei 
über  das  kloster  Garsten. 

Nun  das  Verhältnis  der  Strophe  zu  den  anderen  desselben 
tones.  Haupt  hat  die  Strophe  abgesondert,  Meyer  s.  132  be- 
zeichnet sie  als  einen  anhang  und  verweist  auf  Schmolke,  und 
dieser  (s.  7  anm.  26)  sieht  in  ihr  einen  beweis,  dass  N.  früher 
erfundene  töne  später  wider  aufgenommen  habe,  aber  warum 
soll  die  Strophe  nicht  ebenso  früh  gedichtet  und  gesungen  sein, 
wie  die  anderen?  die  einheit  der  empfindung  ist  unverkennbar; 
derselbe  weiche  schwermütige  ton  waltet  in  allen  teilen,  in  den 
einleitenden  Strophen  (30,  1 — 3),  in  dem  gespräch  der  mädchen, 
in  der  rührenden  bitte,  mit  der  der  Sänger  schliefst,  wie  das 
mädchen  in  ihrer  letzten  Strophe  den  schütz  des  himmels  herab- 
fleht (30,  34),  so  richtet  auch  der  dichter  —  eine  ungewöhnliche 
Wendung  bei  ihm  —  seine  bitte  an  gott.  ich  sehe  die  Strophe 
ungefähr  so  an,  wie  heutzutage  die  widmung  eines  buches;  den 
meisten  lesern  kann  sie  gleichgiltig  sein,  das  buch  kann  auch 
ohne  sie  bestehen,  und  doch  gehört  sie  dazu. 

In  dem  tone  32,  6  lässt  Haupt  es  unentschieden,  ob  die 
beiden  letzten  Strophen  ein  fragment  sind,  oder  ob  der  Übergang 
verloren  ist.  Schmolke  s.  7  anm.  24  bezeichnet  sie  als  ein  bruch- 
stück;  ebenso  Meyer  s.  97.  110.  über  den  Zusammenhang  der 
ersten   sechs  Strophen  bemerken   sie  nichts,   und  doch  ist  auch 


80  ÜBER  NEIDHAHTS  REIHEN 

dieser  mangelhaft,  der  aufforderung  zur  freude  in  str.  2  folgt 
unvermittelt  die  klage  in  str.  3;  und  die  betrachtungen  über  den 
verfall  der  liebe  in  str.  3  und  6  hangen  offenbar  unter  sich  enger 
zusammen  als  mit  den  allgemeinen  klagen  in  den  dazwischen 
stehenden  str.  4  und  5.  mit  den  str.  3  und  6  berühren  sich  aber 
auch  die  beiden  abgetrennten  nahe;  nicht  nur  behandeln  sie  das- 
selbe thema ,  selbst  einzelne  ausdrücke  werden  wider  aufge- 
nommen :  valsche  minne  32,  39  und  33,  7,  herzeliebe  und  dne 
herze  holt  32,  37  und  33,  12.  eine  andere  Ordnung  der  Strophen 
ergibt  einen  besseren  Zusammenhang,  in  dem  auch  33,  3 — 14 
ihre  stelle  finden,  doch  zuvor  sind  ein  par  einzelne  puucte  zu 
bestimmen. 

i.        Aus  den  Worten  32,30 

-  i'i  Der  ims  nü  die  Tiutschen  und  die  Beheim  hcete 

nji:  daz  si  niht  enbranten  nnze  man  gescBte 

schliefst  Schmolke  s.  29,  unser  lied  sei  nach  der  achtserkläruog 
des   herzogs    im  juui  1236   und   dem   gleichzeitigen   einfall  der 
kaiserlichen  achtsvoUstrecker  gedichtet,,  da  vorher  zu  keiner  zeit 
Deutsche  und  Böhmen  zugleich  in  Österreich  eingebrochen  waren, 
aber  die  erste  Strophe  feiert   den  beginn   des  frühlings  und  die 
angeführten  worte   selbst  zeigen  dass  die  felder  noch  nicht  be- 
stellt waren.     N.  muss   sein  lied  gesungen  haben,   ehe  die  acht 
ausgesprochen   und  vollstreckt  wurde,     dass   man   dies   ereignis 
schon  im  wiuter  1235/36  in -Österreich  fürchten  und  voraussehen 
konnte,  ist  bei  dem  verhalten  des  herzogs  gegenüber  dem  kaiser 
sehr  begreiflich,    siehe  darüber  jetzt  AFicker  Herzog  Friedrich  ii, 
Innsbruck  1884,  s.  45  ff.  —  was  meint  N.  ferner  v.  32,  18  f 
Die  den  loiben  höhgemüete  sohlen  machen 
und  in  in  diu  lösen  äugen  sohlen  lachen, 
die  hahent  sich  bewollen  mit  so  vrömden  Sachen, 
daz  hie  bevor  den  Tiutschen  wilde  was? 
die   harten  ausdrücke   lassen   keinen    zweifei   dass   er  das  laster 
der  paederastie  im  äuge  hat,  dessen  damahge  Verbreitung  in  Öster- 
reich auch  durch  andere  Zeugnisse  bekundet  wird  (Schultz  Höfi- 
sches leben  l,453f);   das   ist  die  falsche  minne,    die  der  edelii 
minne   ihr  lob  genommen  hat,   und  darum  schliefst  der  dichter 
mit  den  werten  nieman  sol  mich  fürbaz  vrdgen ;  er  will  von  dem 
ekelhaften  nicht  weiter  reden. 

Die    Strophen    schliefsen   sich    nuu    in    folgender   weise   an 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  81 

einander,  auf  den  natureingang  und  die  klage  über  das  eigene 
misgeschick  in  der  ersten  Strophe  lässt  N.  seiner  gewohnheit 
gemäfs  einen  dialog  folgen,  str.  32,12  — 17  ist  einem  mädchen 
in  den  mund  zu  legen,  die  redende  person  ist  unbezeichnet 
geblieben  wie  10,  32.  18,  4.  19,  37.  24,  13.  sie  freut  sich  des 
frühlings  und  fordert  zu  allgemeiner  freude  auf.  die  widerholung 
desselben  gedankens  in  v.  6  und  16  verhert  durch  diese  roUen- 
verteilung  ihr  auffallendes,  eine  gespielin  antwortet  mit  33,  3 — 8. 
sie  will  von  freude  nichts  wissen ,  klagt  über  das  heimliche  liebes- 
werben  der  mäuner  und  den  verfall  der  guten  sitte.  die  andere 
repliciert,  dass  man  die  männer  nicht  alle  gleich  achten  müsse, 
die  guten  solle  man  lieben,  die  bösen  meiden;  die  untreuen 
liebhaber  wollten  sie  beide  verachten,  hiermit  schliefst  der  dialog 
und  der  dichter  ergreift  wider  das  wort,  er  nimmt  das  thema 
der  mädchen  auf  und  steigert  ihre  klagen,  indem  er  den  männern 
schlimmeres  vorwirft  als  sie  (32, 18 — 23.  36 — 33,  2).  dann  ver- 
lässt  er  das  specielle  thema,  spricht  von  dem  verfall  des  lebeus 
überhaupt  (32,  24 — 29)  und  schliefst  nachdrucksvoll  mit  dem  hin- 
weis  auf  die  Zeitverhältnisse,  von  besonderer  würkung  aber  sind 
die  letzten  worte  und  helibe  der  vride  noch  stcete;  durch  die  un- 
gewöhnliche Satzstellung  treten  sie  kräftig  hervor,  das  war  der 
wünsch,  in  dem  sich  alle  begegneten. 

Ich  habe  jetzt  die  reihen  besprochen ,  an  deren  einheit  Haupt 
zweifelte;  die  jüngeren  stellten  seine  Vermutungen  zuversichtlicher 
hin ,  und  gehen  in  einem  liede  über  ihn  hinaus.  Schmolke  s.  7 
anm.  26  meint,  die  beiden  Strophen  15,  5—20  hiengen  nur  sehr 
locker  mit  den  vorhergehenden  zusammen  und  hätten  betreffenden 
falls  wegbleiben  können.  Meyer  s.  8  möchte  sie  am  liebsten  für 
unecht  erklären,  doch  könnte  N.  sie  in  seinem  alter,  in  dem  er 
zu  lehrhafter  betrachtung  und  höfischer  wortspielerei  mehr  neige, 
auch  wol  hinzugedichtet  haben,  ich  halte  diese  annahmen  für 
unbegründet,  das  lied  14,  4  hat  die  form  des  reihens  und  konnte 
also  zum  tanze  gesungen  werden,  seinem  Inhalt  nach  ist  es  ein 
liebeslied.  eine  aufforderung  zum  tanze  ergeht  in  dem  ganzen 
liede  nicht ;  gleich  die  dritte  zeile  manegem  senedem  herzen  trüren 
ist  benomen  bezeichnet  den  kreis,  in  dem  sich  auch  die  beiden 
letzten  Strophen  halten:  minne  und  spräche  des  minneliedes. 
wenn  N.  in  seinem  alter  mehr  zu  lehrreicher  betrachtung  und 
höfischer  wortspielerei  neigt,  so  ist  doch  nicht  einzusehen,  warum 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.      N.  F.  XVII.  6 


82  ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN 

er,  der  in  einem  seiner  ältesten  lieder  den  höfischen  dichtem 
ihre  reflexionen  über  das  wesen  der  minne  abgeborgl  hat  (9,  13), 
nicht  auch  mit  den  Wörtern  h'ep  und  vriunt  nach  ihrer  weise  ge- 
tändelt haben  soll. 

3.  ich  habe  oben  die  ansieht  geäufsert  dass  N.,  wie  er  im 
volkstümlichen  tanzlied  die  anreguug  zu  seinen  reihen  fand,  so 
auch  mit  seiner  tätigkeit  der  ländlichen  bevölkerung  diente,  bis 
sein  handel  mit  Engelmar  eine  wendung  herbeiführte,  gleich- 
zeitig aber  wies  ich  darauf  hin  dass  er  nicht  mit  allen  liedern, 
die  er  in  reihenform  dichtete,  die  absieht  gehabt  haben  müsse, 
sie  zum  reihen  vorzutragen,  er  behielt  die  beliebte  form  bei, 
auch  wo  er  zunächst  andere  absiebten  verfolgte;  so  in  den  beiden 
auf  der  kreuzfahrt  gesungenen  liedern  (11,  8.  13,  8),  in  dem  ge- 
gedichte,  das  er  Otto  von  Lengenbach  widmete  (29,  27)  und  in 
dem  liede  25,  14,  wo  er  ausdrücklich  erklärt,  nicht  zum  reihen 
singen  zu  können,  noch  in  anderen  gedichten  weist  der  Inhalt 
nicht  auf  den  gebrauch  beim  tanze  hin.  9,  13  und  14,  4,  auch 
29,  27  sind  liebeslieder;  16,  38,  das  gespräch  zwischen  der  mutter 
und  ihrer  betörten  tochter,  33,  15  ein  der  Jugend  gewidmetes  all- 
gemein gehaltenes  frühlingslied,  32,6  der  klagegesang  über  den 
verfall  der  zeit,  und  wol  auch  31,  5,  das  zwar  eine  Schilderung 
des  reihen  enthält,  im  wesentlichen  aber  denselben  character  trägt 
wie  32,  6.  die  drei  letzten  lieder  hat  N.  in  vorgerücktem  alter 
verfasst;  es  gehört  zu  dieser  gruppe  aber  auch  das  lied,  welches 
man  wegen  der  ungewandtheit  in  der  entwickluug  der  gedanken 
für  das  älteste  des  dichters  ansieht.  ^ 

In  anderen  liedern  tritt  die  beziehung  auf  den  reihen  deut- 
lich hervor;  doch  dass  dadurch  noch  nicht  ihre  beslimmung  für 
den  ländlichen  tanz  verbürgt  ist,  zeigen  vier  gedichle  unwider- 
leglich, die  lieder  26,  23  und  28,  36  sprechen  die  offenkundigste 
geringschätzung  des  bauernstandes  aus  und  die  weitgehendste 
nachsieht  gegen  das  spielmannsgevverbe  würde  verse  wie  27,  21  f. 
29,  12  f  nicht  ertragen  haben,  zumal  nicht  von  einem  ritterlichen 
spielmann,  prügel  würden  der  sichere  und  wol  verdiente  dank 
des  gesellen  gewesen  sein,  der  so  schamlos  und  anmafsend  zu- 

*  Meyer  s.  16.  32.  59.  62  f.  100  f.  übrigens  scheint  mir  der  Übergang 
von  der  fünften  zur  sechsten  strophe  so  jäh  und  unvermittelt,  dass  ich  an- 
nehmen möchte,  in  der  Riedegger  hs.,  die  allein  uns  dieses  lied  überliefert, 
sei  nach  10,  3  eine  strophe  ausgefallen,  die  junge  fragte  darin,  was  die 
minne  der  alten  getan  habe. 


ÜBER  NEIDHARTS  REIHEN  83 

gleich  (1er  bäuerlichen  zum  frühlingsfest  versammelten  gesellschaft 
entgegen  getreten  wäre,  in  zwei  anderen  liedern  20,  38  und 
18,41  kommt  die  Verachtung  des  bauernstandes  im  ganzen  nicht 
zum  ausdruck;  aber  der  inhalt  auch  dieser  lieder  ist  der  art,  dass 
es  schwer  zu  glauben  ist,  burschen  und  mädchen  hätten  sich 
beim  gemeinsamen  tanz  daran  ergetzt.  die  gesinnung,  die  N. 
hier  zeigt,  verdient  nach  meinem  Sprachgebrauch  nicht  die  be- 
zeichnuug  frischen  humors  sondern  zuchtloser  frechheit.  er  selbst 
lässt  die  tanze,  die  er  veranstaltete,  als  statten  der  unsittlich- 
keit  erscheinen  und  renommiert  damit,  solche  leistungen  fanden 
ihr  publicum  nicht  in  der  öffeuthchkeit  heiterer  Volksfeste  sondern 
in  den  ritterlichen  wachlstuben ,  deren  insassen  auf  kosten  der 
bauern  nicht  nur  leben  sondern  auch  lachen  wollten,  unter 
diesen  umständen  fragt  es  sich,  ob  nicht  auch  unter  den  anderen 
Hedern  solche  sind,  die  trotz  ihrer  beziehung  auf  den  reihen 
doch  nicht  zum  vortrage  bei  demselben  bestimmt  waren,  so  gut 
wie  gewis  ist  mir  dieses  bei  dem  liede  19,  7;  der  schluss  20,  30f 
verrät  schon  die  geringschätzige  behandlung  der  gesellschaft,  in 
der  N.  sich  sonst  bewegt  hatte,  und  durch  seinen  ganzen  inhalt 
ist  das  gedieht  so  eng  mit  den  beiden  umgebenden  verbunden, 
dass  man  es  nicht  von  ihnen  trennen  darf,  bei  anderen  ist  die 
entscheiduug  weniger  sicher.  23,  36  und  22,  22  fällt  auf  dass 
das  mädchen  so  nachdrücklich  auf  den  ritterlichen  geliebten 
hinweist,  eine  Wendung,  die  vor  jungen  bauern  schwerlich 
wol  angebracht  gewesen  wäre;  in  dem  liede  24,  13  nicht  nur 
dies,  sondern  auch  der  hiuweis  auf  den  zustand  des  mädchens, 
wodurch  das  lied  sich  20,  38  und  18,  4  nähert.2  frei  von  solchen 
aus  dem  inhalt  genommenen  bedenken  bleiben  nur  drei  lieder 
10,  22;  15,  21;  28,  1.    und  nun  ist  wol  zu  beachten  dass  diese 

1  in  diesem  liede  verstehe  ich  nicht  v.  19,2,  falls  strüche  der  imperativ 
des  swv.  stnichen  sein  sollte,  ich  vermute  darin  ein  subst.  =  landstreicherin 
zu  einem  st\ . strücheti  oder  strieche7i,  das  in  altn.  stritt ka  erhalten  ist;  vgl. 
spinne  zu  spinnen,  fliege  zu  fliegen  ua.  es  liegt  nahe  auch  Strauchdieb 
und  Strauchhahn  hierher  zu  ziehen. 

2  die  letzte  strophe  25,  9  halte  ich  übrigens  für  unecht,  diese  prügel- 
scene  greift  in  auffallender  weise  über  den  punct  zurück,  auf  den  der 
dichter  schon  vorher  die  handlung  geführt  hatte;  Meyers  betrachtungen  s.  116 
befriedigen  nicht,  mit  einer  ähnlichen  scene  schliefst  das  in  der  Riedegger 
hs.  nicht  überlieferte,  übrigens  vortrefflich  ausgeführte  lied  9,5.  vgl.  auch 
die  Interpolation  zu  27,  38. 


S4  CßER  NEIDHARTS  REIHEN 

tlrei  lieder  auch  durch  ihren  abschluss  die  würksamste  form  des 
tauzhedes  zeigen,  das  zum  tanz  enteilende  niädchen  spricht  das 
letzte  wort  und  zeigt  die  empündung  und  freudige  erwartung 
auf  ihrem  höhepuncte.  von  den  anderen  liedern  ist  ähnlich  nur 
26,  23;  sonst  entbehren  sie  diesen  characteristischen  zug,  in 
manchen  (19,  7.  22,  38)  weist  eine  breiter  ausgeführte  erzählung 
oder  betrachtung  am  schluss  auf  eine  andere  bestimmung. 

Also  nur  drei  von  den  in  der  Riedegger  hs.  erhaltenen 
reihen  erweisen  sich  als  ihrer  ursprünglichen  bestimmung  treu. 
es  folgt  daraus  nicht  dass  sie  die  ältesten  lieder  sind,  die  N.  ge- 
dichtet hat;  ältere  tanzlieder  können  verloren  sein,  und  ebenso 
früh  wie  zum  tanze  kann  er  dieselbe  form  auch  zu  anderen 
zwecken  gebraucht  haben,  auch  die  annähme  ist  nicht  ausge- 
schlossen, dass  N.  zu  einer  zeit,  wo  er  noch  unter  den  bauern 
verkehrte,  doch  auch  die  gelegenheit  wahrgenommen  habe  vor 
ritterlichen  zuhörern  aufzutreten,  und  dass  er  vor  ihnen  lieder 
gesungen  habe,  die  den  bauern  keine  imterbaltung  gewährt 
hätten,  aber  das  ist  durchaus  nicht  glaublich,  dass  N,,  solange 
er  noch  auf  eine  lohnende  würksamkeit  in  der  ländlichen  be- 
völkerung  rechnete,  gedichte  vorgetragen  habe,  die  sie  offen 
höhnten;  denn  verborgen  konnte  solcher  höhn  nicht  bleiben, 
diese  lieder  also  müssen  wir  nach  aller  Wahrscheinlichkeit  in  die 
zeit  setzen,  da  der  streit  mit  Engelmar  seinem  leben  ein  anderes 
ziel  gesetzt  hatte.  18,  4.  19,  7.  20,  38.  26,  23.  28,  36  sehe  ich 
demnach  für  jünger  an  als  25,  14;  nicht  so  sicher  21,  34.  22,  38. 
24,  13,  denen  sich  16,37  (s.  v.  17,  26)  anschliefsen  würde,  hin- 
gegen sind  die  beiden  kreuzlieder  wegen  v.  12,33  jedesfalls  noch 
in  die  erste  periode  zu  setzen,  und  nichts  hindert  auch  die  beiden 
liebeslieder  9,  13  und  14,4  ihr  zuzuweisen. i  jedesfalls  kommen 
auf  diese  erste  periode  verhältnismäfsig  wenige  lieder  und  die 
zeit  des  ungestörten  Verkehrs  mit  den  bauern  erscheint  als  eine 
kurze,  möglicher  weise  ist  das  nur  ein  durch  mangelhafte  Über- 
lieferung  verursachter   schein;    aber   beachtenswert   ist  dass   die 

*  diese  gruppierung  der  reihen  N.s  stimmt  mit  der  von  Meyer  s.  16 
aufgeslelltcn  reihenfolge  nicht  überein;  doch  glaube  ich  nicht  dass  seine 
auf  die  poetische  form  und  technik  gerichteten  beobachtungen  das  aus  dem 
inlialt  geschöpfte  resultat  als  unrichtig  dartun  werden,  mit  recht  scheint 
miriM.  in  N.s  tätigkcit  auf  die  bliitezeit  eine  periode  des  Verfalls  folgen  zu 
lassen;  und  die  producte  der  abwelkenden  und  unentwickelten  kunst  lassen 
«ach  den  gefundenen  formalen  kriterien  sich  schwerlich  sicher  scheiden. 


ÜBER  .NEIDHARTS  REIHEN  85 

winterlieder  dasselbe  bild  gewähren;  unter  ihnen  sind  die,  welche 
keine  feindseligkeit  gegen  die  bauern  zeigen,  noch  weniger 
zahlreich. 

20  märz  1884.  W.  WILMAIVNS. 

ZUR  FAUSTSAGE. 

1.    Simon   Magus. 

Durch  Wellers   Verzeichnisse   von  Jesuitendramen  Serapeum 
1864  ff  auf  die  reichen  Münchner  scenarien  aufmerksam  gemacht, 
konnte  ich  dank  Laubmanns  oft  bewährter  gute  mehrere  sammel- 
bände  benutzen,     in  dem  Dillinger  schulstück  (Weller  117,  Ser. 
1864  s.  252)  S.  Petrus  triuraphans  Siraonem  Magum,  et  Caesarem 
Neroneni  tragico-comoedia.    Wie  der  Heilige  Petrus  Simonem  den 
ersten  Ketzer  und  Zauberer,  auch  den  Blutgierigen  Kaiser  Neronem 
vherwunden  hob.     Data    in   Theatrum   ab   Universitate  Dilingaua 
Die  —  Octobris  Anno  mdcxxix.    Dilingae.    Operis  Casparis  Sutoris 
6bll.  40  ist  die  neronische  Christenverfolgung  verquickt  mit  Simons 
letzten   Schicksalen:    er  wird   der  neugeborenen  Haeresis   auge- 
traut,   die  Zauberer  müssen  dem  Nero  den  geist  der  ermordeten 
igrippina   beschwören,    Simon    setzt    marmorne   gütterbilder   in 
»ielende  bewegung,   beirrt  das  volk   durch   falsche  lehren   und 
vrbreitung  der  pythagoreischen  metempsychose,  stöfst  mit  Petrus 
af  dem  forum   zusammen ,   wird   al)er  von  der   betörten  menge 
alJuppiter  verehrt,  da  abgehauene  köpfe  ihm  reverenz  bezeigen, 
er  soll   den  geist  von  Neros  vater  beschwören,    und  als  er  das 
niat  vermag,  leistet  es  Petrus,     freihch  gelingt   es  dem  Magus 
dasganze  geschlecht  des  kaisers  aus  der  unterweit  zu  rufen,  doch 
bei  ler  himmelfahrt  wird  er  von  Petrus  und  Paulus,  der  die  ge- 
wöhliche  Statistenrolle  spielt,  vernichtet. 

>imous  gesammte  fata  behandelt  ein  Augsburger  stück,  dessen 
deutshes  argument  in  dem  Münchner  sammelbande  folgt:  Petrus 
wnrf  Fulus  das  ist:  Ein  christliches  Schawspil  vom  Leben,  Wandel, 
Marte.vnd  Todt  zweijer  Fürsten  defs  rechten  vnd  wahren  Glaubens. 
.  .  .  Gialten  und  vorgestellt  von  dem  Äugfpurgischen  Gymnasio 
der  So,  Jesv  den  3.  und  5.  herbstmonat.  Im  Jahr  Christi  1659. 
Gedriici  zu  Augfpnrg ,  bey  Veronica  Aper  gerin  Wittib,  auff  vnfer 
lieben  hwen  Thor.     4  bll.    4«.     im  ersten  act  erscheint  Simon 


86  ZUR  FAUSTSAGE 

als  saniaritanischer  zauberer;  im  zweiten  IriflY  er  unter  Claudius 
in  Rom  ein,  wo  ihm  das  betrogene  volk  göttliche  ehren  er- 
weist und  eine  statue  errichtet;  im  dritten  verheizt  er  den  pöbel 
durch  Zauberstückchen  gegen  die  Christen ;  im  vierten  gibt  er 
sich  für  den  wahren  Christus  aus;  im  fünften  gewinnt  er  Neros 
gunst,  wird  aber  bei  der  himmelfahrt  durch  Petri  gebet  zu 
schänden. 

Ich  erwähne  noch  dass  im  eingang  von  Vondels  Peter  en 
Pauwels  die  geister  des  Simon  und  Elymas  aus  der  hölle  empor- 
steigen; Simon  erzählt  seinen  erdenlauf  und  flucht  den  beiden 
aposteln.  ähnlich  erscheint  in  einem  nachher  mitzuteilenden 
Theophilusscenar  der  verdammte  Faust. 

2.    Cyprianus. 

Dürfen  wir  weitere  aufklärung  über  die  Simonsage  von  der 
publication  einer  bisher  unbekannten  handschrift  der  Acta  Petri 
(vgl.  Lipsius  Apokryphe  aposlelgeschichten  1,40)  hoffen,   so  hat 
die  Cyprianuslegende  durch  ThZahn  Cyprian  von  Antiochien  und 
die  deutsche  Faustsage  1882    eine  klare   analyse   gefunden,     wir 
kennen  nun  die  ausbildung  und  litterarische  ausbreilung.     auch 
Calderous   quellen ,    über    die    noch   Reyschlag    irrige   ansichten 
äufserte ,  sind  klar  gelegt,     und  nach  so  reicher  belehrung  ver- 
zeiht man  dem  verf.  seine  sehr  befangenen  urteile  über  Goethe 
dieser  hat  den  Magico  prodigioso  erst  aus  Einsiedeis  überselzui^ 
kennen  und  bewundern  gelernt  (an  Knebel  17  x  1812  2,  61f 's 
ist  das  süjet  vom  doctor  Faust ,   mit  einer  unglauhliclien  grofshit 
behandelt;  kühl  Knebel  an  Charlotte  Schiller ,  Urlichs  3,  385) 

Die  erste  deutsche  bearbeitung  zeitlich  nach  Calderon  kelie 
ich  nur  aus  dem  titel  eines  Augsburger  scenars ,  das  nicht  diect 
aus  Jesuiten-  oder  anderen  schulkreisen,  sondern  von  dilettalen 
herstammt:  Der  in  die  Justina  verliebte  gottlose  und  durc'  sie 
zum  christlichen  glauben  bekehrte  Cyprianus.  in  Jacober  vostadt 
gelegenem  comödienhauss  von  einigen  theatralischer  Spiel-luslieb- 
habern.  An.  1688  in  Augspurg  auf  die  Schaubühne  gelacht. 
al)er  schon  16  u  1608  in  Graz  haben  die  Patress  ein  Comli  ge- 
halten von  Cipriano  und  Justina  JMeifsner  Die  englischen  i)moe- 
dianlen  s,  78,  87. 

Ein  Zauberer  Cyprianus  auch  in  Schleswig-Holstein,  ^üllen- 
hoff  Sagen  192  (vgl.  zu  Faust  s.  320,  529  ff). 


ZUR  FAUSTSAGE  87 

3.     T  h  e  0  p  h  i  1  u  s. 

Die  litteratur  ist  seit  ESommers  trefflicher  dissertation  De 
Theophili  cum  diabolo  foedere  1844  und  den  publicationen  Hoff- 
manus  vF  1853  gerade  in  den  letzten  jähren  ungemein  ange- 
schwollen: Rölbing  Beitr.  zur  vergleichenden  geschichte  der 
romantischen  poesie  und  prosa  des  mittelalters  s.  1  ff  und  Eng- 
lische Studien  1,  16  ff,  Ludorff  Anglia  vii  heft  1;  Zs.  für  roma- 
nische Philologie  2,  246  ff.  523  ff;  Radewins  gedieht  ed.  WMeyer 
Münchner  academie  1873;  Verdam  Theophilus,  middelnederlandsch 
gedieht  der  XIV  euuw  1S82;  KSass  Über  das  hssverhältuis  des  nd. 
Spiels  von  Theophilus  Elmshorn  1879  (dagegen  Lambel  Germ. 
26,  370  ff),     zwei  jesuitenslücke  verdienen  mitgeteilt  zu  werden. 

Summarischer  Inhalt  der  Comoedien  üoh  Theophilo  der  Kirchen 
in  Cilicia  Vicario;  wellicher  sich  wegen  schnöden  Ehrgeitzs  dem 
laydigen  Sathan  mit  eignem  Blut  verschriben ;  aber  durch  Hilff  der 
Seeligisten  Mutter  Gottes  Marice  dieses  bluetige  verschreiben  wider 
erobert,  vnd  von  der  ewigen  Straff  erhalten  worden.  Gehalten  zu 
Ingolstatt,  inn  dem  Academischen  Gymnasio  der  Societet  Jesv  den 
[freigelassen]  Octobris  Anno  1621.  [siegel.]  Gedruckt  zu  Ingol- 
statt, bey  Gregori  tiänlin.     1  bll.    4'*. 

Das    erste  blatt  bietet   eine  dürre  Synopsis  der  Histori  von 

Theophilo,   so   beschriben   wirdt  von    Vinc.    Beluac.    lib.  21    c.  69 

vnd  70  (dh.  der  dürftige  auszug  aus  Paulus  Diaconus  im  Speculum 

bistoriale   des   Vincentius    Bellovacensis).      nach   dem   proludium 

chreibe    ich    nur    den    deutschen    teil    als    drastischer    und    an 

iiehreren  stellen  ausführlicher  ab. 

Proludium  actionis. 

Maxafat  in  persona  Eremitae,  Juuenis,  et  Cacodaemonis  varias, 
qibus  homines  illaqneat  orcus,  pedicas  enumerat. 

Maxafat  in  der  Person  eines  alten  Einsidlers ,  eines  wol- 
gebtzten  Jünglings,  vnd  defs  Teufels  erzehlt  etliche  lüst ,  mit 
wehen  der  Teufel  die  Menschen  in  sein  Netz  jagt. 

Prologus. 

'ompendiosa  totius  Historiae  narratio, 

'in  kurtzer  vnnd  Summarischer  Inhalt   der  gantzen  Histori. 


88  ZUR  FAUSTSAGE 

Actus  primus. 
Sceua  I. 
Drey  Geistliche  Athanasins,  Arsenius,  vnd  Procopiiis  mit  sambt 
2.  Hofherreti  Carolo  vnd  Maxaemiliano  beklagen  vnd  bereden  sich 
von  defs  verstorbnen  Bischoffs  Todt. 

Scena  ii. 

Sosia,  Damis  vnnd  Dromus  defs  verstorbnen  Bischoffs  Diener, 
sem  lustig  vnd  guter  ding,  weil  jhr  Herr  mit  Todt  abgangen. 

Scena  iii. 
Theopompus  vnnd  Marianus  Hofherren  verwundern  sich  höch- 
lich ab  der  Demnth  Theophili,   welcher  das  jhme   angetragne  Bis- 
tumb  abschluege. 

Sceoa  IV. 
Theophilus  an/'s  groffer  Demnth  macht  sich  vnd  seine  Tugendten 
ring  vnd  schlecht,  von  deren  wegen  er  Bischoff  hette  sollen  werden. 
Wirdt  in  dieser  Demuth  von  seinem  Schutzengel  gelobt  vnd  gesterckt. 

Scena  v. 

Die  Uoffart  sambt  anderen  Lastern  aufs  Ha/s  vnnd  Neydt 
gegen  der  Demuth  defs  Theophili,  trowen  dem  Theophilo  mit 
allerlei/  Gefahr,  vnd  bösen  Zustandt. 

[Superbia,  Volnptas,  Hypocrisis,  Inuidia,  Philautia,  Ira  in 
Theophili  coniurant  interitum.] 

Actus  Secundus. 
Scena  i. 
Sosia  jetzt  ein  Diener  Theophili  beklagt  sich  höchlich  ab  dei 
Haufsmaister  einem  kargen  vnnd  sauren  Mann.  Disen  weißt  r 
auch  höflich  ab  dem  Theatro,  vnd  macht  sich  vber  den  Mesirr, 
vnd  raubt  jme  mit  lüst  Kuchen  und  Teller,  [inde  ut  sitim  et  fan^m 
seilet,  Aeditiii  compilat  penuaria.] 

Scena  ii. 
Die   Hoffart    vnd  andere   Laster   erzürnen   sich  heffiig  jber 
die    Beständigkeit    Theophili,    vnnd   muntern    sich    au  ff  zu  wei- 
terem Streit. 


ZUR  FAUSTSAGE  89 

Scena  irr. 
Theophibis  empfiticU  allerlei)  schwere  anfechtung ,  vnd  weil  er 
tut  genug  widerstehn  kundte,  fiele  er  in  ein  schwere  Traurigkeit, 
welche  jme  der  Wollust   mit  lieblicher  Mnsic,   und  Saiterispil  zu- 
benemmen  vndersteht. 

Scena  iv. 

Damianus  vnnd  Albertus  erzehlen,  wafstnafsen  sie  den  Theo- 
philum  bofshafftig  verkleinert  haben ,  richten  sich  auch  auff  andere 
Puebenstück ,   mit  welchen  sie  jhne  gar  stürtzen  möchten. 

Scena  v. 
Die  Bauren  mit  jhrer  Steur  vnd  Zehent,   welchen  sie  Theo- 
philo  brachten  wurden  von  Damiano  auff  gefangen :  diser  gibt  sich 
für  Theophilum  aufs,  redt  sie  rauch  an,  vnd  trowetjhnen,  wegen 
jhrer  Bofsheit,  vnd  Diebstahl,  deren  er  sie  fälschlich  bezüchtet. 

Scena  vi. 
Die  Bauren  bewainen  jhr  vnschuldt,  vnd  Theophili  Tyranney. 
Wird  jhnen  von  Damiani  Diener  Dorione  gerahten ,  sie  sollen  bey 
dem  Bischoff  sich  schrifftlich  dessen  klagen. 

Actus  Tertius. 

Scena  i. 
Der  Bischoff  mit  seinen  Ruthen  fälschlich  beredt,  vnd  hinder- 
gangen,   ist   bedacht  Theophilum   von    seinem   Ampt  zuuerstoffen, 
welches  er  nach  angehörter  der  Bauren  klag  würklich  gethon. 

Scena  ii. 

Theophilus  seines  gewalts  vnd  dienst  entsetzt,  trowet  seilten 
Müfsgünnern  vnd  Anklägern.  Wir  dt  von  dem  Zorn,  Neidt  vnd 
aigner  Lieb  vast  entzündt.  [cui  Ira,  Philautia,  et  Inuidia  faces 
admouent.] 

Scena  in. 

Dario  kompt  mit  der  Bauren  schanckungen  auff  den  Marckt, 
büt  sie  fail.  Der  Mesner  vermaint  er  sey  Sosia,  der  jhme  vn- 
lengst  abgetragen ,  fallt  jhn  an,  vnd  dufslet  in  wol  ab,  Dorio 
wufste  nichts  vmb  die  sach,  wörht  sich  so  gut  er  kan;  bifs  letz- 
lich  die  Schörgen  zugeloffen,  vnd  baide  gefäncklich  eingezogen. 


90  ZUR    FAUSTSAGE 

Actus  Quartus. 
Scena  i. 
Ein  Chaldeer  oder  Zauberer  berümbt  sich  seiner  Ki'msten;  last 
auch  etliche  stücklein  sehen,   sonderlich   im  wahr   sagen  vnd  Pla- 
neten lesen. 

Scena  ii. 

Der  Zauberer  verblendet  die  Leüt  mit  abentheurischen  Spiegel- 
fechtnngen. 

Scena  iii. 

Theophilus  verwirfft  die  rhät  Theopompi  vnnd  Mariani,  be- 
scJilenfst  Heyl,  vnd  Ehr  von  dem  Zauberer  vnd  dem  Teuffei  zu- 
begeren. 

Scena  iv. 

Theophilus  verschreibt  sich  mit  aignem  Bluet  dem  bösen  Geist, 
welcher  jm  zu  vorigen  Würden  zuhelffen  verspricht. 

Scena  v. 
Die  Eoffart   sambt  anderen  Lastern  triumphiert  wegen  de/s 
erlangten  Sigs  wider  den  Theophilum. 

Scena  vi. 
Der  Bischoff  mit  seinen  Ruhten  nach  rechtem   Verstandt  der 
Sachen,   setzt  Theophilum,  widerumb   in  seine  vorige  Würden  ein. 

Scena  vii. 
Damianus   vnd  Albertus   erschricken  ab  der  glücklichen  Pro- 
molion  Theophili,   besorgen  sich  es  möchte  jhre  Verkleinerung  an 
Tag  kommen,  vnnd  jhnen  vbel  belohnt  werden. 

Scena  vin. 
Theophilus  nun   mehr  wider  eingestelter  Vicarius  troet  seinen 
Feinden,  vnd  nimbt  jhm  für,  forthin  in  Wollüsten  zuleben. 

Actus  Quiutus. 
Scena  i. 
Das  Gewissen   beklagt    den   bösen  Standt  Theophili,   verheifst 
auch  müglichen  flei/'s  Theophilum  dem   ewigen   Verderben  zu  ent- 
ziechen. 


ZUR  FAUSTSAGE  91 

Scena  n. 
Der   Schutzengel,    [cum   Virtutum    quaterniooe]    Keuschheit, 
Demuth,  Sanfftmütigkeit ,  vnd  Liebe  Gottes  trauren  vber  jr  Elend, 
in  welches  sie  von  Theophilo   veriagt  worden. 

Scena  iii. 
Das  Gewissen   in  fürweisung  der  höllischen  Peynen   vnd  der 
Ewigkeit  schreckt  den  Theophilum  von  dem  Weg  der  Laster  ab. 

Scena  iv. 
Astaroth   ein  Fürst   der  Teufel  streitet  mit   dem  Schutzengel 
vmb  Theophilum. 

Scena  v. 

Theophilus  heget  t  an  den  Zatiberer  die  hlnetige  Verschreibung, 
dessen  sich  der  Zauberer  gewaigert. 

Scena  vi. 
Der  Schutzengel  heifst  Theophilum  von  Maria  hilff  begehren  : 
von  welchen  jhn  Astaroth   mit  grimmigen  Trowungen   abschrecket. 
Theophilus  aber  fleucht  zu  der  angedeuten  Hilff  der  Mutter  Gottes. 

Scena  vii. 
Die   Seeligste  Jungefraw   erhöret    Theophilum,   gibt  jhme   die 
hluetige  Handschrift,  vnnd  erfrewet  Theophilum;  welcher  jhr  grofses 
Lob  vnd  Danck  sagt. 

Scena  viii. 

oder 

Beschlufs  der  Comoedi. 

Faustus  et  Scotus  Magi  in  niedio  flammarum  aequalis  pene 
sceleris  inaequalem  lamentantur  exitum. 

Faustus  vnd  Scotus  beriembte  Zauberer  in  einer  Feiorigen 
Hole  bewainen  jhr  Elend,  dieweil  sie  gleichs  Laster  der  Zauberey 
mit  vngleicher  Straff  bezahlen  müssen,  vnd  in  aller  ewigkeit  nit 
abzalen  werden. 

Das  Personenverzeichnis  bl.  B3  umfasst  fünfzig  namen.  fast 
alle  allegorischen  partien  sind  adeligen  zugeteilt. 

Maria  Die  Himmels-Thür  durch  welche  Theophilus  Der  Statt 
Adana  in  Cilicia  Verwalter  in  die  ewige  Seeligkeit  eingangen  [folgt 
Widmung :  vier  ratsherren]  Als  Freigebigen ,  Grofsgünstigen  Herrn 
Premiatoribus  zu  Ehren,  der  Jugend  zu  Nutz,  vnd  männigklich 


92  ZUR  FAUSTSAGE 

zu  Trost  gehalten  Von  dem  LöbL  Gymnasio  der  Societet  Jesu  In 
gemelter  Churfürstl.  Hauptstatt  Straubing,  den  6.  Septem!).  1655. 
[siege!.]    Gedruckt  zu  Straubing,  bey  Simon  Haan.    4  bll.    40. 

Auf  (las  dürftige  arguraeut  und  den  auszug  aus  dem  prolog 
zu  e!iren  Marias  folgt  das  scenar;  alles  nur  in  deutsclier  spraclie: 

PARS  I. 

Marice  Diener  T!ieop!iiIus  der  vnschuldige  wird  seines 

Ambts  entsetzt. 

Scena  i. 
Eusel)ius  der  newe  an  statt  Tlieop!iili  geweichte  Bischoff  zu 
Abdai  a   lobet  fast   die  Trew   vnd  Verdienst  T!ieop!iili ,    thnt  jhme 
öffentliche  Ehr  an,   vnnd  ermahnt  selbigen  er  solle  fortfahren  so 
lool  den  Hoff  als  die  Kirchengüter  znuerwalten. 

Scena  n. 
Dafs  Geschrei)  ruefft  das  grofs  Glück  Tlieopliili  aufs,  xoelches 
vil  verehren ,  vnd  deme  folgen ,  \c eil  sie  sehen  ivie  glückseelig  Theo- 
pliilus  seye;  der  liebliche  icind  Zephyvus  erhebt  sich  von  der  Er d, 
tceissagt,  schön  Wetter  soll  man  zu  Abend  loben,  dise  Fremd  werd 
baldt  guet  Nacht  nemmen,  vnnd  von  gefährlichen  Sturmwinden  be- 
stritten werden. 

Scena  iii. 

Der  Neydt  kau  nit  verkochen  den  Wollstand  Tlieopliili,  darumb 
er  mit  seinen  Gesellen ,  dem  Ehrgeitz  vnd  Lugen ,  gedenckt  an  dem 
Hoff  EyisehV]  ein  Feivr  anzublasen,  darmit  wider  Theoplülum  ein 
Mifsgunst  zuerwecken.  Welches  in  deine  die  Warheit  zubesehen, 
vnd  zuverhindern  begehrt ,  springen  jhr  die  Kohlen  in  das  Gesicht, 
wird  vom  Hoff  vnbillicher  weifs  verstofsen. 

Sceua  IV. 
Weiln  Tlieopliilo  vil  mehrers   am  Zehenden   als  andere  Jahr 
neben  etlichen   Verehrungen   geliffert   wird,  nimbt  der  Neyd  aufs 
disem  Gelegenheit  Theopliilo  bey  Euse!)io  ein  Noten  zustechen,  vnd 
jhn  der  Vntrew  wegen  anzuklagen. 

Scena  v. 

Die  Knecht  eines  Hoffverwalters ,  weil  ein  Scheint  voll  Traidts 
gehling  im  Rauch  au  ff  gangen,  erzehlen  sie  bey  Hoff  das  Vnglück, 
von  welcher  Brunst  der  Newd  ein  gro/'ses  Fewr  wider  Tlieop!ii!um 
erwecket. 


ZUR  FAUSTSAGE  93 

Sceua  VI. 
Philotimus    ein  Feindt   Theophili   last  durch  falsche    anklag 
nit  nach,   bifs  Theopbilus  öffentlich   seines  Ambts ,    vnd  Ehr  ent- 
setzt wird. 

Scena  vii. 

Dafs  Geschray  ruefft  das  Volck  zusamb,  verkündiget  dafs  Theo- 
pbilus seiner  Ehren  entsetzt,  darob  sich  jederman  verwundert,  der 
Neid,  vnd  die  Lug  gehen  mit  Fremden  in  die  Hall,  die  Warheit 
verhofft  nach  erkannter  Vnschuld  Theophili  bey  Hoff  auch  wider 
ein  Orth  zufindeu. 

Chorus. 

Das  Glück  Theophili  so  am  Hoff  ein  Schiffbruch  erlitten,  ver- 
nimbt  aufs  vnderschidlichen  Darstellungen  dass  niemandt  so  Glück- 
seelig  ist  in  dieser  Welt,  so  nit  der  Müheseeligkeit  vnderworffen  ist. 

PARS  II. 

Marioe  Feindt  Theophilus  der  Ehrgeitzige  erhalt  sein 

voriges  Ambt. 

Scena  i. 
Die  Ehr  macht  dem  trawrigen  Theophilo  gut  Hertz ,  er  werde 
widerumb  in  den  vorigen  Standt  gesetzt  werden,  wann  er  sich  ihrer 
Gefährten,  der  Gunst  vnd  Glückseligkeit  bedienen  werde,  treibt  auch 
jhn  an  alles  zur  erhaltung  der  Ehr  zuwagen. 

Scena  n. 
In  dem  Theophili  Verstandt  durch  die  Ehrsucht  verfinstert, 
in  der  Schafs  der  Ehren  entschlaffen  allerley  Sachen  sihet,  ruefft 
die  Ehr  etliche  höllische  Nachtgeister ,  welche  mit  jren  Facklen  mehr 
die  Lieb  zur  Ehr  in  Theophilo  sollen  anzünden,  vnd  zu  allem 
bösen  vorleuchten. 

Scena  in. 

Alfs  Theophilus  erwacht  in  disen  Finsternussen  nit  waifs  wo 
aus,  fragt  er  Gelam  seinen  Diener  wie  jhnie  aufs  disem  Elend 
zuhelffen,  welcher  jhn  beredt  bey  dem  vornemmen  Zauberer  Gorgia 
vmb  Hilff  anzuhalten,  deme  auch  Theophilus  gefolgt. 

Scena  iv. 
Genius  Theophili  bemühet   sich  die  Finsternufs  zuvertreiben, 
schicket  Eulych'iamim  nach  Hoff  dem  Bischoff  von  Theophilo  gründt- 
lichen  Nachricht  zugeben. 


94  ZUR  FAUSTSAGE 

Scena  v. 
Weil  dann  bey  Theophilo  die  gute  Einsprechungen  nichts  ver- 
mocht, geht  er  widerumb  zu  dem  Zauberer,  welcher  den  laydigen 
Feindt  aufs  der  Höll  beschwöret,  deme  dann  Theophilus  sich  mit 
seinem  Blut  verschreibt,  Gott  vnnd  Mariam  verlaugnet,  darob  die 
gantze  Höll  sich  erfrewet. 

Scena  vi. 
Ein  erfahrner  Sternseher  vermerckt  dass  der  Mond  am  Himmel 
(durch  welchen  Maria  verstanden  wird)  ein  Mackel  (welche  Theo- 
philum  bedeut)  habe.  Maria,  gleich  wie  die  Evangelische  Fraw 
Lucae  15.  bemühet  sich  mit  den  himmlischen  Geferten  den  ver- 
lohrnen  Groschen  allenthalben  zusuchen. 

Scena  vii. 
Theophilus  xcird  nach  empfangetmn  gründlichen  Bericht  wi- 
derumb zu  Gnaden  an  vnd  auffgenommen  vnd  dem  gantzen  Rath 
der  Statt  Adana  vnschuldig  erklärt. 

Scena  viii. 
Dafs  Geschrey  verkündiget  solches  mit  großen  vnwillen  seiner 
Feinden  jederman. 

Scena  ix. 
Die  Ehr  mit  jhren  Gefährten  sampt  dem  gantzen  Volck  führt 
Theophilum  mit  grofsem  Jubel  vnd  Frewd  wider  nach  Hoff. 

Scena  x. 
Deme  folgen  drey  so  der  Freyheit  nachjagen  adeliche  Jüngling, 
in  meynung  solche  bey  Hoff  zuerhalten. 

Scena  xi. 
Das  Gwissen  macht  Theophilo  angst,  rufft  auch  Maria  durch 
ein  herwiderhallende  Stimme,  das  Theophilus  zur  Bufs  greiffe. 

Chorus. 
Weil  dann  die  Seel  Theophili  mit  der  Forcht  defs  Todts  vnd 
ängsten  der  Höllen  vmbgeben  sich  vbel  befind,  wollen  jhr  die  5.  Sitm 
solche  Trawrigkeit  vertreiben,  werden  aber  von  Maria  vertriben, 
vnd  wird  von  den  himmlischen  Gefehrten  Mariae,  Theophilo  em 
zerknirschtes  Hertz  zur  Bufs  zuberaithet. 


ZUR  FAUSTSAGE  95 

PARS  III. 
MaricB  Sohn  Theophilus  der  Biefsende  wird  zur  Gnad,  vnnd 
*         ewigen  Frewd  auffgenommen. 

Scena  i. 
Gorgias   der  Zauberer   wil   von  Eutychiano   erforschen   was 
Theophilus  thne,  weil  er  sich  seiner  nicht  mehr  achtet. 

Scena  ii. 
Der  Diener  Theophili   kombt  dem  Zauberer  vber  sein  Buch, 
in  welchem  da  er  aufs  Fürwitz  list,   sihet  er  seltzame  Gspenster, 
werden   auch   andere  Sachen  jhme  von  dem  Zauberer  gezaigt,   ob 
denen  er  sich  verwundert. 

Scena  iii. 

Maria  haltet  bey  ihrem  Sohn  vmb  Theophiium  öm,  dafs  Gott 
solchen  durch  sein  Gnad  wider  zur  Buefs  erwecke,  vnd  erhaltet 
solches  hegeren. 

Scena  iv. 

Theophilus  gantz  ängstig,  entschliest  sich  bey  der  Gnadens- 
porten  Maria  vmb  Gnad  anzuklopfen,  welche  jhme  Hilff  verspricht, 
wann  er  zuuor  werde  dem  Satan  absagen,  vnd  Gott  widerumb  be- 
kennen, Theophikis  setzt  difs  mit  grofser  Beretoung  in  das  Werck 
wird  darumb  dass  Gnadenkleid  dessen  Seel  von  Himmel  geschickt, 
vnd  erfrewt  sich  Maria  wegeti  defs  gefundnen  Groschens. 

Scena  v. 
Daß  Hertz  Theophili  toird   vom  höllischen  Gicalt  starck  an- 
gefochten,   wird   aber   durch   Beystandt   Mariae    der   Feind  abge- 
triben. 

Scena  vi. 

Maria  erzwingt  von  dem  laydigen  Satan  deyi  mit  Theophili 
Bluet  geschribnen,  vnnd  eingehändigten  Zettl ,  welchen  die  H.  Jung- 
fraw  Theophilo  widerumb  gibt. 

Scena  vii. 
Zur  Verkündigung  der  grofsen  Barmhertzigkeit  Gottes,  be- 
kennt Theoph.  vor  mennigklich  sein  begangen  Schuld  vnd  von  Gott 
durch  Mariam  erhaltne  Gnad,  darumb  dafs  gantze  Volck  Gott  vnd 
Mariain  freidlich  lobt.  Verbrennt  auch  Theophilus  den  empfang- 
nen  Zettl. 


96  ZUR  FAUSTSAGE 

Scena  viii. 
Etliche  Nachtgeister  durchsuchen  den  Aschen   vermeynend    ein 
FinckUin  zufinden,   vnd  in  Theophilo  ein  newes  Fewr   zur  alten 
Bofsheit  zuerwecken,  werden  aber  durch  Mariam  verjagt. 

Scena  ix. 
Eulychianus  rnfft  den  Bischoff  zu  dem  Todt  Theophili,  welcher 
jhme  zuspricht,  geht  also  die  Seel  aufs  dem  Leib  durch  die  Himmels- 
porten Mariam  ein,  in  die  ewige  Seeligkeit. 

Epilogus. 

Darumh  dann  die  Engel  sich  erfrewen,  dafs  der  verlohnte 
Sünder  Tlieophilus  durch  die  Bufs  wider  gefunden  dass  ewig  Leben 
noch  erhalten  hat.  Es  erfrewet  sich  auch  zum  Beschlufs  die  Jugend, 
weilen  derselbigen  aufs  grofser  Freygebigkeit  der  Edlen,  Vesten, 
4.  Herrn  Burgermaistern  diser  Hauptstatt  schöne  Proemia  aufs- 
gethaill  werden,  für  welche  nach  Schädiger  Dancksagang  die  Action 
7iimbt  das  Ende.         .     .    . 

Folgt  das  Verzeichnis  der  rollen  und  der  spieler;  es  sind 
hundertundvierzig. 

In  keinem  zusamme  ihang  mit  der  Theophiluslegende  bieht  das 
doppelsprachige  Münchner  librelto  (Weller  199,  Serapeum  1864 
s.  335):  Theophilus  seu  charitas  hominis  in  Deum.  Cantato  dra- 
mate  in  scenam  datus  a  juuentule  Electoralis  Gymnasij  Mouachij. 
4.  et  9.  Septemb,  Anno  m.dc.xlui.  . , .  Getruckt  zu  München,  bei/ 
Cornelij  Leyserij  Erben,  14  hll.  4^,  eine  lyrisch-allegorische  ver- 
herlichung  der  liebe  zu  golt  nach  ihren  verschiedenen  phasen 
und  äufserungeu,  ohne  jeden  greifbaren  dramatischen  inhalt. 

Wenn  aber  das  Straubinger  spiel  durch  die  parodistische 
dienerscene  3,  2  an  eine  bekannte  Hanswurstscene  der  Faustspiele 
erinnert,  so  werden  wir  an  Fausts  Helena  gemahnt  durch  eine 
stelle  in  dem,  sonst  für  unsere  zwecke  gleichgilligen  Burghäuser 
sceuar  (Weller  532,  Ser.  1865  s.  349),  wo  Theophilus  widerum 
allgemein  einen  gottseligen  menschen  bedeutet:  Theophilus  in 
conflictu  triplici,  contra  Mundum,  Carnem  et  Orcum,  bellator  et 
Victor  ....  Fürgestellt  von  der  studirenden  Jugend  defs  Chur-Ffirstl. 
Gymnasij  der  Societet  Jesv  zu  Burghausen ,  den  3.  vnd  5.  5e;;- 
tember,  1675.  Getruckt  in  der  Churfürsll.  Haupt-  und  Residentz- 
Statt  München,   bey   Sebastian  Rauch.     4  bll.    4*^;   zweisprachig. 


ZUR  FAUSTSAGE  97 

dies  echte  Schaustück  jesuitischer  theaterkunst,  die  mit  lebenden 
bildern  und  im  schlussact  mit  grofsen  teufelscenen  arbeitet,  hat 
als  2,  3  die  Welt  kommet  mit  einem  andey^en  eitlen  Schauspihl 
her  für;  nemlich  mit  Cleopatra  Königin  in  Egypten,  aber  Tlieo- 
philus  mercket  den  Betrug,  vnnd  fliehet. 

4.    Helena. 

Zur  ergänzung  und  auch  berichtigung  meiner  eiligen,  aus 
WMenzel  geschöpften  bemerkung  Goethe-jahrb.  3,  122  gebe  ich, 
durch  FSpengler  mit  einem  weitläufigen  genauen  auszug  be- 
schenkt, eine  knappe  Übersicht  über  Johann  Joseph  Beckhen 
gekröhnten  Poetens  Schauplatz  des  Gewisseti s  Mine  i echte 
Voi Stellung  eines  von  Anfang  Weltliebetiden,  hernach  von  einem 
bösen  Gewissen  höchst  Überfallenen,  letzlich  aber  wieder  bekehrten 
Menschens.  In  einen  Schauplatz  oder  Comödi  gestellt  vnd  zv 
sonderbahrer  Aufferbauung  hervor  gegeben.  Drefsden  in  Verlegung 
Christian  Bergens  gedruckt  in  Seyfferts  Druckerei/  1666. 

Der  held  Cosmophilus  wendet  sich  von  der  tugend ,  die  ihm 
kein  glück  gebracht,  dem  lotterieben  zu.  unwillig  weist  er  den 
ersten  krämer  Theophilus,  der  den  guten  engel  Fausts  vertritt, 
hinaus;  dieser  schenkt  ihm  ein  buch,  der  böse  krämer  Falsarius 
bietet  ihm  einen  alle  weltgüter  spendenden  ring  mit  einem  Spi- 
ritus familiaris,  einen  die  zukuuft  zeigenden  krystall,  unfehlbare 
Würfel  und  karten;  Cosmophilus,  dem  für  jenes  fromme  buch 
zwei  thaler  zu  viel  waren,  zahlt  willig  zwanzig  ducaten.  er 
schlemmt  und  buhlt  einem  Prodigus  gleich  mit  Cosmus  und 
Amantia  1,  2,  entfernt  sich  zeitweise  von  einem  gelage  1,  3  um 
die  von  Falsarius  erkauften  schätze  zu  probieren ,  kehrt  mit  gold 
beladen  zurück  und  lässt  in  uachahmung  des  Faust  den  spirilus 
familiaris  fruchte  aus  Italien  holen,  während  des  spiels  ersticht 
er  den  lästigen  warner  Theophilus.  er  schläft  ein;  der  erzengel 
Michael  kommt  und  singt  eine  klägliche  aria.  der  erwachende 
held  schlägt  sich  die  schweren  träume  als  schäume  aus  dem  sinn 
und  verlangt  wider  nach  Amantia.  da  er  die  genossen  nicht 
findet,  will  er  an  sie  schreiben  1,4,  aber  der  geist  des  erschlagenen 
Theophilus  entreifst  ihm  das  papier,  nochmals  zur  umkehr  mah- 
nend, worauf  vier  freunde  des  toten  den  mörder  ins  gefänguis 
holen.  1,  5  Cosmophilus  im  kerker  klagt  über  den  schwund 
seiner  schätze  und  den  betrüger  Falsarius.  Lucifer  erscheint 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  7 


98  ZUR  FAUSTSAGE 

und  verhelfst  ihm  rettung,  falls  er  sein  leiheigener  werde,  hier 
habt  jhr  pappier  und  feder,  unterschreibt  es  mit  eurem  blute,  der 
höllenfürst  verscheucht  die  Wächter  und  geleitet  sein  opfer  un- 
sichtbar durch  die  Stadt. 

2,  1  Cosniophilus  von  angst  gefoltert  allein  im  finstern  wald, 
ihm  erscheint  —  man  denke  wider  an  den  verlorenen  söhn  der 
englischen  comödianten  —  die  verzweifelnde,  sich  zerfleischende 
Conscientia  als  Spiegelbild  seines  inneren,  dann  aber  erweckt 
die  erscheinung  der  schönen  Helena  seine  mafslose  bewunderung, 
doch  will  er  ihre  frage,  ob  er  Lucifers  leibeigener  sei,  nicht 
bejahen.  Helena  tröstet,  er  werde  in  der  hölle  grofse  und  vor- 
nehme gesellschaft  finden,  und  zeigt  ihm  die  hölle  mit  allen  ab- 
leilungen  von  ferne,  er  ruft  ach  herr  Jesus,  erlarme  dich  meiner. 
bei  dem  worte  Jesus  lässt  Helena  die  schrift,  die  sie  in  bänden 
hält,  also  den  blutpact,  fallen  und  verschwindet,  2,  2  auf  dem 
veränderten  Schauplatz  liält  Michael  dem  beiden  seine  Sünden 
vor.  aus  dem  himmel  ertönt  Christi  ruf  ihr  Menschenkinder ,  wie 
oft  hetiziget  ihr  mich  aufs  neue?  den  ohnmächtigen  Cosnio- 
philus weckt  Michael  durch  die  mahnung  bekehre  dich  und  ver- 
zweifle nicht  an  der  gnade  gottes.  aber  Cosmophilus,  allein  ge- 
lassen ,  verzweifelt.  2,  3  widerum  wird  er  vom  geiste  des  Theo- 
philus  verfolgt.  Atropos,  schon  in  1,3  zugegen,  kommt  als 
gerippe,  einen  totenkopf  in  der  band,  und  sagt  ihm  für  morgen 
um  mitternacht  sein  stündlein  an.  auch  dies  faustisch.  Cosmus 
bringt  einen  topf  seifenwasser ,  lässt  grofse  und  kleine  blasen 
steigen  und  deutet  diesen  so  flüchtigen  Schimmer  auf  die  guter 
dieser  weit.  Amantia  —  in  deren  busen  schlangenköpfe  heraus 
sehen!  —  trägt  eine  Schachtel  voll  zucker  und  interpretiert  ihrem 
galan  die  sinnliche  liebe,  er  stöhnt  o  hätte  ich  euch  nimmer  ge- 
sehen. Conscientia  erscheint  mit  Spiegel  und  rad.  sie  ist  der 
wurm ,  der  sich  selbst  benagt,  im  Spiegel  schaue  er  seine  misse- 
tal;  das  rad  bedeute  die  ewige  peiu,  der  er  verfallen  sei.  ürcus 
kommt  und  zeigt  ihm  das  höllentor;  Lucifer  werde  die  handschrift 
fordern  und  die  höllenpforte  stehe  ihm  schon  oflen.  zuletzt  naht 
der  wahre  freund  Christophorus  und  tröstet  den  Cosmophilus,  der 
sich  wie  ehemals  wider  Cbrislophilus  nennen  soll,  so  heifst  er 
auch  von  nun  an  in  dem  stück ,  das  im  vorigen  und  folgenden 
sichtlich  in  das  fahrvvasser  der  Everymangruppe  einlenkt.  2,  4 
er  fühlt  sein  ende  nahen  und  beauftragt  Christophorus  seine  guter 


ZUR  FAUSTSAGE  99 

unter  die  armen  zu  verteilen,  dass  er  einen  ring  behalten  will, 
wird  von  dem  freund  als  nachwürkung  des  geizteufels  gerügt, 
er  soll  sich  aller  guter  entäufsern.  Cosmophilus  damnatus 
es  ertönt  es  zweimal  und  nach  einem  kurzen  Wortwechsel  zwi- 
schen dem  erschrockenen  Christophilus  und  dem  tröster  Christo- 
phorus  ein  drittes  mal ,  aber  die  höUenstimme  hat  nicht  die  macht 
wie  das  himmlische  endurteil  im  vorbildlichen  Faustdrama,  die 
beiden  männer  sprechen  ein  strophisches  gebet,  dazwischen  wird 
gedonnert,  geblitzt,  auch  gerufen  verdamt!  verdamt! 

3,  1  Lucifer  und  Michael  streiten  über  gottes  gerechtigkeit 
und  behandeln  so  ein  lieblingsthema  des  älteren  dramas,  den 
kämpf  zwischen  himmel  und  hölle.  3,2  ist  ein  schwacher,  lang- 
weiliger nachklang  genialer  scenen  des  Naogeorgschen  Mercator, 
also  des  bedeutendsten  Everymanstückes.  die  ungemein  breite 
behandlung  des  theologischen  Streites  zeigt,  worauf  Beckh  den 
hauptwert  legte.  Christophilus,  sterbend,  schickt  den  freund 
nach  priestern.  während  er,  allein  gelassen  in  der  schlaf kammer, 
betet,  lauffen  Sund,  Todt ,  Höll,  Teuffei  und  Welt  mit  grofsem 
gesause  und  gerassei  durch  die  kammer.  Chrislophorus  bringt  vier 
priester,  deren  jeder  in  der  folgenden  grofsen  disputation  einen 
bestimmten  theologischen  standpunct  verficht,  während  Chrislo- 
phorus ihnen  überlegen  widerpart  hält,  seine  theologie  gipfelt 
in  der  rechten  gnadenlehre,  dann  kommt  der  teufel  und  erklärt, 
Christophilus  habe  durch  übergrofse  Sünden  die  Seligkeit  ver- 
würkt.  Christophorus  erwidert,  Christus  habe  für  ihn  bezahlt, 
während  der  matte  Christophilus  nur  bange  seufzer  ausstöfst,  ver- 
dammen ihn  auch  Conscientia  und  Welt ,  kurz  vor  mitternacht 
kommt  der  Tod  mit  dem  seiger,  ihm  folgen  Hölle  und  Ewigkeit, 
die  Gerechtigkeit  urteilt  du  bist  zu  leicht  erfunden,  darumh  bist 
du  verdammt.  Christophilus  schreit  zu  Jesus  um  hilfe,  Satan  und 
die  seinen  reifsen  an  dem  bett  und  brüllen  ihr  fort  in  die  unterste 
hölle.  Christophilus  steigert  sein  frommes  flehen,  der  vierte 
priester  zeigt  ihm  den  erzengel  Michael,  unter  donner  und  blitz 
schreit  die  höWe  fort!  fort!  da  endlich  erscheint  die  Barmherzig- 
keit, vor  welcher  alle  aufser  Christophorus  zur  erde  sinken,  der 
himmel  tut  sich  auf.  Christophilus  schaut  Christus  mit  dem 
kreuze,  eine  himmlische  stimme  ertönt  mein  söhn,  deine  siinden 
sind  dir  vergeben,  der  held  spricht  —  in  versen  —  sein  dank- 
gefühl  gegen  gott  aus  und  stirbt,   worauf  Christophorus  die  zu- 

7* 


100  ZUR  FAUSTSAGE 

schauer  ermahnt,  die  letzte  scene  3,3  zeigt  die  beiden  freunde 
anbetend  am  throne  gottes.  die  engel  singen  den  schlusschor, 
einen  fünfstrophigen  lobgesang.  so  eudigt  das  unselbständige, 
schwankende,  mit  entschiedener  theaterkunst  durchgeführte  stück. 
Spengler  macht  mich  mit  einem  scenar  bekannt,  das  sicli 
frei  an  den  eben  erschienenen  Beckhschen  Cosmophilus  anschliefst. 
Parabola  Evangelka  de  Cosmophilo ,  seu  Prodigo  Filio  a  Studiosa 
F.  f.  Min.  Conv.  S.  Francisci  Gymnasij  Jnventnte  comice  exhibenda 
Uberlingae.  Den  6.  und  9.  Tag  Herbstmonat  im  Jahr  1666.  auch 
hier  Helena,  und  zwar  wie  im  Faustbuch  und  Faustdrama  aus 
der  hölle  citiert. 

5.  Turbo. 
Das  geistvolle  faustische  drama  des  JVAndreae  Turbo  sive 
moleste  et  frustra  per  cuncta  divagans  ingenium  1616  habe  ich 
Goethe -Jahrb.  4,  127  fl'  analysiert,  das  stück  ist  1653  im  pro- 
testantischen gymnasium  zu  Augsburg  aufgeführt  worden ,  wie 
folgendes  programm  aus  der  Münchner  Sammlung  zeigt: 

De  Aretino  et  Eugenia.  Das  ist :  Wie  wunderbarlich  manch- 
mahl  das  Glückh  mit  den  Menschen  Kindern  spile,  imd  %ms  nutz 
vnd  frucht  es  bringe,  wann  man  sich  bald  in  der  blühenden  Ju- 
gendt  den  guten  Künsten  ergebe,  auch  xoie  die  Tugendt  offt  Noth 
leyden,  sich  ducken  vnd  schmucken  müsse,  doch  endtlich  wider 
empor  komme,  vnd  mit  Ehren  oben  schwebe. 

Comoedia.  Item  de  Turbone.  Von  einem  loanckehnütigen, 
vnbeständigen  Schwindelhirn ,  so  in  einem  hui  vnd  flug ,  das  Schlafs 
der  jrrdischen  Weifsheit  zuersteigen  vermeinet ,  vnd  sich  bald  au  ff' 
difs,  bald  auff  ein  anders  begibt,  bifs  endtlich,  da  er  alles  ver- 
gebens versucht,  die  Weifsheit  sampt  jhren  Schwestern  jhme  das 
Feel  von  den  Augen  thnt,  vnd  lehret,  wie  man  die  rechte  wahre 
Weifsheit  in  Gott,  vnd  der  Tugendt  suchen  müsse.  Dardurch  auf's 
einem  vnglückseeligen  ein  gantz   glückseeliger  Mensch  ivirdt. 

Zu  Augspurg.  In  der  Bibliothec  bei  S.  Aiina,  von  der  Evan- 
gelischen studierenden  Jugendt  daselbsten  gehalten,  vnd  in  die  Augen 
gericht.  Anno  m.dc.lhi.  Mense  Augusto.  Gedruckt  zu  Augspurg, 
bey  Johann  Schuttes.  8  bll.  4":  allgemeines  Vorspiel,  gipfelnd 
im  preise  des  kaiserhauses,  hl.  2fl'  scenar  der  Cramerschen  Arcteu- 
genia,  bl.  ölt  Tvrbo  sive  ingenium  per  cuncta  divagans,  scenar; 
bl.  7'^  ff  syllabus  actorum.  weder  Gramer  noch  Andreae  werden 
L'enannt. 


ZUR  FAUSTSAGE  101 

6.  Stimmen  des  achtzehnten  Jahrhunderts. 
WHogarth  Zergliederung  der  Schönheit,  übersetzt  von  Mylius, 
1754  s.  13  was  kan  es  anders  seyn,  als  diese  ungestaltete  und 
mit  einer  ihr  nicht  zukommenden  eigenschaft  verbundene  figur ,  bey 
deren  anblick  ein  ganzer  Schauplatz  vor  lachen  berstet,  wenn  die 
Zuschauer  im  D.  Faust  sehen,  dafs  der  mehlsack  über  das  theater 
herüber  hüpft. 

Der  Vorbericht  zur  anonymen  Übersetzung  von  Drydens  Fall 
des  menschen,  Frankfurt  und  Leipzig  1761  p.  xv  polemisiert  gegen 
die  teufelsmaske  im  ballsaal,  gegen  den  teufel  auf  der  bühne. 
wie  kann  es  denn  in  einem  offendlichen  Schauspiele  loohl  aufge- 
nommen werden  ?  sonderlich  zu  unsern  Zeiten ,  da  die  theater  weit 
gereinigter  sind,  als  ehedessen.  darum  icilrde  ich  es  wieder  die 
christliche  polizey ,  und  auch  nach  unsern  europäischen  ideen,  loider 
die  politische,  gefehlt  halten,  wenn  man  ferner,  zum  E.  die  farce 
eines  Doctor  Fausten  aufführen  liefse. 

Endlich  zwei  poetische  Zeugnisse  in  form  von  humoristischen 
vergleichen;  zwischen  beiden  liegt  die  gleichartige  oft  citierte  stelle 
der  Mitschuldigen.    Zachariae  im  1  buch  der  Verwandlungen  Neue 
beyträge  zum  vergnügen  des  Verstandes  und  witzes  1744  (1,3)  s.  2 14 
er  (^d\dim\v)  stund  bedachtsam  auf,  er  zog  den  mund,  und  pfiff, 
wie  wenn  im  Schauspiel  Faust  die  stirne  murmelnd  faltet, 
das  Zimmer  furchtsam  bebt,  die  starre  wand  sich  spaltet, 
woraus  mit  gleichem  schritt  drey  junge  teufel  gehen, 
die  im  berusten  köpf  die  rothen  äugen  drehn: 
so  kommen,  da  er  pfeift,  drey  glänzeyide  lackayen, 
die  sich,  auf  seinen  wink,  gebückt  um  ihn  zerstreuen. 
Wieland  Gandalin  oder  liebe  um  liebe  8  buch  v.  410  fl".  21,  155: 
Gandalin  wartet  auf  die  zofe, 

und  wie  sie  endlich 
ein  blendlaternchen  in  der  hand, 
sich  einstellt,  ward  er  xoie  die  wand, 
so  weifs,  und  zitterte  so  schändlich, 
loie  doktor  Faust  im  fastnachtsspiel, 
da  seine  letzte  Viertelstunde 
zu  ende  läuft,  sein  schreckliches  ziel 
min  da  ist,  und  zum  höllenschlunde 
ihn  unter  blitz  und  donnergeroll 
der  böse  feind  nun  holen  soll.      ERICH  SCHMIDT. 


102  ZU  SCHILLERS  HANDSCHUH 


ZU  SCHILLERS  HANDSCHUH. 

über  den  stoff  von  Schillers  ballade  Der  liandschuh  (11,227  ; 
die  dem  gedieht  zu  gründe  liegende  aneedote  aus  Saintfoix  11,447) 
hat  mit  gewohnter  umsieht  gehandelt  FWVSchmidt  Balladen  und 
romanzen  der  deutschen  dichter  Bürger,  Stollberg  und  Schiller, 
1827  s.  142  ff.  MLandau  Ursprung  und  bedeutung  von  Schillers 
ballade  'der  handschuh'  (Beilage  zur  allgemeinen  zeilung  1884 
nr  36)  widerholt  die  Schmidtsche  Sammlung  um  sich  dann  in 
das  nebelreich  mythologischer  deutelei  zu  verirren,  von  solchen 
vagen  vergleichen  und  unterlegungen  sticht  woltuend  ab  der  auf- 
satz  MHaberlandts  Der  indische  Fridolin  (Neue  freie  presse  12 
X  83),  der  manchen  fachgenossen  entgangen  sein  dürfte,  zum 
Handschuh  vgl.  noch  die  schöne  spanische  romanze  Archiv  für 
litteraturgeschichte  1,  507  und  Langbeins  Liebesprobe  Zs.  26, 
149.  294;  vgl.  auch  Steinmann  Briefe  von  HHeine  1,51  ff. 

Ein  sehr  lebendiger,  mit  Verwertung  des  hsl.  nachlasses  alt- 
gefasster  essay  APichlers  über  Hippolytus  Guarinonius  (Presse  11 
und  27  ni  84)  trieb  mich  an  den  gewaltigen  satirisch-didactischen 
folianten  des  liebenswürdigen  tiroler  arztes  Die  grewel  der  Ver- 
wüstung menschlichen  geschlechts,  Ingolstadt  1610,  1332ss.  durch- 
zulesen; eine  in  mancher  hinsieht  gewinnreiche  lectüre.  ich  no- 
tierte mir  daraus  eine  doppelte,  im  ausführlicheren  ersten  teil 
mittelbar  dem  Bandello  verwandte,  im  zweiten  teil  an  spanische 
Überlieferung  anklingende  erzahlung  vom  handschuh.  inzwischen 
hat  Pichler  selbst  Zu  Schillers  ballade  'der  handschuh'  (Beilage 
zur  allgemeinen  zeitung  1884  nr  104)  die  stelle  mitgeteilt,  da 
jedoch  gleich  von  der  angäbe  der  Seitenzahl  an  störende  setzer- 
willkür  vorherseht,  will  ich  meine  genaue  abschritt  nicht  zurück- 
halten, über  Guarinoni  vgl.  aufser  Pichler  JFraucks  artikel  in 
der  Allg.  d.  biogr.  10,  83  ff,  JMeifsner  Die  englischen  comoe- 
dianten  in  Oesterreich,  Wien  1884  s,  3  ff  (wo  auch  das  Franck 
unbekannte  todesdatum  31  v  1654),  AKerner  vMarilaun  Österreich, 
botan.  zs.  16  (1866),   137  ff. 

Im  2  buch  cap.  28  Vom  schädlichen  liebsgrewel  der  vnsin- 
nigen  jugend  heifst  es  s.  273  f : 

Freffd  m  der  Lieb  betreffend,  ist  vnder  vielen  kündbar ,  von 
jenem  Hertzogen  von  Mantua  Galeatio,  da  er  bey  einer  Brücken  ein 


zu  SCHILLERS  HANDSCHUH  103 

Mägdlein ,  die  er  liebte ,  angetroffen ,  vnnd  mit  jhr  knrtzweil  halber 

geredt  hatte ,   sprach  das  heyllofs  Mägdlein  zu  jhme ,  loann  er  sie 

derma fsen  liebe,  warnmb  er  nit  aufs  Lieb  vber  die  Brücken,  sampt 

jme  dz  Rofs  sprengete?    Welches  da  der  Fürst  kaum  erhört  hatte, 

sport  er  mit  ernst  das  Rofs ,  vnnd  spränge  vber  die  Brücken  hinab, 

allda  das  Rofs  todt  blieben,    er  aber   mit  harter  Mühe   aufs  dem 

Wasser  geschwummen.     Ein  dergleichen  Geschieht  soll  vor  etlichen 

Jahren  inn  der  still  fürvber  gangen,   das  doch  nacher  jhr  vielen 

kundbar  worden,  seyn,  da  ein  Welscher  Edelmann  inn  einer  schönen 

Böhmischen  Jungfrawen  verliebt  wäre,  [274]  die  sich  seiner  nicht 

gar  viel  achtet ,   wartet   er  jhr   allenthalben   au  ff  den  Dienst.     An 

einem  Feyrtag  kundschafft  er  aufs,    dafs  sie  hinder  das  Geschlofs 

vber   die   Brücken   hinan fs,   vnd   das  Löwenhaufs,   so   ender   seits 

der  Bruggen ,  nicht  gar  weit  gelegen,  die  Löwen  sampt  jhrer  Mutter 

zusehen  gangen  wäre,  gieng  hinan  ff,  allda  man  inn  den  Hoff  zti 

den  Löwen  herab  sihet ,    daselbst  der  Jungfraiven  auff  den  Dienst 

wartend.    Da  siejhn  ersieht,  wendet  sie  das  Gesicht  von  jhme,  wie 

sonsten,  vber  ein  kleines  (nicht  weifs  ich,  ob  es  zu  sonderm  fleifs, 

den  Jüngling   zuversuchen,    oder   aufs  vnglück  geschähe)  liefs  sie 

jrer  handschuch  eiiien  hinab  in  hoff  fallen ,  allda  die  Löwen  nider 

anlagen,    der  Jüngling   hat    das  kaum   ersehen,   sprang  vber   die 

Stiegen    hinab,    vberredt   den   ein   Löwenknecht,   dafs   er  jhm  das 

Gatter  eröffnet,  gab  jhm  ein  stattliche  Verehrung,  der  entblöst  sein 

Rapier,   vnnd  hielts  hinder   den   rucken,  schleucht   endist   hinein, 

vnnd   mit  gröster  schnelle   zuckt  den  Handschuch  von  der  Erden, 

vnnd  weiln  der  Low  sich  von  der  Erden  erheben  will,  eilt  er  hinder 

die  Thier  hinein,  last  das  Gewicht  fallen,  vnnd  spört  den  Löwen 

in  Hoff  hinaufs,  gieng  hinan  ff,  küsset  vnnd  beut  den  Handschuch 

der  Jungfrawen  dar,  welche  sampt  der  Mutter  ob  schricken  einer 

Leich  gleich  worden,    die  fieng   von   selbiger  Stund  den  Jüngling 

hertzlich   zulieben.     Ebner  massen   aber  mit  anderm  aufsgang  ist 

in  Hispanien  mit    einem  Galano  geschehen,   welcher  seim  [Pichler 

verbessert  welchem  sein]   Lieb    zu  sonderm  fleifs   den  Handschuch 

vnder  die  Löwen  geivorffen,  welchen  er  zwar  geholt,  aber  jhr  zu 

lohn  ein  guten  backenstreich  geben,  vnd  gar  recht  gethan  halt. 

Wien.  ERICH  SCHMIDT. 


104         EIN  WEIHNACHTSSPIEL  AUS  KREUTZBÜRG 


EIN  WEIHNACHTSSPIEL  AUS  KREUTZBÜRG. 

Während  des  Wintersemesters  1883/84  wohnte  ich  hier  bei 
einem  alten  Schneider,  der  mir  einmal,  soweit  es  ihm  noch  erinner- 
lich war,  ein  kleines  loeilmachtsspiel  vorsagte  und  vorsang,  das 
noch  in  seiner  Jugendzeit  in  seiner  heimat  Krentzhnrg  in  Ober- 
schlesien (regieriingsbezirk  Oppehi)  dargestellt  worden  sei.  da  solche 
reste  volkstümlicher  poesie  immer  mehr  dahin  schwinden  und  speciell 
unser  denkmal  manche  interessante  belege  für  die  geschichte  dieser 
gattung  bieten  dürfte,  so  sei  es  hier  mitgeteilt,  vorerst  mögen 
einige  einleitetide  bemerkungen  gestattet  sein. 

Zunächst :  von  der  authenticität  der  folgenden  verse  wird  man 
ivenigstens  für  die  dichtung  als  ganzes  sich  bald  überzeugen  können, 
aber  auch  im  einzelnen  ist  das  stück  ziemlich  treu  bewahrt,  das 
bezeugt  der  meist  noch  erhaltene  reim,  der  freilich,  xoie  das  stück 
jetzt  sich  darstellt,  eine  grofse  dürftigkeit  und  Ungeschicklichkeit 
nicht  verläugnen  kann,  das  bezeugen  Zeilen,  loie  1.  2.  6.  30  und 
zahlreiche  andere,  für  die  mehr  oder  minder  gleichlautende  parallel- 
stellen aus  anderen  spielen  werden  beigebracht  werden. 

Die  Untersuchungen  werden  hier  vor  allem  auf  Weinhold  (W.) 
zurückgehen :  Weihnacht-spiele  und  lieder  aus  Süddeutschland  und 
Schlesien  mit  einleitungen  und  erläuterungen ,  neue  ausgäbe,  Graz 
1870.  es  ist  vielleicht  nicht  ganz  ohne  nutzen,  hier  noch  die 
weitere  litteratur  dieser  dichtart,  zunächst  in  Deutschland,  in  ihren 
wichtigsten  werken  anzuführen,  wobei  natürlich  Vollständigkeit  nicht 
angesprochen  wird. 

Eigeiitliche  w eilmacht sspiele : 

Deutschlajid :  Praetorius,  Weihnachtsfrazzen ,  Leipzig  1G63, 
ein  seltenes  buch  (vollständiger  titel  in  der  litterarischen  nach- 
weisung  bei  Pailler).  —  Chressulder,  De  Christ ianortirn  larvis  nata- 
litiis  Sancti  Christi  nomine  commendatis,  Lips.  1677.  —  Pezold, 
De  S.  Christi  larvis  et  munusculis,  Lips.  1699.  —  Schröer,  Deutsche 
Weihnacht  sspiele  aus  Ungarn,  Wien  1858.  —  Lexer ,  Kärntisches 
Wörterbuch  mit  einem  anhang  von  iveihnachtsspielen  und  -liedern, 
Leipzig  1862  (Lex.).  —  Hartmann,  Weihnachtslied  und  -spiel  in 
Oberbaiertl ,  München  1875  (separatah druck  aus  dem  Oberbairischen 
archiv  xxxiv).  —  Pailler,  Weihnachtslieder  und  krippenspiele  ans 
Oberöslerreich  und  Tirol,    Innsbruck  1881   (P-j.    ■ —   vgl.  ferner: 


EIN  WEIHNACHTSSIMEL  AUS  KREÜTZBURG         105 

Mone,  Schauspiele  des  mittelalters ,  Karkrnhe  1846.  —  Pichler, 
Drama  des  mittelalters  in  Tirol,  Innsbruck  1850. 

England:  Marriot ,  .1  coUection  of  english  miracle - plays  or 
mysteries,  Basel  1838.  —  SaJidys,  Christmas  carols,  London  1833, 
und  Christmastide,  London  1852. 

Frankreich:  Jnbinal,  Mysteres  inedits  du  \v  siech  n,  Paris 
1837.  —  Porfait ,  Histoire  du  theatre  fran^ois  i,  Amsterdam  1735 
(s.  59—158). 

Spanien:    Schack  im  i  band  (Berlin  1845). 

Endlich  sind  noch  zu  vergleichen:  Sommer,  Sagen,  märchen 
und  gebrauche  aus  Sachsen  und  Thüringen,  Halle  1846.  — 
Kuhn  und  Sclnoartz,  Norddeutsche  sagen,  märchen  und  gebrauche, 
Leipzig  1848.  —  Meier,  Deutsche  sagen,  sitten  und  gebrauche  aus 
Schivaben,  Stuttgart  1852.  —  endlich  auch:  Gottsched,  Nötiger 
Vorrat,  Leipzig  1757.  —  eine  Zusammenstellung  der  weihnachtsspiele 
des   16   und  11  jhs.  bei  W.  s.  173—186. 

Mehr  weihnachtslieder  haben  zum  gegenstände,  aufser  dem 
bekannten  buche  von  PhWackernagel ,  Leipzig  1864  (Wack.): 
Hoffmann,  Geschichte  des  deutschen  kirchenliedes  bis  auf  Luther, 
Hannover  1861  (H.).  —  Geistliche  lieder  mit  ihren  ursprünglichen 
weisen,  Paderborn  1850.  —  Kehrein,  Kirchen-  und  religiöse  lieder 
aus  dem  12 — Ib  Jh.,  Paderborn  1853.  —  das  gesangbuch  Cantate 
von  Bone,  Paderborn  1853.  —  Simrock,  Deutsche  weihnachtslieder, 
Leipzig  ISl  4.  —  Hart  mann ,  Volkslieder  in  Baiern  usw.  i  Volks- 
tümliche weihnachtslieder ,  Leipzig  1884  (vo)i  demselben  auch  eine 
dissert.,  Leipzig  1883).  —  von  den  älteren  Sammlungen  hebe  ich 
hervor:  Leisentritt ,  Geistliche  lieder  und  psalmen,  zuerst  1567 
(L.).  —  MVehe,  New  gesangsbüchlein  geistlicher  lieder,  Mainz  1567. 
—  eine  Zusammenstellung  der  hieher  gehörigen  litteratur  auch  hei 
\V.  s.  395  anm.  1. 

Engl,  lieder:    s.  die  werke  von  Sandys. 

Franz.  lieder:  Les  noels  Bourguignons  de  Bernard  de  la 
Monmoye,  Paris  1842. 

Man  vergleiche  auch  die  Übersicht  bei  P.  und  zum  schluss: 
Wilken ,  Über  die  kritische  behandlung  der  geistlichen  spiele ,  Halle 
1873.  —  SM  dem  allen  kommen  natürlich  die  spiele  und  lieder 
bei  W.  selbst. 

W.  entwickelt  an  den  von  ihm  mitgeteilten  spielen  in  grofsen 
Zügen  die  geschichte  der  gattung.    zwei  quellen  hat  das  weihnachts- 


106         EIN  WEIIINACIITSSPIEL  AUS  KREUTZBURG 

spiel:  eine  germ.  -  heidnische  und  eine  christliche,  beide  iverden 
sich  auch  in  unserem  spiele  aufzeigen  lassen,  dasselbe  besteht 
aus  Steilen,  der  erste  enthält  die  alten  adventreime  (v.  1 — 27); 
der  zweite  ist,  icenigstens  seiner  ursprünglichen  bedeutung  nach, 
ein  spiel  von  der  anbetung  der  hirten.  der  erste  teil  hat  den- 
selben character  wie  alle  diese  adventreime:  das  Christkind,  der 
engel,  Petrus  und  Nicolaiis  treten  auf,  kommen  in  die  kinderstnbe 
und  fragen  nach  der  auffUhrnng  der  kleinen,  der  Nicolaus  aber 
(bair.-öst.  Nikolo)  ist  nicht  ursprünglich ,  er  hat,  loo  er  erscheint, 
gemeiniglich  den  knecht  'Ruprecht'  verdrängt,  auch  Joseph  oder 
Petrus  treten  an  dessen  stelle  (W.  s.  31);  besonders  in  Schlesien 
vertritt  nach  W.  s.  9  der  hl.  Joseph  den  Ruprecht,  alle  diese  aber, 
Joseph  oder  Petrus  oder  Ruprecht,  sind  nichts  anderes  als  der  ge- 
waltige gott  Wuotan ,  der  in  der  Weihnachtszeit ,  den  zwölften ,  als 
Schimmelreiter  oder  breithut ,  wie  er  in  manchen  gegenden  noch 
hei/st,  durch  das  land  jagt ,  zur  zeit  des  mittwinlers ,  der  Winter- 
sonnenwende, auf  diesen  nächtlichen  umzügen  nahm  er  einst  die 
opfer  entgegen,  icelche  man  ihm  darbrachte,  mit  ihm  zieht  seine 
gemahliti  Frigga ;  es  ist  die  Berchta ,  Perchtel,  Holle  unserer  sage^: 
sie  ist  es,  die  um  das  hauswesen  der  menschen  sorge  trägt  und 
namentlich  die  kinderstuben  heimsucht,  wie  erscheinen  nun  diese 
personen  in  unserem  spiele?  das  Christkind  scheint  zu  fehlen  (in 
so  fem  mag  unser  spiel  vielleicht  noch  eine  altertümlichere  reinheit 
zeigen),  Joseph  übernimmt  Ruprechts  rolle  und  wird  der  mittelpunct 
dieses  ersten  teils,  den  sonst  das  Christkind  bildet,  dazu  tritt  Petrus, 
als  der  ankläger  der  kinder  vor  Ruprecht- Joseph,  wie  er  ivol  sonst 
ihr  ankläger  vor  dem  Christkind  ist,  und  auch  Nicolaus,  der  hier 
als  ihr  guter  anwalt  erscheint,  aber  es  ist  noch  eine  person  vor- 
handen, die  freilich,  wenn  auch  vielleicht  uns  am  meisten  interes- 
sant, hier  nur  mehr  ein  sehr  bescheidenes  dasein  fristet:  das  ist 
die  Karbasche.  zweifellos  ist  diese  seltsame  erscheinnng  ein  ganz 
verdunkelter  rest  der  Frigga-Perchtel ,  von  der  früher  die  rede  war. 
unter  diesem  namen  und  ganz  ähnlich  ist  sie  mir,  obwol  ich  die 
quellen  ziemlich  durchsucht  habe,  allerdings  nirgends  entgegenge- 
treten, aber  man  beachte,  sie  fegt  den  boden  vor  dem  auftreten- 
den zuge,  hat  also  einen  besen,  wovon  sie  wol  den  namen  führt'^ ; 

'  in  der  Jltmark  frü  Gode  oder  Goe,  m  de?'  Mittelmark  frü  Harke, 
im  Osten  derse1he7i  auch  Murraue  (vf^l.  mahr-alb),  Z*.  4,  3S5/". 

^  karbasche,    eif-;.    karbatsche,    hedenlel  peitsche   und   vertritt    hier 


EIN  VVEIHNACHTSSPIEL  AUS  KREUTZBURG  107 

nun  sagt  W.  s.  12:  'die  Maria,  welche  im  Liegnitzischen^  als  ker- 
weibel  vor  dem  kristkind  her  fegt,  ist  zuletzt  nichts  anders,  als 
die  mütterlich  sorgende  göttin,  die  oberste  venoalterin  des  hauses.' 
also  es  ist  die  Perchtel,  vielleicht  schon  hexenmäfsig  aufgefasst 
(es  käme  da  auf  die  äufsere  erscheimmg  an,  in  welcher  sie  in 
dem  spiele  würklich  auftrat),  wie  denn  die  Perchtel  oft  hexenmäfsig 
sich  zeigt  und  ja  die  hexen  in  den  adventen  tanzen  (W.  s.  21.  24). 
so  hätten  wir  in  unserem  spiele  die  beiden  hauptpersonen  des  heid- 
nischen adventumzuges :  Wnotan  -  Joseph  und  Frigga  -  Karbasche 
noch  erhalten. 

Wir  wenden  uns  zum  zweiten  teil  des  Spieles:  y.  28  —  ende, 
es  ist  der  christliche  bestandteil,  das  alte  hirtenspiel  (  W.  s.  79 — 103). 
der  gewöhnliche  typus  ist:  die  hirten  liegen  auf  dem  felde,  sehen 
den  Stern  über  ter  krippe  in  Bethlehem,  es  kommt  meist  noch  der 
enget  hinzu,  der  sie  aus  dem  schlafe  weckt,  sie  eilen  zur  krippe, 
zur  anbetung  des  Christkindes,  dieser  typus  ist  auch  in  unserem 
spiel  vorhanden ,  freilich  seltsam  verdunkelt  und  verblasst :  sie  gehen 
nicht  mehr  nach  Bethlehem,  es  handelt  sich  blofs  um  deji  kirch- 
gang,  was  gelegenheit  gibt  zu  einem  dialog ,  der  schon  vjegeti  seiner 
naiven,  lustigen  schlusspointe  aufbetoahrung  verdient,  die  Weigerung 
des  einen  hirten,  mitzugehen,  findet  sich  übrigens  auch  so7ist  häufig. 
in  arideren  spielen  tritt  dann  noch  die  dreikönigs  -  legende  hinzu, 
die  hirten  werden  etwa  von  den  3  königen  nach  dem  kinde  gefragt 
(W.  s.  97—103). 

Die  Vereinigung  der  adventreime  mit  dem  hirtenspiel  bildet 
nach  W.  den  gemeinsamen  typus  aller  schlesischen  christkindelspiele. 
W.  teilt  selbst  ein  solches  aus  Schlaupitz  im  Beichenbacher  kreise 
mit:  dies  ist  ausgedehnter  als  unseres,  in  so  fern  da  auch  Maria 
mit  dem  kinde  und  Joseph  auftreten,  was  dann  in  vielen  spielen 
noch  erscheint,  vielleicht  loar  auch  unser  spiel  einmal  vollständiger. 
in  einem  anderen ,  gleichfalls  von  diesem  typus ,  aus  der  südl.  graf- 
schaft  Glatz  tritt  der  hartherzige  wirt  auf,  der  Joseph  mit  Maria 
und  dem  kinde  von  seiner  türe  weist. 

Zuletzt  noch  einige  bemerkungen  über  den  Zusammenhang 
und  die  reihenfolge  der  reden  in  unserem  spiele,  zum  teil  gegen 
vielleicht  einen  besen;  der  name  ma^  aus  dem  angränzenden  polnischen 
gebiet  nach  Kr eutzburg  gekommen  sein  ^/>o/w.korbacz).  personen  Ijezeichnet 
es  auch  bei  Schmeller  2,  326  (soldatenhure)  mid  im  ffenneb.  als  'stadtkar- 
batsche'  (pßastertrelerin,  vgl.  Dff'B  5,  206). 

'  also  ebenfalls  in  Schlesien;  vgl.  übrigens  Zs.  6,341. 


108         EIN  WElHNACllTSSl'lEL  AUS  KHEUTZßUUG 

die  angaben  meines  gewährsmannes.  v.  1  —  8  scheint  chorus  und 
von  allen  gesungen,  anfser  dem  erst  nachher  ankommenden  Joseph 
und  den  zxoei  kirten,  die  sich  wol  gleich  nach  dem  eintritt  nieder- 
legen, nachdem  die  Karhasche  den  boden  rein  gefegt,  v.  39  ge- 
hört wol  dem  zuteilen  hirten,  v.  40  dem  ersten,  41  dem  zweiten, 
42  dem  ersten,  ebenso  43  und  44,  welche  dieser  wol  nach  einer 
kleinen  pause  singen  mag ,  nachdem  der  zweite  wider  eingeschlafen. 

Pueri  natus  zu  Bethlehem 

[in  Akana], 

des  freuet  sich  Jerusalem, 

lasst  uns  freuen  und  jubiliren, 
5      mit  den  eugeln  triumphiren, 

ani  kaui  ka, 

Christo,  könig  aller  ehren, 

Joseph  ist  schon  da.  — 

Es  kommen  Petrus,  Nikolaus,  die  karbasche,  ein  eugel  und 
zwei  hirten,  die  sich  auf  die  erde  legen,  den  die  karbasche 
rein  fegt,     dann  kommt  Joseph. 

1—3  vgl.  Mones  J7iz.  1839,352: 

Ein  kindt  geborn  zu  Wethlahem  zu  Wethlahem 
des  freuet  sich  Jerusalem  (Klosterneuburger  /is.  1228). 
L.  18'  (ich  benutze  eine  ausgäbe,  dereji  vorrede  datiert  ist  von 
Budissin  1573):  Gelobt  seist  du  Jesu  Christ  |  dass  du  mensch  geboren 
bist  I  von  einer  Jungfrau,  das  ist  war  |  des  frewet  sich  der  engel  schar  |  kyri- 
oleis.  —  22*:  Euch  ist  Christus  der  herr  geborn  |  von  einer  jungfraw  aus- 
erkorn  |  des  frewet  sich  Jerusalem.  —  23": 

das  Puer  natus  deutsch: 
1.    Ein  kind  geborn  zu  Beliilehem  zu  Bethlehem 
des  frewet  sich  Jerusalem ,  alleluia  iisw.  — 
24':   ein  anderes  Puer  natus,  zeigt  dieselbe  erste  strophe. 
Alle  diese  deutsche?i  Injmnen  sind  nach  dem  vielverbreitete?i  tat.  hy/n~ 
nus,  von  dem  eine  vaj'iation  bei  L,  44'  mitgeteilt  ist  und  auf  den  auch  die 
Worte   unseres    textes:   pueri   natus,    U7id   dessen    erste   Zeilen    hinioeisen. 
die  1  Strophe  lautet:     Puer  natus   in  Bethlehem  |  unde  gaudet  Hierusalem. 
alle,   alleluia.    dbereinstivnnend  bei  tVackernagel  \  ?ir 'SU)  (aus  de7n  lij'h.) 
und  dann  bis  318  variatiojien. 

Man  vergleiche  noch  weiter  P.  \  s.  (il  nr  56;  //.  190:  Ein  kint  ist  ge- 
born ze  Bethlehem  |  ze  disem  nüwen  jar,  (refr.)  \  des  freuet  sich  Jerusalem; 
und  gleichlautend  mit  unserem  text  192. 

2  ist  mir  iiicht  klar,  vielleicht  vo?i  andersioohcr  durch  einen  gedächt- 
nisfehler meines  gewährsmannes  hieher  verirrt  (Kana?). 

3  Überlieferung;    es,  doch  vgl.  die  parallelstellen  zu  1 — 3. 

ü  vielleicht  ein  reimvers,  wie  sie  sich  etwa  in  kinderliedern  finden? 


EIN  WEIHNACHTSSPIEI.  AUS  KHELITZBURG  109 

Joseph : 

ßrri 
10      Ich  komm  herein  getreten, 

ob  die  kinder  fleifsig  beten  und  singen, 

und  die  da  fleifsig  beten  und  singen, 

für  die  werd  ich  einen  grofsen  kober  voll  mitbringen; 

und  die  nicht  fleifsig  beten  und  singen, 
15      auf  denen  soll  die  rute  herumspringen. 

Petrus: 
St.  Petrus  werd  ich  genannt, 

9  v^l.  If.  s.  106  Joseph  ij/i  Schlaupitzer  spiel:  Holla,  holla  (t'gl.  auch 
die  anm.l  zur  stelle);  W.  s.  118  erster  hirt  im  spiel  von  Nabelschwert 
(bei  Glazj:    Holla,  holla. 

10 — 15  ff^.  s.  37  (spiel  aus  der  gegend  von  Jauer)  der  e7igel  (hier  an 
Josephs,  später  an  Nicolaus  stelle):  Guten  abend,  ich  komm  herein  ge- 
treten nsw.    s.  105  (Schlaupitzer  spiel)  kristkind: 

Ich  komm  herein  getreten, 

will  sehn,  ob  die  kinder  fleifsig  beten, 

will  sehn ,  ob  die  kinder  beten  und  singen, 

so  will  ich  ihnen  eine  schöne  gäbe  bringen; 

wenn  sie  aber  nicht  fleifsig  beten  und  singen, 

werd  ich  ihnen  eine  rute  bringen. 
s.  37  (Kolbnitzer  spiel)  kristkind: 

Ich  komm  herein  ohn  allen  schein, 

will  sehn,  ob  die  kinder  fleifsig  gewesen  sein. 

wenn  die  kinder  werden  fleifsig  beten  und  singen, 

so  werd  ich  ihnen  eine  grofse  bürde  bringen; 

wenn  sie  aber  nicht  werden  fleifsig  beten  und  singen, 

so  wird  ihnen  die  rute  auf  dem  rücken  rum  springen. 
s.  39  (aus  Hainau)  kristkind: 

Wenn  sie  fleifsig  beten ,  singen  und  spinnen, 

wird  das  kristkind  eine  grofse  bürde  bringen, 

wo  sie  aber  nicht  fleifsig  beten,  singen  und  spinnen, 

wird  das  kristkind  eine  grofse  rute  bringen. 
s.  35  f  (aus  Niederschlesie?i)  kristkind: 

Wenn  sie  fleifsig  beten  und  singen, 

so  werd  ich  eine  grofse  bürde  bringen. 
11  vielleicht  zu  ergänzen:  will  seh'n  (vgl.  das  Schlaupitzer  und  Kolb- 
nitzer spiel),   was  übrigens  im.  not/all  hi?izugedacht  werdeJi  kami;   und 
singen  vielleicht  zu  streichen  nach  dem  Schlaupitzer  spiel,  um  den  reim 
herzustellen;  oder  entleimt  aus  12? 

\b  meine  quelle  unmöglich:  auf  die  soll  die  rute  a  uf  sie  herumspringen. 
16.  17   tF.  s.  38  (Kolbnitzer  spiel)  engel: 


110         EIN  WFJHN ACHTSSPIEL  AUS  KREIITZBURG 

einen  goldnen  Schlüssel  lülir  ich  in  meiner  hand, 

dazu  ein  grofses  huch, 

darin  steht  geschrieben, 
20      was  die  kinder  für  tollheilen  getrieben: 

erstens,  steigen  sie  auf  tisch  und  bänke, 

zweitens,  nehmen  sie  die  rute  und  zerbrechen  sie, 

drittens ,  essen  sie  fleisch  und  wurst  ohne  brot  hinein : 

lasst  dieses  den  kinden  nicht  ungestraft  sein. 
Nicolaus: 
25      Diesmal  will  ich  bürge  sein 

für  die  kleinen  kindelein, 

die  da  fromm  gewesen  sein. 

Engel : 

Ihr  hirten  steht  auf  und  schlafet  nicht, 

ihr  seht  des  engeis  angesicht, 
30      heut  ist  der  heiland  geboren,  hallelujah! 

(wobei  sie  einen  wedel   schwingen). 
Erster  hirt: 

Bruder  Jokl,  bruder  Jokl, 

steh  auf,  steh  aufl 

der  himmel  ergraut. 

Engel  Gabriel  werd  ich  genannt, 

den  scepter  trag  ich  in  meiner  hand. 
W.  s.  104  (Schlaupitzer  spiel)   Gabriel : 

Der  heilige  Gabriel  werd  ich  genannt, 

den  Szepter  trag  ich  in  meiner  hand. 
ff^.  s.  105  (aus  demselben)  Petrus: 

Der  heiige  Petrus  werd  ich  genannt, 

die  Schlüssel  trag  ich  in  meiner  hand.  — 
21  —  24  JV.  s.  35  (aus  Niedersc/ilesieti)  geht  die  anklage  (sie  beten 
nicht  und  zerreifsen  die  bücher)  vom  eiigel  aus;  ebenso  IF.  s.  38  in  dem 
Kolbnitzer  spiel,  hier  bittet  der  e?igel  am  schluss  für  die  kinder;  ff^. 
s.  40  in  einem  schlesischen  spiel  klagen  die  ellern  selbst;  JF.  s.  10<)  in  dem 
Schlaupitzer  spiel  Petrus ,  der  dann  aber  für  die  kinder  bittet. 

27  zwischen  27  und.  28  fällt  nach  meiiier  quelle  eine  lücke;  j'edes- 
falls  lässt  sich  Joseph   versöhnen. 

31  /^^  .y. ',)!  (aus  Kärnten)  für  .lokl  .lodl  (Georg),  s.  214  (Edelpöcks 
spiel)  ein^^iC:\,  .?.  !)3  (ans  Kärnteji)  pm  Jörgl ,  sonst  noch  namen  ?/i/e  Lip, 
Gergi,  .läckl,  Simon,  Ricpl,  Löx  (Alexius)  na. 

32  IV,  .9.<)1  Jodl:  Hiepl,  sollst  geschwind  aufstehn!  .v.  401  (ans  h'ärnte?t)  : 
auf  Rüpl  auf!  s.  403  (ebendaher):    stehts  nur  bald  auf  —  hurti  nur  drauf! 

33 — 35  Schröer  s.  158,  Käsviarker  spiel  (v.  15.16): 
1    hirte:  horch,  horch  bruder,  der  himmel  kracht! 


EIN  WEIHNACHTSSPIEL  AUS  KREIITZBÜRG         Hl 

Zweiter   hirt: 
Lass  ihn  grauen,  lass  ihn  grauen, 
35      er  ist  noch  nicht  alt  genug. 

1. 
Bruder  Jokl,   hruder  Jokl,  steh  aufl 

wir  wollen  in  die  kirche  gehn. 

2. 

Ich  geh  nicht  heute,  ich  geh  morgen, 
ich  hab  zerrissne  schuh. 

1. 
40      Flick  dir  sie  zul 

2. 
Mit  was? 

1. 
Mit  Stroh  1 

Bruder  Jokl,  bruder  Jokl,  steh  auf, 
wir  wolln  in  krepschn  gehn. 

2  hirte:   lass  ihn  krachen,  er  ist  ja  schon  alt  genug  dazu. 
ebenso  s.  82,  Oberuferei'  spiel  (v,  385.  386) : 

Gallus:    Stiehl,  steh  auf,  der  himmel  kracht  scho! 
Stiehl:    Ei  läss'n  nur  kracha,  er  is  scho  alt  gnua  dazua. 
noch  genauer  zu  unserer  stelle  in  dem  handschriftlichen  Bialcr  spiel:  der 
himmel  graut   schon.    —   diese  parallelstellen   sind  aus  spielen,   die  Jiach 
Schrüer  eine  ganz  ausserordentliche  Vollständigkeit  und  unverfälsch tlieit 
zeigen  und  deren  texte  bis  ins  15  Jh.  und  noch  iveiter  zurückgehen. 
36  auch  vor  36  ist  wol  eine  kleine  pause  anzunehrnen. 
39 — 42  ähnliche  scene  eigentlich  nur    hei  Lex.  im,  ff^olfsberger  spiel 
(3  hirten   schlafend): 

Jodel  (stofst  den  Rüepl): 
steh  auf,  log  an  dei"  Jopp'n, 
und  geh  na'  flugs  mit  mir. 

Rüep'l : 
Mei"  Jopp'n  und  dö  ist  älls  derriss'n, 
schaug  Jod'l,  i  schäm  mi'  schier. 

Alle  3: 
Geh  häm  und  thue  se  flicka 
und  a~  wenig  zämma  richta, 
äft  gehmer  hin  zum  wahr'n  Gott, 
wie  uns  hat  gsägt  der  Eng-lhot. 

39  nach  der  quelle  dem  ersten  gehörend. 

40  nach  der  quelle  dem  zweiten  gehörend. 

41  nacli  der  quelle  dem  ersten  gehörend. 

42  nach  der  quelle  dem  zjveiten  gehörend. 

44  krepschn   soll   Wirtshaus    sein,   poln.?    doch    vgl.  Herrnskretschen 
(Sachse7i). 


112         EIN  WEIHNACHTSSPIEL  AUS  KREUTZBURG 

2. 

45    Ei  da  geh  ich  mit! 

Hinfort,  hinfort, 

wir  ziehn  an  einen  andern  ort! 

46.  47  V071  allen  gesungen. 

Berlin,  im  april  1884.  ARNOLD  MAYER. 

DIE   IWEINHANDSCHRIFTEN  I. 

A.    In  Österreich. 

Auf  einer  gröfseren  reise  versuchte  ich  die  in  Osterreich  vor- 
handenen handschriften  und  brnchstücke  von  Hartmanns  Iwein  ein- 
zusehen, ich  wurde  dabei  in  ausgezeichneter  weise  von  den  Ver- 
waltungen der  k.  k.  hoßibliothek  und  der  Ambraser  Sammlung  zu 
Wien,  der  öffentlichen  bibliothek  in  Linz,  der  Universitätsbibliothek 
zu  Prag  und  der  bibliothek  des  fürsten  Lobkoioitz  in  Raudnitz 
unterstützt,  die  Riedegger  hs.  E  dagegen  konnte  ich  nicht  benutzen, 
da  ich  zur  zeit  meines  aufenthaltes  in  Efferding  die  mir  jetzt  er- 
teilte erlaubnis  dazu  noch  nicht  besafs. 

1 .  dass  Michaelers  drucke  der  Ambraser  hs.  tiicht  mit  genügender 
Sorgfalt  hergestellt  sind,  konnte  mau  schon  aus  einer  vergleichung 
der  Tabulae  parallelae  mit  der  ausgäbe  ersehen,  da  beide  von  einander 
abweichen,  obgleich  sie  eine  diplomatische  widergabe  desselben  textes 
sein  sollen,  ich  habe  aber  jetzt  gesehen  dass  Michaelers  ausgäbe 
nicht  allein  viele  nachlässigkeitsfehler  enthält,  sondern  auch  eine 
anzahl  verse,  zerstreut  durch  das  ganze  gedieht,  fortgelassen  hat. 
lesefehler  finden  sich  dagegen  selten. 

2.  das  Linzer  bruchstück  F  befindet  sich  noch  immer  in  dem 
Textus  sequentiarum  cum  optimo  commentario ,  in  welchem  es 
Pfeiffer  fand ,  ist  aber  neuerlich  wider  festgeklebt,  zusammen  mit 
einem  zettel  von  Pfeiffers  hand  (20.  8.  1858),  loorin  dieser  den 
wünsch  ausspricht,  das  stück  möchte  besonders  gebunden  werden, 
es  scheint  dass  die  schrift  bei  erneutem  losreifsen  zerstört  roerden 
würde,  ich  habe  daher  nur  das  offen  liegende  gelesen.  Pfeiffers 
abdruck  Germania  3,  344  ist  annähernd  genau. 

3.  das  bruchstück  II  auf  der  Prager  Universitätsbibliothek  liegt 
ohne  Signatur  in  einem  carton  mit  anderen  stücken  ähnlicher  art. 


DIE  IVVEINHANDSCFIRIFTEN  I  11  :i 

der  druck   in   der  Germania  6,  358   ist   unbrauchbar ,   weil  darin 
ohne  zweck  und  oft  falsch  das  abyeschnittene  ergänzt  ist. 

4.  das  früher  im  besitze  des  dr  Zahn  zu  Wien  befindlich  ge- 
wesene bruchstück  G  gehört  gegenwärtig  dem  germ.  nationalmuseum 
zu  Nürnberg,  wo  es  die  nummer  34017  trägt,  es  wurde  mir  zur 
vergleichung  bereitwilligst  nach  Berlin  gesandt,  der  abdruck  Germ. 
3,  339  erwies  sich  als  fast  diplomatisch  genau;  nur  steht  v.  3211 
Siüs  ziemlich  deutlich  in  der  hs.,  während  der  druck  im  .  . .  zeigt. 

5.  um  aller  künftigen  Verwirrung  vorzubeugen,  möge  hier 
bemerkt  werden  dass  ich  die  Wiener  hs.  2119  J  nenne  (vgl.  Zs. 
24,  179),  ßirlingers  bruchstück  (Germania  26,  99)  mit  K  und 
Buchwalds  bruchstück  (ebend.  25,  395)  mit  M  bezeichne,  das  neu 
gefundene  Münchner  stück  (Zs.  28,  259)  möge  dann  N  heifsen,  und 
das  Zs.  17,  'S9i  ff  collationierte  Wiener  (jetzt  nr  19791)  0.  I  und 
L  lasse  ich  in  der  bezeichnung  der  alten  pergamenthss.  aus,  tveil 
ersteres  als  abkürzung  für  Iwein,  letzteres  für  Lachmanns  aus- 
gaben üblich  ist.  —  ob  von  diesen  bruchstücken  etwa  zwei  zu- 
sammengehören, wäre  sicher  erst  festzustellen ,  wenn  man  alle  zu- 
sammen vor  sich  hätte;  nach  den  gedruckten  beschreibungen  ist  es 
nicht  wahrscheinlich,  denn  auch  0  ist  trotz  der  gleichheit  der  zwei 
spalten  zu  22  Zeilen  mit  N  nicht  identisch,  wovon  ich  mich  durch 
den  augenschein  überzeugt  habe,  das  bruchstück  N  wurde  mir 
durch  gütige  Vermittlung  des  herrn  pfarrers  Westermayer  hierher 
geschickt. 

6.  die  papierhandschrift  in  der  bibliothek  des  fürsten  Lobko- 
witz  zu  Raudnitz  (vi  Fe  26)  enthält  den  Iwein  von  bl.  148"  bis 
bl.  200'",  zweispaltig  zu  je  etwa  30  Zeilen,  am  ende  steht  vom 
Schreiber  die  bemerkung ,  dass  die  abschrift  des  Iwein  1464  beendet 
sei.  die  hs.  ist  zwar  scheinbar  vollständig ,  aber  der  Schreiber  hat 
öfter  grofse  stücke  ausgelassen,  manchmal  mehrere  hundert  verse, 
zb.  7693 — 7939,  meist  ohne  den  versuch  zu  machen  den  Zusammen- 
hang herzustelleti. 

Den  an  fang  teile  ich  hier  mit;  ich  nenne  die  hs.  z. 

148*  Das   böch  von   her  ywin  der  mit  ritters  mute 

Wer  an  rechten  gute  nach  lobe  künde  stritten 

wendet  sin  gemüte  er  hett  by  sinen  czytten 

dem  volget  seid  vnd  ere  gelebet  also  schone 

das  gyt  gewisse  lere  das  er  die  erent  kröne  10 

kung  artus  der  gute  5  trftg  vnd  noch  sie  nieman  tret 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  « 


114 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  1 


das  habenl  die  vvarhait 
siiie  land  liite 

sie  iehend  er  leb  noch  hüte 
im  ist  der  hb  erstorben  15 

er  hett  das  lob  erworben 
das  doch  lobet  ynier  sin  name 
er  ist  lasterlicher  schäme 
ymmer  vil  gar  ervvert 
der  noch  nach  sinetn  sitten  fort  20 
Ain  ritter  der  gelert  was 
vnd  ers  an  ainem  buch  lafs 
ivnd  wenn  er  sine  stunde 
mit  wol  bevveuten  künde 
do  er  doch  dichten  pflag       25 
das  man  gerne  hören  mag 
do  kört  er  sinen  flifs  an 
der  was  genant  hartman 
vnd  was  ain  owere 
der  tichtet  dise  mere  30 

Es  het  der  küug  artus 
zu  karidol  in  sin  hufs 
ze  ainem  pfiugstag  geleit 
nach  richer  gewonhait 
ain  also  schöne  hochzyt          35 
das  er  da  uor  noch  sid 
enkain  schöners  nie  gewan 
des  war-  des  was  ain  böser  man 
in 3  vil  schwachem  werde 
von  vch  gesamlet  vfl"  der  erde    40 
by  nie  maunes  czyten  anderschwa 
so  menig  gut  ritter  als  da 
och  ward  in  zelone  gegeben 
an  allen  wifs  ain  wunschlich  leben 
im  liebet  der  hof  vnd  der  lib    45 
menig  man  vnd  wüniglich  wib 
die  schönesten  von  den  riehen 
mich  iamerl  sicherlichen 
vnd  h Ulli'  es  vtz  ich  wölt  es  klagen 
das  nun  by  vnsern  tagen       50 
solich  fröd  nimmer  werden  mag 
der    man    czn  den  czyten  pllag 
doch   nuissen  wir   och  genesen 
ich  eiiwull  doch  nil  sin  gewesen 
das  ich  nun  nit  enware  55 

das  vns  noch  mit  ir  mere 

*  davor  lafs  durcfistrichen. 
3  im  tJurcli  sfrich  zu  in  corr. 


recht  woU  wesen  sol 

doch  daten  in  die  werck  wol 

Artus  vnd  du  küngin 

ir  yetweders  vnder  in  60 

sich  vir  ir  aller  willen  flaifs 

do  man  des  plingsttages  erbail's 

148''  meulich  im  die  l'röde  nam 

du  im  da  aller  best  gezam 

dise  sprachen  wider  die  wib     65 

dise  bekunten  den  lib 

dise  tantzetten  die  sungen 

dise  luffen  dise  Sprüngen 

dise  horten  saiten  spil 

dise  Schüssen  zu  dem  zyl       70 

dise  redetten  von  sender  arbait 

dise  von  manhait 

Gawin  achtet  vmb  wafen 

Kay  leit  sich  schlauffen^ 

vir  den  sal  vnder  in  75 

zu  gemach  au  eren  stund  sin  sin 

der  kling  vnd  du  küngin 

die  betten    sich  ouch  vnder  in 

zfl  banden  gefangen 

vnd  waren  zamen  gangen       80 

in  ain  kamenate  da 

vnd  leitten  sich  scblauffcn  sa 

vnd    hetten    sich    dvrch    gesel- 

schaft  geleit 
daii  durch  kain  traghait 
sie  entschlieflen  baide  schiere;  85 
do  gesassen  ritter  liere 
Dodines  vnd   gawin 
Segremors  vnd  ywin 
och  was  gelegen  da  by 
der  zuchtelofs  kay  90 

vsserhalb  der  wand 
der  sechfste  was  kalogriant 
der  beguud  in  sagen  mere 
von  grosser  schwäre 
vnd  von  kainer  sinerfrumkail    95 
do  er  noch  lützel  het  gcscit 
do  erwacht  du  küngin 
vnd  horten  sagen  in  hin  in 
sü  liel's  ligc^n  irn  man 
vnd  slal  sich  von  im  dan      100 

^  darniir/i   d  durchstrichen, 
au  für  .1   hiil.  dir  lis.   oft. 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  I  115 

B.    Die  sogenannte  Wallersteiner  kandschrift. 

hl  Wallerstein  befand  sich  nach  Lachmanns  angäbe  eine 
Iiceinhs.;  Schade  im  Lesebnch  s.  197  setzt  dazu  das  citat  'Altd. 
musenm  1,  16S.'  nach  der  mir  von  dem  freiherrn  vLöffelholz, 
dem  bihliothekar  des  fürstlichen  hauses  Ottingen-Wallerstein,  freund- 
lichst erteilten  auskunft  hat  die  fürstliche  bibliothek  nie  einen 
licein  besessen;  es  haben  nur  einmal  Verhandlungen  mit  dem 
dr  Rottmanner  stattgefunden  über  den  ankauf  eines  Iwein  und 
Wigalois.  da  nun  die  Rottmannersche  Iwein- Wigaloishand- 
schrift  nach  Zs.  24,  179  zweifellos  in  London  ist,  so  hat  die 
bisher  als  Wallersteinsche  bezeichnete  hs.  nur  den  namen  gewechselt 
und  ist  mit  l  identisch. 

C    In  Lindau. 

Der  Lindauer  Iwein  aus  dem  jähre  1521  (Germania  20,  84) 
wurde  mir  von  der  dortigen  stadtbibliothek  zur  benutzung  in  die 
hiesige  Universitätsbibliothek  gesandt  und  daselbst  von  hm  dr  Seel- 
mann zuvorkommend  aufserhalb  der  dienststunden  wahrend  der 
ferien  zur  verfugung  gestellt,  es  ergab  sich  bald  dass  er  nur 
eine  abschrift  der  Giefsner  hs.  B  ist.  die  in  dieser  hs.  mangelnden 
blutter ,  welche  1531  durch  e  ergänzt  wurden,  fehlen  auch  der 
Lindauer  hs.,  dh.  der  copist  hat  ohne  rücksicht  auf  die  lücken  weiter 
geschrieben,  auch  sotist  folgt  er  der  vorläge  ziemlich  genau,  er 
hat  die  znsatzstücke  nach  6204.  6854.  6874.  6876.  6904.  8158, 
welche  nur  in  B  stehen;  8149  hat  er  eine  vom  rnbricator  in  B 
falsch  gesetzte  initiale  (Sie  statt  Hie)  nachgeschrieben ;  ebenso  3399. 
4000  die  falsche  Stellung  der  verse  und  die  Umstellung  durch  a  b ; 
3401.  2  auf  eitler  zeile;  3998  die  doppelte  lesart  iu  und  mich 
über  einander.  —  für  die  lesung  von  B  hat  diese  abschrift  an 
einigen  stellen  wert;  so  4164,  nach  welchem  verse  B  dieselben  verse 
hat,  welche  5763.  4  stehen:  aber  in  B  sind  sie,  was  Benecke  über- 
sah, deutlich  vom  Schreiber  gestrichen  und  der  Li?idauer  hat  sie 
demgemäfs  nicht  abgeschrieben. 

Berlin.  EMIL  HEiNRICI. 


DIE  TÜBINGER  RENNERHANDSCHRIFT. 

Bei  der  lectüre  der  jüngsten  Untersuchungen  über  Hugo  von 
Trimberg  (Zs.  28,  145/fj  erinnerte  ich  mich  einer  im  jähre  1879 
an  mich  ergangenen  bitte  von  Seiten  des  herrn  stud.  Gustav  Ehris- 
mann in  Heidelberg  um  nähere  auskunft  über  die  Rennerhandschrift 
in  der  Tübinger  Stiftsbibliothek,  es  wollte  damals  nicht  gelingen, 
die  hs.  ausfündig  zu  machen,  und  auch  bei  Wölfel  aao.  s,  175 
heifst  es  jetzt  über  sie  'seit  mehr  als  'Ih  jähren  verschwunden.'  dass 
der  umfangreiche  codex  abhanden  gekommen  sein  sollte,  war  von 


J16  DIE  TiBlNGER  KEININEKHANDSCHRIFT 

vor7i  herein  nicht  glaublich,  er  hat  sich  denn  jüngst  auch  wider- 
geßinden  oder,  richtiger  gesagt,  er  hat  nie  seinen  alten  ehrwür- 
digen ruheplatz  verlassen,  nur  der  moderne  einband  ist  schuld 
gewesen,  dass  man  beim  suchen  den  alten  codex  übergieng.  da 
die  hs.  ( T)  für  die  geschichte  der  Überlieferung  sowie  für  die  text- 
kritik  nicht  ohne  wert  ist,  so  möge  folgenden  bemerkungen  mit 
rücksicht  auf  einen  künftigen  neuen  herausgeber  des  Renners,  der 
sich  doch  wol  noch  finden  wird,  hier  räum  gegeben  sein. 

Eine  beschreibung  der  hs.  (nr  24)  gab  CPhConz  Beiträge  für 
Philosophie,  geschmack  und  litteratur  1  (1786),  s.  S2— 131  und 
Kleinere  prosaische  Schriften  vermischten  inhalts  2  (1822),  s.  290  bis 
345,  vgl.  noch  Bamberger  ausgäbe  vorrede  nr  14.  ich  füge  nur 
hinzu  dass  jetzt  die  blätter  gezählt  sind,  es  sind  im  ganzen  328 
(nicht  319):  nach  290  sind  jedoch  die  folgenden  38  blätter  noch- 
mals als  230 — 264.  267 — 269  numeriert,  sodass  jetzt  scheinbar 
die  hs.  nur  269  blätter  zählt,  bl.  269*  (richtiger  328")  hei f st  es 
in  roter  schrift  Finitus  est  über  ille  per  me  MartiDuni  boscli 
(';i|)[>ellanum  providi  viri  laurency  kraffit  Anno  domini  mcccc" 
Ixxiij  In  vigilia  saucü  Jacobi ,  vgl.  Janickes  dissertation  s.  10 
nr  16.     der  dialect  ist  alemannisch,  ober  schwäbisch. 

T  ist  nicht  mit  Wölfel  s.  175  in  die  hssgruppe  i  einzureihen, 
welche  die  ursprüngliche  gestall  des  Renners,  wie  sie  aus  Hugos 
feder  hervor gieng ,  repräsentiert ,  sondern  gehört  der  gruppe  u  an, 
der  redaction  des  Michael  de  Leone,  auch  in  T  finden  sich 
Michaelsche  capitelzahlen.  statt  42  bietet  T  jedoch  nur  40  capitel, 
da  Michaels  cap.  5  und  6  hier  nicht  als  besondere  capitel  gerechnet 
sind,  sodann  ist  zu  bemerken  dass  cap.  1  und  2  (v.  4  ff.  4'lff)  in 
T  nicht  durch  capitelnummern  gekennzeichnet  sind:  erst  vor  /;.  274 
erscheint  in  roter  schrift  cap.  iij  angemerkt,  dem  dann  gleichfalls 
rot  V.  274.  275  folgen,  für  die  bestimmung  des  hssverhältnisses 
hat  Wölfel  s.  187  /f  seine  belege  den  versen  11506 — 11633. 
nS90_12017.  17282—17409.  22160—22289  entnommen,  diese 
allein  haben  sich  aus  dem  ersten  bände  des  Michaelschen  haus- 
buches  (\y^)  erhalten  und  gewähren  uns  somit  den  bestbezeugten 
Michaelschen  text,  vgl.  Wölfel  s.  ill  f.  ich  teile  im  folgenden 
hierzu  die  Varianten  aus  T  mit,  unter  Zugrundelegung  des  Bam- 
berger drucken  und  mit  berücksichtigting  der  zu  T  sich  stellenden 
lesarten  der  anderen  hss.,  soweit  Wölfeis  Untersuchung  mir  dafür 
das  material  an  die  hand  gibt. 

11506—11633  =  T  bl.  149"— 151\  51 0  im.  513  rebte 
fehlt.  515  lere  (gBlFUf,  vgl.  Wölfel  s.  192.  195).  516  gescbrilll. 
522  ingesiude.  523  |bij  nid  vnd  l)y.  nach  525  rote  Überschrift 
von  Stechern.  526  möclit  —  soltl  (W^'gf).  527  wen  so  immer. 
tatternicndbn.  536  pris.  da  fehlt.  537  dannen.  538  nie. 
539  da/j  den.  540  zwang,  diser  (dirre  W^BlUf).  541  sunst 
uil  s.  543  ains  beides.  544  die  z.  kaineu  breis  beiagen. 
546  mit   den   (W").      547  wo    och.      darnach  keine  Überschrift. 


DIE  TÜBINGEH  RENNERHANDSCHRIFT  117 

548  wen  es  haben  manig  tunie  (hant  manige  tüme  VP').  551 
beiagen]  söllich  (sogetaa  W'j.  554  ain  seh.  556  sollich. 
559  Schwerter  o  we.  561  her  Jhesu  crist.  nach  563  Ringern 
(W').  565  als]  an  (W^).  566  leben  oder]  layen  vod.  567  das. 
572  soUich  (sogetan  W^EGgYB).  on  nott  (uunot  W^g.  ane  n. 
EGYBlFUf,  vgl.  Wölfel  s.  192.  195).  573  lege  (BlFÜf).  sunst 
uil  s.  (sust  wol  (sust  vil  g)  sanfter  W^EGgYB).  576  ros. 
577  vnd  sporn  vnd  alle  sin  gedencken  setzett  vn  spitzet  (vgl. 
Wölfel  s.\^9.  193/.  197).  578  nocÄ  579.  582  das.  nacÄ  583 
rote  Überschrift  Ain  geschichlt  von  zwaiu  kempfern  (Ein  mere 
von  zwein  kempfen  W^).  584  kenpffer  vor  zitt  w.  b.  (wilüt  W^). 
587  weitt.  588  in.  589  mitl  flys  sy  (W^YBF).  591  diser. 
600  kenppfer.  601  iustieres.  606  kosten.  607  vnd  durch  goste, 
610  Haut  er  (Hat  der  W').  611  ainem  —  ainem.  613  fehlt. 
617  durch  spott  zu  dem.  618  in  fehlt.  619  bin]  dar.  621  vTi 
and^]  anders  vnd  (\r>gY,  vgl.  Wölfel  s.  188.  189.  196).  622  vnd] 
wer.  624  [ein]  warf!"  diser  lebelin.  629  wurff  au  hochen  (W^G). 
632  Machett  wo  das  (s.  Wölfel  s.  195). 

11890—12017  =  T  hl.  154'— 156*.  896  furcht  ob  sy  die 
(W'";.  899  wirtt  selten  (W'gA,  vgl.  Wölfel  s.  192.195).  902  D'] 
das.  besser  vor  (W^g,  Wölfel  s.  195).  903  dene]  dem.  904  myne. 
905  das  w.  des  h.  do  heiraen  1.  909  der]  Sünden.  911  nit. 
912  w.  auch  niht]  weltt  ivch  nitl  (werk  iu  niht  W^g,  vgl.  Wölfel 
s.  194).  913  törst.  915  sust]  süsse  (süz  W'j.  918  mägt  sin. 
920  nauch.  928  Swelhe]  wer.  929  woltt  yemant  (ieman  W^G). 
930  räch.  932  vor]  vmb.  935  onkünsch.  "  938  rechtt  vns  nun 
(s.  Wölfel  s.  190).  939  täntz.  weih  reye  fehlt.  943  Sam]  Also 
(ylg).  944  hoffartt.  951  sol  och.  952  falsches  (valchs_es  W"). 
961  red  (rede  g^BFUf).  963  Sie]  Tamütt.  sünde  vn  fehlt. 
967  [doch]  tratzer  mütt.  968  baide  (W^E).  969  beste.  971  scho- 
wett.  976  hoffertiger,  vnkünsch  onküstig.  979  klaine.  982  das 
dunck  raängen  menschen  gütt.  984  gütte  onlang  belibett.  985  im] 
nun.  onrechtt  tet.  989  dar  nauch  fin].  994  glisner.  999  sül- 
lent.  levte]  litt.  12002  in]  ain  (W'G).  003  ains  (eines  W^G). 
005  glitt,  vgl.  Wölfel  s.  192.  006  vmb  vor  gat.  009  leben. 
011  sollt  nit.     012  Vnd  ob.    sin.     016  glissenhailt.     017  d'  fehlt. 

17282— 17409  =  r  R  225'>  —  227\  284  sin  nyemant. 
285  onkünsch.  286  rouber.  290  nach  291  (W').  295  [in]  ir 
(W^Xgl,  vgl.  Wölfel  s.  192).  297  den  fehlt.  303  des  nun 
(BIFU).  304  vnd  sorg  im  begernt.  305  lengt  (leoget  W^). 
306.  307  fehlen.  312  zelen  w.  nun  im.  betten.  314  vnd  mitt 
wercken.  317  der.  eren  glich.  319  ontugenden  (W^G).  329 
hautt.  332  Vns]  Vnd.  335  ain  vichlt  schon.  336  Aichen  pawm. 
339  witzzich]  alter.  340  ainem.  vnd  fehlt.  343  Schön,  liechter. 
344  feyel.  345  krusfs  gel  haur  uff.  346  richlich.  347  geboren 
magdten  frölich.  348  Schön  gemeld.  349  griffel]  stiler.  schülers. 
355  vnd  schribern.     356  f.  hoche  milte.     357  reine]  hoch.    362 


118  DIE  TÜBINGER  RENNERHANDSCHRIFT 

Ivlusen.  367  Daz]  der.  368  vor  zitten.  pliblich  :  strich.  371  als 
nun  iiil.  372  yeren  (irn  BlFUf).  378  schul  1er]  schnler.  383  vnd 
ander  ontugenUi'TP).  386  dem  ('W'^Gj.  387  nyuder.  391  lertt. 
398  viles.     399  loffen.     402  pauer.     403  wurden.     408  allerlay. 

22160—22289  =  T  hl.  235"  (statt  296'')— 237"  (statt  298"). 
161  zwainen.  162  war  g.  vnd  war.  163  gantz  vnd  gar.  166 
dester.  167  zu  aim  maul  mer  den  zwiruntt.  169  an  ir  kr. 
173  es.  \r  fehlt.  174  begyrung  (nnr  E^G  bediutunge,  vgl.  Wölfel 
s.  189).  177  Süllen.  \ehe\\  (W^gylF).  182  lop]  worlt.  siillen 
w.  meren.  1S7  nitt.  188  krafft  sprach.  190  Sy.  192  miis- 
sent.  194  hebett  vnd  wendett.  195  des.  geben  (W^G).  nach 
203  rote  Überschrift.  Von  mängerley  sprach  der  lande.  204  eben 
will.  213  vnderschaid  1.  vnd  (W^Gg)  land.  215  an  wage]  vü. 
216.  217  fehlen  (W^yl,  vgl.  Wölfel  s.  194.  195).  219  Die  fehlt. 
220payer.  224wetriber.  225  wol.  226^schwenckent,  schren- 
ckentt,  lenckentt,  senckentt.  229  Kernten.  230  Beheiu  vnger, 
231  hackentt.  232  frautzois  walhen  vnd.  233  Norbey.  237  vnd 
kaldeisch.  239  der.  243  in  siuem  g.  wol.  244  d']  er  (^g). 
245  nauch  kunst  (ylg).  250  wirgen.  252  Wen]  von.  254.  5 
enden  :pfenden.  255  dar  vmb  sy  ('IF",  sie  darum  gi^ij.  260  er 
ist.  261  gelogen.  262  sy  das.  264  besuudren.  265  allen  frOmeu 
fr.  (WBFUf).  270  Sins  valterlants.  272  nitt  tugentt  (W^E). 
273  sein]  (dryen:)bliben.  277  latt.  282  über  alle  land  (W^). 
287  hangelt,     kelen.     288  in  dem  g. 

In  den  verglichenen  partien  stellt  sich  T  überwiegend  zu  VF", 
demnächst  am  meisten  zu  g^I,  dagegen  in  den  von  Wölfel  s.  188 
im  ersten  absatz  angeführten  versen  ausnahmslos  zu  W'  gegen  EG. 
mithin  wäre  T  im  Stammbaum  (s.  206)  bei  gyl  einzureihen  und 
zwar  möglicher  weise  in  der  art,  dass  T  und  die  vorläge  von  gyl 
sprossen  einer  und  derselben  wurzel  sind,  doch  lasse  ich  letzteres 
bei  dem  geringen  mir  zur  Verfügung  siehenden  material  einstweilen 
lieber  dahingestellt.  —  zu  den  von  Wölfel  s.  \lb  ff  angeführten 
Rennerhss.  wären  noch  nachzutragen  eine  Dessauer  papierhs.  vom 
jähre  1408  (Germ.  24,  121)  und  Halberstädter  fragmente  ans  den 
Jahren  1520—  1530  (Zs.  f.  deutsche  phil.  12,  144).  —  über  Hugo 
vql.  noch  HWeber  Geschichte  der  gelehrten  schulen  im  hochstifte 
Bamberg  1  (1880),  bb  ff. 

Tübingen  1  august  1884.  PHILIPP  STRAUCH. 


PARALLELEN  ZUR  Ulli).  LYRIK. 

1.  über  die  innige  liauenklage  Ich  zöch  mir  einen  valken 
MKS,  33 IT  haben  nach  Haupt  ua.  Scherer,  Vollmöller  und  zuletzt 
in  dem  schünen  aulsalz  Zs.  27,  343  IT,  doch  nnt  einer  bestreit- 
baren auH'assung  s.  363  IV  Hurdacb  gehandelt,  das  motiv  wurde 
von  Haupt   in    eineui  italienischen  sonelt   des  13  jhs.,  von  Voll- 


PARALLELEN  ZUR  MHD.  LYRIK  119 

möller  Kürenberg  1874  s.  20  in  einem  lied  aus  Bologna  nach- 
gewiesen; dort  ist  ein  Sperber  entflohen,  hier  ein  sprosser.  die 
schönste  parallele  aus  der  romanischen  dichtung  bietet  aber  eine 
chanson  des  15  jhs.,  von  GParis  schon  Romania  1,  117  und  mit 
neuen  bemerkungen  in  der  vortrefflichen  Sammlung  Chansons  du 
xve  siecle  (Societe  des  anciens  textes  franfais)  Paris,  Didot,  1875 
s.  29  f  veröffentlicht,  eine  dame  klagt  um  den  entflohenen  häher 
(geai).  die  epische  schlussstrophe  betont  die  freie  natur  des  vogels, 
dh.  des  mannes,  wie  die  frau  MF  37,  8  den  falken  wegen  seiner 
ungebundenheit  beneidet,  gabiolle  1,2  ist  das  italienische  gabiolla, 
'käüg';  die  corruptel  daufve  2,  2  hat  GParis  erst  nachträglich, 
vgl.  vorrede  s.  xvi  in  dolle  als  alte  form  des  lothringischen  doulle, 
käfig,  emendiert.     der  Wortlaut  ist  nun  folgender: 

J'ay  bien  nourry  sept  ans  ung  joli  gay 
Ell  U7ie  gabiolle 

Et  quant  ce  vint  au  premier  jour  de  may 
Mon  joli  gay  s'en  vole. 

II  seil  vola  dessns  un  pin 

A  dit  mal  de  sa  dolle. 

'Revieiis,  reviens,  mon  joli  gay, 

Dedaus  ta  gabiolle; 

D'or  et  d'argent  la  te  feray 

Dedans  comme  dehors.' 

'Ja,  par  ma  foy,  n'y  entreray 

De  cest  an  de  de  lautre.' 

Le  gay  vola  aux  bois  tont  droit; 

11  feiet  bien  sa  droiture, 

Ne  retoumer  ne  doit  par  droit, 

Franchise  est  sa  nature. 
in  eigentümliche,  abliegende  beziehung  bringt  die  serbische  poesie 
die  verlassene  frau  zu  der  tiervvelt,  Talvj  2^  210.    eine  serbische 
Sappho,  deren  Phaon  ihr  eine  Melitta  vorgezogen,  fragt  im  wähl 
einen  hirsch,  weshalb  er  so  einsam  grase,     er  antwortet: 

Geh  von  hinnen,  lass  mich,  schönes  mudchenl 

Ach  ich  hatte  eine  liebe  hindinl 

Gestern  haben  Jäger  sie  gefangen! 
ihm  erwidert  das  mädchen: 

Armes  hirschlein!  uns  ward  ein  geschicke. 

Ach,  auch  ich  hatC  einstmals  einen  lieben! 

Meine  Schülerin  hat  ihn  verlocket, 

Schön  Hajkunniza,  das  böse  mädchen. 

Welche  ich  im  stricken  unterwiesen. 

Möchte  Wahnsinn  sie  dafür  ergreifen. 

Und  im  waldgebirg'  sie  rastlos  irren! 
2.  weder  Bartsch  Album  des  litterarischen  Vereins  in  Nürn- 
berg 1865,  jetzt  ohne  änderungen  und  zutaten  Gesammelte  vor- 
trage  und    aufsätze  1883    s.  250  ff,    noch  Scherer  Deutsche   stu- 


120  PARALLELEN  ZUR  MHD.  LYRIR 

dieü2,  53fl  erwäliueü  die  älteste  alba,  welche  uns  das  Schi-kiug 
iu   türm   eiues    dreistrophigen   Wechsels   überliefert,      die    beiden 
ersten  Strophen  lauten  in  VvStraufs  und  Torneys  ausgezeichneter 
Übersetzung  s.  175  (Tagelied  eines  fürstlichen  pares): 
Schon  liefs  der  hahn  sein  krähn  erschallen; 
Der  hof  erfüllet  schon  die  hallen.  — 
'Das  icar  noch  nicht  des  hahnes  krähn; 
Die  fliegen  machten  dies  getön.' 
Schon  ist  der  osten  licht  erglommen; 
Der  hof  ist  schon  zusammenkommen.  — 
'Noch  lichtet  es  sich  ja  im  osten  nicht; 
Das  ist  des  mondenanfgangs  licht.' 
mit   der  Versicherung,    gern    läge    er   noch  träumend    an   seiner 
gemahlin    seile,    aber  die   hofversammlung   würde   sich    unwillig 
zerstreuen,  schliefst  der  fürst  diesen  frühen  vorklang  einer  Shake- 
speareschen  scene.    doch  entbehrt  die  chinesische  alba  der  Span- 
nung, denn  ehegatten  sprechen  mit  einander,  keine  merker  be- 
drohen ihre  miuue,    nur  das  ceremoniell  muss  gewahrt  werden, 
die  fürstin  ist  minder  peinlich,    und    um  den  pflichteifrigen  ge- 
mahl  länger   zu    behalten,    macht   sie  den  unbequemen  hahn   zu 
summenden  fliegen. 

Endlich  sei  aus  Romeo  und  Julie  noch  eine  stelle  2,  2  an- 
gezogen ,  wo  das  motiv  des  tagelieds  leicht  angeschlagen  und  das 
bild  des  falken  lieblich  ausgemalt  wird.     Julia  sagt  kosend: 
St!  Romeo,  st!  o  eines  Jägers  stimme 

Den  edlen  falken  loider  herzulocken ! 

Es  tagt  beinah,  ich  wollte  nun,  du  giengst; 
Doch  weiter  nicht,  als  wie  ein  tändelnd  mädchen 
Ihr  vögelchen  der  hand  entschlüpfen  lässt, 
Gleich  einem  armen  in  der  banden  druck, 
Und  dann  zurück  ihn  zieht  am  seidnen  faden. 
So  liebevoll  misgönnt  sie  ihm  die  freiheit. 
man    schaut  rückwärts  auf  die  sidinen  riemen,   vorwärts  auf  das 
Zauber fädchen,   an    dem  Lili   den   jungen  Goethe  fest   hält,    und 
auf  die  flucht  von  dieser  Lili 

Wie  ein  vogel,  der  den  faden  bricht 
Und  zum  wähle  kehrt, 
Er  schleppt  des  gefangnisses  schmach 
Noch  ein  Stückchen  des  fadens  nach, 
Er  ist  der  alte  freigeborne  vogel  nicht. 
Er  hat  schon  jeitiand  angehört. 

Wien  15  1x84.  ERICH  SCHMIDT. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       121 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN. 

Burdachs  aufsatz  über  das  alte  deutsche  liebeslied  Zs.27,  343  11 
hat  von  neuem  die  frage  nach  zeit  und  art  der  ältesten  deutschen 
lyrik  aufgenommen,  in  der  sache  mit  ihm  durchaus  übereiustim- 
nieud  möchte  ich  seinen  aufsatz  hier  durch  eine  beweisführung 
anderer  art  zu  ergänzen  versuchen.  Wilmanns,  jetzt  der  haupt- 
vertreter  der  entgegengesetzten  ansieht,  sagt  (Leben  und  dichten 
VValthers,  Bonn  18S2,  s.  16):  'dass  es  vorder  mitte  des  12  jhs. 
eine  weit  verbreitete  lyrik  gegeben  habe,  glaube  ich  nicht;  durch 
Zeugnisse  ist  sie  nicht  zu  belegen,  die  allgemeine  eutwicklung 
des  Volks  spricht  nicht  dafür.'  richtet  sich  nun  Burdachs  auf- 
satz vorzugsweise  gegen  den  zweiten  dieser  Sätze,  mit  denen  Wil- 
manns seine  meinung  klar  und  zusammenfassend  begründet,  so 
soll  diese  arbeit  dem  ersten  gelten,  eine  volkstümliche  lyrik  jener 
zeit  will  ich  durch  Zeugnisse  nachzuweisen  versuchen,  wo  nicht 
durch  würklich  erhaltene  beispiele  derselben,  doch  durch  er- 
schüefsbare.  — 

Für  die  zeit  vor  beginn  der  uns  erhaltenen  mhd.  lyrischen 
gedichte  sind  zunächst  lieder  epischen,  didactischen  und  satiri- 
schen inhalts  durch  vorhandene  belege  über  allen  zweifei  er- 
haben, aber  auch  die  existenz  von  weiteren  liedern ,  die  keiner 
dieser  kategorien  augehören,  ist  allgemein  zugestanden,  sodass 
es  sich  nur  um  die  bestimmung  des  characters  dieser  verlorenen 
lieder  handelt. 

Den  begriff  des  Volksliedes  wird  man  nun  auf  sie  unbe- 
dingt anwenden  dürfen,  wir  verstehen  unter  einem  Volkslied 
ein  gedieht,  wie  es  aus  der  breiten  masse  des  volks  heraus  ein 
einzelner  für  einzelne  zuhörer  dichtet,  meist  wol  improvisiert, 
daraus  folgt  zweierlei:  erstens  dass  diese  lieder  im  wesentlichen 
frei  sind  von  der  eiuwürkung  eines  einzelnen  culturherdes,  wie 
ihn  eine  schule,  ein  hof,  eine  künstler-,  gelehrten-  oder  selbst 
dilettantengesellschaft  darstellt,  und  weiterhin  also  von  fremden 
einflössen,  die  aus  zeillich  oder  räumlich  entfernten  eulturbe- 
strebungen  herüberwürken ;  im  wesentlichen  frei,  sagen  wir,  weil, 
wo  einmal  solche  centren  einer  neuen  culturbewegung  bestehen, 
sie  eine  gewisse  würksamkeit  immer  auch  auf  die  ausstrahlen 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.      X.  F.  XVII.  9 


122       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

werden,  die  diesen  kreisen  nicht  selbst  angehören,  von  solchen 
mehr  zufälligen  einwiirkungen  aber  abgesehen  vertritt  die  volks- 
poesie  denk-  und  ausdrucksweise  der  grofsen  mehrzahl,  zweitens 
ist  mit  unserer  defmition  gesagt,  dass  diese  dichtung  nur  in  sehr 
geringem  grade  individuelle  begabung  voraussetzt,  etwas  wol, 
denn  auch  die  einfachste  art  eines  poetisch  zu  nennenden  ge- 
dankens  und  ausdrucks  liegt  vielen  fern;  aber  wenig,  weil  wir 
den  der  grofsen  menge  eben  nicht  mehr  zurechnen  könnten,  den 
grofses  talent  heraushöbe,  und  weil  zu  gröfserer  Schulung  im 
gebrauch  der  allen  zur  band  liegenden  mittel  auch  erst  eine  be^ 
rufsmäfsige  übung  führen  könnte. 

Dass  nun  jene  vorausgesetzte  dichtung  dieser  art  war,  ist 
um  so  sicherer,  als  auch  die  ältesten  uns  erhaltenen  mhd.  lieder, 
vorab  die  Kürenberglieder,  dieser  art  noch  ganz  nahe  steheo. 
ja  selbst  die  eigentliche  minnepoesie  in  ihrer  älteren  zeit  ist  zwar 
schon  in  dem  sinn  kunstdichtung,  dass  sie  sich  innerhalb  be- 
stimmter nicht  nur  örtlich  sondern  auch  gesellschaftlich  geschie- 
dener kreise  bewegt  und,  den  character  der  gelegenheitspoesie 
allmählich  abstreifend,  zur  entfaltung  von  Individualität  in  kunst- 
mäfsiger  übung  gelegenheit  gibt  —  aber  in  so  fern  weder  diese 
ritterlichen  kreise  von  dem  volk  noch  der  dichter  von  seinen  Zu- 
hörern so  scharf  geschieden  sind,  wie  etwa  heut  zu  tage  das  lese- 
publicum  der  modernen  lyriUer  aus  dem  ganzen  volk  und  aus 
diesem  publicum  wider  die  autoren  selbst  sich  abheben,  möchte 
man  relativ  selbst  jene  dichtung  noch  volkspoesie  nennen  können. 

Der  schvverpunct  der  frage  liegt  also  in  dem  wort  'lyrik'. 
ja  weniger  scharf  als  es  durch  Wilmanns  geschieht  hat  man  die 
frage  gewöhnlich  nur  in  die  formel  zusammengedrängt:  ist  die 
lyrik  jünger  als  die  epik?  dies  haben  Lachmann  (Kl.  sehr,  i  453), 
Wackernagel  (Litteraturgesch.  §68),  Koberstein  (Litteralurgesch. 
s.  56.  212  f),  Martin  (Zs.  20,47),  Bartsch  (Untersuchungen  über 
das  Nibelungenlied  s.  353),  vLiliencron  (Die  historischen  Volks- 
lieder der  Deutschen  i  s.  xvu)  und  eben  Wilmanns  (aao.  und 
schon  Anz.  vii  263)  bejaht,  MüUenhoff  (Zs.  9,  128  f),  JGrimm 
(Kl.  sehr.  II  75),  Scherer  (Anz.  i  199)  und  vor  allen  dann  wider 
Müllenhoff  (MSD^  363  f)  verneint,  die  ganze  frage  ist,  wie 
man  sieht,  wesentlich  eine  zeitfrage,  die  alte  chorische  poesie, 
die  iMüllenhülf  in  seiner  schönen  abhandlung  nachgewiesen  und 
characterisiert  bat,  enthielt  die  keime  der  selbständigen  lyrik  und 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       123 

epik  noch  in  untrennbarer  Vermischung  (Wackernagel  Altfranzö- 
sische lieder  und  leiche  s.  180),  woraus  sich  dann  allmählich 
beide  specialisieren  (vLiliencron  aao.  70.  72  f  und  besonders 
ühland  Sehr,  in  12 :  'wie  alles  natürliche  Wachstum  mit  einem 
zustande  der  geschlossenheit,  des  eingeblätterten  keimes,  anhebt, 
so  erscheint  auch  die  jugendliche  Volksdichtung  nicht  nur  im 
verbände  mit  den  ihr  verschwisterten  kiinsten  des  gesanges  und 
des  tanzes,  sondern  es  sind  auch  in  ihrem  eigenen  bereiche  die 
poetischen  grundformen,  lyrisch -didactisch,  episch,  dramatisch, 
erst  noch  ohne  schärfere  abgränzung  beisammengehalten  und  ent- 
wickeln ihre  besonderen  ausätze  nur  allmählich,  je  nach  gegen- 
ständ und  bedürfnis,  zu  verschiedenen  dichtgattungen.'  vgl.  auch 
Geijer  über  den  kehrreim  in  Mohnikes  Altschwed.  balladen  s.  286). 
dass  nun  weiter  die  lyrischer  entwicklung  zuneigenden  liedchen 
dieser  art  vorzugsweise  bei  fest  und  tanz  gepflegt  wurden  (Kober- 
stein  s.  213),  gibt  auch  Wilmanus  zu;  nur  bestreitet  er  dass  solche 
zum  tanz  gesungenen  lieder  sich  als  ausdruck  persönlicher  empfin- 
dung  gaben  (Leben  Walthers  s.  17).  ähnlich  nahm  auch  Müllen- 
hoff  (Schleswig- Holsteinscbe  sagen  s.  xxv)  an,  die  empfindung 
sei  erst  im  12  jh.  so  mächtig  geworden,  'dass  mitten  in  einem 
reicheren,  behaglicheren  leben  die  lyrik  entsprang.'  bei  gleicher 
grundanschauung  nimmt  er  also  rein  lyrische  ausbildung  dieser 
liedchen  früher  an  als  Wilmanns.  weiter  noch  geht  Schmeller, 
der,  wenn  ich  seine  nicht  ganz  deutlichen  worte  richtig  verstehe, 
den  noch  lebenden  schnadahüpferln  der  bairisch- österreichischen 
bauern  völlig  die  'ex  tempore  entschlüpfenden  gereimten  einfalle' 
aus  der  zeit  der  reihen-  und  tanzweisen  Neidharts  und  anderer 
gleichstellt,  einfalle,  die  man  des  aufschreibens  nicht  wert  ge- 
halten habe  (BWB  n- 587).  somit  haben  wir  denn  schliefslich 
die  kernfrage  so  zu  formulieren:  hatten  jene  mit  bestimmtheit 
vorauszusetzenden  volksliedchen  in  der  zeit,  die  den  ältesten  uns 
erhaltenen  mhd.  liedern  vorausliegt,  schon  würklich  lyrischen 
character?  eine  frage,  die  wir  ganz  mit  Schmeller  beantworten 
möchten:  wir  glauben  in  jener  poesie  die  rein  lyrische  gattung 
zwar  in  der  minderheit,  aber  wol  schon  vertreten  —  gerade  wie 
in  jenen  süddeutschen  Vierzeilern,  i 

*  ich  muss  noch  anführen  dass  auch  die  jener  gewis  mit  recht  all- 
gemein herschenden  grundanschauung  entgegengesetzte  auffassung  ausge- 
sprochen worden  ist:   die   lyrik  sucht  als  älter  als  die  epik  nachzuweisen 

9* 


124       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Eine  allgemeiner  gehaltene  vergleichiing  mit  den  noch  ge- 
sungenen Vierzeilen  der  bauern  gestatten  für  die  ältere  volkspoesie 
die  uns  daraus  am  besten  überlieferten  spottverse  —  den  spott- 
versen  unter  jenen  vollkommen  analog,  von  solchen  improvi- 
sationen  sind  uns  erhalten  eigentliche  spottstrophen :  MSD  xxviii'' ; 
bruchstück  eines  ähnlichen  iiedchens  MüUenhotf  Zs.  18,262;  die 
trutzstrophen,  die  gegen  Neidharts  lieder  gerichtet  sind,  s.  Haupt 
Neidhart  s.  134,  obwol  in  der  form  den  angegriffenen  Strophen 
angepasst  (Scherer  Zs.  17,563  und  Deutsche  Studien  ii452; 
Bartsch  Liederdichter  xxvi;  über  andere  parodien  der  art  vgh 
noch  ühland  Walther  von  der  Vogelweide  s,  80,  Lachmanu  zu 
Walther  39,  1,  dem  sich  Martin  Zs.  20,  65  anschliefst,  während 
Burdach  Reinmar  und  Walther  s.  168  ihn  bekämpft);  endlich 
sind  in  Neidharts  eigenen  winterliedern  ebenfalls  Umformungen 
von  spottliedern  zu  erkennen,  vgl.  ferner  Wackernagel  LG  3,  13. 
22,  4.  36,  13.  Scherer  D.  st.  i  331  f.  348.  umgearbeitet  liegen 
sie  auch  oder  doch  mindestens  eingearbeitet  in  eddischen  stücken 
wie  dem  Harbardslied   und   in  den  scheltstrophen  der  epen  vor. 

Raum  von  diesen  spottversen  zu  scheiden  sind  leichte  Im- 
promptus meist  neckischer  art  wie  etwa  Uhland  Volkslieder  str.  195; 
ein  ernsteres  MSD  viii  (gegen  Henrici  Zur  geschichte  der  mhd.  lyrik 
verteidigt  von  Sleinmeyer  Anz.  ii  147)  und  MSD-  289.  hierher 
gehört  das  auch  von  Martin  (Zs.  20,  47)  und  Wilmanns  (Leben 
Walthers  s.  17)  als  alt  und  volkstümlich  anerkannte  ringelreihen- 
liedchen  Carmina  burana  129';  alte  rätsellieder  (Uhland  Schriften 
III  189  f.  MSD'  485  f.  Scherer  D.  st.  i  345),  kettenreime  (Bartsch 
Germania  xxv  335,  vgl.  MSD  xvii  28—29.  xlvu  2,  11  —  12.1  Vom 
übelen  wibe  59  —  60.  66  ff)  und  vor  allem  zahlreiche  verse  gno- 
raischen  inhalts  (vgl.  Lachmann  bei  Scherer  D.  st.  i  316  anm.). 
Talvj  Versuch  einer  geschichtlichen  characteristik  der  Volkslieder  germani- 
scher iiation  ,  Leipzig  1S4(),  s.  5f —  eine  schrift  übrigens,  die  mindestens 
als  einen  versuch,  Herders  Stimmen  der  Völker  erneuert  l'oitzuführen ,  Bur- 
dach Zs.  27,  345  anm.  2  hätte  nennen  sollen,  ein  noch  weiteres  ziel  hat 
sich  Sclierr  in  seinem  Bildersaal  der  weltlitteratur  gestellt,  auch  die  kunsl- 
dichtung  in  die  vergleichung  hineinziehend  und  in  der  auswahl,  soweit  ich 
es  beurteilen  kann,  nicht  unglücklich. —  ähnliche  anschauungen  wie  Talvj 
sprechen  zb.  Auerbach  (Schrift  und  volk  16),  Westphal  (Metrik  der  Griechen 
II  27t  vgl.  273),  Schipper  (Ältenglische  mctrik  20)  aus. 

'  proventalische  kettenreime  bei  Arnaut  de  Marvill  (Bartsch  Chresto- 
mathie provenvale  93,  4  —  5.  vgl.  19—20.  29  —  30,  auch  35  —  36,  ferner 
96,7  —  8). 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       125 

darau  schliefsen  sich  beschwörungsformeln  udgl.,  lieder  religiöser 
natiir,  und  von  diesen  leiten  lohsprüche  auf  herren  und  günuer 
wider  auf  die  bei  entgegengesetzter  tendenz  gleichgearteten  spott- 
lieder  zurück. 

Ist  damit  nun  würklich  das  gesammtgebiet  der  alten  volks- 
poesie  in  ihren  kleineren  erzeugnissen  (die  hier  natürlich  allein 
in  betracht  kommen)  erfüllt?  mit  apderen  werten:  war  alles, 
was  uns  verloren  ist,  mit  dem  erhaltenen  gleichartig? 

Ich  widerhole  hier  nicht  die  dagegen  sprechende  auslegung 
der  Zeugnisse  über  das  winileod  (s.  Müllenhoff  Zs.  9,  128f)  und 
über  das  liebeslied  (s.  besonders  Scherer  QF  xii  70).  man  fand 
bei  alledem  auffallend  dass  so  gut  wie  nichts  erhalten  sei.  mit 
recht  ist  dem  gegenüber  darauf  hingewiesen  worden ,  wie  selten 
dergleichen  fliegende  Improvisationen  zur  schriftlicheu  aufzeich- 
nung  kommen,  wie  viel  geringer  als  bei  den  für  weitere  kreise 
bestimmten  gedichten  epischen,  didactischen,  religiösen  inhalts  bei 
dieser  gelegenheitsdichtung  des  einzelnen  für  den  einzelnen  die 
Wahrscheinlichkeit  längerer  aufbewahrung  im  fall  sogar  des  auf- 
schreibens  ist  (Schmeller  aao.,  Talvj  s.  6  a.).  so  ist  denn  auch 
von  dem,  was  uns  übrig  blieb,  wenig  in  reiner  form  erhalten: 
von  den  spottversen,  Sprüchen  gnomischen  inhalts,  kettenreimen 
ist  uns  das  meiste  in  späterer  Überarbeitung  und  anwendung  er- 
halten, am  deutlichsten  stellt  sich ,  wie  ich  glaube,  die  art,  wie 
ältere  lieder  durch  jüngere  dichter  halb  erhalten  und  halb  zer- 
stört wurden,  an  den  lanzliedchen  dar,  die  ja  wider  einer  all- 
gemein zugestandenen  gattung  angehören  und  deren  ununter- 
brochene tradition  von  den  ältesten  zelten  bis  zur  blütezeit  des 
minnesangs  die  vergleichung  des  seit  dem  10  jh.  auf  Island  ge- 
sungenen liedes  von  Ingolf  mit  den  reihen  Neidharts  beweist  (Mül- 
lenhofl"MSD-  364.  Uhland  Sehr,  in  397  anm.  66).  aber  Neidhart  hat 
nun  nicht  etwa  immer  entsprechende  tanzlieder  ganz  in  derselben 
art  weiter  gedichtet,  seine  sommerlieder  zeigen  zwar  noch  den- 
selben typus  nur  in  einer  fortgeschrittenen  entwicklung;  in  den 
Winterliedern  aber  hat  er  das  ursprüngliche  tanzlied  dh.  die  auf- 
forderung  zum  tanz  nur  noch  als  kern  einer  Verschmelzung  vod 
tanz-,  liebes-  und  spottlied,  bis  er  schliefslich  dies  dement  ganz 
fortwirft,  dies  habe  ich  mich  bemüht  in  meiner  dissertation  (Die 
reihenfolge  der  lieder  Neidharts  s.  133  f)  nachzuweisen  und  als 
beispiele  der  nur  formell  umgestalteten  volkstümlichen  ansage  des 


126       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

tanzes  gerade  iu  Neidharts  ältesten  winterliedern  die  stücke  N. 
38,  9—39,  20.  44,  36—45,  17.  35,  1—22.  36,  38—37,  8.  40, 
13  —  36  aufgestellt,  diese  versgruppen  (deren  absonderuug  die 
durchaus  nicht  einheitliche  composition  der  gedichte  nicht  blofs 
rechtfertigt,  sondern  geradezu  verlangt)  zeigen  in  aufbau  und 
Inhalt  gerade  das  —  und  nur  das  — ,  was  die  aualogie  der  reiner 
erhaltenen  reihen  erwarten  liefs:  naturbild —  aufforderuug  zum 
tanz  —  tanzbild,  nur  das  letztere  individuelle  zutat  des  einzelnen 
gedichts.  hierfür  habe  ich  erst  jetzt  eine  weitere  bestätigung  in 
den  deutschen  Strophen  der  Carmina  burana  (über  die  noch  weiter 
zu  handeln  ist)  gefunden,  neben  jenem  ringelreihenvers  129* 
nämlich  haben  wir  zunächst  noch  ein  tanzliedchen  einfachster 
form  100%  indem  allerdings  die  aufforderung  zum  tanz  vor  dem 
naturbild  steht —  eben  dies  aber  beweist,  wie  ich  glaube,  dass 
auch  hier  Umgestaltung  eines  alten  lanzliedchens  vorliegt,  und 
noch  klarer  scheint  sich  dasselbe  Verhältnis  in  lOS"*  zu  ergeben, 
wo  au  einen  erweiterten  natureingang  sich  die  einladuug  zum 
tanz  in  einfachster  und  altertümlichster  weise  anschliefst,  daran 
wider  eine  minneformel.  aber  auch  in  lateinischen  Strophen 
scheint  mir  dasselbe  vorzuliegen:  100  die  Übersetzung  und  Um- 
arbeitung und  108,  4  naturbild  mit  ansage  des  orts  allein,  das 
Verhältnis  zwischen  den  lateinischen  und  den  deutschen  Strophen 
bleibt  damit  noch  unberührt,  da  natürlich  der  lateinische  dichter 
dem  alten  lied  eine  neue  form  geben  konnte,  die  nachahmung 
fand,  solche  fälle,  dass  lieder  der  einfachsten  form,  sogar  wo 
der  grund  der  Übersetzung  in  eine  andere  gestalt  verlangenden 
fremden  spräche  fehlt,  künstlicher  umgebildet  werden,  haben 
wir  auch  sonst;  so  hat  Hartmann  reimpare  seines  zweiten  Büch- 
leins in  lyrische  slrophen  umgeschrieben  (Haupt  zu  MF  214, 
12.  23),  und  ich  glaube  dass  auch  die  trutzstrophen  der  bauern 
gegen  Neidhart  wenigstens  teilweise  erst  aus  Vierzeilern  der  ein- 
fachsten form  in  die  der  provocicrenden  Strophen  umgegossen 
wurden,  namentlich  die  bei  Haupt  s.  157.  198.  217  abgedruckten, 
wie  man  also  auch  über  die  lateinisch  und  deutsch  überlieferten 
Strophen  der  CB  denken  möge  —  wir  dürfen  in  all  diesen  fällen 
Umarbeitung  alter  tanzliedchen  von  innerlich  und  äufserlich  ein- 
fachstem bau  annehmen  und  hätten,  allerdings  nur  einer  unbe- 
zweifelten  gatlung,  einige  Vertreter  der  ältesten  zeit  gesichert. 
Wir  verlassen    nun    das  gebiet   der   anerkannten   gattungen 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       127 

der  volkspoesie  und  gehen  zur  lyrischen  dichtung  über,  in  deren 
mittelpunct  natürlich  das  liebeslied  steht. 

Das  älteste,  was  uns  erhalten  blieb,  ist  die  unschätzbare 
Sammlung  der  RUrenberglieder  sammt  der  unter  Dietmars  namen 
überlieferten  Strophe  MF  35,  32:  vor  1180  (Scherer  D.  st.  i5l2), 
und  die  lieder  des  burggrafen  von  Regensburg,  dann  Meinlohs 
und  des  burggrafen  von  Rietenburg  1176  —  84  (ebenda  511); 
weiter  zurück  nur  einzelne  liedcheu:  MF  3, 7:  1154 — 60  (ebenda 
512),  MF  37,4.18,  wider  Dietmar  zugeschrieben,  wol  noch 
früher,  endlich  MF  3,  1  in  den  briefen  Wernhers  von  Tegernsee 
und  also  um  1170  (Wackeruagel  LG- 203).  diese  Zeitangaben 
würden  also  eine  lyrik  vor  1160  bereits  beweisen,  da  den 
Strophen  37,  4.  18  lyrischer  character  nicht  gut  abgesprochen 
werden  kann;  aber  bei  ihrer  anonymität  ist  die  datierung  doch 
nicht  ganz  sicher.  MF  3,  7  dagegen  ist  wegen  der  anspielung 
auf  Eleonore  von  Poitou  genau  in  jener  frist  bestimmt;  biet  aber 
wird  die  ursprüngliclikeit  der  deutschen  sirophe  angezweifelt,  die 
anderen  fallen  über  jene  zeitgränze  hinaus,  aber  es  ist  zu  be- 
achten dass  auch  von  ihnen  eins  der  ältesten  stücke,  MF  3,  1, 
als  teil  eines  briefes  nur  ganz  zufällig  erhalten  ist  und  neben 
sich,  wie  es  scheint,  noch  ein  anderes  eingearbeitetes  liedchen 
hat:  einmal  bilden  die  deutscheu  sätze  fast  genau  einen  Vierzeiler 
der  ältesten  art  (224,  26  f  desne  soltu  —  nicht  liep).  man  könnte 
das  aber  für  zufällig  erklären  und  diese  wie  die  anderen  reimenden 
deutschen  zeilen  der  reimprosa  des  lat.  textes  (Wackern.  204,  40) 
gleichstellen  wollen,  so  brauchte  ein  würkliches  lied  noch  nicht 
vorgelegen  zu  haben,  wenn  bei  Wernher  sich  aufser  MF  3,  1 
noch  weitere  deutsche  verse  finden  (Wackern.  204,  41  nach 
Kugler,   s.  u.). 

Endlich  aber  liegen  solche  bearbeitete  liedchen  zum  teil  aus 
der  zeit  vor  1160  meiner  meinung  nach  in  deutschen  Strophen 
der  CB  vor,  deren  besprechung  wie  meine  ansieht  über  jene 
deutschen  zeilen  in  Wernhers  briefen  ich  aber  noch  einen  augen- 
blick  aufschieben  muss.  — 

Wir  haben  noch  einen  letzten,  sehr  wichtigen  fall  der  be- 
arbeitung  eines  liedchens  anzuführen,  den  ältesten:  den  liebes- 
grufs  im  Ruodlieb  xvi  10  —  14  (vgl.  MSD- 362  f),  also  schon  aus 
dem  11  jh.  mit  vollem  recht  sind  diese  verse  seit  Müllenhoffs 
anmerkung  als   das  wichtigste  zeugnis  einer  alten   eingeborenen 


12S       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

lyrik  augeseheu  und  verwertet  worden ,  so  zuletzt  wider  von 
Burdach.  dagegen  hat  sich  denn  auch  Wilmanns  (Lehen  Walthers 
anm.  i  36  s.  293)  mit  nachdruck  gewandt,  iodem  er  auf  Uhlands 
Worte  (Sehr,  iii  261  f)  sich  stützt,  sieht  wol  auch  er  in  jenen 
Worten  anspieluug  auf  einen  deutschen  den  lesern  des  Ruodlieb 
wülbekaunten  liebesgrufs;  solche  liebesgrüfse  aber,  zunächst  durch 
mündlichen  auftrag,  dann  brieflich  übermittelt  und  für  den  letz- 
teren zweck  als  briefmuster  fest  formuliert,  gehörten  wol  zur 
minnepoesie,  nicht  aber  bewiesen  sie  für  die  existenz  einer  volks- 
tümlichen sangesmäfsigen  lyrik  im  11  jh.,  von  lyrischem  minne- 
sang  seien  sie  wesentlich  verschieden,  diese  worte  haben  mehr 
für  sich,  als  man  im  ersten  augenblick  geneigt  sein  wird  zuzu- 
geben, allerdings  ist  die  gleichartige  stelle  Froumunds  gleich- 
falls ein  briefaufang,  eine  dritte  spätere  stelle,  die  Seiler  (Ruod- 
lieb s.  161)  vergleicht,  wol  derselben  art.  und  ferner:  wir  treffen 
in  den  Epistolis  obscurorum  virorum,  die  auf  so  interessante 
weise  gerade  die  art  des  vulgären  brieflichen  ausdrucks  im  gegen- 
salz zu  gelehrten  prunkiiriefen  zeigen,  (und  wol  nicht  nur  in 
ihnen)  widerholt  den  liebesgrufs  bald  rein  erhalten,  bald  in  gro- 
tesken Umformungen  (wie  schon  in  der  von  Seiler  aao.  anm. 
angeführten  stelle)  an ,  immer  als  grufsformel.  ich  führe  allein 
die  fälle  aus  dem  ersten  bände  der  ausgäbe  Londini  1689  an: 
briefanfang:  Salutem  maximam  et  mnltas  bonas  noctes  sicut  sunt 
stellae  in  c€elo  et  pisces  in  mari  (s.  21);  Salutes  tot  quot  habet 
coelnm  Stellas  et  mar e  arenas  (s,  39).  Überschrift:  tot  salutes  quot 
aucw  comedunt  gramina  (s.  139);  tot  salutes  quot  in  uno  anno 
nascuntur  culices  et  pulices  (s.  148,  womit  zu  vergleichen  tot  pe- 
diculos  quot  carnifices  ocddunt  post  Pascha  vitulos  s.  204).  brief- 
schhiss:  tot  salutes  quot  cantantur  Halleluja  infra  Pascha  et 
Penthecostes  (s.  148);  plures  bonas  noctes  quam  astronomi  habent 
minutas  (s.  154).  mündliche  begrüfsung:  Salutem  maximam  et 
multas  bonas  noctes  sicut  sunt  stellce  in  ccelo  et  pisces  in  mari 
(s.  200,  wörtlich  gleich  der  stelle  s.  21);  tot  salutes  quot  sunt 
Alleluja  inter  Pascha  et  Penthecostes  (ebenda ,  fast  wörtlich  gleich 
der  stelle  s.  148).  endlich  sogar  wie  im  Ruodlieb  in  lateinischen 
reimen,  wider  als  briefanfang:  Quot  in  mari  suntgultcß,  et  quot 
in  Colonia  sancta  beguttce,  quot  pilos  habent  asinorum  cutes,  tot 
et  plures  tibi  milto  salutes  (s.  114).  es  kann  kein  zweifei  sein: 
wir  haben  den  liebesgrufs  hier  ganz  in  der  gestalt,  wie  Wilmanns 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       129 

ihn    auffasst,    am   treusten  denn   auch   bei    der  eigentlichen  be- 
grüfsung,    mündlich    oder   schriftlich,    bewahrt   (s.  21.  39.  200). 
aber   die   entsprechenden  Strophen   der  Volkslieder  wurden  doch 
gesungen  und  werden  es  zum  teil  noch,     ist  das  denkbar,  dass 
sie  nur  versificationen  von  brieffloskeln  oder  von  mündlich  über- 
lieferten grufsformeln  wären?  und   sollen  würklich  formein   zu- 
nächst für  die  einleitung   einer  mündlichen  botschaft,   dann  für 
den  briefanfang    sich   so   früh   ausgebildet  haben   und  gleich  so 
fest,  wie  das  bei  dergleichen  ceremoniellen  formein  sonst  nahezu 
unerhört  ist?  alles  aber  erklärt  sich  leicht,  wenn  diese  formein 
nicht  nur  so  verwandt  wurden ,  sondern  würklich  zu  einem  ge- 
reimten   liebesgrufs    zusammengefasst    gesungen    wurden,      'ihre 
gesänge',  sagt  Herder  von  den  'unpolizierten  Völkern'  (Über  Ossian. 
Werke,   Stuttgart  und  Tübingen  1S28,  vii63),   'sind  das   archiv 
ihres  Volkes'  —  was  jene  zeit   nicht   sang,   das  gieng  verloren, 
und    nun   gar  so   leichte,   so   leicht   verlierbare   wäre   wie   eine 
grufsformel.     und   wurden    sie    gesungen,    so    erklärt    sich    das 
deutsche  reimpar  im  Ruodlieb;   so  erklärt  sich,   wie  die  formel 
gleichzeitig  in  den  gebildeten  kreisen  als  briefschmuck,  im  volk 
aber  unabhängig  davon  als  gesungener  grufs  sich  fortsetzen  und 
umbilden  konnte,    und  für  diese  von  vorn  herein  ,  wie  ich  meine, 
kaum  abzuweisende  erkläriing  haben  wir  dann  mehrfache  äufsere 
bestätigung.    ich  verweise  zunächst  auf  die  analogie  des  französi- 
schen liebesgrufses,  über  den  Paul  Meyer  (Le  salut  d'amour  dans 
ies  littöratures  provencale  et  fraucaise,  Paris  1867)  eingehend  ge- 
handelt  hat.     aber  Wilmauns   konnte   diese    gedichte  wider    mit 
Hartmanns   und   Ulrichs   von    Lichtenstein   büchlein   vergleichen 
und ,    die   lyrische   natur   zugestehend ,    hinweisen  auf  die  worte 
des  französischen  gelehrten :  'ce  genre ,  ue  dependant  nullement 
de  l'inspiration  populaire'  (aao.  s.  4).    aber  in  dem  einen  liebes- 
gedicht  dieser  art,    das  der  letztere   mitteilt,   treffen  wir,   wenn 
auch  wider  umgebildet,  den  deutschen  liebesgrufs: 
i9 — 12     Salus  vous  manc,  amie  chiere, 
Autretant  qiCenlre  ciel  et  tiere 
Porroient  croistres  de  rosetes, 
De  flors,  de  lis,  de  violetes  (aao.  s.  17). 
diese   saluts   d'amour   kommen   in  der   provencalischen  dichtung 
mit  Raimbaut  d'Orange  im  12  jh.  auf,  in  der  französischen,  von 
dort   übernommen,   im    13  jh.    (aao.  s.  15);    und    eben   weil    sie 


130       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

schon  in  der  provencalischen  dichtung  so  ganz  unvolkstümlicher 
art  sind,  von  den  übrigen  miunelicdern  nur  in  der  form  ver- 
schieden (Diez  Poesie  der  Iroubadours  s.  169),  glaube  ich  an- 
nehmen zu  dürfen ,  jene  so  echt  volkstümlich  in  der  anläge  und 
(mit  der  häufung  der  blumenuamen)  so  echt  höfisch  in  der  aus- 
führuug  gehaltene  französische  stelle  stamme  von  dem  deutschen 
gesungenen  liebesgrufs  ab.  nicht  direct  natürlich ,  sondern  durch 
Vermittlung  der  vagantenpoesie.  und  nun  besitzen  wir  würklich 
in  einem  älteren  der  letzteren  angehorigen  liede  die  lat,  Um- 
formung: 

Qnot  sunt  flores       in  IlyblcB  vallibus, 
quot  rednndat  Dodona  frondibus, 

et  quot  pisces  natant  wqnoribus, 

tot  ahnndat  amor  doJoribus  (CB  82,  3). 

die  gelehrten  anspieluugen  und  die  anders  geartete  Wendung  am 
schluss  können  nicht  zweifelhaft  macheu  dass  hier  das  deutsche 
liedchen  vom  munde  des  fahrenden  erklingt,  und  so  haben  wir 
es  denn  endlich  auch  würklich  deutsch,  noch  jetzt  gesungen, 
aber  in  aller  einfachster  fassung  als  salzburgisches  bauernliedchen : 
So  viel  Stent  in  der  Hell 
So  viel  Tropfa  in  See, 
So  oft  grüefs  i  di  sehen  — 
(Firmenich  Germaniens  volkerstimmen  ii  720\  die  fassung  steht 
von  den  MSD''  362  angezogenen  parallelstellen  der  aus  Schades 
Klopfan  am  nächsten,  ül)ertrifft  aber  auch  diese  an  altertüm- 
licher einfachheil),  so,  meine  ich,  haben  wir  uns  den  liebes- 
grufs vorzustellen,  den  der  dichter  des  Ruodlieb  einfach  über- 
setzte, der  vagant  in  seiner  art  ausschmückte  und  umformte  und 
weiterhin  der  französische  dichter  nach  seiner  weise,  den  ebenso 
in  Deutschland  selbst  der  gebildete  briefstil  wie  der  volksmäfsige 
gesang  beibehielten  oder  weiterbildeten  —  und  diese  grundform 
ist  doch  gewis  lyrischer  minnegesang!  ich  sehe  nicht,  wie  man 
von  einer  anderen  ursprüngliclien  gestalt  aus  alle  diese  verschie- 
denen cntwicklungen  iierleilen  könnte. 

Diese  deutsche  grundform  selbst  aber  ist  merkwürdiger  weise 
(wie  anderes,  was  wir  noch  zu  besprechen  haben)  vielleicht  ein 
Überrest  uralt  -  gemeinsamer  dichtung  —  und  weiter  könnte 
der  liebesgrufs  von  einem  blofsen  briefmuster  doch  kaum  ab- 
stehen I  wir  (indcn  sanz  ähnliche  stücke  in  der  lateinischen  wie 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       131 

iu  der  indischen  poesie,  freilich  dort  epigrammatisch,  hier  guo- 
misch  verwandt: 

Basia  da  nobü,  Diadumene,  pi^essa.     'Qiwt'  inquis? 
Oceani  fluctus  me  mimerare  iubes 
Et  maris  Aegaei  sparsas  per  litora  conchas 
Et  quae  Cecropio  morde  vagantur  apes.  .  .  . 
(M.  Val.  Martialis  Epigrammaton  libri  ed.  FGSchneidewin  6,  xxxiv. 
vgl.  übrigens   aufser  CatiiU  v  auch  Horaz  1,  xxviii  1  —  2.  —  die 
Übersetzung  von  ThSchüppli  Uuiversal-bibliothek  1611  s.51  nähert 
den  text  in  characteristischer  weise  den  entsprechenden  deutschen 
formein). 

Gleichwie  des  regengottes  tropfen ,  die  sterne  an  dem  himmelszelt 
unzählbar  sind  und  auch  nicht  minder  die  körner,  die  der  sand 

enthält  .  .  . 
(Paulschatantra  übersetzt  von  LFritze  s.  154j. 

Dass  hier  überall  wiirklich  volkstümliche  dichtung  zu  gründe 
liegt,  dafür  spricht  schon  die  analogie  mit  ähnlichen  coucreten 
Umschreibungen  zb.  der  unmöglichen  dinge  (Uhland  Schriften 
III  213  f).  so  ist  die  stelle  Martials  auch  ihrerseits  für  die  spät- 
lateinische gewis  nicht  die  quelle,  wie  eine  vergleichung  der  dort 
bildlich  angezogenen  dinge  ohne  weiteres  zeigt,  ein  neufranzo- 
sisches  Volkslied  dagegen  (bei  Scheffler  Französische  Volksdichtung 
und  sage  i  118)  ist  offenbar  nur  eine  elsässische  Übersetzung  des 
deutschen  lieds  (Des  knaben  wunderhorn  hg.  von  RBoxberger 
II  61,  Simrock  Volkslieder  s.  224  usw.).  —  eine  fortsetzung  der 
prov.  stelle  aber  bietet  ein  weihnachislied  bei  Scheffler  s.  324.^ 
Der  liebesgrufs  nun,  bei  dem  zwar  die  älteste  deutsche  fas- 
suDg  nicht  erhalten  ist,  sich  aber  aus  späteren  fortsetzungen 
und  Umgestaltungen  fast  mit  bestimmtheit  ganz  herstellen  lässl, 
bildet  den  Übergang  von  den  unversehrt  erhaltenen  denkmälern 
der  allen  deutschen  volkslyrik  zu  denjenigen  fällen,  bei  denen 
nur   einzelne  stücke    und    Stückchen    sich   erhalten   haben,    aus 

'  der  Ruodlieb  enthält  übrigens  auch  sonst  wörtliche  Übersetzungen 
deutscher  formein.  ein  hübsches  beispiel  xiv  9  eui  noti  sunt  regiones  Ei 
noti  domini  bene,  womit  zu  vergleichen  NN  83, 1  Dein  sint  kunt  diu  riche 
und  elliu  fremdiu  lant,  Neidhart  93, 17  —  diu  lant  diu  sint  viir  elliu  kunt, 
und  so  schon  Hildebrandslied  13  chiid  ist  mii'  al  irmindeot,  Traugemunds- 
lied  MSD  xlviii  3,  2  s.  anm.  s.  486.  auch  noch  mit  dem  im  Ruodlieb  fol- 
genden qui  fuerunt  ibi  summi  vergleicht  sich  Walther  56,  30.  38,  auch  15,  6 
und  31,13. 


132       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

welcheo  kein  einzelnes  lied  sich  wider  so  aufbauen  liefse,  das& 
wir  es  würklich  in  seiner  alten  gestalt  zu  besitzen  überzeugt 
sein  könnten,  kein  einziges  einzelnes  lied  — ,  aber  dafür,  wie  ich 
glaube,  ergibt  sich  uns  hier  mit  deutlichkeit  die  existenz,  zeigt 
sich  klar  der  character  einer  grofsen  zahl  alter  liedchen ,  während 
bis  hierher  wir  es  nur  mit  wenigen  stücken  zu  tun  hatten. 

Wer  die  älteren  minnelieder  aufmerksam  durchliest,  dem 
wird  sofort  auffallen,  wie  oft  er  nicht  etwa  blofs  denselben  ge- 
danken,  oder  dasselbe  typische  reimpar  (worüber  Minor  Leiche 
und  lieder  des  schenken  von  Winterstetten,  Wien  1882,  vi.  xii, 
der  aber  die  epigonen  behandelt),  sondern  genau  denselben  vers 
bei  verschiedenen  dichtem  widerfindet.  das  ist  längst  bekannt 
und  vieles  der  art  an  verschiedenen  orten  angemerkt  worden; 
eine  gröfsere  zusammenstelliuig  fehlt  aber  meines  wissens  noch, 
ich  habe  deshalb  hier  aus  MF,  aus  Walther,  Wolframs  liedern, 
den  deutschen  Strophen  der  CB  und  endlich  aus  Neidhart,  der 
durch  seinen  anschluss  an  die  volkspoesie  in  mancher  hinsieht 
sich  den  anfangen  des  minnesangs  wider  nähert,  möglichst  voll- 
ständig diese  stellen  gesammelt;  da  es  ganz  gleichgiltig  ist,  wer 
eine  einzelne  entsprechung  dieser  art  zuerst  bemerkt  hat,  habe 
ich  die  betreffenden  anmerkungen  in  den  ausgaben  jener  lieder 
und  an  anderen  stellen,  am  reichhaltigsten  in  Vollmöller  Kürenberg 
und  die  Nibelungen  35  f  und  besonders  in  Wilmanns  Walther- 
ausgabe, hier  nicht  angeführt,  wie  ich  sie  auch  selbst  für  meine 
Zusammenstellungen  nicht  benutzt  habe,  von  den  Sammlungen 
ähnlicher  art,  die  Diez  (Poesie  der  troubadours  261  anm.), 
Wackernagel  (Altfranz,  lieder  und  leiche  239  anra.  vgl.  211), 
Erich  Schmidt  (QF  iv  in  den  anmerkungen),  Lehfeld  (Paul- 
Braunes  Beiträge  n  344  f ,  speciell  383  f),  Michel  (Heinrich  von 
Worungen  und  die  troubadours)  und  endlich  in  gröster  Vollstän- 
digkeit Wilmanns  (Leben  Walthers  ni  und  anmerkungen)  gegeben 
haben,  unterscheidet  sich  die  meine  natürlich  dadurch,  dass  jene 
der  Übereinstimmung  des  sinns  gelten,  diese  hier  der  derworte; 
gelegentlich  habe  ich  deshalb  bei  nahem  anklang  der  worte  auch 
inhaltlich  verschiedene  verse  neben  einander  gestellt,  andererseits 
musten  natürlich  die  fälle  berücksichtigt  werden ,  in  denen  trotz 
der  änderung  von  ein  par  schlagworten  bau  und  form  nicht 
wesentlich  geändert  waren,  in  denen  nur  eine  Umgestaltung  der 
formel  etwa  aus  gründen  des  reims  vorlag. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       133 

Die  anordnung  meiner  Sammlung  ist  die:  auf  MF  3,  1  habe 
ich  die  durchaus  in  diesen  Zusammenhang  gehörigen  deutschen 
Sätze  des  briefs  MF  224  folgen  lassen,  auf  3,  7.  12  die  anderen 
deutschen  Strophen  der  CB;  dann  kommen  die  anderen  gedichte 
von  MF,  Walther,  Wolfram,  Meidhart,  widerholt  habe  ich  über- 
einstimmende Verse  auch  aus  späteren  Volksliedern  eingefügt. 
wörtlich  gleichlautende  verse  habe  ich  durch  'ebenso'  bezeich- 
net, grOfsere  modificationen  der  formel  durch  'vgl.',  entferntere 
anklänge,  die  nur  gelegentlich  aufgenommen  \vurden,  durch 
*vgl.  auch.' 

Du  bist  min  ich  bin  ilin  MF  3,  1 

.So    bist  du  mein   und   ich    bin    dein    Simrock  Volksl. 

s.  98.  271 

Ich  pin  dein  und  tu  pist  mein  s.  Scherei*  D.  st.  u  440 

Id  mich  wesen  diu 

Wide  wis  du  min  Veld.  59,9 — 16.i 

des  solt  du  gewis  sin  MF  3,  2 

des  sol  si  sin  von  mir  gewis  Veld.  64,  15. 

du  bist  beslozzen 

in  minem  herzen  MF  3,  3 — 4 

darinn  da  ist  (leit)  beschlossen 

das  junge  herze  mein   ühland  Volkslieder  29,7.  3(1,1. 

s.  MSD-  364. 
ih  mohte  dir  deste  wij^s  gevalle  MF  224,  24 
vgl.   si  geviel  mir  ie  baz  und  ie  baz  MF  13,  4 
der  mir  ze  rehte  geviel  ie  baz  Rugge  106,  21 
und  daz  mir  wip  geviel  nie  baz  R.  174,  36 
—  ein  xcenic  baz  gevalle  W.  71,  9 
vgl.  auch  vil  wol  gevallet  si  mir  MF  13,  S  und  zu  CB  103\ 

du  hast  mir  daz  vercheret  MF  224,  25 
du  hast  im  nach  verkeret 

beidiu  sin  unde  leben  M.  11,22  (vgl.  auch  aum.) 
daz  kan  si  leider  wol  verkeren  H.  44,  34 
vgl.  sus  kan  si  mir  ivol  daz  herze  verkeren  H.  53,  9 
die  verkerent  underwüent  mir  den  sin  Mor.  138,  1. 

desne  soltu  dun  niemere  MF  224,  26 
deswdr  ttion  i'n  niht  mere  H.  51,  11 
Vgl.   Idtz  iu  geschehen  niht  mere  VV.  18,  4. 

friunt  volge  du  miner  lere  MF  224,  26 
und  volge  ouch  siner  lere  Sperv.  20,  16 
dd  von  volge  miner  lere  W.  23,  7 

*  77/  he  yo7irs  if  you'll  he  mine  Mannhardt  Baumkultus  461. 


134  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCIIEN 

doch  volge  ich  der  alten  lere  W.  65,  12 
niht  envolge  ir  lere  N.  54,21 
vgl.  volgent  miner  rwte  Joh.  94,  5 
ja  volge  ich  iuwer  rcete  N.  21,  19 
vgl.  auch  volge  iviser  Hute  tugent  W.  60,  25 

min  friunt  nu  volge  mir  W.  S9,  13. 

diu  nemach  dir  gescaden  nieth  MF  224,  27 
wcer  ez  ir  schade  niet  Kür.   10, 14 
vgl.   daz  emcirret  dir  niet  M.  11,6 
vgl.  auch  unde  schadet  in  niht  Mor.  131,  13 
daz  schal  ir  niht  llartm.  215,  18 
mir  wirret  «//(^  D.  41,5 
des  mir  niht  enwirret  W.83, 19  und  vgl.  zu  MF  40, 1 1. 

loande  tccerest  du  mir  nieth  liep  MF  224,  28 
vgl.   so  bist  du  mir  vil  liep  Kür.  9,  26 
der  ich  gerne  wcure  liep  Ü.  32,  10 
daz  mir  si  iemen  alse  liep  Uiet.  18,  5 
Und  lüä?''  mein  Herr  Vater    mir   nicht   so   lieb   Talvj 
s.  437,  vgl.  auch  MF  14,  6  und  zu  10,  16.  11,  8. 

Tougen  minne  diu  ist  guot  MF  3,  12 
vgl.  swer  tougenlichen  minnet, 

wie  tugentlich  daz  sldt  CB  144°. 

si  kan  geben  höhen  muot  MF  3,  13 
liebe  diu  git  mir  höhen  muot  Mor,  132,  23 
ivan  sine  gebeut  niht  höhen  muot  Mor.  142,  30 
und  git  ouch  höhen  muot  W.  103,20 
ir  engebt  im  höhen  muot  W.  113,8 
frowe  gebt  im  höhen  nmot  W.  113,  19 
vgl.  und  daz  höchgemüete  gebe  R.  151,12 

diu  baz  ein  höchgemüete  künde  geben  R.  197,  5 
vgl.  auch  daz  si  mir  git  kumber  unde  höhen  muot  W.  43,  2. 

der  sol  man  sich  vlizen  MF  3,  14 

durch  daz  ivil  ich  mich  ßizen  MF  15,  15. 

swer  mit  triwen  der  niht  phliget  MF  3,  15 
vgl.   ist  danne  daz  er  triuwen  pfUgct  Sperv.  20,  21 
vgl.  auch  swer  des  biderben  swache  phliget  MF  245,  25. 

dem  sol  man  daz  verwizen  MF  3,  16 
der  teil  ich  nu  niht  wizen  M.  13,38 
Nu  endarf  mir  niemati  wizen  Riet.  18,  1. 

und  schöner  zühte  ist  si  s6  vol  CB  94%  1 
Min  vrouwe  ist  ganzer  tugende  vol  CB  103" 
der  herze  ist  ganzer  tugende  vol  W.  115,  15. 

von  der  ich  chumher  dol  CB  94'\  1 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       135 

von  minem  kumber  den  ich  dol  Guot.  74,  35 
dast  ein  kumber  den  ich  harte  gerne  dol  R.  169,  32 
anders  niht  wan  kumber  den  ich  dol  VV.  52,  30 
xoaz  ich  kumbers  dol  W.  121,  18 
vgl.  min  not  und  disen  pin,  Den  ich  nu  lange  dol  Guot.  73, 
35 — 36.  vgl.  Becker  Allheiinischer  minüesang  177. 

It  roter  rösenvarwer  munt  Cß  94^,  2 
siiezer  rösenvarwer  munt  CB  136* 
Idzze  mich  mit  frönden  werden  alt  CB  94*,  3 
mit  vröuden  sul  wir  alten  N.  16,  16 
vgl.   der  äne  vröude  wolte  werden  alt  Bligger  118,20 
wünnecliche  er  altet  W.  103,  1. 

gebiutet  si  ich  lige  tot  CB  94^ 
dan  ich  durch  si  gelige  tot  Veld.  66,  33 
als  siz  gebiut  ich  bin  ir  töte  Veld,  67,  1 
vgl.   stirbet  si  so  bin  ich  tot  R.  158,25  und  vgl.  dazu  unten. 

dd  von  mag  uns  fröde  nimmer  me'r  zergän  CB  9S" 
von  dem  min  truren  sol  zergdn  M.  14,29 
dem  müez  al  sin  loünne  gar  zerge'n  Mor.  126,  35 
sol  min  fröude  nu  zergdn  R.  203,  21 
sol  min  tröst  zergdn  W.  14,  13 
sol  der  mit  fröide  an  mir  zergdn  W.  72, 1 
so  jenes  fröide  gar  zergdt  W.  92,  38 
vgl.  wan  daz  beidiu  liep  und  leit  zergie  R.  172,  29 

min  truren  deist  zergangen  Pseudo-Neidhart  130,  7 
vgl.  auch  diu  muoz  mir  al  ze  sorgen  ergdn  MF  4,  12. 

Solde  ich  noch  den  tach  geleben  CB  99* 
sohle  ich  nach  dem  willen  min  diu  zit  geleben  CB  127* 
Und  solde  ich  iemer  daz  geleben  Joh.  92,  28 
Gelebt  ich  noch  die  lieben  zit  H.  45,  1 
noch  müeze  ich  geleben  VV.  31,27 
doch  müeze  ich  noch  die  zit  geleben  W.  98,  22 
Müeste  ich  noch  geleben  \V.  112,3 
owe,  gelebte  ich  noch  den  tac  N.  80,  9 
vgl.  auch  Solde  aver  ich  mit  sorgen  iemer  leben  CB  128*. 

so  wolde  ih  in  wunne  sweben  CB  99* 
so  mües  min  herze  in  fröide  sweben  Joh.  92,  30 
die  von  fröiden  solten  in  den  lüften  sweben  VV.  42,  34 
min   herze   sxcebt   in   sunnen  hö  [sollte  nicht  zu  lesen 
sein:    in  wxinnen  hö?]  VV.  76,13 
vgl.  der  wcenet  in  den  lüften  sweben  N.  93,  31. 

wer  were  alt  CB  101» 

Nieman  chan  nu  werden  alt  CB  102* 

ddn  ist  niemen  alt  VV.  51,  20 


136       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

vgl,  auch  Diez  Poesie  der  troubadoiirs  ?.  236. 

der  winder  st  gchoenet  CB  lOT 
der  IV  in  der  si  guneret  N.  21,37. 

V071  eines  wihes  güete  CB  102" 
vgl.  von  ir  güete  Riet.  18,  10 
vgl.  auch  uf  manege  dine  güete  D.  38,  15 

iemer  dur  sin  selbes  güete  R.  187,  3 
nach  siner  güete  R.  199,29. 

in  weiz  wiez  ir  gevalle  CR  103" 
in  weiz  wiech  ir  gevalle  Kür.  10,  15 
vgl.  swaz  in  gevalle  M.  14,  18 

der  dir  gevalle  Fseudo-D.  37,  11 
wenn  ich  dir  nit  gefalle  Lhland  29,  5 
vgl.  auch  Ldt  mich  eu  gevallen  CR  ccii  s.  97 

wem  sol  daz   lool   gevallen    N.   14,  21    und    oben    zu 

MF  224,  24. 

Nu  suln  wir  alle  fröde  hdn  CB  103* 
vgl.  Ich  teil  weinen  von  dir  hdn  MF  6,  26 
vgl.  auch  gedinge  den  ich  von  einer  frouwen  hdn   Riet.  18,21. 

lüesent  palt  CB  104" 
des  suln  wir  nu  wesen  halt  CR  123" 
vgl.    Vrowe  wesent  vrö  CR  133" 

vriunt  du  wis  vil  höchgemuot  MF  6,  24. 

Venus  schivzet  im  holz  CB  111" 
sin  bölzel  schiuzet    N.  04,  8    [danach  daz  bölzel  zuo 
ir  schiuzet  Pseudo-N.  183,5],  vgl.  zu   CB  124". 

daz   mir  in   dem  herzen   sanfte  tuot   CR  107",   s.  zu 

CB  140". 
nach  mim  gesellen  ist  mir  we  CR  112" 
mir  ist  ndch  ir  so  we  R.  182,  25. 

der  ist  geriten  hinnen  CR  112" 
Ritest  du  nu  hinnen  MF  4,  35 
du  ritest  hinne  D.  39,  27 
vgl.  auch  er  schiel  hinnen  R.  200,  33. 

Vrowe  ih  pin  dir  nnderldn  CR  116" 
ich  xoil  dir  sin  underldn  CR  ccn  s.  97 
eim  guoten  riter  Untertan  Reg.  16,2 
der  bin  ich  worden  Untertan  D.  38,  35 
daz  ich  ir  was  ie  vil  undertdn  D.  40,  26 
daz  ich  ir  ie  was  nndertdu  H.  43,  5 
m  welle  ir  wesen  widert  an  H.  51,24 
ir  ie  was  undertdn  H.  52,  36 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       137 

von  mmnen  ie  was  undertdn  Veld.  65,  35 
der  ich  zallen  zUen  bin  undertdn  Guot.  78,  2 
ich  hin  ir  worden  nndertdn  Rugge  105,  9 
des  iDcer  ich  ir  nndertdn  Adelnb.  148,18 
so  gar  bin  ich  ir  nndertdn  R.  1  59,  30 
ich  bin  ir  dienstes  ierner  undertdn  Pseudo-Veki.  2Ö0,  4 
Sit  was  ich  ir  undertdn  IN.  67,  15 
vgl.   die  fürsten  sint  iu  undertdn  W.  12,  1. 

des  Id  mich  geniezen  CB  116^ 
Id  mich  des  geniezen  CB  124* 
liez  er  mich  des  geniezen  niet  D.  36,  4 
des  sol  si  mich  geniezen  Idn  H.  44,  21 
Idnt  mich  noch  geniezen  Job,  93,  36 
icil  si  mich  des  geniezen  Idn  Rugge  100,9 
diu  sol  mich  des  geniezen  Idn  Rugge  105,  7 
si  solle  mich  durch  got  geniezen  Idn  Rute  116,5 
daz  man  in  des  geniezen  solle  Idn  Bligger  119,5 
ich  weiz  wol  daz  si  mich  Idt  geniezen  R.  151,21 
frowe,  Idt  mich  des  geniezen  \\.  40,  35 
du  soll  mich  des  geniezen  Idn  W.  97,  32 
des  soll  ir  mich,  zart  frawe, 
allzeit  gemessen  lan  Uhland  81,3 
vgl.   Solle  er  des  geniezen  niht  H.  54,  37 

Daz  icir  geniezen  müezen  sin  Rugge  97,  13 
daz  ich  der  zil  geniezen  sol  Rugge  108,  12 
Sit  man  der  slcete  mac  geniezen  Rugge  110,21 
s6  mugen  wir  fröide  niezen  R.  1 56,  24 
daz  ers  iht  genieze  R.  187,  8 
du  solt  von  schulden  ierner  des  geniezen  W.  82,  30 
vgl.  auch  mi7i  lip  des  an  fröiden . .  .  wol  geniuzet  Pseudo  -Veld. 

262,  8. 

des  teil  dih  verdriezen  CB  116* 

ia  ne  mag  mich  nimmer  din  verdriezen  CB  124^ 

iuch  mac  wol  verdriezen  Job.  93,  38 

so  ensol  ir  niemer  mich  verdriezen  Rugge  110,  22 

daz  si  welle  nien  verdriezen  Adelob.   148,5 

wie  hnide  mich  verdriezen  R.  156,  26 

frowe'n  Idt  iuch  niht  verdriezen  VV.  85,  34 

frowe,  enldt  iuch. des  so  niht  verdriezen  W.  113,  7 

wil  iuch  niht  verdriezen  N.  39,  22 

Das  tut  die  Leut  verdriessen   Simrock  Volksl.   s.  227. 

vil  süeze  minne  niezen  Cß  116* 
diner  minne  niezen  CB  124*. 

wil  mich  ze  sere  schiezen  CB  116' 
Venus  wil  mich  schiezen  CB  124*. 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    iN.  F.  XVII.  10 


13S       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Ih  ivolde  gerne  singen  CB  126'' 
Ich  wil  immer  singen  Mor.  146,11 
künde  ich  nü  gesingen  N.  33,  22 
Ich  wil  aber  singen  N.  67,  7. 

der  minne  wil  mich  ttoingen  CB  126* 
diu  wil  mich  des  hetwingen  Kür.  9,  33 
vgl.   diu  minne  twanch  sere  den  man  CB  146,  7 
si  twunge  onch  mich  gexcaltecliche  Vekl.  66,  20 
dne  die  diu  s6  helwungen  mich  hat  Guot.  79,  3 
Ihre  Lieb  hat  mich  bezwungen  Simrock  Volks),  s.  262 
vgl.  auch  betioungen  was  daz  herze  min  D.  4ü,  15 
wie  sere  si  min  herze  twinget  H.  45,  20. 

in  minem  herzen  ich  si  trage  CB  126* 

Sit  daz  ich  si —  trage  beide  in  herzen  und  onch  in  sinne 

k.  Heinr.  5,  30 
daz  si  mich  hiez  in  deme  herzen  tragen  Penis  81,  38 
Sit  ichs  —  in  minem  herzen  trage  R.  171,27 
in  minem  herzen  si  sich  nider  liez: 
da  trage  ich  noch  die  werden  innetongen  R.  194, 24 — 25. 

s.  auch  zu  MF  12,  6. 

und  min  gemüete  tragen  hö  CB  ^28^    ebenso  R.  185, 30 

der  mac  wol  höhe  tragen  den  muot  Reg.  16,  7 

Ich  muoz  von  rehten  schulden  hö 

tragen  daz  herze  und  al  die  sinne  D.  38,  5 

von  der  ich  höhe  solte  tragen  den  muot  R.  162,  17 

dar  zuo  tragent  si  höhen  muot  W.  51,  3. 

noch  lebe  ich  des  gedingen  CB  126* 
vgl.  doch  tuot  mir  sanfte  guot  gedinge  Riet.  18,  20 
der  gedinge  tuot  mir  xool  Guot.  76,  35 
doch  tuot  mir  der  gedinge  wol  VV.  92,  7 
vgl.  auch  des  habe  ich  hin  zir  hulden  ie  gedinge  R.  189,39. 

IHir  ist  ein  ivip  sere  in  min  gemüete  komen  CB  127* 
der  ist  mir  dne  mäze   komen  in  minen  stcBten  muot 

D.  39,  5 
vgl.   der  an  min  herze  ist  nähe  komen  D.  35,  29 

wie   wcere   si  mir   danne   also   ze   herzen  komen 

Mor.  124,34 
mirst  komen  an  daz  herze  min  ein  wip  R.  157,15 
vgl.  auch  dem  ein  icip  so  nahen   an  sin  herze  ge   Mor.  138,6. 

daz  ich  ir  gelege  bi  CB  127* 
der  ich  gerne  lange  bi  N.  52,  32 
vgl.  zu  MF  4,  20.  25.  13,  22. 

daz  ir  so  trürech  sit  CB  133* 
also  truric  wart  ich  nie  D.  36,  20 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       139 

vgl.   Alse  rehte  unfrö  enwart  ich  nie  R.  1S5,  20 
vgl.  auch  noch  niene  loart  so  trnric  man  Horb.  115,  15. 

7^Gsen  lilien  si  uns  git  CB  133* 

gras  hlumen  chle  loup  uns  si  git  CB  143^ 

Clmme  ckume  geselle  min  CB  136* 
min  geselle  clmniet  niet  CB  141 
min  geselle  chvm  mit  mir  CB  141* 
vgl.  mim  kome  min  holder  seile  MF  3,  24 
vgl.  auch  mich  vehet  min  geselle  MF  4,  3. 

sanfte  dem  das  tnot  Cß  140* 
doch  tnot  mir  sanfte  Riet.  18,20 
unsanfte  mir  das  tnot  Job.  92,  23 
diu  mir  vil  sanfte  tuot  Rugge  108,21 
owe  wie  rehte  unsanfte  ez  mir  doch   tuot    R.  163,  13 
daz  iu  sanfte  tuot  W.  56,  20 
und  mir  daz  sanfte  tuot  W.  100,  9 
sanfte  unsanfte  tuot  W.  109,  24 
vgl.  daz  mir  in  dem  herzen  sanfte  tuot  CB  107* 
icie  sanfte  daz  mim  herzen  tuot  MF  6,  25 
icie  sanfte  ez  minem  herzen  tuot  Reg.  16,  23 
vgl.  auch  sanfte  tuot  Bligger  118,  12.  W.  113,  10 

seht  wie  lool  daz  menegen  herzen  tuot  MF  4,  16. 

der  tüol  u-iben  dienen  chan  CB  141* 

wie  wol  er  froicen  dienen  kan  M.  14,  37. 

er  viench  si  bi  der  wizen  haut  CB  145 
Er  nam  mich  bi  der  wizen  haut  CB  146,  3 
£r  nam  si  bi  der  hende, 

bei   ir   schneweissen   hand  ühl.  81,4.  90,10.  106,2. 
256,3.  330,2.   Simrock  Volksl.  84,  121 
vgl.  mit  iren  schneweissen  henden  ühl.  20,  2.  109, 1.  HO,  1. 

vgl.  2,  1 
an  ire  schneeweisse  hand  ühl.  115,8 
ir  weisse  hende  L'hl.  123,  18 
ir  schneweisze  hand  ülil.  147,6 
[von  männern  nur  seijie  weisse  hand  ühl.  107,  10.  289,  11.  298,  7. 
niclit  schneeweisse  hand]. 

Diu  mich  singen  tuot  CB  163* 

Diu  schoane  diu  mich  singen  tuot  Veltl.  60,21. 

der  al  der  icerlt  ein  meister  si,  der  CB  165* 
vgl.   der  al  die  weit  geschaffen  hat,  der  D.  38,  23 
der  al  der  werlte  fröude  git,  der  Joh.  92,  14 
vgl.  auch  der  uns  alle  werden  hiez,  wie  lütsel  der  D.  36,28 — 29. 

von  der  ich  lool  getroestet  pin  CB  165* 

10* 


140       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

diu  mich  troestet  sunder  spot  MF  6,  IS 
wol  getröste  mich  ein  icip  Reg.  16,  16 
ein  tüip  mich  des  getrcestet  hat  Kugge  108,  11 
so  lange  ich  ungetroestet  hin  Horb.  112,  11 
vgl.  Mide  troesten  minen  Up  MF  6,  29 

und  trceste  sere  minen  Up  Rugge  105,  11 
troeste  mir  den  Up  R.  190,  37 

du   solt  nimmer    man   getrcesten   wan   min   eines   Up 

N.  94,  30 
vgl.  auch  ich  iceiz  wol  daz  mich   dne  si  nieman  getroesten  mac 

R.  202,  12. 
mit  ir  güete  gar  benomen  CR  165^ 
den  hat  er  schiere  mir  benomen  D.  35,  31 
vgl.  zu  MF  4,  6. 

nü  engilte  ich  des  ich  nie  genöz  MF  4,  4  und  anm. 

diu  henement  ime  den  sin  MF  4,  6 

daz  mir  den  benomen  hdn  Kür.  7,  23 

Sin  mugen  alle  mir  benemen  Reg.  16,  8 

du  benimest  dem  man 

beidiu  witze  und  onch  den  sin  Sperv.  22,  9 

si  hat  daz  herze  mir  benomen  D.  35,  3 

dö  xoart  si  mir  benomen  H.  48,  27 

diu  gnote  diu  mir  hat  benomen  minen  sin  Guot.  71,  28 

diu  nimt  mir  die  sinne  Rugge  101,  19 

swenne  ir  schcene  mir  nimt  so  gar  minen  sin 

Mor.  135,23 
si  benimt  mir  beide  fröide  und  al  die  sinne  Mor.  138,  35 
daz  ich  al  der  loerlt  ir  vröude  nime  R.  177,  31 
die  mir  in  dem  winter  fröide  hdnt  benomen  W.  73,  23 
die  mir  dicke  fröide  hdnt  benomen  W,  98,  15 
fröide  gar  benomen  VV.  124,  27 
du  hast  in  dicke  mir  benomen 

von  blanken  armen,  und  üz  herzen  niht  Wolfr.  5,4 — 5 
manegem  senedem  herzen  trüren  ist  benomen  N.  14,7 
manegen  herzen  ist  benomen 
teil  und  ungemüete  N.  23,  8.  9 
vgl.    du  habest  im  elliu  andriu  wip 

benomen  uz  sinem  muote  M.  11,  17 

Der  mir  gccbe  sinen  rat! 

konde   ich   ie   deheinen,   der   ist   mir   benomen 

R.  194,34  —  35 
vgl.  auch  si  hdt  iedoch  des  herzen  mich 

beroubet  gar  für  elliu  wip  II.  42,8 — 9 

bin  ich  beroubet  alles  des  ich  hdn, 

fröide  und  al  der  sinne  min  R.  171,39  — 172,1. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       141 

(laz  ich  ime  dm  holdeste  bin  MF  4,  8 
daz  ich  diu  liebeste  bin  M.  13,32. 

si  enhüinen  niewan  triegen  MF  4,  9 
vgl.  s6  sol  man  si  triegen  M.  12,  24. 

vil  manegen  kindeschen  man  MF  4,  10  und  anm. 

einen  kindeschen  man  M.  13,28 

den  selben  kindeschen  man  M.  14,  35. 

seht  wie  tool  daz  menegen  herzen  tuot  MF  4,  16.  vgl. 

zu  CB  140' 
vgl.  auch  seht  wie  maneger  ez  doch  tuot  Job.  86,  8. 

so  so  güetliche  diu  gnote  bi  mir  lit  MF  4,  19—20 
so  rehte  güetliche  gellt  M.  14,  13 
daz  ich  so  güetliche  lac  Reg.  17,2 
vgl.   daz  diu  künegin  von  Engellant  hege  an  mlnen  armen 

MF  3,  10— 11 
swenn  er  an  minem  arme  IH  R.  203,  18 
da  sitougen  an  ir  werden  friundes  arme  lac  VVolfr.  3,3 
daz  diu  guote  an  minem  arme  niht  enlit  N.  78,  19. 

si  hat  mich  gemachet  leides  fri  MF  4,  22 
Er  müez  sin  sorgen  vri  CB  cciii  s.  97 
so  belibe  ich  aller  sorgen  fri  ü.  37,  3 
Diu  mir  tuot  daz  herze  min 
vil  menger  sorgen  Iwre  Guot.  69,  5 
so  wurde  ich  von  sorgen  fri  Job.  92,  32 
von  sorgen  lieze  iht  fri  Rugge  102,  4 
s6  wurde  ich  nietner  me  vor  leide  fri  R.  179,  33 
si  machet  mich  vor  allem  leide  fri  R.  182,  17 
des  herze  ist  vri  von  sender  not  Hartm.  214,  16 
der  si  vor  allem  leide  fri  Pseudo-Veld.  260,  16 
gar  vor  allen  sorgen  fri  W.  117,37 
aller  miner  sorgen  fri  N.  5,  33 
der  belibet  sorgen  fri  N.  43,  2 
si  getuo  mich  sorgen  vri  N.  52,  31 
vgl.  diu  tuot  mich  dne  sorgen  die  ich  hdn  Mor.  129, 18 — 19 
diu  von  sorgen  scheiden  sol  den  minen  lip  R.  202,  36 
scheidet,  frowe,  mich  von  sorgen  W.  52,  15 
vgl.  aucb  si  ist  lobes  von  mir  fri   Pseudo-N.  240,  16    und    zu 

MF  12,36. 

irn  war  min  stcetez  herze  ie  nahe  bi  MF  4,  25 
dar  zuo  wäre  ich  dir  vil  gerne  bi  D.  37, 1 
ich  sohle  ir  ofte  xoesen  bi  Guot.  74,  19 
min  herze  ist  ir  mit  triuwen  bi  Rugge  110,23 
daz  si  mir  mit  triuwen  wcere  bi  Moi'.  126,  19 
swenn  ich  ir  woere  bi  Mor.  131,28 


142      ALTE  DEUTSCHE  VOLRSLIEDCHEN 

diu  sol  im  rehte  wesen  hi  R.  153,20 
der  herze  ein  ander  sint  mit  triuwen  hi  W.  95,  38 
ja  wwr  ich  ir  zallen  zUen  gerne  hi  N.  46,  13 
ich  was  dir  ie  mit  trimoen  hi  N.  66,  26 

vgl.  ich  enkome  ir  nahe  hi  Rute  117,  10  uud  zu  CB  127''. 
an  einen  ritter  guot  MF  4,  27 
von  eime  ritter  guot  D.  39,  11 

vgl.  wnh  eine  fromcen  guot  Kür.  10,  22 
vgl.  auch  ein  schane  icip  so  rehte  guot  D.  36,  26. 

daz  ich  hin  wol  gemnot  MF  4,  29 
dur  den  du  wcure  ie  höchgemuot  Job.  95,  1 
des  wirde  ich  selten  xool  gernuot  Rugge  105,21 
der  st  wol  gemnot  Bligger  118,  18 
du  icirst  also  wol  gemnot  W.  91,  33 
so  loirst  du  niemer  ivol  gemnot  W.  101,  4 
so  ist  si  wol  gemnot  >V.  116,  18 
vgl.   und  da  hi  höchgemuot  Job.  94,  14 

und  auch  also  wol  gemnot  W.  111,33 
vgl.  aucb  swer  gen  den  hat  höhen  muot  Cß  132^ 
wis  hohes  muotes  W.  91,  17 
wan  siht  mich  dicke  xdoI  gemnot  W.  120,  27  uud  zu 

Kür.  10,23. 
daz  nident  ander  vrouwen  MF  4,  30.  desgl.  13,  29 
daz  nident  schoene  vrouwen  Pseudo-D.  37,  15 
daz  nident  ander  linte  N.  24,  6. 
so  verliuse  ich  minen  lip  MF  5,  3 
den  lip  muoz  ich  verloren  hdn  Mor.  137,  13 
e  ich  Verliese  minen  lip  Mor.  137,  18 
ja  verliuse  ich  den  lip  1\.  61,  37 
dd  von  sie  verlos  den  lip  Pseudo-N.  181,  18. 

den  möhte  in  al  der  werlte  MF  5,  11 
WM  muoz  ich  al  der  werlte  D.  39,  8 
vgl.  zu  MF  6,  12. 

unde  hist  mir  dar  zuo  holt  MF  5,  12 
ich  bin  dir  lange  holt  gewesen  D.  33,  23 
ich  wil  im  iemer  wesen  holt  Reg.  16,  13 
des  toas  ich  ime  von  herzen  holt  Veld.  57,  35 
daz  ich  in  von  herzen  ie  was  holt  Job.  93,  37 
ich  hin  im  von  herzen  holt  R.  178,  12 
der  mir  ist  von  herzen  holt  R.  186,  25 
ich  hin  dem  Bogencare  holt  W.  80,  27 
Dem  bin  ich  holt  N.  22,24 
vgl.    Wie  holt  im  daz  herze  min  vor  allen  mannen  wcere 

N.  28,22.23 
vgl.  auch  zu  Kür.  7,  6  und  D.  38,  4. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       143 

geilienet  nach  dem  iiiUen  min  MF  6, 6 
gelönen  nach  dem  willen  mhi  D.  38,  13 
vgl.   sage  im  durch  den  willen  min  R.  178,  5 
vgl.  auch  zu  MF  11,24. 

swenn  ich  in  umbevangen  hau  MF  6, 6.  ebenso  Reg.  16,4. 

vgl.  Becker  aao.  39. 

und  wmre  ez  al  der  icerlte  leit  MF  6,  12 
tocere  ez  al  der  werlle  leit  R.  164,  12.     vgl.  Becker 

aao.  39.  Tö!  134 
vgl.   gemachet  al  der  loerlte  liep  Reg.  16,  6 
vgl.  auch  nmne  sin  al  diu  werk  loar  Rute  117,  32. 

so  muoz  sin  wille  an  mir  ergdn  MF  6,  13 
e  ir  wille  si  ergdn  M.  12,23 
sin  wille  derst  ergangen  D.  40,  6 
sin  Wille  mac  so  lihle  niht  ergdn  Rugge  110,  11 
vgl.    swelhiu  sinen  willen  hie  bevor  hat  getan  M.  13,  35 
als  ir  wille  was  getan  D.  39,  14 
Ich  loil  tnon  den  willen  sin  H.  54,  28 
ein  ritter  mtnen  willen  tnot  R.  203,  12 
ir  willen  tnot  W.  78,  36 

vgl.  auch  ez  ist  iu  wol  ergangen  W.  28,  1 1 
ist  anders  iht  ergangen?  N.  17,  28 
wie  ist  es  dir  ergangen?  Uhl.  97,5.  257,  11 
nnd  loie  ist  es  üch  ergangen?  Uhl.  289,  6 
100  hefjft  it  juw  gegangen?   Uhl.  297  B,  25 
wie  ist  es  euch  ergangen?  Uhl.  348,  10 

[s.    auch    Erich  Schmidt  Reinmar  uikI  Rugge  anm.  30]. 

miner  sorgen  wirdet  rät  MF  6,  16 

wie  sol  des  iemer  werden  rat  D.  32,  11 

er  tnot  ir  grözer  sorgen  rät  D,  38,  9 

noch  inöhte  es  alles  werden  rät  H.  44,  28 

min  mühte  werden  rat  H.  52,  9 

in  einer  stmit  so  icirt  es  rät  Fenis  84,  26 

mir  tnot  ein  ritter  sorgen  rat  Rugge   103,  29 

der  sorgen  wirdet  niemer  rat  Rugge  105,  14 

min  xburde  rät  Rugge  107,  15 

min  eines  würde  lihte  rät  Rugge  110,  5 

des  wirt  min  vil  schöne  rat  R.  169,  36 

dd  von  mac  es  werden  rät  R.  190,  18 

ez  wirdet  rät  R.  192,  1 

daz  min  niemer  icerde  rät  R.  196,  30 

wie  mac  des  iemer  werden  rät  VV.  6,  7 

wie  wirt  es  rät?  W.  89,  37 

wie  sol  min  iemer  werden  rät?    W.  90,  22 

so  tnöht  es  wol  werden  rat  W.  97,  14 


144       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

so  mac  miner  sorge  icerden  rät  W.  109,  28 
daz  niin  niemer  werde  rät  W.  113,36 
des  wirt  allez  rät  Pseiulo-W.  167,11 
ez  mac  wol  miner  sorgen  werden  rät  N.  20,  29 
sin  möhte  noch  vil  lihte  werden  rat  N.  75,  4 
vgl.    Wie  sol  —  iemer  werden  rät?   Mor.  143,  4  —  5. 

scelic  si  daz  beste  wip  MF  6,  17 

wol  ir ,  sist  ein  scelic  wip  H.  54,  1 

wol  im,   derst  ein  scelic  man  Veld.  61,36.  R.  195,7. 

Pseudo- Meinloh  233,5 
wol  si  scelic  wip  Joh.  95,  6 
und  wirde  ich  noch  so  scelic  man  Ruggo  109,  33 
er  scelic  man  R.  153,  16.  W.  46,34 
scelic  wip  R.  194,  26 
der  wcere  ein  scelic  man  Harlm.  207,  10 
Tiiemen  ist  ein  scelic  man  Hartm.  214,  12 
der  wirt  scelic  lihte  ein  man  Pseudo- Vekl.  260, 19 
so  iccer  ich  zer  weit  ein  scelic  wip  W.  43,  20 
si  vil  scelic  wip  VV.  98,  21 
wcer  ich  scelic  man  N.  89,  21 
vgL  auch  daz  ir  scelic  sit  W.  52,  18 

wol  ir  daz  si  scelic  si  N.  43,  1  [und  Erich  Schmidt  aao, 

anm.  13]. 
dö  ich  si  nahest  sach  MF  6,  21 
dö  ich  in  ze  jungest  sach  Kür.  7,  9 
dö  du  mich  erst  scehe  Pseudo-D.  37,  26 
icnd  ich  si  jungest  ane  sach  H.  43,  25 
und  ich  si  an  sach  Mor.  132,33 
dö  ich  die  minneclichen  erst  gesach  R.  194,  19 
vgl.  zu  MF  12,39.   18,3. 

da  moht  anders  niht  geschehen  MF  6,  22 
mir  ist  anders  niht  geschehen  Mor.  128,  27. 

swie  du  wilt  so  icil  ich  sin  MF  6,30 

als  wil  ich  iemer  mere  sin  Riet.  18,  24  [hs.  R   als  ir 

ist  liep  als  — ] 
swie  si  sint  so  wil  ich  sin  W.  48,  7. 

daz  ist  schedelich  Kür.  7,  2.  8,  30 
daz  ist  lobelich  Kür.  7,  4. 

bite  in  daz  er  mir  holt  si  Kür.  7,  6 
daz  ich  ir  holt  si  Kür.  9,  34  —  autworl  auf  7,  6? 
vgl.  zu  MF  5,12.  38,4 
vgl.  auch  möhte  ih  si  hau  holde  CR  99^ 

ir  habt  den  meien  holden  N.  28,  14. 

so  Idz  ich  die  Hute  harte  wol  entstän  Kür.  7,  15 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       145 

des  mac  sich  min  herze  wol  entstdn  Reg.  17,  6 
ichn  mac  mich  schielte  niht  entstdn  Guot.  76,  14. 

ist  umhe  alle  ander  man  Kür.  7,  18 

an  einen  andern  man  Kür.  10,6 

an  deheinen  andern  man  MF  13,26 

an  dehein  ander  ivii)  Guoi.  76,33.  Horb.  114,13. 

die  merker  und  ir  nit  Kür.  7,  24 
vgl.   daz  nUlent  merkcere  Reg.  16,  19 
vgl.  auch  weder  knote  noch  der  nit  H.  43,  29 

Ich  mache  den  merkceren  truohenden  miiot. 

ich  hdn  verdienet  ir  nit  und  ir  haz  llorli.  113, 17 — 18. 

des  mohte  mir  min  herze  nie  frö  werden  sit 

Kür.  7,  25.  26. 
frö  enwirt  er  nimmer  M.  14,  11 
seht,  so  wurde  ich  niemer  mere  frö  Job.  91,35 
söne  ivirde  ich  niemer  frö  R.  171,34 
ja  enwirde  ich  niemer  rehte  frö  W.  74,  13. 

Ich  stuont  mir  nehtint  spate  Kür.  8,  1 

Jö  stuont   ich  nehtint   späte    Kür.  8,  9.    vgl.   Scherer 

Zs.  17,  576.  Wilniaüiis  Lebeu  Walthers  s.  26 
es  flog  wol  nechten  spate  Ubl.  20,  23 
Was  sah  ich  nechten  spate  Ubl.  49,  3 
ich  fand  in  nechten  spate  Ubl.  90,  10 
vgl.  er  reit  nechten  ganz  spate  Ubl.  123,  5. 

ati  einer  zinnen  Kür.  8,  2 
Ich  vant  si  an  der  zinnen  Mor.  140,  1 
Von  der  zinnen  Wolfr.  6,  10 
vgl.  Das  mägdlein  an  der  zinnen  stand  Des  knaben  wunder- 
horn  mit  einleitung  und  auni.  voüRRoxberger  1 149.  ^ 

er  muoz  mir  diu  lant  rümen  Kür.  8,  7 
rümen  diu  lant  Kür.  9,  32  —  antwort  auf  8,  7 
vgl.  so  der  gast  muoz  die  herberge  rümen  Au.  Sperv.  27,9. 

vor  dinem  bette  Kür.  8,  10 

Bei  meines  liebsten  bette  Ubl.  29,  6. 

und  ich  gedenke  ane  dich  Kür.  8,  19 
als  ich  dar  an  gedenke  Kür.  10,  23 
swenn  ich  dar  an  gedenke  Reg.  17,  1 
als  ich  gedenke  an  dich  W.  42,  23 
vgl.  so  muoz  man  sin  gedenken  Sperv.  20,  24 
so  sohle  si  gedenketi  Guot.  76,  19. 

*  Adque  fenestellain  stans  Ruodlieb  xvii  23  vgl.  DWB  iiil520  unter  4. 
ganz  ähnlich  der  stehende  eingang  toscanischer  volksliedchen  m'affaccio 
alla  finestra  Gregorovius  Wanderjahre  ii  285. 


146       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Sit  sach  ich  den  valken  schöne  fliegen  Kür.  9,  5 — 6 
so  gesach  st  valken  fliegen  Pseiido-D.  37,  7. 

got  sende  si  zesamene 
die  gerne  geliebe  loellen  shi  Kür.  9,  12 
vgL   schein  nns  zwei  lieh  zusammen 

die  gern  bei  einander  icollen  sein  Uhl.  75,  1 

got  bhi'iet  die  frumen  knaben 

die  allzeit  vol  wöln  sein   (parodislisch)    L'hl.  233,  11. 

die  wile  nnz  ich  daz  leben  hau  Kür.  9,  25 
al  die  wile  ich  habe  den  lip  H.  42,  20 
niht  langer  wan  die  w'ile  ich  lebe  R.  157,35 
weiz  got  niemer  al  die  wile  ich  lebe  R.  161,  14 
niuwan  al  die  wUe  ich  lebe  R.  202,  17 
die  ivile  ich  lebe  W.  120,  17 
al  die  wile  ich  lebe  N.  60,  5 
al  die  imle  so  ich  lebe  IN.  101,  15 
vgl.   die  wile  ich  muot  von  herzen  hdn  R.  ISS,  1. 

als  tuo  du  vromve  schoene  Kür.  10,  3 
VgL  weist  du  schoene  vrouwe  M.  14,  3. 

Wip  nnde  vederspil  die  werdent  lihte  zam  Kür.  10,  18 
vgl.  Einer  frowen  was  ich  zam  H.  46,  29. 

mir  wart  nie  wip  also  liep  Kür.  10,  16 
immer  liep  für  alliu  wip  H.  54,  34 
Wart  ie  manne  ein  wip  so  liep  R.  173,  27 
daz  si  mir  lieber  si  dan  elliu  wip  R.  197,  4 
vgl.   der  liebet  mir  für  elliu  wip  Pseudo-Veld.  260,  8 
vgl.  auch  zu  MF  224,27.  11,8. 

so  stet  wol  hohe  min  muot  Kür.  10,  23 
min  muot  sol  aber  höhe  stdn  W.  14,  27 
mir  gestuont  min  gemüete  nie  so  höhe  Riet.  18,  9 
höhe  stdt  min  muot  D.  36,  24 
der  doch  der  muot  vil  höhe  stdt  Rugge  107,  32 
des  min  muot  sol  höhe  stdn  Mor.  125,  32 
daz  mir  der  muot  des  höhe  stdt  R.  179,  15 
daz  ie  höhe  stuont  min  muot  R.  202,  38 
daz  ir  muot  so  höhe  stdt  W.  73,  3 
vgl.  min  herze  es  dicke  höhe  stdt  H.  44,  27 

Vil  wunneclichen  höhe  stdt  min  herze    Rugge  103,  27 
Man  sol  ein  herze  erkennen  hie 
daz  zallen  ziten  höhe  stdt  Rugge  105,  24 — 25 
so  stuont  ir  daz  herze  hö  Mor.  132,  30 
sin  herze  stdt,  ob  irz  gebietent,  iemer  hö  R.  177,  15 
tougenliche  stdt  min  herze  hö  W,  41,15 
vgl,  auch  zu  Reg.  10,  7. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       147 

dö  hete  ich  dich  gerne  erlcant  M.  11,2 

gerne  daz  min  herze  erkande  D.  32,  2. 

den  du  will,  frowe,  haben  liep  M.  11,  8 
vgl.  zu  MF  224,27.  10,  16.  11,  15. 

dem  du  bist,  froiiwe,  als  der  lip  M.  11,  15 

diu  mir  ist  als  der  lip  M.  12,  32 

der  mir  ist  alsam  der  lip  H.  54,  18 
vgl.  und  daz  si  mir  ist  liep  alsam  min  selbes  lip  H.  43,  31 

si  ist  mir  liep  alsam  der  lip  Rugge  99,  39 

der  hat  geliehet  mir  den  lip  R.  203,  13 
vgl.  auch  h(Bt  ich  iht  liebers  danne  den  lip,  des  müeser  herre  sin 

W.  71,26. 

er  hat  durch  dinen  willen  M.  11,24 

iemer  durch  ir  willen  M.  12,  38 
vgl.  zu  MF  6,  6. 

eine  ganze  fröide  gar  nmbe  ein  triiren  gegeben  M.  11,25 
vgl.  auch  hat  mir  vröude  vil  gegeben  CB  127\ 

Swer  werden  wiben  dienen  sol  M.  12,  1 
swer  biderber  dienet  wiben  M.  12,  9 
vgl.  zu   CB  141\ 

seneliche  swcere  tragen 
verholne  in  dem  herzen  M.  12,6 — 7 
verholn  in  sime  herzen  minne  D.  38,  8 
der  ich  tougenUche  vil  in  minem  herzen  trage  N.  94, 16 
vgl.  zu   CB  126\ 

seneliche  swcere  tragen 
verholne   im   dem  herzen,    er  ensol   ez   nieman  sagen 

M.  12,  6—8 
du  soltes  doch  niematit  sagen, 
du    soltes    gar  Immleichen    in   deinem   herzen    tragen 

Uhl.  212,7. 
die  Hute  werdents  inne  M.  12,  16 
dazs  iemen  werde  inne  M.  12,  22 
des  bin   ich  wol  worden  inne   D.  33,  10.   Veld.  56,  26 
nu  bin  ichs  vil  unsanfte  worden  inne  R.  166,  33 
daz  si  des  lool  wurden  inne  VV.  98,  14 
«nd  werdent  sin  ir  bruoder  inne  N,  44,  16 
ich  förcht  man  werd  es  innen  0hl.  61,  1 
vgl.  ist  daz  ich  es  inne  werden  sol  Joh.  91,  24 
Das  bin  ich  innen  worden  Wunderhorn  i  149 
vgl.  auch  des  bringe  ich  si  wol  inne  D.  40,  32 

des  bringe  ich  in  vil  lool  inne  Veld.  58,  8 

brinc  si  des  inne  W.  98,  39 

si  brühte  mich  des  inne  N.  46,  20. 

Wan  sol  ze  liebe  gdhen  M.  12,  20 


148       ALTE  DEUTSCHE  VOLRSLIEDCHEN 

sicer  sich  vor  liebe  ze  verre  vergället  Rugge  101,  26 
Ich  teil  allez  gdhen  zuo  der  liehe  R.  170,  1 
vgl.   zer  schcene  niemen  si  ze  gäch  W.  50,  2 

Niemen  sol  an  vrouwen  sich  vergdhen  N.  48,  8. 

da  ist  gmiogen  ane  gehmgen  M.  12,25 

de?i  dd  vor  ist   nach   ir  icillen  gelungen  Penis  83,  30 

de'swdr  mim  ist  mich  werde  niht  gehmgen  Mor.  136,22 

dem  mediin  hat  gelungen  Ulil.  271,6 

Ihm  ist  gar  wohl  gelungen  Wunderhorn  i  250 

Bis  es  ihm  schlecht  gehmgen  Wuudeihoru  i  309 

vgl.   mir  müesle  wol  gelingen  iN.  0,  8 

owe  daz  mir  dd  niht  gelinget  N.  32,  11 
mir  niht  wol  an  ir  gelingen  N.  100,  28 
vgl.  auch  so  ist  mir  gelungen  noch  baz  danne  wol  Penis  83,  8. 
ez  tuo  ein  edeliu  fromce  M.  12,31 

vgl.   ezn  heile  mir  ein  frowe  Reg.  16,21 
vgl.  auch  wan  ein  schcene  frouwe  H.  49,  30. 

ichn  sach  mit  minen  ougen  M.  12,  33 
ich  sach  mit  minen  ougen  W.  9,  16 
vgl.  zu  MF  12,  39. 

an  ir  ist  anders  wandeis  iht  M.  12,  36 

vgl.   ir  tugende  die  sint  valsches  fri  D.  34,34 
sist  aller  wandelunge  fri  Rugge  104,9 
Ich  wände  daz  si  wcere  missewende  fri: 
nü  sagent  si  mir  ein  ander  mwre, 
daz  niht  lebendiges  äne  loandel  si  W.  59,  19 — 21 
unde  ist  aller  wandelunge  fri  N.  43,  27 
rehte  rösen  die  sint  aller  loandelunge  vri  N.  95,  5. 
s6  si  min  ouge  an  siht  M.  12,  39 
ob  si  min  ouge  niht  gesiht  D.  34,  32 
daz  si  min  ouge  gerne  siet  II.  45,  36 
so  si  min  ouge  niht  ensiht  Rugge  103,  10 
des  tages  so  si  min  ouge  siht  Rugge  105,5 
swenn  aber  si  min  ouge  an  siht  Mor.  130,  37 
als  in  min  ouge  an  siht  N.  15,31 

vgl.   waji  daz  min  ougen  sähen  M,  15,9 
Sit  daz  si  min  ouge  sach  R.  174,26 
min  ouge  in  gerner  nie  gesach  R.  198,  19 
vgl.  auch  an  gesehen  mit  beiden  minen  ougen  N.  22,  22 

diech  mit  ougen  ie  gesach  iN.  97,29  und  zu  Kür,  7,9 

und  Riet.  18,3. 

Ich  bin  holt  eitler  frouxoen  M.  13,  l 
vgl.  s6  weiz  ich  eine  frouwen  M.  15,3 
ich  sach  nie  eine  frouwen  M.  15,  13. 

ich  xoeiz  vil  wol  umbe  ivaz  M.  13,2 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       149 

ine  wisse  umhe  waz  Mor.  142,  18 
sitie  wizzen  umhe  waz  N.  68,  17 
ich  enweiz  niht  umhe  waz  IN.  75,  22 
vgl.  ich  weiz  rehte  niht  war  umhe  N.  97,  3 
vgl.  auch  in  loeiz  dur  waz  Rugge  100,  7  und  zu  R.  159,  12. 

shirhe  ich  nach  ir  minne  M.  13,  11 
ich  stirh,  mir  werde  ir  minne  Wolfr.  10,  8 
vgl.  nach  siner  minne  hin  ich  tot  N.  3,  13. 

nu  wizzen  algeUche  M.  13,24 

nu  wünschent  algeUche  Rugge  97,  9. 

dne  nahe  hi  gelegen  M.  13,  22 
ich  lege  mir  in  wol  nahe  M.  14,  34 
od  nähe  hl  st  gelegen  M.  15,8 
unde  frouwen  selten  hi,  gelegen  Mor.  128,30 
und  lege  mich  ir  nahe  hi  R.  167,8 
ezn  wart  so  nähe  nie  gelegen  Wolfr.  8,  26 
vgl.   ichn  gelige  herzeliehe  hi  R.  165,  17 
daz  er  mir  niht  nahen  IM  R.  196,25 
swenn  er  hi  mir  Icege  R.  200,  26 
dazs  ime  vil  nähe  lac  W.  90,  8 
und  lag  ich  nahe  dir  hi  Uhl.  36,  6  und  zu    CB  127". 

des  hdn  ich  weizgot  niht  getan  M.  13,  23 
vgl.   ich  hdn  im  anders  niht  getan  M.  13,  30 
ich  hahe  in  anders  niht  getan  R.  194,  4 
ich  höh  euch  nichts  getan  Uhl.  130,6 
vgl.  auch  ich  hahe  im  leides  niht  getan  D.  40,  36. 

mir  rdtent  mine  sinne  M.  13,25 
dö  rieten  mine  sinne  daz  Rugge  109,  11 
unde  rieten  mine  sinne  Pseudo-W.  171,8 
vgl.   mir  gap  ein  sinnic  herze  rät  Rugge  103,  11 
vgl.  auch  iedoch  so  ratet  mir  daz  herze  min  Joh.  86,  4 

und  dem  herzen  daz  mir  riet  an  ein  wip  R.  169,  28 
daz  rcetet  mir  daz  herze  min   R.  188,  27 
und  auch  durch  mines  herzen  rat  R.  191,  8 
doch  so  rcetet  mir  der  muot  Harim.  216,  14. 

Mir  weiten  minist  äugen  M.  13,  27 

den  weiten  miniu  ougen  Pseudo-D.  37,  14. 

wan  ob  ich  hdn  gedienet  M.  13,31 
vgl.   und  ich  ir  vil  gedienet  hdn  D.  38,31 

der  ich  vil  gedienet  hdn  D.  39, 13.  W.57,15.  N.69,30. 

76,31.    81,27 
der  mir  gedienet  hat  H.  49,  12 
der  ich  doch  vil  gedienet  hdn  Harlm.  207,24 
der  ich  dd  her  gedienet  hdn  Hartm.  208,  32 


150       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

der  mir  ein  teil  gedienet  hat  W.  71,  20 
der  ich  her  gedienet  hän  N.  56,  8 
vgl.  auch  ich  hdn  ir  gedienet  her  vil  lange  ztt  Mor.  127,  26 
Ich  hdn  ir  gedienet  vil  W.  117,  15 
der  ich  hdn  gedienet   her  vil  lange  N.  61,  26. 

im  trnret  sin  herze  M.  14,7 
triiric  ist  mir  al  daz  herze  min  D.  32,  20 
truric  ist  daz  herze  min  Veltl.  59,  15 
vgl.   und  gwinnet  mir  daz  herze  vil  manegen  trnrigen  muot 

Kür.  8,  23. 

Sit  er  nu  jungest  von  dir  schiet  M.  14,  8 
do  ich  aller  ndhest  von  dir  schiet  D.  40,  13 
vgl.  Deich  von  der  guoten  schiet  H.  48,  32 
vgl.  auch  zu  MF  6,  21. 

nü  hcehe  im  sin  gemüete  M.  14,  9 
als  ime  daz  hoehet  sinen  muot  Ruggc  103,  37 
so  wil  ich  hoehen  sinen  muot  R.  151,  28 
vgl.   des  froit  sich  min  gemüete  CB  102"* 
er  erfreut  mir  mein  gemüete  Uhl.  61,3 
vgl.  auch  daz   ir  güete  mich   gehoehet  hat   Rugge  110,32    und 

zu  Kür.  10,  23. 

gegen  dirre  sumerzit  M.  14,  10 
jegen  de  leve  sumertit  Uli).  37,  1 
vgl.    Wann  es  gel  (Es  get  wol)  gegen  demsommer  Uhl.  1 1 6, 4.  6. 

vgl.  L'hland  Sehr,  ni  389,  25. 

Ich  hdn  vernomen  ein  mcere  M.  14,26 

Ich  hörte  wilent  sagen  ein  mcere  Riet.  18,  25 

Nu  sint  uns  starkiu  mcere  komen: 

diu  habent  ir  alle  tvol  vernomen  Riigge  97,  7.  8 

daz  ich  so  liebiu  mcvre  hdn  vernomen  Rugge  110,  18 

Wol  mich  lieber  mcare  daz  ich  hau  vernomen  R.  203, 

24  —  25 
Welt  ir  liebiu  mcere  gerne  hoeren  N.  33,  20 
vgl.   daz  sint  dem  herzen  min  vil  leidiu  mcere    0.  34,  33 
ez  sint  guotiu  nimoe  märe  Veld.  56,  1 
die  uns  bringent  liebiu  märe   Veld.  59,  28 
wolde  si  mir  künden  liebiu  mcere  Rugge  107,  16 
ich  sage  im  liebiu  mcere  H.  151,30 
Swie  vil  ich  gesage  gnoter  mcere  R.  169,  15 
so  engehörle  ich  nie  ein  lieber  mcere  R.  196,  16 
miner  frouwen  seit  ich  disiu  mcere  W.  114,29 
vgl.  auch   Wer  hat  ir  gesaget  mcere  Feuis  85,  15 

ich  engehörle  nie  gesagen  Bligger  119,26  und  iMSD-256. 

si  ein  urlop  gegeben  M.  14,31 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       151 

nu  gib  im  urloup  siiezez  wlp  Wolfr.  4,  30 

nrloup  gap  Wolfr.  7,  10 

gieb  mir  wiob,  du  roter  mund  Uhl.  29,  5, 

daz  ich  vil  stceter  minne  pßege  M.  14,  33 
er  pßiget  niht  stceter  minne  N.  3,  10. 
Vil  schwne  unde  biderbe  M.  15,  1 
fronive  biderbe  tinde  guot  D.  33,  24 
vgl.   Man  sol  die  biderben  und  die  frwnen  D.  33,  31. 

dar  zno  edel  unde  guot  M.  15,2 
sist  edel  unde  schcene  M.  15,11 
si  ist  edel  unde  fruot  Veld.  60,  25 
vgl.  der  schoenen  vrowen  und  der  guoten  Veld.  66,  29. 

in  rehter  mnze  gemeit  M.  15,  12 
mit  zühten  gemeit  Mor.  122,  2 
kumt  iu  mit  zühten  sin  gemeit  W.  43,  31 
mit  schoenen  zühten  sin  gemeit  N.  17,  2  luul  anm. 
vgl.  und  bite  in  schöne  icesen  gemeit  D.  33,  1 
vgl.  auch  daz  er  in  zühten  wese  vrö  Sperv.  25,7. 

swaz  sie  gebiutet  daz  daz  allez  si  getan  M.  15,  16 
swaz  du  gebiutst  daz  leist  ich  D.  39,  25 
swie  so  si  gebiutet  mir  R.  195,  15 
siüie  si  gebiutet  R.  197,  7 
vgl.  alles  des  si  mir  gebot  N.  67,  16. 

den  ich  mir  lange  hän  erweit  Reg.  16,  9 
ich  hän  mir  si  vil  rehte  erweit  Guot.  76,  23 
ich  halt  mir  ausserivelet  Lhl.  55,  1 
vgl.  zu  D.  38,  16. 

und  Icegen  si  vor  leide  tot  Reg.  16,  12 
stürben  si  von  leide  Pseudo-R.  299,  6. 
des  ist  min  herze  wunt  Reg.  16,  20 
mir  ist  daz  herze  wunt  H.  49,  13 
von  der  mir  ist  daz  herze  sere  tonnt  Bligger  119,  17 
und  an  herzen  sere  lount  Mor.  130,  27 
min  herze  ist  icunt  Mor.  137,  14 
swaz  herze  ivunt  icas  N.  9,  15 
vgl.  auch  des  muoz  ich  wunt  beliben  H.  43,  2.  3. 

nu  heizent  si  mich  miden  einen  ritter  Reg.  16,  23 
si  wellent  daz  ich  mide  D.  36,  8 
wan,  helt,  die  solt  du  'miden  D.  37,  25 
so  muoz  ich  si  miden  W.  98,21 
vgl.   daz  ich  si  so  lange  mide  D.  32,  16 
het  ich  si  vermiten  R.  179,  20 
daz  ich  einen  ritter  mide  R.  196,  10 
Er  hat  ze  lange  mich  gemiten 


152       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

den  ich  mit  trimoen  nie  gemeit  R.  198.  4 — 5 
vgl.  auch  die  wlle  ich  si  venniden  muoz  Rugge  lUS,  2. 
oh  ich  i7i  iemer  gerne  scehe  Riet.  18,  3 
daz  si  min  ouge  gerne  siet  H.  45,  36 
da  nach  daz  si  mich  gerne  siet  Veld,  60,  10 
daz  niemen  in  so  gerne  siht  Veld.  67,  20 
oh  si  mich  eine  gerne  siht  Rugge  109,  29 
ivan  daz  ich  si  gerne  sach  Mor.  128,  32 
als  ich  in  gerne  scvhe  R.  151,  6 
daz  si  mich  eteswenne  gerne  siht  R.  159,  15 
nnde  ich  dich  vil  gerne  sach  R.  177,  4 
iind  selten  ieman  gerne  siht  W.  90,  20 
vgl,  hah  ich  dich  gerne  niht  gesehen  D.  40,  17 
und  scehe  in  gerner  R.  178,  13 
mhi  ouge  in  gerner  nie  gesach  R.  198,  14 
daz  ich  si  gerner  nie  gesach  R.  198,  19 
vgl.  auch  üb  ich  si  iemer  mere  gesehe  Joh.  88,  5 

swenn  ich  der  schoenen  niht  ensihe  R.  154,  6 
daz  er  mich  ie  gesach  R.  187,  12 
so  wol  mich   des   daz   ich  si  ie   gesach  Pseudo-Veld. 
260,  5  und  zu  MF  6,21.  12,39. 

sie  fliesent  alle  ir  areheit  Riet.  18,7.  R.  184,27 
der  verlinset  al  sin  areheit  R.  172,  31 
vgl.  von  s'mer  arebeite:  sist  anders  gar  verlorn  W.  103, 27. 28 
min  verloren  areheit  N.  64,  2. 

er  kan  mir  niemer  werden  leit  Riet.  18,  8 
si  kan  mir  niemer  werden  leit  D.  36,  18. 

Sit  ich  hdn  von  rehter  schade  Riet.  18,  11 
vgl.  Ich  muoz  von  rehten  schulden  D.  38,  5. 

Sit  si  wil  daz  ich  si  frö  Riet.  18,  14 
ez  woere  wol  und  wurd  ich  frö  D.  35,  26 
und  lüil  si ,  ich  hin  vrö  Joli.  91,  20 
wie  soU  ich  dan  iemer  mere  rehte  werden  vrö  Mor.  132,  28 
Ich  wart  eteswenne  frö  Mor.  143,  10 
und  kan  doch  niemer  werden  frö  R.  158,  8 
daz  ich  was  mit  den  andern  vrö  R.  174,  8 
nu  wurde  ich  aber  lihte  frö  R.  193,  34 
kan  er  ze  rehte  ouch  wesen  frö  VV.  44,  5 
Ich  wil  niht  me  —  tcesen  frö  VV.  61,  32 
seht,  so  woire  ich  iemer  mere  frö  \V.  109,  10 
so  wir  de  ich  aber  wider  frö  W.  1  ]  7,  7 
dd  die  Hute  sint  frö  Mor.  133,  28 
vgl.   swenne  ander  Hute  wmren  frö  R.  185,  28 
daz  der  werde  unfrö  W.  31,  36 
we  wer  wmre  unfrö  W.  51,25 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       153 

vgL  auch  des  vil  manic  herze  ist  vrö  Riet.  19,  8 
des  wirC  vil  manic  herze  frö  D.  33,  21 
betwungen  ivas  ez  [min  herze]  iemer  sil: 
noch  lourde  ez  vrö  Rugge  107,  4 — 5 
er  machet  manic  herze  frö  W.  17,  36 
des  Wirt  manic  herze  frö  W.  113,6. 

der  betivungen  stdt  Riet.  19,  11 
wan  ez  so  bedwungen  stdt  D.  32,  2 
also  gar  betwungen  stdt  Mor.  143,  8 
vgl.  zu  CB  126'  und  zu  D.  40,  15 
vgl.  auch  Haupt  zu  Reg.  16,  14. 

noch  ist  min  guot  rat  Riet.  19,  12 

daz  ist  min  rat  Guot.  71,  IS 

dest  min  rät  R.  162,  8 

und  ist  min  rät  Hartm.  206,  22 

daz  ist  min  rat  W.  20,  5.  Pseudo-N.  132,  5. 

daz  ich  nimoe  minen  sanc  Riet.  19,  13 
daz  ich  singe  ir  niuwen  sanc  Mor.  124,  7 
den  kinden  singe  ich  niuwen  sanc  N.  41,  39 
ich  gesunge  ir  niuwen  sanc  IS.  79,  31 
deich  ir  Jiinden  singe  niuwen  sanc  N.  87,  14. 

ez  ist  leider  alze  lanc  Riet.  19,  14 

und  ouch  der  jdmer  alze  lanc  D.  34,  18 

mirst  beidiu  winter  und  der  sumer  alzelanc  R.  155,  4 

die  swoeren  tage  sint  alze  lanc  Hartm.  207,  4 

so  ist  unser  sumelicher  beiten  alze  lanc  Harlni.  212,  24 

dd  von  so  dmiket  mich  sin  biten  alze  lanc  Hartm.  216, 18. 

swaz  ich  singe,  daz  ist  lodr  Riet.  19,  24 
daz  ich  in  sage,  daz  ist  war  Sperv.  23,23 
vgl.   daz  versuochte  ich  unde  ist  war  R.  170,  12 
daz  ist  war  W.  23,  12. 

swar  ich  danne   landes  var  Riet.  19,31 
swar  ich  iemer  var  H.  46,  13 
swar  ich  var  Guot.  75,  14.  76,  16.  N.  53,  22 
swelhen  ende  ich  var  N.  70,  33.  89,  35 
vgl.  swar  er  in  der  werlte  vert  R.  201*6 
e  ich  var  W.  60,  34 
vgl.  auch  swar  ich  landes  kere  H.  52,  31 

sicar  ich  des  landes  iender  konie  Guot.  74,  9 
swar  ich  landes  kere  Horh.  114,  30 
swar  ich  kere  W.  113,29 
swelhen  ende  er  kere  N.  51,  10.^ 

*  vas  on  quem  vi?'  Bartsch  Clirest.  prov.  153,  2o,  on  qu'eu  m'an  jiiui 
vire  ebd.  210,2. 

Z.  F.  D.  A.   XXIX.    N.  F.  XVU.  11 


154  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEÜCHEN 

senfter  wcere  mir  der  tot  Riet.  19,  34 
so  tcBte  sanfter  mir  der  tot  D.  36,  3 
noch  sanfter  tcete  mir  der  tot  Riigge  107,  9 
vgl.  bezzer  woere  mir  der  tot  N.  97,  20 
vgl.  auch  zu  CB  94^  und  R.  158,  28. 

daz  er  im  holdez  herze  trage  Sperv.  22,  4 

und  in  dd  nach  ein  holdez  herze  tragest  H.  47,  8 

und  wiech  ir  holdez  herze  trage  Mor.  136,  21 

deich  im  holdez  herze  trage  R.  178,  16 

deich  ir  so  holdez  herze  trage  R.  184,  24 

der  ich  holdez  herze  trage  IN.  53,  9. 

an  ein  ende  ich  des  wol  kaeme  ü.  32,  3 
Nu  ist  ez  an  ein  ende  komen  D.  38,  32 
vgl.   so  hat  erz  an  ein  ende  hrdht  D,  40,  8 

ez  ist  vil  ze  guotem  ende  hrdht  R.  190,  16 
vgl.  auch  den  willen  bringe  ich  an  min  ende  H.  51,  25. 

ican  diu  huote  D.  32,  3 
we  der  huote  Mor.  136,  27. 

selteri  sin  vergezzen  wirt  in  minem  muote  D.  32,  4 
daz  ich  sin  ze  keiner  zit  mac  vergezzen   D.  39,  6.  7 
vgl.   ich  bin  diu  sin  noch  nie  vergaz  Rugge  106,  23 
unde  als  ich  ir  nie  vergaz  R.  173,11 
got  weiz  wol  daz  ich  ir  nie  vergaz  R.  174,  35 
wie  si  mm  vergaz  W.  43,  5 
ich  vergaz  ir  mit  triuwen  nie  N.  51,  11.  12 
der  ich  selten  ie  vergaz  N.  59,  1 
selten  ich  ir  ie  vergaz  N.  89,  22 
vgl.  auch  ab  si  vergizzet  iemer  min  W.  100,  15. 

an  der  al  min  fröide  stdt  D.  32,  11 
an  der  gendden  al  min  fröide  stdt  H.  43,  28 
in  der  yewalt  min  fröide  stdt  Rugge  100,  3 
Sit  an  in  sin  fröide  stdt  W.  113,  16 
vgl.  wnH  heil  in  ir  gendden  stdt  Rugge  110,30 

vgl.  auch  dar  inne  al  min  fröide  Vit  H.  45,  3 

daz  beste  gelt  der  fröiden  min  daz  lit  an  ir  R.  158,23 
Sit  daz-an  dir  lit  mines  herzen  höhgemüete  W.  113,  16 
al  min  fröide  lit  an  einem  wihe  W.  115,  14 

vgl.  auch   W.  27,  32  und  zu  D.  36,  35. 

nu  muoz  ich  von  ir  gescheiden  sin  D.  32,  19 
sol  ich  von  der  gescheiden  sin  ü.  34,  26 
dd  von  wir  gescheiden  sin  R.  178,7 
vgl.  wir  zwei  s/n  gescheiden  W.  41,11 

vgl.  auch  daz  ich  von  der  gescheiden  bin  H.  43,  13. 

daz  al  die  werlt  diuhle  guot  D.  33,  9 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       155 

claz  diuhte  ein  andern  man  vil  guot  Guot.  70^  11 
duhtez  ir  einen  guot  Bligger  US,  11 
vgL   dd  dunket  mich  enwederz  guot  VV.  81,  30 
vgl.  auch  swie  si  dunke  guot  VV,  99,31  und  zu  D.  38,27. 

du  hast  getiuret  mir  den  muot  D.  33,  26 
si  tiuret  vil  der  sinne  min  Rugge  103,24 
dd  bist  du  getiuret  mite  Mor.  146,26 
daz  ir  so  höhe  tiuret  minen  Up  VV,  43,  22 
ez  tiuret  doch  wol  slnen  lip  VV,  93,  10 
vgl,   du  muost  doch  iemer  deste  tiurre  sin  W.  91,  30 
vgl.  auch  daz  ir  deste  werder  sint  Joh.  94,  14 

unde  wirde  dinen  jungen  Up  W.  91,  20. 

daz  mir  geschach  von  loihe  e  nie  D.  35,  4 
daz  mir  du  vor  e  nie  geschach  H,  43,  27 
so  geschcehe  an  mir  daz  nie  geschach  R,  189,  36 
vgl.  von  der  mir  nie  geschach  H,  48,  37. 

vil  gar  ir  eigen  ist  min  Up  D.  35,  15 
der  ich  den  Up  hdn  gegeben  für  eigen   D.  40,  20.  21 
Lip  unde  sinne  die  gap  ich  für  eigen  Penis  82,  34 
wan  min  selbes  lip;  derst  ir  eigen  R.  182,  18.  19 
eime  sult  ir  iuwern  Up  geben  für  eigen  VV.  86,  19.  20 
vgl.   ich  bin  ir  eigen  Guot.  71,25 

ich  bin  doch  ir  eigen  VV,  116,24 
dein  eigen  teil  ich  sein  Uli).  81,  2. 

tcas  hilfet  zorn?    D,  35,30 
ich  sohle  zürnen,  hülfe  ez  iet  D,  40,  11 
vgl.  waz  frumte,  ob  ich  von  zorne  jcehe  Riet.  18,4 
vgl.  auch  zu  D,  40,  11. 

Sioer  meret  die  gewizzen  min  Pseudo-D,  35,  32 
si  meret  vil  der  vröide  min  Rugge  103,  6. 

und  wil  doch  mannen  fremede  sin  Pseudo-D.  35,  34 
dur  die  ich  ir  muoz  frömede  sin  Mor.  131,  14 
vgl.  sei  ich  im  lange  vrömede  sin  D.  36,  1 1 
sol  ich  ir  lange  frömde  sin  D.  39,  17 
vgl.  auch  fremedet  er  mich  manegen  tac  D.  34,  14 
aleine  frömdet  mich  ir  lip  H.  42,  7 
sin  langez  fremeden  muoz  ich  klagen  Rugge  107,  23. 

daz  ist  diu  meiste  sorge  min  D.  36,  13 
doch  ist  daz  diu  meiste  sorge  mine  N.  58,  29 
vgl.   und  diu  hcehste  wunne  min  H.  54,  36 
daz  ist  min  meistiu  swcBre  iN.  87,  30 
do  was  daz  min  aller  meistiu  siocere  Rute  116,  20. 

wan  al  diu  werlt  noch  nie  gewan  D.  36,  25 

U* 


156       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

got  wei%  wol  daz  ich  nie  gewan  H.  44,  19 
vgl.  auch  für  alle  die  ich  ie  gewan  MF  5,  1. 

071  dir  stet  aller  min  gedanc  D.  36,  35 
ie  noch  stet  aller  min  gedanc  Rugge  99,  36 
stet  aller  min  gedanc  Rugge  102,26.  N.  87,  17 
stet  all  ir  gedank  Uhl.  272,  2 
vgl.   dd  nach  kert  ich  gerne  nünen  gedanc  Guot.  78,  18 
nach  der  min  gedanc  sere  ranc  Mor.  139,  23.  24 
von  im  so  treit  mich  aller  min  gedanc  N.  45,  22 
vgl.  auch  daz  ich  niene  kan  gedenken  wan  an  si  aleine  H.  44, 15.  16. 

ich  wil  im  iemer  stcete  sin  D.  38,  11 
ich  wil  im  iemer  holder  sin  R.  203,  14 
vgl.  zu  MF  5,  12. 

der  dich  hat  erweit  iiz  al  der  werlte  D.  38,  16.  17 
so  hat  iedoch  daz  herze  erweit  ein  wip  vor  al  der  werlt 

H.  47,  12.  13 
vgl.  zu  Reg.  16,  9. 

mich  dunkent  ander  frowen  guot  D.  38,  27 
iedoch  so  danket  si  mich  guot  D.  40,  31 
den  onch  die  selben  frowen  dünkent  gnot  Mor.  142,  32 
dö  mich  dnhte  daz  si  lowre  guot  W.  73,  11 
vgl.  zu  D.  33,  9. 

als  wirz  uns  beide  hdn  geddht, 
so  hat  erz  an  ein  ende  brdht  D.  40,  7.  8 
nach  minem  icillen  alse  ich  lidn  geddht  Rugge  109,21 
ezn  kome  als  ich  mirz  hdn  geddht  W.  72,  3 
du  hast  ez  nach  dinem  willen  ze  einem  ende  brdht, 
und  ist  och  rehte   ergangen  als   ich   mir  hete  geddht 

NN  2307,  3.  4 
vgl.  zu  D.  32,  3. 

hülfe  ez  iet  D.  40,  11.  Joh.  86,  22 
hulf  ez  mich  iht  Bligger  119,  3 
nn  hilfet  ez  nicht  Kolmas  120,  3 
we  waz  hilfet  mich  Mor.  134,  37 
waz  hilfet  daz  R.  157,37.  W.  79,21.  114,  4 
waz  hilfet  W.  44,  21.  vgl.  zu  D.  35,  30 
waz  hilfet  mich  W.  71,5 
waz  helfent  W.  89,  19 
vgl.  mir  wirret  niht  D.  41,  5 
wnrre  ez  iht  Joh.  89,  19 
dien  gew irret  daz  Mor.  137,  37 
des  mir  niht  enwirret  VV.  83,  19 
waz  wirret  dir?  N.  30,  21 
unde  schadet  in  niht  Mor.  131,  13 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       157 

we  waz  sclidt  äaz  iemen  R.  1S7,  28 
daz  sclidt  ir  niht  Hartm.  215,  IS 
vgl.  auch  und  tuot  es  niht  Joh.  89,34  und  zu  R.  183,  12 
wwr  ir  niht  Rugge  105,3  und  zu  W.  40,30 
was  daz  iht  W.  124,  3. 

hetwungen  was  daz  herze  mhi  D.  40,  15 
betwungen  ^cas  ez  [daz  herze]  iemer  sit  Rugge  107,  4 
vgl.  zu  Cß  126'  und  Riet.  19,  11. 

jd  hin  ich  niht  ein  heiden  D,  40,  24 
der  ist  icol  halp  ein  heiden  W.  7,  13 
vgl.  Haupt  zu  D.  40,  24. 

ez  wcere  an  mitier  fröide  ein  slac  D.  40,  33 

daz   ist   an   nünen  fröiden    mir  ein  angesllcher  slac 

R.  197,21 
und  wcere  an  fröide  ein  angeslkher  slac  W.  115,  1. 

des  was  vil  iingeicent  min  lip  H.  42,  14 
vgl.  Ich  was  vil  nngewon  Rugge  102,  1 
des  loas  er  vil  wigewon  N.  68,  36 
vgl.  auch  des  ich  si  selten  hdn  gewent  R.  171,  4. 

für  alliu  wip   H.  42,  9.   43,  14.  54,  34.    Joh.  88,9. 
90,  17.  Mor.  130,31.  147,  7.  R.  183,24.   Pseudo- 
Veld.  260,  8.  N.  94,  28  uo. 
für  alle  andriu  icip  Mor.  122,  11 
vgl.   durch  elliu  wip  H.  42, 15 
üz  allen  wiben  H.  50,31 
übr  elliu  loip  Rugge  106,  32 
von  allen  wiben  H.  50,  36 
vor  allen  wiben  W.  121,21 
vgl.  auch  elliu  loip  Adelnb.  148,  14.  W.  72,  5 
elliu  andriu  ictp  M.  11,17 
dan  elliu  to?p  R.  197,  4. 

die  ich  erlcös  für  elliu  wip  H.  43,  14 

ich  hdns  erkorn  uz  allen  wiben  H.  50,  31 

dö  ichs  üz  al  der  loerlte  erkös  Rugge  103,  12 

Ich  hdn  si  für  alliu  wip  mir  ze  frouwen  wid  ze  liebe 

erkorn  Mor.  130,  31.32 
daz  ich  vür  si  nie  kein  wip  erkös  R.  160,  11 
diech  vür  elliu  wip  erkös  N.  92,  18 
vgl.   die  ich  zer  besten  hdt  erkorn  Veld.  56,  16 
die  er  erkös  Guot.  73,  11 
daz  ich  die  schcenen  hdn  erkorn  Guot.  73,  18 
wan  ich  habe  ein  loip  mir  erkorn  Mor.  134,  26.  27 
doch  hdn  ich  mir  dise  üz  erkorn  W.  53,  30 
die  het  ich  ze  vriunde  mir  erkorn  N.  68,  2. 


15S       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

daz  ich  niemer  mac  verdagen  H.  44,  39 

desn  mac  ich  langer  niht  verdagen  Mor.  130,  12 

vgl.   daz  ichs  iemer  mnoz  gedagen  R.  165,9 
der  ich  aller  mnoz  gedagen  l\.  169,  13 
niemen  sol  ir  lohes  gedagen  Hartm.  214,  8 
Hie  mit  snl  wir  des  gedagen  N.  36,  38 
vgl.  auch  wir  mngen  wol  stille  da  gen  Riigge  97,  34 
man  sol  boeser  rede  gedagen  R.  162,  13. 
ez  tnot  wol  sine  triuwe  sch'm  H.  45,  14 
ich  tuon  im  ivibes  triuwe  sch'ni  R.  203,  16 

vgl.   tcBt  er  mir  noch  den  willen  schin  W.  71,  25 
des  tuet  er  wol  sehnt  IN.  96,  27 
vgl.  auch  ich  tet  ir  schin  den  dienest  min  R.  191,  13 

an  der  icirt  schin  diu  stonte  min  Harliu.  212,  10.  11. 
min  herze  ist  ir  ingesinde  H.  50,  15 
s?  ist  mines  herzen  ingesinde  N.  56,  13. 
swann  im  diu  forte  ist  vor  verspart  H.  53,  37 
mir  ist  verspart  der  scdden  tor  VV.  20,31 

vgl.  sami  si  dir  diz  selgidor:    Bislozin  si  dir  MSD  iv  8,  4 
und  s.  282.  Zs.  2,  535.  23,  94. 
ez  ist  diu  wolgetdne  Veld.  58,  19 
deist  diu  wolgetdne  N.  42,  38 
daz  ist  diu  loolgetdne  N.  52,  33. 

Nu  wol  hin  Guot.  70,  19 
Nu  wol  dan  W.  46,  21 
vgl.  wol  hin  N.  21,27 

wol  dun  mit  mir  N.  3,  16.  10,32. 

die  nement  des  war  Guot.  72,  9 

nie  genam  ich  vroioen  war  R.  151,  15 

daz  si  min  niht  ni)net  xour  R.  157,  18 

si  nimt  vil  kleine  loar  R.  173,8 

frouice,  nam  des  iemen  war  R.  177,9 

we  wes  nement  si  war  R.  179,  11 

s6  nimt  si  es  ein  teil  ze  kleine  war  R.  190,6 

die  besten  nement  ir  mit  trnwen  war  Pseu<io-R.  314,  4 

die  nement  sin  war  W.  5,  7 

unde  nam  der  besten  gerne  war  W.  56,31 

der  si  wilent  ndmen  war  VV.  59,  14 

des  nement  ir  Uhte  niender  war  W.  62,  23 

und  nam  ich  des  vil  kleine  war  W.  71,  11 

nimt  der  stcüte  gerne  war  W.  97,  3 

daz  ich  ir  neme  mit  triuwen  ivar  VVolfi-.  5,  17 

tinde  nemt  sin  selbe  icar  N.  5,  21 

nemt  sin  war  N.  6,  4 

des  nam  ich  war  K.  14,22 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       159 

n(Bme  si  min  inder  war  N.  98,  6 
vgl.   des  nieman  wirt  gewar  Mor.  137,  3. 

swiez  ergdt  Giiot.  75,  9 

swiez  mir  ergdt  Guot.  78,  34 

swiez  dar  under  mir  ergdt  W.  98,  8 

vgl.  swiez  erge  W.  94,  36. 

ez  wcere  ir  leit  Guot.  77,  3 

daz  ist  mir  leit  R.  158,36.  178,  37.  191,  31.  201, 

37.  W.  41,23.  53,8.  N.  58,18 
daz  ist  ir  leit  Pseiulo-W.  218,  15 
mir  ist  leit  N.  36,  36 
vgl.  deis  der  seh  leit  W.  67,  24 
daz  tat  iu  loesen  leit  N.  77,  8 
vgl.  auch  dem  hin  ich  leit  VV.  64,21 

daz  xocer  mir  leide  N.  57,  39 
ir  etelichen  würde  leit  N.  6 1 ,  3 
daz  dir  ze  leide  icirt  N.  19,  4. 

diu  mir  daz  herze  und  den  lip  hat  hetwungen  Penis  84, 1 
diu  mir  den  lip  und  den  muot  hat  hetwungen  W.  1 10, 14 
vgl.  zu  CB  126%  zu  Riet.  19,  11  und  zu  D.  40,  15. 

jd  ist  si  mir  ein  teil  ze  here  Penis  85,  12 
si  sint  mir  ze  her  VV.  56,  27 
so  wirt  er  ze  here  W.  81,  25. 

nu  entrure  niht  sere  Joh.  87,21  und  anm. 

daz  wetz  ich  wol  Joh.  91,22.  W.  24,  2.  73,  7 
doch  iceiz  ich  ivol  W.  101,35 
ich  iveiz  vil  wol  Wol  fr.  8,  3 
ich  weiz  wol  Pseudo-N.  170,76. 

so  ist  min  herze  leides  vol  Joh.  91,21 
ir  herze  ist  rehter  fröiden  vol  W.  55,21 
herze  wurden  vröuden  vol  N.  31,33 
da  von  so  ist  min  herze  jdmers  unde  trürens  vol  IN.  74, 32 
mein  herz  ist  alles  traurens  voll  Uhl.  14,  2 
ir  herz  was  freuden  vol  Uhl.  26,  1 
mein  herze  ist  freuden  vol  ühl.  59,  8.  329,  4 
sein  herz  was  unmuts  vol  Uhl.  70,  3 
mein  herz  ist  traurens  vol  Uhl.  76,  12 
min  herte  dat  is  dusetit  frewden  vull  Uhl.  128,  10 
vgl.   du  machst   mein  herz  ganz  freuden  vol    Uhl.  116,  18 
vgl.  auch  die  leut  die  waren  frewden  vol  Uhl.  239,  11. 

Swd  zwei  herzeJiep  gefriundent  sich 

die  sol  niemen  scheiden,    dunkel  mich  Joh.  91,29.  31 

wo  zwei  herzlieh  heinander  sind, 


160       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

die  zwei  sol  niemant  scheiden  ühL  101,4 
vgL   wo  nun  zwei  lieb  hei  einander  sein 
die  scheiden  sich  bald  Uhl.  SO,  1.  98,  1 
VgL  auch  Wo  zicei  herzenliebe  Uhl.  36,  5. 

nu  hat  er  beidinthalb  ferlorn  Rugge  98,  39 
dest  beidetithalp  niht  wan  verlorn  Hartm.  216,  9 
VgL  der  hat  si  beide  verlorn  Pseudo-Sperv.  245,  27. 

sist  guot  Horb.  115,  33.  W.  78,  39 
sist  so  guot  W.  14,  18.  Pseudo-W.  166,  31 
du  bist  guot  W.  51,4 
du  enbist  niht  guot  W.  31,22 
so  sU  ir  niht  guot  W.  52,  14 
vgl.   daz  wcere  guot  N.  14,  30 
daz  ist  niht  guot  N.  57,21 
vgl.  auch  wie  guot  sie  si  W.  67,  27. 

Min  alte  swcere  die  klage  ich  für  niuwe  Bligger  118,  1 
m'm  alte  not  die  klagte  ich  für  niuwe  Mor.  133,  15 
vgl.    jYm    muoz    ich    ie   min    alten   not   mit  sänge   niuwen 

R.  187,31.32 
vgl.  auch  und  niuwet  mir  die  alten  klage  Guot.  70,  35 
ich  klag  iemer  minen  alten  kumber, 
der  mir  iedoch  so  niuwer  ist  R.  189,11.  12. 

so  ist  aber  menger  so  gemuot  Bligger  119,23 
der  lantgrdve  ist  so  gemuot  W.  20,  10 
erst  ein  knappe  so  gemuot  N.  3,  9 
minne  ist  so  gemuot  IN.  97,  6 
vgl.  auch  min  muot  sluont  mir  eteswenne  also  R.  174,7. 

Mime  kinde  wil  ich  erben  dise  not  Mor.  125,  10 

üf  loen  erbe  ich  danne  dise  not  Pseudo-Wolfr.  xii  20. 

sei  zehant  bin  ich  gesivachet  Mor.  135,22 

die  sich  seihen  so  versicachent  W.  23,  21 

diu  so  sivachet  W.  47,  5 

wie  du  dich  swachcst  W.  51,  37 

daz  du  mich  so  swachest  N.  23,  39. 

mäht  du  doch  etswan  sprechen  jd  Mor.  137,  24 
mac  si  sprechen  eht  mit  triuwen  jd  R.  189,  18 
[s.  Erich  Schmidt  aao.  anm.  51]. 

wan  in  gesach  nie  toip  so  Mor.  142,25 
Ich  ensach  nie  wip  so  R.  202,  19 
vgl.   7c/«  gesach  nie  jnngez  wip  so  N.  47,  3^.  48,  29 
vgl.  auch  hl  gesach  nie  W.  52,31 
Ich  gesach  nie  CR  115". 

owe  war  umhe  tuot  er  daz  Mor.  113,  1 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       161 

we  war  vmhe  tuot  si  daz  W.  112,  33 
we  war  umhe  tnont  si  daz  N.  89,  17 
vgl.   we  wie  tuost  du  so  II.  190,  32 
owe  wie  tuont  si  so  VV.  124,  20 
vgl.  auch  loe  war  umbe  spriche  ich  daz  R.  193,  17. 

si  tuot  mir  ze  lange  we  Mor.  146,  10 
tuot  si  mir  ze  lange  we  R.  174,  1 
vgl.   daz  tuot  mir  vil  lange  we  R.  174,  29 
vgl.  auch  ez  tuot  ze  we  R  197,  18. 

stirhet  si,  so  hin  ich  tot  R.  158,  28 
sterbet  sie  mich,  so  ist  si  tot  W.  73,  16 
stirbe  ab  ich,  so  hin  ich  sanfte  tot  W.  86,  34 
und  stirb  ich  dann,  so  bin  ich  tot  Uhl.  150,  8 
sterbe  ich  nun,  so  bin  ich  todt  Wunderhorn  (Hempel) 

I  77.  vgl.  die  anm. 
nu  ivaz  dar  umhe?  R.  159,  12 
icaz  dar  umhe  R.  169,  11.  W.  43,  24.  48,  6.  N.  47,  34. 

der  niht  enkan  R.  159,  3 
der  des  niht  kan  R.  162,32 
des  ich  niht  enkan  R.  192,  27 
als  ich  ivol  kan  R.  160,  5 
als  er  wol  kan  R.  193,  7 
des  ich  niene  kan  Ilarlm.  207,  9 
als  ich  enkan  W.  43,  19 
des  er  niht  enkan  VV.  83,  18 
ob  ich  kan  Wolfr.  4,  16. 

daz  tuon  ich  R.  183,  12.  Hartm.  215,  13 
daz  tet  ich  R.  193,  11.  202,8 
und  tuot  si  daz  VV.  54,  35 
tuon  ich  daz  VV.  56,  25 
vgl.  als  er  nü  tuot  VV.  36,  9 
der  also  tuot  VV.  105,  6 
vgl.  auch  also  tuon  ich  sie  VV.  35,  19 
swaz  ich  tuon  N.  59,  29. 

als  er  mir  sol  R.  191,  22 
also  ich  von  rehte  sol  R.  201,  36 
als  ez  mit  triuwen  sol  Hartm.  206,  23 
als  ez  sol  VV.  96,  14 
als  ich  sol  IN.  97,  34 
vgl.  alse  er  solde  W.  107,  19 
vgl.  auch  swaz  ich  sol  W.  110,35. 

nu  bin  ichz  niht  R.  197,  27 
vgl.   daz  was  ich  VV.  40,  30 
daz  bin  ich  VV'.  56,  15 


162       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

vgl.  auch  mi  emceiz  ichs  niht  R.  202,  8. 

daz  ist  mir  getan  R.  200,  13.  IS.  77,  24  und  aiini. 
daz  si  in  getan  W.  40,  26  s.  Wilmanus  zu  29,  8 
vgl.  ist  daz  wol  getan?  VV.  52.3 

ez  ist  niht  wol  getan  W.  88,  32.  97,  20 
dazn  ist  niht  ze  wol  getan  VV.  1 16,  6 
vgl.  auch  daz  enist  niht  gnot  getan  N.  99,  37. 

dö  tagete  ez  Mor.  143,  29.  37.  144,  8.  16.  W.  75,  24. 

swaz  dar  umbe  mir  geschiht  R.  202,  10 
swaz  so  mir  geschiht  W.  42,  30 
iedoch  sivaz  mir  da  von  geschiht  W.  84,  4 
vgl.   swaz  liebes  dir  da  von  geschiht  W.  101,  34 
vgl.  auch  so  mir  daz  geschiht  W.  113,  38. 

swaz  si  mir  tuot  Harlm.  206,  27 
sioie  si  dir  tuot  W.  91,  34 
swaz  si  mir  getuot  W.  116,20 
sioaz  er  tuot  VV.  107,  9. 

nu  tuot  mir  we  Harun.  208,  2 
tuot  si  we'  W.  69,  6 
ez  tcete  im  lihte  %oe  VV.  86,  30 
daz  tuot  mir  ive  VV.  89,  1 
dt'i  tuost  we  N.  4,  34 
mir  tuont  vil  we  N.  11,  31 
daz  tuot  niht  we'  N.  13,6 
vgl.  s6  tuot  s'i  wol  Hartm.  212,19 

tuot  si  wol  VV.  69,5.  vgl.  zu  Mor.  146,  10 
son  tcet  du  nie  so  wol  VV.  89,  30 
wid  tuot  ir  wol  VV.  100,  14 
vgl.  auch  so  ist  im  lool  N.  45,  17 
so  ist  mir  wol  VV.  63,  19 
ich  tcete  im  guot  VV.  70,  19. 

de'st  dne  minen  danc  Harlm.  216,  7 
und  ist  dne  minen  danc  VV.  41,27 
ez  ist  dne  minen  danc  IN.  53,  32 
des  ist  under  minen  danc  N.  97,  17 
ist  loider  meinen  dank  Uhl.  69  R,  1 
vil  gar  an  iren  dank  Uhl.  261,3 
vgl.   ez  geschach  niht  snnder  danc  N.  90,  25. 

Ich  hörte  ein  wazzer  diezen  VV.  8,  26 

Ich  hört  ein  wasser  ßiessen  Uhl.  85,  2 

vgl.   wan  daz  daz  wazzer  fliuzet  VV.  124,  11. 

und  iveiz  noch  me  VV.  24,  2 
.so  xcist  ichs  gerne  me  VV'.  69,  2 


ALTE  DEÜTSCBE  VOLKSLIEDCHEiN  163 

vgl.   noch  klagte  ich  gerne  nie  W.  102,  28. 

es  wcer  ze  vil  W.  33,  33 

was  ze  vil  1\.  71,  4 

es  ist  im  gar  ze  vil  trutzstrophe  N.  158,  17. 

so  ist  ouch  min  frowe  wandelbcere  W.  59,  22 
Min  vrouwe  ist  wandelbcere  IS'.  82,  39. 

waz  wil  si  mere  W.  59,  35 
waz  wil  dus  me  VV.  60,  22. 

obe  er  wolte  W.  61,28.   105,28 
swie  er  wolle  W.  94,  34 
swie  si  iDolde  W.  109,  15 
vgl.  und  will  du  daz  W.  82,  14 
vgl,  auch  ob  sis  willen  hat  W,  121,  17. 

ü/  berge  und  in  dem  tal  Wolfr.  7,  22 
Uf  dem  berge  und  in  dem  tal  N.  4,31 
vgl.   In  dem  tat  N.  6,  19. 

sol  ich  im  des  niht  danken? 

von  Beiern  nnz  in   Tranken  N.  4,  28.  30 

daz  in  die  Beier  danken, 

die  Swdbe  und  die   Vranken  N.  16,  2.  3 

ich  seit  euch  danken 

mit  Schwaben  und  mit  Franken  Uhl.  3,  9 

vgl.  auch  auss  Franken   oder   auss  Schwaben   ühl.  100  B,  6  und 

ühland  Sehr,  v  262  anm.  369.  Strauch  Manier  3 

anm.,  Franken :  danken  auchSimrock  Volksl.  s.  334 

und  noch  Rückert  Arch.  f.  litleraturgesch.  vu  156. 

ich  hdn  vernomen  N.  14,  6 
als  ir  wol  habt  vernomen  N.  15,  35 
als  ich  hdn  vernomen  N.  31,8 
vgl.  zu  M.  14,  26. 

loint  ein  hüetel  um  din  hdr  N.  24,31  und  aum. 
bint  uf  din  hdr  Pseudo-N.  129,4 
bind  du  dein  har  mit  zu  Uhl.  43,  4. 

ich  hoere  ein  vogelhi  singen  N,  31,  19 

ich  hoere  ein  vogelken  singen  ühl.  164,  5,  35. 

Die  selben  wählen  gerne  mich  verdringen  N.  43,  35 
disen  sumer  habent  si  mich  von  irverdrungen  IN.  77, 17 
mich  von  minen  vröuden  und  von  lieber  stat  verdringen 

N.  89,  38 
der  mich  hat  von  lieber  stat  verdrnngen  N.  91,  21 
wirde  ich  hie  verdrnngen  Pseudo-W.  182,6 
von  im  bin  ich  verdrungen  Uhl.  50,  1 


164       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

er  bleibt  wol  nnverdrnngen  Uhl.  60,  7 
ain  andrer  hat  in  verdrnngen  Uhl.  271,  7. 

Ausgeschlosseu  habe  ich  von  dieser  Zusammenstellung  einmal 
solche  fälle,  bei  denen  entlehnuug  sicher  oder  doch  wahrschein- 
lich ist,  wie  in  den  versen,  die  Guotenburg  mit  Friedrich  von 
Hausen  gemein  hat,  Walther  mit  Reinmar,  Neidhart  mit  beiden 
und  anderen  dichtem;  fälle,  zu  denen  dann  vielleicht  auch  von 
den  hier  angeführten  noch  einer  oder  der  andere  gehören  mag, 
besonders  wo  blofs  zwei  belege  vorliegen,  was  man  in  dieser 
Sammlung  äufserst  selten  treffen  wird,  und  dann  wider  am  ehe- 
sten wo  der  zweite  name  einem  dichter  gehört,  der  sich  gern  an 
andere  meister  anlehnt,  wie  vor  allem  wider  ISeidharl  von  Reuen- 
tal, weil  der  formelhafte  character,  den  alle  mitgeteilten  stellen 
zeigen ,  zu  fehlen  schien ,  habe  ich  auch  den  vers  si  ist  ganzer 
fugende  ein  adamas  CB  94%  1  =  ganzer  tngeiule  ein  adamas  Mor. 
144,  27  weggelassen,  zweitens  aber  fehlen  die  fälle,  in  denen 
mehrmals  benutzte  Sprichwörter  vorliegen  wie  Fenis  84,  12.  Job. 
86,5.7.  95,14.  Rugge  110,31.  Mor.  127,12.  131,23.  W.  105,26. 
N.  49,  9,  oder  kleinere  formein,  die  nie  einen  ganzen  satz  aus- 
füllen, wie  Sperv.  21,2.  D.  33,  5.  Veld.  57,  5.  Fenis  80,  22.  Job. 
89,  18.  Kolmas  120,  18.  Mor.  134,  31.  R.  167,  29.  Hartm.  206,  15. 
W.  60,  10.  62,  1.  N.  6,  22.  13,29.  38,6.  63,  17  usw.  beides, 
entlehnung  wie  anwendung  von  Sprichwörtern  und  formelhaften 
redestücken,  kann  für  unser  thema  in  keiner  weise  verwandt 
werden,  aufser  so  weit  es  etwa  der  analogie  wegen,  die  es  mit 
uns  näher  angehenden  erscheinungen  zeigt,  gelegentlich  herbei- 
gezogen werden  muss. 

Trotz  mehrfacher  durchsieht  der  quellen  ist  meine  Samm- 
lung natürlich  noch  nicht  vollständig,  und  gar  bei  herbeiziehung 
weiterer  dichter  liefse  sie  sich  noch  bedeutend  bereichern,  aber 
schon  wie  sie  ist,  reicht  sie  für  unsere  zwecke  aus.  ich  glaube 
dass  leicht  auch  jemand,  der  diese  dichter  genau  kennt,  im  ersten 
augenblick  erstaunen  wird  über  die  menge  der  bei  den  verschie- 
densten minnesängern  widerkehrenden  verse.  unsere  Sammlung 
wird  doch  wol  mehr  als  1000  Zeilen  enthalten,  die  sich  über 
etwa  20000  verse  von  dichtem  des  12  und  13  jhs.  —  freilich 
keineswegs  gleichmäfsig  —  verteilen,  mau  wird  ohne  weiteres 
zugeben  dass  in  gleicher  weise  etwa  aus  neueren  dichtem  den 
zwanzigsten   teil  der  verse   bei  Zeitgenossen   zu  belegen   unmög- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN,      165 

lieh  wäre  —  weuo  mau  nicht  etwa  die  jungheioische  schule 
(Meifsner,  Griesebach,  Strodtmann  usw.)  nimmt,  bei  denen  noch 
mehr  als  jener  teil  aus  der  gemeinsamen  quelle  sich  allen  mit- 
geteilt haben  mag.  ich  führe  dies  an,  weil  es  meiner  ansieht 
nach  eine  würkliche  entsprechung  bietet:  auch  die  von  uns  ge- 
sammelten verse  müssen,  meine  ich,  einer  gemeinschaftlichen 
quelle  entspringen,  ausnahmen  habe  ich  schon  zugegeben,  als 
ich  darauf  aufmerksam  machte,  dass  von  den  angeführten  stellen 
noch  einige  wie  zahlreiche  nicht  angemerkte  auf  eutlehuung  be- 
ruhen können. 

Für  die  grofse  masse  sehe  ich  schlechtweg  keine  andere 
möglichkeit  der  erklärung  als  die,  welche  zugleich  die  einfachste 
ist:  gleicher  Ursprung  an  verschiedenen  stellen;  ich  meine:  alle 
diese  dichter  müssen  an  ihren  örtlich  und  zeitlich  getrennten 
puncten  aus  demselben  grofsen  überall  verbreiteten  Vorrat  ge- 
schöpft haben,  zufall  ist  durch  die  grofse  zahl  der  fälle,  in 
denen  wörtliche  Übereinstimmung  vorliegt  oder  eine  winzige  Ver- 
schiedenheit, an  der  die  Überlieferung  schuld  tragen  kann,  durch- 
aus ausgeschlossen,  alles  auf  entlehnung  zurückzuführen  geht 
nicht  an ,  weil  wir  nicht  nur  benutzungeu  über  kreuz  und  quer 
annehmen  müsten  und  zu  dem  wunderlichsten  bild  einer  grofsen 
in  engster  gemeinschaft  des  Schaffens  und  aneignens  lebenden 
dichtergenossenschaft  kämen ,  in  der  die  unbedeutendsten  glieder 
oft  noch  die  selbständigsten  gewesen  wären  (denn  wenige  finden 
wir  so  stark  vertreten  wie  Wallher;  Reinmar,  der  an  Originalität 
ihm  wie  Neidhart  sicher  nachsteht,  erheblich  schwächer  als  beide), 
wir  finden  dieselben  stellen  bei  frühen  und  späten  dichtem,  so 
in  dem  alten  liedchen  37,4  und  bei  PS'eidhart  (zu  MF  4,30);  an 
der  Donau  wie  am  Rhein,  so  in  den  Küreubergliedern  wie  bei 
Hausen  (zu  MF  6,21),  endlich  bei  dichtem  verschiedener  gegenden 
und  Perioden,  so  Meinloh  und  Reinmar  (zu  M.  13,  23).  damit 
soll  wider  nicht  bestritten  werden  dass  gewisse  fälle  sieh  örtlich, 
öfter  noch  zeitlieh  begränzt  zeigen  und  dass  aus  einer  Zusammen- 
stellung der  anklänge,  die  ein  dichter  mit  den  übrigen  zeigt, 
sich  etwas  für  seine  schule  und  art  gewinnen  liefse,  wie  es  Bur- 
dach bei  Wallher  getan  hat ,  ich  es  für  Neidhart  versucht  habe, 
dabei  noch  irrig  von  der  anschauung  ausgehend,  das  seien  immer 
würkhche  entlehnungen.  jetzt  glaube  ich  vielmehr  dass  man  bei 
der  annähme  der   würklichen    übernähme  aus  einem  dichter    in 


166       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

den  anderen  vorsichtiger  sein  muss;  man  wird  heute  eben  auch 
nicht  mehr  ein  wort  fremdwort  nennen,  das  die  deutsche  spräche 
wie  etwa  die  lateinische  aus  ihrer  gemeinsamen  ursprache  in 
noch  jetzt  ähnlicher  gestalt  sich  bewahrt  haben,  und  wie  die 
wörtlichen  Übereinstimmungen  bei  dichtem,  die  sich  einfach  nicht 
benutzt  haben  können,  so  sprechen  die  nur  ungefähren,  anderen 
fassungen  oft  näher  stehenden  bei  würklich  eng  zusammenge- 
hörigen dichtem  gegen  die  annähme  der  aneignung  in  dieser 
weise,  wenn  zb.  eine  von  Neidhart  zweimal  angewandte  formel 
sich  bei  Walther  nur  ähnlich  widerfindet,  genau  beiRugge,  dem 
der  Schöpfer  der  höfischen  dorfpoesie  sonst  fern  steht  (zu  M. 
12,  36).  und  diese  abweichungen,  oft  gering,  nicht  selten  be- 
trächtlich, beweisen  denn  auch  dass  man  nicht  etwa  behaupten 
darf,  das  habe  sich  alles  'von  selbst'  so  gegeben,  ähnlichkeiten 
wie  abweichungen  in  der  art,  wie  sie  hier  vorliegen,  erklärt 
(ähnlich  wie  dies  oben  beim  liebesgrufs  der  fall  war)  so  viel  ich 
sehe  einzig  die  annähme  gleichen  Ursprungs. 

Was  war  nun  aber  die  gemeinsame  quelle? 

Der  schätz,  aus  dem  die  dichter  von  1160 — 1240  und  in 
allen  in  die  poetische  fähigkeit  hineingezogenen  gegenden  Deutsch- 
lands ihre  münzen  entnehmen  konnten,  muste,  wie  schon  ge- 
sagt, in  teilen  dort  überall  gelagert  sein,  und  es  läge  am 
nächsten,  die  quelle  schlechtweg  in  der  spräche  des  volks  oder 
der  gebildeten,  in  der  Umgangssprache  des  tages  zu  sehen,  man 
könnte  alle  diese  Sätze  einfach  für  redensarten  der  alltagssprache 
erklären ,  die  eben  jeder  dichter  seinem  Hede  angepasst  habe. 

Der  Ursprung  aus  der  Umgangssprache  ist  klar,  aber  diese 
formein,  behaupten  wir,  müssen  in  feste,  dichterisch  brauch- 
bare gestalt  schon  vor  der  zeit  der  ältesten  uns  erhaltenen  lieder 
gebracht  worden  sein,  sie  müssen  mit  anderen  worten  vor  1160 
schon  aus  allgemeinen  zu  poetischen  formein  und  grösteuteils  zu 
würkUchen  versen,  nicht  in  jedem  wort,  aber  im  fall  des  ganzen 
Satzes  und  namentlich  im  zeilenausgang  fest  bestimmt  sieb  heraus- 
gebildet haben,  ist  dies  richtig,  so  wird  die  bedeutung  dieser  tat- 
sache  für  unser  thema  wol  entschuldigen,  wenn  wir  mit  vielleicht 
übertriebener  ausfiihrlichkeit  jeden  einwand  gegen  unsere  beweis- 
führung  abzuweisen  uns  bemüht  haben,  ist  dies  richtig,  so  werden 
wir,  wie  wir  versprachen,  für  eine  volkslyrik  vor  1160  statt  einzelner 
liedchen  eine  ganze  fülle  von  solchen  stücken  erschlicfsen  können. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       167 

Wir  sagten  also ,  diese  formein  der  Umgangssprache  müsten 
schon  einer  poetischen  bearbeitung  vor  unserer  zeit  unterlegen 
haben;  einzelne,  fahren  wir  fort,  wurden  auch  inhaltlich  durch 
Umgestaltung  des  ausdrucks,  alle  formell  neu  geschaffen  und 
zu  einer  festeren  form  gebracht,  als  sie  im  munde  des  volks 
hatten,  des  volks,  dem  sie  wie  die  dichter  selbst  entstammten, 
und  hierfür  ist  eben  die  wörtliche  Übereinstimmung  schon  ein 
genügender  beweis,  sicher  sagte  man  auch  in  prosa  einmal  'diese 
hoffnung  tut  mir  wol.'  aber  wenn  Guotenburg  und  Walther,  die 
weder  in  der  art  noch  in  der  form  der  dichtuug  viel  gemein 
haben,  diese  phrase  beide  anwandten  —  wie  kam  da  fast  genau 
derselbe  vers  heraus  (zu  CB  126')?  lag  aber  beiden  derselbe  vers 
schon  vor,  so  erklärt  das  bedürfois  des  liedes  allerdings  leicht 
die  geringe  modification. 

Die  formein,  die  wörtlich  gleichlautend  erhalten  sind,  stehen 
schon  unter  dem  einfluss  von  reim,  rhythmus  und  —  in  weit 
geringerem  mafse,  was  gerade  unserer  auffassung  zu  gute  kommt 
—  poetischer  spräche  (über  diesen  'läuterungsprocess'  vgl.  Michel 
Morungen  s.  170,    doch  auch  Knorr  Lichtenstein  s.  64). 

In  dem  angeführten  beispiele  wäre  es  noch  denkbar,  wenn 
auch  recht  wenig  wahrscheinlich ,  dass  jener  einfache  gedanke 
ganz  allgemein  etwa  in  der  form  der  gedinge  tuot  mir  icol  wie 
ein  regelmäfsiger  vers  von  vier  hebungen  ausgesprochen  worden 
wäre,  einfach  undenkbar  aber  ist  es  dass  die  damen  des  12  jhs., 
die  doch  keine  Moliereschen  pröcieusen  waren,  oder  gar  die 
'eisernen  ritter'  in  ihrer  Unterhaltung  gesagt  hätten:  in  minem 
herzen  ich  si  trage  (zu  CB  126^)  oder  söne  wirde  ich  niemer  frö 
(zu  Kür.  7,25).  das  ist  nicht  der  ton  des  tagesgesprächsl  ein- 
würkung  des  rhythmus  zeigt  unzweifelhaft  die  regelmäfsige  hin- 
znfügung  des  adverbs  güetUche  zu  einer  altertümlichen  formel  (zu 
MF  4,  19),  einwürkung  des  reims  die  Wortstellung  in  dem  vers 
Der  ist  geriten  hinnen  (zu  CB  112^)  oder  min  gemüete  tragen  hö 
(zu  CB  128');  das  reimbedürfnis  mag  einen  gewählteren  ausdruck, 
wie  ihn  meist  erst  die  späteren  formein  zeigen ,  verursacht  haben 
in  dem  satz  min  trüren  sol  zergdn  (zu  CB  98').  in  all  diesen 
beispielen  ist  was  wir  hier  hervorhoben  den  verschiedenen  ein- 
fügungen  der  formel  gemein,  etwa  Dietmar  und  Reinmar  (zu 
CB  128').  sie  bauten  also  den  gleichen  stein  ein;  natürlich 
muste  er  dazu  meist  noch  behauen  werden,    der  feste  vers  muste 


168       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

in  die  Strophe  passen  —  es  versieht  sich  dass  er  nicht  metho- 
disch zurecht  geschnitten  wurde,  sondern  im  munde  des  dichters 
sich  umformte,  sich  den  anderen  versen  assiniiherle. 

Für  diese  Vorgänge  hefert  schUefshch  noch  den  stärksten 
beweis  und  gibt  zugleich  ein  lehrreiches  bild  der  miunesingeri- 
schen  techuik  überhaupt  die  vergleichung  dieser  Umgestaltung 
fertiger  formein  bei  den  verschiedenen  dichtem,  um  sie  an- 
schaulicher zu  macheu  habe  ich  innerhalb  der  einzelnen  fas- 
sungeu  die  stellen  sich  stets  in  chronologischer  Ordnung  folgen 
lassen,  obwol  mit  leichter  mühe  sich  immer  die  am  genauesten 
übereinstimmenden  hätten  zusammenschieben  lassen,  dann  hätte 
für  die  einzelne  formel  der  eiudruck  sich  vielleicht  noch  über- 
zeugender gestaltet;  so  stehen  oft  scheinbar  weiter  aus  einander 
liegende  verse  neben  einander,  die  erst  ein  dritter  oder  vierter 
vers  vereinigt,  aber  die  entvvicklung  der  formelu  im  ganzen  lässt 
sich  dafür  um  so  deutlicher  verfolgen,  wer  die  techuik  der 
minnesinger  sich  klar  machen  will,  wird,  wie  ich  glaube,  diese 
betrachtung  nicht  unterlassen  dürfen;  ich  selbst  habe  die  absieht, 
dieselbe  weiterzuführen  und  auszudehnen,  aber  hier  haben  wir 
uns  natürlich  auf  das  für  unsere  aufgäbe  wichtigste  zu  be- 
schränken. 

Drei  gruppen  heben  sich,  nicht  genau  abzugränzen,  dem 
gesammtbilde  nach  aber  deutlich,  ab.  die  formelu,  die  schon  die 
ältesten  lieder  aufweisen,  vor  allem  die  namenlosen  (mit  ein- 
schluss  der  ältesten  deutschen  stücke  der  CB ,  ob  sie  nun  ori- 
ginale oder  nachbildungeu  sind,  und  der  Kürenbergslieder),  zeigen 
auch  bei  den  späteren  dichlern  noch  eine  eigentümliche  form  und 
behaupten  sich ,  wo  sie  nicht  ganz  verloren  gehen  (wie  zb.  zu 
MF  3,  1  und  3,  2  —  so  nahe  liegende  formein  und  doch  nur 
noch  bei  dem  volkstümlichen  Veldekel),  meist  starrer  als  die 
späteren,  sie  bilden  fast  ausnahmslos  genau  einen  vers  oder, 
nach  unserer  anschauuug,  sie  erhalten  sich  als  ein  vers  auch 
noch  in  später  zeit;  und  wo  die  neue  Strophe  mehr  als  drei 
oder  vier  hebungen  verlaugt,  werden  meist  einfach  flickworte 
zugesetzt  (zb.  von  Meinloh  zu  MF  4,  19  rehte,  von  Dietmar  zu 
MF  4,  22  aller,  von  Veldeke  zu  MF  5,  12  von  herzen),  nur 
zweierlei  Umgestaltungen  zeigen  auch  sie  oft ,  beide  in  ihrer  an- 
wendung  begründet:  Inversion  und  vertauschuug  des  reimworts. 
innerhalb  der  ältesten  lieder  selbst  fmden  auch  diese  beiden  um- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       169 

bildungen  sich  noch  nicht  häufig  (niclit  zh.  zu  MF  224,  26.  CB 
116'  —  spater  fast  stets  mit  Inversion,  MF  6,  21  usw.).  je  später 
die  dichter  sind,  desto  häufiger  und  stärker  werden  die  Umbil- 
dungen der  alten  verse ,  wobei  die  Individualität  und  die  Stellung 
zum  Volkslied  freilich  noch  in  betracht  kommen:  Veldeke,  Rugge, 
Neidhart  lassen  die  alte  gestalt  eher  bestehen  als  Hausen,  Mo- 
rungen,  Reinmar;  vollends  Harlmann  ist  in  unserer  Sammlung 
überhaupt  kaum  vertreten,  characteristisch  ist  vor  allem  die  art, 
wie  der  Scholastiker  des  niinnesaugs  die  alten  verszeilen  umbildet, 
andere  reimworte  (zu  MF  224,26.  CB  94',  1.  98'  usw.)  und  in- 
versiouen  (zu  MF  3,  13.  Kür.  10,  23  uö.)  bilden  bei  ihm  die 
regel,  dazu  kommen  noch  höfische  Umformung  der  spräche  und 
erweiterungen  —  dies  beides  aber  meist,  wie  angedeutet,  erst 
bei  formein  der  zweiten  gruppe. 

Diese,  die  fälle  aus  der  zeit  des  aufstrebens  von  den  an- 
fangen zur  blute,  sind  schon  keineswegs  mehr  so  fest,  nicht 
so  einfach  gefügt  wie  diese  (was  ist  an  fällen  wie  zu  CB  116'. 
M.  13,  31.  16,20.  Sperv.  22,  4  zu  ändern  möglich?  zu  M.  11,5 
sollte  man  dasselbe  denken  oder  genauer  zu  H.  43,  31,  aber 
R.  203,  13  bringt  doch  mit  seiner  beliebten  wortspielerei  etwas 
neues  zu  tage),  bieten  sie  schon  mehr  gelegenheit  zu  Umbildungen; 
dann  aber  sind  sie  grofsenteils  wol  selbst  schon  von  dem  alten 
verschen  weiter  entfernt,  und  so  taucht  denn  hier  schon  recht 
oft  auf,  was  dort  noch  sehr  selten  war:  die  interessante  Um- 
bildung durch  einstelluug  in  den  vers  dh.  die  coudensierung  des 
alten  ganzen  verses  zu  einem  teil  des  neuen,  fälle  aus  den  alten 
liedern  von  MF  haben  wir  in  dieser  art  kaum  (wol  zu  MF  224,27. 
CB  102'.  103';  Riet.  19,31  liegt  eher  bei  diesem  dichter  die 
ausdehnung  einer  formel  vor,  als  bei  späteren  die  Verkürzung, 
denn  layides  ist  überflüssig  und  kein  zweiter  alter  fall  da,  in 
dem  ein  ganzer  vers  durch  diese  bestinimung  gefüllt  wäre),  jetzt 
dagegen  haben  wir  das  oft:  verse  Dietmars  (zu  36,35),  Guoten- 
burgs  (zu  72,  9),  Veldekes  (zu  58,  19)  usw.  finden  wir  bei  spä- 
teren eingestellt,  während  aber  diese  periode  immerhin  noch 
zahlreich  fälle  zeigt,  die  sich  wie  die  der  ersten  verhalten  (zu 
H.  45,  14  ua.),  hat  sie  doch  andererseits  schon  die  formelhaften 
versteile,  die  der  ersten  schiebt  fast  ganz  fehlen,  der  dritten  sehr 
stark  ein  characleristisches  gepräge  geben:  feststehende  vers- 
anfänge  oder  versschlüsse  und  zwar  regelmäfsig  dieselbe  ver- 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  12 


170       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

bindung  iu  beiden  verwendungeu  (so  zu  D.  40,11.  H.  42,9  — 
ein  wichtiger  fall  dieser  art  — .  Guot.  70, 19.  75,  9.  77,  3.  Job. 
91,  22).  und  nun  liegt  hier  nicht  etwa  ebenfalls  einstellung  ver- 
lorener verse  vor:  fornieln  wie  üwr  alliu  wip  bildeten  auch  mit 
Zusätzen  sicher  nie  einen  eigenen  vers.  aber  allerdings  gibt  es 
in  dieser  zweiten  periode  schon  verse,  die  deutlich  den  Über- 
gang bilden,  so  bei  dem  Rietenburger,  überhaupt  einer  charac- 
teristischen  übergangsgestalt  (wie  er  denn  wol  der  erste  ist,  der 
bewust  neue  reime  zu  suchen  scheint):  fälle,  in  denen  von  der 
formel  nur  der  schluss,  der  schon  durch  metrische  strenge  und 
reim  am  festesten  'gesicherte  teil,  unverändert  sich  widerfindet 
(zu  Riet.  19,  11.  14).  aber  es  ist  in  diesen  fällen  eben  stets  der 
schluss,  und  immer  nehmen  die  formein  einen  vollen  vers  ein. 
wir  dürfen  annehmen  dass  hier  noch  anlehnung  an  würkliche 
verse  vorliegt,  aber  schon  mit  einem  merkbaren  bestreben,  sich 
von  denselben  frei  zu  machen ,  wie  dies  deutlicher  noch  in  der 
geringeren  häufigkeit  solcher  stehenden  verse  bei  diesen  dichtem 
hervortritt;  ist  ja  doch  in  den  ältesten  liedern  kaum  einmal  eine 
zeile  ohne  parallelslellen !  aber  die  bequemlichkeit  dieser  festen 
versausgänge  führte  zur  typischen  fixierung  von  formein,  die 
dazu  geeignet  waren ,  ihn  zu  bilden ,  meist  inhaltslose  redens- 
arten ,  besonders  mit  den  hilfsverben  gebildet:  'wie  ich  sollte', 
'wie  du  kannst'  udgl.,  die  denn  auch,  weil  man  sie  eben  zur 
versfüUung  gut  und  fast  überall  verwenden  konnte,  als  versanfang 
benutzt  wurden.  1  das  braucht  hier  nicht  und  nicht  an  jeder  ein- 
zelnen stelle  bemerkt  zu  werden,  dass  an  ein  überlegtes,  metho- 
disches Verseschmieden  dabei  nicht  zu  denken  ist,  sondern  an 
eine  allmähliche  entwicklung.  hier  aber  sieht  man  ganz  klar, 
wo  würklich  nur  redensarten  der  gebildeten  Umgangssprache,  vor- 
zugsweise geradezu  hoflichkeitsformeln,  in  den  vers  kommen,  wie 
ganz  anders  sich  das  macht  als  die  Verarbeitung  schon  poetisch 
durchgebildeter  formein :  kaum  je  ein  ganzer  vers,  keinerlei  ent- 
wicklung, sondern  von  da  ab  bei  allen  dichtem  gleiche  Verwen- 
dung, und  endlich  nicht  die  geringste  enlfernung  von  der  prosa- 
rede: selten  einmal  wähl  eines  weniger  alltäglichen  worts,  kaum 
je  ungewöhnliche  Wortstellung  typisch  erstarrt. 

Zeigt  die  zweite  gruppe  also  der  ersten  gegenüber  verschie- 

'  conventioneile  Wendungen   am    schluss  der  hexameter   bei   späteren 
lat.  dichtem  Teudel  Gesch.  d.  röm.  litt.  s.  6ü8  anm.  2. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       171 

denheit  sowol   in  der  beschaflenheit   ihrer  neuen  formein  (vers- 
teile statt  der  verse)  als  in  der  handhabung  der  alten  (gelegent- 
lich einstellung  in  den  vers,  also  ebenfalls  versteil  statt  des  verses), 
so  steigert  sich  beides  in  der  dritten ,  die  formein  der  alten  art, 
formelhaft  verwandte  verse    also ,    überhaupt  kaum  noch  hervor- 
bringt oder  vielmehr  ohne  ältere  beispiele  kaum  noch  zeigt  und 
die  alten  widerholt  verdichtet  und  bricht,    aber  sie  hat  noch  zwei 
neue   arten   der   Umwandlung,    die  vorher   äufserst   selten   sind: 
die   erweiterung   und  die  Verfeinerung,     erweiterung   hatten  wir 
zwar  in  der  ersten  schiebt  bereits ,  doch  so,  dass  das  mafs  eines 
verses  nicht  überschritten  wurde,    nun  ist  es  für  den  echt  schul- 
mäfsigen   minnesang   bezeichnend,   wie  er  diese  einfachen  verse 
durch  allerlei  künste  ausspinnt  und  doch  inhaltlich  ganz  unver- 
ändert lässt.    am  häufigsten  hat  das  natürlich  Reinmar  (so  158,  23. 
194,24  —  25.  198,4),    aber  öfters   auch  VValther  (59,  19  —  21. 
103,  7).    daneben  selbstverständlich  hier  noch  häufiger  als  schon 
in  der  ersten,    noch  mehr  in  der  zweiten  jene  einfache  art  der 
erweiterung   nur    durch   flickwörter   (so  W.  42, 34.  86,34;   be- 
sonders   characteristisch   der  ständige  zusatz  von  herzen   zu  MF 
5,  12).    und  ebenso  wird  die  erselzuug  der  alten  volkstümlichen 
ausdrücke,   schon  vorher   zuweilen  vorkommend,  jetzt  geradezu 
System,   wobei  wider  Reinmar   an   der   spitze   steht  (so  171,  39 
herouhen  statt  benemen,   187,  28  schaden  statt  werren,  besonders 
bezeichnend  202,  36  von  sorgen  scheiden  statt  fri  machen;  so  auch 
Hartm.  214,  16.  W.  52,  15.  N.  46,  29.  54,  21  usw.    sohle  regel- 
mäfsig  durch  müeze  ersetzt  zu  CR  99%  1). 

Diese  entwicklung  also,  die  natürlich  genauer  ins  einzelne 
verfolgt  werden  müste,  entspricht  völlig  unserer  annähme,  die 
ältesten  lieder  bedienen  sich  sehr  stark  der  verse  der  Volksdich- 
tung, ändern  sie  kaum  mehr  als  die  einfügung  in  die  Strophe 
verlangt;  diese  verse  behaupten  sich  auch  noch  in  der  periode 
des  aufstrebens,  die  aber  sich  selbständig  zu  machen  ringt,  an 
ihnen  arbeitet  und  neue  hilfsformeln  schafft,  daneben  doch  noch 
neue  verse  aus  der  Volksdichtung  aufnimmt;  die  periode  der  blute 
endUch  gestaltet  das  vorgefundene  weiter  um,  nimmt  aber  aus 
der  lyrik  des  volks  wenig  mehr,  während  sie  im  dienst  ihrer 
metrischen  und  reimkünste  jene  anfangs-  und  eudformeln  pflegt 
und  mehrt,  das  hat  volle  innere  Wahrscheinlichkeit;  nicht  dass 
formein  der  Umgangssprache  in  ganz  derselben  weise  wie  später 

12* 


172       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

schon  im  anfang,  wo  überflüssiges  so  selten  ist,  versificiert  und 
dabei  stets  zu  vollen  und  genau  bestimmten  versen  geworden 
wären,  und  deshalb  finden  sich  unsere  verse  am  häufigsten  un- 
verändert bei  volkstümlichen  dichtem,  deshalb  so  eigentümlich 
umgeformt,  wie  die  prosa  des  tages  sich  schwerlich  umformte,  bei 
den  höfischen  Säugern. 

Noch  ist  aber  ein,  soweit  ich  sehe,  letzter  einwand  zu  wider- 
legen: sprechen  die  Umgestaltungen,  die  schon  die  älteste  zeit 
aufweist,  vertauschung  des  reimworts  und  inversion ,  nicht  gegen 
benutzuüg  eines  festen  verses,  für  die  einer  loseren  formel? 

Auch  dieser  einwand   ist  zu  widerlegen,     festes  gefüge  be- 
weist  die   poetisch   gefestigte   formel  deutlich   genug   auch  hier, 
und  wie   leicht   ein   synonym  für   das   andere   eintreten  konnte, 
lässt  sich  wol   begreifen;   handelte   es   sich  doch    nicht   um  ein 
gewolltes  einfassen  eines  verses,  nach  dem  alles  sich  hätte  richten 
müssen,    wie   bei  glossen  oder  bei  den    'entlehnten  versen'   der 
troubadours;  nein,  ein  bekannter  vers  klang  vor,  und  wo  er  sich 
nicht  selbst  einschlich,  bildete  sich  ihm  ein  neuer  nach,  seinem 
tonfall,   seiner    ungefähren  Wortfügung  —  all    dies    nur   in  den 
fällen ,  wo  würklich  gröfsere  entfernung  von    der  älteren  geslalt 
anzunehmen    ist,    alles    das    schwer  deutbar   als   assimilation   an 
zufällig  einmal  gerade  in  dieser  form  gereimte  formein.    analogien 
dazu  konnte   ich    aus  der  deutschen    neueren  lyrik    in  nicht  ge- 
ringer zahl  anführen,    dem  verse  Heines  Ich  hab  dich  geliebt  und 
liebe  dich  noch   zb.  klang   gewis  der  vers  Uhlands   vor   Dich  hab 
ich   geliebt,    dich    lieb   ich   noch  heut  —  nicht   aber  versificierlen 
beide  unabhängig  eine  formel.     so  steht    gewis  Freiligraths  vers 
So  lass   mich  sitzen   ohne  ende    unter  dem    einfluss  von  Goethes 
So  lass  mich  scheitieti  bis  ich  werde,    Heines  Herz  mein  herz  sei 
nicht  beklommen   unter  der  cinwürkung  von  Goethes   Herz  mein 
herz  was  soll  das  geben,  ebenso  viele  anklänge  an  eigene  stellen 
bei  Heine,  an  seine  verse,  wie  schon  erwähnt,  bei  seinen  nach- 
ahmern  usw.    im  Volkslied  aber  werden  weiter  solche  Umbildungen 
durch  gewisse  kunstübungen  noch  gefördert,    beim  umsingen  ist 
sehr   üblich    dass   der   folgende   stets   den    anfangsvers   des    Vor- 
sängers aufgreift  und  seinen  Verhältnissen  anpasst;  die  mädchen 
singen  zb.  der  reihe  nach  kurze  verschen  auf  ihre  liebsten  und 
die  erste  beginnt:    Mei  schätz  is  a  holzknecht  — ;  die  zweite  singt 
dann :     Mei  schätz  is  a  brenner  — ,  mei  schätz  is  a  ivcber  —  usw. 


ALTE  DEUTSCHE  v^^^jigpcHEN  173 

(Deutsche  Volkslieder  aus  Kärnten,    gesammelt  von  Vto_  .    ,    . 
und   EHerrmann,   Graz  1869,   i  28.   133  f).     so  bilden   sich  ^^- 
riationen  des  verses  mit  anderen  endworten ,  hier  einmal  gerade 
nicht  reimworten. 

Vielleicht  noch  häufiger  ist  dass  der  folgende  sänger  die 
Schlusszeile  des  Vorsängers  als  anfangszeile  aufnimmt  (zb.  aao. 
560.  1222  uö.),  wobei  sich  die  Inversion  oft  ergibt;  ferner  aber 
wird  diese  geübt  in  den  kettenreimen,  die  ja  in  die  älteste  zeit 
herabreichen,  das  sind  also  durchaus  volkstümliche  Umgestal- 
tungen von  Versen;  nicht  volkstümlich  ist  die  erweiterung  über 
einen  vers  hinaus  oder  die  Verkürzung  unter  dessen  mafs,  die 
eigentliche  art  der  einreimung  von  formein. 

Und  so  finden  wir  denn  ganz  dasselbe  auch  in  neuen  Volks- 
liedern, derselbe  vers  widerholt  sich  oft  und  oft,  so  eingänge 
wie  Dar  licht  ein  stat  in  Osterrik  (Uhl.  17%  1.  125,  1.  vgl.  99,  1), 
Es  stet  ein  lind  in  jenem  tal  (Uhl.  15,  1.  116,  1  uö.  vgl.  Talvj 
119  usw.),  mittelzeilen  wie  si  kamen  vor  einer  toirtin  haus  (Uhl. 
148,2.  149,9.  196,  1.  284,3),  darauf  da  stand  geschrihen  (Uhl. 
122,  32.  153,  3.  Meinen  Alte  teutsche  Volkslieder  in  der  mundart 
des  kuhländchens,  1817,  s.  27),  und  Zusammenstellungen  von 
zwei  und  drei  versen ,  ja  ganze  Strophen,  und  so  besteht  ein 
grofser  teil  der  kleinen  volksliedchen  fast  ausschliefslich  aus 
solchen  Zusammensetzungen  fertiger  verse  (vgl.  Talvj  s.  30,  bes. 
s.  118  und  anm.). 

Von  diesen  noch  jetzt  verwandten  versen  der  Volkslieder 
sind  nun  aber  nicht  wenige  mit  den  von  uns  augeführten  iden- 
tisch, wie  dort  schon  angemerkt  (zu  CB  145.  Kür.  8,  1.  M.  13,22. 
14,  9.  10.31.  Reg.  16,9.  Job.  91,  21,  vor  allem  die  erste  und 
die  letzte  dieser  stellen,  usw.).  und  unzweifelhaft  wird  die  auf- 
nähme von  älteren  gedichtteileu,  wo  zwei  verse  neben  einander, 
im  Volkslied  formelhaft  gebraucht,  sich  bei  den  mhd.  dichtem 
widerfinden  (zu  Kür.  9,  12,  wo  diese  fassung  beide  neueren  aus- 
gestaltungen  vereinigt,  zu  Job.  91,  29)  oder  gar  drei  (zu  M.  12, 
6  —  8).  denn  entlehnung  aus  den  mhd.  liedern  ist  undenkbar: 
die  gedichte  selbst  sind  durchaus  verschieden,  oben  drein  spricht 
in  jedem  der  drei  fälle  ein  besonderer  umstand  dagegen:  bei  dem 
Kürenberglied  die  ungenaue  fassung  der  beiden  späteren  stellen, 
bei  dem  gedieht  Meinlohs  die  umkehrung  der  folge,  bei  dem 
Johansdorfs  die  auslassung  der  mittleren  zeile  (Job.  91,  30).    und 


174  ALTE  DEÜTS^'-  VOLKSLIEDCHEN 

.     ,  ..  uem  noch  ein  beispiel  aus  zwei  mhd.  eedichten  zur 

wir  koii'^" 
„o   Stelleu:   zwei   formelhafte  verse,   beide   auch  einzeln    noch 

zu  belegen,  finden  sich  vereinigt  in  einem  liede  Dietmars  und 
in  einer  echten  Nibelungenstrophe  (zu  D.  40,  8  —  9).  eine  ent- 
lehnung  ist  um  so  weniger  anzunehmen ,  als  noch  der  vers 
Rugges  (109,21)  eine  Umbildung  der  forme!  zeigt,  und  hier 
haben  wir  also  ganz  deutlich  einen  fall  der  Verarbeitung  alter 
verse  in  der  art,  wie  wir  für  den  grösten  teil  unserer  Sammlung 
sie  erschlossen. 

Wir  haben  nun,  wie  ich  glaube,  die  existenz  einer  grofsen 
zahl  von  versen,  die  in  der  verlorenen  Volksdichtung  gerade  wie 
noch  in  den  ältesten  erhaltenen  liedern  einfach  zu  neuen  liedern 
zusammengefügt  wurden,  für  alle  an  der  litterarischen  cultur 
Deutschlands  damals  beteiligten  länder  nachgewiesen,  gegen  Wil- 
manns  also  eine  weit  verbreitete  volkslyrik  vor  der  mitte  des 
12  jhs.  festgestellt.  denn  das  bedarf  keiner  weiteren  worte, 
dass  die  herausbildung  fester  verse  aus  jenen  formein,  ihre  ab- 
rundung  und  Vervollkommnung  eine  längere  kunstübung  vor- 
aussetzt und  man  nicht  etwa  willkürlich  behaupten  darf,  diese 
verse  seien  alle  unmittelbar  vor  und  mit  MF  3,  1.  37,  4.  18 
entstanden  —  und  doch  führt  schon  das  weiter  zurück,  nun 
wäre  noch  gegen  Wilmanus  zu  beweisen  dass  die  liedchen,  welche 
diese  verse  hervorriefen  und  fast  nur  aus  ihnen  gebildet  waren, 
lyrischer  natur  waren,  dafür  genügt  es  auf  den  Inhalt  der  meisten 
zu  verweisen,  einzelne  stammen  allerdings  wol  aus  anderen  dich- 
tungsgattungen,  aus  der  epik  gewis  die  berufung  auf  die  erzählung 
der  leute  (zu  M.  14,  26),  aus  der  gnomik  wahrscheinlich  sie  ßie- 
sent  alle  ir  arebeit  (zu  Riet.  18,  7),  das  stark  an  gewisse  priamel- 
schlüsse  erinnert,  daz  ist  min  rdt  (zu  Riet.  19,12),  natürlich 
auch  bei  den  lyrikern  noch  fast  lehrhafte  einfuhrung  von  Sätzen; 
aus  der  epik  wider,  obwol  auch  die  gnomik  ähnliche  beteuerungen 
hat,  die  formelhafte  bekräftigung  der  Wahrheit  (zu  Riet.  19,24); 
kaum  etwas  aus  den  alten  lob-  und  spottliedern.  die  meisten 
dieser  verse  sind  aber  schlechtweg  lyrischer  nalur.  wenn  ein- 
zelne auch  bei  epikern  vorkommen,  so  wird  sie  deshalb  allein 
niemand  aus  den  epen  herleiten  wollen,  würklich  lyrische  stellen 
in  epischer  Verwendung  setzen  doch  vielmehr  gewis  die  ausbil- 
dung  der  Weichheit  und  kunstreife,  die  man  für  das  entstehen 
einer  lyrik  verlangt,   in    noch    höherem  grade  voraus,     ein  ein- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       175 

dringen  lyrischer  momeute  zb.  in  die  späteren  slrophen  der  ISN 
ist  ja  auch  unzweifelhaft  (vgl.  Scherer  Zs.  17,  562).  aber  auch 
direct  die  aufnähme  lyrischer  verse  zb.  bei  Wolfram  werden  wir 
noch  nachweisen,  und  wie  aus  lyrischen  vierzeilen  epische  Strophen 
erwachsen,  dafür  haben  wir  in  der  noch  lebenden  Volksdichtung  ein 
hübsches  beispiel.  die  zweite  hälfie  eines  recht  verbreiteten  schna- 
dahüpferls  lautet: 

Pfui  schäm  dil  so  liiegen 

das  steht  dir  nit  an  (Firmenich  ii  785^  Pogatschn. -Herrn. 

1283  usw.). 
das  ist  nun  die  erste  hälfte  einer  formelhaften  epischen  Strophe 
geworden: 

Ei  warnm  solt  ich  lügen? 

stund'  mir  gar  übel  an  (Uhl.  96,5.  112,5). 
das  formelhafte  verspar  stammt  hier  doch  ganz  gewis  aus  der 
lyrik,  denn  es  bringt  directe  rede  in  die  epische  erzählung.  so 
hat  man  solche  Vierzeiler  zu  ganzen  gedichten  zusammengesetzt, 
die  wenigstens  einen  bestimmten  verlauf  ergeben  (so  Arnim  im 
Wunderhorn  i  19S  und  anm.).  und  eine  eingehende  vergleichung 
der  mhd.  epik  und  lyrik  wird  sicher  tiefer  gehende  einflösse  der 
lyrischen  gedichte  auf  die  epischen  ebenso  deutlich  erweisen  wie 
das  umgekehrte  schon  nachgewiesen  ist  (einfliiss  Veldekescher  epik 
auf  die  minnedichtuug  ua.). 

Und  nach  all  den  analogien ,  die  wir  zwischen  der  verlornen 
volkslyrik  und  auch  noch  der  ältesten  erhaltenen  mit  der  noch 
jetzt  bestehenden  bauerndichlung  erst  eben  wider  gefunden 
haben,  dürfen  wir  die  gleichslellung  Schmellers  wider  aufnehmen 
und  sagen:  diese  ältesten  liedchen  waren  würklich  Vierzeiler  der 
einfachsten  art,  wie  die  schnadahüpferl  aus  stehenden  versen  zu- 
sammengesetzt und  vorzugsweise  zum  gesang  bei  tanz  und  spiel 
bestimmt,  in  den  bairisch-österreichischen  Vierzeilern  können  wir 
diese  formelhaft  verwandten  verse  massenhaft  nachweisen;  den- 
selben vers  finden  wir  oft  an  den  verschiedensten  stellen,  ganze 
slrophenhälfteo  tauscheu  usw.  und  dass  auch  würklich  die  noch 
lebenden  Vierzeiler  selbst  zum  teil  bis  in  die  älteste  zeit  zurück- 
reichen, dafür  spricht  schon  ihre  Verbreitung  über  weit  aus  ein- 
ander liegende  gebiete,  die  wie  etwa  Tirol,  Trier,  das  kuhländchen 
schlechterdings  keinerlei  Verbindung  mit  einander  haben  und  die 
gleichen  lieder  aus  der  gleichen  quelle  geschöpft  haben  müssen. 


176       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

denn  früher  sang  eben  alles,  was  überhaupt  sang,  diese  lieder, 
weiter  trugen  sie  noch  die  fahrenden  umher  und  so  besafs  jene 
zeit,  wie  zb.  die  Verbreitung  von  handschriflen  derselben  gedichle 
über  entfernte  gebiete  beweist,  für  die  volkstümliche  dichlung 
eine  allgemeinheit  der  verbreituug,  wie  sie  jetzt  bei  der  Spaltung 
aller  interessen  und  der  verschärfuug  aller  Scheidungen  in  der 
grofsen  masse  des  volks  kaum  mehr  möglich  erscheint,  i 

Gegen  diese  gleichstellung  der  alten  volksliedchen  mit  den 
noch  gesungenen  Vierzeilern  könnte  man  wider  einwenden:  wie 
es  käme  dass  in  der  form  von  Vierzeilern  wol  spottverse  und  ver- 
wandte impromptus  erhalten  seien ,  aber  kein  einziges  lyrisches 
liedchen,  wäre  dies  der  fall,  so  liefse  es  sich  leicht  erklären: 
die  epigramme  hätten  in  einer  Verarbeitung  die  würkung  ihrer 
pointe  fast  ganz  eingebüfst  (wie  das  denn  bei  den  trutzstrophen 
gegen  Neidhart  wUrklich  der  fall  ist),  die  liebesliedchen  aber  liefsen 
sich  ganz  und  in  teilen  trefflich  verarbeiten,  aber  es  ist  meiner 
ansieht  nach  unrichtig:    wir  haben   noch  alte  lyrische  Vierzeiler. 

Zunächst  muss  ich  hier  auf  jene  deutschen  zeilen  in  VVern- 
hers  brief  hinweisen,  dass  sie  würklich  verse  sind,  in  die  rede 
eingeflochten  wie  sonst  in  die  lieder,  das  dürfte  wol  durch  die 
vielen  parallelstellen,  die  gerade  sie  bieten,  erwiesen  sein.  MF 
224,26  —  27  bilden  nun  einen  leicht  in  bester  form  herzustel- 
lenden Vierzeiler  der  ältesten  art:  4  parweise  gereimte  zeilen  zu 
4  hebungen  (denn  meretlere  reimen  doch  wol  noch  stumpf),  der 
zweite  reim  altertümlich  unrein. 

Zweitens  habe  ich  auf  den  liebesgrufs  im  Ruodlieb  und  seine 
nhd.  entsprechuDg  zu  verweisen,  zwar  bildet  die  betreflende  Stel- 
lung in  dem  lateinischen  liede  8  halbzeilen,  die  alte  Strophe  be- 
zeichnen wol  aber  die  reimworte  liebes  :  loubes ,  wunna  :  minna, 
die  erste  zeile  ist  einleitung,  die  vierte  erweiterung  nach  anderen 
formen  des  liebesgrufses;  schwerlich  ist  Verschmelzung  zweier 
deutscher  Strophen  anzunehmen. 

Weiter  hat  Lachmann  MF  4,  1  in  drei  Strophen  zerlegt,  da- 
gegen hat  Scherer  (D.  sf.  i  442)  einspruch  erhoben;  er  erinnert 
dass    noch    Dietmar   die    einstrophigkeit   festhalte    aufser    in    dem 

1  über  die  Verbreitung  der  Volkslieder  vgl.  zb.  JGrimni  Kl.  sehr,  vii  543 
allgemein,  Schüre  Hisf.  du  lied  83,  Weddigen  Gesch.  d.  d.  volkspoesie  32.  39 
für  die  deutschen,  Scheffler  Frz.  Volksdichtung  91.  111  für  die  frz.  lieder, 
Geijer  Über  den  kehrreim  s.  292,    AGrün  Volkslieder  aus  Kraiu  s.  9  usw. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       177 

epischen  tagelied  und  dass  die  slrophe  kaum  unter  das  mafs  von 
zwei  reimparen  herabsinken  könne,  während  Scherer  diesen  letz- 
teren satz  zweifelnd  aussprach,  hat  vMuth  (Mhd.  metrik  s.  94) 
als  axiom  hingestellt,  dass  Strophen  unter  4  zeilen  nie  existiert 
hätten,  und  meinte  doch  wol  reimzeilen.  aber  versteht  man  unter 
slrophe  eben  nur  eine  anzahl  stets  gleichmäfsig  gebauter  und  rcgel- 
mäfsig  sich  folgender  verse,  die  von  anderen  gleichen  strophen- 
gruppen  durch  eine  schärfere  pause  geschieden  sind  und  deshalb 
in  wiirklich  kunstmäfsiger  dichtung  kein  überlaufen  der  construc- 
lion  gestatten,  so  meine  ich  doch  dass  kürzere  Strophen  wol  mög- 
hch  waren,  so  hat  denn  auch  MüllenhoiT  (MSD-  297)  als  grnnd- 
lage  der  uugleichstrophigeu  gedichte  wie  des  gedichts  Christus 
und  die  samarilerin  (MSD  x)  zwei-  und  dreizeilige  Strophen  an- 
genommen (vgl.  Scherer  D.  st.  i  284).  und  die  neuen  Vierzeiler 
haben  fast  noch  öfter  als  zwei  blofs  ein  reimpar  und  sind  genau 
wie  die  erste  hälfle  der  Kürenbergstrophen  gebaut,  diesen  Strophen 
hier  also  sehr  ähnlich,  die  mehrstrophigkeil  aber  wäre  vielleicht 
so  zu  erklären ,  dass  ein  Sammler  ähnlich  wie  der  der  Küren- 
berglieder  drei  selbständige  liedchen  verbunden  hätte,  wozu  ana- 
logien  aus  neuerer  zeit  zahlreich  vorliegen ;  auf  eine  derartige  com- 
positiou  Arnims  im  Wunderhorn  machte  ich  schon  aufmerksam, 
indes  bedürfte  dies  jedesfalls  noch  specieiler  Untersuchung,  nament- 
lich nach  der  formellen  seite. 

Den  versuch,  aus  den  übrigen  ältesten  liedern  in  MF  ver- 
arbeitete liedchen  dieser  art  auszulösen,  halte  ich  für  durchaus 
nicht  unmöglich,  verzichte  aber  darauf,  ihn  an  dieser  stelle  zu 
unternehmen,  noch  weniger  möchte  ich  das  experimeut  machen, 
aus  den  reimenden  alten  versen  solche  liedchen  selbst  zu  com- 
binieren,  da  damit  doch  die  erhaltnng  eben  dieser  Vierzeiler  nicht 
bewiesen  wäre:  die  Verbindung  gerade  dieser  zufällig  reimenden 
verse  brauchte  nie  stattgefunden  zu  haben. 

Wol  aber  will  ich  es  versuchen ,  alte  vierzeilige  Strophen  da 
auszusondern,  wo  sie  mir  noch  ganz  rein  vorzuliegen  scheinen 
und  wo  diese  annähme,  wie  ich  glaube,  zur  weiteren  aufklärung 
einer  schwierigen  frage  beitragen  kann,  nämlich  bei  den  deut- 
scheu Strophen    der  CB ,   auf  die   ich  nun  zurückkommen  muss. 

Schon  aus  unserer  Sammlung  ist  ersichtlich ,  wie  stark  die 
formein  gerade  in  diesen  Strophen  vertreten  sind;  nicht  wenige' 
enthalten  keinen  einzigen  vers,  der  nicht  parallelslellen  neben  sich 


178       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

hätte,  den  einwand  aber,  den  man  daraus  allein  gegen  ihre 
ursprünglichkeit  erheben  könnte,  weisen  die  analogien  der  ältesten 
Kürenberglieder  zurück;  zwar  auch  deren  ursprünglichkeit  hat 
Wilmanns  angezweifelt,  doch  wol  ohne  irgend  welche  nachfolge, 
ein  individueller  gedanke,  eine  hindeutung  auf  bestimmte  Ver- 
hältnisse, wie  sie  Martin  (Zs.  20,61)  hier  vermisst  (eine  aus- 
nähme, 113%  gesteht  er  selbst  zu  aao.  s.  63),  können  bei  der 
mischung  stehender  verse  kaum  zum  ausdruck  kommen,  ebenso 
wenig  ist  aber  natürlich  der  umstand,  dass  eine  slrophe  aus- 
schliefslich  solche  formein  aufweist,  an  sich  ein  genügender  be- 
weis für  ursprünglichkeit,  vielmehr  nur  da,  wo  sich  jene  festen 
formein  der  volkstümlichen  Stegreifdichtung  zu  einem  abgeschlos- 
senen ganzen  auch  in  altertümlicher  form  vereinigen,  sind  sie 
den  ältesten  namenlosen  minnegedichten  analog,  und  offenbar 
ist  dies  in  den  Cß  nicht  überall  der  fall. 

Um  also  diese  Strophen  auf  ursprünglichkeit  von  unserem 
standpunct  aus  zu  prüfen,  ist  es  nötig,  sie  einzeln  zu  betrachten, 
da  die  allgemeine  festslellung  der  anwendung  altertümlicher  for- 
mein eben,  wie  zb.  Neidhart  ausgibig  beweist,  altertümlichkeit 
noch  nicht  für  das  gedieht  anzunehmen  zwingt,  aber  die  an- 
nähme, es  müsten  alle  diese  Strophen  entweder  Vorbilder  oder 
nachahmungen  der  entsprechenden  lat.  Strophen  sein,  ist  in  keiner 
weise  berechtigt,  so  hat  denn  auch  Martin  für  CB  112  die  Prio- 
rität der  deutschen  Zeilen  anerkannt  (s.  56);  ferner  bezweifelt  er 
nicht  die  ursprünglichkeil  von  129%  welches  verschen  dann  weiter 
Burdach  (Reinmar  und  Walther  s.  157)  als  vorbild  für  CB  129 
zu  erweisen  versuchte  —  meiner  ansieht  nach  mit  unrecht,  denn 
die  deutsche  Strophe  schliefst  formell  als  Vierzeiler,  inhaltlich  als 
ringelreihenvers  ab  und  es  ist  durchaus  kein  grund,  sie  zu 
gunsten  der  in  höfischer  dreiteiligkeit  sechszeiligen  Strophe  von 
CB  129  für  unvollständig  zu  erklären,  aber  seinerseits  hat  Bur- 
dach (s.  160)  die  unursprünglichkeit  von  Cß  104^  zugegeben, 
worin  ich  ihm  beipflichte,  man  wird  auch  schwerlich  bedenken 
tragen,  111^  mit  seiner  dreimaligen  widerholung  zweier  unzu- 
sammenhängender formein  für  eine  leere  nachahmung  von  111 
zu  halten. 

Unter  den  deutschen  Strophen  der  Cß,  die  unsere  formein 
aufweisen  (wobei  wir  hier  von  den  bekannten  dichtem  ange- 
hörigen  natürlich  absehen,  die  höchstens  der  analogie  wegen  in 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       179 

betracht  kommen  können),  wollen  wir  zunächst,  worauf  Burdach 
(s.  155)  mit  recht  gedrungen  hat,  eine  ungefähre  chronologische 
gruppierung  versuchen  (vgl.  Martin  aao.  s.  66  f). 

Um  1160:  108'  =  MF  3,  7  (vgl.  Scherer  D.  st.  i  284.  n 
440.  510). 

Vor  1180  (stumpfer  und  klingender  reim  noch  nicht  ge- 
schieden): 112'  (129'  kommt  nicht  in  betracht,  da  es  nicht  lyrisch 
ist  und  auch  keine  lateinische  eutsprechung  hat). 

Vor  1190  (unreiner  reim):  127\  134'.  Martin  stellt  (s.  67) 
mehr  unrein  gereimte  Strophen  zusammen;  für  uns  fallen  aber 
hier  fort  165'  (vgl.  Scherer  D.  st.  ii  465)  und  wol  auch  100'  mit 
dialectisch  genauem  reim,  98'.  139',  die  von  unreinen  reimen 
nur  den  bis  in  die  beste  zeit  gestatteten  reim  a:d  haben,  117'. 
125'.  140'.  163'  wegen  des  nicht  formelhaften  inhalts.  was  end- 
lich 116'  betrifft,  so  läge  für  die  verderbte  stelle  gebot :  chume 
die  Verbesserung  üz  dime  gebot  ich  nimmer  trat  (vgl.  Guotenburg 
72,26.  Pseudo-I\eidhart241,19,  auch  Walther  60, 10)  am  nächsten 
und  das  ergäbe  unreinen  reim,  aber  diese  coujectur  ist  doch 
nicht  sicher  und  nichts  spricht  für  ein  höheres  alter  der  wahr- 
scheinlich mit  111'  und  124'  (s.  u.)  zusammengehörigen  Strophe. 

Der  ältesten  zeit  des  miunesangs  können  ohne  ein  derartiges 
entscheidendes  merkmal  vorerst  noch  zugerechnet  werden ,  weil 
wenigstens  kein  äufseres  kriterium  dagegen  spricht  (ist  doch 
gleich  die  Strophe  MF  3,  1  rein  gereimt):  107'.  136'.  141' (109' 
nicht  formelhaft). 

Etwas  jünger,  aber  doch  einstweilen  nicht  über  die  zeit 
des  Rietenburgers  hinauszuweisen  (vgl.  D.  st.  ii  464)  sind  die 
Strophen  mit  überschlagenden  reimparen  100'.  115'.  142'  (105' 
kommt  wider  des  inhalts  wegen  nicht  in  betracht). 

Dagegen  müssen  wenigstens  in  der  vorliegenden  gestalt  die 
Strophen  der  alten  volkstümlichen  dichtung  von  vorne  herein  ab- 
gesprochen werden,  die  reimhäufung  zeigen:  98'.  103'.  139'.  143'. 
166',  oder  diese  mit  überschlagenden  reimen  combinierl  dh.  mehr 
als  einmalige  widerholung  desselben  verschränkten  reimpars:  99'. 
101'.  102'.  104'.  126'.  132'.  133'. 

Dass  111'  als  ein  altes  ursprüngliches  liedchen  dieser  art 
nicht  angesehen  werden  kann,  beweist  schon  der  name  Venus, 
aufserdem  scheiden  von  den  namenlosen  Strophen  als  nicht  volks- 
tümlich noch  aus  135'.  144'. 


ISO       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Die  Strophen,  die  wenigstens  alt  und  volkstümlich  sein 
könnten,  haben  wir  nun  in  dieser  reihenfolge  einer  durchsieht 
und  vergleichung  mit  den  lat.  eutsprechungen  zu  unterwerfen. 
es  versteht  sich  dass  diese  betrachtuug  erschöpfend  nicht  sein 
kann,  für  die  deutschen  Strophen  wäre  eine  noch  über  Martin 
und  Burdach  hinausgehende  genaue  formelle  Untersuchung  nötig, 
für  die  lat.  müste  die  gleichzeitige  vagantenpoesie  in  wenigstens 
annähernder  Vollständigkeit  hinzugezogen  werden,  ich  gehe  hier 
auf  die  formelle  seite  so  gut  wie  gar  nicht  ein,  da  diese  ganze 
arbeit  sich  um  fragen  des  inhalts  bewegt;  und  von  den  liedern 
der  fahrenden  habe  ich  nur  den  zweiten  teil  der  CB  selbst  und 
auch  da  näher  nur  die  iiebeslieder  berücksichtigt,  um  so  weniger 
kann  diese  besprechung  anspruch  darauf  machen,  viel  mehr  zu 
sein  als  ein  versuch,  die  älteren  bemühungen  von  einem  neuen 
standpuncte  aus  zu  ergänzen,  ein  versuch,  der  ohne  diese  for- 
schungen  überhaupt  nicht  möglich  wäre,  um  so  lieber  benutze 
ich  die  gelegenheit,  herrn  professor  Martin  meinen  dank  dafür 
auszusprechen,  dass  er  die  freundlichkeit  hatte  diesen  teil  meiner 
arbeit  mit  mir  durchzunehmen  und  seine  eigenen  ansichten  hierüber 
mir  zu  entwickeln,  ich  habe  die  arbeit  nach  seinen  einwürfen 
wesentlich  modificiert;  in  einigen  puncten  konnte  ich  mich  jedoch 
von  der  richtigkeit  derselben  nicht  überzeugen. 

108*,  meint  Martin,  könne  ein  deutsches  volksliedchen  nicht 
sein;  die  anspielung  auf  die  köuigin  von  England  wie  die  frech- 
heit  der  ganzen  stelle  seien  nur  einem  fahrenden  zuzuschreiben, 
ich  widerspreche  dem  um  so  weniger,  als  ja  die  analogie  der 
von  Scherer  (D.  st.  n  441)  angezogenen  Strophe  CB  51,2  ent- 
schieden für  den  Ursprung  in  dem  kreise  der  lateinisch  dichten- 
den spricht,  dennoch  halte  ich  CB  lOS*  nicht  einfach  für  eine 
nachbildung  von  108  und  dies  nicht  für  ein  lateinisches  original, 
das  lateinische  gedieht  ist  deutlich  eine  compilation.  auf  frühlings- 
eingang  und  aufforderung  zum  gesang  folgen  zwei  Strophen  voll 
nachahmuugen  von  vogelstimmen,  danach  heifst  es  dann:  Pukhre 
cantant  volucres  —  eine  unmögliche  Zusammenfassung  dieser  zwei 
Strophen  in  eine  zeile.  die  beste  Ordnung  entsteht  dageg«'n ,  wenn 
wir  Str.  4  (3  bei  Schmeller)  an  str.  1  anrücken:  die  formelhafte 
angäbe  des  vogelgesangs  setzt  den  natureingang  in  ganz  regel- 
rechter weise  fort,  dann  folgt  eine  Strophe,  die  durchaus  den 
eindruck    eines   lateinisch    umgebildeten  deutschen   tanzliedchens 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       181 

macht,  die  häufuog  in  der  zweiten  zeile,  wo  deutsch  nur  ein 
wort  steht,  hat  viele  analogien ,  von  denen  wir  einige  noch  zu 
erwähnen  hahen.  zieht  man  das  ab  und  nimmt  an  dass  in  zeile  4 
der  dichter  statt  der  blumen  in  der  formelhaften  Verbindung  bhwmen 
linde  Me  (zb.  N.  7,  14)  des  rhythmus  wegen  das  grüne  gras  ein- 
gesetzt habe,  vielleicht  auch  schon  der  deutsche  dichter  (vgl.  zb. 
N.  62,  24),  so  haben  wir  ganz  die  nachbildung  von  teilen  INeid- 
hartischer  reihen : 

Late  pandit  tilia  frondes  — 
Nu  ist  wol  breit  der  linden  ir  ast  (N.  18,  10) 
thymns  est  sub  ea  viridi  cum  gramine 
daz  die  bhwmen  drungen  durch  den  kle  N.  26,  25. 
noch  genauer  stimmt: 

Under   der   linden  .  .  .  da   mngent   ir  vinden  —  ...  bluomen 

mide  gras  W.  39,  1 1  f. 
in  quo  fit  chorea 
gelonbet  stdnt  die  linden,     sich  hebt  .  .  .  ein  tanz  von  höfschen 

kinden  N.  15,34  —  35 
diu  linde  ist  wol  bevangen  mit  lonbe.    dar  under  tanzent  vrou- 
wen  N.  20,  5—7  (vgl.  ühl.  Sehr,  m  482,  70). 
für  den  deutschen  Ursprung  spricht  neben  der  formel  viride  gra- 
men (die  jedoch  auch  in  ursprünglichen  vagantenliederu  sich  findet, 
so  65,  6)  besonders  noch  die  nennung  der  tilia.    die  linde  herscht 
in  der  deutschen  dichtung  so  unumschränkt,  dass  Hartmann  eine 
flehte  seiner  französischen  vorläge  in  eine  linde  verwandelt  (Benecke 
zu  Iwein  568).    nun  haben  wir  in  den  lateinischen  Strophen  der 
CB  die  tilia  nicht  selten;  aber  merkwürdiger  weise  nur  in  liedern, 
die    irgend   welche  beziehung    zu   deutscher    dichtung    enthalten. 
114,  3  ist  ein  fall,  der  sich  mit  dem  unsern  fast  deckt:  es  scheint 
die  nachbildung  eines  reihens  und  zwar  eines  altenliedes: 
et  sub  tilia  ad  choreas  venereas 
mit  den  kinden  zuo  der  linden  N.  8,  25 — 26 
salit  mater,  inter  eas  sua  filia 

Ein   ahm  .  .  .  diu   spranc   sider  .  .  .  und   stiez   die  jungen    alle 

nider  N.  5,  5 — 7. 
dass  hier  talsächlich    eine   Übersetzung  vorliegt,    macht   mir    der 
ausdruck   salit  =  springet ,    der   terminus   für    den  frühlingstanz, 
unzweifelhaft;    ich   sehe   ihn    in  dieser  Verwendung    nur  hier  in 
den  CB,   bei  den   zahlreichen    anderen  erwähnungen    des  tanzes 


182  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

überall  Umschreibungen  mit  chorea  oder  tripiidium  (44,  2.  46,  3. 
48,  3.   65,  70.    79,  1    uö.). 

Ebenfalls  ein  tanzliedchen ,  aber  allerdings  viel  tiefer  lati- 
nisiert, ist  die  dritte  stelle  mit  tilia  34,1.  für  deutschen  Ursprung 
des  gedichts  spricht  noch  34,  2  locus  purpnratus,  worüber  unten 
zu  vergleichen,  die  vierte  Strophe,  57,  1,  enthält  noch  die  wider- 
gabe  eines  deutschen  Sprichworts:  cordis  venator  oculus  —  ez 
sint  gedanke  und  ougen  des  herzen  jeger  tougen  Freidauk  115; 
vgl,  auch  CB  161,2;  auch  erinnert  in  derselben  Strophe  Sedhaec 
mihi  penittis  mors  dulcior  stark  an  unsere  formein  sanfter  wcere 
mir  der  tot  (zu  Riet.  19,34),  wie  denn  das  unlateinische  mors 
mihi  melior  CB  154,7  wol  gewis  eine  Übersetzung  des  gut  deut- 
schen hezzer  wcere  mir  der  tot  (N,  97,  20)  ist.  endlich  steht  die 
tilia  noch  146  refl.  in  einem  deutsch -lateinischen  mischgedicht 
und  zwar  scheint  der  refraiu  den  versen  Iz  stdt  ein  linde  wol 
getan  non  procul  a  via  zu  entsprechen,  also  würklich  ist  die 
nennung  der  linde  in  den  CB  stets  von  deutschen  beziehungen 
begleitet,  während  in  dem  hauptpruukstück  der  Sammlung,  De 
Phyllide  et  Flora,  65,  7,  die  pinus  wie  dort  bei  Chrestien  Hart- 
mann gegenüber  deren  stelle  vertritt  (52,  1  oliva). 

Wir  kehren  nach  diesem  unvermeidlichen  excurs  zu  unserer 
Strophe  108,  4  zurück,  die  wir  jetzt  wol  bestimmt  als  nachbil- 
dung  eines  frühlingstanzliedes  (natürlich  nicht  gerade  eines  er- 
haltenen Neidhartischen  oder  anderen  gedichts  späterer  zeit)  an- 
sehen dürfen,  die  letzte  Strophe  des  gedichts  ist  ein  der  volks- 
tümlichen deutschen  art  nicht  entsprechendes  naturbild  (vgl.  da- 
gegen 65,  60).  wie  wäre  nun  die  entstehung  dieser  mischung 
zu  denken,  die  von  den  lateinischen  liedern  aufs  entschiedenste 
der  mangel  der  einheit  und  überhaupt  jeder  handlung  unter- 
scheidet? 

Strophe  2  (l""  bei  Schmeller)  und  3  sind  gewis  interpoliert, 
nun  zeigen  diese  beiden  Strophen  aber  die  unverkennbarste  ähn- 
lichkeit  mit  einem  spätlateinischen  gedieht,  der  Elegia  de  philo- 
mela  des  Albius  Ovidius  Juventinus  (Wernsdorf  Poetae  latini 
minores,  Helmstädt  1794,  vi  2  p.  385),  und  dies  gedieht  hat 
auch  Wernher  von  Tegernsee  nachgeahmt,  wie  Kugler  (De  VVe- 
rinhero  s.  37,  vgl.  Wackernagel  Voces  variae  animantium  s.  22)  un- 
zweifelhaft richtig  bemerkte,  und  zwar  hat  auch  er  die  lautnach- 
ahmungen  mit  einem  frühlingseingang  versehen,   der  bei  Juven- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       183 

tinus  fehlt,     dieser   frühlingseiDgang   ist  durchaus  formelhaft  ge- 
halten,    dass  aber  das  lat.  gedieht  nicht  etwa  auf  VVernher  fufst, 
sondern    auf  dem  original,    beweist  gleich  die  erste  zeile:    Mane 
garrit  alaudula —  zusammengezogen  aus  vier  versen  des  Juventinus: 
Vere  calente  novos  componit  acrednla  cantus.  .  .  . 
Sed  quod  mane  canunt,  vespere  non  recohint  v.  15 — 18. 
VVernher  hat  die  acredula  bewahrt;    er  hält   sich  überhaupt  viel 
genauer   an  die  vorläge,     man  wird   nur  schwer  begreifen ,   was 
zur   nachahmung   dieser    geschmacklosen    Zusammenstellung   von 
voces  variae  animantium  reizen  konnte;  die  deutsche  Volksdichtung 
wenigstens  hat  die  gleiche  nachahmung  der  vogelstimmen  in  der 
Vogelhochzeit  (ühland  10)  mit  ganz  anderem  geschick  fertig  ge- 
bracht,   ich  glaube  nun  dass  die  absieht  (noch  nicht  bei  Juven- 
tinus   natürlich)    wesentlich    eine    practisclie    war:    ein    denkvers 
sollte  die  vogelnamen  sammt  den  lat.  Worten  für  ihre  tierstimmen 
lehren;  wir  haben  einen  ganz  ähnlichen  lat.  denkvers  Cß  97  und 
dort    ist  die  pädagogische  absieht   noch  durch   interlinearglossen 
verbürgt.     VVernher  hat  also  mit  benulzung  des  Juventinus  einen 
denkvers  dieser  art  verfasst  und  ihn  mit  einem  formelhaften  natur- 
eingaug   eingeleitet,    wie   zb.  der  Entlebucher  Überlieferung  des 
Tannhäuserlieds   (ühl.  297")   ein   solcher   eiugang   vorgeschlagen 
ist.     oder,   wenn  man  das  lieber  will,   er  dichtete  wUrklich  ein 
Carmen  vernale   und   benutzte   dies   zur   einprägung  jener  voca- 
beln.     der   dichter   von  CB  108,  2  —  3  dagegen  hatte  wol  kaum 
diese  absieht,  da  er  sonst  nicht  ganze  verse  an  anders  geartete 
Zusätze  verschwendet  hätte,    ihm  kam  es,  denke  ich  mir,  darauf 
an,  zur  nachahmung  seines  musters  bequeme  reime  an  der  band 
zu   haben,      vielleicht   war   es    auch   eine    gelehrt   tuende   rand- 
bemerkung  zu  dem  Pulchre  cantant  volucres,    wie  VVernher  sein 
analoges  stück    mit  cantant  volucres   beginnt,    welcher  vers  hier 
aber  richtig  vor  der  aufzählung  und  am  schluss  der  Strophe  steht. 
Wie  man    aber   auch   die  sonderbare  Interpolation  erklären 
will  —  jedesfalls    sind  von   den   6  lateinischen  Strophen  2.  3.  5 
unursprünglich,  1  und  4   (3    bei  Schmeller)  aber  enthalten  nur 
formein  des  lat.  natureingangs: 

ecce  virent  omm'a  —  ecce  tarn  vernant  omnia   103,  3 
Pulchre  cantant  volucres  —  nunc  cantum  promunt  volucres  103,2 
nitet  terrae  facies  —  terrae  nitet  facies  164,  1 
vario  colore  —  ebenso  65,  1. 


184       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

nun  ist  klar  dass  formelhafte  stellen  in  diesen  vagantenliedern 
eine  ganz  andere  bedeutung  haben  als  in  deutscher  Volksdichtung: 
hier  liegt  eben  eine  ausgesprochene  kunstdichtung  vor,  die  die 
forraeln,  das  natürliche  Werkzeug  der  Stegreifdichtung,  gern  ver- 
meidet und  gehäuft  fast  nur  in  unselbständigen  stücken  zeigt. 
endlich  aber  wird  diese  Unselbständigkeit  erwiesen  durch  die  letzte 
Strophe,  die  uns  bleibt,  die  schlussstrophe:  sie  ist  ganz  einfach 
eine  Umbildung  von  65,  6  —  einer  Strophe,  die  dort  niemand 
wird  vermissen  wollen  und  die  durchaus  das  characteristische 
gepräge  jenes  trefflichen  gediclUs  zeigt,  die  entlehnung  ist  un- 
verkennbar: 

Palet  et  in  gramine  iocundo  rivus  murmure  108,6 

et  in  ipso  gramine  deßuebat  rivus  .  .  .  garrnlo  murmure .  .  .  65,  6 

locus  est  festivns  108,6 

loms  erat  .  .  .  festivns  65,  6 

ventns  cum  temperte  susurrat  tempestivus  108,  6 

Stisurrabat  modicum  ventus  tempestivus  65,  6. 
das  lat.  gedieht  108  besieht  demnach  in  6  Strophen  aus  4  dispa- 
raten elemenlen:  nachahmung  eines  spätlateinischen  gedichts 
(str.  2.3),  eines  vagautengedichts  (str.  6),  eines  deutschen  lied- 
chens (str.  5)  und  formelhafter  natureingang  (str.  1.  4).  kaum 
ist  eine  Vereinigung  dieses  auf  keine  weise  zu  einem  einheitlichen 
ganzen  verarbeiteten  Stückes  unter  einem  anderen  gesichlspunct 
denkbar  als  unter  dem  einer  Zusammenstellung  von  Strophen  des- 
selben mafses  und  zwar  mindestens  2.  3  lediglich  proben  in  dessen 
nachbildung.  108^  wäre  dann  als  ein  weiteres  muster  des  ur- 
sprünglich deutschen  mafses  (denn  es  spricht  ja  alles  dafür,  dass 
dies  mafs  ein  volkstümlich  deutsches  ist)  nachgestellt,  gleichsam 
zur  erläuterung.  das  hat  analogien  in  den  CB:  widerholt  folgen 
erläuternde  verse  gröfseren  gedichien.  38,  1  wird  Hercules  ge- 
nannt, 38^  seine  taten  aufgezählt;  39,  1  Philogeus,  Erichlheus, 
Aclaeon,  Lampas  angeführt,  39"  die  namen  erklärt;  116, 3  kommt 
jmer  pharetratus  vor,  116''  wird  von  ihm  erzählt,  all  diese  an- 
merkungen  sind  in  hexametern  und  könnten  von  dem  sammler 
herrühren  (oder  lassen  sie  sich  früher  nachweisen  ?)  und  ebenso 
vielleicht  die  hexameler  82^83^84^  allgemeiner  gehaltene  Sprüche 
didactischer  natur,  vielleicht  auch  noch  97,  jener  denkvers  in 
hexametern  (dazu  33,  4  zu  vergleichen),  so  könnte  108  mit 
108'  die   kleine   sammking    eines   fahrenden    sein,   der   Strophen 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       185 

seines  liebllugsmafses  sammelte  und  schliefslich  erst  lateinische 
Strophen  selbst  zudichlete,  dann  eine  deutsche,  die  dem  Deut- 
schen ungleich  besser  gelaug.  —  mit  137  und  IST'  zeigt  sich 
keinerlei  innere  Verwandtschaft. 

Wir  haben  uns  bei  diesem  gedieht  oder  besser  dieser  Strophen- 
gruppe als  der  ältesten  länger  aufgehalten,  teils  weil  sie  besonderes 
Interesse  wegen  ihrer  bunten  mischung  beansprucht,  teils  weil  wir 
ein  erstes  sicheres  beispiel  unter  den  in  frage  stehenden  ge- 
dichten  feststellen  wollten,  in  dem  das  lat.  gedieht  als  eine  in 
der  deutschen  slrophe  nachgeahmte  originalschöpfung  nicht  an- 
gesehen werden  kann,  das  ausgelöste  tanzliedchen  erscheint  uns 
jedesfalls  als  der  kern  des  ganzen ;  es  ist  auch  die  einzige  Strophe, 
die  allein  bestehen  könnte,  da  sie  neben  dem  natureingang  noch 
eine  wenn  auch  nur  leicht  angedeutete  handlung  bringt. 

Es  folgt  112.  die  ursprünglichkeit  der  deutschen  Strophe 
ist  nach  Martins  besprechung  wol  nicht  zu  bezweifeln,  als  'refloit' 
wird  eine  widerholung  der  anfangszeile  mjt  anderem  reimwort 
eingeführt,  man  beachte  dass  die  zweite  lal.  zeile  wider  eine 
häufung  im  naturbild  bringt,  deretwegen  sogar  das  endworl  der 
ersten  geändert  ist;  denn  dem  allenthalben  entspricht  natürlich 
nndique.  —  die  musterstrophe  steht  hinter  der  nachbilduug.  das 
gedichtchen  ist  höchst  einfach  und  verrät  nur  in  der  ersten  zeile 
(wol  dem  deutschen  refrain  mit  einer  durch  Floret  Silva  nndi- 
que ersetzten  ersten  reimzeile)  und  im  schlussvers  leise  lyrische 
empfiudung.  — 

Einen  ganz  anderen  character  tragen  schon  die  unrein 
reimenden  Strophen  127^  und  131'.  die  deutschen  Strophen 
machen  inhaltlich  keinen  besonders  altertümlichen  eindruck,  na- 
mentlich nicht  die  zweite  mit  dem  terminus  senede  not;  ihr  un- 
reiner reim  zit :  lip  ist  ja  auch  der,  welcher  sich  am  längsten 
hält,  was  die  lat.  gedichte  angeht,  so  ist  127  ganz  frei  von  jedem 
sichtbaren  deutschen  einfluss;  rhythmus,  ausdruck,  vor  allem  die 
beständige  wortspielerei  (pedem  pedi — solns  solam,  totalem  — 
singulari)  sprechen  für  eine  Originaldichtung  eines  vaganten.  die 
zweite  Strophe  mit  ihrem  doppelten  osculum  und  den  matten 
Versen  amoris  initiat  indicium  und  gar  nulluni  praebet  homini 
fastidinm  steht  hinter  den  beiden  anderen  entschieden  zurück 
und  ihre  schlussverse  scheinen  denen  der  dritten  nachgebildet, 
die  dort  gut  passen,  die  zweite  wäre  also  vielleicht  nachgedichtet. 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.  N.  F,    XVII.  13 


186       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

einige  leichte  anklänge  au  CB  130  (me  tibi  snhklo  127,  1.  130,  3, 
veneror,  pudicam  127,  3.  130,  4)  sind  nicht  beweisend,  ein 
innerer  Zusammenhang  zwischen  der  lateinischen  und  der  deut- 
schen Strophe  ist  nicht  ersichtlich.  —  134  ist  inhaltlich  dem 
deutschen  gewis  nicht  nachgebildet;  höchstens  das  ita  faciam  3,  1 
klingt  wie  eins  jener  in  der  deutschen  lyrik  so  beliebten  kleinen, 
einschiebsei  in  directer  rede,  das  Lude  Indat  ludite  klingt  an 
Veni  veni  venias  von  136,  1  an;  es  ist  aber  eher  eiiiwürkung 
von  134  auf  136  anzunehmen  als  umgekehrt.  —  inhaltlich  ist 
wider  keine  Verbindung  zwischen  der  lateinischen  und  deutschen 
Strophe  zu  erkennen. 

unter  diesen  umständen  haben  wir  keinen  grund  die  formein 
in  127\  134^  für  etwas  anderes  anzusehen  als  für  benutzung  der 
volkstümlichen  formein  zur  nachahmung  lateinischer  gedichte.  wir 
hätten  somit  schon  jetzt  unter  den  Strophen  der  Cß,  die  unsere 
volkstümlichen  formein  aufweisen,  beide  arten  der  benutzung  vor- 
gefunden: Zusammensetzung  zu  einem  neuen  einheitlichen  ganzen 
vollkommen  in  der  art  der  bäurischen  Stegreifdichtung  (108,4. 
112^)  und  mischung  zur  formellen  nachbildung  fremder  muster  in 
der  art,  wie  seit  ältester  zeit  melodien  (namentlich  den  modu- 
lationeu  der  kirchengesänge)  texte  untergelegt  wurden  (127\  134'). 

107  und  107^  sind  sehr  schwer  zu  beurteilen,  der  rhyth- 
mus  des  lateinischen  gedichts  nach  Bartschs  und  Martins  sicherer 
herstellung  spricht  für  ein  lat.  originalstück,  die  deutsche  Strophe 
hat  nichts  besonders  eigentümliches  oder  altertümliches,  aber 
die  lat.  Strophen  zeigen  sich  bei  näherer  betrachtuug  ähnlich  wie 
die  stücke  des  gleich  folgenden  gedichts  108  ganz  aus  formein 
und  nachahmungen  zusammengesetzt,  wie  sie  von  allen  den  ge- 
dichten  der  CB  fast  nur  solche  mit  deutschen  entsprechungen 
aufweisen;  und  so  finden  wir  denn  auch  die  verse  unseres  ge- 
dichts fast  ausnahmslos  gerade  in  derartigen  liedern  wider: 

lamiam  rident  prata   107,  1 
Prata  iam  rident  omnia  165,  1 
vgl.  rident  prata  iam  serena   101,4 
iamiam  virgines  iocnndanlur  107,  1 
iocundemnr  gratulantes  113,3 
(zu  dem  parallelismus  iamiam  virgines :  laetiiuvenes  101, 1.2  vg\.coe- 
lus  invenum :  chorus  virginvm  1 14, 3  —  o  virgines :  vos  invenes  140,  1} 
terrae  ridet  fades  107,  1 
Ridet  terrae  faciesbö,^i,  ebensovielleicht  108,3 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       187 

tota  ridet  fades  109,  2. 

aestas  nunc  apparuit  107,  1 
aestas  non  apparuit  115,  l 
oiiialnsque  florum  laete  daruit   107,  1 
vgl.  quae  sie  clara  fnerit;  ornantur  prata  ßorihus  115,  1. 

Nemus  revirescit,  frondent  frutices   107,2 
revirescnnt  frutices  104,  1 
revirescit  nemus  100,  1 
hiems  saeva  cessit   107,  2 
nunc  recedit  hyemis  saevitia  106,  1 
laeti  iiwenes,  congaudete  ßorihus  107,  2 
congaudete  iiwenes  104,  1 ,  congaudete  vos  iuvenes   140,  1 
amor  allicit  vos  iam  virginibus   107,  2 
vgl.   iam  amor  incaluit,  iam  virgo  maturuit  129,4  uä.,  beson- 
ders aber  Amor  quaerit  iuvenes  ut  ludant  cum  virginibus  115,  4. 

Ergo  militemus  simul   Veneri  107,  3 
Militemus    Veneri  79,  2 
nunc  militetis  Veneri  143  refl. 
vgl.  auch   Veneris  militia  37,  7,  amoris  militem  128,  1. 

tristia  vitemus  107,  3 
vgl.   iamiam  cedant  tristia  106,  1   uä. 
nos  qui  teneri  107,  3 
nos  qui  sumus  teneri  79,  2 
Visus  et  coUoqnia  107,  3 
Visu,  colloquio  45,  2 
Visus,  coUoquium  116**,  8 
spes  amorque  trahant  nos  ad  gaudia  107,  3 
ad  amoris  gaudia  132,  1 
ad  gaudia  164  refl. 

Das  lat.  gedieht  enthält  also  tatsächlich  keine  einzige  würk- 
Hch  originale  zeile,  man  möchte  geradezu  anlehnung  in  str.  1 
an  115,  1,  noch  mehr  aber  in  str.  2  an  104,  1,  in  str.  3  an 
79,2  vermuten,  sollte  hier  vielleicht  doch  ein  ähnliches  Verhältnis 
vorliegen  wie  108:  nachbildung  eines  verlorenen  deutschen  oder 
—  was  hier  wahrscheinlicher  ist  —  lat.  gedichts  und  am  schluss 
eine  deutsche  nachdichtung,  sodass  keins  von  beiden  stücken 
ursprünglich  wäre,  hier  aber  allerdings  das  deutsche  wol  noch 
jünger  ?  ich  halte  diesen  ganzen  teil  der  CB  für  zusammengestellt 
mindestens  mit  benutzung  des  liederbuchs  eines  fahrenden  (und 
163 — 166  vielleicht  eines  zweiten  solchen  liederbuchs),  der  stücke 
gleicher  melodie  zusammenschrieb  und ,  wo  er  deutsche  stücke 
gleicher   weise    nicht    kannte,    sie   selbst   hinzudichtete,    ebenso 

13* 


18S       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

aber  auch  lateinisch  neue  lieder  auf  die  alten  melodien  verfasste. 
hier  könnte  etwa  107,  1  der  von  ihm  ursprünglich  niedergeschrie- 
bene kern  sein,  selbst  schon  durchaus  formelhaft,  dann  durch 
wolfeile  neudichtungen  vermehrt,  um  über  Vermutungen  hier  her- 
auszukommen, wäre  eben  genauere  kenntuis  der  gesammten  va- 
ganlenpoesie  erforderlich. 

Weit  einfacher  liegt  meiner  meinung  nach  die  sache  bei 
136'  und  hier  haben  wir,  wie  ich  glaube,  endlich  würklich  wider 
ein  deutsches  volksliedchen  der  ältesten  art  in  leichter  Über- 
arbeitung, wenn  Martin  (aao.  62)  sagt,  der  verf.  der  deutschen 
Strophe  habe  sich  die  rcimgleichheit  leicht  gemacht,  indem  er 
die  Zeilen  nur  in  umgekehrter  Ordnung  widerholte,  so  lässt  sich 
dagegen  trotz  späterer  analogien  (W.  87,  1)  wenig  einwenden, 
wie  aber  wenn  er  nun  ein  altes  liedchen  umgestaltet  hätte? 
nehmen  wir  die  zeilen  nur  einfach,  so  erhalten  wir  ein  verscheu 
von  gröster  altertümlichkeit  der  form  und  ohne  eine  einzige 
nicht  bei  frühen  dichtem  zu  belegende  zeile: 

Chume,  clmme  geselle  mm, 
ih  enlile  harte  dm, 
Süzer  rösenvarwer  miint, 
chuni  und  mache  mich  gesunt. 

der  nachahmer,  der  inhaltlich  frei  dichtete,  hätte  sich  auf  eine 
Strophe  um  so  mehr  beschränken  können ,  als  hier  kein  re- 
frain  zu  markieren  war,  was  sonst  nach  Martins  ansieht  öfters 
die  mehrstrophigkeit  in  den  deutschen  nachbildungen  verur- 
sachte, die  wideraufnahme  des  chum,  die  sich  in  der  um- 
gearbeiteten gestalt  würkungslos  verliert,  schliefst  so  das  ganze 
zu  einem  ladellosen  Vierzeiler  der  ältesten  art  zusammen,  die 
widerholung  innerhalb  des  verses  ist  durchaus  volkstümlich  (vgl. 
zb.  gleich  141  refl.)  und  ich  möchte  selbst  die  kühne  Vermutung 
wagen ,  dass  in  jenem  unverständlichen  refrain  von  Volksliedern 
mit  der  kleinen  kiimkum,  den  AWSchlegel  verspottet  hat,  ursprüng- 
lich ein  chume  chume  wie  hier  steckt,  das  so  früh  anderen  würk- 
licher  bedeutung  entbehrenden  refraintcilen  gleichartig  geworden 
war.  denn  gerade  die  refrains  bewahren  oft  besonders  alter- 
tümliches. —  vergleichen  wir  das  lat.  stück,  so  haben  wir  1,  1 — 2 
die  wörtliche  Übersetzung  von  136%  1 — 2,  die  wider  der  autor 
sich  bequem  gemacht  hat,  indem  er  dem  doppelten  veni  des 
Originals   ein  drittes  venias   (wie   schon    bemerkt  vielleicht   nach 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN  189 

134,1,1)  anschloss  und  für  die  erste  Strophe  durchreimung  durch 
einen  lautnachahmenden  refrain,  wie  es  scheint,  herstellte,  die 
beiden  folgenden  Strophen  zeigen  zwar  keine  grofse  Originalität, 
sind  aber  doch  nicht  in  der  weise  aus  formein  zusammengefügt 
wie  etwa  108,1  oder  gar  107,1.  namentlich  136,2  möchte 
ich  für  eine  ursprüngliche,  ich  meine  keinem  deutschen  oder 
lateinischen  original  inhaltlich  nachgeformte dichtung  halten;  136,3 
ist  formelhafter: 

Rosa  rnbicundior ,  lilio  candidior  136,  3 
I^ivei  candoris,  rosei  rnhoris   118,  4 
vgl.  pulchnor  lilio  vel  rosa  (:  formosa)  51,2 
semper  in  te  glorior  136,3 
statim  tut  glorior  135,2. 

Hier  könnten  wir  einen  hinweis  auf  die  art,  wie  die  deutscheu 
Strophen  in  die  lat.  Sammlung  gerieten ,  besitzen,  es  hatte  etwa 
der  Sammler  zu  dem  von  ihm  selbst  verfassten  liedchen  Pulchra 
tibi  facies  das  deutsche  gedieht  gleicher  melodie  geschrieben,  wie 
wir  nun  108  in  str.  2.  3  Übungen  im  gleichen  mafs  vermuteten, 
suchte  auch  hier  ein  späterer  leser  die  deutsche  Strophe  ebenso 
nachzubilden,  kam  aber  damit  nicht  zu  stände;  daher  die  Ver- 
schiedenheit der  ersten  lat.  Strophe  (2  Zeilen  mit  refrain)  von 
den  anderen  (4  zeilen).  ein  späterer  abschreiber  nun,  vielleicht  der 
Sammler  der  CB,  schrieb  beide  randnotizen  mit  ab,  etwa  die 
links  stehende  vor,  die  rechts  stehende  deutsche  nach  dem  bei- 
spiel  anderer  stücke  hinter  dem  lat.  gedieht;  ihm  fiel  dabei  auf 
dass  die  deutsche  Strophe  nicht  durchgereimt  war  und  er  stellte 
das  her,  unterstützt  vielleicht  noch  durch  ein  zeichen,  wonach 
jede  zeile  des  deutschen  liedchens  widerholt  werden  sollte;  das 
ist  ja  in  Volksliedern  so  häufig,  hätte  Bartsch  seine  in  den  Alt- 
französischen romanzen  und  pastourellen  angekündigte  absieht 
einer  Sammlung  der  refrains  und  juwezungen  schon  ausgeführt, 
so  liefse  sich  möglicher  weise  über  den  verf.  von  136,  1  wie 
über  den  von  125  und  125^  mehr  sagen;  deutsch  sehen  beide 
refrains  nicht  aus,  schon  weil  sie  den  vocal  a  fast  gar  nicht 
zeigen,  der  in  deutschen  refrains  zu  überwiegen  pflegt.  —  die 
einfachheit  der  Strophenform  erspart  auch  hier  die  annähme  eines 
fremden  musters  für  136*. 

In  14 r  glaube  ich  durch  Burdachs  schwer  zu  widerlegende 
beweisführung  (aao.  s.  163)  wider  ein  altes  deutsches  volksliedchen 


190       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

nachgewiesen:  Vierzeiler  mit  refrain.  ja  es  könnte  dies  liedclien 
bei  Neidhart  verarbeitet  vorliegen:  ich  vermutete  schon  früher 
dass  N.  17,  12 — 13  würkliche  benulzung  eines  solchen  liedes  ent- 
hielte (in  meiner  dissert.  s.  100),  und  die  verse  erinnern  stark 
an  unsere  Strophe;  sprach  ein  frouwe  ist  vielleicht  nicht  biofs 
hier  zur  einführung  älterer  stücke  benutzt  (vgl.  zb.  Uhland  37,  1). 
—  Burdach  setzt  die  deutsche  Strophe  1175  —  80;  das  lat.  ge- 
dieht hiilt  er  auch  inhaltlich  für  eine  Umbildung  des  deutschen, 
dazu  dünkt  mich  doch  die  ahulichkeit  des  textes  gar  zu  gering, 
auch  seine  erklärung  des  deutschen  refrains  scheint  mir  ge- 
zwungen; eher  mochte  ich  auch  diesen  aus  der  natur  der  vor- 
läge erklären:  die  eigentlich  zu  liV  ausschliefslich  passende 
Überschrift  (eine  solche  findet  sich  auch  sonst:  dS\  65.  173. 
189  uö.)  wäre  über  den  ganzen  complex  der  14 T  nachgedich- 
teten Strophen  gesetzt  worden  und  der  abschreiber  hätte  daraus 
sich  den  fehlenden  refrain  construiert,  für  dessen  zweite  zeile 
den  zweiten  vers  des  deutschen  refrains  umbildend,  übrigens 
kommt  verwebung  der  Überschrift  in  den  refrain  in  Volksliedern 
gelegentlich  vor;  als  ein  beispiel  führe  ich  die  nachbildung  eines 
Volksliedes,  Walter  Scotts  Pibroch  of  Donald  Dhu  (deutsch  von 
FFreiligrath  Gesammelle  dichtungen  ii  s.  75)  an.  aber  viel  häufiger 
ist  gerade  in  den  CB  ein  refrain  in  von  der  spräche  des  gedichts 
verschiedener  spräche:  79.  80.  145.  181,  vgl.  81  ua.  damit  fiele 
dann  der  hauptgrund,  den  Burdach  für  eine  inhaltliche  beziehung 
zwischen  141  und  141'  anführt,  fort.  141  hat  auch  so  gut  wie 
gar  keine  jener  bei  lat.  Strophen  auf  völlige  abhängigkeit  von 
fremdem  muster  deutenden  formein;  nur  141,  2  in  cutus  nitet 
fade  candor  cum  rnbedine  (vgl.  zu  136,  3). 

Hierher  gehört  denn  auch,  als  rein  gereimt,  aber  von  ein- 
fachster reimstellung,  165\  eine  beziehung  zwischen  dem  lateini- 
schen und  dem  deutschen  gedieht  ist  nicht  ersichtlich,  das 
deutsche  liedcheu  ist  einfach,  schliefst  gut  ab,  passt  vollkommen 
in  den  rahmen  der  älteren  deutscheu  miunclieder.  das  lateinische 
gedieht  zeigt  formein  fast  nur  im  naturbild  (noch  erinnert  str.  2 
0  tu  virgo  pnlcherrima  mihi  mors  est  asperrima  an  Virgo  tu  pul- 
cherrima  cum  non  sis  acerrima  104,  2),  entbehrt  nicht  eigentüm- 
licher Züge,  hat  völlig  den  character  anderer  vagantenliedcr.  die 
form  kehrt  genau  bei  dem  Regcnsburger  (Scherer  D.  st.  ii  465), 
mit  geringen  abweichungen  bei  Morungen,  Adelnburg,  Hartmann 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEiN  191 

(Martin  s.  64)  wider,  somit  könnten  hier  zwei  unabhängige  ge- 
dichte  gleicher  melodie  neben  einander  stehen,  aber  nichts  be- 
rechtigt, 165*  über  die  zeit  des  burggrafen  von  Regensburg  hinaus- 
zurückcD.  es  würde  also  wol  zu  den  ältesten  minnegedichten  ge- 
hören,  aber  nicht  mehr  zu  den  volksliedchen,  die  der  minnesang 
voraussetzt.  — 

Wir  kommen  nun  zu  den  gedichten  mit  überschlagenden 
reimen,  bei  ihnen  verlangt  unsere  aufgäbe  so  genaue  prüfung 
nicht  wie  bei  den  vorigen,  weil  sie  mindestens  in  ihrer  jetzigen 
form  uicht  ganz  altertümlich  sein  können,  volkstümlich  aber 
wenigstens  im  kern  und  vorbild  des  lat.  gedichts  ist  von  ihnen 
eins  ganz  gewis:  100°.  es  ist  wider  ein  tanzlied  von  durchaus 
volkstümlicher  art;  der  inlialt  der  der  ältesten  reihen:  auffor- 
derung  zum  tanz  —  naturbild;  aber  gleich  fällt  die  Umstellung  auf, 
da  sonst  stets  der  natureingang  durch  die  ersten  verse  gebildet 
wird,  der  text  ist  einfach,  kein  wort  zu  viel,  keins  von  ge- 
suchter neuheit  —  aber  die  Zeilen  Der  winder  der  beiden  tet  sene- 
diu  not  fallen  mit  dem  terminus  senediu  schon,  noch  mehr  mit 
der  starken  personiücation  aus  dieser  art  heraus,  worauf  mich 
prof.  Martin  aufmerksam  machte,  eine  vergleichung  mit  der  sehr 
ähnlichen  Strophe  Neidharts  29,  27  macht  wahrscheinlich  dass 
dieser  und  unserer  Strophe  ein  gleichartiges  einfaches  tanzliedchen 
vorlag,  das  beidemal  umgeformt  wurde;  die  Umstellung  wie  di« 
anderen  änderungen  in  CB  100*  werden  nur  durch  nachbildung 
des  lat.  liedes  zu  erklären  sein,  daher  denn  auch  100*,  2  das 
hässliche  noch  zur  ersten  zeile  gehörige  7in. 

Nun  aber  das  lat.  lied  ist  gewis  kein  original,  wie  lOS,  4 
ist  es  zusammengesetzt  aus  lauter  Übersetzungen  deutscher  for- 
mein, undeutsch  ist  nur  die  erwähnung  der  odores,  oder  doch 
mindestens  nicht  volkstümlich  deutsch ;  sie  erklärt  sich  leicht 
durch  den  reim,  sonst  können  wir  wider  zeile  für  zeile  deutsche 
parallelstellen  nachweisen,  die  ebenso  viele  deutsche  entsprechun- 
gen  noch  neben  sich  haben  wie  wenige  lateinische: 

Ver  redit  optatum  cum  gaudio  100,  1 

Komen  ist  ein  wunneclicher  meie.  des  kunft  envreut  sich  IV.  3 1 , 5. 6 

flore  decoratum  piü'pureo  100,  1 

mit  roseti  nnderwieret  N.  34,  11 

aves  edunt  cantus  quam  dulciter  100,  1 

hörte  ich  siieze  wise  singen  kleinin  vogelin  N.  6,  S.9 

m\   koment   uns  die  vögele   mit   ir   süezen  schreie   N.  32,  14 


192       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

revirescit  nemus   100,  1  s.  o.  zu  107,  2 

aber  gehütet  stcit  der  ivalt  N.  10,  26 

cantus  est  anioenus  totaliter  100,  1 

und   diu   kleinen   vogellm   wol  singent   in   ir   besten    wise 

W.  46,  2—3 

baz  gesungen  nie  die  vögele  e  noch  sit  N.  24,  17 

hivenes  ut  flores  accipiant  100,  2 

wir  suhl  nach  bluomen  beide  gdn  N.  3,  18 

virgines  assnmant  alacriter  100,  2 

Junge  mägde  und  alle  stolze  leien, 

ir  sult  iuch  gen  dem  lieben  sumer  zweien  N.  13,  18 — 19 

et  eant  in  prata   100,  2 

uf  die  heide  sul  wir  gdn  CH  141' 

ja  wil  ich  komen  ze  velde  N.  4,7 

ßoribus  ornata  100,  2 

Schöne  gevar  Ut  der  . .  .  anger  .  .  .  von  den  rösen  N,  14,  2011 

communiter  100,  2 

Sit  ich  so  vil  geverten  hdn  N.  3,  20. 
Ich  habe  die  entsprechungea  meist  aus  Neidhai  t,  dem  clas- 
siker  des  natureingangs,  genommen,  der  diese  Formeln  bei  reichster 
ausbildung  am  treuesten  bewahrt  hat,  um  nun  völlig  zu  zeigen, 
wie  diese  Strophen  im  ausdruck  und  in  der  wähl  der  züge  deutscheu 
natureingängen  entsprechen  und  nicht  lateinischen,  scheint  es  hier 
am  ort,  die  formein  des  deutschen  natureingangs  zusammenzu- 
stellen; sie  bieten  zugleich  das  sicherste  und  lehrreichste  bild 
fester  poetischer  formein  dh.  solcher  Verbindungen ,  die  aus- 
schliefslich  der  dichtung  eigen  sind ,  dort  aber  kaum  je  durch 
andere  ersetzt  werden,  die  lat.  formein  sind  nicht  entfernt  so 
starr;  für  sie  mag  es  einstweilen  genügen,  auf  einige  charac- 
teristische  beispiele  und  eigenheiten  hinzuweisen. 

Anders  als  bei  der  vorigen  Sammlung  stelle  ich  hier  die 
Züge  nach  der  ähnlichkeit  zusammen ,  um  so  gleichzeitig  eine 
genaue  analyse  des  typischen  natureingangs  zu  liefern,  da  die 
Übersicht  über  die  entwickelung  dieser  formein  im  minnesang 
dadurch  etwas  erschwert  wird,  werde  ich  dieselbe  am  schluss  der 
Sammlung  kurz  skizzieren  und  zu  dem  zweck  auch  gleichsam 
anhangsweise  diese  formein  in  uichllyrischen  gedichten  und  ihre 
Verarbeitung  dort  nachweisen,  für  die  Zusammenstellung  selbst 
beschränke  ich  mich  wider  auf  die  quellen,  denen  die  anderen 
formein  entnommen  waren. 

Der  natureingang  zerfällt  in  die  beiden  gatlungcn  des  früh- 
lings- oder  sommereingangs  und  des  wintereingaugs.    der  crstere 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       193 

ist  bei  weitem  iler  wichtigere;  er  pflegt  breiter  ausgeführt  zu 
werden  und  seine  formein,  negativ  gewandt,  finden  auch  im 
Wintereingang  oft  Verwendung,  während  das  umgekehrte  seltener 
ist.  auch  erhalten  sich  seine  formein  länger  und  zeigen  reichere 
entwicklung. 

Der  natureingang  im  frühlingslied  besteht  in  der  beschreibung 
der  vom  mai  geschmückten  natur.  diese  beschreibung  wird  ein- 
fach, ohne  weitere  einleitung,  vorgeführt,  selten  geht  die  ein- 
ladung  zum  empfang  des  sommers  vorher,  so  in  den  beiden  lie- 
dern  Neidharts,  die  ich  für  die  ältesten  halte:  9,  13  und  16,38. 
dies  beweist  dann  besonders  treue  bewahrung  der  alten  tradition 
(vgl.  Liliencron  Zs.  6,  76).  näher  über  die  art  der  Verarbeitung 
dieser  formelgruppen  und  ihre  Stellung  im  lied  zu  handeln  ver- 
spare ich  mir  für  eine  spätere  gelegenheit.  — 

In  der  naturbeschreibung  werden  folgende  Züge  verwandt: 
Verkündigung  der  frühlingsankunft: 

Chome  mir  dm  sumerzit  CB  134^ 
Uns  chumet  ein  liebte  sumerzit  CB  143' 
Ahl  nu  kumet  uns  (hu  zit  D.  33,  15 
Do  der  sumer  komen  was  W.  94,  11 
der  sumer  ist  komen  in  diu  laut  N.  5,  13 
komen  ist  ein  wunnedkher  meie  N.  31,  5 
komen  ist  uns  diu  liebe  sumerzit  N.  32,  15 
vgl.  Du  kumst  loheJkhen  aber  der  loerlt  in  elliu  laut  N.  9,  19  f 
Vgl.  auch  icaz  herzen  gegen  diner  kunft  erlachet  N.  19,  17 

daz  si  künden    in  diu  laut  sine  kunft  .  .  .  N.  23,  2  f. 

Sijehent,  der  sumer  der  si  hie  R.  167,31 
Diu  zit  ist  hie  N.  10,  22. 

Ze  fröiden  nähet  alle  tage  der  weite  ein  wunneclichiu  zit 

R.  191,  25  f 
uns  nahet  ein  sumer  ...  N.  14,  10 — 11 
Sit  uns  diu  liebe  zit  begunde  nähen  N.  26,  24 
vgl.  der  liehen  ougenweide  diu  uns  beginnet  nähen  N.  4, 2 — 3 
vgl.  auch  Der  schoene  sumer  get  U7is  an  Veld.  66,  1  (zu  dem  aus- 
druck  an  gen  vgl.  L'hland  Sehr,  m  260  anm.381). 

dasselbe  vom  winter  ausgehend: 

Der  winder  .  .  .  ist  nu  zergangen  CB  100' 
Zergangen  ist  der  winder  ehalt  CB  lO■2^  104' 
zergangen  ist  der  winter  lanc  D.  33,  IS.  R.  184,1 
so  ist  der  winter  gar  vergdn  Veld.  65,  32 
Nu  ist  der  küele  winder  gar  zergangen  N.  24, 13 


194       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Nn  ist  vil  gar  zergangen  der  icinder  kalt  N.  29, 27 — 28 
mir  icwre  liep,  wolt  er  zergdn  Rugge  lOS,  18 
vgl.  Der  Star  che  winder  hat  vns  verldn  Cß  98^ 

Urlonp  nam  der  winder  ...  N.  17,  9. 

rüme  ez,  winter  ...  IN.  4,35 

xcinder  hat  ez  hie  gerümel  N.  19,33 — 34. 

der  winter  hat  ein  ende  N.  3,  26 
ende  hat  der  loinder  kalt  N.  10,24 
jd  wcen  ich  der  icinder  ende  hat  N.  27,  5 
vgl.   daz   der  winter  swa're  icelle   ze   ende  körnen   R.  203, 

26  —  27. 

Sit  sich  verwandelt  hdt  diu  zit  Riet.  19,7 
diu  zit  hdt  sich  verwandelöt  Rugge  107, 13.  N.  11,12 
[im  AvintereingaDg:   e  sich  verwandelöt  diu  zit  MF  6,  7.    Sich  hdt 
verwandelöt  diu  zit  D.  37, 30].  vgl.ßecker  aao.  39. 

In  den  ziten  von  dem  jdre  daz  .  .  .  Veld.  59,  23 — 24 
In  den  ziten  daz  .  .  .  Veld.  00,  29 
Swenn  diu  zit  also  gestdt  daz  .  .  .  Veld.  67,9  — 10 
des  ist  zit  daz  ...  IN.  14,  24 — 25. 

der  niai  begriifst: 

Ich  wil  den  sumer  grüzen  CB  139' 

s?  wellent  alle  grüezen  nü  den  meien  IS.  0,21. 

die  snmerzit  enphdhen  CB  139' 

die  schcenen  zit  vil  wol  enpfdn  Veld.  66,  4 

die  wil  ich  schöne  enphdhen  IN.  4,  5 

Sumer,  icis  enphangen  N.  9,  13 

lins  ndhet  ein  sumer;  den  enphdhet  N.  14,  10 — 11 

Alle  die  den  sinner  lobeliche  ic eint  enphdhen  IN.  16,38. 

so  wol  dir,  sumer,  sns  getdner  arebeit  W.  64,  17  (vgl. 

Wilmanns  Lebeu  Walthers  s.  211) 
wol  dir,  snmerwunne  N.  14,  15 
Wol  dem  tage  IN.  21,34 
vgl.    Willekomen  si  des  meien  schoene  N.  14,  4 — 5. 

der  mai  gelobt: 

er  ist  so  scbon  wie  je. 

wurde  iemer  sumer  als  e  Veld.  67,  14 
hiwer  a/s  e  N.  4,  33 
aber  als  e  N.  26,  26. 

er  ist  scbüncr  als  je  (vgl.  Tiscber  Über  Nilhart  vonRiiivvental  s.23). 
ich  gesach  den  sumer  nie,  daz  er  s6  schöne  diihte  mich 

Cß  115' 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       195 

ichn  gesach  vor  mangem  jdre  ein  schcener  nie  N.  10,  23 
Ich  gesach . . .  nie  vor  manegen  ziten  in  so  lichter  ougen- 

weide  N.  22,  38  f. 

die  nachrichl  von  seinem  nahen  erfreul: 

ez  sint  guotiu  niuwe  mdre  Veld.  56,  1 

wol  mich   lieher   mccre,    daz   ich   hdn   verminen  .  .  . 

R.  203,24  —  25 
weit  ir  liehiu  mwre  gerne  hceren  N.  33,29  —  30. 

Diu  weit  fröut  sich  nberal  gegen  der  snmerzite  CB  123^ 
si  vreunt  sich  gegen  der  lieben  sumerzH  N.  26,  31 
vgl.  vröun  uns  gegen  den  meigen  CB  100' 
si  vreunt  sich  gein  dem  meien  N.  25,  20 
diu  sich  vröuten  gegen  der  zit  immer  gein  dem  meien 

N.  55,  10—11 
vgl.  auch  Ich  fröwe  mich  gegen  der  heide  N.  4,  1 
ferner  MF  4, 13  und  Mor.  108, 19. 

der  mai  erfreut: 

davon  mag  uns  frende  nimmer  mer  zergdn  CB  98* 
Nu  suhl  wir  alle  fröude  hdn  CB  103'. 

des  vil  manic  herze  ist  frö  Biet.  19,  8 

des  wirt  vil  manic  herze  frö  D.  33,21 

dd  von    vil  mangem  herzen  sine  vreude  sint  gemeret 

N.  17,5 
ntid  vil  mangem  herzen  vröude  meret  N.  21,36 
des  vröut  sich  manec  herze  .  .  .  N.  10,25 
vgl.  auch  Allez  .  .  ,  vreut  sich  siner  Jiünfte  icol  N.  23,  5  —  6. 

diu  al  der  werkle  vreude  gU  IV.  24,  16 
Jim    uns     git    vreuden    vil    und    lichter    ougenweide 

N.  26,32  —  33. 

der  al  der  iverldc  höchgemüete  trage  N.  21,  35 

AI  der  werlde  höhe  ir  gemüete  stdt  N.  29,35 — 36. 

mir  ist  liep,  daz  CB  107' 
diu  liebent  mir  W,  92,  11 
vgl.   Ich  hin  frö,  sit  Veld.  57,  10 
daz  ich  vrö  hin  Veld.  64,  20 
vgl.  auch  des  fröut  sih  min  gemüete  CB  1 02'. 

dasselbe  vom  winler  ausgehend: 

Die  den  winder  sendes  herzen  wdren,   den   N.  13,  13 
manegcm  senedem  herzen  trüren  ist  benomen  N.  14,  7 
vgl.  diu  hahent  ir  trüren  uf  gegeben  N.  28,  4. 

Einzelne  züge  der  nalurbeschreibung: 
der  wald  ist  frischbelaubt. 


196       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

gelo}ihet  stdt  der  gruone  walt  CB  102^ 

der  loalt  ist  wol  geloubet  N.  8.  20 

mi  ist  der  icalt  schöne  geloubet  N.  22,  10 — 11 

aber  geloubet  stdt  der  walt  N.  10,  26 

mit  nimvem  loube  stdt  der  loalt  N.  11,9 

der  walt  mit  loube  stdt  N.  20,  38 

mit  loube  icol  bevangen  der  grüene  walt  N.  29,  29 — 30. 

gruonet  der  walt  allenthalben  CB  112 
gruone  stdt  der  schwue  walt  CB  123' 
Der  walt  in  grüener  varwe  stdt  MF  6,  14. 

und  der  loalt  ist  loubes  rkhe  N.  65,  30 

der  ist  m\  niuwes  loubes  vol  N.  3,  25 

er  (der  sommer)  wil  riehen.  ..manegen  bonm  mit  loubes 

wdt  N.  5,  23  ff 
Schouwet  an  den  walt  icier  niuwes  loubes  richet  N.  19,7. 

In  Hehler  varwe  stdt  der  walt  CB  101* 

Ich   sach   vil  lichte  varwe  hdn  .  .  .  den  grüenen  walt 

Bugge  99,  29—30 
derst  in  Hehler  varwe  gar  N.  6,  3 
Ine  gesach  .  .  .  nie  ...  in  Hehler  ougenweide  den  grüenen 

walt  N.  15,  21  ff 
Ich  gesach   den  wall  .  .  .  nie  .  .  .  in  so  Hehler  ougen- 
weide N.  22, 38—39. 

Der  walt  mit  niuwem  loube  sinegrise  hdt  verkeret  N.  17, 4 
Der  walt  hdt  shier  grise  gar  vergezzen  N.  24,23  (vgl. 

10,31) 
Der  walt  stuont  aller  grise  N.  6,  l 
die   boume   die   dö   sluonden   gris   die   habent   alle   ir 

niuwez  ris  . .  .  N.  4,36 — 37 
die  bäume  die  den  winder  stuonden  val  . . .  die  siht  man 
aber  in  dem  walde  louben  N.  26,  37  ff. 
für  den  wald  steht  typisch  die  linde: 

ez  gruonet  wol  diu  linde  breit  D.  33,  17 
so  louben  die  linden  Veld.  62,  27 
geloubet  stdnt  die  linden^  N.  15,  34 
diu  linde  wol  geloubet  stdt  N.  27,  8 
Nu  ist  wol  breit  der  linden  ir  ast: 
diu  was  des  loubes  hiuicer  ein  gast: 
nü  ist  si  wol  behangen  ...  IN.  18,  10  ff 
diu  linde  ist  wol  bevangen  mit  loube  N.  20,  5 
vgl  N.  25,14  und  besonders  28,  lOf 
vgl.  auch  N.  6,  15. 

*  es  ist  wol  besser  mit  Paul  Beitr.  v  554  stdt  diu  linde  zu  lesen: 
reim  mit  überschüssigem  n  wird  durch  Pauls  ausführungen  für  Neidhart 
wahrscheinlich  und  dieser  dichter  hat  sonst  immer  den  singuIar. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       197 

haide,  anger,  wiese  frisch  geschmückt: 

diu  heide  ist  wunnedkh  getan  CB  103' 
vgl.  auch  diu  sumerzU  ist  schöne  getan  Cß  9SS 

diu  heide  wunnechlichen  stdt  Cß  107' 

heid  anger  icalt  in  fröuden  stdt  N.  5,  8 

wartet  wie  diu  heide  stdt  schöne  .  .  .  N.  10,29 — 30. 

Ich  sih  die  Hehle  heide 
in  gruoner  varioe  stdn  Cß  139' 
diu  heide  in  gruoner  varwe  Ut  Cß  143* 
vgl.  Rugge  99,  29—30  s.  u. 

Schöne  gevar  Ut  der  .  .  .  atiger  N.  14,211' 
vgl.  auch  Wie  wol  der  heide  ir  manicvaltiu  varwe  stdt  W.  64,  13. 

Ich  fröwe  mich  gegen  der  heide, 
der  lichten  ougenweide  ...  N.  4,  1 — 2 
Ich  gesach  .  .  .  al  die  heide  nie  .  .  .  in  so  lichter  ougen- 

tveide  N.  22,  38—39 
vgl.  auch  Ine  gesach  die  heide  nie  baz  gestalt ,  in  lichter  ougen- 
weide N.  15,  21  ff. 
vvald  und  haide  zusammen  genannt: 

walt  unde  heide  sih  ich  nu  an  Cß  98" 
diu  heide  gruonet  und  der  walt  CB  104' 
ich  sach  vil  lichte  varwe  hdn  die  heide  und  al  den  grüenen 

walt  Rugge  99.29  —  30 
vgl.  auch  N.  15,21—24.  34,  5  —  8. 

haide  und  hlumen  zusammen  genannt: 

mirst  liep  daz  si  so  vil  der  schoenen  bluomen  hat  CB  107' 

dar  zuo  bluomen  unde  Ide 

hat  diu  heide  vil  als  e  CB  123'. 

mit  munigen  bluomen  xool  getan 

diu  heide  hat  gezieret  sich  CB  115' 

Nu  ist  der  walt  gezieret 

und  diu  heide  .  .  . 

mit  in  hrdhtens  .  .  .  bluomen  N.  34,  5  ff. 

nu  siht  man  bluomen  wolgetdn 

üeben  an  der  heide  ir  schhi  D.  33,  19  —  20 

bluomen  schhi 

ich  da  vant. 

heide  hdt  ir  lieht  gewant  N.  6,  10 — 12. 

die  blumen  das  kleid  der  haide: 

heide  hat  ir  lieht  gewant  N.  6,  12 
von   lichten   rösen  diu  heide  hdt   gewant  N.  18,  6 — 7 
vgl.   diu  habent  sich  bereitet  mit  ir  aller  besten  wdt   N.  5,  9 
schöne  in  lichter  wcüte  und  wunneclicher  wdt  N.  10,30 


198       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

vgL  auch  diu  heide  mit  ir  kleide  N.  34,6  t'. 

dies  kleid  ein  gesclienk  des  Frühlings : 

die  in  der  meie  hat  gesant  N.  5,  10 
die  der  meie  sande  dar  N.  14,  23 
der  hat  im  der  meie  vil  gesant  N.  19,  9 — 10 
vgl.   die  hat  der  meie  vür  gesant  N.  23,  1. 

blumen  dringen  hervor: 

tcir  sehen  hhwmen  stdn  CB  103'' 
die  bluomen  Stent  gevar  in  liehter  ongenweide  N.  17,  10 
die  Stent  aber  in  liehter  ougenweide  N.  22,  2 
vgl.  die  bei  Schilderung  der  haide  benutzten  stellen. 

SO  die  bluomen  springen  Veld.  62,  26 
von  dem  touwe  springent  bluomen  N.  7,  12  ff 
die  bluomen  sint  entsprungen  N.  8,15.   15,  31 
vgl.   U7id  die  bluomen  dur  daz  gras 

tDÜnneclichen  Sprüngen  VV.  94,  12 — 13 
vgl.  auch  nu  ist  diu  heide  entsprungen  W.  114,26 
Urspring  bluomen  Wolfram  7, 11. 

So  die  bluomen  iiz  dem  grase  dringent  W.  45,  37 
die  bluomen  dringent  durch  daz  gras  N.  24,  20 
daz  diu  bluomen  dnmgen  durch  den  kle  N.  26,  25. 

für  die  blumen  steht  typisch  die  rose: 

si  ist  wunnechlich  bevangen  von  bluomen  rot  CB  100^ 
aber   .  .  .    ist  diu  heid  mit   rösen  umbevangen   N.  26, 

26—27. 

die  heide  mit  den  bluomen  rot  R.  183,  34 

man   siht   der  rösen  xounder   üf  der  heide   N.  24,  19 

rosen  üf  der  heide  N.  25,  26 

daz  wären  bluomen  also  rot   M.  14,  2. 

klee  und  gras,  meist  mit  den  blumen  zusammen  genannt: 
der  kle  der  springet  hö  CB  133* 
dar  zuo  bluomen  unde  kle 
hat  diu  heide  vil  als  e  CB  123' 
hiuwer  als  e 

grüener  kle  N.  4,  33 — 34. 
da  diu  bluomen  unde  gras 
stuonden  grüene  beide  CB  125' 
daz  uns  komt  bluomen  unde  gras  Veld.  67,  10 
vgl.   da  ensprungen  bluomen  unde  kle  VV.  75,  33 
springent  bluomen  unde  kle'  N.  7,  14 
vgl.  auch  N.  24,  20.  26,  25  s.  o. 

Diesem    ersten   hauptteil   der  naturbeschreibung   gegenüber, 
der   Schilderung   der   unbelebten    natur,    bildet   den   zweiten  die 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       199 

schikleruDg  des  vogelgesangs,  die  auch  fas^l  ausnahmslos  auf  jene 
ersten  formein  erst  folgt: 

(kr  vögele  schal  nu  doenet  CB  IUP 

hebt  sich   aber   der  vogele  schal  N.  4,  32.  6,  19  (vgl. 

Tischer  aao.  s.  17) 

s6  kceme  uns  der  vogele  schal  W.  39,  5 

der  kleinen  vogelline  sanc  D.  33,  16 

Des  meien  zil  bringet  vogele  sanges.. .  vil  N.  10,  27  —  28. 

die  vogele  singen  Veld.  62,  30 

und  diu  kleinen  vogellin  wol  singent  W.  46,  2 

die  kleinen  vogele  sungen  da  W.  75,  27 

aldd  die  vogele  sungen  W.  94,  14 

singent  wol  diu  vogelin  N.  11,  16 

vogelin  singent  N.  5,  19 

diu  vogelin  .  .  .  diu  singent  aber  N.  17,  6 — 7 

die  vogele . . .  die  singent  wunniclichen  irgesanc  N.  19, 18  ff 

vrö  singent  aber  die  vogele  N,  29,  33. 

vogel  ir  alten  dön  Wolfram  7,  12 
vgl.   Losd  wie  die  vogele  alle  daenent  N.  27,3. 

Ine  vernam  nie  der  vogele  singen  so  lobesam  N.  14, 12  ff 
baz  gesungen  nie  die  vogele  e  noch  sU  N.  24,  17 
ir  gevrieschet . . .  nie  vogele  schal  die  baz  sungen  N.  28, 37  ff. 

Vögel  und  wald  zusammen  genannt: 

sanges  ist  der  walt  so  vol  CB  115" 
die  vogele  in  dem  ivalde  singent  wünneclichen   N.  25, 

30—31 
vgl.  uf  manegem  grüenem  rise  hörte  ich  süeze  wise  singen 

kleiniu  vogelin  JN.  6,  7  ff 
vgl.  auch  vor  dem  walde  wart  ez  lut  D.  34,  5. 

Vögel  und  linde: 

Uf  der  linden  obene 

dd  sanc  ein  kleinez  vogellin  D.  34,  2 — 4 
under  einer  linden  .  .  .  dar  üfe  sungen  vogele  Joh.  90, 

34—35. 

Vögel  und  haide:    Mor.  139,  19— 20  vgl.  Penis  83,  36. 

Vögel  und  blumen:    Veld.  56,  2 — 3. 

die  Vögel  begrüfsen  den  mai : 

Als  die  vogele  freweliche 
singende  den  sumer  enpfdn  Veld.  65,  28 — 29 
si  vrönwent  sich  .  .  .  die  schoenen  zit  vil  wol  enpfdn 

Veld.  66,  3—4 
vgl.   diu  singent  aber  des  meien  lop  N.  17,  7 

vrö  singent  aber  die  vogele,  lobent  den  meien  N.  29,  33 
vgl.  auch  wie  si  den  meien  mit  ir  sänge  krcenent  N.  27,  4, 


200       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

die  Vögel  freuen  sich  über  den  mai: 

diu  z4t  diu  tnot  den  chJeinen  vogelen  xool  Cß  115' 
vgl.  auch  Veld.  66,  2  ff  s.  o. 

gewöhnlich  vom  winter  ausgehend: 

Der  rife  tel  den  kleinen  vogelen  we, 

daz  si  niht  enmngen. 

nii  hört  ichs  aber  wännedich  als  e  W.  114,  23  ff 

vogelin  singenl;  den  was  we  N.  5,  19 

diu  vogelin  diu  der  loinder  het  hetwungen, 

diu  singenl  aber  IN.  17,  6 — 7 

die  vögele  die  der  ivinder  truric  het  gemachet, 

die  singent  N.  19,  18-19. 

Die   reichste   stelle   des  vogeisangs  fassl  die    meisten  dieser 
formein  zusammen: 

grözen  schal  hcer  ich  die  vögele  singen  über  al,  süezen 
sa7ic  .  .  .  ende  hat   ir  sorgen,     ez  kündet   in  der 
meie  snmerlich  geschreie  IN.  22,  3  ff. 
ankunft  der  vögel: 

also  sint  die  vögele  (körnen)  mit  gesange  IN.  13,9 
nii  komenl  uns  die  vögele  mit  ir  süezen  schreie  N.32, 14. 

für  die  vögel  steht  typisch  die  nachtigall: 

schöne  sanc  diu  nahtegal  W.  39,  19 
da)'  under  singent  nahtigal  N.  27,  2 
diu  nahtigal  diu  singet  N.  31,21. 

nachtigall  und  linde: 

diu  nahtegal  diu  singet    nf  der  linden  ir  süezen  sanc 

N.  7,  15  — IG 
vgl.   wie  schöne  nahlegal  nf  dem  rise  .  .  .  singent  wunnec- 

Ikhen  schal  N.  8,  16  ff. 

Den    dritten   teil    der   nalurbeschreibung    bilden    die  beziige 
auf  die  sonne,  diese  im  gegensatz  zu  den  vorigen  in  den  sommer- 
liedern  seltener  als  in  den  winlerliedern : 
Ich  bin  frö,  sit  uns  die  tage 
liehtenl  Wide  werdent  lanc  Veld.  57,  lOf 
(der  Hehle  tac  bildlich  H.  178,13) 
In  den  zUcn  von  dem  jdre 
daz  die  tage  sien  lanc  Veld.  59,  23 — 24 
Körnen  sint  uns  die  liehten  tage  lange  N.  13,8 
diu  naht  ist  kurz,  der  tac  beginnet  langen  N.  24,  14. 

und  daz  weler  wider  kläre  Veld.  59,25 
Diu  ztt  ist  verkläret  wal  Veld.  65,13. 
Damit    sind    die    stehenden    züge   der    sommcrbeschreibung 
erschöpft   und    überhaupt   alle    vertreten,    die   sich   bei    unseren 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       201 

dichtem  finden,  nur  habe  ich  hier  die  fälle  nicht  aufgezählt,  die 
zwar  typisch  sind,  aber  nicht  formelhaft,  dh.  die  sich  mit  den 
sonst  vorkommenden  nur  inhaltlich  decken,  nicht  auch  formell, 
zb.  der  vogelsang  Cß  104\  123%  worüber  unten  mehr,  um  die 
auffindung  auch  dieser  anderen  stellen  zu  erleichtern,  merke 
ich  hier  noch  die  frühlingseingänge  unserer  quellen  an:  CB 
98^  100^— 104\  107^  \\y.  123^  12.y.  133^  139\  143\  MF 
4,  13.  6,  14.  M.  14,  1.  Riet.  19,  7.  D.  33,  15.  34,  3.  Veld.  ÖG, 
1.  57,  10.  59,  23.  60,  29.  62,  25.  64,  17.  65,  13.  28.  66,  1. 
67,  9.  Guot.  77,  36.  Penis  83,  36.  Job.  90,  32.  Rugge  99,  29. 
Mor.  139,  19.  R.  167,  31.  1S3,  33.  203,  24.  W.  39,  1.  45,  37. 
51,  13.  64,  13.  75,  25.  75,  32.  92,  9.  94,  11.  95,  17.  114,  23. 
Wolfram  7,  11.  Neidhart  beginnt  alle  reiben  mit  natureiugang 
aufser  3,  1.  12,  19.  33,  15  und  dem  fragment  33,  3.  — 

Das  Verhältnis  der  Wintereingänge  zu  den  frühlingseingängen 
ist  dies,  dass  die  ersteren  durchaus  die  letzteren  voraussetzen, 
nicht  blofs  geht  die  Schilderung  hier  widerbolt  vom  gegenteii 
aus  und  schliefst  daran  nur  die  bemerkung,  wie  das  jetzt  alles 
anders  sei,  während  in  den  frühlingseingängen  höchstens  um- 
gekehrt die  kurze  bemerkung,  der  winter  sei  geschwunden,  der 
Schilderung  vorausgebt  — ,  sondern  die  winterformeln  sind  über- 
wiegend nichts  als  verneinende  widerbolungen  der  sommerformeln. 
auch  dies  bedarf  näherer  erörterung  an  anderer  stelle;  die  tat- 
sache  selbst  aber  muss  hier  erwähnt  werden.  — 
Verkündigung  des  winters: 

Nu  ist  der  leide  icinder  hie  N.  41,33 

est  ein  winder  N.  52,  21 
vgl.   daz  machet  mir  ein  winder  ehalt  CB  134* 
vgl.  auch  die  uns  den  winder  kündent  N.  54,  2 

Owe  winder  N.  101,20. 

vom  sommer  ausgehend : 

Urlop  hat  des  sumers  hrehen   D.  39,  30 

D6  der  liebe  summer  urloup  genam  N.  49,  10 — 11. 

Uns  ist  zergangen  der  liepUche  Stimmer   Mor.  140,  32 
der  sumer  wil  zergdn  N.  44,  37. 

das  scheiden  des  sommers  beklagt: 

So  we  dir,  sumerwunnel   Pseudo-D.  37,  18 
Owe,  snmerwunne  N.  97,  9 
vgl.  Owe,  lieber  sumer  N.  58,  25.  85,  6 
vgl.  auch  Owe  dirre  sumerzit  N.  64,  21 
Z.  F.  D.  A.    XXiX.      N.  F.  XVil.  14 


202       ALTE  DEUTSCHE  VOLRSLIEÜCHEN 

Oice  sumerzU  N.  75,  15 
Owe  liebiu  snmerzU  N.  89,  3. 
Owe  mir  dirre  not  N.  44,  36 
Oice  dirre  not!  IN.  99,1. 

der  Winter  macht  traurig: 

Ich  hdn  eine  senede  not,  diu  tuot  mir  also  we  CB  134* 
mir  twte  iedoch  der  lointer  we  Veld.  67,  16 
mir  tuot  der  winder  we  N.  35,  11. 

manic   herze   muoz   von    sinen    schulden   vreude    Idn 

N.  52,  28 
ez    ist    manic  herze   gar    von    sinen   vröuden  komen 

N.  85,9 
manic  herze  geil  hat  ze  truren  sich  gestalt,  den  allen 

vreude  wol  gezam  N.  92,  15  ff 
trüret  manic  herze  daz  in  hohem  muote  was  N.  99,  5 
des  ist  manic  herze  beidiu  trnric  unde  unvrö  N.  59,  38 
vgl.   der  uns  manger  vröude  rouhet  N.  54,  2 
hdnt  mir  vreude  benomen  N.  61,  20 
vgl.  auch  e  .  .  .  dö  hiet  man  da  vunden  vil  maneger  hande  vreude 
.  .  .  diu  vreude   het  ein  ende  dö  diu  zit  begunde 
swären.    des  trüret  manic  herze  des  gemüete  stuont 
e  hö  (wie  N.  99,  5  s.  o.)  N.  62,  37  11". 

.  .  .  wie  duz  allez  twingest 

daz  den  sumer  mit  vreuden  ivas  N.  101,21 — 22 
allez  daz  den  sumer  her  mit  vreuden  was, 
daz  beginnet  truren  gein  der  winderiangen  swceren  zit 

N.  86,31—32 
vgl.  auch  der  winter  kau  niht  anders  sin 

wan  swcere  und  dne  mdze  lanc   Rugge  108,  16 — 17. 

ze   senfte   maneges   herzen  klage   die   nu   der   swcere 

Winter  git    R.  191,27  — 28 
mir  riuwe  dne  vreude  git  N.  53,  39 
dirre  kalde  winder  truren  unde  seilen  git  N.  73,  25. 

Einzelne  züge  der  naturbeschreibung: 
der  wald  ist  des  laubes  beraubt: 

und  valwet  obenan  der  walt  D.  37,  34 
ich  kiuse  an  dem  walde,  sin  hup  ist  geneiget  Fenis82, 26 
vgl.   da  von  ist  der  walt  des  loubes  dne  N.  42,  35 
erne  hat  dem  walde  loubes  niht  verldn  N.  95,  10. 
Winder,  diniu  meil,  diu  verderbent  uns  den  tüa/f  N.92, 111" 
vgl.  N.  42,  34.  52,  23  und  79,  37  s.  u. 
für  den  wald  steht   die  linde: 

Diu  linde  ist  an  dem  ende  nü  jdrlanc  sieht  unde  blöz 

MF  4,  1  —  2 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       203 

daz  vogelsanc  ist  gesiounden:  als  ist  der  linden  ir  lonp 

Pseudo-D.  37,  19  —  20 
daz  diu  löuber  an  der  linden  winterliche  valwiu  stdn 

VeKI.  64,27—28 
vgl.   diu  ist  grüenes  loubes  worden  dne  N,  46,  34. 

Uf  der  linden  liget  meil  N.  42,  34 
vgl.   N.  52,23.  79,  37  f.  92,  12. 

wald  und  iiaide  zusammen  geuannt: 

diu  sint  nu  beide  worden  val  Rugge  99,  31 
heide  unde  walt  sint  beide  nü  val  W.  39,  2 
vgl.   die (liaide) hat  er  gemeilet  und  den  grüenen  walt  N.  52,23. 
wald  und  blumen  zusammeu  genannt: 

walt  unde  bluomen  die  sint  gar  betwungen  Penis  83,  26 
vgl.  N.  101,23  —  25. 

haide  (anger  und  wiese    nie  genannt)   ihres  schmuckes  beraubt: 
Nu  lange  stdt  diu  heide  val  Rugge  106,24 
diust  von  sinen  schulden  val  N.  38,  16 
ez  ist  uol  von  schulden,  ist  diu  grüene  heide  val  N.  86, 36 
waz  dar  umbe,  vahvent  giHiene  heide?  R.  169,  11 
diu  die  heide  velwet  N.  73,  28. 

diu  heide  .  .  .  ist  verderbet  N.  75,  33  ff 

diu  verderbent  uns  .  .  .  die  heide  N.  92,  12 — 13. 

swenn  also  jcemerlkhe  IH  diu  heide  breit  R.  191,  30  f 
schouwet  ivie  diu  heide  lit  N.  89,  8. 

die  blumen  vergehen: 

und  müezen  gar  betwungen  stdn 
die  bluomen  von  dem  winter  kalt   Rugge  99,  32 — 33 
vgl.   du   hast   vögele   vil   betwungen  .  .  .  dar   zuo    bluomen 

N.  101,2311. 
ich  hdn  me  ze  tuonne  danne  bluomen  klagen  R.  169,  14 
Swaz  ich  tumber  klage  bluomen  N.  76,  26  —  27 
der   hat  uns  der  wunneclichen   bluomen   vil  benomen 

N.  38,  11 
er  benimt  uns  vil  der  schcenen  bluomen  N.  99,  10. 

Wie  sol   ich  die  bluomen   überwinden  die  so  gar  ver- 
dorben sint  N.  46,  28  —  29 
derküele  winder  verderbet  sclmner  bluomen  t;?7N.  79, 37  f 
gar  verdorben  sint  die  bluomen  N.  86,  34 
vgl.  N.  92,  12  s.  0. 

die  bluomen  ,  .  .  sint  verswunden  IN.  62,  34  f 
nu  siht   man  leider  liitzel  bluomen  sehnen   N.  43,  18 
vgl.   Nuist.. .  der  lichten  bluomen  schin  vil  gar  zergdnNAS,  If 
vgl.  auch  N.  95,  11  s.  u. 

14* 


204       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

die   liaide  der  hliimen  beraubt: 

Der  winder  zeiget   sine  chraft  den  blnomeu  unde  der 

beide  Cß  142\ 
Nu  lange  stdt  diu  beide  val: 

si  hat  der  sne  gemachet  bluomen  eine  Riigge  106,  24  t' 
diu   die  heide   velwet   unde   mange   bluomen   wolgetdn 

N.  73,28. 

bluomen  und  vögele  singen  ist  in  (baide  und  vvald)  gar 

zergdn  N.  52,  24 
unde  der  heide   ir  bluomen   unde   ir  Hellten   schin  be- 

nometi  N.  95, 11.  . 
für  die  blumen  siebt  die  rose: 

Sit  er  uns  die  rösen  ab  der  heide  nam  N.  46,  36 
diu  heide  ist  von  den  rösen  blöz  N.  63,  9 
ich  sihe  die   bluomen   rot    vor  dem   walde  trüriclichen 
stdn  .  .  .  7iu  valwents  aber  gar  N.  45,  1  fl'. 

klee  und  gras,  meist  zusammen  genannt: 

du  von  stdt  val  der  griiene  chle  CB  142" 

ja  klage  ich  niht  den  kle  Mor.  140,  36 

so  klag  ich  den  grüenen  kle  N.  35,  9 

er  entioinge  uns  abe  beidiu  bluomen  unde  kle  N.  36,  20  f 

owe  bluomen  unde  kle  N.  64,  22 

bluomen    unde    kle   .  .  .    die    verderbet   uns    der   sne 

N.  76,  1 1  ff 
Die  bluomen   und  daz   griiene   gras  beidiu    sint  ver- 
swunden N.  62,  34 
gar  verdorben  sint  die  bluomen  und  daz  gras  N.  86, 34 
er  benimt   u)is   vil   der  schienen   bluomen  unde  gras 

N.  99,  10 
dar  zuo  bluomen  unde  gras  N.  101,25. 

das  liauptzeicben  des  winters  ist  der  scbnee: 
daz  machet  mir  ein  winder  ehalt 
und  ouch  der  icize  sne  CB  134" 
.  .  .  daz  machet  der  sne  Penis  82,  29 
die  verderbet  uns  der  sne  N.  76,  13. 

scbnee  und  reif: 

We  tuot  in  rife  unde  ouch  der  sne  CB  142" 

dir  hat  widerseit  beidiu  rife  und  ouch  der  sne  N.  35,  6  f 

unser  freuden  widerstrit  bringet  rifen  unde  sne  N.  64,  25. 

der  reif  statt  des  scbnees: 

daz  si  von  dem  rifen  wurden  val  N.  43,  20 
daz  ist  allez  von  des  rifen  ungendden  komen  N.  38,  14 
daz  ist  allez  von  dem  leiden  rifen  kalt  N.  52,  27 
vgl.  N.  45,  10.  63,  10 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN  205 

waz  des  kalten  rifen  oben  nf  dem  walde  lit  N.  86,  35. 
Den  winlerschilderuugen    ist    noch  die  nonnnng   der  winde. 

eigentümlich : 

dine  toinde  die  sint  kalt  N.  35,  4 
sine  iDinde  kalt  N.  75,  30 
vgl.   daz  machet  mir  ein  winder  ehalt  Cß  134^ 
ja  ist  der  leide  winder  kalt  N.  38,  10 
ich  hazze  den  winder  kalt  N.  51,4 
vgl.  auch  dirre  kalde  winder  N.  73,  25 

der  küele  winder  N.  79,37  (vgl.  Burdach  s.  162). 

Den  zweiten  hauplteil  des  nalurbildes  macht  das  verstummen 

des  vogelgesangs,  meist  sehr  nachdrücklich  hervorgehoben,  aus: 

die  vögele  swigent  gegen  der  zit  CB  142^ 

dd  st  milezen  swigen  allen  disen  winder  lanc  !N.  76,10 

und   diu   kleinen   vogellin    ires   sanges   sint    gesweiget 

Veld.  59,  13— 14 
des  sint  gar  gesweiget  die  vögele  ir  sanges  Penis  82,281 
da  von  sint  diu  vogelin  ir  sanges  gar  gesweiget  IN.  50,39 
gar  gesweiget  sint  diu  vogelin  mit  ir  gesange  N.  58,  28 
Sanges  sint  diu  vogelin  geswiget  N.  59,36 
sanges  sint  diu  vogelin  geswigen  über  al  N.  86,  33 
daz  vogelsauc  ist  geswundeu  Fseudo-D.  37,  19. 

Verboten  ist  den  kleinen  vogelinen  ir  gesanc  N.  43,  15  f 
vögele  singen  ist  in  gar  zergän  N.  52,  24 
is  und  anehanc  hat  der  vogeline  sanc  gar  gestillet  N.  76, 8 IF 
vgl.  auch  N.  14,  16 f. 

diu  vögelin  diu  der  winder  het  betwungen  N.  17,  6 
also  sint  die  vögele  in  dem  walde  des  betioungen  dazs  ir 

singen  müezen  hin  N.  73,  29 
du  hast  vögele  vil  betwungen  N.  101,23. 

die  Vögel  sind  traurig: 

si  lebent  in  grözen  sorgen  CB  142^ 

ende  hat  ir  sorgen  N.  22,  6 

gar  verborgen  sint  aber  alle  ir  sorgen  N.  29,  1 — 2. 

der  (schnee)  tuot  in  beide  unsanfte  unde  we  Penis  82, 30 
daz  tuot  den  vogelUnen  we  W.  75,  38 
vogelin  singent;  den  ivas  we  N.  5,  15. 

die  vögele  trürent  über  al  Rugge  106,26 

die  vögele  die  der  winder  truric  het  gemachet  N.  19,  18 

diu  habent  ir  trüren  üf  gegeben  N.  28,  4. 

für  die  vögel  steht  die  nachligall: 

Diu  nahtegal  ist  gesweiget  Riet.  18,  17 
geswigen  sint  die  nahtigal  D.  37,  32. 


206       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

nnd  ir  hoher  sanc  geneiget,  die  ich  e  wol  horte  singen 

Riet.  18,  18—19 
ouch  hat  diu  liebe  nahtegal  vergezzen  daz  si  schöne  sanc 

Rugge  99,29  —  30. 
dar  zno  si)tt  die  nahtigal  alle  ir  wec  gevlogen  N,  38, 

17  —  18. 
Einen   grofseren   rainn   als   in    den   sonimeiiiederu   nehmen 
hier,    wie   schon    erwähnt,    die   der   sonne  und    ihrem  leuchten 
geltenden  formelu  ein: 

Sit  diu  snnne  ir  Hellten  schin  gegen  der  kelte  hat  ge- 
neiget Veld.  59,  11  —  12 
Diu  snnne  .  .  .  hdnt  ir  hcehe  hin  geneiget  N.  50,  37 
(die  gegenteilige  formel  wird  nur  hildlich  verwandt: 

daz  min  muot  stuont  höhe  sam  diu  snnne  Mor.  139,10 
Höhe  alsam  diu  snnne  stet  daz  herze  min  R,  182, 14). 
leit  ist  mir  geschehen  an  der  liehten  snnne  brehen, 
die  wir  dicke  trüebe  sehen  N.  76,  17fl" 
vgl.    Urlop  hat  des  sunters  brehen  D.  39,  30. 

er  entwinge   uns  abe  .  .  .  mangen  liehten  lounneclichen 

tac  N.  36,  20  ff 
ivie  hdnt  sich  verwandeUt  dise  liehten  sumertage  N.  99, 2  f 
vgl.   Swaz    ich  tnmber  klage  blnomen    und  die  liehten  tage 

N.  76,  26  —  27. 
aber  sd  sint  die  tage  trüebe  N.  43,  21 — 22 
die  beginnent  leider  alle  truoben  IN.  36,  24 
ze  disen  triieben  tagen  N.  54,  1 
SI  truobent  unde  Clement  an  ir  süezem  weter  abe  N.  58, 27 
dise  triieben  tage  N.  61,  18 
icaz  du  bringest  trüeber  tage  IN.  101,20  —  21. 
die  langen  näclite: 

der  Winter  nnd  sni  langiu  naht  D.  39,  35 

Wir  hdn  die  winterlangen  naht  D.  40,  3. 

Hat  der  winter  kurzen  tac,  so  hat  er  die  langen  naht 

W.  118,5  —  6 
die  langen  naht  Hartm.  216,4. 
Ohne  beziehung  auf  den  winter  owol  mich  danne  langer  naht 
R.  156,  25,  vgl.  Properz  (Catulli  Tibulli  Propertii  Carmina  rec.  Lu- 
cianus  Müller,  Leipzig  1874)  iv  12,  1  Quaeritis,  nnde  avidis  nox 
Sit  pretiosa  puellis.    Goethe  Sprechet  nicht  in  trauertönen  von  der 
einsamkeit  der  nacht  (Goethes  gedichte  hg.  von  GvLoeper  ii  120); 
vgl.  L'hland  Sehr,  in  21  anm.  8. 
Die  kalten  nachte  vereinzelt: 

ez  habent   die  kalten  nehte  getan  Veld.  64,  26. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       207 

Besonders  mache  ich  zum  schluss  noch  auf  eine  formelhafte 
antithese  aufmerksam,  die  blumen  und  schnee  contrastiert: 

da  man  brach  bluomen  da  lit  im  der  sne  Mor.  1 40,  33 
dd  wir  schapel  brdchen  e,  dd  lit  nü  rife  und  ouch  der  sne 

W.  75,36  —  37. 
vom  vvinter  ausgehend: 

so  lise  ich  bluomen  dd  rife  nü  lit  W.  39,  10. 

Ebenso  entsprechen  sich  zwei  schon  angeführte  einfachere 
antithesen: 

rfm  naht  ist  kurz,  der  tac  beginnet  langen  N.  24,  14 
Hdtder  lointer  kurzen  tac,  so  hat  erdielangen  naht  W.  118,5. 

Gegenüberstellung  der  entgegengesetzten  zustände  ist  nicht 
selten,  doch  noch  nicht  bei  den  ältesten  dichtem,  — 

Ich  habe  auch  hier  wider  die  nicht  formelhaften  stellen  fort- 
gelassen ,  obwol  deren  betrachtung  interessant  genug  ist.  die 
winterlichen  natureingänge  unserer  quellen  finden  sich  an  folgen- 
den stellen:  CB134M42\MF4,l.Riet.l8, 17.Pseudo-D.37,18.  D. 
37,  30.  39,  30.  40,  3.  Veld.  59,  1 1.  64,  26.  Penis  82,  26.  83,  26. 
Rugge99,  29.  106,24.  108,14.  Mor.  140,32.  R.  169,9.  191,25. 
Hartm.  205,  1.  216,  1.  W.  39,  If.  75,  25  f.  iXeidhart  hat  natur- 
eingang  wider  in  allen  winterliedern  aufser  40,  1.  65,  37.  67,  7. 
71,  11.  72,  24.  79,  18.  84,  8.  96,  30.  102,  32.  103,  15.  — 

Über  die  natureingänge  und  über  das  naturgefühl  bei  den 
minnesingern  speciell  handeln  Liliencron  Zs.  6,  78,  Erich  Schmidt 
Reinmar  und  Rugge  anm.  25.49,  Burdach  8,  bes.  48  f.  134,  Wil- 
mannsLeben  Walthers  208  f,  anm.  365 — 413  und  vor  allen  ühland 
Sehr,  in  384  f;  über  das  naturgefühl  in  der  deutschen  dichtung 
überhaupt  Koberstein  Vermischte  aufsätze  3  f ;  über  die  prov.  natur- 
eingänge vgl.  Diez  Poesie  der  troub.  s.  123  f,  über  die  altfranz. 
Wackernagel  Altfranz,  lieder  und  leiche  s.  169;  beispiele  von  alt- 
franz., prov.,  altital.  natureingäugen  Tischer  Über  IXithart  s.  18 — 19. 
endlich  die  natureingänge  in  der  dichtung  der  verschiedenen  Völker 
unterwirft  Scherer  Anz.  i  199 f  zum  ersten  mal  einer  vergleichung. 
über  die  natureingänge  bei  INeidhart  vgl.  meine  dissertation  s.  97. 
124;  über  die  Winterstettens  Minor  in  seiner  ausgäbe  s.  xn.  — 

Es  wird  bei  durchsieht  unserer  Sammlung  sich  wol  jedem 
die  Überzeugung  aufdrängen ,  dass  diese  behandlung  des  natur- 
eiugangs  auf  ältere  lieder  zurückweist,  in  denen  der  ausdruck 
für  die  einzelnen  glieder  wie  deren  auswahl  und  anordnung 
sich  schon  vollständig  fest  ausgebildet  hatte,  ehe  unsere  ältesten 


208  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

niinoedichter  sangeo.    indessen  die  existenz  derartiger  frühlings- 
lieder  ist  nach  Müllenhoffs  abhandlung  De  }3oesi  chorica  21  f  wol 
kaum  mehr  bezweifelt  worden;  die  winterlieder,  mindestens  die- 
jenigen,   die  der    minnesang    fortsetzte,    scheinen    selbst  schon 
uachbildung  der  ursprünglichen  maiengrUfse  zu  sein,     was  aber 
für  uns  hier  wichtiger  ist:    diese  formein   zeigen  durchaus  das- 
selbe verhalten  wie  die  anderen,  die  wir  zusammengestellt  haben, 
hier   liegt   doch    ganz    unzweifelhaft  bearbeitung,    nachahmung, 
ausbildung  ältester  volksliedchen  vor;   und  auch  hier  sehen  wir 
denselben  gang  von  der  unveränderten    aufnähme,    wie   sie  sich 
durch  einfachste  form   und  wörtliche  Übereinstimmungen  verrät, 
zur   immer   freieren   Umformung   mit  den   uns  schon  bekannten 
mittelu,   und  zur  gänzlichen  oder  doch  nahezu  völligen  Vermei- 
dung,    formein   wie   zb.  zergangen  ist   der  winder  kalt,   diu  zit 
hat  sich  vericandelöt ,   geloubet   stät  der  grüene  walt,   oder  heide 
und  walt  sint  heide  nü  val,   diu  vogelin   sint  ires  sanges  gar  ge- 
sweiget,  sogar  das  lyrisch  bewegte  so  we  dir  sumerwunne  dürfen 
wir   mit  bestimmtheil   als  teile  der   alten  volkshedchen  ansehen, 
blumen,  wie  sie  überall  aus  der  erde  hervorbrachen  und  nur  zu 
sträufsen  zusammengebunden  zu  werden  brauchten,    freilich  dass 
diese  sträufse  sich  ähnlich  sehen,   ist  natürlich;  keine  künstlich 
gezogene  blute    stach  von  den  rosen    und    grashalmen   ab.     und 
wie  diese  formein  daher  die  betreffenden  deutschen  Strophen  der 
CB  ganz  in  die  reihe  der  echt  deutschen  natureingänge  stellen,  so 
reihen    sie    die   bezüglichen    Strophen    Morungens    und  Veldekes, 
Walthers  und  Neidharts  ein  in  die  zahl  der  am  muster  des  Volks- 
lieds und  direct  in  anlehnung  an  dasselbe  erwachsenen  gedichte, 
und  zwingen  durch    ihre  analogie   auch  die  an  anderen  formein 
gleichen  Ursprungs  reichen  Strophen  in  diese  classe. 

Den  einwand  noch  abzuschneiden,  dass  auch  hier  zufälliges 
zusammentreßen  vorliege,  wie  die  beschränkte  zahl  hierfür  ge- 
eigneter Züge  und  worte  es  nahe  lege,  dazu  genügt  ein  blick 
auf  die  natureingänge  anderer  vülker.  unter  den  echt  lateinischen 
zb.  stimmt  zwar  allerdings  einer  scheinbar  genau  zu  den  deut- 
schen nalurbildern: 

üiffugere  nives;  redeunt  iam  gramina  canipis, 

Arhoribiisque  comae  (Horaz  iv  7,  1), 

aber  bei   genauerer   betrachtung  sehen    wir   auch   hier   die   ab- 
weichung.    nirgends  hebt  der  deutsche  frühlingseingang  das  ver- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       209 

schwinden  des  schnees  hervor  und  die  haide  schmückt  er  nicht 
mit  gras,  sondern  mit  bhimen.  allen  anderen  natureingängen 
der  classischen  lat.  lyriker,  die  übrigens  spärlich  genug  sind,  ist 
eigen  vor  allem,  dass  sie  im  gegensatz  zu  den  deutschen  im 
gegenbild  des  winters  die  ursprüngliche  gestalt  der  formel  zu 
zeigen  scheinen ,  wie  sie  denn  auch  alle  vom  winter  ausgehen 
(auch  die  eben  angeführte  stelle),  dann  aber  ist  unterscheidend, 
dass  bei  ihnen  das  hauptgewicht  auf  der  Schilderung  der  mehr 
elementaren  stücke  liegt:  wind,  regen  und  tlüsse,  während  die 
deutschen  auf  den  mehr  animalischen,  belebten  oder  leichter  zu 
belebenden  verweilen :  wald,  blumen  und  vögel.  die  lateinischen 
frühlingseingänge  finden  sich  Horaz  i  4.  iv  7  (im  weiteren  fort- 
gang  durchaus  den  anderen  analog),  iv  12,  Calull  xxxxvr,  und 
ganz  entsprechend  bildlich  Horaz  ii9;  Wintereingänge  Horaz  i2.  9. 
Epod.  XIII.  so  findet  sich  auch  in  der  späteren  deutschen  lyrik, 
so  viel  ich  weifs,  die  erwähnung  der  vom  eise  befreiten  ströme 
und  bäche  nur  bei  gelehrten  dichtem  und  deren  schülern;  sonst 
weicht  diese  wider  von  der  mhd,  naturbeschreibung  weit  ab,  wo 
sie  dieselbe  nicht  wie  zb.  Arndt  in  dem  lied  Sehnsucht  (Gedichte 
s.  178)  würklich  nachahmt: 

Wann  die  vöglein  so  minniglich 
Im  grünen  walde  singen. 
Mit  den  kehlen  so  winniglidi 
Von  Inst  nnd  liebe  klingen. 
Wenn  die  blnmlein  in  berg  nnd  lal, 

doch  auch  hier  ist  schon  das  folgende  modern,  so  bildet  bei 
anderen  Völkern  anderes  den  mittelpuuct  der  naturbeschreibung; 
die  Romanen  heben  gern  den  duft  hervor  usw.  jede  poesie  hat 
einen  bäum,  eine  blume,  einen  vogel  als  typisch  für  alle  gewählt, 
aber  überall  sind  es  andere,  die  Inder  tanzen  um  die  weitschattige 
dorfficus  (Zimmer  Altind.  leben  s.  288)  wie  die  Deutschen  um  die 
linde  usw.  (vgl.  de  Gubernatis  Mitologia  s.  120).  so  machen  sich 
characteristische  unterschiede,  in  erster  linie  natürlich  auf  klimati- 
schen Verschiedenheiten  beruhend,  in  den  typischen  natureingängen, 
wie  sie  alle  Völker  ausgebildet  haben,  auf  deutlichste  weise  geltend 
und  nur  aus  echten  alten  deutschen  volksliedchen  können  jene  for- 
mein der  minnesinger  stammen,  und  dass  auch  diese  formein  eine 
längere  zeit  der  ausbildung  voraussetzen,  beweist  das  festwerden 
gewisser  termini,   die  aus  vielen  synonymen  heraus  sich  als  die 


210  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

geeignetsten  behaupteten,  wie  twingen  und  verderben,  swinden 
und  zergdn,  idoI  getan  und  wünnedkh,  der  leide  winder  und  der 
winder  kalt  usw.,  und  würde  weiter  durch  das  entstehen  der 
winlerformehi  nach  dem  beispiel  der  frühlingsformehi  für  diese 
sich  herausstellen. 

Die  entwickelung  der  natureiugänge  kann  im  einzelnen  hier 
nicht  verfolgt  werden,  als  characteristisches  muster  altertümlicher 
art  führe  ich  besonders  Dietmars  Strophen  33,  15  ff  und  37,  30  ff 
an.  Veldeke  ist  dann  mit  geringeren  neuerungen  auch  hier 
bahnbrecher  der  neuen  dichtuug.  weiterhin  lässt  sich  die  ver- 
schiedene hallung  der  zum  volkstümlichen  ton  neigenden  und 
der  streng  höfischen  dichter  hier  deutlich  erkennen,  einen  neuen 
abschnitt  bezeichnet  Johansdorf  mit  seiner  farbenverschwendung 
(s.  Burdach  s.  92)  und  sodann  Reinmar  mit  der  eiuführung  des 
viol  (Erich  Schmidt  s.  111).  Wolfram  steht  wie  immer  abseits 
und  formt  7,  11  die  festen  formein  in  höchst  origineller  weise 
um ,  jeden  alten  satz  zu  einem  Substantiv  verdichtend ;  ich  w  üste 
seinem  uatureingang  nur  ein  einziges  ähnliches  beispiel  zur  seite 
zu  stellen,  eine  Strophe  ühlauds: 

Saatengrün ,  veilchendnft, 
Lerchenwirbel ,  amselschlag, 
Sonnenregen,  linde  luftl 
Wenn  ich  solche  worte  singe. 
Braucht  es  da  noch  grofser  dinge, 
Dich  zu  preisen,  frühlingstag  (i  60)  — 

und  gerade  Uhland  könnte  doch  von  Wolframs  lied  beeinflusst 
sein;  keinesfalls  tat  Tischer  (aao.  s.  22)  gut  daran,  Uhlands  ge- 
dieht als  ein  beispiel  neuerer  natureiugänge  herauszugreifen.  — 

Wie  nun  diese  formein  sich  auch  über  die  lyrik  hinaus  ver- 
breiten, wie  sie  überall  angewandt  und  umgebildet  werden  ,  das 
mögen  noch  einige  beispiele  zeigen  als  neuer  beleg  für  den 
einfluss  der  ältesten  deutschen  volksliedchen  auf  alle  mhd.  dich- 
lungsgattungen. 

Ich  deute  die  anwenduug  der  alten  formein  wider  dadurch 
an,  dass  ich  zu  den  betreffenden  versen  in  klammern  die  ihnen 
am  nächsten  stehenden  stellen  unserer  Sammlung  setze. 

Von  den  mhd.  epen  habe  ich  zwei  in  mancher  hinsieht 
höchst  verschiedene,  beide  aber  nicht  volkstümlich  gehaltene  ge- 
dichte  anzuführen,   den  Mauricius  von  Craün    und   den  Tristan. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLRSLIEDCHEN       211 

Mauricius  von  Cräüo  v.  1679  fr: 

ditz  was  in  der  stunde  (Veld.  59,  23.  60,  29) 

dö  ez  sumern  begnnde. 

die  vögele  in  dem  walde  (N.  63,  11) 

Inte  Wide  halde  (vgl.  D.  34,  5) 

sungen  manege  stimme. 

die  rösen  nnd  die  brimme 

hluoten  alle  loiderstrH  (vgl,  W,  114,27). 

ez  was  rehte  an  der  zit 

s6  man  unfreude  hazzet  (N.  14,  7  usw.). 

sich  hdte  gevazzet 

der  walt  nnde  schceniu  Ideit  (N.  5,  9) 

gegen  dem  swner  an  geleit  (CB  123^), 

diu  loup  grüene  und  drunder  gras  (CB  143*), 

daz  ez  schöne  gemuoset  was 

mit  maneger  hande  hlüele  (N.  23,  10). 

ditz  machet  guot  gemüete  (N.  21,35), 

swer  an  freude  hat  gedanc  (N.  24,  16), 

und  ouch  der  vögele  süezer  sanc  (D.  33,  16). 

Tristan  544  ff  (Bechstein): 

diu  senfte  süeze  sumerzU  (N.  32,  15) 

diu  hcEte  ir  süeze  unmüezekeit 

mit  süezem  fliz  an  si  geleit  (s.  u.). 

diu  kleinen  waltvogelin  (N.  6,  7), 

diu  des  ören  fröude  sulen  sin, 

bluomen,  gras,  loup  unde  bhiot  (CB  143^) 

und  sicaz  dem  ougen  sanfte  tuot 

und  edele  herze  erfröiiwen  sol  (N.  21,  36), 

des  loas  diu  snmerouioe  vol  (Cß  115^): 

man  vant  dd,  swaz  matt  walte, 

daz  der  meie  bringen  solle  (N.  10,27): 

den  schale  bi  der  sunnen  (N.  6,  5 — 18), 

die  linde  bi  dem  brunnen  (nach  I\v.  569 — 74?) 

die  senflen  linden  ivinde  .... 

die  Hehlen  bluomen  lacheten  (W.  45,  37) 

iiz  dem  betouwetem  grase  (N.  33,  36), 

des  meien  friunt,  der  grüene  wase, 

der  hcete  uz  bluomen  ane  geleit  (N.  18,  6) 

so  wunneclichiu  sumerkleit  (IN.  5,  8), 

daz  si  den  lieben  gesten 

in  ir  ougen  widerglesten  (Wolfr.  7,  17). 

diu  süeze  bonmbluot  sach  den  man 

so  rehte  suoze  lachende  an, 

daz  sich  daz  herze  und  al  der  mnol 

wider  an  die  lachende  bluot 


•212  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

mit  spihukn  ougen  machete  .  .  . 

daz  senfte  vogelgedoene  (N.  27,  3), 

daz  süeze,  daz  schoene  (IN.  22,3), 

daz  ören  iinde  muote 

vil  dicke  kumet  ze  gnote, 

daz  fnlte  da  berc  unde  tal  (N.  4,  32). 

diu  scßlige  nahtegal, 

daz  liebe  süeze  vogelin  (N.  23,  13), 

daz  iemer  süeze  müeze  shi, 

daz  kallete  ^iz  der  hlüete 

mit  solher  übermüete, 

daz  dd  manc  edele  herze  van  (N.  17,  5) 

frömle  unde  höhen  muot  gewan  (N.  21,  35). 

Schon  die  stelle  in  dem  älteren  gedieht  zeigt  beachtens- 
werte Umformungen,  ohne  sich  doch  weit  von  dem  volkstüm- 
lichen naturbild  zu  entfernen,  höchst  interessant  aber  ist  die 
naturbeschreibung  Gottfrieds,  ich  habe  das  lange  stück  ganz 
hergesetzt,  weil  es  das  gröste  mir  bekannte  prachtstück  mhd. 
frUhlingsschilderung  ist  und  weil  es ,  die  formende  band  des 
grofsen  künstlers  Gottfried  in  jeder  zeile  verratend ,  für  das 
üufserste  gelten  darf,  was  höfische  kunst  aus  dem  uralten  stolf 
zu  schaffen  vermochte,  denn  die  eigenart  des  dichters  des  Tristan 
wird  niemand  verkennen,  weder  in  dem  glatten  gefüge  überhaupt, 
noch  in  einzelheiten  wie  dem  achtmaligen  gebrauch  des  Wortes 
süeze,  in  den  antithetischen  Spielereien  wie  548  öre,  550  ouge, 
in  der  Spielerei  mit  lachen  568  ff  usw.  wie  bezeichnend  für  die 
höfische  dichtung,  wenn  der  mai  nur  edele  herzen  erfreuen  soll 
(551.  583),  und  wenn  sogar  die  nachtigall  das  epilheton  swlic  er- 
hält (578)!  minneformeln  werden  eingeschoben  (544  —  46,  vgl. 
Wilmanns  Leben  Walthers  s.  184  anm.  116  und  besonders  Wolfram 
Parz.  88, 16:  an  den  lac  der  gotes  ßiz)  und  höfische  reminiscenzen 
verwertet  (555 — 56).  und  bei  all  dem,  wie  wir  sehen,  die  alten 
formein  nur  in  neuer  umkleidung,  der  grüne  vvald  zum  eleganten 
park  zurechtgestutzt,  aber  doch  nur,  indem  die  alten  stamme 
versetzt,  äste  und  zweige  mit  der  scheere  in  kunstgerechte  formen 
gebracht  sind  'als  wärens  verse  Boileaus.'  eine  vvürkliche  neu- 
belebung  der  naturdichtung  war  von  den  höfischen  epikern  nicht 
zu  erwarten. 

Als  beispiele  höfischer  naturbeschreibung  nach  fremdem  muster 
vergleiche  man  zb.  Iwein  604  fi' (vgl.  Parz.  118,2411)  und  Parzival 
96,  1 1  ff.  — 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       213 

Aus    der  volkstümlicheD    didaclik   teile   ich   ciü    par   stellen 

mit,  die  die  formein  treu  bewahrt  zeigen: 

Kleinere  gedichte  des  Stricker  ed.  Hahn  iv  219: 

dö  was  der  walt  mit  lonbe  wol  behangen  (N.  29,  29). 

ebenda  xii  246  ff  eine  merkwürdige  stelle: 
si  er  frönt  daz  velt  noch  der  walt: 
si  enfrömcent  hluomen  noch  daz  gras  (N.  86,  34). 
daz  e  der  werlde  fröide  xcas, 
nnd  liehte  tage  nnde  lanc  (N.  13,  8) 
toeder  sumer  noch  vogelsanc  (Hartm.  216,  6). 

V.  246  ist  ein  wichtiges  Zeugnis  für  das  der  mhd.  dichtuug  so 
oft  abgesprochene  uaturgefühl.  deutlich  tritt  dies  uns  auch  aus 
den  allen  tierfabeln  entgegen;  sie  zeugen  von  lebhafter  naturan- 
schauung  und  kräftiger  darstellungskunsl  selbst  bei  alltäglichen 
Vorgängen  des  naturlebens;  ich  verweise  auf  folgende  stellen  in 
den  von  Pfeiffer  Zs.  7,  318  ff  herausgegebenen  Altdeutschen  bei- 
spielen:  m  1—25.  v  6.  vi  6—13.  vii  5 — 7.  viii4— 12.  xxv  1— 5. 
XXVI  1 — 5.  xLi  1  — 15.  daneben  fehlen  auch  hier  nicht  wider- 
holungen  der  alten  formein: 

VII 11  diu  linde  diu  loas  breit  (IN,  18,  10) 
und  besonders  der  natureingang  i  1  ff: 

Ich  kom  in  eines  meien  zit  (vgl.  Veld.  59,  23) 

so  diu  wise  grüene  Ul  (CB  104^) 

mit  bluomen  umbevangen  (IV.  26,  27) 

nf  eine  heide  gegangen  (CB  14r) 

diu  was  von  bluomen  wol  gevar  (N.  14,20); 
ebenso  in  Der  wolf  und  die  gänse  (BF  315)  v.  716 

wünneclichen  entsprungen  was  (W.  94,  12) 

dar  under  bluomen  nnde  kle  (CB  123^)  usw. 

beachtenswert  ist  das  naturbild  in  einem  Helblingsgedicht,  vii  17tf, 
das  ganz  formelhaft  anhebt: 

swaz  man  in  velde  schouwet 

so  daz  der  meie  betouwet 

wise  anger  heide  nnde  walt, 
den    spielmannsmäfsigen    zug   der  häufung  aber,    den  schon  der 
letzte  vers  zeigt,  in  v,  22  bis  zu  dem  durchaus  unvolkstümlichen 
rösen  bluomen  vial  treibt.  — 

Nachdem  der  deutsche  character  jener  verse  durch  diese 
betrachtuug  der  deutschen  natureingänge  wol  genügend  erhärtet 
ist,  bleibt  uns  noch  übrig  zu  zeigen,  wie  sehr  auch  die  vaganten- 


214       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEÜCHEN 

dichtung  im  naturbild  von  der  deutschen  abweicht,  dass  die 
deutschen  Strophen  der  CB  der  ältesten  deutschen  lyrik  und  ihrem 
fortsetzer  Neidhart  sehr  nahe  kommen,  liat  schon  Burdach  (aao. 
s.  161)  bemerkt  und  auch  schon  verse  der  CB  und  Neidharts 
neben  einander  gesteUt.  halte  aber  nicht  etwa  die  dichtung  der 
fahrenden  den  deutscheu  natureingang  aufgenommen,  sodass  diese 
Übereinstimmung  gegen  den  Ursprung  in  vagantenkreisen  nicht 
beweisen  könnte?  das  ist  leicht  zu  widerlegen;  die  dichtung  der 
fahrenden  hat  gerade  wie  jede  andere  poesie  eine  ihr  eigentüm- 
liche naturbeschreibung  herausgebildet,  ich  begnüge  mich  damit, 
auf  einige  characteristische  beispiele  hinzuweisen:  41,2.  46,2. 
52,  2—3.  54,  2—4.  55,  1  f.  65,  1.  6.  60.  98,  1  f.  103,  1  f;  als 
der  wichtigste  unterschied  ist  hervorzuheben  dass  die  Lateiner 
hier  breit  und  prunkhaft  malen,  die  Deutschen  kurz  und  streng 
skizzieren;  characteristisch  ist  namentlich  die  behandlung  des 
Vogelgesanges,  worauf  aber  hier  nicht  eingegangen  werden  kann, 
eins  aber  ist  gerade  für  unsere  Strophengruppe  wichtig:  fast  aus- 
nahmslos pflegen  die  vaganten  mit  ihrer  Vorliebe  für  das  bunte 
die  blumenpracht  des  frühlings  durch  flore  vario ,  diversis  flo- 
ribus  udgl.  widerzugeben;  so  qnovis  ßore  pktnrata  52,2,1,  co~ 
lores  per  imdtiplices  55,4,2  (zeile  2  und  3  umzustellen),  picto 
teiY^  gremio  vario  colore  65,  1,  4,  flore  vario  101,  4,  multos  co- 
lores  103,  3,  cum  variis  coloribus  103,4,  per  multos  colores  105,  1, 
tellus  picta  flore  116,2;  besonders  reiche  stellen:  pro  diversis 
floribus  variat  colores,  variis  coloribus  prata  dant  odores  102,  2, 
vario  colore  108,3,  flore  vario  109, 1,  nitent  albent  rnbent  candent 
veris  ritus  iura  pandent  ortu  vario  114, 1  (man  beachte  dass  gerade 
die  volkstümlichste  deutsche  farbenangabe:  grün,  fehlt),  mul- 
titudo  florum  et  color  colorum  118,  1.  umgekehrt  pflegen  die 
deutschen  dichter  entweder  von  der  grünen  färbe  des  frühlings 
zu  reden,  oder,  wenn  sie  die  blumenpracht  hervorheben,  nur 
bluomen  röt  oder  schlechtweg  die  rose  zu  sagen ;  so  bluomen 
rot  M.  14,  1,  die  rösebluomen  D.  34,  8,  die  rösen  Veld.  60,  29, 
bluomen  röt  R.  183,  34,  bei  Neidhart  rösen  14,  23.  18,  6. 
24,  19.  25,  26.  26,  26;  ausnahmen  mit  farbenhäufung  bieten 
Johansdorf  90,  32,  Walther  75,  25,  Neidhart  34,  9.  hier  nun 
haben  wir  100,  1  flore  pnrpnreo  nach  deutscher  art,  liem  bluomen 
röt  100"  vergleichbar,  und  wie  wir  es  oben  in  durchaus  ana- 
loger weise  bei  der  tilia  fanden,    ist   die   ersetzung   der  färben- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       215 

angäbe  'bunt'  durcb  'rol'  in  lat.  Strophen  fast  nie  die  einzige 
hindeutung  auf  beziehung  zn  deutschen  gedichten.  wir  haben 
34,  2  locus  purpnratns  —  aber  in  demselben  gedieht  34,  1  tilia, 
106,  l  pnrpuratum  ßoret  pralum  in  einem  von  einer  Strophe 
Reinmars  gefolgten  lat.  gedieht,  gegen  dessen  ursprünglichkeit 
seine  formelhaftigkeit  besonders  in  dieser  ersten  Strophe  spricht 
(namentlich  gratum  et  optatum,  ebenso  45,1.  118,  1.  vgl.  auch 
in  unserer  str.  100,  1  ver  optatum ;  nunc  recedit  hyemis  saevttia 
106,  1  mit  hiems  saeva  cessit  107,  2  schon  oben  zusammengestellt, 
vgl.  hiems  saeva  transiit  118,  1);  tellus  purpurata  118,  2  in 
einem  gedieht,  von  dem  dasselbe  gilt  (ver  optatum :  gratum  s.  oben ; 
Hiems  saeva  transiit  ebenso;  Nivei  candoris  rosei  ruboris  s.  o.; 
scintilla :  cor  fit  favilla  nach  137,3  ua.),  das  ferner  in  ar bor  in- 
vestitur  (wie  str.  2  gewis  statt  ardor  investilur  zu  lesen  ist)  die 
nachbildung  einer  113,  2  noch  breiter  nachgeahmten  deutsch  so 
häufigen  als  lat.  seltenen  formel  enthält,  endlich  aber  ist  an 
dieser  stelle  das  characteristische  der  einzelerwähnung  der  roten 
färbe  durch  die  schon  citierten  angaben  multitudo  ftorum  et  color 
colorum  aufgehoben ;  dasselbe  gilt  von  der  bezeichnenden  misch- 
stelle 47,  4  picto  redit  gremio  tellus  purpurata.  beide  gedichte, 
47  und  118,  sind  wol  sicher  von  deutschen  fahrenden  verfasst, 
wofür  118,3  noch  der  vers  0  quam  crines  flavi  spricht,  einzig 
46,  1  haben  wir  dieselben  formelhaften  reime  purpurato :  floret 
prato  ohne  sonst  eine  andeutung  auf  kenntuis  und  benutzung 
deutscher  lieder;  46,  2  ist  sogar  ein  characteristisches  beispiel 
undeutscher  naturbeschreibung.  —  machen  wir  die  gegenprobe, 
so  finden  wir  in  lat.  art  manichvalt  101^  102'.  104%  aller  slahte 
vögele  schal  123*  —  alles  in  späteren  Strophen,  gegen  deren 
ursprünglichkeit  bei  den  drei  ersten  die  Verbindung  von  reim- 
häufung  und  überschlagendem  reim ,  bei  der  letzten  die  wirre 
Unordnung  des  natureingangs  zeugen,  ähnliche  fälle  haben  wir 
bei  den  minuesingern  so  selten  wie  farbenhäufung:  in  MF  fand 
ich  nicht  eine  einzige  stelle  derart,  bei  Walther  eine:  Wie  wol 
der  heide  ir  manicvaltiu  varwe  stdt  64,  13,  bei  Neidhart  nur  die 
wie  34,  9  für  sein  alter  characteristische  stelle  komen  sint  die 
bluomen  manger  hande  leie  N.  32, 13,  denn  Des  meien  zil  bringet . . . 
bluomen  vil  N,  10,  28  kann  nicht  hierher  gezogen  werden.  —  man 
sieht  dass  die  anwendung  dieser  lat.  formein  in  deutschen,  dieser 
deutschen  formein  in  lat,  Strophen  allemal  für  unursprünglichkeit 


216       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

miudesteus  ein  beachtenswertes  anzeichen  bieten,  unwahrschein- 
lich ist  es  dagegen  dass  in  stellen  wie  vil  der  schcenen  bluomen 
107%  mit  menigen  bluomen  115''  einwürkung  der  lat.  formel  zu 
sehen  wäre,  da  diese  ausdrücke  gerade  wie  N.  10,28  das  bunte, 
manigfallige  nicht  hervorheben,  das  die  parallelstellen  der  va- 
ganlenlieder  auszeichnet. 

Hier  in  dem  gedieht  Cß  100  also,  wo  zu  so  vielen  anderen 
anklängen  an  deutsche  verse  dieser  noch  hinzutritt,  dürfen  wir 
wol  bestimmt  deutsche  Vorbilder  annehmen.  100^  kann  wegen 
des  verschiedenen  inhalls  nicht  selbst  das  muster  sein ,  auch 
wegen  von  bluomen  rot  —  flore  pnrpureo  nicht  etwa  eine  andere 
Strophe  desselben  liedes;  zudem  ist  es,  wie  wir  wahrscheinlich 
zu  machen  suchten ,  überhaupt  selbst  Umgestaltung  eines  älteren 
liedchens,  welches  wir  uns  N.  29,  27 — 34  ähnlich  vorzustellen 
haben,  so  halten  wir  hier  wider  einen  fall,  der  mir  nur  durch 
meine  auffassung  dieser  stücke  erklärHch  scheint:  ein  deutscher 
fahrender  sammelt  Strophen,  die  er  zu  derselben  melodie  singen 
kann,  dichtet  sie  im  notfall  selbst,  und  hat  hier  deutsche  tanz- 
liedchen erst  lateinisch,  dann  deutsch  umgearbeitet,  bis  sie  seiner 
weise  untergelegt  werden  konnten. 

115^  scheint  wider  die  sache  weniger  verwickelt,  gegen 
die  ursprünglichkeit  der  deutschen  Strophe  spricht  nichts;  auch 
Martin  hat  keinen  grund  geltend  gemacht,  der  dies  stück  träfe, 
dass  mit  menigen  bluomen  so  wenig  als  zb.  des  ist  vil  manic 
vogel  bilde  Veld.  66,  2  oder  das  sehr  häufige  des  vil  manic  herze 
ist  frö  Riet.  19,8.  D.  33,21.  N.  17,5  usw.  aus  der  deutschen 
art  des  naturbildes  herausfalle,  wurde  bereits  bemerkt,  deutlich 
volkstümlichen  character  zeigt  der  schlussvers:  das  mitgefiihl  mit 
freude  und  leid  der  vögel  in  sommer  und  winter  liegt  den  hütischen 
dichtem  fern,  wol  aber  drücken  es  dichter  aus,  die  der  volkspoesie 
nahe  stehen:  Veld.  66,2.  W.  114,23.  A".  5,29.  17,6.  19,18.  22,6. 
28, 4.  Pseudo-VVaither  xv  1  (eine  gute  nachahmung  Neidharts).  vgl. 
Lhland  Sehr,  ni  106.  vl31.  ßurdach  s.  170.  die  form  ist  äufscrst 
einfach ;  wir  hätten  das  lied  gleich  mit  107\  136M4r  den  gcdichtcn 
in  einfachen  reimparen  zugewiesen,  hätte  das  nicht  wegen  der 
überschlagenden  reime  115,  1.4  unmethodisch  scheinen  können, 
so  lange  die  priorität  des  deutschen  Stückes  nicht  erwiesen  isi. 
aber  diese  ist  nun  zu  erweisen.  115,  1  ist  deutlich  eine  Über- 
setzung  von  115\     auf  den  falschen  accent  des  refrains  lenkte 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSUEOCIIEN  217 

schon  Martin  die  aufmeiksamkeit;  derselbe  allein  macht  nachbil- 
dung  des  gut  gebauten  deutschen  gedichts  wahrscheinlich,  wie 
die  ausdrücke  der  strophe  115,  1  mit  denen  der  unse'bständigen 
107,  1  übereinstimmen,  wurde  bereits  nachgewiesen;  ornantnr 
prata  floribns  ist  ein  germanismus  =  diu  heide  hat  gezieret  sich, 
genauer  einem  medialen  praesens  'sie  schmückt  sich',  wie  der 
vers  wie  wol  er  slniu  grüeniu  kleider  an  sich  strichet  N.  19,  8  das 
praesens,  der  vers  CB  115^  selbst  das  medium  zeigt,  entsprechend, 
endlich  ist  der  deutsch  gewandt,  lateinisch  mit  praeteritis  tem- 
poribus  schwerfällig  ausgedrückte  gedanke  'der  sommer  ist  so 
schön  wie  nie  zuvor'  in  den  lat.  sommereingängen  kein  zweites 
mal  zu  belegen ;  Neidhart  dagegen  hat  das  widerholt  (vgl.  Tischer 
s.  23):  10,  22.  13,  8 f.  22,  38.  24,  17  und  mit  besonderem  uach- 
druck  28,  37  f  (vgl.  auch  Burdach  s.  161  u.).  und  zum  schluss 
ist  noch  die  unbeholfene  widerholung  canunt  —  canendo  gairiunt 
beweisend. 

Hier  also  liegt  einmal  rein  ein  einfachstes  altertümliches 
volksliedchen  vor:  formein  zu  einer  einheitlichen  frühlingsstrophe 
vereinigt,  das  übersetzt  der  vagant  und  dichtet  drei  Strophen  in 
eigener  art  auf  denselben  ton  hinzu,  wo  es  gut  geht  durchreimend, 
Str.  2.  3  ohne  diesen  schmuck,  doch  wäre  möglich  dass  diese 
beiden  Strophen  spätere  Interpolationen  wären,  oder  gleichzeitige 
Strophen  gleicher  melodie ,  die  der  Sammler  zuschrieb  und  die 
wie  108,  2.3  an  die  falsche  stelle  kamen:  4  ist  wie  1  formel- 
haft (zu  Zeile  1.2  wurde  schon  107,2  verglichen;  ludere  cum 
virginibns  oft,  so  37,6.  103,4;  zu  3—4  vgl.  59  refl.,  79,  3  uä.), 
2  und  3  enthalten  seltenere  mythologische  anspielungen  in  bunter 
mischuug. 

142*  gewährt  keine  gleiche  Sicherheit,  aber  auch  hier  macht 
das  deutsche  gedieht  mir  einen  echt  volkstümlichen  eindruck; 
auch  hier  die  sorgen  dervögel,  daneben  ein  ganz  eigentümlicher 
zug,  der  für  die  merkwürdige  Starrheit  der  deutschen  formein 
in  hohem  grade  characteristisch  ist:  da  von  stdt  val  der  grüene 
chle  mit  der  ganz  unpassenden  Verwendung  des  epithetous  grüene 
für  den  abgeblühten  klee  gerade  wie  N.  86,  36  ist  diu  grüene 
heide  val,  ähnlich  wie  N.  18,4  Schön  als  ein  golt  gruonet  der 
hagen.  doch  immerhin  könnte  hier  der  nachdichter  wider  volks- 
tümliche formein  benutzt  haben,  auch  die  von  Martin  (s.  62)  ge- 
rügte Ungeschicklichkeit  des  zweiten  verses  ist,  wenn  selbst  keine 
Z.  F.  D.  A.    XXiX.    N.  F.  XVII.  15 


218       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Verderbnis  vorliegt,  weder  für  ursprünglichkeit  nocli  für  nach- 
ahmiing  beweisend,  aber  das  lat.  gedieht  mit  all  seineu  reim- 
künsten,  dem  durchgehenden  reim  au  zweiter,  dem  gleitenden 
reim  an  erster  stelle ,  den  mehrmaligen  angelehnten  reimen ,  den 
vielen  Wortspielen  (^  Fenem —  Venerem,  miro  Marte,  cura  curatus, 
arceas  arte ,  laude  1 ,  laudes  3,  laudis  4),  —  macht  es  nicht  eher 
den  eindruck  eines  überkünstlichen  Übungsstücks  in  einem  be- 
stimmten ton  als  einer  origiualdichlung?  hat  die  Inhaltslosigkeit 
dieses  kaum  verständlichen  kunstproducts  so  viel  analogien  unter 
den  lat.  gedichten  wie  die  formelhafte  einfachheit  des  deutschen 
unter  den  ältesten  deutschen  liedern?  die  ähnlichkeit  von  Sed 
respondes  nierito  142,  4  mit  mihi  respondet  merito  des  folgenden 
gedichts  143,  2  bringe  ich  nicht  in  anschlag,  weil  eullehnung 
bei  letzterem  wahrscheinlicher  ist.  — 

Von  den  deutschen  Strophen,  bei  denen  schon  die  reim- 
häufung  für  uuursprünglichkeit  mindestens  in  ihrer  jetzigen  ge- 
stalt,  wie  ich  glaube,  beweisend  ist,  scheinen  mir  die  beiden 
ersten,  98'  und  103%  zusammenzugehören,  in  der  ersteren  ist 
die  häufüug  loup  iinde  bluomen,  ekle  wol  getan  die  untrügliche 
fabrikmarke  eines  kunstlosen  fahrenden,  das  lat.  gedieht  mit 
seiner  dort  ganz  anders  geschickt  geordneten  worthäufung  und 
der  hier  leicht  gelungenen  durchreimung  aller  Strophen ,  wenigen 
formein ,  vielen  characteristischen  ausdrücken  (elegans  acies,  Plia- 
dum  f acies,  amor  aureus,  picta  volucrum  series)  macht  einen 
durchaus  originellen  eindruck.  den  immerhin  auffallenden  aus- 
druck  brumalis  feritas  98,  1  (statt  hiemis  saevitia)  teilt  nur  dies 
lied  mit  dem  ganz  gleichartigen  103,1  (brumalis  saevitia  95,  1, 
hiemis  saevitia  109,1;  bruma  öfter:  32,1.  42,2.  105,2.  113,  Ij: 
98  und  103  könnten  denselben  Verfasser  haben,  aber  der  autor 
von  103  war  ein  Deutscher,  ist  nämlich  103,  4  nicht  interpoliert, 
was  die  widerholung  des  schon  103,  2  gebrachten  vogelsangs  in 
lat.  liedern  nicht  mit  gleicher  bestimmtheit  wie  in  deutschen  ver- 
muten lässt,  so  hat  der  dichter  hier  eine  ältere  lat.  Strophe  ein- 
gearbeitet, wie  wir  dies  schon  107  und  108  beobachteten:  103,4 
ist  eine  Umformung  von  37,6,  1 — 5;  dass  eine  ganze  Strophe 
zu  einem  strophenteil  umgedichtet  wird,  ist  weniger  wahrschein- 
lich als  das  umgekehrte  und  somit  die  priorilät  von  37,  6  an- 
zunehmen, der  bearbciter  hat  aber  die  erste  zeile  mit  anlehnung 
an  die  formeln  des  deutschen  natureingangs  umgeformt,    deutsche 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       219 

fahrende,  meinte  Burdach  gewis  mit  recht,  mögen  öfters  die 
deutsche  und  die  lateinische  Strophe  verfasst  haben;  so  glauben 
wir  auch  hier  unsere  hypothese  anwendbar,  denn  103^  zerfällt 
deutlich  in  drei  auch  durch  grofse  initialen  ausgezeichnete  teile: 
Nu — getan  ein  frühlingsbild,  Tanzen — balle  aufforderung  zu  tanz 
und  spiel.  Min  —  gevalle  frauendieust.  alles  unvermittelt  neben 
einander.  103*  ist  also  sicher  kein  deutsches  originalstück,  die 
vier  ersten  zeilen  nun  zeigen  in  häufung  denselben  reim  wie  98^ 
der  anfang  ist  in  deutschen  liedern  als  solcher  nahezu  unerhört; 
er  setzt  einen  frühlingseingang  voraus  und  dem  von  98'  würde 
sich  das  Nu  von  103'  trefflich  anschliefsen;  nur  sind  hluomen 
und  heide  widerholt,  wenn  nun  der  dichter  die  nachdichtung 
von  98  hätte  fortsetzen  wollen  —  98, 2  ist  auch  noch  der  natur- 
beschreibung  gewidmet,  wie  der  anfang  von  103'  — ,  dies  dann 
aber  aufgegeben  und  die  weiteren  verse  nach  dem  bau  seines 
gedichts  103  umgemodelt  hätte?  —  die  nächsten  vier  zeilen  sind 
ein  einfaches  tanzliedchen  ,  dem  pseudoreinmarischen  204,  8 — 14 
vergleichbar,  dem  mann ,  der  9S'  tautologische  formein  in  einer 
art  häufte,  für  die  das  Volkslied  allerdings  keine  analogie  bietet, 
ist  auch  zuzutrauen  dass  er  aus  einer  weiteren  derartigen  formel- 
mischung,  einem  tanzliedchen  und  zwei  einzelnen  minneformeln 
eine  nachbildung  zusammenflickte,  eine  solche  liegt  auf  jeden 
fall  vor,  und  sie  hat  an   139'  eine  genaue  analogie. 

Dies  gedieht,  139',  ebenfalls  mit  reimhäufung  und  zwar  des- 
selben reims  (-an),  zerfällt  wider  in  drei  teile,  von  denen  zwei  auch 
durch  grofse  anfangsbuchstaben  markiert  sind,  das  erste  reimpar 
ist  der  eingang  eines  tanzlieds,  das  anschluss  au  das  volks- 
tümliche frühlingslied  in  dem  ausdruck  den  sumer  grüezen  verrät; 
die  letzten  sechs  zeilen  sind  ein  vollständiges  kleines  tanzliedchen: 
naturbild  —  bezeichnung  des  tanzplatzes  —  aufforderung  zum  tanz; 
den  volkstümlichen  character  beweist  hier  wider  die  formel  die 
sumerzit  enphdhen  sowie  die  gleichsetzung  von  Vorsänger  und 
vortänzer.  zwischen  beiden  stücken  findet  sich  der  einzige  vers, 
zu  dem  unsere  formelsammlungen  kein  analogon  liefern,  wir 
dürfen  unbedenklich  annehmen  dass  hier  zwei  deutsche  Strophen 
zu  einer  entsprechung  des  lat.  gedichts  verarbeitet  sind,  denn 
dies  mit  seinen  gehäuften  wortspielereien  und  dem  rhetorischen 
aufputz,  der  revocatio  am  ende,  wie  wir  sie  bei  strenghöfischen 
dichtem  zuweilen  treffen  (namentlich  Horheim  113, 1;  s.  Burdach 

15* 


220  ALTE  DEUTSCHE  VOLlvSLlEDCHEN 

71  f),  ganz  formellos,  wird  wol  ein  ursprüngliches  vagantenlied 
sein,  das  deutsche  stück  hat  mit  diesem  der  naturschilderung 
ganz  entbehrenden  gedieht  inhalthch  nichts  gemein,  es  wird 
also  dem  Verfasser  der  deutschen  nachbildung  wider  nur  auf  die 
form  angekommen  sein,  gerade  diese  liedchen  zu  vereinigen  bewog 
ihn  wol  der  gleiche  reim;  nachher  muste  er  noch  die  reimgleich- 
heit  mindern,  denn  ursprünglich  reimte  wol  auf  stdn  :  enphdn  und 
gdhen  war  waise;  so  ist  in  dem  einfachen  liedchen  auch  einfache 
reimstellung  hergestellt,  für  benutzung  fertiger  lieder  spricht  noch 
die  von  der  vorläge  abweichende  cäsur  nach  deutscher  art:  wer 
frei  nachbildete,  hätte  wol  auch  dies  nachgeformt. 

126^  ist  gewis  die  nachahmung  des  characteristischen  lat. 
liebesliedes ;  die  schlusszeile  passt  nicht ,  noch  weniger  der  minne 
wil  mich  twingen  nach  dem  vorhergehenden  vers.  nichts  deutet 
an  dass  die  deutschen  formein  schon  vor  dem  nachahmer  von 
126  jemand  gerade  so  zusammengefügt  habe. 

133^  ist  von  einem  fahrenden  verfasst  und  zwar  nach  dem  lat. 
muster ;  der  vers  rösen  lilien  si  nns  git  mit  der  unglücklichen  nach- 
bildung einer  lat.  formel  (35,16.40,5.  65,58.  103,4.  126,3  uö.) 
ist  beweis  genug,  die  schlusszeile  bringt  eine  formel  der  natur- 
beschreibung  an  unmöglicher  stelle,  weil  der  durchgehende  reim 
der  lat.  Strophen  1.  2  (und  vielleicht  4,  wo  caminoivino  wol  stumpf 
reimen  s.  Burdach  s.  160u.;  doch  stimmt  die  reimordnung  nicht 
genau)  widergegeben  werden  sollte,  was  weiter  die  widerholung  des 
ersten  verses    und  ein  flickwort  im  dritten    zu    stände  brachten. 

Dasselbe  gilt  von  der  ungleich  besseren  Strophe  143%  bei  der 
vers  3  entscheidet,  133%  4  sehr  ähnlich,  aber  das  lat.  gedieht  ist 
auch  von  einem  deutschen  fahrenden,  wie  der  germanismus  quam 
super  omnes  eligo  =  die  ich  hdn  erweit  vor  allen  wiben  beweist,  es 
fehlt  nicht  an  formein  (militetis  Yeneri  143,  1  vgl.  zu  107,  3, 
mihi  respondet  merito  vgl.  zu  142,4;  str.  4  gelehrte  anspielung;  fac 
mori  vel  fac  vivere  143,  5  vgl.  me  mori  vel  me  vivere  43,  4. 
diesem  letzleren  gedieht  CB  43  ist  auch  str.  1  inhaltlich  nach- 
gebildet: 43,  1  prae  puellis  ut  sol  stellis  sie  praelucet.  auch  das 
zweimalige  quam  diligo  1.  2  erinnert  an  propter  puellam  quam  di- 
ligo  51,  1).  und  so  könnte  hier  wider  der  fahrende  für  dieselbe 
melodie  lateinische  und  deutsche  Strophen  gedichtet  haben. 

166'  ist  eine  Übersetzung  von  166,  1;  auch  das  von  Martin 
als  beweis  für  wahrscheinlich  nicht  ritterlichen  stand  des  dichters 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       221 

ljervorgeiii/\.»«o  Edilm  vrowe  gibt  nur  Nobilis  wider  (vgl.  145,  1), 
wobei  der  Übersetzer  virtv.;.h,  Ar^fr/^js  mea  las.  das  lat.  gedicbt 
enthält  viele  anklänge  gerade  auch  au  iöö»  hqJ  143*-  der  autor 
mag  in  der  tat  derselbe  sein  und  166  wie  166*  vun  a..„i  |)jjf_ 
steiler  des  liederbuchs  stammen.  — 

Wie  die  gedichte  mit  gehäuftem  parigem  reim  sind  die  mit 
gehäuftem  überschlagendem  reim  sicher  nachbilduugen. 

99*  ist  ein  geradezu  unsinniges  gemisch  von  formelu.  gleich 
der  anfang:  wer  braucht  sich  nach  einem  tag  zu  sehnen,  an  dem 
er  etwas  wünschen  dürfte!  die  letzte  zeile,  die  klippe,  an  der 
die  nachdichter  zumeist  scheitern ,  ist  überflüssig,  das  lat.  lied 
ist  vorzüglich;  der  leichte  hüpfende  gang  erinnert  mehr  an  133. 
143.  166  als  an  98.  103,  aber  an  Originalität  und  frische  über- 
trilft  dies  gedieht  sie  alle. 

lOP  und  102%  recht  gute  Strophen,  sind  durch  ihr  manich- 
valt  höchst  verdächtig,  die  lat.  gedichte  halten  sich  durchaus  in 
dem  ton  der  echten  vaganlenpoesie,  zeigen  kaum  eine  reminiscenz 
oder  formel  und  sind  inhaltlich  wie  formell  treulich;  auf  einen 
deutschen  Verfasser  könnte  102,  1  dkat  ei  vale  deuten,  doch  be- 
rechtigt nichts,  101  und  102  in  engere  beziehung  zu  bringen; 
wol  aber  sehen  lOP  und  102*  sich  sehr  ähnlich:  wie  98*  und 
103*  derselbe  durchgehende  reim;  beide  mal  die  verjüngende 
kraft  des  mais  hervorgehoben,  denselben  reim  zeigt  104*,  wider 
mit  maniciwalt  und  namentlich  102*  sehr  ähnlich,  das  lat.  ge- 
dieht 104  besteht,  wie  Martin  sah,  aus  zwei  verschiedenartigen 
teilen:  str.  1  und  2  sind  anders  gebaut  wie  3.  4,  5;  die  deutsche 
Strophe  stimmt  zu  den  letzteren ,  aber  ohne  reimhäufung  im  auf- 
gesang;  vielmehr  schiebt  sie  das  eine  der  beiden  gleichen  reim- 
pare  in  den  abgesang.  104,  3  erinnert  stark  an  63,  3  und  so 
sind  104,3  —  5  wol  der  schluss  einer  lat.  pastourelle.  diese  hätte 
dann  der  Verfasser  von  101*  und  102*,  bequem  sich  nochmals  der- 
gleichen reime  bedienend ,  benutzt,  demselben  autor  darf  mau 
das  wider  102*  über  die  formelgemeinschaft  hinaus  ähnliche  123* 
zuschreiben,  das  an  104*  noch  durch  des  $uln  wir  nu  weseu 
halt  —  wesent  palt  erinnert,  das  lat.  original  ist  durchaus  im 
ton  der  echten  vaganlenpoesie  gehalten,  die  vier  stücke:  101*. 
102*.  104*.  123*  bilden  dann  also  eine  engere  gruppe  von  uach- 
ahmuugen  echt  lateinischer  gedichte  durch   denselben  fahrenden. 

Eine  zweite  derartige  gruppe,  beider  die  gemeinschaft  aber 


222       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

in  die  lat.  Vorbilder  hineiüzureichen  scheint,  bilf'""  ^'*^  letzten 
hierher  gehörigen  Strophen:  1  HM  le».  iz4\  132\  116'  und  124* 
scheinen  wider  nar»^^-^-'^"o*^n  mit  benutzung  derselben  reime  und 
form-i",  uie  jedoch  hier  nicht  wie  bei  lOr.  102<\  104\  123* 
aus  demselben  ursprünglichen  deutschen  liedchen  ausgebrochen 
sein  könnten,  weil  das  gemeinsame  erwähnen  der  geschosse  der 
Venus  diese  annähme  verbietet,  und  IIT,  diese  unzweifelhafte 
nachahmuüg,  mag  ihre  zweite  hälfte  wol  aus  Venus  wil  mich 
schiezen  124*  entnommen  haben,  die  lat.  gedichte  haben  die 
nennung  der  Venus  gemein,  111  und  116  bringen  auch  den 
Cupido;  in  der  nachahmung  ist  116*  Venus  geschwunden,  das 
schiezen  aber  in  ungeschickter  weise  (Martin  s.  62)  beibehalten, 
wenn  nun  umgekehrt  132*  vrö  Vmus  erscheint,  die  132  fehlt, 
so  spricht  das  eben  dafür,  dass  der  nachbildner  von  111.  116. 
124  auch  132*  seiner  Sammlung  zutrug,  die  vier  lat.  gedichte 
haben  benutzung  von  formein  besonders  im  natureingang  gemein; 
111  und  116  noch  Vorliebe  für  gesuchte  worte:  111,  2  iuvamen, 
111,3  domicellas,^  116,  3  pharetratus  (in  116''  erläutert),  reluctatus, 
116,  4  cinamum:  der  Scolaris  von  124,  4  —  5  könnte  wol  alle 
drei  gedichtet  haben.  — 

Wir  haben  damit  die  betrachtung  der  volkstümlich  gehaltenen 
deutschen  Strophen  der  CB  zu  ende  geführt,  in  stücken  wie 
135*  und  144*  wird  niemand  alte  deutsche  Volkslieder  erbalten 
oder  verarbeitet  sehen  wollen  und  somit  wäre  füi*  unser  thema 
gleichgiltig,  ob  sie  jünger  oder  älter  sind  als  ihre  lat.  Vorbilder, 
denn  allerdings  ist  noch  nicht  gesagt  dass  alle  höfisch  gehaltenen 
Strophen  unserer  Sammlung  später  als  ihre  lat.  enlsprechuugen 
entstanden  wären,  so  haben  105.  106.  110  die  Zusammenstellung 
von  Venus  und  Paris  gemein,  die  durchaus  nicht  häufig  ist;  alle 
sind  formelreich;  und  dass  106,  1  dem  deutschen  nachgebildet 
ist,  suchte  ich  schon  zu  beweisen,  derselbe  bewunderer  höfi- 
scher art,  der  106.  110  zwei  Strophen  Reinmars  nachbildete, 
könnte  auch  105,  eine  pastourelle  wol  nach  französischem  muster, 
nachgeahmt  haben,  und  ähnlich  steht  es  vielleicht  mit  125  und 
125*.  mit  dem  einfachen  deutschen  liedchen,  zu  dem  CB  146 
zu  vergleichen,  haben  Scherer  (Anz.  i  202)  und  Martin  (s.  66) 
Walthers  entzückendes  lied  39,  11  gewis  mit  recht  verglichen. 
aber   bei  der  Verschiedenheit,   die   beide   deutsche  gedichte  doch 

^  domicclla  ist  ein  galücismus  nach  Voigt  QF  xxv  31. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEÜCHEN       223 

zeigen,  möchte  ich  mit  Burdach  (s.  165)  in  CB  125"  nicht  Wal- 
thers directe  vorläge  sehen ,  sondern  in  beiden  liedern  die  nach- 
ahmung  einer  altfranzüsischen  pastourelle.  Herder  teilt  (Sämmti. 
werke  vii  207)  ein  volkstümHches  französisches  lied  mit,  in  dem 
die  verse  du  liebes  gras 

Verrate  nicht,  wer  auf  dir  safsl 
gut  zu  Walthers  versen  stimmen: 

hi  den  rösen  er  wol  mac 

merken  lod  mirz  houbet  lac. 

dass  der  ret'rain  zu  dem  deutschen  stück  besser  passt  als  zu 
dem  lateinischen,  ist  klar;  auch  hier  wäre  also  eine  selbst  auf 
fremdem  Ursprung  ruhende  deutsche  pastourelle  lat.  nachgebildet 
worden,  wie  die  vaganten  sonst  widerholt  französische  pastourellen 
direct  nachdichten:  CB  45.  52.  56.  63.  119  (letzteres  gedieht  der 
pastourelle  14  bei  Bartsch  nahestehend:  CB  119,6,  5 — 6  =  Bartsch 
123,  23 — 24),  und  in  dem  mischgedicht  145  ein  deutsches  lied- 
chen und  eine  französische  pastourelle  verarbeitet  zu  haben 
scheinen  (der  warf  si  verre  in  einen  16  Übersetzung  von  Vai  sor 
Verbe  getee  udgl.  bei  Bartsch  107,  50.  113,  7.  118,51.  vgl. 
110,  33  f.  114,37.  129,38.  192,  33  usw.).  eine  nachahmung 
deutscher  Martinslieder  scheint  92,  wie  schon  Martin  bemerkte; 
auf  den  liebesgrufs  82,  3  wurde  bereits  hingewiesen ,  und  so  ist 
gewis  mit  den  von  uns  besprochenen  fällen  die  summe  der  nach- 
bildungen  deutscher  liedchen  in  den  lat.  gedichten  der  CB,  selbst 
denen  ohne  erhaltene  deutsche  entsprechung,  nicht  erschöpft;  ger- 
manismen  wie  die  schon  angeführte  deutsche  frühlingsformel  113,2 
zu  einer  Strophe  Morungens,  wie  die  deutsch  so  beliebte  aufzählung 
unmöglicher  fristen  168,  10 — 11  (wo  auch  sciat  deus  4  wie  in  der 
pastourelle  119,  4  die  deutsche  beteuerungsformel  widergeben 
könnte)  beweisen  mindestens  einfluss  der  deutschen  dichtung;  das- 
selbe gilt  von  54,  4,  der  kurzen  scizzierung  eines  sonst  nachge- 
formten altenliedes  in  Neidhartischer  art  usw.  in  anderen  fällen 
freilich  beruht  die  Übereinstimmung  von  lateinischen  und  deutschen 
liedern  auf  der  gemeinsamen  ausuutzung  des  allgemeinen  formel- 
schatzes  der  mittelalterlichen  minnepoesie,  dessen  stücke  überall 
sich  finden  und  niemand  weifs  wo  zuerst  (vgl.  Mätzner  Altfrz.  lieder 
s.n);  so  der  singende  schwanCB  154, 1.167,  1  vgl.  MF  s.  287  (schon 
vor  Wackernagels  dort  citierter  schrift  von  Diez  Poesie  der  troub. 
s.  235  mit  pro v.,  französischen,  italienischen  beispielen  begleitet), 


•224  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

obwol  allerdings  gerade  Morungen  lateinische  dichter  kennt  (siehe 
Haupt  aao.)  und  Venus  nennt;  die  ihm  zugeschriebene  strophe 
MF  286  aber,  die  auch  Paris  vorbringt  und  den  namen  Acheloia 
mit  CB  38,  4  teilt  (was  in  MF  übersehen  ist),i  steht  wol  bestimmt 
unter  dem  einüuss  der  vagautenpoesie.  andere  übereinslinnnungen 
sind  mehr  zufällig,  so  die  ähnlichkeit  des  bildes  CB  128,4  mit 
Anou.  Sperv.  29,  13  und  Fenis  80,  5.  wider  andere  beweisen 
wol  einfluss  der  lateinischen  auf  die  deutsche  poesie,  so  Amors 
pfeile  bei  Neidhart  (vgl.  Haupt  zu  10,  8).  nicht  wenige  sind 
zweifelhalt;  so  mochte  man  im  ersten  augenblick  Inter  quas  ap- 
pares  ita  ut  in  auro  margarüa  168,  8  für  das  vorbild  von  MF 
5,  12 — 15  halten:  unde  bist  mir  dar  ziio  holt  (7m  merke  et  wiech 
duz  meine)  als  edele  gesteine  swd  man  daz  leit  in  daz  golt :  oflenbar 
passt  das  bild  in  dem  lat,  stück  viel  besser  und  in  dem  deutschen 
ist  noch  die  einführung  verdächtig,  aber  eine  stelle  wie  JNJN  31,4 
vil  der  edelen  steine  die  froincen  leiten  in  daz  golt  (zwar  in  einer 
interpolierten  strophe)  zeigt  doch,  wie  nahe  den  deutschen  ly- 
rikern  dies  bikl  liegen  muste;  und  in  168  wiesen  wir  schon 
mehrere  germauismen  nach,  der  vers  quid  tiinc  cantus  00- 
lucrum  mihi  queunt  oalere  CB  103,5  kommt  der  stelle  83,36 
des  unselbständigen  Fenis  sehr  nahe:  diu  heide  noch  der  vögele 
sanc  kan  an  ir  tröst  mir  niht  vröude  bringen  —  aber  das  ist  nur 
die  negative  Wendung  einer  häuligereu  formel:  Mor.  141,12 — 14. 
W.  92,  13—14.  vgl.  auch  D.  34,  15—16  und  namentlich  R.  155, 
1  —  4.  ganz  gewis  besteht  zwischen  der  deutschen  Volksdichtung 
und  der  poesie  der  fahrenden ,  die  man  wol  eine  gelehrte  Volks- 
dichtung nennen  konnte,  eine  bedeutungsvolle  wechselwürkung; 
und  die  vaganten  waren  doch  auch  kinder  ihres  volkes  und  auf- 
gewachsen unter  spiel  und  tanz  ihrer  heimat.  und  so  werden 
wir  mit  gleicher  bestiinmtheit  beeinflussung  der  vagautenpoesie 
durch  die  Volkslieder  und  das  umgekehrte  anzunehmen  haben; 
wie  aber  diese  einwürkung  sich  vollzog,  möchte  nirgends  sich 
so  merkwürdig  in  allen  kreuz-  und  (luerbezieliungen  nachbilden 
wie  gerade  in  der  Sammlung  der  Carmina  buraua.  die  aus- 
führlichkeit,  mit  der  wir  diese  hier  durchgieugen ,  rechtfertigt 
sich    dadurch. 

Wir  haben  in  der  tal,  wie  ich  glaube,  alle  deutsche  volkslied- 
chen  hier  vorgefunden:  aufser  tanzliedchen  (unverändert  103% 5 — 8. 

*  Antiluic  in  den  Altdeulschen  blättern  i2äU  hat  damit  wol  niclils  zu  tun. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       225 

129%  verarbeitet  100\  139%7— 12,  übersetzt  100,  1.  2.  108,  4  uö.) 
und  frühlingsliedchea ,  die  vvol  einfach  als  tanzlieder  dienten  (107*. 
115\  139%  übersetzt  113,2,  ebenso  ist  vvol  auch  MF  4,13  ein  voll- 
ständiges liedchen),  auch  liebesiiedchen  (112\  136^  141%  übersetzt 
112).  wichtiger  aber  als  das  ist  das  gesammtresultat,  welches  aus 
dieser  betrachtung,  war  sie  richtig  geführt,  sich  ergibt:  wie  würklich 
schon  eine  längere  kuustübung  die  formein  ausgebildet  haben  muss, 
die  den  deutschen  volksdichtern  ein  so  unentbehrliches  und  durch 
biegsamkeit  bei  innerer  festigkeit  unschätzbares  kunstniittel  wurden, 
ohne  welche  gar  die  schwierigere  nachbildung  fremder  muster  einer 
noch  jungen  poesie  unmöglich  hätte  sein  müssen,  und  weiter 
gibt  uns  die  Verarbeitung  der  verse  und  lieder  ein  bild  von  der 
art,  wie  die  kunstdichtung  sich  aus  der  bäurischen  Stegreifdich- 
tung erhob:  zuerst  noch  ganz  die  alte  art  fortsetzend,  nur  feilend, 
glättend,  viel  mehr  formell  ändernd  als  inhaltlich,  viel  mehr  ver- 
mutlich noch  in  der  melodie  als  im  text  sich  von  der  einfach- 
sten kunstübung  absondernd,  ich  glaube  nicht  dass  das  oft  be- 
staunte rätsei  des  plötzlichen  aufbruchs  der  ganzen  mhd.  lyrik 
ohne  diese  uns  notwendig  gewordenen  Voraussetzungen  gelöst 
werden  kann,  ich  glaube  auch  nicht  dass  je  eine  poesie  nicht 
rein  gelehrter  natur  anders  erwuchs;  sie  setzt  formein  voraus 
und  starre  formein,  wie  jede  kunst  ein  ganzes  System  mechani- 
scher kunstgriU'e  ehe  sie  den  gipfel  erreichen  kann  entwickelt 
haben  muss;  und  der  augenblick  der  höchsten  blute,  in  dem 
man  all  diese  überflüssig  gewordenen  handwerksmittel  —  wenn 
man  sie  denn  so  nennen  will  —  über  bord  wirft,  ist  der,  in 
dem  zwischen  volksmäfsigem  und  gelehrtem  oder  'gebildetem'  be- 
trieb alle  berührung  aufhört,  dadurch  denn  mehr  als  durch  den 
forlfall  höchst  brauchbarer  mittel  selbst  der  anfaug  vom  ende, 
deshalb  glaube  ich  auch  dass  bei  einer  jungen  autochthonen  poesie 
diese  formein  von  gröfserer  ütterarhistorischer  bedeutung  sind 
als  man  gemeinhin  anzunehmen  pflegt,  ich  selbst  werde  hier  ja  oft 
genug  geirrt  haben,  aus  geringer  Übung,  auch  aus  einer  leicht  im 
zug  der  arbeit  sich  einstellenden  Überschätzung  der  gerade  an- 
gewandten mittel,  aber  ein  kundigerer  wird  diese  mittel  gewis 
mit  dem  erfolg  anwenden  können,  den  mir  mangel  an  genügender 
kenntnis  von  stoff  und  arbeitszeug  noch  versagte.  — 

Wir  fanden    also  würklich  volkstümliche  Vierzeiler    noch    in 
der  alten  form,  so  Cß  136%    als  einen  hülischer  gehalteneu  vier- 


226       ALTE  DEUTSCHE  VOLRSLIEDCHEN 

zeiler  möchte  ich  auch  Rute  116,22—25  ansehen;  Haupt  hält  dies 
stück  für  unvollständig,  aher  es  schliefst  gut  ab  und  ist  so  ein 
didactisches  epigramm,  das  in  der  Volksdichtung  nicht  wenig  ana- 
loga  hat  (inhalthch  vgl.  übrigens  Hartm.  216,  81).  aber  weitere 
alte  Vierzeiler  sind  uns  vielleicht  noch  in  nhd.  form  erhalten,  von 
den  schnadahüpferln  selbst,  die  wir  als  fortdauernde  Vertreter 
einer  uralten  dichtungsgattung  ansahen,  reichen  vielleicht  einige 
bis  in  die  älteste  zeit  zurück. 

Sollte  man  das  von  vorn  herein  abstreiten  wollen,  so  stehen 
uns  ähnliche  fälle  in  genügender  zahl  zur  seite.  noch  heut  werden 
die  Umzugslieder  gesungen,  die  Müllenhoff  (De  poesi  chorica  s.  22) 
als  abbild  ältester  poesie  anführte,  wie  in  der  ältesten  zeit  (Müllen- 
hoff Sagen  und  märchen  xni,  Uhland  Sehr,  ni  181  f)  werden  noch 
jetzt  in  dialogischer  form  rätsellieder  gesungen  und  dabei  haben 
sich  zb.  stücke  des  alten  Traugemundsliedes  wörtlich  erhalten: 
so  findet  man  in  Auerbachs  Barfüfsele  (Dorfgeschichten  volksausg., 
Stuttg.  1871,  VII  198)  aus  dem  volksmund: 

Was  ist  iveiszer  als  der  schriee? 
Was  ist  grüner  als  der  klee? 
Was  ist  schwärzer  als  die  kohl? 

wie  TraugemundsUed  11  (MSD^  XLVinll,  3);  nur  die  einleitung 
und  auflösung  ist  anders:  es  antwortet  hier  auf  alle  drei  fragen 
ein  wort,  die  kirschenblüte  (in  ihren  drei  epochen,  wie  beim 
rätsei  der  sphinx),  was  ja  im  Traugemundslied  selbst  am  schluss 
seine  entsprechung  hat.  die  anderen  rätsei  sind  neu,  z.  t.  gevvis 
auch  in  der  art  der  Vierzeiler  improvisiert  und  eingeschoben.  — 
viel  öfter  noch  hat  sich  ein  altes  liedchen  verarbeitet  erhalten, 
mir  scheint  kaum  zweifelhaft  dass  in  dem  Volkslied  bei  Uhland  29 
den  Strophen  2.  3  ein  ähnliches  ganz  altes  gedieht  zu  gründe  liegt 
wie  sie  uns  MF  8,  33.  37,  4  erhalten  sind,  die  lieder  scheinen 
von  Reinmar  benutzt  (Scherer  D.  st.  ii438:  R.  156,  10),  eins 
wurde  im  13  jli.  ins  italienische  übersetzt,  ward  auch  sonst  noch 
zum  Volkslied  (Haupt  MF  s.  231);  und  so  liegt  es  ja  ähnlich  in 
der  Nibelunge  not  vor.  beweise  genug  für  Verbreitung  und  be- 
liebtheit  dieser  lieder.  verse  aus  dem  verwandten  liedchen  MF  8, 17 
scheinen  bei  Uhland  49,  3  nachzuklingen  und  zwar  nicht  als  be- 
nutzte formein  (wofür  wir  ja  belege  genug  halten),  sondern  als  resl 
des  bis  zur  unverständlichkeit  umgestalteten  liedes  (vgl.  Uhland 
Sehr,  ni  31  aum.  177).     so  sind   aus  wenig  späterer  zeit  ja  ge- 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       227 

dichte  voD  Walther  und  Neidhart  vollkommen  zu  Volksliedern  ge- 
worden. Neifen  hat  umgekehrt  vielleicht  Volkslieder  unter  seine 
gedichte  aufgenommen  usw.  —  ich  erinnere  endlich  an  den  schon 
besprochenen  bairisch- österreichischen  liebesgrufs,  in  dem  wir 
nun  ein  erstes  ganz  altertümliches  und  würklich  ganz  altes  liedchen 
in  modern  dialectischer  gestalt  sehen  dürfen. 

Suchen  wir  nach  anderen  beispielen ,  so  werden  wir  unser 
äuge  natürlich  vorzugsweise  auf  die  dichter  richten  müssen,  die 
volkstümlichen  einfluss  auch  unzweifelhaft  verraten,  aus  der  blüte- 
zeit  sind  das  vor  allen  Wolfram  und  Walther.  Wolframs  Vorliebe 
für  volkstümliche  epitheta,  sein  den  volksdichtern  oft  nahe  stehen- 
der Stil,  anspielungen  auf  die  heldensage  ua.  beweisen  genügend 
dass  er  sich  an  der  volkspoesie  schulte,  so  findet  man  denn 
auch  in  seineu  epen  unsere  lyrischen  formein  so  oft  verwandt 
wie  schwerlich  bei  einem  zweiten  mhd.  epiker.  ich  führe  nur 
fälle  aus  den  ersten  2  büchern  des  Parzival  an : 

vil  ungewent  er  des  was  37,  30.  vgl.  zu  H.  42,  14 
e  daz  min  ouge  alrerst  ersiht  40, 16.  vgl.  zu  M.  12, 39  und  Kür.  7, 9 
der  aller  wunder  hat  gewalt  43,  8.   vgl.  zu  CB  165* 
lieber  dan  sin  selbes  lip  54,  22 

diu  ist  mir  lieber  danne  der  lip  94,6.  vgl.  zu  M.  11,5.  H.  43, 31 
die  sint  vor  missewende  fri    62,  10.    vgl.   zu   M.  12,36 
si  twanc  iedoch  sin  minne  84,  2.  vgl.  zu   CB  126^ 
Besonders  auffällig  sind  zwei  in  erzählenden  Volksliedern  sehr 
häufige  formein ,    die  eine  in  Wolframs  Umgestaltung  nicht  ganz 
siclier  erkennbar,  die  andere  eine  Variation,  die  ihre  formelhalte 
natui  schon  durch  Wolframs  eigene  widerholung  beweist : 
daz  zöch  er  tizem  buosem  sin  Parz.  51,15 
Was  zoch  si  ab  irem  haubet?   ühl.  76, 10 
Was  zoch  er  ab  seiner  hende?   Uhl.  76, 11.  80,4.  108,  10. 

116,  14.  199,  18 
Was  zoch  si  auss  irer  schaide?    Uhl.  76,  14 
Was  zog  er  ir  abe  vom  finger?    Uhl.  76 D,  6.  vgl.  96,  3 
vgl.  auch  ttas  het  er  in  seinem  munde?    Uhl.  132,20. 
(der  rote  tder  goldene  ring,  der  an  fast  all  diesen  stellen  folgt, 
erscheint  gfeich  51,  23  auch  bei  Wolfram.) 

Ez  was  dennoch  wol  mitter  tac   Parz.  68,  29 
dö  rnhet  ez  dem  mitten  tage  Parz.  95,  30 
Und  da  es  kam  um  mitternacht  Uhl.  97,  8 
Wol  ml  wol  mnb  die  mitte  nacht  Uhl.  271,3 
Do  es  do  wart  umb  mitte  nacht  Uhl.  289,4 
vgl.  Des  na-Jits,  wol  umb  die  halbe  nacht  Uhl.  99.  7 
Wol  hii  umb  halber  initternacht  Uhl.  107,  4. 


228       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLlEüCHEN 

Dass  das  nicht  blofs  zufällige  auklänge  sind,  beweist  die 
aualogie  zahlreicher  hülischer  miünefonriela  imParzival:  der  hell 
icas  trnric  unde  frö  34,  30,  dir  eubiiUet  minne  unde  gruoz  76,  23, 
an  den  lac  der  gotes  fliz  88,  16,  in  Mutet  vaste  ir  minne  88,  25. 
noch  deutlicher  zeigt  sich  die  henutzung  von  höfischen  liebes- 
gedichten  in  der  stelle  von  der  turteltaube  57,  11:  das  bild  ist 
ein  stück  des  internationalen  fornielschatzes  und  findet  sich  pro- 
vencalisch,  allfranzosisch ,  altitalienisch  (Diez  Poesie  der  troub. 
s.  236),  altspanisch  (Hart  Blutenlese  aus  spanischen  dichtem  s.54) 
und  in  deutschen  Volksliedern  (Uliland  116,  12  — 13.  VVackernagel 
Voces  variae  s.  51  str.  32)  wie  in  dänischen  (Talvj  aao.  s.  255); 
der  lyrische  character  des  bildes  ist  klar.  —  so  könnte  auch  zb. 
35,  26  7m  wünschet  daz  mans  in  gewer  unter  dem  einfluss  von 
gedichlstellen  wie  die  von  ßurdach  s,  30  o.  gesammelten  (späteren, 
aber  ebenso  zb.  N.  60,  6)  stehen,  und  die  überhaupt  einmal  not- 
wendige Untersuchung  über  die  Wechselbeziehungen  zwischen  epik 
und  lyrik  der  mhd.  zeit  würde  sicher  viel  mehr  derartiger  remi- 
niscenzen  und  benutzungen  bringen. i 

VVoltVani  hat  also  lyrische  gedichte  in  sein  epos  verarbeitet  — 
natürlich  nur  wo  ihm  eine  eriunerung  vorklang,  die  zur  ein- 
lugung  gelegen  war,  wie  er  sonst  eigene  und  anderer  erlebnisst 
verwertet  usw.  und  so  auch  Volkslieder,  die  z.  t.  nur  noch  aus 
den  benutzten  i'ormeln  zu  erschliefsen  sind,  zwei  aber  lekn 
vielleicht  noch  heut  fort,  die  er  schon  kannte,  wie  ahnlich  ist 
in  einem  seiner  lieder  das  aulfallende  bild  5,  20 

wie  bin  ich  sus  iuwelnslaht? 

si  silit  min  herze  in  vinster  naht 
(vgl.  Freidank  145, 19  iWä'/t  dimket  er  si  iuwelnslaht 

sioer  vür  den  tac  nimt  die  naht) 
mit  dem  bairisch- österreichischen  tanzliedchen 

Die  Liab  es  not  blind, 

Denn  si  siacht  wie  an  Ahi; 

Ba  der  Nocht  findt  sies  Fenster 

Anni  Licht  ohlewal  (Firmenich  n  741%  variarte  ni  737'); 

lerni'r  wit;  erinnert  im  Parzival  die  stelle   185,  1 IV 

dti  heinie   in  min  selbes  hüs 

da  Wirt  gefreut  vil  seilen  müs, 

wan  diu  müese  ir  spise  stein 
an  den  rheinischen  scheltvers 

Ilie  cm  Haus  es  groatc  Noath, 
'  sein  liauli«  sind  die  luiiuicfunnelu  zl».  in  Kuinacis  Ileizinälire. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN      229 

Hie   hongert   de  Maus    em   Broadschoap   doad    (Firmfiiiich 
I  42 1'*;  ein  contrast  dazu  das  alte  Sprichwort 

Man  siht  vil  selten  richez  hüs 

Ane  diep  und  dne  müs  CB  cciv  18.  Freidank  141,  15; 
die  Zusammenstellung  von  dich  und  maus  wie  hier  Freid.  47,  18, 
vgl.  auch  Haupt  zu  Neidhart  84,  30).  die  zweite  stelle  entstanmit 
einem  jener  sehr  alten  umzugsliedcheu ,  die  sich  schon  griechisch 
fast  ganz  wie  deutsch  finden,  und  hätte  ihr  seitenstück  an  den 
spottversen ,  die  Neidhart  verarbeitete;  und  so  hat  Wolfram,  wo 
er  Neidhart  erwähnt,  ähnlich  in  neckischer  weise  dessen  unauf- 
hörliches anrufen  seiner  freunde  in  den  ersten  vers  gebracht:  er 
begnndez  sinen  friunden  klagn  Wh.  312,  14  —  vriunt  nü  hceret 
mine  klage  N.  94,  5.  vgl.  N.  52,  14.  58,  38.  65,  26  ua.  —  der 
erste  fall  aber  stände  bei  Wolfram  wol  auch  nicht  allein,  so 
hat  schon  Lachmann  'einige  von  Wolframs  kühnsten  bildern', 
die  Ulrich  von  Türheim  auch  habe,  auf  die  Volksdichtung  zurück- 
geführt (s.  Scherer  D.  st.  i316  anm.)  und  Uhland  zweifelnd  das 
gleichnis  von  der  elster  im  eingang  des  Parzival  mit  str.  10  und  12 
des  TraugemundsHedes  verglichen  (Sehr.  lu  193.  vgl.  MSD"  490). 
so  stimmen  in  der  annähme,  der  dichter  des  Parzival  habe  Volks- 
lieder in  sein  grofses  werk  eingeschmolzen ,  der  grüste  kenner 
der  mhd.  dichtung  und  der  groste  kenner  der  deutschen  volks- 
poesie  überein.  — 

Bei  Walther  finden  wir  weniger,  seine  scheltlieder  auf  Ger- 
hard Atze  udgl.  klingen  nicht  sehr  volkstümlich  und  scheinen 
mehr  der  tradition  jener  bestellten  schellgedichte  der  spielleute 
(Benecke  und  Lachmann  zu  Iw.  7162.  Haupt  zu  Neidhart  s.  134. 
Wackernagel  LG  43,  19)  anzugehören  als  der  der  rauferliedchen ; 
besonders  verursacht  die  Überladung  mit  fremdartigem  beiwerk 
(82,  19  f  der  vergleich  mit  dem  äffen  und  dem  guggaldei)  diesen 
eindruck.  aber  in  18,  15  erinnert  der  schluss  an  eins  der  be- 
kanntesten unter  den  noch  jetzt  umlaufenden  volksliedchen  der 
baiuvarischen  bauern: 

zuo  flieze  im  allei^  swlden  ßuz, 

niht  wildes  mide  sinen  schuz, 

sins  hnndes  lonf,  sins  hornes  dnz 

erhelle  im  und  erschelle  im  wol  nach  e'ren. 

A  Pixadl  zan  Schiassn 
Und  an  Hutitadl  zan  Jogn 
(Und  a  Diandel  zan  Geadnhohm) 


230       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

Dos  mus  a  Pua  höhn  (Firmenich  ii739'';  Varianten  749\  78r 
unti,  etwas  weiter  stehend,  ni396'';  Pogatschnigg-Hermann 
I  1553;  Imnierniann  Andreas  Hofer,  Werke  xvi  513). 
Hätte  Walther  wiirkHch  dieses  liedcheu  in  sein  dankgedicht 
verwoben  (erhelle  und  erschelle  waren  wol  das  zweite  reimpar 
des  Vierzeilers),  so  könnte  dieser  anklang  an  ein  allbekanntes 
volksliedchen  sein  gedieht  besonders  populär  gemacht  haben, 
worauf  das  vorkommen  des  stolzen  Missenaere  (18,  16)  in  einem 
unechten  Neidhart  (217,11  s.  Haupts  anm.)  hindeutet,  nun  hat 
auch  diese  stelle  Walthers  Uhland  (Sehr,  m  250  anra.  327)  auf 
eine  alte  formel  zurückgeführt,  eine  entsprechende  fluchformel 
ebend.  275  : . .  .,  dass  ihm  seine  xoinde  und  vogelhunde  erwülen;  dass 
ihm  nie  ein  Jagdhund  auftreibe  .  .  .,  dass  ihm  beim  jagen  sein  Wald- 
horn nicht  schalle  .  .  .  dass  heil  ihn  verlasse  bei  all  seinen  ge- 
schäften  (dort  an  der  spitze:  zuo  ßieze  im  aller  sadden  fluz), 
wozu  Uhland  s.  276  noch  andere  analogien  stellt,  vgl.  ferner 
Freidank  128,6: 

des  Wien  vluc,  des  schiffes  vluz, 

des  slangen  sluf,  des  donres  schuz  — 

und  besonders  Helmbrecht  684  f: 

ze  icunsche  im  daz  erste  jdr 

sine  Segelwinde  duzzen 

und  siniu  schef  ze  heile  fluzzen. 
diese  stelle  des  Meier  Helmbrecht  zieht  Lucae  (Zs.  23,  94)  zur 
beleuchlung  des  Weingartner  reisesegens  heran.  und  dieser 
oder  ein  ähnlicher  uralter  spruch  liegt  ja  vielleicht  auch  Walthers 
Spruch  20,  31  zu  gründe  (vgl.  oben  zu  H.  53,37).  zur  beurteilung 
der  Wahrscheinlichkeit  muss  noch  herangezogen  werden  dass  na- 
mentlich Hartmann  unzweifelhaft  widerholt  formein ,  er  allerdings 
mehr  solche  juristischer  art,  in  seine  gedichte  aufgenommen  hat, 
so  eidformeln  Iw.  7925  f  und  bes.  Büchlein  i  14221",  eine  segens- 
formel  Iw.  5987  f;  Walther  hat  solche  reisesegen  umgedichtet 
(24,  181)  und  einzelnes  der  art  hat  sich  ja  in  ungebrochener 
tradition  bis  auf  unsere  tage  erhalten.^  — 

Ein  weiterer  fall  der  Verschmelzung  eines  noch  lebenden 
liedchens  scheini  in  einem  gedieht  von  ebenfalls  unzweifelhaft 
volkstümlichem  gepräge  vorzuliegen.  Freidank  (zweite  ausgäbe 
104g  und  folgende)  heifst  es: 

*  römische  (lichter  heniitzcn  sacra  carmina  Corssen  Origiiics  pocseos 
ronianae  s.  1)8. 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       231 

wcere  der  himel  fermit  ... 
und  alle  Sternen  pfaffen  .  .  . 
si  künden  tiiht  geschriben 
daz  lounder  von  den  wihen, 

unil  ein  volksliedcheii  lautet: 

Und  loenn  der  Himmel  Papier  loär 
Und  alle  Sternlan  a  Schreiberheer, 
Si  schrieben  doch  nia  zu  End\ 

Wia  die  wahre  Lieh'  glüeht  und  brennt  (Pogatschnigg- 

Hermann  i  329). 

nun  ist  der  erste  vers  allerdings  eine  ungemein  häufige  formel 
(Germ,  xvii  128  und  was  Bartsch  dort  anführt,  RKohler  Orient 
und  occ.  ir  544  —  59,  ferner  Anz.  ix  404;  auch  in  lat.  dichtung 
hei  Walther  von  Chatillon  s.  Francke  Zur  geschichte  der  lat. 
schulpoesie  des  xii  und  xiii  Jahrhunderts  s.  48),  aber  die  genaue 
ühereinstimmung  auch  der  zweiten  zeile  ist  doch  kaum  zufällig. 
Eine  genaue  durchforschung  dieser  gedichte  ergiht  sicher 
noch  manches  der  art.  so  mag  es  zufall  sein  dass  Wolframs 
werte  Parz.  281,  12—14: 

von  sneioe  vms  ein  niwe  leis 
des  nahtes  vast  üf  in  gesnit. 
ez  enwas  iedoch  niht  sne'wes  zit 
an  den  anfang  eines  Volksliedes  erinnern : 
Es  ist  ein  sehne  gefallen 
und  ist  es  doch  nit  zeit  ühl.  44,  1, 

aber  die  darauf  folgende  scherzhafte  nennung  von  pfingsten  als 
Zeitangabe  klingt  an  die  volkstümliche  spottfrist  'zu  pfingsten 
auf  dem  eise'  an.i  und  dies  uralte  vertrösten  auf  unmögliche 
termine  (ühland  Sehr,  in  216  anm.  176,  über  das  alter  der  tra- 
dition  daselbst  213  f)  ist  noch  jetzt  im  volksmund  z.  t.  mit  den- 
selben ausdrücken  beliebt  (vgl.  Pogatschnigg- Hermann  i  87  f. 
378  —  83.  1379).  der  Tannhäuser  hat  das  analoge  motiv  der 
unmöglichen  bedingungen  (MSH  ii  90  f  vni  str.  ii,  das  ganze  lied  ix 
und  ebenso  x)  unzweifelhaft  aus  der  gleichen  gewohnheit  des 
Volkslieds  (vgl.  den  Wechsel  Schmeller  Mundarten  556.  Ubland 
14  f  und  dazu  ühland  Sehr,  m  213  f  anm.  166  —  82,  über  des 
Tannhäusers  lieder  speciell  s.  215)  und  des  märchens  geschöpft, 
so  sind  die  fälle  ungemein  zahlreich,  in  denen  mhd.  dichter  und 

*  dasselbe  Volkslied  hat  merkwürdiger  weise  auch  Goethe  verarbeitet 
Gedichte  hg.  von  GvLoeper  ii  131,  vgl.  ebeiid.  397. 


^32  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCIIEN 

gerade  volkstümliche  ihre  motive  mit  den  noch  gesungenen  lied- 
chen teilen,  so  die  empfehlung  der  tougen  minne  wie  MF  3,  12: 

Liab'n  liab'n 

Ober  hamla,  ober  hamla 

Do  hamlane  Liab 

Is  süass  namla,  namla  (Firmenich  ii  78r.  TSö*".  Pog.- 
Herm,  i  620  citiert  ehend.  ii  752)  und  in  dem 
von  Scherer   (Anz.  i  205)  mitgeteilten  Kärntni- 
schen liedchen  (Pog.-Herm.  i  34); 
so  das  siffeln  der  mädchen  wie  N.  18,27: 

Anna  Babali  lopf  de  Fuess 

Wenn  i  mit  der  tanza  muess  (Firmenich  n  664" ;  andere 
heispiele  Schmeller  BWß-  i  1175  =  Mundarten 
532.  I  1191.  n467.  Firmenich  m544''); 
so  das  zwieren  wie  N.  22,  16: 

Und  sie  hol  jo  schon  Öfta 

Herblinzelt  auf  mi  (Firmenich  n  728'',   ein    anderer 

fall  ebenda  ii  799) ; 
das  aufessen  vor  Hebe  wie  N.  41,25.  42,  39,  das  erste  veilchen 
wie  in  vielen  unechten  Neidharteu  usw.  aber  in  all  diesen  fällen 
können  wir  directe  benutzung  alter  volksliedchen  nicht  beweisen, 
so  wahrscheinlich  es  auch  ist  dass  gerade  diese  die  motive  den 
kunstdichtern  übermittelten;  und,  was  für  unser  thema  noch  wich- 
tiger ist,  wir  können  das  alter  der  Vierzeiler  hier  nicht  so  hoch 
annehmen ,  w  eil  kein  directer  anklang  die  möglichkeit  ganz  neuer 
formulierung  des  alten  motivs  hier  ausschliefst.  — 

Dagegen  bleiben  zwei  höchst  merkwürdige  fälle  zu  besprechen, 
in  denen  die  noch  umlaufenden  liedchen  ein  höheres  alter  zu  be- 
sitzen scheinen ,  als  ihre  uns  erhaltenen  entsprechungen  in  mhd. 
form,  und  in  denen  dann  also  wider  älteste  deutsche  volksliedchen 
vorlägen. 

Noch  jetzt  nämlich  bewahren  die  schnadahüpferl  die  aller 
ursprünglichste  gestalt  des  tageliedes: 

Meini  Ilohnla  than  krahn, 

's  is  da  Tog  nimma  iceid: 

Liabs  Derndal,  hiaz  war's  woll 

Zan  Hoamgehn  schon  Zeid  (Firmenich  n  776''), 
nach  welchem   sicheren  beispiel  wol   auch    ein    zweites  liedchen, 
das  sonst  (wie  das  lied  in  Nesselmanus  Dainos  s.  75)  nicht  gerade 
als  tagelied  aufgefasst  zu  werden  brauchte,   so  zu  verstehen  ist: 

Kräht  schon  wieda  da  Hohn, 

Wos  dos   Toikelsvieh  honnl 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN       233 

Hon  Tili  kam  ainölögt, 

Muess  i  loieda  davon  (ebenda  718".  vgl.  Pog.-H.  i  1121, 
auch  1122.  1139;  aüders  1466). 

denn  diese  form  entspricht  genau  nicht  nur  der  eines  wendischen 
tagehedes: 

Bei  der  Liebsten  hob'  ich  gelegen. 

Bei  der  Liebsten  hab'  ich  geschlafen; 

Wie  der  Bahn  hat  gesungen, 

Bin  ich  nach  Hause  gegangen  (vSchulenburg  Wendi- 
sches Volkstum,  Berlin  1882,  s.  153), 

sondern  auch  der  chinesischer  tagelieder: 

'Horch,  der  Hahn  hat  schon  gekräht, 
Zahlreich  strömt  es  schon  zum  Schlosse!' 
'Nein,    der   Hahn   hat   nicht   gekräht    usw.    (Morgen- 
ländische  anlhologie   von    EMeier,    Hildburg- 
hausen 1869,  s.  33;  lateinisch  nach  Lacharme 
mitgeteilt  von  Scherer  Auz.  i  203). 
oder:  Sie  sprach:  es  kräht  der  Hahn! 

Er  sprach:  noch  ist  es  Nacht, 
Der  Tag  noch  nicht  erwacht. 

Steh'  auf,  sprach  sie,  und  schau! 

Der  Tag  ist  nicht  mehr  fern. 

Schon  kommt  der  Morgenstern! 
(Meier  aao.  s.  14.  diese  analogie  macht  vollends  klar,  was  von 
vorn  herein  sicher  scheint,  dass  Burdach  s.  77  anm.  25  mit  un- 
recht die  dialogische  natur  des  von  Scherer  aao.  citierten  ersten 
beispiels  läugnet).  natürlich  soll  damit  nicht  etwa  ein  urzeitlich 
indogermanisch -mongolisches  tagelied  statuiert  werden,  sondern 
dies  moliv  ist  ein  so  ursprüngliches,  überall  nahe  liegendes  (wenn 
auch  Vilmar  Handbüchlein  für  freunde  des  deutschen  Volksliedes 
s.  161  sonderbarer  weise  die  Situation  ihrem  Ursprünge  nach 
nicht  deutsch,  sondern  wälsch,  romanisch  nennt),  dass  es  an 
allen  orten  sich  von  selbst  ausbilden  muste  (so  auch  Burdach  aao.). 
so  hat  denn  auch  Bartsch  die  provenyalischen  albas  gewis  mit 
vollem  recht  auf  Volkslieder  zurückgeführt,  gegen  die  merk- 
würdigen ansichten  in  Vilmars  sonst  trefflichem  büchleiu  wie  es 
scheint  direct  polemisierend  (er  nennt  sie  nicht,  widerspricht 
ihnen  aber  nahezu  wort  für  wort)  sagt  er:  'die  Situation,  die 
sie  (die  alba)  schildert,  ist  nicht  erst  durch  den  ritterlichen  frauen- 
dienst  erschaffen  worden:  sie  konnte  an  sich  sehr  wol  auch 
gegenständ  des  Volksliedes,  und  sogar  einer  bestimmten  gattung 
Z.  D.  F.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  16 


234       ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

des  Volksliedes  sein' (Gesammelle  vortrage  uud  aut'sätze  s.  254);' 
einer  namenlosen  alba  soll  ein  würkliches  Volkslied  zu  gründe 
liegen  (ebenda  256  anra.  5).  und  Scberer  bat  die  alba  aus  den 
doch  sicher  volkstümlichen  tageliet  des  Wächters  hergeleitet  (D. 
St.  n  491),  und  diese  entstehung  wäre  natürlich  in  Deutschland 
so  gut  denkbar  wie  in  Frankreich,  das  deutsche  volksliedchen 
vertritt  aber  (wie  das  wendische)  mit  seiner  rein  epischen  hal- 
tung  sogar  eine  noch  ältere  stufe  der  entwicklung  als  die  chine- 
sischen ,  die  (wie  die  höfischen  tagelieder  sammt  ihren  fort- 
setzungen  in  der  volkspoesie)  den  Stoff  schon  mehr  dramatisch 
anfassen,  sowol  in  der  form  des  Zwiegesprächs  als  durch  die 
eingeführten  retardationen.  —  halten  wir  neben  dies  denkbar  ein- 
fachste und  altertümlichste  deutsche  liedchen  das  gedieht  Heines 
Ich  lag  und  schlief  und  schlief  recht  mild  (Buch  der  lie<ler"  s.  32) 
und  besonders  die  schlussstrophe: 

Und  wilder  noch  umschlang  sie  mich, 

Und  tat  mir  fast  ein  Leid; 

Da  kräht  der  Hahn  —  und  stumm  entwich 

Die  marmorblasse  Maid, 

so  haben  wir  ausgangs-  und  endpunct  der  deutschen  lyrik  an- 
schaulich neben  einander  und  können  fast  auf  einen  blick  ihre 
ganze  entwicklung  übersehen  (ein  anderes  modernes  tagelied 
mit  dem  hahneukrähen,  ebenfalls  auf  volkstümlicher  grundlage, 
ThStorm  Gedichte"  s.  184  —  und  auch  Goethes  wunderbare  bai- 
lade Die  braut  von  Korinth  gehört  ja  hierher).  — 

Aber  geradezu  ein  stück  indogermanischer  dichtung  ist  uns 
vielleicht  in  einem  anderen  lied  erhalten,  vielmehr  in  mehreren 
liedchen,  die  mit  geringen  abweichungen  dasselbe  uralte  moliv 
behandeln ,  das  des  mädchens  mit  den  drei  liebhabern : 

Ana  winkt  ma  mit'n  Augnan, 

Ana  tritt  mi  an'm  Fuass, 

Aiia  zupft  mi  a'm  Kidal, 

Der  an   schickt    ma   an    Gruass   (Dog.-Herm.  ii  803'-, 
vgl.  CB  116^  und  besonders  VVunderhorn  i  148). 

man  sieht  dass  hier  auf  die  liebhaber  übertragen  ist,  was  ursprüng- 
lich von  der  geliebten  erzählt  ward,  s.  Wackernagel  Allfranz,  lieder 

*  diese  worte  widerlegen  zugleich  auch  die  argumeute  der  Talvj 
(aao.  :i56)  gegen  den  volkstümlichen  Ursprung  des  wächtcriicds.  —  mit 
den  kiltgängen  verglich  die  Situation  der  tagelieder  richtig  schon  Waidau 
Altböhniische  minnepoesie  s.  1!). 


ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN  235 

und  leiche  s.  239  anm.  und  Zs.  6,  292  f,  RKöhler  Germ.  6,  306 
Wackernagel  hat  das  auch  in  der  provencahschen  und  deutschen 
kunstpoesie  behandelte  motiv  bis  in  die  altlateinisclie  dichtung  ver- 
folgt und  von  dort,  wie  er  es  gern  tat,  entlehnung  angenommen, 
die  an  und  für  sich  unwahrscheinlich  ist.  an  entlehnung  wird  aber 
nicht  zu  denken  sein,  wenn  wir  das  motiv  in  vollster  deutlichkeit 
auch  in  der  indischen  poesie  trefl'en  (Meier  aao.  s.  33.  Böthlingk 
Indische  Sprüche,  in  einer  blüteniese  hg.  von  seiner  Schwester, 
Leipzig  1868,  s.  108).  ja  wir  finden  auch  in  der  indischen 
poesie  die  anwendung  dieses  motivs  auf  den  liebhaber  (Gila- 
gowinda  übersetzt  von  FRückert,  Zs.  f.  k.  d.  morgenl.  i  s.  135 
Str.  44).  so  nahe  liegt  auch  dasselbe  im  gegensatz  zu  dem  des 
tageliedes  nicht,  dass  es  überall  in  gleicher  weise  hätte  entstehen 
sollen,  vielmehr  wenn  in  der  indischen  fassung  nahezu  wörtlich 
so  wie  in  der  provencahschen  an  die  erzählung  die  frage  ge- 
knüpft wird,  wen  nun  wol  die  frau  am  meisten  liebe,  so  legt 
das  die  Vermutung  nahe,  dass  schon  in  der  ältesten  zeit  dieser 
Spruch  einen  teil  des  episch-gnomischen  Schatzes  bildete,  aus  dem 
sich  in  der  dichtung  und  gerade  der  ältesten  und  volkstümlichen 
dichtung  aller  indogermanischen  Völker  so  viel  erhalten  hat,  dass 
es  gar  nicht  unmöglich  scheint,  einen  beträchtlichen  teil  dieses 
Schatzes  durch  vergleichung  wider  auszugraben  (ein  beispiel:  Rig- 
veda  8,  33,  17.  10,  117,  1— 6  =  Hävamäl  84  s.  Zimmer  Alt- 
iudisches  leben  s.  342).  ganz  gewis  hat  dies  stück,  halb  fabel, 
halb  rätsei  nichts  in  sich,  das  es  von  jener  zeit  ausschliefsen 
müste;  und  es  wird  noch  heut  gesungen! 

So  entstammen  diesem  Vorrat  an  Weisheitslehren  ja  auch 
zum  nicht  geringen  teil  unsere  Sprichwörter,  noch  heut  in 
vollster  kraft,  und  wie  in  der  spräche  des  alltagslebens  so  von 
der  poesie,  mehr  freilich  der  des  volks  als  der  kunstdichter,  be- 
wahrt und  fruchtbar,  aber  auch  würkliche  lieder  schon  vor  der 
Sprachentrennung  sind  unzweifelhaft  (Pictet  Les  origines  indo- 
europ6ennes  m  200:  'Nul  doule  que  les  anciens  Aryas  n'aient 
eu  des  chants  populaires');  sogar  ein  indogermanisches  metrum 
hat  ja  Westphal  höchst  wahrscheinlich  gemacht.  ^  inhaltlich  werden 
diese  lieder  neben  der  gnomik  und  dem  spott  und  lob  das  ent- 
halten haben,   was  alle  älteste  poesie  ausmacht:    'sterbelied  und 

*  ansätze  zu  einer  veigleidienden  metrik  schon  bei  Rask-Molinike 
Verslehre  der  Isländer  s.  38  anm. 

10* 


236  ALTE  DEUTSCHE  VOLKSLIEDCHEN 

kriegsgesaug ,  schlacht-  und  grablieder,  hislorische  lobgesänge 
auf  die  väter  und  an  die  väter'  (Herder  vii  18  vgl.  Talvj  55: 
'liebe,  siegesfreude  des  kriegers  und  die  huldigung  der  gottheit' 
—  aber  so  alte  liebespoesie  ist  wider  zweifelhaft),  dasselbe  also, 
was  Müllenhoff  der  alten  chorischen  poesie  zuschreibt,  kaum 
wären  auch  niythen  und  sagen,  wenn  nicht  so  bewahrt,  bis  auf 
uns  gekommen,  und  so,  wie  man  auf  vielen  puncten  schon 
den  Indogennanen  zugewiesen  hat,  was  man  sonst  erst  als  lange 
nach  der  sprachtreuuung  entstanden  anerkennen  wollte,  hätte 
das  urvolk  vielleicht  schon  alle  die  gattungen  der  poesie  besessen, 
die  allein  man  den  alten  Germanen  zugestehen  wollte,  ob  aber 
würklich  und  in  welchem  umfange  dann  dies  der  fall  war,  wie 
weiter  mit  der  Individualisierung  der  sprachen  zugleich  epik  und 
lyrik  aus  den  keimen  sich  entwickelten ,  das  wird  einst  vielleicht 
die  vergleichende  poelik  so  sicher  nachzuweisen  vermögen,  wie  die 
vergleichende  Sprachwissenschaft  jene  absonderung  der  urdialecte. 
Berlin.  RICHARD  M.  MEYER. 


ZWEI   BRUCHSTÜCKE    AUS   RUDOLFS 
WELTCHRONIK. 

Eine  kleine  Studienreise,  die  ich  in  den  abgelaufenen  ferien 
nach  Olmütz  unternahm,  führte  mich  auch  nach  Mährisch- Weifs- 
kirchen, ich  wollte  im  archive  dieser  Stadt  einige  actenstücke 
einsehen,  die  nach  allem,  was  ich  über  dieselben  erfahren,  für 
die  geschichte  der  schwedischen  herschaft  in  Mähren  grofsen  loert 
beanspruchen  mnsten.  von  der  gemeindekanzlei ,  wo  die  acten 
fehlten ,  an  die  kanzlei  des  k.  k.  Staatsgymnasiums  verwiesen ,  fand 
ich  in  der  tat  dort  einen  kleinen  fascikel  von  Schriften  aus  der 
bezeichneten  zeit:  dieselben  besitzen  jedoch  nur  für  die  local- 
geschichte  einige  bedeutung.  aber  ehe  ich  noch  die  acten  in  den 
Händen  hatte,  wurde  ich  eines  neben  denselben  liegenden  buches 
gewahr ,  das  in  pergament  gebunden  und  auf  den  aufsenseiten  des 
einbanddeckels  beschrieben  war.  dies  buch,  ein  geographischer  hand- 
atlas  aus  dem  \1  jahrhindert ,  befand  sich  ursprünglich  im  besitze 
der  Mährisch  -  Weifskirchner  pfarre.  mit  erlaubnis  des  directors 
hm  Kiefsling  löste  ich  den  einbanddeckel  von  dem  atlas,  befreite 
das  pergament  von  einer  anzahl  angeklebter ,  bedruckter  blätter  aus 


ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHRONIK       237 

starkem  papier ,  und  säuberte  es  von  seinem  schmutze,  alsbald  trat 
die  Schrift  deutlicher  hervor  und  es  zeigte  sich  dass  sowol  auf  der 
äufseren  als  auch  auf  der  inneren  seite  des  pergamentumschlages 
verse  standen ,  von  denen  die  letzteren  naturgemäß  viel  besser  er- 
halten wai'en.  das  pergament  selbst,  wie  es  zum  einbände  bemitzt 
wurde,  bestand  aus  zwei  blättern  in  fol.,  die  der  breite  nach  an 
einander  geklebt  waren,  unser  'erstes  blatt',  welches  den  vorderen 
teil  des  einbanddeckels  bildete,  hat  eine  höhe  von  29,5  cm.  und 
eine  breite  von  23  cm.,  das  andere  eine  höhe  von  34  und  eine 
breite  von  22  cm.  von  dem  ersten  ist  die  äufsere  seite  natürlich 
mehr  beschädigt,  als  die  entsprechende  äufsere  seite  des  zweiten: 
so  ist  die  letzte  zeile,  wo  das  blatt  eingebogen  war,  unleserlich 
geicorden,  und  auch  rechts  und  links,  da  wo  sich  der  einbuy  be- 
fand, sind  einzelne  partien  sehr  schadhaft,  wiewol  das  zweite 
blatt,  da  es  die  untere  seite  des  einbanddeckels  bildete,  besser 
erhalten  ist,  so  sind  doch  auch  hier  (auf  der  äufseren  seite) 
3  Zeilen  ganz  und  einzelne  teilweise  unleserlich  geworden,  die 
rechte  ecke  des  zweiten  Mattes  ist  übrigens  stark  atisgerissen  und 
auch  links  findet  sich  eine  gröfsere  beschädigte  partie. 

Beim  ersten  anblick,  als  noch  die  beiden  blätter  an  einander 
Mengen,  schien  es,  als  seien  sie  einer  und  derselben  hs.  ent- 
nommen, an  der  zwei  hände  geschrieben  hätten,  bei  näherer 
prnfung  zeigte  sich  jedoch  dass  das  erste  blatt  aus  feinerem,  das 
zweite  aus  viel  gröberem  pergament  bestehe,  zwar  sind  beide 
blätter  auf  beiden  Seiten  mit  je  drei  reihen  von  versen  beschrieben, 
aber  jede  columne  des  ersten  blattes  enthält  45  zeilen,  jede  des 
zweiten  52.  endlich  sind  auf  dem  ersten  blatte  alle  initialen  (z.  1 2. 
58.  90.  120.  166.  213.  241)  rot,  während  auf  dem  zweiten  die  rote 
färbe  mit  der  blauen  (z.  19.  77.  103.  155.  209.  237.  271)  loechselt. 
die  Schrift  gehört  nicht  blofs  zwei  verschiedenen  händen,  sondern 
auch  zwei  ganz  verschiedenen  Zeiten  an ;  die  des  ersten  blattes  wird 
man  unbedenklich  in  die  2  hälfle  des  13  bis  in  die  erste  des 
lAjhs.,  die  des  zweiten  dagegen  in  die  zweite  hälfte  des  14  bis 
in  die  erste  des  \^  jhs.  zu  setzen  haben. 

Über  die  herkunft  der  beiden  fragmente  kann  eine  anweisiiug 
auskunft  geben,  welche  an  die  oben  erwähnten  papierblätter  an- 
geklebt war.  sie  ist  vom  23  wär^s  1638  datiert  und  von  der  cliiir- 
lurstlicheu  rentstuben  Straubing  ausgegangen,  darnach  ist  wol 
der  einband  zu  dem  atlas  in  Straubing  angefertigt ,  bezw.  sind  die 


238       ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCllUOINIK 

beiden  pergamentbldlter  daselbst  den  hss.  entnommen  und  zu  ein- 
banddeckeln  vericendet  worden. 

Da  mir  hss.  der  Weltchronik  nicht  zu  geböte  stehen,  so  be- 
schränke ich  mich  auf  einen  blofsen  abdruck  der  blätter.  die  hin- 
weisungen auf  Vilmar  hat  mein  College  pro  f.  Strobl  beigefügt ,  der 
auch  die  brnchstücke  mit  der  abschrift  noch  einmal  verglich,  xoas 
in  der  hs.  unleserlich  blieb,  ist  durch  puncte  bezeichnet,  zweifel- 
haftes cursio  gedruckt. 

Czernowitz,  Januar  1884.  J.  LOSERTH. 


Erstes 
V 
(lullte  sie  doch  uiht  geuflg 
und  sie  twaog    mit  frecli^  haut 
in  ir  gevvalt  d^  more  laut 
und  twäg  darnach  mit  krefte  sa 

5  die  künegriche  in  India 

....  sie  ir  diente  sund^  twang 
die  nieman  ,e.  vor  ir  betvvang 
noch  sid^  läge  doch  twang  sie  sit 
mit  sin  kraft,    bi  siner  zit 

10  der  kftnec  Alexander 
und  nöme  dekein  ander. 
Semiramis  die  riche 
begüde  kreftecliche 
in  gevvaltes  kraft  uf  stigen 

15  sa  daz  ir  mflsten  nigen 
alle  die  lät  die  ir  gelegen 
waren,   manege  riche  degen 
twang  sie  mit  kraft  T  ir  gcwalt 
....  iefson  einen  forsten  halt 

20  treib  sie  vo  dem  lande  sa 
der  was  geheizen  Trebea 
den  mahle   ir  kraft  gar  ane  w^ 
. . .  a  gar.    daz  er  ir  über  mer 
kume    und   flflhtecliche    endrau 

25  Trebea  der  wise  man 

19  luc/i  im  pcrgamcnt. 


blatt. 

quam  üb^  m^  in  dise  laut 

und  liez  sich  nid'  sa  zu  hant 

zu  der  nuisele  shiere 

ein  haubetstat  zu  Triere 

stifte  d^  edele  werde  man  30 

und  leite  groze  fliz  daran 

als   da    noch  hude  disen  dag 

shinet  als  man  pruue  mag 

da  nach  an  einem  palas 

.  . .  riche    unde   also  veste  was  35 

daz  ien  noch  nieman  künde 

wie  viel  man  is  begunde 

mit   kunsten   breche   noch   mit 

kraft 
...  ine  grozen  herschaft 
.  . .  dirre  forste .  plag  hievor         40 
ringmure  .  brücke  .  bürge  .  dor 
.  . .  iget  mit  gewalt  alda 
.  .  .  ele  furste  Trebet. 
.  .  .  slat  do  uande 

1» 
in  gallia  dem  lande  45 

Triere  nach  de  namc  sin. 
Semiramis  die  künegin 
höhte  kiinegliche 
in  assiria  dem  riche 


ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHRüiNIK        239 


öORabylonie  die  haubetstat 
die  hatte  gestiftet  und  gesät 
d^  godes  v^worre(?)  Nemrot 
die  slat  sie  vesten  gebot 
mit  plasl^  und  mit  ziegel 

55  den  landen  zu  einem  spiegel 
die  da  zinsten  ir  haut 
und  d^  sie  vrauwe  was   genat. 
Der  stat  iTgmure  die  drume  gieg 
und  Babylonie  ünie  vieg 

eowas.alse   uns  die  warheit  seit 
an  dicke  füfzeg  claft^  breit 
und  zwei  büdert  claft'  hoch 
au  stat  an  wite  sich  gezoch 
daz    sie  vier   hudert    stadie  wit 

65uude  ahzeg  in  alle  sit 

daz   ich   mit  warheit  prüve  wil 
als  maneges  rosselaufes  zil 
mit  hundert  porten  eriu 
sach  man  sie  wol  beslozze  sin. 

70  uü    vestechche  verspart 
mit   guten  durnen   wol    bewart 
was  sie  unde  wol   zu  w^  besät 
an  dem  durue  lag  die  stat 
den  die  gesiebte  von  INoe 

75 davor  halte  gestiftet  .e. 
durch  die  veste  en  mitte  floz 
Eufrates  daz  wazzer  groz 
und  mahle  vil  riliche 
die  stat  an  gute  riebe 

80  daz  iz   mit  kaufe  dan    und  dar 
driig  d^  stat  zu  nutze  gar 
da  vö  sie  sere  richete 
dekein  veste  ir  glichele 
an  hoher  wer  an  richeit 

85dis  mäste  als  die  sbrift  üs  seit 
in  asia  vil  gar  die  laut 
dienstes  sin  al  dar  benant. 
kraft 


r 

da  plag  des  landes  hershaft 

Semiramis  die  riebe  90 

ier  dage  stedecliche 

in  ir  mütwillen  swebte 

zu  aller  zil  sie  lebte 

darnach  als  sie  gedachte 

ir  willen  sie  furbrahte  95 

noch  fürbaz  dan  sie  solde 

swaz  mütwillen  sie  wolde 

mit  ir  selber  enden  ie 

vil  deine  sie  des  ie  verlie. 

Sie  kerte  ie  alle  ir  sinne  loo 

nach  mülwilleg^  minne 

mit   gerndes  h^tze   gernd^  kraft 

au  minne.   an  mannes  frütschaft 

un    latte   in   mine   gernder  gir 

durch  fruntshaft  manne  vil  zu  zir  loa 

unde  wart  doch  uievü  minen  .  .  . 

baz  an  ir  mütwillen  st .  . . 

daz  sie  da  nie  gefügte 

daz  sie  ie  genügte 

des  ir  von  mannen  geshach       iio 

swelcb    mau   ir   willen  was   zö 

svvacb 
uü  mit  geselleclicher  pliht 
ier  künde  wol  diene  nibt 
d^  niüste  bau   v'^lorn  den  lib 

.  .  .  lebte 115 

vil  gar  mütwillecliche 


unde  ir  laut  in  ir  iaren 

mit  ien  verichlet  waren. 

Zu  lest  erslög  sie  Nin  ,  .  120 

d^  ir  sou  von  arte  w  .  . 

durch  daz  sie  ien  wolde  .  .  . 

mit  unwiblichen  dingen 

daz  d^  degen  ellenlhaft 

sich  hafte  in  ir  geselleshaft       125 


240       ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHRONIK 


sa  daz  er  bi  ir  lege 
linde  valslf  minne  plege 
mit  ir  alse  er  niht  solde 
da  er  des  niht  enwolde 

130  sie  wolde  ieme  han  geuo  . . .  c  lib 
dar  .  .  t  .  das  shuldehai" .  .  w  .  . 

agen  .  . 

2" 
in  dirre  zit  .  in   disen  dagen 
lebte  daz  lut  sa  sere 

135  nach  vehelicher  lere 
unmenshlicher  wid^  gole 
und  wid^  d^  uature  geböte 
daz  wib  noch  man  noch  nü  noch 

wib. 
..  ar.noch  meit.des  andern  lib 

140  da  vone  erkäte    man  noch  wib 
noch  dekeines  meshen  lib 
w^  ieme  zu  vat^  were  erkorn 
deme    iz    zu  kinde  wer  geboru 
niemanne  was  zu  rehte  erkät 

145  w^  iem  zfi  mage  wer  benant 
M)  den  shulde  .  umme  daz 
küde  ir  dekeinen  furbaz 
reht .  und  uature  leren 
von  liebe  ein  menshe  eren 

ISOl'flr  daz  and^  solhe  sile 
.  .  .  te  do  den  luden  mite. 
ane  die  ebreischen  diet 
der  leben  sich  von  ien  allen  shiet 
mit  reht"^  wandelüge  .  do 

155  diz  uf  al  der  erde  also 

unde  in  den   kuuegricben  da 
hie  vone  wart  do  zi  Sodoma 
unde  in  Gomorra  ffir  braht 
unde  wid^  d^  nature  erdaht 

leodie  unmensliche  sunde 
da  vone  inz   abgrunde 

166  nimar  .v.  67.  194  fehlt 


god  die  stede  erdraucte 

v\larbte  ufi  versande 

in  den   ewegen  dot 

d^  iamer  wHe  in  wernd''  not.     165 

Nach  den  beilege  shriften 

vvilich  den  meren  stifte 

zwa  stede  edele  und  riebe 

dar  zfi  gewaltecliche 

uffe  al  der  erden  alle  laut         170 

dienstes  mosten  sin  benant 

d^  wirt  die  eine  godes  stat 

die  vestecliche   unde  wol  besät 

wirt  an  disen  meren 

mit  den  godes  burger  .  .  175 

.  .  sint  semis  nacbk  .  .  en 

uz  den  allen  ist  genoi .  .  . 

2" 
phalecb  in  d^  shidunge  zit 
und   nach    iem  sin  gesiebte  sit 
alse  uch  ir   name   genenet  sint  ISO 
nach  dem  Tare    und    sine  kint 
Habraham  der  reine 
und  die  köue  alle  gemeine 
die  do   und  nach  den    zide  gar 
sin   nachkome   die  fruht  gebar.  185 
alse  uch  noch  wirt  b'nach  geseit 
die  stat  was  an  edelkeit 
die  ricb^  .  unde  an  hershaft 
die  mlder  .  dänoch  an  ir  kral't 
unde  wart    doch    sit   die   berrei'JO 
swie  hiene  were  die  merre 
die    ich    der  werlde    stil'ten  wil 
die  do  .  uud  nach  d"^  iare  zil 
mit  grozer  küneglich^  kral't 
waren  unde  hiezen  195 

unde  sich  da  nider  liezcn 
in  hcidenshe  riebe 
die  nenne  ich  alle  gliche 
ein  vers. 


ZWE[  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHRONIK       241 


der  werkle  bürgere 

200svvaz  voü  den  hie  die  mere 
saget  daz  sint  die  biwege 
en neben  d^   rechte   mere  plege 
die  uns  hie  sohl  bimeren 
vd  den  godes  bürgeren 

205  lür  sich  Cf  rehten  mere  ban 
die  mit  ir  meren  hebent  an 
unde  hiene  volget   uffe  ir  phat 
die  vö  d'  werltlichen  stat 
unde  vö  ir  bürgeren  seit 

210  ir  mere  in  rehter  warheit 
alse  uns  von  ien  die  mere  seit 
die  shrift  gewisser  warheit 
An  disen  meren  der  ich  han 
begünen  unde  her  gedan 

2l5rehte  in  rehter  rihte 
aue  umekreiz  mit  sHhte 
han  ich  kurzliche  her  geseit 
aue  vals  die  warheit 
mit   kurze  werten    uz  gesniten 

220  unde  al  die  ümerede  v^miten 
da  von  die  mere  lenget  sich 
d^  kurzen  flize  ich  g^ne  mich 

daz  des  de  bald^  vollenbraht 
weren  alse  ich  han  gedaht 

225  die  mere  die  ich  dihten  wil 
d'  rede  wurde  anders  gar  zu  vil 
che  ich  darnach  ich  sulde 
gar  voilesagen  wulde 
die  mere  die  mit  warheit 

230 die  beilege  shrift  darlne  seit 
doch  kome  ich  alse  die  warheit 

seit 
ie  uf  die  zil  der  warheit 


daz  man  da  bi  doch  wol  v^stat 
welch  ende  ein  ieslich  mere  hat 
vö  den  ich  hie  sprechen  wil     235 
zwa  werlt  d"^  urhab  .  und  (T  zil 
iian  ich  nü  gedihtet  hie 
kurzliche   und   doch    rehte  wie 
god  ietwederre  den  urhab 
von  er  gedahte  un  ende  gab.    240 

Wie  die   dritte  werlt   be 

sich  mit  dem  name  .  . 

daz  iz  auch  ist  ein  werlt  gena  .  . 

daz  wil  ich  machen    uch  bekat 

unde  uch   zu  warheit  brlgen      245 

wie  un  von  weihen  dingen 

die  zit .  un  undircheit .  d^  frist 

daz  ein  werlt  geheizen  ist 

ein  werlt  heizet  in  ir  meren 

daz  wil  ich  uch  beweren  250 

swene  al  der  w^lde  shipph^  go. 

und  sin  godelich  gebod 

wolde  mit  nuwen  sachen 

d^  wMde  ein  nuwez  machen 

daz  .  e  .  vö  den  ziten  nie  255 

geshach .  noch .  e .  davor  ergie 

daz  hiez  die  shrift  ein  w^lt  ie  sa 

Uli  eine  wädelüge  als  da 

god  d^  werlde  alrest  began 

und  mit  adame  deme  ersten  man  260 

geshüf .  al  der  mensheit 

ir   urhab   als  die  shrift   üs  seit 

daz  .  e  .  da  vor  nie  was  geshehe 

noch  befunden  .    noch   gesehen 

uz  wedeg  godes  wisheit  nie       265 

wieg...  nach  d\    da  die  zürgie 

eil  .    ...    d"^  stifte  mit  Noe. 


213  Fihnar  s.  66. 


242       ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCIIKOINIK 


Zweites 


V 


.  .  .  den  berc  was  kome 
.  .  .  ie  warheil  han  v^uÜDie 
.  .  eo  ob  im  geswinde 
zwei .  un   virzic  kiade 

5  die  ruften  in  spotliclieo  an 
ganc  uf  ganc  iif  h'  kalw^   man 
do  er  des  spottes  sich  v^san 
fluchen  er  in  do  began 
zehant  do  der  fluch  geschach 

10  zvvene  bern  man  kume  sach 
von  den  wurde  (so)  an  undMaz 
die  kint  z^zerrit  un  gaz 
helyseus  der  vil  gute 
der  was  in  gotis  hüte 

15  uü   quam  gegangen  da  bi 
ubir  den  berc  carmeh 
un  quam  zu  samaria  als  ich  las 
wan  do  sin  wonüge  was 
Do  Josophat  der  gute  man 

20  von  dem  ich  e.  geseil  hau 
gerihtet .  Juda  vur  war 
daz  kunicriche  ahzehen  iar 
do  wart  Joram  d^  w\le  helt 
in  IsrP  zu  kunige  erweit 

25  achabes  sun  nach  ochosia 
sinem  brudir  der  von  im  da 
rillte  das  kunicriche 
wil  gewaltecliche 
Joram  der  lebte  widir  got 

30  Uli  widir  der  e  gebot 
als  der  kuuic  Jeroboam 
davor  hate  getan 
sines  vatir  abgot  Raal 
(laz  z'brach  er  an  dem  mal 

35  un  siner  nmlir  frön  Jesabel 

1  IV  Hvff.  2,  23,  .y.  l'ilmar  s.  35. 


blau. 

doch  lebter  widir  siner  sei 

nu  betten  bi  den  ziten 

einen  kunic  die  moabiten 

der  was  geheizen  mesa 

der   muste  von   sime    lande  da  4U 

den   kunige  von    israhel    geben 

zins  für  sin  gut  uü  für  sin  leben 

er  gab  zins  den  ich  iu  wil 

nemeu  hie  an  disme  zil 

hundirt    tusint  wid^   uz   erkorn  45 

Uli  also  manic  schaf  unbeschorn 

die  rauste  er  iergelich  geben 

biz    daz   achab    vMos   sin    leben 

do  enwolde  er  sie  nit  me  geben 

er  wolde  e  vMiesin  sin  leben      50 

do  daz  if  kunic  Joram  v^nam 

in  sulchen  zorn  er  quam 

daz  er  von  sime  lande 

die  besten  do  besande 

un  wart  mit  iu  zu  rate  55 

Ome  diz  dinc  vil  drate 

vie  er  moab   in   kurzer  stunde 

der  kuuic  ubir  wunde 

er  woklis  groz  laster  hau 

sol  im  der  zins  abe  gan  6o 

der  sinem  vatir  wart  gegeben 

ez  muste  e  kosten  sin  leben 

er  besaute  sich  vil  wite 

un  sante  ouch  an  der  zile 

fime  helfe  zürne  kunige  Josapliat  G5 

uTi  hiez  im  sagen  die  getal 

der  sprach  ez  ist  mir  leit 

ich  bin  zer  helfe  sin  bereit 

unsir  mut  un  uusir  gut 

sal  iem^  sin  ein  mut  ein  gut     70 

1.  2.  3  fvc/i  im  per^unient. 


ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  VVELTCIIRONIK       243 


sie  suln  undir  uns  beiden 
iem^  sin  ungescheiden 
ich  kum  im  vil  schire 
Josaphat  de  fiere 

75  der  sande  zume  kunige  edou 
der  quam  ouch  im  uffe  geltis  Ion 
Sus  samenle  sich  m'  groz^  mäht 
das  her.     un  füren  siben  naht 
durch  gar  ein  wustez  lant 

SOYdumea  was  daz  genant 
un  was  ane  wazz*  gar 
des  quam  die  mehlige  schar 
un  ir  vihe  in  groze  not 
wan  ir  lac  vil  von  durste  tut 

85 do   clagete  Jorani  der  kunic  du 
uü  sprach  herre  wie  kumit  iz  so 
daz  du  so  gar  ane  wer 
dri  kunige  mit  richer  her 
in  der  moabiten  lant  wilt  geben 

90  un  wir  v^lisen  unsir  leben 
der  milte  kunic  Josaphat 
der  vant  do  einen  guten  rat 
er   sprach   uns  sol  des  ruchen 
daz  wir  heizen  suchen 

95  ob  nu  in  disen  tagen 
d^  gotis  reine  wissageo 
die  cheinir  undir  uns  si 
do  sprach  einer  unsir  ist  bi 
Heliseus  der  helyen 
100  dem  reinen  wandils  frien 
wazz^  an  sine  hende  goz 
er    ist  ouch   allis  wandils   bloz 
Do  gingen  die  kunige  so  zehät 
do  in  helyseus  wart  irkant 

r 

105  un  baten  an  der  stunt 

daz  in  sin  helfe  wurde  kuut 

do  entwrte  heliseus 

dem  kunige  von  isrP  alsus 


waz  gat  mich  ane  üme  din  clage 

heiz  dines  vatir  wissagen  110 

un  diner  mut^  helfin  dir 

swa  du  vvil  noch  diner  gir 

durch  den  kunic  Josaphat 

wan  er  ein  rehtiz  h'ze  hat 

so  wil  ich  tun  waz  er  vvil         115 

hiezent  mir  an  disem  zil 

her  gewinnen  einen  man 

d^  suz  gedone  machen  kan 

der  wart  zehant  dar  zu  im  braht 

von  dem  gedone  saz  v^daht       120 

un  von    den    nuten    allir  meist 

heliseus  daz  sin  geist 

entluchtet  u5   enzundet  wart 

daz  er  an  der  selben  varl 

in  Seite  gar  die  mere  125 

waz  in  kuuftic  were 

gat  hin  uf  des  baches  sant 

do  nu  stet  truchen  lant 

in  des  wazzers  übe 

do  machet  gruben  un   grübe     130 

got  sprichet  ich  wil  an  regensdo. 

in  geben  wazz^s  tiefen  floz 

darzu  alles  moabis  lant 

daz  wirt  stende  in  iuwer  ha  . , 

stete  Uli   bürge  ane  zal  135 

die  nemen  von  uch  grozen  .  . . 

iz  w^deot  von  uch  in  disen  lagen 

ir  bernden   hollz  abe  geslagen 

ir  veizen  ack^  w^dent  bedaht 

mit  steinen  gar  von  iuw^re  mah  . .  140 

ir  söde.    un  ir  brünnen 

die  sie  mit  gruzen  wunne^ 

tröken  die  w^denl  vSvurfen  gar 

von  iuw^re  mehligen  schar 

sus  seit  in  der  wissage  145 

morn  an  dem  andern  tage 

fru  an  des  morgens  zil 


244       ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCIIRONIK 


so  lies  opfirs  zil  gelit 

do  quam  ein  wazzer  ane  zal 

150  so  daz  die  gruben  ubir  al 
uTi  die  wege  wurden  vol 
das  liut  daz  e  in  leides  dol 
was  daz  wart  nu  alliz  fro 
daz  diz  geschehen  was  also 

l55Nu  waren  an  den  ziten 
die  beiden  moabiten 
T 


160.  .  eden  mit  freuelicher  baut 
.   .  u  waz    iz  rehte  an  dem  zil 
.  .  0  d^  sunne    uf  dringen  wil 
mit  sinen  liebten  glesten 
,  ie  sahen  daz  von  den  gesten 

165.  es  wazzers   floz   do    er  quam 
Uli   von  den  b^geu  nidir  ran 
gein  des  sunnen  blicke 
.  .  o  dubte  sie  dicke  un  dicke 
daz  wazz^  rot  uü  blutvar 

170 .. .  sprachen  wol  uldWiende  schar 
.  .  sich  undir  houwen 
.  .  wazzers  ouwen 
....  daz  vellet  so  do  her 
vindin  noch  unsers  h^zen  ger 

175.  .  e  alle  wut  (so)  odir  irslagen 
wir  sulin  gut  al  da  beiagen 
.  .  .  kerten  die  Moabiten 
.  .  .  israbelilen 
holde  uf  gewinnes  Ion 

180.  ..  .  horten  disen  don 
der  kunige  her  do  iz  lac 
vil  balde  iz  sich   zu  strite  wac 
wan  reble  an  den  zitcn 


do  die  moabiten 

.  .  wände  vindin  ane  wer  185 

was  daz  israbelische  her 
.  .  .  eitec  Uli  rittens  an 
tVeueliche  .  daz  lutzel  dan 
der  moabiten  cbeiner  quan 
wander  mit  snellirflubt  entran.l!»0 
sie  kerten  nach  in  in  daz  lant 
daz  wart  v^hert  un  v''braut 
un  swaz  in  mobte  wesen  leit 
als   iz  der  wissage  hatte   geseit 
daz   geschacb  in  alliz  da  195 

für  die  stat  sie  kerten  sa 
.  .  der  kunic  inne  was 

genas 

....  manges  bHes  Sturmes  not 
.  .  .  kunic  sluc  da  sinö  suu  da 200 
tot 

do  daz  geschacb 

daz    ez    daz  uzer  her  wol  sach 

do  twanc  sie  die  erb^mekeit 

un  des  kuniges  h^zeleit 

daz  sie  an  ime  sahen  205 

daz  sie  in  allen  gaben 

...  da  mite  erten 

hein  kerten. 

Do  Josaphat  tf  gute  man 

zu  JerPm  widir  quam  210 


byeu  nach  des  buches  sage 

daz  sin  helfe  was  bereit 

de  d'^  rehte  geloube  meit 

uTi   der  die   abgote  mlnete    me2l5 

<lanne  got  odir  gotis  e. 

diz  buch  seit  hie  furbaz 

das  bi  den  selben  ziten  was 


157.  158  7i?ir  einzelne  Imchslahen  zu  lesen.  15i*  i,'V/«s  verwisclit. 

KU  locli.  im  jiei'^avient. 


ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHRONIK       245 


ein  wip  die  twauc  groze  not 

220  von  gelte  do  ir  mau  was  tot 
sie  quam  zu  heliseo 
uü  reddete  mit  im  also 
herre  höre  mine  clage 
min  man  was  ein  wissage 

225  uü  vorhte  zu  allen  ziten  got 
un  hielt  euch  g^ne  sin  gebot 
nu  zerter  in  siuen  tagen 
so  vil  mit  andern  wissagen 
daz  er  mit  cheinir  ahte 

230  die  coste  vögelten  mohte 
sint  daz  er  nu  tot  ist 
so  quam  zu  mir  an  dirre  vrist 
ein  sin   gelter  daz  ich  im  gebe 
mine  kint  die  wil  er  lebe 

235  daz  sie  mit  eigentlicher  craft 
im  um'  sin  dinesthaft 
Do  sprach  helyseus 
zu  der  frouwen  alsus 
sage  mir  obe  behalten  hat 

240  diu  hus  dicheiner  slahte  rat 
do  sprach  die  vil  reine 
in  han  nit  wan  ein  cleioe 
oleis  do  mit  ich 
etteswenne  salbe  mich 

245  er  sprach  volge  mime  rate 
ganc  hin  heim  vil  drate 
bit  ume  nachgebure  diu 
lere  vaz  swaz  der  mac  sin 
heiz  dine  sune  helfen  dir 

250un  .  .  .  sie  nach  diner  gir 
mit  dem  olei  so  du  hast 
nieman  du  dar  zume  last 
besluz  din  tur  an  d'  slunt 
daz  ez  niemanne  w'de  kunt 

255  daz  geschach  sie  tet  also 

un  was  sin  ouch  von  h^zen  fro 

251.  252  loch  im  pergament. 


ir  vaz  die  wurden  alle  vol 
ez  vveren   buttichen  odir  dol 
Uli   was  des  oleis  ouch   nit  me 
von  dem  sie  hatte  gesaget  e .    2ßo 

2^ 
sie  quam  zu  helyse. 
uh    sprach  h're  ez  ist  ...  . 

gesch  

er  sprach  so  gebut  ich  dir 

ga  heim  an  alle  swere  265 

und  wer  din  geltere 

vollecliche  swaz  du  in  solt 

ez  si  Silber  odir  golt 

daz  andir  habin  dine  kint 

mit  dir  wan  sie  dir  lip  sint.     270 

Ez  quam  also  an  eime  tage 

nach  der  worheite  sage 

daz  heliseus  quam  gegangen 

do  er  wart  entpfangen 

von  eime  grozen  wibe  275 

an  wisheit  uii  au  libe 

was  sie  creftic  un   groz 

sie  spch  .  .  s  k .  . .  d  , .  gen  ,  z 

als  heilige  ich  irkante  nie 

du  Salt  bi  mir  bliben  hie  2S0 

ich  Uli  min  man  wir  wollen  sin 

Qmer  noch  dem  willen  din 

bi  ir  so  bleib  er  da 

daz  gute  wip  sprach  sa 

zir  man  wir  suln  im  machen    285 

mit  gemelichen  sachen 

eine  sundir  kemeuaten 

in  der  er  beraten 

werde  alles  des  sin  h'ze  gert 

des  ist  er  bi  namen  wert  290 

sus  wart  die  kam^e  im  bereit 

un  dor  in  vil  schone  geleit 

ein  bette  'm(so)  stul  ein  kerzestal 


246       ZWEI  BRUCHSTÜCKE  AUS  RUDOLFS  WELTCHUONIK 


ein  tisch  d^  wol  ubir  al 
295  mit  spise  dicke  wart  beleit 
do  diz  alliz  was  bereit 
do  bleib  vil  dicke  da 
der  gute  propheta 
sin  kneht  der  was  im  b  .  .  . 
300 der  waz  geheizen  Gezi 
ganc  hin  au  disen  ziten 
sprach  er  zu  sunamiteu 
uü  lade  sie  her  ze  mir 


hiez  mir  enbieteu  bi  dir 

ob  ich   dichein  dinc  tun  mü  .  .305 

daz    ir    zu    frume    od*    zu    ere 

d  .  .  .  e 
daz  kint  daz  gie  ze  haut 
ucz  die  sumiten  vant 
un  sprach   min  hVe  heliseus 
der  heizet  dich  fragen  alsus      310 
ob  dir  sin  dinst  iht  muge  frume 
od^  sin  rede  zu  staden  kume 


UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE   OSTER- 
FEIERN. 

III     AUS    BAMBERG. 

1)  die  erste  feier  fand  ich  in  einem  Troparium  et  sequenti- 
arium  s.  responsoria  et  sequentiae  auf  der  künigl.  hibliothek  zu 
Bamberg  (194  6//,  m  quart ,  Signatur  Ed.  v  9),  aus  der  hibliothek 
des  Bamberger  capitels  stammend,  dass  diese  pghs.  dem  \0  jh.  an- 
gehört, die  feier  somit  älter  ist  als  alle  bis  jetzt  bekannten, 
geht  aus  den  icorten:  Oltoni  serenissimo  imperatori  a  Deo  coro- 
nato,  magno  et  pacifico  uita  et  uictoria,  Redemptor  mundi,  tu 
illum  adjuua  hervor,  welche  sich  fol.  46^  in  der  gröfseren  litanei 
finden. 

Fol.  45": 

Ad  visitandum  sepulcrum  Presbyteri  vice  mulierum. 
Et  dicebant  ad  invicem  Ouis  reuoluet  nobis  lapi- 
d e m  ab  h o s t i o  m o  n  u m e n  t i ?    A e u i a ,  a e u  i a. 
Interrogatio  angeli: 
Quem  queritis  in  sepulchio,  christicole? 

Responsio: 
Jhesum  nazarenum  crucifixum,  o  caelicolac. 

Fol.  45''  Econtra : 
N  0  n  est  hie,    s  u  r  r  e  x  i  t    s  i  c  u  t  p  r  e  d  i  x  e  r  a  t ,    i  t  e ,    n  u  n  - 
ciate  quia  surrexit  de  aepulchro. 
Presbyteri : 

Surrexit  enim. 
T  e  d  e  u  m  1  a  u  d  a  m  u  s. 


ÜNGEDRÜCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        247 

2)  in  einem  Antiphonarium  cum  notis  antiquis  (pg-A*^,  128  t//., 
xnjh.,  signiert  Ed.  iv  2),  ebenfalls  aus  der  bibliothek  des  Bamberger 
capitels  stammend,  steht  die  zweite  feier.  sie  fällt  in  die  matutin. 
nach  den  üblichen  3  antiphonen,  3  psalmen ,  3  responsorien  (vgl.  die 
von  mir  Zs.  28,  119 — 129  veröffentlichten  feiern  ans  Fritzlar  und 
Nürnberg)  folgt  (die  hs.  ist  nicht  paginiert)  der  satz: 

Ad  tumulum    uenere    gementes  a.    Et   secum    aromata  por- 
lantes   a.    Aügelum  cliristi   sedenlem   in   uertice   saxi  a.    Vident 
et  factum    uacuum  corpore   locum.     Sed  virtute   pleruim.    aevia. 
Sodann: 
Ad  sepulchrum. 

Quem  queritis  in  sepulchro,   o  christicole? 
a.  Jhesum  nazarenum  crucifixum,  o  celicole. 
R.  Non    est    hie,     surrexit    sicut    p  redixe  rat,    ile, 

nuntiate  quia  surrexit  de  sepulchro. 
a.  Venite  et  uidete. 
a.  Cito  eun tes  dici. 
a.  Surrexit  dominus. 
Landes. 

3)  auf  der  Würzburger  Universitätsbibliothek  fand  ich  unter 
R.  X  15  eine  Bamberger  agende  von  1587,  welche  eine  doppelte 
feier  enthält,  eine  Commemoratio  dominicae  resurrectionis  in 
sancta  nocte  und  eine  Visitalio  sepulchri.  da  die  bis  jetzt  ver- 
öffentlichten agenden  entweder  mir  die  Commemoratio  oder  nur 
die  Visitatio  oder  zwar  beide,  aber  die  erstere  ohne  die  sequenz 
Victimae  paschali  und  Christ  ist  erstanden  (vgl.  Milchsack  Die 
oster- und  passionsspiele ,  Wolfenbüttel  1880,  anhang  i,  ni,  vi)  ent- 
halten, so  scheint  ein  abdruck  beider  feiern,  namentlich  auch  in 
anbetracht  der  ausführlichen  beschreibung ,  angemessen. 

Der  titel  der  agende  lautet:  Agenda  Bambergensis,  hoc  est 
Rituum  Ecclesiasticorum  secundum  usum  imperialis  ecclesiae 
episcopatus  Bamberg.  . . .  Jussu  et  auctoritate  .  .  .  Domini  Ernesti 
Episcopi  Rambergen,  edita  et  promulgata.  Ingolstadii  ex  ofücina 
typographica  Davidis  Sartorii  mdlxxxvii, 

(p.  585)  Ordo  celebrandi  commemorationem  dominicae  resur- 
rectionis in  sancta  nocte. 

Et  haec  quoque  Dominicae  Resurrectionis  commemoratio  ce- 
lebrioribus  seruit  Ecclesiis.  Unde  aliarum  Ecclesiarum,  utpote 
minorum  et  ruralium  Rectores  et  Parochi ,  ex  ordine  hie  descripta, 


248        UNGEDRUCRTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN 

aliquid  sallem  desuraere  possunt,    quod  pro  loci    et  personarum 
illic  convetiientium  qualitate  commodum  fore  iudicauerint. 

übi  igitur  Corpus  Doniini  in  Die  Parasceues  sepulchro  impo- 
situm,  iude  eleuandum  est,  sequens  seruetur  modus. 

(p.  586)  Circa  horam  noctis  huius  sacrae  undeciniam,  po- 
pulus  Christianus  ad  Sepulclirum  Domini  conveniat,  Sacerdos 
vero  superpelliceo,  stola  et  pluviali,  seu  cappa,  ut  vocant,  cho- 
rali  indutus,  e  sacrario  prodeat,  versusque  sepulchrum  lento 
gradu  pergat,  praecedenlibus  ipsum  duobus  ceroferariis,  unoque 
et  altero  Clerico,  similiter  superpelliceato  sequente.  Ad  sepul- 
chrum ubi  peruenerint,  in  genua  procumbant,  sicque  coram 
venerabili  Sacramento  sequentes  duos  Psalmos,  flexis  genibus, 
deuote  recitent. 

Ps.  ni  Domine  quid  etc. 

Gloria  Patri,  et  Filio,  et  Spiritui  (p.  587)  Sancto, 

Sicut  erat  in  principio  etc. 

Ps.  cxxxvni  Domine  probasti  me  etc. 

Gloria  Patri  wie  oben. 

Kyrie  eleison,  Christe  eleison,  Kyrie  eleison. 

Pater  noster  etc. 

V.  In  resurrectione  tua  Christe,  Alleluia. 

R.  Coelum  et  terra  laetentur,  Alleluia. 

(p.  591)  Oremus:    Gregem  tuam  etc. 

His  dictis,  aperiatur  sepulchrum,  fiatque  thurificatio  et  aquae 
benedictae  aspersio  super  venerabile  Sacramentum ,  et  paruam 
cruciüxi  imaginem ,  quae  utraque  deinde  Sacerdos  reuerenter  in 
mauus  capiat,  versusque  ad  popuium  sequentcm  Antiphouam  tribus 
vicibus,  voce  semper  altius  eleuata  incipiat,  ac  reliquum  Chorus 
prosequatur. 

Surrexit  dominus  de  sepulchro. 

Chorus: 
Qui  pro  nobis  pependit  in  ligno.     Alleluia. 

Postea  instiluatur  processio,  vcl  per  coemiterium,  vel  (si 
tutum  non  videbitur)  per  templi  ambitum,  hoc  modo: 

Primo,  praecedant  duo  ceroferarii  pracdicti,  (juos  immediate 
sequantur  duo  Sacerdotcs,  vel  Clerici,  portantes  eam  crucilixi 
imaginem  magnam,  quam  casula  coopertam,  in  die  Parasceues 
gestaverunt  duo  Sacerdotes.  Deinde  subsequatur  Sacerdos  cum 
venerabili  Sacramento  et  Sancta  cruce,  quae  utraque  paulo  ante 


ÜNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        249 

ex  sepulchro  leuauit,  Chorus  vero  cantet  Antiphonam  Cum  rex 
gloriae  etc.  Ubi  aii  primam  vel  proximam  templi  ianuam  ventum 
fuerit,  duo  Sacerdotes  praedicli  cum  stipite  cruci(^|).  593)fixi  tribus 
vicibus  fortiter  percutiant  ianuam,  huncque  in  modum  inter  per- 
culieodum  canteot: 

Tollite   portas,    principes,    vestras,    et    eleuamiui 

portae    aeternales. 
Chorus  quod  sequitur  canit: 
Et  introibit  rex  gloriae. 

Sit  deinde  aliquis  in  templo  (si  tarnen  extra  templum  pro- 
cessio  fit;  si  vero  in  templo  instituatur  processio,  sit  is  extra 
templum)  qui  Diaboli  personam  simulans  ferfp.  594)ro,  malleo  aiit 
cathenä,  fortiter  quoque  impingat  in  ianuam  eandem,  dicatque 
vel  clamet  alta  voce: 

Quis  est  iste  rex  gloriae? 

Mox  chorus,  vel  eo  deficiente,  Sacerdos  subiungat: 
Dominus    fortis    et    potens:      Dominus    potens    in 

praelio. 
Post  haec  chorus  in  incoepta,  et  paulo  ante  interrupta  Anti- 
phona  Cum  rex  gloriae  etc.  canere  pergat,  totaque  processio, 
ordine  praedicto,  versus  secundam  templi  ianuam  progrediatur, 
apud  quam  omnia  flaut,  uti  apud  primam.  Et  notandum ,  quod 
haec  utraque  ianua  mauere  debet  clausa. 

(p.  595)  Quando  vero  ad  ultimam  ianuam  venerint,  factis 
ibidem  quoque  iis,  quae  circa  primam  indicauimus:  aperiri  debet 
illa.  Per  quod  designatur,  vel  circumstanti  populo  ad  oculum  re- 
praesentatur:  quomodo  Christus  Dominus  post  passionem  suo  ad 
ioferos  descensu,  eum  iuferni  locum,  qui  Patrum  Lymbus 
dicitur,  aperuerit:  vel  quod  alibi  dicitur,  portas  aereas,  vel  vectes 
ferreos  confregerit,  suosque  captiuos  iude  liberauerit. 

Deinde  continuetur  Anliph.  Cum  rex  gloriae  etc.  usque 
ad  finem,  pergatque  processio  ad  chorum  templi:  Sacerdos  vero 
gradus  allaris  ascendat,  ibique  versus  populum  consistens,  ac 
Christi  corpus  adhuc  in  manibus  tenens,  cantet  tribus  vicibus. 
voce  semper  altius  eleuata: 

0  vere  digna  hostia 

Chorus:     Per    quam    fracta    sunt    tartara,    redempta 

plebs  captiuata,  redit  ad  vitae  praemia. 
Z.  F.  ü.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  17 


250        UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN 

Addatur  deinde  eiusdem  Hymni  ultimus  versus,  Sacerdote 
incipiente: 

Gloria  tibi  D  o  m  i  n  e 

Chorus :     Qui   surre xisti    a    mortuis,    cum    Patre    et 
sancto    Spiritu,    iu  sempiterna   saecula.     Ameu. 
Sub  hoc    ultimo  versu,   Sacerdos,   facto  signo  crucis  super 
populum  cum  veuerabili  (p.  597)  Sacramento,  portet  illud  ad  suum 
locum,  in  quo  conseruari  solet,  chorus  vero  incipiat: 
Victimae  pasch  ali  lau  des  etc. 

Et  post  quemlibet  versum,  ioserat  unum  tantum  paschalem 
germauicum,  quem  populus  quoque  celebriter  decantet.  Sitque 
primus 

Christ  ist  erstanden  etc. 

Post  haec  incipiantur  Matutinae,  atque  secundum  ritum  in 
Breviario  nostro  descriptum,  absolvantur. 

Ordo  visitaudi  sepulchrum  Domini. 
Visum  est  pro  celebrioribus  Ecclesiis,  aliunde  petere,  atque 
hunc  in  locum  ponere  modum  quendam,  quo  Visitationis  Se- 
pulchri  Dominici  commemoratio  pie  celebrari  potest.  Ubi  no- 
tandum  est,  quod  in  templo  designari,  atque  tapete,  vel  anti- 
pendio  claudi  debet  locus  quidam  ad  (p.  598)  repraeseutandum 
Christi  Sepulchrum  conueniens,  in  quo  inter  caetera  Stratum  iaceal 
linteum,  seu  sudarium  album  et  subtile,  designans  syndonem,  quo 
Christi  corpus  mortuum  inuolutum  fuit,  quod  relicta  iam  ibi 
syndone,  redeuiuum  ex  sepulchro  siirrexit. 

Peractis  igitur  Matutinis,  instituatur  processio  ad  sepulchrum, 
in  qua  cantetur  Responsorium  de  Resurrectione,  quod  in  Matu- 
tinis fuit  ultimum,  videlicet:  Dum  transisset  sabbatum  etc. 
Adsint  deinde  pueri,  qui  tres  Marias  sepulchrum  visitantes,  item 
Angelos  quoque,  et  Apostolos,  tum  voce,  tum  etiam  habitu  ex- 
terno  repraesentent. 

Primo  igitur  tres  pueri  a  choro  versus  sepulchrum  prodeunies, 
tres   illas   mulierculas    deuotas,    atque   ob  lapidem    ostio   monu- 
menti  admotum,  anxias  dosignantes,  querula  voce  cantent: 
Q u i s    r e u  0  hl  e  t    n  o b i s    ab    ostio  lapidem,    quem    le- 
gere s  a  n  c  t  u  m  c  e  r  n  i  m  u  s  sepulchrum? 
Angeli  in  sepulchro  autem  cantent  sequenti  modo: 
U  u e m   q u a c r i t i s ,    ö    t r e m u  1  a e   m u  1  i e r e s ,    in  hoc  t u - 

mulo  plorantes? 


UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        251 

Respondeant  Mariae  iterum  in  choro: 
(p.600)  Jesum  crucifixum  nazarenum  quaerimus. 

Respondeant  Angeli  de  sepulchro,   cantantes: 
Non  est  hie,  quemquaeritis,  sed  cito  euntes  nun- 
ciate  discipulis  eins  et  Petro,  quia  sur- 

rexit  Jesus. 
(p.  601)   Interim    dum   Angeli    hoc    cantant,    muheres   se- 
pulchro appropinquent,  Angeli  vero  illud  subito  aperientes,  atque 
mulieribus  monstrantes,  alacri  voce  cantent: 

Venite  et  videle  locum  ubi  positus  erat  Dominus. 

AUeluia,  Alleluia. 
Tunc  mulieres  penitius  intueantur  sepulchrum,  indeque  re- 
cedentes  cantent: 

Ad  monumeutum  veuimus  gementes  (p.  Q(\2),  Ange- 
lum    Do  mini    sedentem    vidimus    et   dicen- 
tem:     Quia  surrexit  Jesus. 
Veniant  denique   in   persona  Joannis   et  Petri  Apostolorum 
duo  alii  celeri  gressu,   unoque   alterum   praecurrente   ad   sepul- 
chrum,  et   postquam    illud   intuiti  fuerint,   cantent  etiam  quae- 
rula  voce: 

Ceruitis,  o  socii,  ecce  linteamifp.  603) na,  et  suda- 
rium,    et  corpus  non  est  in  sepulchro  in- 

uentum. 
Postremo  chorus  ter  cantat,  et  subinde  altius,  incipit  hunc 
Versum : 

Surrexit    Dominus    de    sepulchro,    qui    pro    nobis 
pependit  in  ligno,  Alleluia. 
(p.  604)  Postremo    potest  chorus  populo   iterum  praecinere 
cantilenas  pascales  Germanicas. 

IV  AUS  TRIER. 

Die  feier  ans  Trier  fand  ich  im  britischen  museum  zu  London 
in  einem  Liber  officiarius  Ecclesiae  Treverensis  Collegii.  die  hs.pg. 
40  (Hart.  2958)  gehört  dem  xni  jh.  an.  sie  stimmt  im  loesentlichen 
mit  den  von  Milchsack  (aao.  p.  58  ff)  unter  0  und  P  veröffent- 
lichten feiern  überein,  und  liefert  einen  netten  beweis  (vgl.  die 
feier  aus  Rheinau  in  meiner  abhandlung  über  die  lat.  osterfeiern 
im  osterprogramm  der  realschule  zu  Halberstadt  1881  p-üf)  dafür, 
dass  dieser  typus,  entgegen  der  ansieht  Milchsacks,  auch  aufserhalb 

17* 


252        U^GEÜRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN 

Frankreichs  begegnet,  es  sind  mir  noch  mehrere  denkmäler  der- 
selben art  bekannt,  von  denen  ich  einige  unter  'Eichstätt'  mitteile, 
(f.  37^)  Finito  responsorio  [lertio]  et  versu  cum  Gloria 
patri,  reincipiat  cantor  idem  Resp.  D u m  transisset  et  egre- 
diatur  processio  ....  tres  domini  egrediantur  ....  et  vadanl  vi- 
sitare  sepulcrum.  Cum  autem  perveniunt  ad  sepulcrum,  inuenire 
debeut  duos  sacerdotes  iudutos  dalmaticis  in  sepulcro,  unum  ad 
Caput  et  alium  ad  pedes.  Qui  dicaut  venientibus: 
Quem  queritis  in  sepulcro,  o  christicole? 

Respondere  debent: 
Jhesum  nazarenum  crucifixum,   o  celicole. 

Dcinde  dicere  debent  intra  sedentes: 
Non  est  hie,    surrexit  sicut  predixerat,     Ite,    nun- 
ciate    quia    surrexit,    venite    et    videte    locum 
ubi  posilus   erat   dominus,    alleluia,    alleluia. 
Deinde  accedant  dominici  tres  et  sudarium  recipianl. 
In  sepulcro  vero  sedentes  dicant: 
Cito    euntes    dicile    discipulis    eins   quia    surrexit 

dominus,    alleluia. 
Recedant  slatim   illi   tres  ad   gradus  crypte,    ibi   manentes, 
cantent  primos   tres  versus    de   sequentia    Victime    paschali 
insimul.     Quibns  versibus  sie  canlatis  chorus  cantet: 

Die  nobis,  maria,  quid  vidisti  in  via? 
et  tunc  procedant  dominici  tres  usque  ad  tumbam  tbeodorici  archi., 
ibi  respondeat  iterum  unus  ex  tril)us: 

Sepulcrum  cliristi  viuentis  et  gloriara  vi.    re. 

Sequitur 
Angelicos  testes,  sudarium  et  vestes. 

Cum  dicitur  hoc  verbum  sudarium,  eleuent  omnes  tres  su- 
darium. 

Tercius 
Surrexit  christus,  spes  mea, 

Chorus 
C  r  e  d  e  n  d  u  m  est  m  a  g  i  s 
et  finiat  scquencia.     Redeundo  in  chorum  cantor  incipiat: 
a.  Et  recordate  sunt  verhör  um  eins. 

Et  cum  in  chorum  peruenerint,  finita  aniiphona,  incipiat  maior 
T  e    (]  e  u  m  1  a  u  d  a  m  u  s. 


UNGEDRÜCKTE  LATEIMSCHE  OSTERFEIERN         253 

V    AUS  CÖLN. 

Auch  eine  Cölner  feier  fand  ich  auf  dem  britischen  museum. 
ein  abdruck  dürfte  sich  um  so  mehr  empfehlen,  als  noch  keine 
lat.  osterfeier  ans  Cöln  bekannt  ist  (aus  Trier  war  ebenfalls  noch 
keine  veröffentlicht),  die  pghs.  (Add.  31913)  4*^,  293  blL,  an  fang 
des  xuijhs.,  brevier,  stammt  aus  Cöln,  wie  der  kalender  fol.  l — 7 
erweist,  nach  den  üblichen  psalmen,  antiphonen  und  responsorien 
folgt  unmittelbar  hinter  dem  3  responsorium: 
(f.  263'')  Ad  sepulcrum. 
Quis  reuoluet   nobis  lapidem  ab  ostio  monumenti? 

aevia,  aevia. 
Angelus: 
Quem  queritis  in  sepulchro,  o  christicole? 

Marie : 

Jhesum  nazarenum  (f.  264')  crucifixum,   o  celicole. 

V.  Nonesthic,  surrexit  sicu  t  pred  ixerat,  ite,  nun- 

tiate  quia  surrexit  de  sepulchro.     Venite   et  ui- 

dete    locum    ubi    positus    erat    dominus,    aevia, 

aevia. 
V,  Surrexit   dominus    de   sepulchro   qui    pro   nobis 

pependit  in  ligno,  aevia. 
ps.  Te  de  um  laud. 

VI    AUS  EICHSTÄTT. 

Die  beiden  ersten  Eichstätter  feiern  wurden  mir  diirch  die 
gütige  Vermittlung  des  herrn  geistl.  rats  Schlecht  zu  Eichstdtt  zu- 
gänglich gemacht  (sie  befinden  sich  auf  der  dortigen  königl.  biblio- 
thek),  die  beiden  letzten  entdeckte  ich  auf  der  königl.  Staatsbibliothek 
zu  München. 

1)  die  erste  feier,  einem  Sacerdotale  juxta  S.  Romauae  ecclesie 
etc.  Venetiis  apud  Joannem  Doriscum  et  socios  1560.  4°  (königl 
bibliothek  zu  Eichstätt  H  i  86)  entnommen ,  ist  dadurch  besonders 
interessant,  dass  die  kreuzeserhebung  und  die  \isilAiio  sepulcri  zu 
einer  feier  verbunden  sind,  was  sich  in  keinem  der  bis  jetzt  ver- 
öffentlichten denkmäler  widerfindet. 

(f.  255^j  De  processione  in  nocte  paschae  ante  matutinum 
ad  sepulchrum  Christi. 

Die  sancto  resurreclionis  cum  fuerit  pulsalum  ad  matutinum, 


254        UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN 

antequam  populus  intret  ecclesiam,  sacerdos  cum  cruce,  et  tliii- 
ribulo  apparatus  superpelliceo,  stola,  et  pluviali,  praecedentibus 
cereis  acceasis,  et  sequente  toto  clero:  cum  reverentia  aperto 
sepulchro,  accipiat  corpus  domioi  et  portet  illud  in  loco  sacrarii : 
ubi  sacrosanctum  sacramentum  seruari  consueuit.  Et  interim 
chorus  cantet  sequentes  psalmos,  vel  aliquem  eorum. 

Psalmus :    Domine  quid  multiplicati  sunt  etc. 

Gloria  patri,  et  fllio,  et  spiritui  sancto. 

Antiphona:    Domine  probasti  me,  et  cognouisti  me. 

Psalmus:    Miserere  mei  deus  etc. 

(f.  256')  Gloria  patri ,  et  filio ,  et  spiritui  sancto.  Sicut  erat 
in  principio.  Finitis  psalmis  sacerdos  praecedentibus  cereis  et 
tburibulo,  corpus  domini  portet  ad  sanctuarium  suum ,  sequente 
clero  et  cantante  Responsorium:  Surrexit  pastor.  Et  se- 
pulcbrum  patenter  dimittatur  apertum. 
Responsorium  : 

Surrexit  pastor  bonus  qui  animam  suam  posuit  pro  ouibus 
suis,   et  pro  suo   grege   mori  dignatus   est:     Alleluia.     Alleluia. 
Alleluia. 
Versus : 

Surrexit  dominus  de  sepulcbro  qui  pro  nobis  pependit  in 
ligno.     Et  pro  suo. 

Tunc  sacerdos  faciens  officium  stans  cum  sacerdotibus  in 
choro  dicit  versum : 

Surrexit  dominus  vere,  alleluia. 
Responsorium:  '.""\ 

Et  apparuit  simoni,  alleluia. 

Oremus. 

Oratio :    Omnipotens  sempiterne  deus  etc. 

Oratio:    In  memoriam  et  laudem  gloriose  etc. 

Oratio:    Domine  iesu  christe  propter  hoc  gaudium  etc. 

(f. 251")  Orationibus  finitis  sacerdos  corpus  domini  reuerenter 
thurificet.  Et  dum  praedictae  orationes  dicuntur,  duo  diaconi 
parentur  cum  dalmaticis  albis,  et  in  ecclesia  remaneant.  Sacerdos 
aulem  paratus,  ut  supra,  cum  toto  clero  exeat  per  portam  ecclesiae 
minorem,  maiori  porta  clausa  relicta:  et  veniant  ad  portam 
maiorem  ecclesiae  cantando  Responsorium:  Dum  transisset 
sabbatum:  et  cum  illuc  peruenerint,  sacerdos  accedit  ad  portam 
clausam,  et  clerus  circumstat  eum. 


UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        255 

(f.  257'')  Et  dum  peruenerint  ad  fores  ecclesiae,  complelo 
responsorio,  cum  versu  et  replica,  plebanus,  vel  sacerdos  paratus 
pulsat  ad  oslium  manu,  vel  cum  cruce,  dicens  sonora  voce  in 
tono  lectionis: 

Attollite  portas,    principes,   vestras:    et   eleuamiui 
porte  aeternales:    et  introibit  rex  etc. 
Et  pro  ista  prima  pulsatione,   illi  deintus  nihil  respondent. 
Et   facto  modico  interuallo,   sacerdos  iterum  vehementius  pulsat 
oslium,  dicens  voce  altiori,  in  tono  lectionis: 

Attollite  portas,   principes,  vestras,   et  eleuamini 

porte  aeternales  etc. 
Et  illi  deintus   nihil  respondent.     Et  tunc   sacerdos  modico 
interuallo  facto  iterum  in  eodem  tono,  sed  altius  quam  secundo 
pulsans  fortiter  ostium  ecclesiae  dicit: 
Attollite  portas  principes  etc. 

Tunc  illi  diaconi  deintus  statim  cantando  respondent: 
Quem  queritis  in  sepulchro,  Christicole? 

Et  illi  deforis  respondent: 
Jesum  nazarenum  crucifixum,  o  celicole. 

Et  iterum  iUi  deintus  respondent: 
Non  est  hie,   surrexit  sicut  praedixerat:   ite,  nun- 
ciate  quia  sur(f.  2580rexit  a  mortuis. 
Hoc  finito  qui   deintus   sunt  aperiant   portam   ecclesiae,   et 
omnes  ingrediantur.     Et  iterum  dicant  qui  deintus  erant: 

Venite  et  videte  locum:    ubi  positus  erat  dominus. 

Alleluia.     Alleluia. 
Et  cum  fuerint  portam  ingressi,  firment  se  omnes  et  diui- 
dant  se  per  choros.     Tunc  plebanus  vadat   ad  sepulchrum,   et 
ponat  Caput  in  fenestra  sepulchri,  et  postea  conuersus  ad  popu- 
lum  dicat  voce  mediocri: 
Surrexit  Christus. 
Chorus  respondeat: 
Deo  gratias. 

Quo  dicto  plebanus  procedat  aliquantulum  versus  populum: 
et  exaltet  vocem  altius  quam  primum,  et  dicat: 
Surrexit  Christus. 
Chorus  respondeat: 
Deo  gratias. 

Iterum    tertio   plebanus   procedat  versus   populum  aliquan- 


256        UNGEDRÜCRTE  LATEINISCHE  OSTERFElERiN 

tulum:    et    exaltata    voce    adhuc    allius    quam    secundo    l'ecerat, 
dicat: 

Surrexit  Christus. 

Chorus  respondeat: 
Deo  gratias. 

Quo  facto  omnes  procedant  ad  sepulchrum,  et  faciant  choros 
hie  et  inde.  Tunc  plebanus  vadat  ad  ostium  sepulchri,  et  statim 
retrocedat  versus  choruni,  et  det  pacem  primo  sacerdoti ,  seu 
clerico,  vel  domino  terrae,  si  ibi  fuerit,  et  dicat  voce  submissa: 

Surrexitdominus. 
et  ille  respondeat: 
Deo  gratias. 

Deiüde  omnes  sibi  mutuo  dent    pacem  dicentes: 
Surrexit  dominus. 

Et  ille  cui  pax  (f.  258'')  datur,  respondeat: 
Deo  gratias. 

Poslmodum  vadant  omnes  ad  altare  beatae  virginis  proces- 
sionaliter:  et  coram  altari  genuflexi,  sacerdote  incipiente  anti- 
phonam 

Regina  celi 
eam  totam  cantent  pro  gaudio  resurrectiouis  filii  sui  domini  nostri. 
Autiphona: 
Regina    caeli    letare.      AUeluia.      Quia    quem    me- 
ruisti  portare.     Alleluia.     Resurr exit  sicut 
dixit.    Alleluia.    0  ra  pro  nobis  deum.    Alleluia. 
Versus : 
Ora  pro  nobis  sancta  dei  genetrix  alleluia. 

Responsorium: 
llt  digni  efficiamur  promissiouibus  Christi,  Alleluia. 
Oremus. 

Oratio:    Deus  qui  per  unigeniti  filii  tui  domini  nostri  Jesu 
Christi  resurreclionem  etc. 
Oremus. 

Oratio:     Gratiam  tuam  quesumus  domine  etc. 

Ilis  finitis  revertantur  ad  chorum,  et  cantent  malutinas. 

Da   von    den   3  übrigen  feiern   aus  Eichstätt  die  beiden  auf 

der    Münchner    Staatsbibliothek    (8"  118:    Breviarium    cathedralis 

ecclesic  Eysletensis,  ohne  Jahreszahl,  und  8*^293:    Diurnale  se- 

cundum  Breviarium  Eysteteuse  1569,   fol.  651)   mit  der  auf  der 


UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        257 

Eichstätter  bibliothek  wörtlich  übereinstimmen,  so  ist  ein  besonderer 
abdruck  derselben  überflüssig. 

2)  der  titel  des  Obsequiale  (Eichstätt  H  i  79),  welchem  die 
folgende  feier  entnommen  ist,  lautet:  Reverendissimi  in  Christo 
patris  D.  Chrislophori  pie  memorie  Episcopi  Eisteten,  iussu  in- 
choalus  est  über  iste  obsequiorum  Ecclesie ,  absolutus  vero  electo 
iam  Reverendissimo  D.  Mauritio  ab  Hütten:   et  Dens  bene  vertat. 

MDXXXIX. 

(f.  148')  Ordü  in  feslo  sancto  Pasce. 

Item  ante  matutinum  itur  ad  sepulchrum,et  canuutur  antiphone 
subscripte.    Et  tres  domini  simul  canlenl  primam  antiphonam: 
Ad  monumentum  veniraus    gementes,   angelum  do- 
rn i  n  i  s  e(f.  1 4&'')d entern  vidimus  etdicentemquia 

surrexit  Jhesus. 
Primus  eorum  incipit: 
Surrexit  dominus  de  sepulchro,  qui  pro  nobis  pe- 

pendit  in  ligno,  alleluia. 
(f.  149^)  Secundus  eorum  incipit: 
Surrexit  Christus  et  illuxitpopulosuo,  quem  red- 
emit  sanguine  suo,   alleluia. 
Tertius  eorum  incipit: 
Venit  Maria   nuncians   A\(f.  149'')sci  pulis    quia   vidi 

dominum,  alleluia. 

Deinde  legantur  orationes  que  in  parasceue  legebantur  ante 

crucem  flexis  genibus  sc.    'Domine  Jhesu  Christe.'     Fmitis  ora- 

tionibus  portatur  corpus  Christi  ad  chorum  seu  ad  locum  suum 

deputatum,  et  canitur  antiphona  subscripta  submissa  voce: 

Cum    rex    glorie    Christus    infernum    debellaturus 

intraret  etc. 
(f.  150')  Deinde  fit  pulsus  campanis  et  matutinum  peragitur 
more  suo.  Et  finito  tercio  responsorio  reincipitur  et  cum  eodem 
itur  ad  monasterium  ,  et  canitur  ipsum  responsorium  totaliter  sine 
versu.  Quo  finito  precentores  cum  cantore  cantent  ante  se- 
pulchrum : 

(f.  150'')    Quis    revoluet    nobis    ab    hostio    lapidem, 
quem  tegere  sanctum  cernimus  sepulchrum? 
Duo  scholares  in  sepulchro  respondent: 
Quem  queritis,  o  tremule  (f.  151")  mulieres,  in  hoc 

lumulo  gementes? 


258        UNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN 

Precentores  respondent: 
Jhesum  nazarenum  crucifixum  querimus, 

Scholares  respondent: 
Non  est  hie,  quem  quer itis  f/".  151''),  sedcilo  euntes 
nunciate    discipulis    eius    et  Petro   quia  sur- 

rexit  Jhesus. 
Duo  scholares  exeant  de  sepulchro  cum  linlheo,  quod  osten- 
dant  precentoribus  et  cantent: 

Venite  etvidete  locum  ubi  (f.  152^)  positus  erat  do- 
minus, alleluia. 
Post  hoc  precentores  reuertuntur  ad  monasterium  et  cantent: 
Ad   monumentum  venimus    gementes,    angelum  do- 
min i  s  ef/".152''}d entern  vidimuset  die entem  quia 

surrexit  Jhesus. 
Finita  hac  antiphona  Chorus  incipit  Sequentiam: 
Victime  paschali  laudes  immolent  Christiani. 
Agnus   redemit  oves;    Christus   innocens   patri  re- 

conciliauit  peccatores. 
Mors    et    vita    duello    conflixere    mirando;    dux 

vite  mortuus  regnat  viuus. 
Die  n  of/".  153^)bis,  Maria,  quid  vidisti  in  via? 

Unus  precentorum  respondet: 
Sepulclirum    Christi    viuentis    et    gloriam    vidi 

resurgentis. 
herum  chorus  canlat: 
Die  nobis,  Maria,  quid  vidisti  in  via? 

Alter  precentor  respondet : 
Angelicos  testes,  sudarium  et  vestes. 

Chorus  tercio  repelit: 
Die  nobis,  Maria,  quid  vidisti  in  via? 

Cantor  respondet: 
Surrexit  Christus,  spes  mea,   precedet  suos  in 

Call  ilea. 
Deinde  sequentia  finitur  per  chorum : 
Credendum    est  magis  soli  Marie  veraci,    quam 

iudeorum  turbe  faljaci. 
Seimus  Christum  surrexisse   ex  mortuis   vere, 
tu   nobis,    Victor,    rex,   miserer e. 


LiNGEDRUCKTE  LATEINISCHE  OSTERFEIERN        259 

Finita  Se(f.  153'')quentia  canitur: 
Te  Deum  laudamus. 

Et  canuntur  laudes  ut  in  breuiario. 
Halberstadt.  C.  LANGE. 


ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS 
PROCESS. 

Der  process,  in  welchen  meüter  Eckhart  wegen  seiner  lehren 
verwickelt  wurde ,  hat  unser  volles  inler'esse  und  jeder  noch  so  ge- 
ringe heitrag,  der  seinefi  verlauf  in  ein  helleres  licht  zu  setzen  ver- 
mag,  ist  von  wert,  so  bieten  die  unten  veröffentlichten  documente 
zwar  nicht  viel  des  neuen ,  doch  scheint  insbesondere  das  als  nr  i 
publicierte^  nicht  unwichtig,  da  es  zugleich  die  Stellung  des  domi- 
nicanerordens  zu  dem  meister  schärfer  kennzeichnet,  in  diesem 
schreiben  erhebt  der  Stellvertreter  des  procuralor  generalis  der  do- 
minicaner  bei  dem  papste  klage  über  die  Ordensmitglieder  Hermann 
de  Summo  und  Wilhelm:  sie  hätten  sich  in  der  Untersuchung  des 
erzbischofs  von  Köln  wider  Eckhart  auf  die  seite  der  commissäre 
des  ersteren  gestellt  und  Eckhart  der  haeresie  sowie  anderer  dinge 
angeklagt;  auch  der  vicar  der  deutschen  ordensprovinz  sei  des- 
halb von  ihnen  verleumdet  worden;  jetzt  wären  sie  in  derselben 
absieht  sogar  zur  päpstlichen  curie  abgereist,  beide  seien  jedoch 
nichtswürdige  subjecte,  welche  schon  seit  langer  zeit  angesehene 
mitglieder  der  deutschen  ordensprovinz  durch  wort  und  schrift  in 
üblen  ruf  brächten ,  während  sie  selbst  einen  unmoralischen  lebens- 
wandel  führten  und  ihren  oberen  widerholt  gerechten  anlass  zur 
strafe  geboten  hätten;  überdies  stehe  zu  befürchten  dass  sie  in  die 
Lombardei  zu  Ludwig  dem  Baiern  sich  hegeben  würden,  der  papst 
möge  dieselben  daher,  sobald  sie  nach  Avignon  gekommen,  fest- 
nehmen lassen  und   ihren  vorgesetzten   zur  bestrafung  ausliefern. 

*  es  befindet  sich  im  Fat.  aj'ciiiv  C  fasc.  1  Tzr  9  mtf  zwei  losen  papier- 
blättern in  quart.  die  schrift  ist  der  abfassting  gleichzeitig,  höchst 
wahrscheinlich  liegt  darin  das  an  Johann  xxii  eingesandte  original- 
schreiben vor.  auf  dem  timschlage  findet  sich  von  späterer  hand  eine 
noiiz,  welche  das  docnment  i?i  das  jähr  1325  —  wie  sich  später  zeigen 
wird,  zu  früh  —  setzt,  ich  habe  nur  diejenigen  abschnitte  daraus  mit- 
geteilt^ welche  sich  auf  Eckhart  beziehen  oder  das  verfahren  der  in  dem 
actenstücke  angeklagten  beiden  religiösen  gegen  ihn  characterisieren. 


260     ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECRHAUTS  PROCESS 

Der  eine  der  beiden  augeschuldigten,  Hermann  de  Summo,  ist 
nicht  unbekannt,  er  wird  in  zwei  acten  des  processes  als  zeuge 
aufgeführt. '  diesen  umstand  berilhrt  auch  die  vorliegende  anklage, 
in  welcher  es  von  ihm  heifst:  aliquando  gessit  persouam  actoris, 
aliquando  assessoris,  aliquando  testis.  aufser  mit  Eckhart  war 
Hermann  besonders  mit  Nicolaus  von  Slrafsburg  in  collision  ge- 
raten, welcher  vom  papste  zum  vicarius  leutoniae  speciell  in  Eck - 
harts  angelegenheit  bestellt  worden  war.  der  verleumderische  religiöse 
hatte  aus  räche  für  eine  von  Nicolaus  seile  erhaltene  wolverdiente 
strafe  denselben  denunciert  und  damit  seine  excommunication  be- 
würkt.  durch  diese  interessante  notiz  erfährt  eine  bisher  nicht 
ganz  verständliche  tatsache,  welche  die  vier  fraticellen  Heinrich 
von  Thalheim,  Franz  de  Appomano ,  dictus  de  Esculo,  Wilhelm  de 
Occam  und  der  converse  Bonagratia  de  Pergamo-  mitteilen,  ihre 
aufklärung.  diese  berichten  nämlich,  Nicolatis  sei  als  fautor  et 
dcfensor  maximus  fratris  Aycardi  et  haeresium  suarum  bei  den 
erzbischöflichen  comniissären  in  Köln  verklagt  worden;  man  habe 
ihn  dann  als  solchen  gerichtet  und  dem  papste  davon  meidung  ge- 
macht.'^ offenbar  handelt  es  sich  hier  um  denselben  Vorfall,  auf 
welchen  in  unserer  Urkunde  angespielt  wird,  zumal  das  ereignis  — 
famosum  et  satis  publicum  nennt  es  das  document  —  öffentlich 
bekannt  geworden  war.  beide  berichte  ergänzen  sich  und  ergeben 
dass  Hermann  de  Summo  nicht  nur  Eckhart ,  sondern  auch  Nico- 
laus  —  diesen  a^is  räche  —  verdächtigt  hatte  und  dass  daraufhin  der 
vicar  excommuniciert  wurde,  übrigens  ist  Nicolaus  bald  darauf 
von  Johann  xxii  de  facto  dispensiert  worden,  um  auf  dem  pfingsten 
1327  in  Perpignan  abzuhaltenden  generalcapitel  als  definitor  er- 
scheinen zu  können:  wir  erfahren  das  ebenfalls  von  jenen  fra- 
ticellen. 

'  in  den  von  Preger  nach  einer  niclit  gu7iz  fehlerfreien  abschrift 
Pfeiflers  edierten  stücken  l  und  4  (.Ibliandl.  der  bair.  academie  der 
tvissensefiaften  m  ct.  xi  band  2  abt.). 

2  im  cod.  /a^4üOS  Z»/.  89"  findet  sich  der  passus:  allegationes  reli- 
giosorum  fiatruni  Henrici  de  Tlialhem,  Fiancisci  de  Appomano  diclo  de 
Esculo,  Guillelmi  de  Ocham  in  sacra  pagina  magistrorum  et  fratris  Bona- 
gratie  de  Pergamo  conversi  et  utriusque  juris  perili.  diese  allegationen 
wenden  sich  sämmtlich  gegen  Johann  xxn  und  neh7nen  in  der  hs,  ge- 
raumen platz  ein. 

^  das  betreffende  Schriftstück  ist  nach  einer  abschrift  Pfeiffers  ab- 
gedruckt in  Pregers  Geschichte  der  mijstik  i  4S3. 


ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECRHARTS  PROCESS     261 

Noch  über  ein  anderes  factum  gewinnen  rvir  aufschluss.  die 
fraticellen  schreiben  nämlich,  der  papst  habe  einen  dominicaner  er- 
greifen und  gefangen  setzen  lassen,  welcher  ihm  vom  erzbischof 
von  Kohl  zugeschickt  worden  sei  ad  persequendum  dictum  crimen 
heresis  contra  predictos  fratres  Aycardiim  et  Nicolaum.  dieser 
religiöse  ist  wol  Teein  anderer  als  Hermann  de  Sximmo:  erinnern  wir 
uns  nur  dass  der  Stellvertreter  des  procurator  generalis  sich  mit 
der  bitte  an  den  papst  gewendet  hatte ,  Jenen  Ordensbruder ,  welcher 
zu  der  curie  käme  siib  pallio  expugnationis  heresum  magistri 
Eycardi,  festzunehmen,  dieser  wink  war  also  nicht  ohne  würkung 
geblieben. 

Hermann  schlug  sich  zu  der  meister  Eckhart  feindlichen  partei, 
weil  er  auf  diese  iceise  den  erzbischof  zum  beschiUzer  erhielt  und 
von  Nicokms ,  dem  mit  recht  gegen  ihn  erzürnten  vicar  der  deut- 
schen Ordensprovinz,  wenigstens  so  lange  nichts  zu  befürchten 
hatte,  als  die  verhandhingen  des  processes  währten,  nicht  anders 
stand  es  um  seinen  helfershelfer  und  mitbruder  Wilhelm,  von  dessen 
bösartiger  gesinnung  der  folgende  fall  zeugt.  Nicolaus  hatte  auf 
dem  convente  zu  Köln  unter  androhung  der  excommunication  den 
befehl  erlassen,  dass  jeder ,  welcher  zur  sache  des  angeklagten  und 
zur  ehre  des  ordens  etwas  vorzubringen  in  der  läge  sei,  es  ihm  mit- 
teilen solle,  obwol  nun  Wilhelm,  wie  sich  später  herausstellte ,  den 
eigentlichen  Sachverhalt  kannte,  unterliefs  er  es  den  vicar  aufzu- 
klären. 

Dass  der  erzbischof  und  dessen  commissäre  von  diesen  beiden 
subjecten  schlecht  beraten  waren,  bedarf  kaum  der  erwähnung. 
darüber  macht  auch  die  vorliegende  anklageschrift ,  welche  nach 
Avignon  geschickt  wurde ,  andeutungen ,  und  es  wird  hieraus  klar, 
warum  der  papst,  auf  jene  falschen  zeugen  aufmerksam  gemacht, 
nach  den  Verhandlungen  in  Köln  die  wideraufnahme  der  Unter- 
suchung gegen  Eckhart  und  zwar  an  seiner  curie  anordnete,  es 
verschlägt  nichts,  wenn  der  process  in  der  zweiten  instanz  zu 
demselben  ergebnis  führte  wie  in  der  ersten ;  waren  doch  auch  in 
Köln  die  beiden  Ordensbrüder  Eckharts  nicht  die  einzigen  ratgeber 
des  erzbischofs  gewesen. 

Nicht  uninteressant  ist  es  ferner  dass  dieses  schreiben  von  dem 
Stellvertreter  des  generalprocurators  uns  darüber  unterrichtet,  welche 
meinung  hinsichtlich  des  lebens  und  der  lehre  des  berühmten  mysti- 
kers  im  orden  selbst  verbreitet  war.    wir  lesen  hier:  de  cujus  tide  ei 


262     ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS  PROCESS 

vite  sanclitate  nee  ipse  (Hermannus)  (lebet  nee  alius,  qui  vitam 
suani  noverit,  dubitare,  indessen  sind  diese  worte  nicht  so  auf- 
zufassen ,  als  wäre  der  orden  mit  Eckhart  ganz  einverstanden  ge- 
wesen, ohne  zwei  fei  hatte  das  1328  in  Toulouse  abgehaltene 
generalcapitel  der  dominicaner,  welches  also  zu  einer  zeit  tagte, 
in  der  die  Kölner  Verhandlungen  längst  abgeschlossen  waren,  jene 
an  der  curie  aber  bereits  begonnen  hatten ,  vorzüglich  die  von  dem 
meister  inaugurierte  predigtweise  im  aug»,  wenn  es  bestimmte: 
item  cum  eo,  quod  aliqui  in  predieationibus  ad  populum  conantur 
tractare  quedam  subtilia,  que  non  solum  (non)  ad  mores  profi- 
ciunt,  quiunymo  t'acilius  ducunt  populum  in  errorem,  preeipit 
magister  ordinis  in  virtute  sancte  hobedienlie  de  diffmitorum  cou- 
silio  et  assensu,  quod  uullus  de  eetero  presumat  taiia  in  suis 
sermonibus  pertraetare,  eontrarium  vero  tacientes  ex  nunc  pro 
tune  adjudieamus  peue  (=  poenae)  gravioris  culpe  imponentes 
eorum  prioribus,  quod  absque  dispensatione  eompellant  illos  fa- 
cere  penitentiam  supradictam,  et  niehilominus  nomina  talium  et 
ea  que  sie  temere  predieaverint,  magistro  ordinis  denuntient  abs- 
que mora.i  dasselbe  verbot  wurde  in  betreff  der  lectoren  und 
ihrer  Vorlesungen  erlassen. 

Die  anklage  gegen  Hermann  und  Wilhelm  wurde  1327  er- 
hoben, wie  ans  folgenden  erwägungen  hervorgeht,  von  den  Ver- 
handlungen in  Köln,  welche  zu  anfang  des  genannten  Jahres  ihr 
ende  erreichten,  wird  in  der  schrift  gesprochen,  als  hätten  sie  erst 
vor  kurzem  stattgefunden,  und  von  meister  Eckhart,  der  1327 
starb,  ist  wie  von  einem  lebenden  die  rede,  aus  der  erwähnung 
des  generalcapitels  in  Paris,  icelches  zu  pfingsten  1326  abgehalten 
wurde,  auf  dieses  jähr  als  abfassungszeit  schliefsen  zu  wollen, 
wäre  verkehrt,  da  Ludwigs  des  Baiern  anwesenheit  in  der  Lom- 
bardei vorausgesetzt  wird;  der  deutsche  könig  kam  aber  erst  im 
frühling  1327  nach  Italien  (Riezler  in  der  ADB  19,  465).  aller 
Wahrscheinlichkeit  nach  ist  das  schreiben  in  der  ersten  hälfte  des 
Jahres  1327  an  Johann  xxii  abgeschickt  worden. 

Das  unter  nr  ii  abgedruckte  docnment  ist  die  bisher  nicht  ver- 
öffentlichte einleitung  zu  der  verdammungsbulle  der  28  sätze  meister 
Eckharts   vom   21  märz  1329.2     Raynald  und  D'Argentre  publi- 

^  originalcodcv  der  generalcapitel  im  gencralarchiv  des  dominicaner- 
ordens  bl.  253". 

-  das  original  befindet  sich  im  rat.  archiv  Castel  S Angela  arm.  xi 
Caps.  10  nr  15.    sieget  fe/i/t. 


ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS  PROCESS     263 

eierten   die  bulle  nur   von   dolenter  referimiis   anA     Ripoll  halte 
überdies  kenntnis  von  dem  richtigen  incipit  In  agro  dominico.- 

Actenstück  nr  in  kannte  Ripoll,  ohne  dass  er  es  ediert  hätte, 
es  enthält  unter  anderem  den  auftrag  des  papstes  an  den  erzbischof 
von  Köln  (vom  15  april  1329),  er  möge  die  verdammungsbulle 
der  2S  Sätze  meister  Eckharts,  welche  diesem  schreiben  wörtlich  bei- 
gefügt sei,  in  seiner  diöcese  feierlich  verkünden  lassen,  damit  be- 
sonders bei  denjenigen,  vor  welchen  Eckhart  gepredigt  habe,  dessen 
lehren  nicht  tiefer  einwurzelten."^ 

*  Raynald  Annal.  eecles.  tom.  15  ad  annum  1329  7ir  70.  D'Argentrc 
Collectio  jud.  1 1  5.  312. 

2  Bull,  ord.praed.  vii  57.  darnach  gab  Preger  Geschichte  der  viystik 
I  479  die  bulle  neuerdings  heraus  und  machte  ynit  recht  auf  die  früheren 
misverständnisse  aufmerksam, 

3  Reg.  Fat.  Joh.  xxii  arin.  13  p.  1  ep.  5  fol.  2".  die  beigefügte  verdam- 
mungsbulle stimmt  ganz  genau  init  dem  originale  überein  und  trügt 
natürlich  auch  dessen  datum. 


{V)  Isla  sunt  que  habentur  contra  fr.  Herrn  an- 
num de  Sumnio. 

Primo  quod  in  actione  criminali  tulit  falsum  testimonium. 
Et  de  hoc  patenter  accusatus  fuit  in  provinciali  capitulo  et  con- 
victus,  sicut  patet  per  sententiam  oninium  diffinitorum ,  quoruni 
diffmitoruni  unus  est  nunc  provincialis,  qui  etiam  hie  presens, 
penitenciarius  quondam  sanctitatis  vestre.  Ahus  vero  predecessor 
suus,  qui  quamvis  famiUariter  eum  diligere  consueverit,  una  cum 
aliis  diffmitoribus  in  dicta  causa  contra  ipsum  sententiavit  justicia 
exigenle. 

Secundo  quod  pluries  in  actionibus  non  criminahbus  falsum 
tuht  testimonium.  Et  de  hoc  in  eodem  capitulo  accusatus  fuit 
etiam  et  convictus. 

Quinto  quod  plures  Ubellos  famosos  scripsit,  per  quos  fratres 
honestissimos  de  melioribus  tocius  Alamannie  de  gravibus  crimi- 
nibus  infamavit 

Sexto  obicitur,  quod  prefalos  libellos  famosos  longo  tempore 
retinuit  contra  plura  precepta  (1'')  et  contra  sententias  contra  eum 
latas,  nisi  dictos  libellos  suis  superioribus  redderet  indilate,  quod 
facere  recusavit.  Nee  fratres  quos  in  dictis  libellis  infamavit,  ad 
rationem  posuit.  Ex  quo  patet,  quod  hoc  non  fecit  causa  cor- 
rectionis,  sed  intendens  tantummodo  infamare  et  bonorum  fratrum 
famam  et  nomen  denigrare,  quod  etiam  ex  hoc  patet,  quia  illos 
libellos  multiplicavit,  aliquos  duphcando,    et  aliquos  triplicando. 


264     ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS  PROCESS 

Septimo,  quia  cum  nuper  timeret,  quod  pro  culpis  istis 
et  multis  aliis  deberet  puniri  per  vicarium  theotonie,  contra  nian- 
datum  sui  prioris  quasi  furtive  fugit,  et  sine  liceucia  cuiuscunque 
ivit  ad  magistrum  ordinis,  et  apud  eum  vicarium  suum  quantuiu 
potuit  nisus  est  diffamare;  et  in  curia  Romaua  fecit  etiam  illud  ideni. 

Octavo  quia  ad  subterfugiendum  correctionem  et  discii)linam 
ordinis  adiunxit  se  comissariis  Domini  Colonien.  in  facto  inqui- 
sitionis  contra  Magistrum  Eycardum ,  et  aliquando  gessit  perso- 
nani  actoris,  aliquando  assessoris,  aliquando  teslis.  Et  hoc  fecit, 
quia  bene  cogitavit,  quod  staute  illa  inquisilione  vicarius  theutonie 
contra  eum  et  suos  complices  procedere  uon  änderet,  ymo  quod 
plus  est,  ipse  cum  aliis  dicitur  procurasse,  ut  etiam  famosum 
est  et  satis  publicum ,  quod  vicarius  ille  ex  hoc  et  propter  hoc, 
quia  quondam  fratrem  pro  suis  gravibus  excessibus  puniverat, 
denunciatus  fuit,  excommunicationis  sententiam  incurrisse.  Item 
quod  Dominus  Colonien.  persone  sue  notitiam  non  habeat,  sicut 
habeo  ex  testimonio  provincialis  sui  et  trinm  lectorum  de  sua 
provincia,  qui  omnes  sunt  in  Curia  hie  presentes,  ymo  dicunt 
prefati  fralres,  quod  littere,  que  per  eum  sunt  aportate,  sunt 
mendicate  et  per  vias  diversas  et  mirabiles  procurate. 

(2*)  Decimo vere  omnes  meliores  provincie  theotonie 

petiverunt  a  vicario  generali  provincie  sepedicte,  quod  excluderet 
eum  de  provincia.  Consuevit  enim  nunc  impugnare  istos,  nunc 
illos,  ymo  quos  uno  anno  persequilur,  alio  anno  prosequi  nititur 
et  juvare,  ita  quod  vix  est  aliquis  frater  in  provincia  theothonie 
veridice  reputatus. 

Quare  est  criminator,  et  infamator,  est  etiam  falsus  testis 
et  judex  iniquus  etiam,  est  etiam  insuper  libellorum  famosorum 
non  solum  confictor,  verum  etiam  quantum  potuit  publicator. 
Item  quod  familiaritates  cum  personis  levibus  et  suspectis  habere 
consuevit,  quia  iam  aclu  est  suspectus  in  Colonia  de  quadam 
juvencula  paupere,  que  propter  familiaritalem  quam  habet  de 
quodam  seculari,  vehementer  habetur  suspecta.  Item  quod  semper 
fuit  brigosus  et  pacis  dissipator,  transgressor  plurium  preceptorura, 
contemptor  mandatorum  suorum  superiorum.  Irregularis  et  ex- 
communicatus;  et  tamen  frequenter  istis  non  obstantibus  cele- 
bravit.  Item  quod  vagando  et  fugiendo  per  mundum  facere  pe- 
nitentiam  ordinis  recusavit.  Et  nunc  etiam  veuit  ad  Curiam  sub 
pallio  expugnationis  heresum  magistri  Eycardi,  de  cuius  tarnen 
fide  et  vite  sanctilate  nee  ipse  debet  nee  alius ,  qui  viiam  suam 
noverit,  dubitare. 

Obspcro  ergo  sanctissime  pater,  et  benignissime  ac  justis- 
sime  Domine,  quod  ad  suos  superiores  predictus  frater  Ilermannus 
remittatur  pro  suis  culpis  multiplicibus  puniendus. 


ACTEINSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS  PROCESS     265 

(2'')  Isla  sunt  que  habeulur  contra  fratrem  Guil- 
lelmum,  socium  predicti  fratris  Hermann i. 

Prinio,  quod  in  loco  judicii  proposuit  contra  magislruni 
Aycardura,  quod  esset  pertinax  hereticus,  quia  errores  suos 
scienter  docuisset  et  pertinaciter  defendisset:  quod  quidem  pro- 
bare uon  potuit,  sed  defecit. 

Secundo ,  quod  mulla  alia  gravia  contra  eundem  magistrum 
proposuit,  que  probare  non  potuit,  propter  que  ad  penam  lal- 
lionis  condempnari  merito  debuit  et  puniri. 

Quinto  quod  dixerat,  timens  corrigi :  vadani,  inquit,  in  Lom- 
bardiam  cum  nobilibus  comilatus  Juliaceu.,  et  recipiani  stipendia. 
De  islo  fuerunt  duo  lestes,  quando  l'uit  publice  accusatus. 

Septimo  quod  magistrum  Aycardum  apud  commissarios  Do- 
mini  Coloniensis  de  heresi  quaulum  potuit  infamavit  ad  hoc,  ut 
sub  isto  pallio  posset  venire  ad  Curiam,  et  sie  evaderet  nostri 
ordinis  disciplinam.  Quare,  cum  veuerit,  suppiico,  quod  red- 
datur  suo  ordini  puuiendus. 

Octavo,  quod  vicario  generali  precipienti  in  Colonieu.  cou- 
ventu  predicatorum  sub  pena  excommuuicationis,  quod  (luilibet, 
qui  ali(iuid  sciret  de  ilia  materia,  iuformaret  eum  de  quibusdam, 
que  pro  bonore  Ordinis  ipsum  scire  expediebat,  de  quibus  pre- 
dicto  fratri  Guillelmo  constabat,  sicut  fuit  compertum  postea  .  .  ., 
predictum  vicarium  minime  inforniavit.  .  ,  . 

Decimo,  quod  contra  preceplunj  Vicarii  per  Sanctitatem 
vestram  iuibi  positi  ivit  ad  generale  capitulum  Parisius  ce- 
lebratum. 

Suppiico  ergo  Saiictitati  vestre,  quod  prinius  et  secundus 
remittantur  ad  suos  superiores  secunduni  exigeutiam  suorum  ex- 
cessuum  corrigendi.  Et  quod  eidem  Sauctitati  vestre  placeat, 
quod  subito  arrestentur,  ne  in  Lombardiam  ad  ßavarum  possint 
ire  pro  slipendiariis  in  verecundiam  Ordinis  et  in  contemptum 
ecclesie  sacrosancte. 

Creatura  vestra  frater  G.  de  Podanbs,  dioc.  Caturceu.  pro- 
curatoris  Ordinis  vicesgerens. 


Joannes  episcopus  servus  servorum  dei  ad  perpetuam  rei 
memoriam.  In  Agro  dominico ,  cuius  dispositione  superna  licet 
imnjeriti  sumus  custodes  et  operarii,  oportet  nos  sie  vigilanter 
et  prudeuter  spiritualem  exercere  culluram,  ut,  siquando  in  eo 
inimicus  homo  supra  semen  veritatis  zizauia  seminet,  priusquam 
se  in  incrementa  uoxie  puUulationis  extollantur,  prefocentur  in 
Z.  F.  D.  A.     XXIX.    N.  F.    XVII.  18 


266     ACTENSTÜCKE  ZU  MEISTER  ECKHARTS  PROCESS 

ortu,   ut  enecato  seniiue  vitiorum  et  spinis  erroruni  evulsis  lela 
seges  veritatis  catholice  coalescat.    Sane  doleuter  referimus,  quod 

quidam Datum   Avenione    vi   kal.   Aprilis    ponlificatus 

uostri  aauo  lertio  decimo. 


Veü.  fratri  .  .  Archiepiscopo  Colonien.  salutem.  Tarn  per 
iuquisitiouem  per  le  auctoritate  ordinaria  habitain  nobisque  per 
te  transmissam,  quam  per  iudaginem  postmodum  de  mandato 
uostro  in  romaua  curia  renovatam,  ac  etiam  per  conlessioüem 
quoiidam  Ekardi,  doctoris  ut  ferlur  sacre  pagiue  ac  prot'essoris 
ordiuis  tratrum  predicatorum  comperimus  evidenter,  eum  predi- 
casse,  scripsisse  et  dogmatizasse  nouuullos  articulos  contra  ca- 
ihülicam  veritatem,  quorum  aliquos  lanquani  hereticos,  quosdam 
vero  tauquam  male  sonautes,  temerarios  et  suspectus  de  heresi 
de  fratrum  nostrorum  consilio  dampuandos  duximus  ac  etiam  re- 
probandos,  ac  nichilominus  contra  illos,  qui  eosdem  articulos 
pertinaciter  defendere  vel  approbare  presumerent,  maudavimus 
procedendum,  prout  in  litteris  uostris  inde  conl'ectis,  quarum 
tenorem  de  verbo  ad  verbum  presenlibus  inseri  fecinms,  plenius 
continetur.  Quocirca  fraternitati  tue  per  apostolica  scri])la  mau- 
damus,  quatenus  tenorem  predictum,  postquam  eum  diligenter 
inspexeris,  per  te  vel  per  alium  seu  alios  in  tuis  civitate,  diocesi 
vel  provincia  publices  et  facias  solempniter  publicari,  ut  per 
publicationem  huiusmodi  simplicium  corda,  qui  l'aciliter  seducuii- 
tur,  et  maxime  illi,  quibus  idem  Ekardus  dum  vixit  predictos 
articulos  predicavit,  erroribus  conteutis  in  eis  miuime  imbuantur. 
Tenor   autem  dictarum  literarum  talis   est.      Johannes  episcopus 

Datum  Avenione  xvn  kl,  Maii   pontif.  nostri  anno  tertio 

decimo. 

Rom  8.  12.  84.  P.  HEINRICH  DENIFLE  0.  P. 


ZUM  PARZIVAL. 

In  meiner  Übersetzung  des  Parzival  (Berlin,  Friedberg  und 
Mode,  1885)  habe  ich  den  vers  Parz.  312,  10  nassnitec  mit  ver- 
hrant  übersetzt  durch:  'die  nas  geschlitzt,  gebrannt  am  bug'  und 
habe  verbrant  auf  das  den  gralsrosscn  eingebrannte  wappcn  (die 
iiirteltaube)  bezogen;  überhaupt  scliieu  mir  weder  wass/M^ec  noch 
irgend  etwas  anderes  in  der  bcschreibuug  des  rosses  der  Kundrie 
auf  komische  oder  hässliche  eigentündichkeiten  zu  deuten,  dieser 
meiner  ansieht  erwächst  jetzt  aus  Kiuzels  Alexanderausgabe  eine 
willkuimnene  bestätigung. 

In  der  beschreibung  des  Hucephalus  hat,  wie  die  bequenje 
uebeueiuauderslellung  in  dieser  ausgäbe  zeigt,  die  hs.  8  2bI3  die 


ZUM  PARZIVAL  267 

7iasen  wären  ime  loite  üf  gesldn,  die  Historia  de  preliis:  dicebatur 
equus  ipse  Bnciphalon  propter  aspechis  horribilitatem ,  sive  a  signo, 
quod  thaurinuin  caput  in  armo  habehat  ustum,  seu  quod 
usw.  und  Solin  45,  8 :  .  .  .  eqmis  Bucephalus  dictus  sive  de  aspec- 
tus  torvitate  seu  ab  insigni ,  quod  taurinum  caput  armo 
in  ustum  gerebat  usw. 

VVoltram  kannte ,  wie  bereits  anderweitig  nachgewiesen  ist, 
sowol  den  Alexander  als  den  Solin ,  der  schluss  liegt  also  sehr 
nahe,  dass  ihm  an  dieser  stelle  die  beschreibung  des  Bucephalus 
vorgeschwebt  hat.  Wolframs  kühner  ausdrucksweise  ist  es  vüllig 
augemessen,  wenn  er  Lamprechts  bemerkuug  die  nasen  wären 
ime  wite  üf  gesJän  durch  nassnitec  widergibt  und  damit  die  von 
Solin  und  der  Historia  angegebene  eigeutümlichkeit  taurinum 
caput  in  armo  inustum  ebenfalls  durch  das  eine  participium  ver- 
brant  verbindet,  den  stierkopl'  konnte  er  natürlich  nicht  als  das 
eingebrannte  zeichen  gebrauchen ,  daher  bezeichnete  er  das  ver- 
brant  absichtlich  nicht  genauer  und  liel's  den  naheliegenden  schluss 
ofTen,  dass  dem  rosse  das  gralswappen  eingebrannt  war.  ich 
hotle  daher  an  dieser  stelle  dem  sinne  nach  richtig  übersetzt 
zu  haben. 

Im  anschluss  hieran  will  ich  noch  auf  einige  züge  in  der 
beschreibung  der  Kundrie  und  des  Malcreatiure  hinweisen,  welche 
vielleicht  auch  aus  remiuiscenzen  an  Lamprechts  Alexander  zu 
erklären  sind,  eine  einfache  nebeneinanderstelluug  der  betref- 
fenden stellen  wird  genügen,  die  ähulichkeit  zu  zeigen: 

Parzival  Alexander  S 

313,17  über  den  huot  ein  zopf 

ir  swanc 
unz  üf  den  mül:der  was  so  laue, 

swarz,  herte  und  niht   ze  dar,      b3Q^  sine  hüt  was  ime  bevangen 
lind  als  eins  swines  ruck  eh  ä  r     al  mit  swinis  bürsten 
314, 1  rüchwas  ir  antlütze  erkant 
Z\3,22  zioetie  ebers  zene  ir 

für  den  munt  5008  si  wären  alse  äffen 

giengen  wol  spannen  lanc  under  den  ougen  gescaffen 

314,5  gevar  als  eines  äffen  hüt      si  heten  sehs  hande 
truoc  hende  diz  gcebe  trüt  lanc  wären  in  di  z  ande 

780,19  ir  ougen  stuonden  den-  Basler  einl.  424 

noch  sus,  sin  ouge  gab  griuwelicJien  schin 

gel  als  ein  thopazius,  das  eine  sicarz,  das  ander  gel 

ir  zene  lanc :  ir  munt  gap  schin  S  1 58 

als  ein  viol  weit  in  ein  ouge  was  ime  weiden 

ganz  ähnlich  von  Malcreatiure  517,  22  —  27. 

Schliefslich  mache  ich  noch  auf  Kinzels  und  Zachers  an- 
merkungen  zu  v.  5583  und  v.  6094  aufmerksam,  aus  welchen 
hervorgeht  dass  Wolframs  angäbe  von  dem  karfunkel,  der  unter 


268  ZUM  PARZIVAL 

dem  hörne  des  eiahoiDS  wächst  (482,  24  fl)  uud  ebenso  sein 
holz  aspinde  (490,26.  741,2  vgl.  812,  22  ff)  ihre  parallelen  nur 
in  den  betr.  stellen  des  Alexander  haben. 

Berlin.  G.  ßÖTTlCHER. 


FAIOBOMAPO:^. 

So  lautet  bei  Oassius  Dio  77,  20  (ed.  Dindorl)  der  name  eines 
Quadenkönigs,  den  MülienhoH'  Zs.  7,  529  zu  ahd.  Gajo,  Kejo  stellte, 
indessen  niuss  der  erste  teil  des  namens  in  der  überlielerten  form, 
weil  uudeutsch,  falsch  sein,  deshalb  kam  Mülleuhoff,  den  der 
name  lauge  beschäftigt  hat,  später  (Hermes  ii  318)  auf  die  glück- 
liche änderung:  Faßiö^iaQog.  die  Römer  hätten  diesen  nameu 
Gaviomarus  geschrieben,  gotisch  müste  er  Ganjamers ,  ahd.  Ga- 
uuimdr  lauten,  ich  halte  diese  erklärung  für  befriedigend,  weil 
sprachlich  gegen  sie  nichts  einzuwenden  ist:  den  Griechen  lautete 
der  diphthong  av  damals  längst  wie  aw ,  wofür  sie  in  fiemd- 
worten  auch  aß  eintreten  lassen  konnten,  da  ja  ihr  ß  auch  sonst, 
zb.  durch  Vertretung  des  lal.  v,  als  ein  dem  spanischen  b  ähn- 
licher laut  sich  erweist,  trotzdem  will  ich  eine  andere  erklärung, 
die  mir  noch  näher  zu  liegen  scheint,  nicht  unterdrücken,  wie 
Müllenhoff  möchte  auch  ich  das  erste  o  als  versetzte  ditlographie 
ausstofsen,  lasse  aber /i?  an  seiner  stelle,  dann  erhallen  wir  den 
namen  got.  Gibamers,  ahd.  Gebomnr.  richtiger  hätte  Cassius  [e- 
ßö/nagog  statt  raißöuaQog  geschrieben;  aber  über  die  quantität 
der  deutschen  vocale  linden  wir  die  Griechen  im  gegensatze  zu 
Römern  sehr  oft  im  unklaren;  sie  setzen  'i  (ei)  statt  i,  zb.  ^Ay- 
yeilcov  Ptol.  ii  11,15;  'Aleiaög  Ptol.  n  11,27  =  AUso;  e  statt 
cb:  "Edovoi  Strabo  p.  192  lib.  iv  3,  2  in  vielen  hss.  statt  Aiöovoi; 
"Evog  Arrian  lud.  iv  15,16  gegenüber  Alvog  Ptol.  n  11,5  und 
Aenns  Tac.  Hist.  ni  5  =  Inn;  e,  cb  (i],  ai)  statt  e:  Xi]()ova/.ot 
ständig  bei  Strabo;  Allovalovg  Strabo  p.  290  lib.  vn  1,3  (von 
Müllenhotf  emendiert)  und  Allovaltüvsg  Ptol.  u  11,  17  (eine  hs. 
auch  sXovwveg)  =  Helvaeones  bei  Tac.  Germ.  43,  vgl.  MüllenhotV 
Zs.  9,  248 ;  Xaigovaxoi  Ptol.  n  11,19.  eine  widergabe  von  e 
durch  ac  kann  also  nicht  als  grund  gegen  meine  auslegung  an- 
geführt werden;  ebenso  wenig  dass  der  von  mir  hergestellte  name 
später  nicht  belegt  ist,  was  auch  bei  Ganuimdr  nicht  der  fall 
ist.  Gebomdr  scheint  mir  in  der  bedeutung  prägnanter:  freigebig- 
keit  war  eine  der  notwendigsten  eigenschaften  eines  germanischen 
fürsten. 

Halle  a.  S.  GUSTAF  KOSSINNA. 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       269 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF 
SAINTS  (I)  ED.  SKEAT. 

Älti-ics  Heiligeulebeo  sind  von  einzelnen  partien  abgesehen 
nur  in  einer  handscliritt  der  Cottonschen  Sammlung  (Julius  E  vii) 
erhalten,  aber  diese  hs.  ist  trotz  der  jüngeren  sprachlormen ,  die 
sie  häufig  zeigt,  im  ganzen  recht  gut:  nur  selten  scheint  mir 
der  text,  soweit  er  bisher  im  drucke  vorliegt,  weitere  besserungen 
zu  verlangen,  als  die  schon  vom  herausgeber  vorgenommenen; 
ja  gelegentlich  lässt  sich  sogar  die  überlieieruug  gegen  ihn  halten, 
weit  mehr  anlass  zu  bemerkungen  gibt  aber  die  beigefügte  Über- 
setzung, die  dem  grösten  teile  nach  von  zwei  damen  herrührt, 
deren  arbeit  Skeat  nur  revidiert  hat.  die  quellen  ÄUrics  oder 
verwandte  darstellungen  habe  ich  nur  dann  beraten,  wenn  ich 
bei  der  lectüre  von  text  oder  Übersetzung  irgendwo  anstiefs.  ich 
zweifle  nicht  dass  eine  vollständige  vergleichung  noch  manches 
ergeben  würde,  über  einige  der  hier  besprochenen  stellen  habe 
ich  im  jähre  1882  in  der  Berliner  gesellschalt  lür  das  Studium 
der  neueren  sprachen  gehandelt;  vgl.  das  relerat  in  Herrigs 
Archiv  lxviii  83. 

1.  i  56  s.  14.  Älfric  spricht  vom  unterschied  zwischen  tier 
und  mensch,  trotz  der  maniglaltigkeit,  die  in  der  tierweit  herscht, 
namentlich  in  bezug  auf  die  art  der  bewegung  der  tiere  hi  ealle 
swd  pcbh  dlotene  beod  tö  pwre  eordan  weard  and  pider  wilniad 
odde  pces,  pe  Mm  lyst ,  odde  pCBs,  /*e  hi  bepurfon.  diese  worte 
lauteu  in  der  Übersetzung:  yet  all  these  are  bowed  down  eaitli- 
ward,  and  thither  is  their  desire ,  eüher  becaiise  it  pleaseth  them 
or  because  they  needs  must.  aber  pOBS  pe  ist  nicht  conjunction, 
sondern  gen.  des  relativpronomens  abhängig  von  wilniad.  die 
herausgehobene  stelle  und  was  von  z.  49  an  vorhergeht  und  bis 
z.  59  folgt,  hat  Älfric  fast  unverändert,  ohne  ein  wort  darüber 
zu  verlieren,  Alfreds  Übersetzung  des  Boethius  entnommen  (Raw- 
linson  s.  146,  Cardale  386):  hier  heifst  es  ealle  peak  biop  of 
dune  healde  wif)  paere  eorpan  and  pider  willniap  oppe  pces,  pe 
hi  lyst,  oppe  pces,  pe  hi  bepurfon,  zu  beachten  ist  him  lyst  bei 
Älfric  gegenüber  hi  lyst.  dass  Älfric  die  englische  Übersetzung 
Z.  F.  D.  Ä.    XXIX.    N.  F.  XVII.  19 


270       BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

vorlag  und  nicht  etwa  das  lat.  original  von  ihm  selbständig  über- 
tragen wurde,  wird  durch  die  vergleichung  der  entsprechenden 
stelle  des  letzteren  sofort  klar:  qnae  licet  nideas  omnia  discre- 
pare  nariis  formis,  prona  tarnen  fades  hebetes  ualet  ingranare 
sensus.  Cardale  übersetzt  richtig:  and  there  seek  either  what  they 
list  or  what  is  needful  to  them.  vgl.  auch  Metr.  31,  15  xmihta 
gehicilc  .  .  .  icilnad  tö  eordan,    sume  nedpearfe,   sume  neodfrcece. 

2.  I  70  s.  14.  he  (god)  ivces  d'fre  ungeworht  and  wfre 
wnnad  ungeendod.  his  we'  magon  wundrian,  and  we  ne  magon 
ne  ne  mötan  nä  furdor  embe  pis  sme'agan  (smeagen  hs.),  gif  we 
nellad  üs  sylfe  forpceran.  die  worte  hinter  dem  punct  werden 
übersetzt:  we  may  wonder  at  Hirn,  ich  glaube  aber  dass  his 
nicht  der  gen.  zu  he,  sondern  zu  hit  ist;  \g\.  pis  im  lolgenden. 

3.  I  109  s.  16.  warum  zu  Vainboasting ,  womit  idel  gylp 
übersetzt  wird,  noch  in  klammern  Envy  gefügt  wird,  kann  ich 
mir  nicht  erklären. 

4.  I  215  s.  22.  Älfric  will  zeigen,  was  die  menschliche 
Seele  ist  oder  vielmehr  nicht  ist:  nis  seo  orpung,  pe  we  üt  bld- 
wap  and  in  dleod,  oppe  ure  sdwnl,  ac  is  seo  lyft,  pe  ealle  licham- 
lice  ping  on  lybbad  bütan  fixum  dnum,  pe  on  flödum  lybhad.  die 
Übersetzung  lautet:  it  is  not  our  breath  [spiritus]  or  onr  soid 
that  we  bloxD  out  and  draw  in,  but  air,  in  which  all  bodily  ihings 
live  usw.  hätte  aber  Älfric  etwas  derartiges  sagen  wollen,  so  hätte 
er  gewis  seine  worte  anders  gewählt  und  vor  allem  anders  ge- 
stellt, ferner  halle  ich  es  für  unmöglich  dass  Älfric  orpung  und 
sdwul  als  Synonyma  gebraucht,  orpung  bedeutet  nicht  spiritus, 
sofern  dies  mit  aninia  sinnverwandt  ist;  vgl.  Älfr.  Gl.  306,  1 
anima  sdwul,  spiritus  gast,  orpung  kann  an  unserer  stelle 
nichts  anderes  heifsen ,  als  'atem'.  endlich  ist  auch  zu  beachten 
dass  seo  orpung  und  nicht  ure  orpung  dasteht,  ich  halte  oppe 
für  eine  Interpolation:  lassen  wir  es  weg,  so  wird  der  satz  klar: 
'der  atem,  den  wir  ausstofsen  und  einziehen,  ist  nicht  unsere 
seele,  sondern  (der)  ist  (nur)  die  luft,  in  der'  usw. 

5.  11  29  s.  26.  Eugenia,  obwol  noch  heidin,  wie  ihre 
eitern,  ist  vom  geist  des  Christentums  eifasst  und  will,  da  aus 
ihrer  Vaterstadt  Alexandria  alle  Christen  vertrieben  sind,  ander- 
wärts Unterweisung  suchen,  heo  bcßd  pd  hyre  fceder ,  pect  heo 
feran  (hs.  fceren)  moste  geond  his  hdmas  (hs.  hatnes)  on  alexan- 
discre  scijre.      Skeal   (für  die  Übersetzung  dieser  homilie  erklärt 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       271 

er  sich  s.  vii  ganz  allein  verantwortlich)  gibt  die  worte  so  wider: 
then  prayed  she  her  father  that  she  might  go  away  from  his  hoiise 
in  the  city  of  Alexandria.  aber  geond  ist  'über  ,  .  .  hin',  nicht 
'weg  .  .  .  von'  und  scir  ist  'provinz',  nicht  'stadt.'  die  stelle  wird 
klar,  sobald  man  hdm  in  dem  bei  Bosworth- Toller  hinlänglich 
belegten  sinne  von  'landgut',  'besitzung'  nimmt:  'dass  sie  seine 
besitzungen  in  der  proviuz  von  Alexandria  besuchen  dürfte';  vgl. 
Surius  (ausgäbe  von  1 880)  xii  430  fingit  quidem  se,  ut  rure  re- 
creet  et  bona  fruatur  aeris  temperte,  excedere  e  civitate. 

6.  II  61  s.  28.  diemenge,  welche  den  bischol  Helenus  be- 
gleitet, singt:  Uta  iustorum  recta  facta  est  et  iter  sanctorum 
preparata  (sol)  est,  was  Aliric  so  übersetzt:  pcera  rihtwisra  ivcBg 
is  gerihtloeced  and  pcera  hdlgena  sidfcet  is  gegearcod.  Skeat  gibt 
gerihtlcBced  durch  guided  wider:  aber  Älfric  verstand  gerihtlcBced 
nicht  so,  da  er  es  für  recta  facta  setzte:  es  wird  am  besten  nach 
dem  ausdruck  der  englischen  bibel  Marcus  1,  4  durch  made 
straight  übersetzt. 

7.  II  72  s.  28.  p€es  on  morgen  ist  nicht  therefore  in  the 
morning,  sondern  the  next  morning.  p<jes  ist  abhängig  von 
morgen  und  nicht  conjunction;  vgl.  iii  165  s.  60  siddan  pces  on 
mergen,  das  ich  lieber  durch  then  the  next  morning  übersetzen 
möchte,  als  durch  after  this  in  the  morning;  vi  209  s.  160  und 
337  s.  166  pCES  on  mergen,  vi  253  s.  162  und  vii  91  s.  174  eft 
pces  on  mcBrgen  (mergen);  ferner  söna  pces  vii  420  s.  194  soon 
after  this  und  mehrere  unter  nr  32  angeführte  stellen. 

8.  II  78  s.  28.  Eugenia  steht  in  männerkleidung  vor  dem 
bischof  Helenus ,  dieser  ist  aber  in  einer  vision  über  ihre  Ver- 
hältnisse unterrichtet  worden,  he  genam  hi  pd  onsnndron  and 
soßde  hyre  gewisUce,  hwaet  he'o  man  ne  wobs  and  hwylcere  mceg- 
pe  usw.  Skeat  übersetzt  hwcet  heo  man  ne  wces  mit  how  she 
was  no  man.  aber,  wenn  Älfric  diesen  gedanken  hätte  ausdrücken 
wollen,  so  hätte  er  nicht  hwcet  gebraucht,  sondern  poet;  vgl. 
die  forlseizung  and  pcet  heo  .  .  .  gelicode  usw.  die  annähme  aber, 
dass  hwcBt  etwa  von  einem  Schreiber  gesetzt  sei  statt  pwt,  empfiehlt 
sich  deshalb  nicht,  weil  das,  was  wir  dann  bekämen,  ebenso 
schlechtes  englisch  wäre,  wie  der  satz:  'er  sagte  ihr  dass  sie 
kein  mann  war  und  aus  welchem  geschlecht'  schlechtes  deutsch. 
ich  glaube  dass  wir  die  stelle  in  Ordnung  bringen,  wenn  wir 
man   ne   als    ein  wort   lesen  manne   und  dafür   dann    die  ältere 

19* 


272       BEMERRÜISGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

form  manna  setzen,  den  gen.  pl.  abhängig  von  hwcet:  'was  der 
menschen  sie  war',  dh.  'wer  sie  war.'  vgl.  x  191  s.  232  hwcet 
eom  ic  manna,  pcet  ic  mihte  god  forbeodan?  Elene  903  hwcet  is 
J/is,  Id,  manna? 

9.  n  80  ff  s.  30.  die  unmittelbare  tortsetzung  der  unter 
8  citierten  stelle  lautet  and  pcet  heo  purh  mwgdhdd  mycclum  ge- 
licode  pdm  heofonlican  cyninge ,  pe  heo  gecoren  hcefde ,  was  Skeat 
so  widergibt:  and  hovo  she,  hy  the  virginity  lohich  she  had  chosen, 
greatly  pleased  the  heavenly  King,  ich  glaube  aber  dass  die  Stel- 
lung des  relativsatzes  pe  heo  gec.  h.  diese  auftassung  verbietet, 
und  dass  pe  sich  nur  auf  cyninge  beziehen  kann,  wenn  aber 
dann  der  bischof  der  heiligen  in  aussieht  stellt,  pcBt  heo  sceolde 
swic/lice  ehtnyssa  (hs.  ceht,)  for  mcegdhdde  dröwian,  so  ist  sxoid- 
lice  nicht  mit  Skeat  (that  she  should  extremely  suffer  persecutions 
because  of  her  virginity)  als  adverb  zu  fassen,  sondern  als  ad- 
jectiv  zu  ehtnyssa  zu  ziehen. 

10.  n  84  s.  30.  von  Eugenia  wendet  sich  der  bischof  zu 
ihren  begleitern ,  den  eunucben  Profus  und  lacinctus:  tö  hire 
twäm  cnihtnm  he  cwoed ,  pcpt  hi  heoldan  cepelborennyss  on  möde, 
peah  pe  hi  mannum  peowdon.  Skeat  gibt  den  nebensatz  so  wider: 
that  they  onght  to  preserm  true  nobility  in  their  minds,  thongh 
they  served  men.  aber  eine  mahnung  kann  in  den  worten  nicht 
liegen,  sondern  nur  eine  anerkennung.  vgl.  die  darstellung  bei 
Surius  s.  434:  vos  .  .  .  qni  fortnna  quidem  serni ,  mente  antem 
estis  liberi.     also:  'dass  sie  adel  in  der  seele  besäfsen.' 

11.  n  91  s.  30.  der  bischof  heifst  Eugenia  die  männliche 
kleidung  noch  weiter  tragen:  pcet  heo  swd  fmrhwnnade  on  pdm 
locerliaim  hiwe,  öppwt  hi  on  fante  gefuUode  wurdon  and  myyi- 
sterlicre  drohtnunge  dearmmge  gepeodde.  Skeats  Übersetzung  lautet : 
still  to  contimie  in  the  man's  apparel,  nntil  they  had  all  been  bap- 
tized  in  the  fönt,  and  to  join  secretly  in  the  service  in  the  minster. 
für  Service  in  the  minster  wäre  wol  monastic  life  die  deutlichere 
Übersetzung,  aufserdem  aber  glaube  ich  dass  gepeodde  nicht  pa- 
rallel m\l piirhwunade  steht,  sondern  parallel  mit  gefullode,  also 
nicht  Präteritum,  sondern  part.  pl.  ist.  auch  die  eunucben 
werden  nicht  blofs  getauft,  sondern  treten  ebenfalls  ins  kloster 
ein  (vgl.  101  f). 

12.  n  135  s.  32.  tö  dä>re  femnan  ist  nicht  to  the  woman, 
sondern  to  the  virgin.    dieselbe  wol  durch  den  gedanken  an  lat. 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       273 

femina  veranlasste  ungenaue   Übersetzung  von  fSemne   ist  ii  227 
s.  38,  IV  97  s.  96,  vni  26  s.  196,  vm  230  s.  208  zu  berichtigen. 

13.  II 157  s.  34.  eine  wilvve  hat  sich  in  die  heihge  Eugenia, 
die  immer  noch  als  mann  gilt  und  inzwischen  abt  geworden  ist, 
verliebt  und  sucht  sie  durch  berulung  auf  die  günstige  läge,  in 
welcher  sie  ihr  mann  zurückgelassen,  zur  gegenliebe  zu  bewegen : 
heo  .  .  .  cwced,  pa>t  .  .  .  hyre  wer  Icefde  unlytle  cehta  on  lande  and 
on  feo  and  on  forewyrcendum ,  'and  «nc  nccs  gemwne  man  (oder 
man?)  on  dysum  lyfe.'  Skeat  übersetzt  den  letzten  satz:  and 
we  two  had  no  communion  in  this  life.  er  hat  also  olfenbar  man 
als  man  genommen,  aber  ich  zweifle,  ob  das  Vorhandensein  eines 
me.  man  (s.  Stratmann  s.  v.  mwne  und  SKatherine  ed.  Einenkel 
332  buten  monnes  man)  genügt  um  ein  solches  auch  türs  ae. 
glaublich  zu  machen,  abgesehen  aber  davon,  dass  wrfn  sonst 
bisher  im  ae.  nirgends  belegt  ist,  scheint  mir,  würde  die  Ver- 
bindung gemcene  mdn  'gemeinschalt  gemeinschalthch'  nicht  eben 
geschickt  sein,  endlich  was  sollte  der  satz  dann  ausdrücken? 
'wir  hatten  keine  innere  gemeinschalt'?  das  wäre  doch  zu  modern, 
wenn  man  aber  au  'eheliche  gemeinschalt'  denken  will,  so  ist 
das  auch  nicht  gerade,  was  man  hier  erwartet,  nachdem  die 
witwe  erzählt  dass  ihr  mann  viel  vermögen  hinterlassen  (im  ori- 
ginal steht  nur  Icefde:  die  Übersetzung  had  left  her  fügt  das  pro- 
nomen  ungenau  hinzu),  erwartet  man  an  dieser  stelle  nur  die 
erklärung,  dass  sie  die  einzige  erbin  der  hinterlassenschall  sei; 
vgl.  bei  Surius  s.  438:  non  est  enim  mihi  maritus  nee  ßlii  nee 
cognati.  ich  denke  dass  man  einen  erträglichen  sinn  gibt:  'und 
wir  hatten  keinen  menschen  in  diesem  leben ,  der  uns  etwas  an- 
gieng',  sodass  eine  änderung  (nun  bearn  oder  etwas  ähnliches) 
nicht  nötig  scheint. 

14.  II  172  s.  34.  die  witwe  hat  ihre  vertührungskünste 
versucht:  hwcBt,  da  Eugenia  hi  gebletsode  and  cwcid  tö  däre  sceande, 
pcBt  heo  södlice  woere  gdlnysse  onlendnyss  usw.  Skeat  übersetzt 
die  Worte  von  and  an:  and  said,  to  her  shame,  that  she  verily 
was  a  kindler  of  lust.  aber,  wenn  ÄUric  dies  hätte  sagen  wollen, 
so  hätte  er  gewis  tö  hyre  sceande  geschrieben,  nicht  tö  dwre  sceande. 
ich  glaube  dass  sceand  hier  von  der  schändlichen  witwe  zu  ver- 
stehen ist,  ähnlich  wie  nhd.  laster,  lat.  dedecus,  opprobrium  udgl. 
von  personen  gebraucht  werden,  vgl.  scurra  scond  bei  Wright- 
VVülcker  45,  29. 


274       BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

15.  II  195  s.  36.  pd  com  se  dceg,  ße  se  dema  gesa>tte, 
Skeat:  then  came  the  day  when  thejudgetook  his  seat.  ich  glaube 
aber  dass  der  relativsatz  vielmehr  zu  übersetzen  ist:  which  the 
jndge  had  appointed.  ich  kann  zwar  die  redensart  d(pg  (ge)settan 
aus  dem  ae.-  nicht  belegen,  vgl,  aber  me,  stellen,  vpie  Havelok 
2571  at  the  day  he  come  sone,  pat  he  hetn  sette;  William  of  Pal. 
1462  alle  graunted  sone  and  selten  a  serteyne  day. 

16.  11  201  s.  36,  pü  forscyldeguda  ist  wol  durch  thou  con- 
demned  one  zu  stark  vvidergegeben,  in  Älfrics  Glossar  gibt  for- 
scyldegod  lat,  sceleratns  und  facinorosns  mdev  (321,  15),  dagegen 
damnatns  und  condemnatus  ist  fordemed  (321,  14).  also  etwa: 
thou  reprobate. 

17.  II  210  s.  36.  da  swör  Philippns,  pcet  he  fridian  wolde 
pd  leasan  wudewan,  de'ah  pe  heo  gelignod  wurde  (hs.  wurde  unter 
aufgäbe  des  grammatischen  wechseis),  Skeat  übersetzt  gelignod 
w.  durch  should  prove  to  he  perjured:  auch  das  scheint  mir  zu 
stark,  das  richtige  steht  bei  Bosworth-Toller,  wo  aber  geligenod 
fälschlich  mit  langem  vocal  in  der  Stammsilbe  geschrieben  wird : 
convicted  of  lying. 

18.  II  219  s.  38.  eine  magd  der  witwe  sagt  aus  dass 
Eugenia  ihrer  herrin  gewalt  antun  wollte,  bütan  heo  mid  hreame 
hyre  hraiddinge  ofdypode,  nach  Skeat  but  she,  with  her  screaming, 
cried  out  for  her  help.  richtiger  werden  die  worte  bei  Bosworth- 
Toller  s,  v.  hredding  umschrieben:  the  result  of  her  ontcry  was 
to  save  her.  es  ist  aber  aufserdem  zu  bemerken  dass  bütan  hier 
nicht  durch  but  übersetzt  werden  darf  (vgl.  Varnhagen  An  in- 
quiry  into  the  origin  and  different  meanings  of  'but'  s.  33  f),  da 
es  nicht  'aber',  sondern  'wenn  nicht*  bedeutet, 

19.  II  234  s.  38.  päm  breman  Philippe  ist  nicht  to  the 
angry  Philip ,  sondern  to  the  famous,  iUustrious  u6g[.  Skeat  hat 
sich  durch  das  mittelenglische  verleiten  lassen. 

20.  II  259  s.  40.  Eugenia  hwfde  tjer  gepingod  pmre  leasan 
Melantian  tö  hyre  leofan  f (jeder ,  pcet  heo  mid  wi/tum  ne  dwrcece 
hyre  welhreowan  e'htnysse.  Skeat  übersetzt:  Eugenia  ere  this  had 
already  interceded  for  the  false  Melantia  to  her  dear  father, 
(saying)  that  she  would  not  avenge  with  torments  her  cruel  per- 
secution.  mir  scheint  es  unzweifelhaft  dass  heo  hinter  pat  vom 
Schreiber  statt  he  geschriel|en  ist,  wie  zb.  iii  30  s.  52,  wo  oben- 
drein eine  andere  hs.  he  bietet. 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       275 

21.  ir3l8  8.  44.  Eugeiiia  begibt  sieb  nacb  dem  tode  ibres 
vaters  mit  ibrer  mutter  und  ibren  brüdern  nacb  Rom,  and  pd 
romaniscan  wijtan  hi  wel  underfengon  (hs.  -fmigon)  and  for  pcere 
ealdan  cijäde.  pcvs  ivdelan  Phüippes.  pa  gescetton  [)d  wytan  söna 
pd  cnihtas  on  twdm  heafodburgum  on  healicmn  wnrdmynte.  Skeat 
gibt  die  stelle  so  wider:  and  the  Roman  Senators  well  received 
them,  as  well  as  for  tlieir  old  acquaintance  with  the  noble  Philip. 
Then  very  soon  the  Senators  appointed  usw.  aber  and  ist  nicbt 
as  well  as,  und  aufserdem  passt  as  well  as  nicbt  einmal,  es 
würde  alles  in  Ordnung  kommen,  wenn  man  and  vor  for  stricbe: 
icb  glaube  aber  dass  nur  der  punct  binter  Philippes  zu  tilgen  ist. 

22.  II  356  s.  46.  ßasilla,  die  Ireundin  und  gesinnungs- 
genossin der  Eugenia,  verschmäbt  den  ilir  vom  kaiser  zugedacblen 
bräutigam :  pd  gesöhte  se  cniht  pa>s  kdseres  fett,  and  pd  romaniscan 
wytan  mid  wöpUcre  ceornnge  him  mid  spriBCOn  and  da  mwdena 
wregdon.  Skeats  Übersetzung  lautet:  then  the  youth  sought  the 
feet  of  the  emperor,  and  the  Roman  Senators,  with  tearful  com- 
plaint,  and  communed  with  them,  and  accused  the  virgins.  Skeat 
hat  also  pd  r.  wytan  als  accusativ  parallel  mit  pces  kdseres  fett  ge- 
nommen und  binter  ceornnge  interpungiert:  subject  bei  communed 
und  accused  muss  the  youth  sein ,  them  aul  die  Senatoren  geben, 
aber  Ältric  bat  spr&con  und  wregdon,  nicbt  spra-c  und  wre'gde: 
desbalb  muss  pd  r.  wytan  nominativ  sein  und  him  aut  den  Jüng- 
ling gehen:  'und  die  römischen  Senatoren  .  .  .  sprachen  mit  ihm', 
dh.   unterstützten  seine  bitte. 

23.  II  395  s.  48.  Eugenia  wird  ins  wasser  geworfen,  allein 
die  Christen  sollten  erkennen  dass  Christus  bei  ihr  war,  der  einst 
den  heiligen  Petrus  aut  dem  meere  an  der  band  führte,  pect 
pCBt  da  salican  yda  hine  forswelgan  ne  mihton.  die  zwei  poet 
können    nicht   richtig   sein:    es  ist  wol    einfach  eines  zu  tilgen. 

24.  II  404  s.  48.  der  beil.  Eugenia  wird  die  uabrung  vor- 
enthalten, aber  Christus  kommt  in  ihren  kerker  und  bringt  ihr 
m&rne  bigleofan,  sndwhwitne  hldf.  Skeats  abundant  ist  keine 
treffende  Übersetzung  lür  mdere,  dem  hier  etwa  glorious  oder 
delicious  entsprechen  würde,  auch  great  iv  347  s.  HO  (mOBre 
Jyrced  =  great  odour)  oder  well-known  (ix  15  s.  210  pysum  mce- 
ran  godspelle)  ist  nicbt  bestimmt  genug. 

25.  II  410  s.  48.  on  pdm  dcege  pü  scealt  cuman  tö  me 
«luss   es  natürlich   heifsen:    pa   für  pü   ist  wol  nur  ein  druck- 


276       BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

oder  Schreibfehler,  so  ist  ferner  iii  172  s.  60  pdm  earman 
wife  zu  lesen  st  pa,  iii  434  s.  76  feowerteogoäan  st.  -teoffogan, 
in  595  s.  84  gefremman  st.  gefreman ,  iv  40  s.  92  pes  wynsuma 
hraed  st.  wynsuman,  vii  142  s.  179  harlots'  st.  harlot's,  vm  1 
s.  194  geciged  st.  gekged,  vm  212  s.  208  heße  hine  üpp  st.  htm, 
VIII  232  s.  208  tö  dam  ecean  life  st.  ece,  ix  58  s.  212  w<vs  st. 
w(e,  XI  206  s.  250  martyrum  st.  martyru. 

26.  III  5  s.  50.  da  [)d  he  syfon  wyntre  wces.  die  Über- 
setzung when  he  tcas  seven  years  [ohl]  könnte  zu  dem  glauben 
verführen,  als  wenn  syfon  wyntre  =  seven  years  wäre,  während 
es  doch  in  würklichkeit  ein  adjecliv  syfon -iDyn(re  =  seven  years 
old  ist. 

27.  ni  13  S.50.  Enbolus  se  ndwyta  .  . .  underfeng  (hs.  -fwng) 
Ponne  cnapan,  swd  swd  he  frymdig  wcps  usw.  der  nebensatz  ist 
durch  becanse  he  was  inquisitive  nicht  richtig  widergegeben:  es 
muss  heifsen  as  he  was  desirous;  man  vgl.  besonders  die  bei 
Grein  aus  Älfrics  Exodus  angeführten  stellen. 

28.  III  148  s.  58.  der  heil.  Basilius  schrieb  eine  mönchs- 
regel,  die  schwerer  zu  halten  ist,  als  die  des  heil.  Benedictus: 
ponne  se  (näml.  regol),  de  Benedictus  sippan  us  gebysnode,  swylce 
tö  anginne  dgenre  gecyrrednesse.  die  Übersetzung  bei  Skeat  lautet; 
than  that  tvhich  Benedict  afterward  gave  us  example  of,  as  it  were 
at  the  beginning  of  his  own  conversion.  aber  Älfric  denkt  gewis 
nicht  an  eine  bekehrung  Benedicts:  üs  vor  gebysnode  (vgl.  auch 
he  tihte  iis  150)  gibt  an  die  band,  welches  pronomen  bei  dgenre 
gec.  zu  denken  ist.  tö  anginne  aber  ist  as  a  beginning.  die  Vor- 
schriften des  heil.  Benedicts  hatten  nur  den  anfang  eines  gott- 
gefälligen lebens  (inicium  bonae  comiersationis)  im  äuge:  dagegen 
snnt  doctrine  sanctorum  patrum ,  quarum  obsernatio  perdncat  ho- 
minem  ad  celsitudinem  perfectionis,  heilst  es  im  letzten  capitel, 
oder  hören  wir  Älfric  selbst:  ac  he  tihte  ns  an  (ßfteweardan  pces 
ykan  regoles  tö  gedungenra  Idreowa  lifes  drohtnnngum. 

29.  ni  152  s.  58.  an  die  eben  citierten  worte  scbliefst  sich 
unmittelbar  an  and  tijmde  tö  pdm  regole,  pe  Basilins  gesette.  das 
wird  übersetzt:  and  recommended  the  rule  which  Basil  had  esta- 
blished.  aber  recommended  gibt  tymde  nicht  genau  wider:  es  ist 
nur  referred  to  'berief  sich  auf,  'wies  hin  auf. 

30.  in  162  s.  60.  ein  Jude  ist  zugegen,  wie  Basilius  eine 
messe  liest:   da  Basilius  die  hostie  zerbricht,  kommt  es  dem  Juden 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       277 

vor,  als  ob  ein  kind  zerteilt  würde:  er  geht  mit  dea  anderen 
zum  abendmahl  und  erhält  ein  stück  fleisch  (dn  snced  flcesces), 
and  he  seap  (hs.  scep  gegen  OV)  of  dwm  calice  eac  swylce  blöd, 
was  übersetzt  wird:  and  he  sipped  moreover  as  it  were  blood  from 
the  chab'ce.  mit  unrecht  ist  hier  (vgl.  auch  unten  nr  42)  eac  swylce 
=  etiam  zerrissen  und  eac  durch  moreover  upd  swylce  durch 
as  it  were  übersetzt  worden,  da  in  der  zeile  vorher  bei  an 
snced  flmces  keine  beschränkende  bestimmung  steht,  ist  auch 
hier  keine  am  platze,  vgl.  auch  Surius  vi  315  inde  accepit  et 
calicem  sanguine  repletum,  uti  revera  est. 

31.  III  191  s.  62.  der  kaiser  wurde  auf  einen  ealdorman 
sehr  zornig  and  het  hine  gebindan  and  him  tö  gebringan  bysmor- 
lice  on  hcßfte,  was  so  widergegeben  wird:  and  comtnanded  to 
bind  him,  and  to  bring  hini  ignominiously  into  captivity.  aber 
nach  hdtan  steht  der  blofse  inünitiv,  also  kann  to  nicht  zu  ge- 
bringan gehören,  und  to  bring  him  würde  hine  gebringan  lauten. 
him  tö  gehört  zusammen :  der  kaiser  liefs  den  ealdorman  binden 
und  in  fesseln  (on  hcefte)  vor  sich  bringen,  bei  Surius  325 
heifst  es  allerdings  nur  in  vincula  coniectus  est,  aber  Alfrics  quelle 
wich  von  der  darstellung  dort  vielfach  ab. 

32.  III 195  s.  62.  auf  die  bitte  des  ealdorman  betet  Basilius 
für  ihn:  pd  ymbe  syx  dagas  se  cdsei'e  het  sendan  ongedn  ßone 
geswcenctan  ealdorman  of  pcem  nearwum  bendum.  die  Übersetzung 
des  anfangs  dieser  stelle:  then  in  about  six  days  ist  unrichtig. 
ymbe  ist  after;  vgl.  Surius  325  post  sex  namque  dies  ab  impera- 
tore  iussus  est  vinculis  solvi.  dieselbe  fehlerhafte  auffassung  von 
ymbe  finden  wir  auch  sonst:  so  iii  268  s.  66  p(Bs  ymbe  seofan 
niht  'about  seven  days  afterwards' ;  xi  65  s.  242  dces  embe  seofon 
niht  'about  a  se'nnight  after  this'  (AASS  mar.  ii  19*^  cum  transis- 
sent  autem  dies  Septem),  richtig  ist  dagegen  zb.  in  422  s.  74 
ymbe  dry  dagas  'after  three  days'  und  430  s.  76  ymbe  feawa 
daga  (gen.  pl.,  falls  nicht  verschrieben  für  dagas)  'after  a 
few  days'. 

33.  III  197  s.  62.  an  die  eben  behandelte  stelle  schliefst 
sich  sofort  and  him  pd  blide  wces,  was  durch  and  he  was  blithe 
thereat  widergegeben  wird,  hat  die  Übersetzerin  etwa  blide  für 
das  neutrum  gehalten  ?  oder  wie  hat  sie  sich  sonst  him  zurecht- 
gelegt? jedesfalls  aber  ist  die  auffassung  unrichtig,  blide  hat 
hier  vielmehr  die  bedeutung  'gnädig'   (vgl.  iv  131  s.  98,  wo   es 


278       BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

durch  kind  übersetzt  wird):  subject  bleibt  der  kaiser:    'und  war 
ihm  da  gnädig.' 

34.  III  206  s.  62.  on  sumum  dege  fe'rde  se  (hs.  seo  gegen  V) 
foresceda  bisceop,  pd  rdd  lulianns  se  drleasa  (hs.  -lease)  cdsere  mid 
mycelre  (hs.  -ra)  fyrdinge  swide  füs  tö  wige.  warum  ist  pd  rdd 
mit  tohere  rode  übersetzt  st.  when  tkere  rode? 

35.  III  225  f  s.  64.  man  muss  doch  wol  schreilten:  ic  wdt 
pine  dyrstignysse  and  pinra  {\\%.  pine)  burhwara,  pe  töbrcBcon  pd 
anlicnysse,  pe  (hs.  pi)  ic  sylf  droerde.  doch  wäre  auch  pinre  burh- 
ware  möglich,  die  Übersetzung  setzt  eine  solche  Verbesserung 
voraus. 

36.  III  231  s.  64.  Basilius  rät  seinen  milbürgern ,  pCBt  hi 
pone  redan  cdsere  mid  sceattvm  gegladodon,  ponne  he  of  pdni  side 
cöme;  nach  der  Übersetzung,  that  they  should  gladdeti  the  cruel 
emperor  usw.  aber  gegladian  heifst  hier  nicht  'erfreuen',  sondern 
'gnädig  machen',  'günstig  stimmen',  to  appease.  dieselbe  be- 
richtigung  ist  für  die  Übersetzung  nötig  iii  562  s.  82  he  mid  ge- 
bedum  gegladaf)  god  celmihtigne  (vgl.  Surius  6,  335  oraiis  conci- 
liabit  tibi  dominum)  und  iv  137  s.  98  hü  magon  hi  beon  gegla- 
dode?  (vgl.  AASS  jan.  i  580*  dicitis  eos  .  .  .  placari). 

37.  in  276  s.  66.  ein  augenzeuge  berichtet  vom  tode  des 
kaisers  Julian:  pd  hrijmde  lulianns  mid  hospe  and  earmlice  ge- 
wdt  on  üre  geioytnysse.  die  Übersetzung  der  drei  letzten  Wörter 
durch  as  we  can  testify  ist  nicht  treffend:  es  ist  nur 'vor  unseren 
äugen',  'in  unserer  gegenwart';  vgl.  ne.  m  the  wittiess  of  (zb. 
II  301  s.  42  on  pces  folces  gewytnysse  widergegeben  durch  in  the 
witness  of  the  people).  iv  77  s.  94  gdstUce  peonde  on  godes  ge- 
wytnysse wird  übersetzt  increasing  in  the  spirit,  in  testimony  to 
God:  auch  hier  ist  on  godes  gew.  nur  'vor  golt'  (vgl.  AASS  jan. 
i  577*"  ut  a  solo  domino  Christo  et  sanctis  angelis  sciretur ,  quod 
agebant).  es  sei  hier  auch  noch  auf  vi  148  s.  156  hingewiesen: 
Florus  gründet  da  ein  kloster  and  mid  micelre  dre  pcet  mynster 
gegödode  and  priuilegium  selte  on  swutelre  gewitnysse.  die  Über- 
setzung lautet:  and  wilh  great  favour  he  benefited  the  monastery, 
and  assigned  privileges  to  it  in  clear  testimony  [thereof].  das 
würde  doch  besagen  dass  Florus  dem  kloster  Privilegien  verlieh 
zum  beweis,  dass  er  es  beschenkte:  so  etwas  konnte  Ällric  nicht 
sagen  wollen,  on  swutelre  gewitnysse  übersetze  ich  'vor  genügen- 
den  zeugen':    zur    Übertragung    der    rechte   ans    kloster   muslen 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       279 

DaUirlich  zeugen  zugezogen  werden  (Grimms  RA  608).  die  zeugen- 
schaft  wird  als  swutol  bezeichnet,  weil  sie  lür  immer  das  recht 
des  klosters  klar  machte,  die  quelle  bietet  AASS  jan.  i  1046' 
scripto  iiixta  consilinm  beati  viri  testamento  tradidit  ei  omnia  et 
de  sno  iure  in  eins  delegavit  potestatem  atque  dominium. 

38.  III  285  s.  66.  löcahü  pü  wylle  'wie  auch  immer  du 
willst'  kommt  zu  den  von  Kluge  Beitr.  8,  529  ff  aus  unserem 
denkmal  beigebrachten  belegen  hinzu,  ich  weise  auch  noch  auf 
Ällr.  Gr.  58, 12  hie  et  haec  et  hoc  uetus  löchwcet  eald  s^  hin  und 
287,  21  decempes  löchwcet  halbe  tyn  fe't.  auch  mag  hier  noch 
eine  stelle  aus  einem  bisher  nicht  gedruckten  gebet  stehen: 
löchwcenne  min  tima  beo  and  pin  willa  sp,  pcet  ic  pis  l&ne  (hs. 
hl(pne)  lif  foricetan  scyle,  Icet  me  mid  gedefenesse  nitne  dagas 
geendian  (C.  C.  C.  C.  391  =K.  10  s.  602). 

39.  III  333  s.  70.  die  rechtgläubigen  und  die  ketzer  er- 
heben anspruch  auf  dieselbe  kirche.  da  schlägt  Basilius  vor  die- 
selbe fest  zu  verschliefsen.  die  ketzer  sollen  zuerst  drei  tage 
hindurch  beten,  und,  wenn  gott  auf  ihr  bitten  hin  die  kirche 
öffnet,  so  sollen  sie  sie  behalten:  gif pone  se  cplmihtiga  god  nelle 
hi  eow  geopenian,  dann  wollen  die  rechtgläubigen  beten,  die 
Übersetzung  ignoriert  pone  vollständig:  if  the  Almighty  God  will 
not  open  it  to  you.  pone  steht  für  ponne  (der  Schreiber  unter- 
scheidet die  beiden  Wörter  nicht  mehr  streng,  vgl.  zb.  pone  lür 
ponne  iii  647  s.  88),  und  dieses  ist  hier,  wie  oft  'aber',  ich  ver- 
weise nur  auf  Übungsb.^  vii  19  s.  14  .  .  .  gif  hit  fuguldceg  sie ;  gif 
hit  donne  festendtcg  sie  usw. 

40.  m  370  s.  72.  der  teufel  fragt  einen  jungen  mann,  der 
mit  seiner  hilfe  die  liebe  der  tochter  seines  herrn  zu  erlangen 
sucht,  ob  er  an  ihn  glauben  und  Christus  verläugnen  wolle,  wid 
pdm  pe  he'  gefremode  his  fülan  gälnysse.  das  wird  übersetzt: 
as  soon  as  he  had  furthered  his  foul  bist,  die  zweite  hs.  hat 
allerdings  sippan  st.  wid  pdm  pe,  aber  darum  ist  das  letztere  nicht 
mit  dem  ersteren  gleichbedeutend:  es  ist  'unter  der  bedingung, 
dass',  'wofern'  (v  185  s.  128  if  only).  in  der  antwort  des  jungen 
mannes  entspricht  ihm  gif  (374,  wo  übrigens  fremode  ebenso 
hätte  übersetzt  werden  sollen,  wie  370:    dasselbe  gilt  von  380). 

41.  ni  408  s.  74.  der  junge  mann  erlangt  mit  hilfe  des 
teufeis  die  band  des  mädchens.  die  arme  frau  erfährt  aber  von 
seinem  bund  mit  dem  teufel,  eilt  zu  dem  heil.  Basilius  and  cydde 


280       BEMERKÜiNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAIMS 

him  he  endebyrdnysse  hyre  cnihtes  wiperscec.  die  Übersetzung  her 
hnsband's  apostacy  ist  uicht  zu  rechtfertigen,  wenn  man  nicht, 
was  ich  allerdings  liir  notwendig  halte,  ceorles  st.  cnihtes  schreibt, 
an  dera  verschreiben  war  wol  der  umstand  schuld,  dass  der  junge 
mann  vorher  als  se  deofles  cniht  (403  und  401)  bezeichnet  wor- 
den ist. 

42.  m  424  s.  74.  der  unglückliche  junge  mann,  der  sich 
dem  teulel  verschrieben  hat  und  den  Basilius  retten  will,  erzählt 
dass  die  teulel  zu  ihm  kommen  and  nie  swide  geegsiad  and  e'ac 
swylce  torfiad.  der  letzte  satz  wird  widergegeben  and  also ,  as  it 
were,  shoot  at  me.  wir  haben  hier  denselben  fehler,  dem  wir 
unter  nr  30  begegnet  sind,  aufserdem  ist  torfian  nicht  'schiefsen', 
sondern  'werfen',  vgl.  Surius  329  nee  ferre  possum  eorum  cla- 
mores,  terrores  et  ictns  lapidum. 

43.  HI  426  s.  74.  lerner  zeigen  die  leufel  dem  jungen  mann 
seine  verschreibung  und  cwedad,  pcvt  ic  cöme  tö  him  and  nd  hi 
tö  me.  die  Übersetzung  that  1  shall  come  to  them  and  not  they 
to  me  beruht  auf  der  durch  die  ne.  form  veranlassten  annähme 
von  come  st.  mme  (vgl,  nr  59).  dass  aber  cöme  (conj.  prät.)  vor- 
liegt, wird  einmal  durch  445  bewiesen,  wo  der  teufel  sagt:  ne 
söhte  ic  nd  hine,  ac  hc  sylf  com  tö  me,  sodann  aber  auch  durch 
Surius  329  tu  venisti  ad  nos,  non  nos  ad  te. 

44.  in  469  s.  78.  bei  dem  priesler  Anastasius  lebt  eine 
jungirau  geond  feowertig  gedra  (hs.  yeare)  fec  ficgre  gehealden. 
die  Übersetzung  about  the  space  of  forty  years  ist  nicht  richtig. 
ahout  ist  durch  for  oder  during  zu  ersetzen,  vgl.  geond  prittig 
nihta  (hs.  nihte)  vm  12  s.  196  'during  thirty  nights  [a  month]' ; 
geond  feoicer  gedra  (hs.  geare)  f(£c  ix  9  s.  210  'for  the  space  of 
füur  years.'  ,,,.!»  < 

45.  HI  480  s.  78.  bei  Anastasius  lebt  auch  ein  aussätziger 
belocen  on  äuum  clyfan.  das  wird  übersetzt  shut  up  in  a  cave 
(vgl.  auch  483).  aber  clyfa  ist  hier  gewis  'kammer'.  so  ist  auch 
V  260  s.  132  071  minum  hordclcofan  'in  meiner  Schatzkammer', 
nicht  'in  my  treasure-chest' :  vgl.  habeo  .  .  .  cubiculum  holovitreum 
AASS  Jan.  ii  273''.  vielleicht  ist  es,  da  mau  vielfach  in  cleofa, 
clyfa  langen  vocal  angesetzt  findet,  nicht  überflüssig  zu  bemerken 
dass  das  altn.  klefi,  klifi  seine  kürze  beweist. 

46.  HI  498  s.  80.  der  abt  EITrem  hört  von  den  wundern 
des   heil.  Basilius  und  bitlel  gott  ihm   zu  zeigen,    hwylc  Basilius 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       281 

wwre  on  wurdscype  mid  htm,  was  übersetzt  ist:  what  manner  of 
man  Basil  was  in  hononr  [as  compared]  wüh  hmself.  aber  schon 
das,  was  Effrem  sieht,  da  seine  bitte  in  ertüllung  geht  (eine  bis 
zum  himmel  ragende  feurige  säule),  beweist  dass  die  Übersetzung 
unrichtig  ist.  auch  ist  sie  sprachh'ch  nach  meiner  ansieht  nicht 
zu  rechllertigen.  hirn  geht  nicht  aut  Effrem,  sondern  auf  god: 
'in  welchem  ansehen  Basilius  bei  ihm  stünde.'  bei  Surius  330 
heifst  es  nur  petiit  sihi  a  deo  revelari,  cuiusmodi  esset  Magnus 
Basilius. 

47.  ni  506  s.  80.  Skeat  druckt  basilinus  mit  nachfolgendem 
(sie),  auch  in  549  s.  82  schreibt  er  basiliuus,  aber  die  ab- 
kürzung,  die  gewöhnlich  für  ms  steht,  wird  doch  mitunter  hinter 
M  für  blofses  s  gebraucht  (Wattenbach  Anleitung^  22  des  auto- 
graphierten  teils),     es  ist  also  basilius  zu  drucken. 

48.  m  507  s.  80.  Basilius  bewilikommte  Effrem  bei  sich 
swd  swd  he  wyrde  woes :  das  wird  übersetzt  forasmuch  as  he  was 
worthy.  aber  es  ist  das  doch  nicht  'weil'  oder  'in  so  fern  er 
würdig  war',  sondern  'wie  er  (dessen)  würdig  war'. 

49.  m  513  s.  80.  Effrem  bittet  Basilius,  er  möge  sich  bei 
gott  dafür  verwenden,  dass  er  (Effrem)  griechisch  sprechen 
könne;  dabei  bemerkt  er:  ic  wät ,  pwt  pü  byst  tjjda,  swd  hwces 
swd  pü  bytst  fvt  gode.  die  Übersetzung  lautet:  I  know  that  thon 
art  a  dispenser  of  whatsoever  thou  askest  of  God.  ich  weifs  nicht 
wie  die  Übersetzerin  auf  dispenser  für  tpda  gekommen  ist:  es  ist 
vielmehr  receiver ,  obtainer.  vgl.  Surius  331  sdo  .  .  .  te  facile 
impetraturum  a  deo,  quidquid  ab  illo  petieris. 

50.  m  537  s.  82.  eine  grofse  Sünderin  verfällt  auf  eine 
recht  eigentümliche  art  ihre  Sünden  loszuwerden,  sie  schreibt 
sie  alle  auf  ein  blatt,  versiegelt  dieses  und  bringt  es  dem  heil. 
Basilius,  zu  dem  sie  sagt:  ic  bidde  pe  for  godes  lufan,  pwt  pü 
me  unlyse  pd  inscrglunge ,  ac  ddylega  pd  synna  tö  dryhtne  me 
pingiende.  das  wird  übersetzt:  /  j}7^ay  thee,  for  God's  love,  to 
unloose  for  me  this  seal,  and  blot  out  the  sins  usw.  es  ist  also 
ac  durch  and  widergegeben  worden ,  und  in  der  tat  wäre  but  da 
unmöglich,  aber  ist  denn  ac  im  urtext  weniger  auffallend,  als 
but  in  der  Übersetzung  es  wäre?  me"  ist  unzweifelhaft  verschrieben 
statt  we:  Basilius  soll  die  schrift  nicht  lesen,  sondern  nur  durch 
seine  fürbitte  die  aufgezeichneten  Sünden  tilgen,  vgl.  Surius  335 
omnia  peccata  et  scelera  mea  seripsi  in  hac  Charta  eamque  obsignavi. 


282      BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

tu  aulem,  sancte  dei,  illam,  quaeso,  m  re  sign  es,  sed  tantum 
precibus  tuis  dilue,  quae  in  ea  scripta  sunt. 

51.  iv37f  s.  92.  die  brautkammer  des  heil.  Julianus  lüUt 
sich  mit  dem  kostlichsten  duCt,  sodass  auch  in  seiner  jungen 
gattin  alle  irdischen  triebe  ersterben,  sie  erklärt:  me  m'i  ne  lyst 
ndnes  synscipes,  ac  pws  hcelendes  geßeodnysse  niid  gehealdenre  clen- 
nisse.  Skeat  übersetzt:  7iow  I  have  no  desire  for  any  sinfulness, 
but  (feel)  only  desire  for  the  Saviour,  with  preserved  chastity. 
aber  synscipe  ist  keine  ableitung  von  syn  siinde,  sondern  be- 
deutet wedlock,  ehe,  coyiiugium  ohne  irgend  welchen  tadelnden 
sinn,  in  den  AASS  jan.  i  STö**  heifst  es  nee  penitus  desiderem 
thori  coniunctionem.  v  176  s.  126  ist  es  richtig  übersetzt,  was 
dann  Ibigt,  ist  deshalb  nicht  geschickt  übersetzt,  weil  to  have 
desire  für  lystan  gebraucht  wird  und  dann  desire  auch  für  ge- 
peodnysse,  das  doch  ebenfalls  von  lyst  abhängt,  die  stelle  ist 
deutsch  etwa  so  widerzugeben:  'nun  verlangt  es  mich  nach 
keinem  ehelichen  verkehr,  sondern  nach  Vereinigung  mit  dem 
heiland  bei  bewahrter  reinheit.' 

.52.  IV  129  s.  98.  unter  den  gründen,  mit  denen  Martianus 
es  versucht  Julianus  dem  Christentum  abtrünnig  zu  machen,  ist 
auch  der  hinweis  auf  seine  edle  herkunft:  cwced,  pcet  he  geare 
wiste  his  Oidelborennysse.  die  Übersetzung  said  that  he  had  for- 
merly  known  his  high  rank  nimmt  geare  für  gedra.  hat  denn 
aber  Martianus  diese  kenntnis  nicht  mehr?  geare  ist  natürlich 
unser  'gar':    geare  %oitan  betie  nosse  (vgl.  zb.  v  62  s.  120). 

53.  IV  273  s.  106.  Martianus  verlangt  unter  berufuug  auf 
Christi  taten  auch  von  seinen  anhängern  aufervi'eckung  eines  toten, 
indem  er  Julianus  so  anredet:  e'ower  Crist  drcerde  pd  deadan 
to  life:  l&t  nii  geswutelian,  gif  he  söd  god  sy  and  ge  pisne 
drasran,  was  so  widergegeben  ist:  yonr  Christ  raised  up  the  dead 
to  life,  let  it  now  be  proved  if  He  be  true  God,  and  do  thou 
raise  up  this  man.  zunächst  halte  ich  es  nicht  für  richtig  ge  als 
auf  den  einen  Julianus  bezüglich  zu  nehmen:  mir  ist  eine  solche 
Verwendung  des  ge  aus  altenglischer  zeit  nicht  bekannt,  so  ist 
natürlich  auch  iv  318  s.  108  ne  purfe  ge.  us  bemmnan  nicht 
durch  thou  needest  not  bemoan  us  zu  übersetzen :  obvvol  der  söhn 
zum  vater  spricht,  denkt  er,  indem  er  ge  braucht,  zugleich  an 
seine  mutler  und  sonstige  verwandte,  ähnlich  ist  die  stelle  vii  196 
s.  180.     Agnes   redet  zwar  nur  zu  dem  heahgercfa,  aber,  wenn 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS       283 

sie  sagt :  ne  syiid  ge  nd  wyrde  pcet  wundor  tö  geseonne,  so  denkt 
sie  auch  an  seine  begleiler;  vgl.  198  gdd  eow  nü  peak  ealle  ut. 
auch  hier  ist  also  die  Übersetzung:  thou  art  not  worthy  falsch, 
an  der  stelle,  von  der  ich  ausgegangen  bin,  wird  ^e  deshalb  ge- 
braucht, weil  Martianus,  der  ja  auch  eower  Crist  sagt,  auch  an 
die  anderen  Christen  denkt,  die  vor  ihm  stehen,  auch  im  lat.  steht 
vos  (s.  weiter  unten),  aufserdem  ist  drceraii  wol  nicht  als  impera- 
tivischer conjunctiv  zu  lassen  parallel  mit  Icet,  sondern  als  con- 
junctiv  im  abhängigen  tragesatz  parallel  mit  sy:  Mass  nun  sich 
zeigen ,  ob  er  wahrer  gott  sei  und  ihr  diesen  (toten)  aulvvecket.' 
im  lateinischen  finden  wir  auch  zwei  sätze  mit  st,  von  denen 
treilich  nur  der  eine  ein  Iragesatz,  der  andere  aber  ein  be- 
dingungssatz  ist:  hie  apparebit,  si  vere  deus  ist,  si  vos  istum  mor- 
tuum,  sicut  magister  vester  fecit,  suscitaveritis  583'. 

54.  IV  280  s.  106.  der  vom  tode  erweckte  rult:  e'ald,  M 
andfcencge  gebed  and  hü  cloene  mijegdhdd  is  an  ßisum  mceran 
lulianel  in  der  Übersetzung:  lo,  how  acceptable  is  the  prayer, 
and  what  pure  virginity  is  in  this  noble  Julianus,  scheint  mir 
mit  unrecht  andfcencge  als  prädicatsnomen  getasst  zu  sein,  wo- 
durch der  parallelismus  gestört  wird,  vgl.  auch  das  lateinische: 
0  acceptabilis  oratio!  o  Immaculata  virginitas!  quanta  meretur!  583\ 

55.  IV  295  s.  106.  nach  dem  eigenen  berichte  des  wider 
lebendig  gewordenen  wurde  dieser  deshalb  aus  der  höUe  ent- 
lassen, weil  gott  in  lolge  des  gebetes  des  Julianus  erklärte :  tielle 
ic  hine  geunrötian  on  wnigum  pincge ,  was  übersetzt  wird :  /  will 
not  cause  him  a  displeasure  on  any  account.  abgesehen  davon, 
dass  on  any  account  misverstanden  werden  könnte  ('um  keinen 
preis'),  scheint  mir  geunrötian  nicht  richtig  übersetzt,  so  lange 
wir  nicht  durch  unzweideutige  belege  eines  andern  belehrt  werden, 
müssen  wir  doch  annehmen  dass  geunrötian  nach  der  zweiten 
schwachen  gegenüber  dem  transitiven  geunretan  nach  der  ersten 
intransitiv  sei.  ich  kenne  sonst  keinen  beleg  für  geunrötian, 
ebenso  wenig  einen  für  unrötian  oder  rötian.  das  erstere  wird 
allerdings  von  Bosworth  mit  der  bedeutung  to  make  sad  angeführt: 
es  scheint  aber  nur  auf  der  lesart  im  cod.  reg.  von  Mt.  14,  9 
geunrot  für  geunret  in  der  vorläge  und  Mc.  6,  26  geunrotan  in 
cod.  reg.  und  cod.  hatt.  für  geunretan  zu  beruhen,  also  auf  me. 
formen,  aus  denen  ein  ae.  (ge)unrötian  mit  trans.  bedeutung 
keineswegs   folgt.     Leo   führt   ohne  beleg  unrötian  zweimal  an : 


284       BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

s.  66  mit  der  bedeutuog  'traurig  werden',  652  mit  der  'traurig 
machea'.  was  unsere  stelle  anbelangt,  so  spricht  liir  die  intran- 
sitive bedeutung  auch  das  lateinische:  in  nullo  eum  volo  con- 
tristari  583*.  wir  haben  hier  die  constr.  des  acc.  cum  infini- 
tivo,  wie  zb.  Luc.  1,  62  da  bicnodon  hi  tö  hys  fcvder,  hwcbt  he 
wolde  hine  genemnedne  be'on  ==  quem  vellet  vocari  eum. 

56.  IV  323  s.  108.  der  Christ  gewordene  söhn  des  Mar- 
tianus  bittet  diesen ,  falls  er  von  dem  teuer ,  in  das  er  jetzt  ge- 
worten werden  soll,  nicht  getötet  würde,  dann  etwa  drei  tage 
mit  seiner  mutter  Zusammensein  zu  dürten:  gepafa,  pmt  min 
mödor  me  gesprcßcan  and  sume  preo  niht  on  mtnum  rmle  heon. 
aber  gesprcecan  und  be'on  können  doch  nicht  prädicaie  zum  sub- 
ject  mödor  sein,  ich  glaube  aber  nicht  dass  gesprcüce  und  beo 
zu  schreiben,  sondern  dass  vielmehr  möte  hinter  me  einzu- 
schieben ist. 

57.  IV  331  s.  108.  Martiauus  überträgt  die  auslührung  der 
Strafe  seinem  Vertreter  und  geht  mit  seiner  gemahlin  nach  hause, 
foi'  pan  pe  he  ne  mihte  geseon,  hü  his  sunu  forburne.  die  Über- 
setzung: in  Order  that  he  might  not  see  how  his  son  was  burnt 
enthält  zwei  fehler:  mihte  ist  nicht  ne.  might  der  bedeutung  nach, 
sondern  was  alle,  could  (find  in  his  heart),  und  for  pan  pe  ist 
because,  nicht  in  order  that.  vgl.  incendinm  filii  videre  non  to- 
lerans  584*. 

58.  IV  332  s.  108.  pä  het  se  nndergerefa  hi  ealle  gebringan 
inlö  ddm  tunnum  and  ontendan  hi  mid  dcuman,  was  übersetzt 
wird  .  .  .  commanded  them  all  to  be  brought  (and  placed)  in  the 
tuns  usw.  aber  gebringan  bedeutet  hier  einlach  to  be  placed: 
herbeigeführt  waren  die  Christen  längst:  vgl.  306.  das  lateinische 
lautet:  inbet  singulos  sanctos  in  singulas  deponi  cnpas  584*. 

59.  IV  37011"  s.  112.  he  het  pd  gedwftan  pipt  deoßes  templ, 
and  [)d  hdlgan  cöman  pider  on  bendum,  and  ealle  pd  hwdengildan, 
pe  pcßs  hüses  gimdon,  cöman  tö  pdm  temple  tögednes  pdm  criste- 
num.  in  der  Übersetzung  wird  ein  ähnlicher  fehler  begangen, 
wie  an  der  unter  nr  43  besprochenen  stelle,  indem  sie  lautet: 
he  bade  then  the  devil's  temple  to  be  prepared,  and  the  saints  to 
come  thither  in  bonds,  and  all  the  idol  -  worshippers  .  .  .  to  come 
usw.  statt  cöman  (des  prät.  pl.)  wird  coman  als  inf.  genommen, 
der  aber  cuman  lauten  würde. 

60.  IV  427  s.  114.    nach  dem  märfyrertode  des  Julianus  und 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAIINTS      285 

seiner  genossen  kam  unter  donner  und  blitz  ein  gewaltiges  erd- 
beben,  swd  pwt  pobra  tndnfulra  mycel  dcel  forweard  and  ndn 
stow  ne  wtstöd  mid  pdm  slcBnenum  godum  ne  ndn  hwdengyld 
se  hagol  ne  belwfde.  die  letzten  vvorle  werden  übersetzt:  7ior 
did  the  hau  leave  any  heathen  place  of  worship.  aber  dann 
würde  ja  dieser  satz  das  nämliche  besagen,  wie  der  vorhergehende: 
and  no  place  remained  Standing  with  the  gods  of  stone.  dass 
das  lat.  585''  nur  hat:  nee  qualicumque  permissmn  est  stare,  in 
q%io  idolum  esse  dinoscehatnr ,  beweist  nichts  für  die  richligkeit 
der  Übersetzung.  Ältric  hätte  nicht  einen  ganzen  satz  hinzu- 
gefügt, wenn  er  nicht  einen  neuen  gedanken  hätte  ausdrücken 
wollen,  hoedengyld  ist  hier  ohne  zweifei  'gützeubild' :  es  wurden 
die  tempel  und  die  götzenbilder  vernichtet,  ebenso  ist  das  wort 
V  31  s.  118  zu  fassen:  pcet  hl  hi  gehigdon  tö  dam  hwdengylde, 
ße  hi  sylfe  wurdodon,  wo  es  durch  heathenism  übersetzt  ist. 
vgl.  hier  das  lat.  AASS  jan.  ii  265''  quatenus  ad  thurificandum  idolis 
consentirent. 

61.  V  60  s.  120.  onginnad  eower  gefeoht  ongedn  da  nnge- 
sewenlican  fynd.  die  Übersetzung:  hegin  your  fight  against  the 
invisible  fiend  wäre  nur  richtig,  wenn  für  da  dastünde  dam. 
aber  es  ist,  trotzdem  Sebastianus  AASS  jan.  ii  266^  in  der  ent- 
sprechenden rede  snbiectas  pedibus  hostis  deuicti  cervices  erwähnt, 
doch  nach  meiner  ansieht  unnötig  zu  ändern:  o/t^e«H  kann  auch 
mit  dem  acc.  stehen :  f^nd  ist  also  durch  fiends  oder  vielleicht 
besser  enemies  zu  übersetzen,  v  245  s.  132  ist  pegnum  wol 
nur  in  folge  eines  druckfehlers  durch  den  sing,  servant  wider- 
gegeben. 

62.  V  120  s.  124.  gelyfdon  pd  ealle  endemes  on  Cr  ist  wird 
übersetzt  in  the  end  they  all  believed  in  Christ;  ähnlich  v  345 
s.  138  pä  öpre  ealle  endemes  ferdon  awceg  'all  the  others  at  last 
went  aiDtty\  während  zb.  ii314  s.  42  und  viii  178  s.  206  endemes 
durch  together  übersetzt  ist.  dieselbe  Übersetzung  ist  für  die 
zuerst  angeführten  stellen  nach  meiner  ansieht  die  richtige,  für 
die  bedeutung  'endlich',  'schliefslich'  ist,  soviel  ich  sehe,  kein 
beweisender  beleg  beigebracht,  es  hindert  zb.  nichts  an  den 
bei  Leo  472  angeführten  stellen  (Älfr.  Hom.  n  214  da  wurdon 
ealle  endemes  ddylegode,  516  da  scealfran  gewiton  aweg  tö  holte 
ealle  endemes  uüd  pd  wurdon  hi  ealle  endemes  dstyrede),  an  denen 
Thorpe  finally  und  at  length,  Leo  'endlich'  übersetzt,  es  ebenso 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  20 


286      BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRIGS  LIVES  OF  SAINTS 

zu  fassen ,  wie  an  den  aus  den  Lives  zusammengetragenen  stellen 
(vgl.  auch  noch  iv  239  s.  104,  wo  es  bei  Skeat  likewise  über- 
setzt ist:    auch  hier  würde  aber  together  passen). 

63.  V  169  fr  s.  126.  der  christ  Tranquillinus  behauptet  dem 
heidnischen  he'ahgerefa  gegenüber  dass  die  götter  der  beiden  nur 
schlechte  menschen  gewesen  seien,  der  folgende  satz  ist  dann 
ohne  zweifei  eine  frage:  cwyst  pn,  lä,  ßiet  ncere  ndn  lyfigende 
god,  cer  pan  de  Saturnus  Ms  suna  dbite  and  heora  ßcesc  cete  on 
pdm  iglande  Creta?  bei  Skeat  heifst  es:  lol  thou  sayest  usw. 
vgl.  aber  Koch  II  §574  und  das  lateinische:  numqnid,  antequam 
Saturnus  Cretensibus  imperaret  et  füiorum  suorum  carnes  com- 
ederet,  deus  m  cwlis  non  erat?  AASS  jan.  ii  271''.  auch  etwas 
weiter  unten  lä  hü,  ne  dwadast  pü?  (z.  178)  ist  nicht:  look 
whether  or  no  thou  errest ,  sondern  etwa:  loell,  doest  thou  not 
err?  vgl.  das  lat.  non  ergo  erras?  und  Älfr.  Hom.  n  80  Id  hü, 
ne  möt  ic  dön,  pect  ic  icille?  was  Thorpe  übersetzt:  what,  may 
I  not  do  what  I  icill? 

64.  V  268  s.  134.  Chromatius  soll  gesund  werden,  sobald 
alle  seine  götzenbilder  zerbrochen  sind:  es  stellt  sich  aber  bald 
heraus  dass  zu  diesen  auch  ein  astronomiscli- mathematisches 
Instrument  zu  rechnen  ist ,  das  sein  besitzer  vergeblich  mit  den 
folgenden  worten  zu  reiten  sucht,  die  ich  gleich  mit  der  mir 
notwendig  scheinenden  kleinen  Änderung  hersetze:  hw(Pt  derad 
pis  miigum?  nd  we  hü  ne  wurdiad  mid  gewuneUcum  offrnngnm, 
ac  hü  gewissad  üs  pui'h  wisne  Idreoxodöm  tö  gedrlicum  tidum  and 
tunglena  ymbrynum.  ich  habe  nd  an  stelle  des  überlieferten  ne 
gesetzt,  ein  7ie  kann  kein  zweites  ne  verstärken  und  ne  an  erster 
stelle  ist  durch  den  Zusammenhang  ausgeschlossen:  auch  nü,  an 
das  man  denken  könnte,  würde  nicht  recht  passen. 

65.  V  306  s.  136.  ein  engel  kommt,  um  Chromatius  mit- 
zuteilen dass  Christus  ihn  wider  gesund  mache,  da  ruft  er  und 
sein  söhn  Tiburlius,  indem  sie  sich  Sebastian  und  Polycarp  zu 
fülsen  werfen:  Crist  is  söd  god  and  wlmihtig  godes  sunu,  pe  gü 
Pegnas  göde  bodiad,  die  Übersetzung  and  the  son  of  Almighty 
God  wäre  nur  zu  rechtfertigen  unter  der  annähme  eines  compo- 
situms  wlmihtiggod,  das  aber  sonst  nicht  nachzuweisen  ist.  aufser- 
dem  aber  spricht  das  lateinische  gegen  diese  auffassung:  verus 
deus  est  Christus,  verus  et  omnipotens  unigenüus  fdius  dei.  weiter 
zeigt   das   lateinische  dass   die   lesart  pegnas  göde,   die  übrigens 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS      287 

schon  durch  die  von  V  göde  pegnas  gegenüber  der  von  C  godes 
pegnas  gesichert  ist,  das  richtige  bietet,  bei  Skeat  ist  servant 
of  God  übersetzt:  aber  godes  in  C  ist  gewis  durch  godes  vor 
sunu  veranlasst,  das  lateinische  lautet:  quem  praedicatis  boni 
ministri  eins. 

66=  V  358  s.  140.  Tiburtius  findet  einen  mann,  der  so  ge- 
fallen ist,  dass  he  his  he'afod  töbrcec  and  e'ac  his  bdn  töcwi/sde, 
was  übersetzt  wird:  he  had  fractnred  his  skull,  and  moreover 
crushed  the  bone.  warum  nicht  his  bones?  bdn  ist  plural.  vgl. 
Caput  et  omnia  memhra  quassaverat  276^ 

67.  VI  32  s.  150.  als  ausspruch  Christi  wird  citiert:  söd 
ic  eow  scecge,  swd  hwcet  swä  ge  biddad,  eow  bid  getpdod  untwy- 
lice  dces,  gif  ge  gelyfad,  pcet  ge  pd  Idc  underfön.  in  der  Über- 
setzung der  Worte  in  der  mitte  durch  whatsoever  ye  shall  ask 
shall  certainly  be  granted  you  an  this  (condition),  that  usw.  wird 
dws  mit  unrecht  als  eine  hindeutung  auf  den  folgenden  be- 
dingungssatz  genommen,  während  es  von  bid  get^dod  abhängig 
ist  und  auf  das  vorhergehende  swä  hwcet  swd   zurückweist. 

68.  VI  63  s.  152.  hwcet,  dd  Benedictus  be  his  gebrödra  rcede, 
swä  swä  him  god  geswutolode,  äsende  pä  Maurum,  pe'ah  de  he 
uneade  mihte  for  heora  micchim  lufe  hine  him  fram  Icetan  tö  däm 
fyrlenan  lande,  so  interpungiere  ich.  in  der  Übersetzung  wird 
tö  däm  f.  l.  zu  äsende  gezogen ,  was  eine  ungeschickte  satzbildung 
voraussetzt,  äsende  kann  sehr  wol  ohne  nähere  bestimmung 
stehen ,  während  der  zusatz  'zu  dem  fernen  lande'  da  besonders 
passend  ist,  wo  gesagt  wird  dass  ihn  Benedict  ungern  ziehen 
iiefs.  übrigens  ist  him  in  swä  swä  him  god  geswutolode  nur  auf 
Benedict  zu  beziehen  (vgl.  secnndum  quod  spiritu  sancto  revelante 
didicerat  AASS  jan.  il042*),  nicht  auch  auf  die  gebrödor;  also 
as  God  revealed  to  him,  nicht  to  them. 

69.  VI  89  s.  152.  die  letzten  worte  Benedicts  an  Maurus 
und  seine  begleiter  sind:  farad  nn  gesunde  and  gesßlige  becu- 
mad.  zu  der  Übersetzung:  fare  ye  now  well,  and  be  ye  blessed 
ist  zunächst  zu  bemerken  dass  farad  au  unserer  stelle  noch  die 
volle  bedeutung  'reiset'  hat,  nicht  die  abgeschwächte  von  ne.  fare 
in  farewell.  an  der  Übersetzung  aber  von  becumad  durch  be  ye 
ist  wol  die  gewöhnliche  ne.  bedeutung  von  to  become  'werden' 
schuld,  die  im  ae.  noch  nicht  vorhanden  ist.  becumact  ist  'kommet 
an':    'reiset   nun   gesund   und  kommt  glückhch   an.'     vgl.  AASS 

20* 


288     BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

jao.  I  1043''   iamque  ualeas  felix  m  profectione,  felicior  fnlurns 
in  peruenti'one. 

70.  VI  103  s.  154.  es  werden  einige  wunder  erzählt,  die 
Maurus  unterwegs  wiirkte.  eft  he  gehmlde  on  odre  stöwe  dnre 
wydewan  sunn,  pe  unwene  da  Iceg.  in  der  Übersetzung  wird 
vnwene  durch  unconscious  widergegeben,  wahrscheinlich  ist  diese 
Übersetzung  nur  aus  dem  Zusammenhang  geraten:  sie  ist  nicht 
richtig;  denn  loen  bedeutet  nirgends  'bewustsein'.  das  lat.  1044* 
quique  tarn  ultimum  trahens  flatum  vicinam  in  lecto  iacens  oper- 
iehatur  mortem  widerspricht  ebenfalls;  denn  operiehatur  setzt  doch 
bewustsein  voraus,  die  richtige  bedeutung  hat  schon  Grein  tür 
Guthlac  1121  angesetzt  'ohne  hoffnung  (sc.  auf  genesung)'. 
unsere  stelle  zeigt  aber  dass  nicht  unwen  als  nom.  sing.  m.  an- 
zusetzen ist,  wie  Grein  getan  hat,  sondern  untoene.  ebenso 
auch  wwene,  nicht  wwen,  wie  bei  Bosworth-Toller  steht,  obwol 
der  beleg  (Deut.  28,  66  eow  hid  eower  [gedruckt  eoiore]  11  f  wwene) 
die  richtige  form  an  die  band  gibt,  so  ist  denn  auch  orwe'ne  als 
sing,  zu  dem  plural  orwene  in  Oros.  ed.  Sweet  192,  4  anzusetzen, 
vgl.  ahd.  anawdni,  urwdni,  uberwdne,  md.  unwene,   altn.  iivamn. 

71.  VI  121  s.  154.  da  Maurus  an  seinem  ziel  ankommt, 
ist  der  bischof,  auf  dessen  wünsch  Benedict  ihn  geschickt,  tot; 
sein  nachfolger  denkt  anders:  he  cwa>d,  pwt  he  ne  mihte  embe 
munucUf  pd  smeagan  (hs.  -gen)  be  ödres  hisceopes  dihte,  ac  wolde 
beon  embe  his  pincg  be  his  dgenum  dihte  and  gedreohlcecan  his 
hdmas.  vgl.  lat.  1045''  respondit  se  propriis  magis,  quam  aliorum, 
velle  insistere  coeptis,  ne  supra  alienum  aedificare  videretur  fun- 
damentum;  'praesertim' ,  inquit,  'cum  incumbat  nobis  ordinatio  ac 
dispositio  tarn  propriorum  negotio:  um ,  quam  et  ecclesiarum  per- 
vigil  sollicitudo.'  die  letzten  worte  Älfrics  werden  übersetzt  make 
rules  for  his  houses.  ich  kann  mir  nicht  erklären,  was  zu 
dieser  Übersetzung  des  verbs  gedreohlcBcan  geführt  hat.  es  steht 
dieses  wort  weder  bei  Grein  noch  bei  Bosworth-Toller:  aber  Leo 
hat  332,  1  'gedreoglwcan  trocknen'  und  451,  45  'trockenhalten', 
an  der  zweiten  stelle  mit  dem  hinweis  auf  Älfr.  Hom.  ii  316. 
hier  heifst  es:  menn  dmftad  heora  hüs  and  wel  gedreoglcecad,  gif 
hi  sumne  freond  onfön  loillad  tö  him,  fxpt  ndn  undwsUcnys  him 
ne  dürfe  derian.  diese  stelle  gibt  nicht  den  geringsten  anhält 
für  die  von  Leo  angesetzte  bedeutung  'trocknen'  oder  'trocken- 
hallen', die  er  dem  worte  wol  nur  gegeben  hat,  weil  er  an  dri/ge 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS      289 

usw.  dachte.  Thorpe  übersetzt  wel  gedr.  mit  are  well  content, 
was  offenbar  nur  ein  notbehell  ist.  ich  glaube  dass  aus  den 
beiden  stellen  mit  Wahrscheinlichkeit  zu  entnehmen  ist  dass  das 
wort  synonym  mit  dceftan  ist,  also  'in  Ordnung  bringen'  be- 
deutet (vgl.  ordinatio  ac  dispositio  im  lat.  und  gedreog  modestia, 
gedreoh  sobrius,  gedreohlice  prudenter  in  den  lexx.).  hämas  aber 
sind  wol  nicht  'häuser',  sondern  'guter',  'besitzungen',  die  dem 
bischol  gehören  (vgl.  oben  nr  5). 

72.  VI  211  s.  160.  Maurus  gibt  einem  arbeiter,  der  zur 
strafe,  weil  er  ihn  geschmäht,  plötzlich  gestorben,  das  leben  wider; 
doch  soll  dieser  niemals  wider  das  kloster  betreten:  het  hins 
warnian,  gif  he  wolde  libban,  pcet  he  ncere  on  ddm  mynstre  ncvfre 
eft  gesewen.  die  Übersetzung:  gave  Orders  to  loarn  him,  if  he 
wished  io  live,  that  he  shonld  never  be  seen  in  the  monastery  again, 
geht  davon  aus,  dass  warnian  schon  im  ae.  die  bedeutung  von 
ne.  to  warn  hatte,  bisher  hat  man,  soviel  ich  weil's,  nur  auf 
eine  stelle  hingewiesen ,  wo  dies  der  lall  sein  soll ,  nämlich  auf 
Gen.  6, 6  (Bosworth  s.  v.  warnian,  Skeat  Etym.  dict.  s.  v.  loarn). 
dieselbe  lautet:  gode  pd  ofpühte,  pcet  he  man  geworhte  ofer 
eordan;  he  wolde  pd  warnian  on  wr  and  wces  geJuepod  mid 
heortan  sdrnisse  widinnan.  die  worte,  auf  die  es  uns  hier  allein 
ankommt,  sind  ein  zusatz  ÄUrics:  he  loolde  pd  warnian  on  wr. 
warnian  on  wr  soll  nach  Bosworth  (oder  Juniiis?)  monere  prius, 
praemonere  bedeuten,  ich  verstehe  aber  die  stelle  so:  'er  wollte 
sich  da  im  voraus  vorsehen.'  mag  man  aber  diese  meine  auf- 
fassung  billigen  oder  nicht,  jedesfalls  wird  man  mir  zugestehen 
dass  an  der  obigen  stelle  gegen  die  bedeutung  'sich  hüten ,  vor- 
sehen, in  acht  nehmen'  nichts  zu  sagen  ist:  'er  hiefs  ihn  sich 
hüten,  wenn  er  leben  wollte,  jemals  sich  wider  im  kloster  sehen 
zu  lassen.'  gegen  die  annähme  einer  mittelsperson ,  die  im 
namen  des  Maurus  die  Warnung  erteilt,  spricht  auch  das  latei- 
nische: ab  eo  mandatum  accepit  usw.  1047''. 

73.  VI  275  s. 164.  sum  ercediacon  com  e'ac  hwilum  tö  Maurei 
pd  nwfdon  hi  ndn  win,  bütoti  on  dmim  geioealdenan  bntruce.  ge~ 
wealden  mrd  in  der  Übersetzung  durch  large-sized  w'idergegehent 
aber  schon  Cockayne  Leechdoms  ni  362,  wo  diese  stelle  angeführt 
wird,  hat  auf  das  lat.  m  uno  parvissimo  vasculo  (1048^)  hinge- 
wiesen, vgl.  jetzt  auch  Bosworth-Toller  über  dieses  vor  Cockayne 
allgemein  falsch  aufgefasste  wort. 


290      BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

74.  VI  285  s.  164.  Maurus  findet  einen  mann,  der  am 
krebs  leidet:  and  his  weleras  (hs.  weleres)  wwron  äwlä'tte  mid 
ealle.  an  der  Übersetzung:  his  Ups  were  rendered  loathsome 
thereby  ist  wol  der  gedanUe  an  ne.  withal  schuld,  aber  mid 
ealle  ist  'ganz  und  gar'. 

75.  VII  37  s.  172.  he  ,  .  .  mid  ormettnm  tnynum  me  gefre- 
tewode  wird  übersetzt:  he  hath  adorned  me  with  exceeding  [rieh] 
jevoels.  aber  myne  =  mene  ist  'halsband',  'halskette',  nicht  all- 
gemein jeioel.  das  adj.  aber  ist  'unermesslich';  vgl.  immensis 
monilibus  AASS  jan.  ii  35 1\ 

76.  VII  50  s.  172.  die  heilige  Agnes  sagt  von  ihrem  himm- 
lischen bräutigam:  his  mödor  is  mmlen,  and  his  mihtiga  fivder 
wifes  ne  breac,  and  him  d  bugad  englas  =  and  to  Hirn  the 
angels  ever  bow.  mir  scheint  das  'immer'  unpassend.  das 
original  hat  mi  angeli  serniunt  35r.  ich  ziehe  deshalb  dbügad 
zusammen. 

77.  vn  611  s.  172.  dieselbe  heilige  rühmt  die  vorzöge  ihres 
Verhältnisses  zu  Christus;  darunter  hebt  sie  auch  hervor:  pcer 
b(prn  ne  dteoriad  on  ddm  brydldce,  fiwr  is  eacnnng  bütan  sdre 
and  singallic  wwstmbwrnyss.  dass  vor  dem  zweiten  pwr  nur 
eine  schwache  interpunclion  stehen  darf  und  dieses  pcer  relativ 
ist,  nicht  demonstrativ,  zeigt  das  lateinische  original  dbV :  nee 
deerunt  post  nuptias  filii,  übt  partus  sine  dolore  et  foecunditas 
quotidiana  cumulatur.  hieraus  ergibt  sich  lerner  dass  brijdldc 
hier  nicht  'hochzeit'  (bridal),  sondern  'ehe'  bedeutet  und  eacnung 
nicht  'emptängnis'  (coticeplion),  sondern  'gehurt',  weiter  ist  klar 
dass  sdr  hier  nicht  'kummer'  (sorrow)  bezeichnet,  sondern  'schmerz' 
in  körperlichem  sinne,  childbirth  without  pain  übersetzt  Cockayne 
Shrine  6  richtig,  während  er  das,  was  vorhergeht  (lohere  chil- 
dren  weary  not  in  the  nuplials  gegenüber  there,  in  the  bridal, 
110  child  lacketh  bei  Skeat),   noch  weniger  richtig  aulgelässt  hat. 

78.  VII  89  s.  174.  da  die  heilige  Agnes  aul  die  Vorstellungen 
des  Sempronius  nicht  hört,  erklärt  er  ihren  verwandten ,  ßa't  heo 
forscylgod  wcHre  for  hire  cristendöme ,  pe  se  cdsere  onscunode.  die 
Übersetzung  that  she  would  be  accused  for  her  Christianity  scheint 
mir  nicht  ganz  passend,  die  quelle  35 T  lautet:  .  .  .  parentes 
alloqnitur.  et,  quia  erant  nobiles  et  vim  eis  inferre  non  poterat, 
titulum  eis  christianitatis  opposuit.  forscylgod  (vgl.  oben  nr  16) 
ist  wol  adjectivisch  zu  nehmen:  etwa  'straltällig.' 


BEMERKUNGEiN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS      291 

79.  VII  106  s.  176.  h\i  mwg  ic  hm  (=  mmnni  Criste)  tö 
teonan  tö  päm  deaditm  anlicnyssum  nie  geeadmedan?  die  Über- 
setzung to  the  dead  image  ist  wol  dadurch  veranlasst,  dass  vorher 
die  heil.  Agnes  aufgetordert  wurde  sich  vor  pOBi^e  gydenan  [diese 
conjectur  Skeats  statt  gyldenan  wird  durch  dea  im  original  be- 
stätigt] Yesta  zu  beugen,  aber  Agnes  konnte  doch  in  ihrer  ant- 
wort  von  den  götterbildern  überhaupt  reden,  und,  dass  sie  dies 
tat,  geht  aus  den  Worten  des  Sempronius  hervor  (109):  pü  twlst 
nre  godas.  vgl.  auch  lat.  SSI''  quomodo  possum  idola  muta  et 
surda  et  sine  sensit  et  sine  anima  colere? 

80.  vui  20  s.  196.  die  heilige  Agatha  ist  in  einem  huren- 
hause: aber  die  schlimme  AflVodosia  und  ihre  neun  tochter  suchen 
sie  vergeblich  zur  Sünde  zu  vertühren.  sie  erklärt  ihnen:  cowei' 
Word  syndon  winde  gelice,  ac  hi  ne  magon  dfyllan  min  fwstrwde 
gepanc,  pe  is  gegrundstapelod.  in  der  Übersetzung:  your  words 
are  like  wind,  but  they  cannot  defile  my  steadfast  will  usw.,  ist 
dfyllan  'umwerfen'  mit  dfylan  'beflecken'  verwechselt,  wodurch 
das  gleichnis  verdorben  tvird.  vgl.  AASS  febr.  j  615  mens  mea 
solidata  est  et  in  Christo  fundata.  verba  vestra  venti  sunt,  qiiae 
quantumvis  impingant  in  fundamentum  domus  meae,  non  poterit 
cadere;  fundata  enim  est  supra  firmam  petram.  ,  ;, 

81.  viii  43  s.  198.  Quintianus  tragt  die  heilige  Agatha  nach 
ihrer  herkunlt,  und,  da  sie  erklärt,  sie  sei  aus  edlem  geschlecht, 
fragt  er  weiter:  hwi  dest  pü  de  sylfe  durh  wdce  peawas,  swilce 
pü  wyln  sy?  die  Übersetzung  dieser  frage  lautet:  why  destroyest 
thou  thyself  by  mean  nsages,  as  if  thou  wert  a  bondmaid?  aber  dön 
bat  nicht  die  bedeutung  von  fordön.  ich  übersetze:  'warum  tust  du 
selbst,  indem  du  dich  unfein  benimmst,  als  wenn  du  eine  magd 
wärest?'  vgl.  lat.  615''  cur  morihus  te  servilem  personam  ostendis? 

82.  vHi  53  f  s.  198.  eine  weitere  frage  veranlasst  die  heilige 
zu  erklären  dass  die  beiden  sünde  und  steine  verehren,  nun 
heilst  es  weiter:  Quintianus  cwa'd :  'pd  cwealmboeran  wHa  magon 
e'adelice  gewrecan,  swd  hwwt  swd  du  mid  wedendum  müde  tcblst.' 
so  ist  zu  interpungieroo.  die  Übersetzung  aber  lautet:  Quin- 
tianus, the  murderous  tormentor,  said,  'We  may  easily  wreak'  usw. 
aber  the  murderous  tormentor  würde  sein  se  cwealmbwra  witnere. 
pd  cw.  wita  'the  deadly  torments  ist  natürlich  subject  zu  magon. 
es  ist  kaum  nötig  auf  das  lat.  616*  hinzuweisen:  quidquid  furioso 
oro  blasphemaveris ,  poenae  poterunt  vindicare. 


292      BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

83.  VIII  59  s.  198.  ehe  Agatha  gemartert  wird,  soll  sie 
noch  erkläreo,  'hwi  du  iire  goda  (hs.  goda)  biggencgas  forseo/ 
aber  die  heilige  corrigiert  sofort  diese  frage:  ne  cwiecT  pü  nd 
'goda!  (hs.  göda),  ac  'gramlicra  deoßa'.  vgl.  die  .  .  .,  mr  deorum 
sancta  contemnas  .  .  .  noli  dicere  'deorum',  sed  die  'daemoniorum'. 
die  Übersetzung:  'speak  thon  not  of  gods  bnt  of  eruel  devils'  ver- 
wischt das  vollständig,  sie  sollte  lauten:  'say  thon  not,  "of  gods'\ 
but ,  "of  eruel  devils."' 

84.  VIII  72  s.  200.  Quintianus  erklärt  der  heiligen  Agatha^ 
sie  habe  zu  wählen  zwischen  martern  und  der  anerkennung  der 
heidnischen  götler.  da  wünscht  die  heilige,  Quintianus  frau 
möge  so  sein,  wie  Venus,  und  er  selbst,  wie  Jupiter,  damit  sie 
auch  zu  den  göltern  gerechnet  würden:  für  diesen  wünsch  lässt 
sie  Quintianus  schlagen,  aber  Agatha  spricht  ihn  sofort  noch 
einmal  aus.  da  sagt  jener:  'pn  cyst,  pcet  du  gecure  pd  tintregu 
tö  dröwigenne,  nu  pu  minne  teonan  geedlecst.'  zu  eyst  macht 
Skeat  die  anmerkung:  read  ewyst,  i.  e.  sayest ,  und  dem  ent- 
sprechend lautet  die  Übersetzung:  'thon  sayest  that  thon  hast  chosen 
to  snffer  the  tortnres,  since  thon  repeatest  insnlts  against  me.'  aber 
das  widerspricht  dem  zusammenhange:  die  heilige  sagt  nicht,  wie 
sie  sich  entscheidet,  sondern  zeigt  es  durch  ihr  verhalten,  vgl. 
AASS  616^:  apparet  te  hoc  eligere ,  ut  diversa  tormenta  sustineas. 
wir  erhalten  den  erforderlichen  sinn,  wenn  wir  cyst  mit  langem 
vocal  nehmen  =  Cjyidst  von  cijdan  'zeigen',  der  ausfall  des  d  vor 
st  ist  ganz  so,  wie  in  cwyst  st.  ewydst  von  cicedan. 

85.  vHi  77  s.  200.  Agatha  achtel  aut  die  eben  behandelte 
äufserung  des  Quintianus  nicht,  sondern  spricht  ihre  Verwun- 
derung darüber  aus,  wie  er  an  götter  glauben  könne,  denen 
er  nicht  gleichen  wolle,  sie  fährt  fort  (ich  setze  vorläufig  keine 
längezeichen) :  'gif  hi  soda  godes  synd,  godes  ic  pe  gewisce',  was 
so  übersetzt  ist:  if  ihey  be  true  gods,  I  wish  thee  to  be  as  a  god. 
■dher  godes  ic pc'  geivisce  kann  das  nimmer  bedeuten,  was  es  nach 
der  Übersetzung  bedeuten  soll,  sondern  nur:  'ich  wünsche  dir 
einen  gott.'  es  ist  unzweifelhaft  gödes  zu  lesen:  'ich  wünsche 
dir  mit  meinem  wünsche,  du  und  deine  frau  möget  eueren  göltern 
gleichen,  falls  sie  wahre  götter  sind,  etwas  gutes,  und  du  lässt 
mich  dafür  schlagen.'  man  vgl.  zum  überfluss  das  lateinische  616*: 
si  enim  veri  dii  sunt,  bonum  tibi  optavi.  es  ist  also  zu  schreiben: 
gif  hi  söda  godas  (hs.  godes)  synd,  gödes  ic  pe  gewisce. 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRTCS  LIVES  OF  SAINTS      293 

S6.  VIII  110  s.  202.  die  heilige  fordert  Quintianus  auf 
seinen  göttern  aus  stein  und  holz  zu  entsagen ,  'and  gebide  pe  t6 
pinuni  scyppende,  pe  södtice  äleofacV  ich  glaube,  wir  müssen 
trennen  d  leofaä.  dlibban  heifst  'zu  ende  leben'  oder  'erleben* 
an  den  stellen,  aus  denen  es  mir  sonst  bekannt  ist.  aufserdem 
erwartet  man  dass  die  heilige  nicht  blofs  sagt  dass  der  christ- 
liche gott  wahrhaft,  sondern  auch  dass  er  ewig  lebt,  das  latei- 
nische entscheidet  hier  nichts:  creatorem  tnnm,  qui  te  fecit,  et 
deiim  verum  adora  616'^. 

87.  vni  172  s.  206.  während  die  heilige  Agatha  gemartert 
wurde,  entstand  ein  heftiges  erdbeben  and  fe'ol  se  stwnena  (hs. 
-ne)  wdh  üppan  pces  stuntan  rmlboran,  pwt  he  celUöcwpsde  and 
sum  öpei'  cniht  samod.  die  Übersetzung  the  stone  wall  feil  upon 
the  foolish  counsellor  nimmt  an  dass  üppan  hier  mit  dem  gen. 
construiert  sei,  was  sich  sonst  nicht  nachweisen  lässt  (Koch  ii 
§  429).  aufserdem  wSre  pws  sluntan  rwdboran  dann  sehr  über- 
raschend, da  wir  hier  zum  ersten  male  von  ihm  erfahren:  wir 
würden  dnes  oder  sumes  st.  pces  erwarten,  pces  stuntan  muss 
auf  Quintianus  gehen  und  von  rmlboran  abhängen,  vgl.  das 
lat.  617*^  pars  parietis  cecidit  et  oppressit  consiliarium  iudicis  no- 
mine Siluanum  et  amicum  eins  nomine  Falconium,  quorum  con- 
silio  perpetrabat  scelera.    p(es  stuntan  steht  iudicis  entsprechend. 

88.  VIII  186  s.  206.  zu  dem  in  der  hs.  überlieferten  ofpis 
bemerkt  Skeat:  perhaps  read  od  pis  or  od  pces.  die  erste  Ver- 
mutung stellt  ohne  zweifei  das  her,  was  Älfric  selbst  geschrieben 
hat:  aber  die  Schreibung  of  st.  6d  hier  und  in  595  s.  84  of 
middceg  ist  zu  vgl.  mit  me.  sivyfe  für  swype  udgl.  (zu  Guy  346). 
eine  änderung  des  pis  aber  ist  ganz  überflüssig:  pces  vollends 
ist  grammatisch  unmöglich. 

89.  VIII  198  s,  206.  nach  dem  tode  der  heiligen  kommt 
die  gesammte  bürgerschaft  und  begräbt  ihre  leiche  mit  grofsen 
ehren  on  eallniwere  pri/h,  nach  der  Übersetzung  in  an  entirely 
new  coffin.  es  kommt  dann  ein  engel  in  begleitung  von  knaben 
mit  einem  grabstein ,  auf  dem  sich  eine  inschrift  befindet  (202): 
sette  enne  marmstän  cet  pces  mwdenes  heafde  binnan  pcere  prph 
pysum  wordum  dwritene  (=  -  nne)  =  set  a  marble  stone  at  the 
maiden's  head  within  the  coffin  usw.  das  lat.  618'  lautet:  au- 
ferentes  corpus  eius  posuerunt  in  sarcophago  nouo  .  .  .  posxiit  ergo 
hanc  scripturam  intra  sepulchrmn  eius  ad  caput.    es  scheint  mir 


294     BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

klar   dass  pruh   hier    nicht   'sarg'   bedeutet,   sondern    'grabmal', 
'gruft',   vgl.  Ältr.  Gr.  320,  7  mansoleum   drüh  odde  ofergeweorc. 

90.  vni  202 1  s.  206.  die  von  dem  engel  gebrachte  grab- 
inschrift  der  Agatha  lautet  nach  der  hs. :  mentem  sanctam  spon- 
taneam,  honorem  deo  et  patrie  liberationem.  aber  dass  Ältric 
selbst  sie  ebenso  hinschrieb,  wie  wir  sie  AASS  618*  lesen:  men- 
tem sanctam,  spontaneum  honorem  usw.  geht  aus  seinem  zusatz 
hervor:  pcet  is  on  englisc:  'hdlig  möd,  sylfwüle  wurdmynt  pdm 
wehcyllendan  gode  and  eardes  dlysednyss.'  die  neuenglische  Über- 
setzung von  Ältrics  altengiischer  aber  richtet  sich  nach  dem  von 
einem  Schreiber  verderbten  lateiu,  indem  sie  'a  mind  spontan- 
eously  holy,  an  honour'  usw.  lautet. 

91.  IX  25  s.  210.  pd  weard  Lucia  on  slwpe  and  geseah 
Agathen  betwux  engla  werodum  wnlice  gefretewode ,  and  clypode 
hyre  pus  tö  usw.  die  Übersetzung:  Lucy  feil  asleep  and  sato 
Agatha  .  .  .,  and  called  to  her  thus  usw.  lässt  die  heilige  Lucia 
als  die  sprechende  erscheinen,  während  die  dann  tolgenden  worte, 
die  mit  min  swustor  Lucia  anfangen,  doch  von  Agathe  kommen, 
vgl.  auch  Surius  xii  325  vidit  in  somno  healam  Agathen  .  .  . 
stantem  et  dicentem.  bei  ÄHric  ist  natürlich  aus  dem  acc.  Agathen 
das  subject  zu  clypode  zu  denken,  mau  wird  wol  dem  ae.  am 
nächsten  kommen ,  wenn  man  statt  atid  called  bei  Skeat  who 
called  setzt. 

92.  1x74  s.  214.  ic  eom  pies  celmihtigan  pinen :  forf)!  ic 
cwißd  godes  word,  forpan  pe  he  on  his  godspelle  cwcvd:  'ne  synd 
ge,  pe  pcer  sprecap,  ac  sprycp  se  hdlga  gdst  on  eow.'  die  worte 
zwischen  den  beiden  doppelpuncten  sind  so  übersetzt:  and  there- 
fore  I  speak  God's  words,  since  He  says  in  His  gospel.  beidemal 
ist  also  cwivd  als  präsens  gelasst,  aber  nur  bei  dem  zweiten 
cwwd  wäre  das  sprachlich  möglich,  da  hier  cwwd  lür  cioed, 
cweded  stehen  könnte,  aber  /  speak  müste  natürlich  ic  cwede 
sein,  dass  aber  cwwd  beidemal  prät.  ist,  zeigt  das  lateinische  326: 
ancilla  dei  sum,  et  ideo  dixi  verha  dei ,  quia  ipse  dixit  usw. 

93.  IX  125  s.  216.  pd  weard  se  wtvlhreowa  wödlice  ge- 
ancsumod,  piBt  his  mdgas  ne  mihton  his  mödleaste  dcuman ,  nach 
der  Übersetzung  so  that  this  friends  could  not  assuage  his  madness. 
aber  dcuman  bedeutet  hier  ebenso,  wie  sonst  gewöhnlich,  'er- 
tragen', vgl.  daslat. :  tunc  angustari  Paschasium  non  ferentes 
amici  eius  usw. 


BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SÄINTS      295 

94.  X  18  s.  220.  nii  wylle  we  eow  secgan  sume  Petres 
wundra  him  tö  wurttmynte  and  eow  tö  trymmincge,  ac  üre  mwd 
nys,  pcpt  we  ealle  his  mcerda  secgan.  in  der  Übersetzung  des 
endes  dieser  stelle  but  it  is  not  our  task  to  teil  all  his  miracles 
ist  moed  nicht  richtig  vvidergegeben.  nre  mcbd  nys  (s.  Grein  unter 
nukd}  ist  =  hit  is  ofer  nre  mipde   'es  übersteigt  unsere  krätle'. 

95.  X  47  s.  222.  fram  Petre,  se  pe  hiefd  pd  mihte,  pwt 
he  mceg  unhindan  (hs.  -en)  pd  fwstan  cnottan  fyrnlicra  synna.  die 
beiden  letzten  worte  werden  durch  of  olden  sins  widergegeben; 
aber  es  kommt  doch  auf  das  alter  der  Sünden  nicht  wesent- 
lich an.  fyrnlic  gehört  nicht  zu  dem  adj.  fyrn  ==  got.  fairneis, 
sondern  zu  dem  sb.  fyren  =  got.  fairina.  s.  Grein  s.  v.  firenlic. 
vgl.  auch  Älir.  Hom.  ii  398  cefter  fyiiiUcuni  leahtrum,  was  Thorpe 
ebenfalls  mit  unrecht  durch  after  old  sins  übersetzt  hat.  die 
fyrnlican  leahtras  stehen  dort  gegenüber  den  hjtlum  dingum  s.  397. 
es  ist  also  etwa  of  wicked  sins  zu  übersetzen. 

96.  xr  47  s.  240.  Christus  selbst  stärkt  die  40  Soldaten 
zum  kämpf  um  den  glauben,  indem  er  ihnen  zuruft:  'göd  is 
eoicer  anginn  and  eower  inngehpd:  ac  se  bid  gehealden,  sepe  öd 
ende purhwunad.'  die  Übersetzung  bei  Skeat  lautet:  God  is  your 
beginning  (guide)  and  your  encouragement  usw.  aber  inngeh^d 
ist  nicht  encouragement ,  und  dass  god  und  nicht  god  zu  lesen 
ist,  beweist  sowol  der  Zusammenhang,  als  auch  das  lateinische 
AASS  mar.  n  19''  propositum  vestrum  bonnm  est,  sed,  qui  perse- 
veraverit  usque  in  fmem,  hie  salvus  erit. 

97.  XI  166  s.  24S.  von  den  40  kriegern  wird  der  eine,  da 
sie  alle  in  gefrierendes  wasser  geworfen  werden,  Christus  untreu, 
stirbt  aber  deshalb  alsbald,  während  die  anderen  singen:  ne  yrsa 
dn,  drihten,  its  on  dysum  deopum  ßöduni  ne  pin  hdtheoi'tnys  on 
pyssere  ea  ne  sy  usw.  ich  weifs  nicht,  wie  die  Übersetzung  hot 
displeasure  für  hdtheortnys  zu  erklären  ist:  hdth.  bedeutet  hier,  wie 
sonst,  furor;  vgl.  das  lat.  aut  in  ßuminibns  fnror  tiins.  auch  z.  171 
aus  diesem  gesange  mag  noch  besprochen  werden:  we  gec^gad 
pinne  naman,  ponne  pe  södlice  heriad ealle  gesceafta  usw.  zuponne 
macht  Skeat  die  bemerkung:  'iMS.  pone,  alt.  to  ponne  (wrongly/, 
und  dem  entsprechend  ist  in  der  Übersetzung  ^o/ie^e  (nicht  ^öonwe 
pe)  widergegeben  durch  Thee  whom;  aber  das  lateinische  zeigt 
dass  die  änderung  von  pone  zu  )&on/ie  berechtigt  ist  (2r):  nomen 
tuum  invocabimus,  quia  te,  domine,  landat  omnis  creatnra  usw. 


296      BEMERKUNGEN  ZU  ÄLFRICS  LIVES  OF  SAINTS 

98.  XI  242  s.  252.  die  Wächter  erzählen  dass  sie  alle  ein- 
geschlafen seien  aufser  einem:  he  Iceg  ßurhwacol,  geseah  dd 
iDundra  and  wrackte  üs  siddan.  pd  gesdive  we'  pcvt  leoht ,  and  he 
geli)fde  söna  usw.  Skeat  hat  aber  statt  gesaioe  we  geschrieben 
gesawe  he,  und  so  lautet  auch  die  Übersetzung:  then  he  saw  the 
light.  aber,  wenn  he  tür  we  gesetzt  werden  müste,  wäre  doch 
auch  gesdwe  mit  geseah  zu  vertauschen,  doch  ist  durchaus  nichts 
zu  ändern :  der  wachgebliebene  weckt  die  übrigen :  da  sehen  diese 
das  licht,  jener  aber  wird  bekehrt,  im  lat.  21''  heifst  es  denn 
auch:    vidimus  lumen  magmim. 

99.  XI  247  s.  252.  es  wird  der  bet'ehl  gegeben  die  christ- 
lichen krieger  aus  dem  wasser  zu  ziehen  und  ihnen  die  beine 
zu  zerbrechen:  pä  ongunnan  da  ha'denan  hi  handlinga  dteon.  das 
wird  übersetzt:  then  began  the  heathen  forthwith  to  drag  them. 
forthwith  tür  handlinga  ist  wol  nur  geraten,  das  richtige  'mit 
bänden'  bietet  schon  Leo  mit  zwei  belegen  aus  Älfric,  die  jetzt 
auch  bei  Bosworth- Toller  stehen,  das  lateinische  bietet  kein 
entsprechendes  wort  (21^):  iussit  autem  praeses  Agricolans  tractos 
eos  dednci  ad  littns  et  crura  eonmi  confringi  .  .  .  cum  autem  con- 
fringerentur  crura  eorum  usw. 

100.  XI  259  s.  254.  da  gedyde  se  dema,  swd  swd  se  de'ofol 
gebeotode,  het  hi  ealle  forbiernan  on  sioide  brddum  fyre  usw.  die 
Übersetzung  lautet:  then  did  thejudge  as  the  devil  had  commanded, 
and  bade  burn  them  all  in  a  very  large  fire.  aber  gebeotian  be- 
deutet nicht  'betehlen',  sondern  'bestimmt  in  aussieht  stellen 
(drohen  oder  versprechen ,  geloben)',  das  lateinische  hat  nichts 
dem  salze  swd  sxüd  se  deofol  gebeotode  entsprechendes:  Ällric  weist 
mit  demselben  zurück  aul  z.  227  ff  mm  ic  wylle  dxoendan  pces 
wwlhreowan  heortan  tö  pan  gepance,  pwt  he'  pyssa  hdlgena  lic 
ealle  forbiprne  usw. 

Berhn,  den  19  September  1884.  J.  ZUPITZA. 


TÖLZER  BRUCHSTUCKE  AUS  DEM  BUCHE 
DER  VÄTER. 

Die  hier  zur  Veröffentlichung  gelangenden  pergamentbrnch- 
stücke  wurden  vor  jähren  durch  einen  nunmehr  verstorbenen  Tölzer 
bürger,  Joseph  Lechner,  von  den  umschlagen  einiger  Tölzer  rechnungs- 


TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER   297 

hücher  abgelöst*;  aufser  bl.  2,  welches  dem  söhne  des  entdeckers^ 
angehört,  befinden  sie  sich  jetzt  sämmtlich  in  meinem  besitze,  es 
sind  reste  einer  zu  an  fang  des  lAjhs.  geschriebenen  foliohs.  (27  cm. 
hoch,  22  cm.  breit)  des  Buches  der  väter;  jede  seite  enthält  2  spalten 
d  28  Zeilen,  intact  sind  nur  die  bll.  3.  4.  7 ;  bl.  1  ist  die  gröfsere, 
bl.  5  und  6  je  die  kleinere  obere  hälfte  eines  blattes;  von  bl.  2 
sind  die  erste  und  letzte  spalte  ganz,  die  beiden  anderen  zum 
kleine? en  teile  vorhanden;  8.  10  bilden  stücke  aus  der  mitte  eines 
blattes,  bei  denen  sich  nicht  entscheiden  lässt,  welches  die  Vorder- 
seite, welches  die  rückseite  war;  von  9  endlich  hat  sich  nur  die 
gröfsere  obere  hälfte  der  ersten  und  der  vierten  spalte  erhalten, 
für  die  bll.  1.  3— 7  gab  die  alte  rote  paginierung  in  der  obern 
rechten  ecke  der  Vorderseite  die  reihen  folge  an,  für  bl.  2  bestimmte 
sich  dieselbe  aus  IVZingei^les  Findlingen  2  (WSB  lxiv  (1870) 
s.  lAdff),  deren  einstimmung  hier  und  sonst  am  rande  vermerkt 
wurde,  bl.  8  gehört  noch  der  Abrahamlegende  an,  fällt  aber  hinter 
6  und  7,  welche  den  an  fang  dieser  er  Zählung  bringen,  dagegen 
liefsen  sich  bei  dem  mangel  einer  vollständigen  ausgäbe  des  ge- 
dichtes  die  bll.  9  und  10  nicht  mit  Sicherheit  einordnen  und  wurden 
demgemäfs  an  den  schluss  gestellt. 

*  um  zu  erfahren,  aus  welchem  gedickte  die  bll.  stammten,  über- 
schickte 1864  der  damalige  decan  Pfaff'enberger  in  Tölz  eines  derselben 
an  FPfeiffer.  dieser  äufserte  sich  zurückhaltend,  schlug  aber  einen 
tausch  der  fragmente  gegen  einige  seiner  eigenen  Schriften  vor:  man 
leh?ite  indes  dies  angebot  von  Tölzer  seite  ab. 

Feldkirchen  bei  Aibling.  G.  WEST  ERMAYER. 

1.    CCXXXI 

a  Vnd  mir  groze  helfe  tet  Nach  vier  tagen  also  scharf 

Sin  engel  wart  mir  schier  kvnt  Daz  si  mich  gar  dar  nider  warf 

Der  mich  rurte  an  miuenunt  fs/cj  An  vnsereu  herre  ich  do  schre 

Mit  einem  vinger  die  geschach  Do  geschach  mir  recht  als    .e. 

Do  zvr  gienc  min  vngemach  Der  mir  ie  half  der  half  mir  nv 

Als  ob  ich  hete  da  vor  nie  Sus 

In  gotes  namen  ich  do  gie 

Gegangen  noch  gevastet  Der  gab  vil  guten  geniez  l 

Do  ich  sus  was  gerastet  Eime  gar  alten  man 

So  genczlich  mich  auch  dar  lie  Den  ich  sach  dar  obe  stan 

Vncz  mich  di  mvde  aber  an  vie  Des  bar  was  wicz    als   ein  sne 


298   TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER 


Dekein  cleit  het  er  me 

Niwao  har  vnd  hart 

Hi  mit  er  vvol  bedacht  wart 

Wan  im  dar  an  wol  geovget 

Swaz  im  got  fvge'  ^ 

Er  was  zv  sehen  grulich 

Do  ich  in  sach  vnd  er  mich 

Er  wände  ich  wer  ein  trugener 

Wan  er  in  der  wiltnis 

Was  genivet  dicke  vil 

Von  des  leiden  tufels  spil 

Durch  den  zwineHichenfsjcjmvt 

Sprach  er  mit  grozer  demvi 

c  Hat  mich   got  bracht  h^  zv  dir 
Nv  sprach   er  sage  lurbaz  mir 
Sint  noch  di  echter 
Di  mir  leider  swer 
Di  Christenheit  pflagen 
Ja  mit  manigem  vlagen 
Sp'ch  ich"  drucket  man  si  noch 
Manie  swerliches  loch 
Wirt  der  reinen  cristenheit 
Von  bösen  luten  auf  geleit 


Di  si  slahen  vnd  iagen 
Durch  got  nv  saltu  mir  sage 
Durch  bezzerung  an  tuget  frvn 
Wi  dv  her  sist  kvmen 
In  di  wilden  tovgen 
Do  vollenle  im  di  äugen 

Daz  ich  bleib  an  im  stet 
Nach  vil  vbel  tet 
In  der  man  vienllich  mich  sluc 
In  manger  pin  groz  genvc 
Half  mir  got  daz  ich  ledic  wart 
Ze  haut  hub  ich  mich  an  di  vart 
Daz  ich  di  w'eld  mit  aller  vluhe^ 
Vnd  mich  von   den  luten  zvhe 
Durch  den  minneclichen  got 
Des  truwe  helfliche  gebot 
Hat  mir  hie  gewget 
Dar  an  mir  wol  genvget 
Fvnfzic  vnd  nvn  iar 
Hat  mir  zv  der  lipnar 
Gedient  des  palmbovmes  fruch' 
Vnd  des  brunen  eenvcht 


a  Weder  tranc  noch  az 
So  wol  tet  im  di  fruntschaft 
Mit  der  er  got  was  behaft 
Sin  Hecht  daz  im  vö  got  qua 
Bewart  er  als  im  wol  gezam 
Sin  vliz  was  dar  an  vil  groz 
Olei  er  in  die  lampen  goz 
Vnd  behielt  ez  al  sin  leben 
Daz  im  vö  got  wart  hi  gegebe 
Er  hielt  auch  furwart  sich  zv  got 


Steteclichen  an  sime  gebot 

•  diese  zeile  von  a7iderer  hand  am  randc  nachgetrageii 
h  auf  rasiir  ^  die  zeile  rot 


CCXXXXl] 

Von  egypten  land  ein  brvd^^ 
Ein  einsidel  ein  guter  man 
Der  ie  got  vndertan 
Was  in  rechter  demvt 
Vnd  an  vil  tuget  wol  behut 
In  egipten  lande  er  saz 
D^  gert  an  vnsere  herre  daz 
Daz  er  im  offenbart  ein  teil 
Sin  heimliches  vrtail 
Wi   daz  lut  wer  vugelich 
Einer  arm  der  ander  rieh 

2  vluhe] 


TÖLZER  BRÜCHSTLCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER   299 


Vil  stel  was  die  sin  gebet 

Vncz  daz  got  sioen  wille  tet 

Wan  er  hielt  sin  gebot 

Zeimal  sant  vnser  herre  got 

Einen  engel  der  im  quam 

Vnd  eine  forme  an  sich  nam 
b  Recht  als  c| 

Durch  got| 

Vnd  ein  alt| 

Der  an  got| 

Durch  der| 

Er  sprach  .  .'  | 

Brud'  stan| 

Aliain  wo| 

In  di  wustel 

Wir  woIle| 

Beschauwij 

Di  hi  got  s| 

Der  alt  vo| 

Si  quame  kurczlich  dar  na^ 

Vor  eines  v| 

Der  mit  a| 

Genczlich| 

Nach  sine] 

Si  cloplte| 

Vnd  bateij 

Do  si  der  i| 

Mit  ganze| 

Vnd  fürt  si| 

Do  ir  iege| 
AM  Sin  gebet| 

D^  wirt  hei| 

Mit  wazzej 

In  beden  e| 
5  Si  fundenj 
c  |swaz  er  het 

*  undeutlicher  buchstabe 
zwischen   den  beiden   spalten   nachgetragen 
die  schliefsenden  n  durch  löcher  zerstört 


hte  8 

e  lochte  7 

nach  siner  macht 

es  nach  d'  nacht  10 

scheiden  3 

e  beiden 3 

lieber  zvcht 

itlicher  frueht 

t  enhal  15 

apf  im  stal 

en  pflac 

gelac 

baz 

ic  selbe  vaz  20 

behalten 

dem  alten 

s  meinet  daz 

die  vaz 

s  tet  so  wol  25 

gent  voi 

ewiset  bat 

en  lan  enphat 

en  misse  var 

t  gewar  30 

as  genvme 

nach  in  kvme 

er  do 
Ganch  sprach  er  den  brud^en  na  d 
Sprich  daz  si  geben  dir  de  napf  35 
Do  giench  er  nach  ir  fustapf 
Vncz  er  qua  do  er  si  gesach 
Zv  dem  engel  er  do  sprach 
Min  vat^  sprichet  daz  ir  mir 
Den  napf  wider  gebet  de  ir       40 
In  sinem  hus  benvmen  hat 
Sich  sprach  d^  engel  wa  dort  gat* 

diese  zeile  von  anderer  hand  quer 

'  scheiden  und  beiden] 

^  gat]  a  aus  corr.  vo7i  o 


300   TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER 


Der  briid^  der  iu  bi  im  treit 
Ganc  nim   in   er  ist  dir  gereil 

45  Indes  tuget  er  sich  bi  in 
Der  wec  da  si  giengen  hin 
Alle  dri  er  waz  smal 
Er  sties  de  ivngen  hin  zv  tal 
Von  einer  steinrosche  ho 

50  Des  was  d^  ander  vil  vnvro 
Betrübet  er  in  de  h^zen  sprach 
Owe  daz  groz  vugemach 


Daz  dirre  alt  hat  getan 

Dem  reinen  guten  man 

Der  vnser  also  wol  pflac  65 

Sin  Ion  hat  vbelen  beiac 

Disen  genvget  leider  niht 

Daz  er  mit  dupHcher  pflicht 

Dem  wirt  sinen  uapf  stal 

Ir  enhabe  doch  nv  hin  zv  tal    60 

Geworlen  sinen  svn  tot 


3.    ccxxxxii 

iJ-62flrOwe  herre  got  der  not 

Wir  han  niht  wol  geworben 

Daz  der  mensch  ist  erstorben 
65  Vnd  sinen  tot  von  uns  nam 

Owe  daz  ich  ie  vz  quam 

Si  gengen  aber  furbaz 

Vor  ein  hus  dar  inne  saz 

Ein  alter  man  grise 
70  An  lügenden  vil  vnwise 

Wan  er  ir  was  an 

Idoch  zwen  vndertan 

Hei  er  di  mit  im  waren  da 

Di  gest  borten  isa 
75  Vnd  baten  lazen  sich  dar  in 

Warla  wer  di  gesteh  sin 

Sprach  der  wirt  der  all 

Do  lief  ein  ivnger  balde 

Her  uor-   als  er  di  gest  sach 
80  Zv  dem  alten  er  do  sprach 

Zwen  bruder  sin  da  für 

Sal  ich  offen  in  di  tur 

Nein  sp'ch  •  er  ganc  vn   sprich 
in  zv 

Do  si  gar  vnledic  nv 
85  Do  daz  den  geslen  wart  geseil 
'  geste]  t  aus  s  corr. 


95 


Mit  grozer  demvtekeil 
Baten  si  den  allen 
Daz  er  si  woll  enthalten 
Wan  si  des  weges  mvde 
Niht  woll  furbaz  entruge 
Sit  di  naht  doch  her  zv  schein 
Nein  sprach  der  alt  nein 
Gat  hin  wec  swer  ev  behage 
Wan  ich  ev  vorwarl  sage 
Daz  ich  ev  laze  niht  her  in 
Waz    wilder    nvnch    (sie)    mac 

die  sin 
Di  so  gar  vngewar 
In  der  wusle  her  vnd  dar 
Irrenl  vnd  vnslet  varn 
Zwar  ir  soldel  ez  bewarn 
Wizzet  daz  auch  fuget  baz 
Daz  vch  di  fuze  werent  laz 
Vnd  ir  in  vren  cellen  blibet 
Niht  di  zit  hi  vertribent 
Gar  (sie)  hin  wec  vnd  lat  de  spotlOS 
Di  gest  sprachen  ey  dvrch  got 
Laz  vns  niwan  dise  nacht 
Mit  dime  dach''  sin  bedacht 
Wan  der  lac  ist  vergan 


h  90 


100 


TÖLZER  BRÜCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER   301 


lloDurch  got  heize  vns  iu  lan 
Wir  sin  nv  ser  mvde 
Swi  ez  sich  doch  gevuge 
Ob  vns  beiibet  der  gesvnt 
Wir  rumens  in  der  niorge  slvt 

115  Vor  der  tur  si  stende  hüben 
Swii  gerne   er  het   si  vHriben 
So  wolden  si  doch  nindert  gan 
c  Hi  nach  d^  wirt  der  alt  man 
Zeime  sinem  ivngen  sprach 

l20Vure  di  gest  an  gemach 
AI  hi  bi  vns  inen  stal 
Da  sal  ir  ruwe  vvMen  smal 
Als  si  wurden  braht  dar  in 
Da  si  al  eine  solden  sin 

125  Da  was  ez  vinster  drinne 
In  einem  guten  sinne 
Lescheu  (sie)  si  von  im  ein  licht 

128  Des  wold  er  in  auch  gebe  niht 
Nv  durst  si  vil  sere 
Durch  di  gotes  ere 
Baten  si  in  wazzer  holen 
Do  qua  ir  einer  vil  verstolen 
Der  bracht*  in  wazzer  vnd  brot 
Er  bat  si  ser  vnd  gebot 
Daz  si  ez  gar  verdageten 
Dem  alten  niht  ensageten 
VVan  ez  was  niht  sin  wille 
Heimichen  (sie)  vnd  stille 
Trvnken  si  vnd  azen 
Si  lagen  vnd  sazen 
Vncz  di  naht  ein  ende  nam 

4. 
G^Ualr  herze  des  vil  ser  erquam 
45  Si  dacht  daz  si  selb  vlucht 
Vnd  des  tufels  vnzucht 
Alsus  ZV  wer  kvmeu 
'■  Swi]  S  aus  corr. 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII. 


Als  der  licht  morgen  quam 
Sich  machten  aul  di  gest 
Vnd  wollen  vö  der  rest 
D^  engel  zv  eim  ivnge  sprach 
Des  Wirtes  den  bi  im  sach         (^ 
Ganc  hin  zv  dem  alten 
Der  vns  nv  hat  behalten 
Sprich  wir  biten  in  daz  er 
Zv  vns  wol  kvmen  her 
Vnd  auf  den  wec  vns  segen 
Ich  wil  dem  gedene 
Ein  cleinot  hi  Verlan 
Daz  ich  h^  mit  mir  bracht  han 
Do  daz  dem   alten  wart   geseit 
Er  was  des  ganges  vil  gereit 
VVan  er  di  gäbe  sold  uemen 
Er  quam  da  hin  an  alles  scheme 
Als  ie  di  giregen  tunt 
Sin  äuge  nach  d^  gäbe  stvnt 
Der  engel  im  den  napf  gab 
Sus  schieden   si  vö  im  her  ab 
Mit  sinem  segen  den  er  sprach 
Als  der  gut  man  ersach 
Der  mit  dem  engel  gienc 
Wi  wund^ich  er  an  vienc 
Sin  dinc"  wi  er  ez  ante 
Sin  gemvte  er  von  im  want 
Daz  schrei  auch  vz  an  im  brach 
Vil  vnwirdikliche  er  sprach 
Zv  dem  engel  ganc  von  mir 
Ich  wil  vurwart  uit  mit  dir 
Einen  tüzstapten  gan 

CCLXXII 

Vnd  daz  er  aber  si  genvme 
Hin  het  in  siner  svnde  bant 
Daz  wart  dem  bischot  erkant      5 
Wi  si  weinet  dise  not 


21 


302   TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER 


Sin  trost  rede  er  ir  ir  (sie)  do  bot 
Vod  sp'ch  vil  liebe  tochl^  mia 
Dv  Salt  des   niht  betrubel   sin 

55  Svnder  vreu  dich  mit  de  eugel  gots 
Din  tocht'  wartet  gots  gebot 
Als  maria  magdalena 
Also  bat  auch  pellagia 
Von  got  erkoren  daz  best 

tiO  Nv  vuren  auch  dise  gest 
Dis  bischoffe  alle  sider 
leglich^  heim  zv  hvse  wider 
Nach  der  zit  vber  drv  iar 
Do  si  volendet  waren  gar 

65  Jacob  den  ich  genennet  han 
Des  gute  mannes  capplan 
In  einem  gelubd  sich  v^bant 
Daz  er  wold   in  daz  heilige  lät 
Zv  dem  gotes  grab  kvmen 

70  Durch  ablaz  vnd  d^  sei  vrvme 
Zv  bischof  nünvm  er  quam 

h  Der  uart  vrlaub  er  vö  im  nam 
Zv  wandreu  an  daz  belieb i  grar 

(sie) 
Der  bischof  im  sin  vrlaub  gab 

75  Daz  lart  in  sin  reiner  sin 
Auch  sp^ch    er  wäue  dv  kvmst 

dahin 
Vnd  dein  wart  volleistes 
Mit  helf  des  heiligen  geistes 
So  nim  war  vvi  dir  vv^de  erkant 

80  Ein  mvnch  pelagius  genant 
Der  hat  vil  lang  heimof 
Gehabet  in  der  einot  cht 

Der  ist  ein  mvnch  gancz  vnd  re^' 
Vnd  ein  vater  gotes  kneht 

85  Die  was  di  gut  pelagia 

Doch  saget  er  im  niht  me  alda 
Vncz  ez  sit  dort  wart  volant 

^  helich  in  lieilig  corr.  von  and. 


Vnd  offenlich    sich  tet  erkant 
Sus  quam  iacob  der    gut    man 
Das  sin  gelubt  was  getan  90 

Zv  iherusalem  an  daz  grab 
Sin  opter  er  da  vrolich  gab 
Als  ein  gut  pilg^im  noch  mach 
Do  ez  quam  an  den  andern  tac 
Sines  herren  er  gedacht  95 

Zv  suchen  er  do  gedacht 
Den  guten  mvnch  pelagiü 
Hin  vnd   h^   vraget  er   dar  vm 
Zv  ivngest  wart  er  im  erkant 
Auf  dem  berg  oliuet  genant      c  lOO 
Da   auch  vor   siner  mart^  vrist 
Sin    gebet    sp'ch    vnser    herre 

ihs   crist 
Da  was  der  mvnch  gehuset 
ßeuestet  vnd  becluset 
An  siner  cellen  was  kein  tur   105 
Ein  deines  venstergiene  hin  vur 
Da  durch  er  sin  noturft  nam 
Da  iacob   an  das  venster  quam 
Vnd  bort  ez  wart  im  auf  getan 
Mit  dem  vnd    iener  disen  man  110 
Gesach  do  wart  er  im  erkant 
Der  wirt  vb^arc  (sie)  sich  zvhant 
Daz   ern   ith  ebnet  (sie)   au  d^ 

gesiebt 
Der  gast  enkant  des  vv^tes  niht 
Im  waren  sinv  äugen  hol  115 

Di  Wangen  die  .e.   stvnden  vol 
Di  waren  nv  gesvnken 
Vngezze  vnd  vngelrvuken 
Heter  gepinet  sich  genvnc 
Mit  kestegung   er  den  üb  slucl20 
Sin   rot  antlucz  waz    nv  bleich 
Sin  crafl  an  vmacht  im  entweich 
Sin  gebin  man  mocht  hä  gezelt 
kand 


TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER   303 


Sus  heter  sinen  üb  erquelt 
125  Daz  er  im  stet  was  gereit 
Zu  go. lieber  1  arbeit 
Do  ie.ch^  d^  gast  des  wHes  sege 
128  d  Der  bat  got  sin  mit  selde  pflege 
D'  wirt  sp^'ch   zv  dem  gast  isa 
Lebet  Dochdinbischofersp''ch  ia 
D'  bit  vur  mich  zaller  vrist 
Wan  er  '''°  beilic  pischof  ist 
Spracb  pelagius  vnd  dar  zv 
Ein  guter  dyaken  bist  dv 
Bit  vor  mich  auch  besvnder 
Den  gast  uä  raichel  wunder 
Wa  von  er  si  bekent 
Daz  er  sus  wol  si  nent 
Beide  den  bischof  vnd  auch  in 

5. 
a  Vnd  bat  sin  mit  gebet  pflege 
Vnd  swa  er  allenthalben  qua 
.  in  sulch  re  . . .  vernam 
Wi  daz  pellagius  were 
Gotes  mvnch  vnwandelber 
allen  .  .  .  e  wol 


Do  di  zit  was  kvmen  hin 

Vncz  an  der  tercien  stvnd 

Pelagius  begvnd 

Mit  vreude  spreche  sin  gebet 

An  reiner  andacht  er  daz  tet 

Do  schiet  auch  vö  im  iacob 

Vil  groz  zv  got  was  sin  lob 

Wan  er  vant   auf  d^  selbe  stat 

Den  mvnch  als  er  sin  h^ze  bat 

Auch  vreut  er  sich  ser 

Wan  er  rieh  1er 

Von  sinen  worten  enphie 

Jacob  der  al  vmbe  gie 

Zv  clostre  cellen  clusen 

Zv  guter  lut  hvsen 

lesch  er  ie  der  selge  segen 

ccLXXin 

Daz  manic  äuge  sich  begoz 

Mit  stimmen  hart  vrien 

Begvnden  si  ane  schrien 

Gnade  lob  vnd  ere 

Si  dir  immer  mer 

Ivil  getruwer  ihü  christ 


b  Wi  da  erstorben  wer 
Der  groz  vater  pelagius 

alsus 

Zv  mvnst^en  closlVen  her  vnd  da] 
Do  sament  sich  ein  michel  s\ 
Von  mangem  reine  muncl 


Vnd  ir  tohter  pelagia 
Mit  irem  leben  hi  gewarb 
Vnd  welhes  todes  si  erstarb 
Daz  tet  der  eptissin  so  wol 
Daz  ir  di  äugen  beide  vol 
Vnd 


6.     CCLXXIIII 


J/*t3aBegein  vnd  dvrch  wi  ez  geschach 
Er  sprach   es  durch  bezzervng 
15  Sus  hat  auch  min  zvnge 
Getithet  vnd  vz  geleit 
In  dutsch  dvrch  zwo  wisheit 
*  loch  im  pergavient 


|erst  sach  ist  ob  wir  han 

Di  andren  sach  ich  mein 

Auf  daz  snelle  vrteil 

Des  manic  h^ze  ist  zv  geil 

21* 


18 

h  41 


304   TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER 


Und  sich  v^grifet  zv  drat 

45  Ist  ein  mensch  mit  vnvlat 

46  Vnd  mit  vnlugent  behaft 

69  c  Zv  des  nehsten  vnheil 
70  Verdient  ein  mensch  dicke 
Daz  in  der  svnden  striken 
In  got  lezet  vallen 
Durch  sin  vnrechtes  schallen 


Sus  lert  got  an  im  selber  io     74 

Wider  vacht  bi  sinen  tagen        d  96 
Daz  wil  ich   ev  zv  duze  sagen 
Daz  mir  schemlich  doch  ist 
Swan   ich  von   im   mangen  list 
An  tvgentlichen  dingen  sag        100 
Vnd  ir  dein  an  mir  trag  101 


7. 
V  124  a  An  zvcht  in  siner  ivgent 

125  Er  vreut  sich  der  tugent 
An  dem  schonen  libe 

127  Zv  hant  nach  einem  wibe 
Began  er  im  denken 
Aut  daz  icht  entwenken 
Moht  als  er  wurd  ein  man 
Durch  di  list  gedaht  er  dran 
Vnd  wold  in  vrv  wiben 
Er  dacht  an  im  becliben 
Den  stam  siner  kvnlschatl 
Vnd  weit  gut  vruntchaft  (sie) 
An  vremden  luten  an  im  habe 
Daz  alsus  wart  erhaben 
Ein  ivncvrowen  gut 
D'  vreunt  waren  wol  behut 
Vor  vnvletickeit  rein 
Dem  trvwet  man  abraham 
Der  edel  knap  rein 
Was  dannoch  also  dein 
Daz  er  sich  dar  aul'  niht  v'san 
Waz  si  von  im  wolden  han 
Bi  in  hestriket  her  ein  clob 
Doch  luget  ez  got  nach  sine  lob 
Sit  do  er  ez  geruchet 
VVan  Abraham  in  suchet 
Vru  in  siner  kuntheil 
Di  wMf  wart  im  bezit  leit 


CCLXXV 

Daz  quam  do  von  wan  er  sach  h 
Weih  dag  weih    not   weih  vn- 

geraach 
Si  ren  (sie)  volgeren  git 
Immer  an  des  endes  zit 
Vnd  doch  von  luten  algelich 
Er  sach  daz  niman  waz  so  rieh 
So  Stare   so  schon  vnd  so  gut 
Daz  er  des  todes  wer  behut 
Er  wer  ivnc  oder  alt 
Sus  oder  so  gestalt 
Es  slant  so  gar  in  sinen  giel 
Der  tod  swan  ez  im  geviel 
Durch  aller  d^  weit  vmerinc 
Abraham  der  ivngelinc 
Began  denken  auf  daz  leben 
Daz  got  vil  eweklichen  gebe 
Den  di  in  lieb  haben 
AI  di  beger  des  gute  knaben 
Stvnd  hin  zv  dem  rieht  (sie)  gots 
D'  werlt   vnd  werltliches    spots 
Det  er  sich  ab  hie  vnd  do 
Im  waz  zv  der  schrill  go 
Di  lerent  er  mit  girikeit 
Wan  er  durch  ir  wisheit 
Spurt  ein  gebant  straze 
Di  man  in  rechter  maze 
Gienc  zv  dem  himel 


TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEiM  BUCHE  DER  VÄTER   305 


Vor  aller  svnden  schimel 
c  Hütte  1  er  sein  mit  der  hilfe  gots 
Vz  der  lieb  sines  gebots 
Trat  er  mit  willeen  (sie) seiden  ie 
Swa  mit  ein  ander  vrab  gie 
Des  enwart  er  niht  vil 
Sin  kurzevvil  vnd  sein  spil 
Was  niwan  aut  den  wistum 
Wi    er  gevluhe  der  weide  rvm 
Do  Abraham  der  gut 
Mit  grozer  tugend  blut 
Zv  einem  ivngelinge  wart 
Vnd  er  nach  wertlicher  art 
Di  maget  nemen  sold 
Als  sin  Vater  wold 
Dar  ZV  was  im  leide 
Sin  vater  mvter  beide 
Rieten  vnd  baten 
Als  lieb  si  in  baten 
Daz  er  iren  wille  wolde  tvn 
Des  wider  stunt  in  der  svn 
Vnd  bat  mit  allem  vlize 
Daz  si  des  herzen  wize 
Im  dar  an  niht  wolden  neme 
Er  mvst  sich  vor  got  Schemen 
Sold  er  besulwet  gen  vor  in 
Daz  wurde  auch  im  groz  TgewI 
Alsus  gienc  er  in  lange  vur 
Wan  sines  herze  willekur 


St von   der  vv4de  hin 

Idoch  wart  sin  ivnger  sin 
Von  dem  vatren  vbergeboge^ 
Daz  er  mit  volge  wart  v'zog  (sie) 
Als  vater  mvter  baten 
Wan  si  beide  baten 
An  in  geleit  so  groze  not 
Daz  er  sich  dvrch  der  übe  erbot 
Er  was  ivnc  vnd  was  ir  kint 
Vnd  was  lieb  als  di  gute  sint 
Des  leiten  si  in  manger  kvr 
Im  di  reinen  .e.  vur 
Swaz  er  rede  wider  bot 
So  taten  si  im  so  genat 
Mit  truwe  mit  betelich^  vle 
Vncz  si  in  brachte  zv  der    .  e . 
et  Vs3  wart  d^  gut  abraham 

Recht   als  ein  einvaldic  lam 
Mit  listen  hi  gebvnden 
Nv  quam  ez  zv  den  stvnden 
Daz  man  dv  ivncurowen 
Hin  bracht  an  sin  schowen 
Si  waz  schon  vnd  gut 
Mit  allen  zvchte  wol  behut 
Wan  man  si  vz  weite 
Da  nam  si  gäbe  dem  beide 
Do  wart  mit  groz^  vrevde  craft 
Begange  wol  di  Wirtschaft 


a  jfures  hicze  groz 
|alsam  ein  wchs  groz 
jsmilczet  vnd  zvfluzet 
|r  werelt  lob  vergvset 
Swaz  der  sei  an  seiden  zimt 


Swan  si  daz  lob  mit  wille  nimt^ 


N. 


Ich  twin  I 
Vnd  wider  slv 


'  Hütte]  ut  unsicher  ^  vbergeboge]   das  zweite  b  aus  i  corr. 

'  S  öOT  rande  schwarz  vorgeaeichnet  *  darauf  obere  reste  der 

roten  Überschrift  Von  abraham 


306   TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTEIl 


Daz  ich  si  griff  | 
Abraham  do  z  j 
Bruder  so  ist  | 
Erstorbe  in  ke  | 

eten  bald  v^nvme 
ler  mione 
n  sinnen 
der  .  .  .  has 
r  haben  das 


jich  entpfast  (sie) 


So  wizze  daz  zv  alle] 
Daz  noch  der  tuvel  lebj 

Von  eim  einsideU 
T^In  alter  vater  reine 

Saz  in  iener  eine 
Ver  von  ein  anderen 


9. 

a  So  wil  ich  auf  dinem  spor. 
Volgen  algemachsam 
Do  iener  ein  teil  hi  vor  qua 
Im  begaint  auf  siner  vart 
Einer  des  tufels  ewart 
Mit  einem  craubel  vor  im  lief 
Der  ivnger  alsvs  nach  im  rief 
In  einem  schimpflichen  spot 
War  laufstu  tufels  bot 
Dicz  began  den  ienen  mvwe 
Vnd  an  im  sine  zorne   ergluwe 
Vnd  in  auch  d^  also  v^re  vHruc 
Daz  er  den  mvnch  wol  zesluc 
Mit  siner  swere  crauel 
Macht  er  im  mange  bauel 
Der  mvnch  al  sin  macht  v'k| 


d  Mit  ein  ander  manige  lach 
Daz  er  iegelicher  pflach 
Auf  tugent  gar  sin  lebe  zern 
ehe  Der  tufel  wolt  ez  g'ne  wem 

lebe  Wan  er  ser  an  in  neit 

s  Ir  vridesam  eintrechtikeit 

Verkert  alle  sine  macht 
Den  tac  vil  gar  vnd  auch  di  na^ht 
Beide  vro  vnd  spot 


TÖLZER  BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  BUCHE  DER  VÄTER      307 

Wie  er  dar  voder  sat 

Etlichen  vnfride 

Daz  ir  ein  den  andren  nide 
ach  Auf  daz  di  ein  trech'ekeiti 

Zwischen  in  wurd  hin  geleit 
nan  An  einer  spat  ez  zeimal  qua 

Daz  d^  ivnger  hruder  nam 

10. 
die  eine  seile 


|renclich  dem  sin  orden  stat 

Dil 

|i  pimenem  dem  vater2 

Wir| 

die  andere  seile 

leinen  Di  vns  vor  au.en  ist  ge| 

|ien"  Beide  ir  gelu  .  .  nd  ir  i[ 

*  das  übei-ffesckr.  t  von  anderer  hand  ^  die  zeile  rot. 


ROSEGGER  BRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS 
REIMCHRONIK. 

Im  XXIV  Jahresberichte  der  staalsoberrealschule  zu  Klagen- 
furt veröffentlichte  ich  1881  em  bruchstück  aus  der  Reimchronik 
Ottackers,  welches  auf  dem  pergamentumschlage  eines  quartbandes 
in  Klagenfurl  gegen  ende  des  Jahres  1879  gefunden  war.  schon 
früher  hatte  vKarajan  im  65  bände  der  Sitzungsberichte  der  aca- 
demie  der  Wissenschaften  in  Wien  s.  'b^bff  ein  bruchstück  dieser 
Reimchronik,  welches  ebenfalls  in  Klagen  fürt  aufgeftinden  worden 
war,  mitgeteilt  und  dasselbe  mit  K  bezeichnet,  deshalb  gab  ich 
dem  von  mir  herausgegebenen  fragmente  die  bezeichnung  Ki.  fast 
gleichzeitig  mit  meiner  -publication  erschien  im  11  bände  der  aca- 
demieschriften  ein  von  Schönbach  publiciertes  bruchstück  dieser 
Reimchronik,  welches  ans  Strafsburg  in  Kärnten  herrührt  und 
daher  füglich  mit  St  bezeichnet  werden  mag.  am  Schlüsse  meiner 
abhandlung  bemerkte  ich  damals:  'sollten  nicht  aufser  diesen  beiden 
fragmenten  (K  und  Ki)  noch  einige  Schicksalsgefährten  in  Klagen- 
furt oder  in  Kärnten  überhaupt  auf  dachböden  oder  als  hüllen  von 


308    ROSEGGER  RRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR. 

actenbündeln  im  staube  der  archive  ein  vergessenes  dasein  fristen?  — 
vielleicht  fördert  loider  einmal  ein  glücklicher  zufall  einen  der- 
artigen fund  zu  tage.' 

Ein  solcher  glücklicher  fund  wurde  nun  würklich  im  sommer 
d.  j.  vom  archivar  des  kämt,  geschichtsvereines ,  Herrn  ARvJaksch 
gemacht,  gelegentlich  einer  sonderung  mehrerer  im  sommer  1882 
von  der  fürstlich  Lichtensteinschen  herschaft  Rosegg  an  das  archiv 
des  histor.  Vereins  für  Kärnten  abgetretenen  kanzleibücher  fand 
archivar  Jaksch  auf  den  deckein  eines  buches  mit  der  aufschrift 
Gerichts  -  Protokol  der  Herrschalft  Rosegg  2  doppelblätter  der  Ot- 
tackerschen  Reimchronik  aufgeklebt,  so  zwar,  dass  das  blatt  B  den 
Umschlag  des  vorderdeckeis,  A  den  des  hinler  deckeis  bildete,  nach 
leider  nicht  durchweg  geglückter  ablösung  zeigte  sich  dass  auch 
bei  diesem  fragmente  wie  bei  Ki  die  schere  in  rücksichtsloser  weise 
gehaust  hat;  daher  fehlen  auf  A  durchschnittlich  10,  atif  B  6  bis 
7  verse  in  jeder  spalte  (nach  Pez).  staub  und  fäulnis  endlich  haben 
auch  ihren  anteil  an  der  Vernichtung  einzelner  partien  geübt,  wenig- 
stens war  die  entzifferung  stellenweise  eine  sehr  schwierige,  nach 
dem  fundorte  bezeichne  ich  dieses  bruchstück  mit  R. 

Ergänzt  man  die  höhe  der  columnen  des  blattes  A  mit  den 
durchschnittlich  fehlenden  10  versen,  so  erhält  man  als  gesammt- 
^  höhe  der  spalten  20  centimeter,  dasselbe  mafs,  welches  ich  als  durch- 
schnittliche höhe  der  schriftspalten  von  Ki  aao.  s.  24  gefiinden  habe, 
das  gleiche  ergibt  sich  auf  blatt  B  durch  hinzurechnung  der  fehlen- 
den 6  —  7  verse.  die  durchschnittliche  breite  beträgt  wie  in  Ki 
X'i  centimeter.  die  verszahl  der  columnen  wechselt  auf  A  zwischen 
39  und  41,  auf  B  zwischen  36  —  39  versen.  der  abstand  der 
einzelnen  verse  darf  im  mittel  auf  3  mm.  geschätzt  werden,  genau 
wie  in  Ki. 

Die  anfangsbuchstaben  der  verszeilen  sind  meist  rot  durch- 
strichene  majuskeln,  der  anfangsbuchstabe  jedes  neuen  verspares 
ist  etwas  weiter  hinatisgerückt ,  während  der  der  folgenden  vers- 
zeile  eng  angeschlossen  ist.  auf  blatt  A  sind  in  jeder  columne  die 
vorgeschobenen  majuskeln  durch  einen  senkrechten  roten  strich  ver- 
bunden ,  wie  in  K  und  Ki ;  auf  B  dagegeri  ist  jede  einzelne  dieser 
majuskeln  rubriciert.  initialen  kommen  auf  A  gar  nicht,  auf  B 
dagegen  fünf  mit  roter  färbe  ausgeführte  vor.  capitelüberschriften 
fehlen,  wie  in  K  utid  K%.  die  schriftzüge  auf  beiden  doppelblättern 
tragen  den  character  jener  aus  dem  ersten  viertel  des  14  jhs. 


ROSEGGER  BRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR.    309 

Leider  lag  mir  auch  diesmal  zur  vergleickung  des  textes  nur 
die  ausgäbe  von  Pez  in  den  SS  rernm  Austr.  iii  vor.  dieser  zu  folge 
fehlen  zwischen  dem  blatte  i  und  ii  von  A  318,  zwischen  A  und 
B  2343,  zwischen  in  und  iv  von  B  356  verse.  das  Bosegger  frag- 
ment  ist  unter  den  bisher  in  Kärnten  aufgefundenen  das  umfang- 
reichste, es  enthält  488  verse.  folgende  von  Pez  abweichende  les- 
arten  finden  sich:  A  blatt  i^  y.  15  ß  Si  —  P  Vnd;  t».  18  Vil  — 
Wie;  V.  20  genaedichleich  —  gemaiüchleich;  v.  28  er  —  erz.  i'' 
v.  41  hie  —  ou;  v.  44  vnd  warf  da  mit  —  INu  warif  man  damit; 
V.  45  dachh  —  Tag.  i""  v.  59  sein  ver  derbn — auf  sein  verr  Ver- 
derben. 1*^  V.  100  Allez  ensamt  —  allesampl;  v.  108  da  fehlt  bei 
Pez.  —  bl.  II*  V.  126  sich  dem  töde  ist  bei  Pez  versetzt,  n^ 
V.  164  Vrlovbs  —  Vrlaub.  ii'^  v.  178  Daz  —  Do;  v.  180  vol  — 
wol;  V.  196  .  .  .  vermutlich  dem  vngerlant.  ii'^  v.  216  mit  ma- 
nigem  —  manigeu;  die  verse  219  und  220  Im  hall  ovch  zv  der 
zeit  I  Von  Gurke  bischolf  Haertneid  fehlen  bei  Pez;  v.  221  bringt 
das  unstreitig  richtigere  Orluburch  für  Altenburg  bei  Pez;  die 
verse  225  und  226  sitid  bei  Pez  vertauscht;  v.  228  erst — aller- 
erst; V.  229  chrieg  —  kunig.^  —  B  bl.  iii*  v.  239  güts  fehlt  bei 
Pez;  ü.  246  wer  erwurb — wer  slurb;  v.  255  unsere  handschrift 
beginnt  hier  einen  neuen  abschnitt;  ü.  263  sib.ch  im  ver  chur  — 
Sig  ym  erchur;  v.  2%S  d.,  jedesfalls  do,  fehlt  bei  P.;  gehörnt  — 
gebeerten,  in''  v.  279  Mich  hat  verschundet  —  Durch  mich  hat 
verschuldet;  v.  287  waz  fehlt  bei  P.;  v.  295  began  —  bestan. 
in'*  mit  V.  333  beginnt  in  B  ein  7ieuer  abschnitt,  bei  P.  fort- 
laufender text;  V.  354  fehlt  bei  P.  —  bl.  iv*  v.  369.  370  saech, 
gaech  —  sach,  gach;  v.  378  So  vast  vnd  lang  pat  er — So  lang 
vnd  so  vast  pat  er;  v.  380  Den  helle  rvden  —  Hell  Hunden,  iv'' 
V.  399  noch  von  —  vnd  von;  v.  409  des  —  ez.  iv*'  v.  462  er 
fehlt  bei  P.;  v.  465  Daz  dhainer — Daz  jn  dhainerslaht. 

Die  eigentümlichen  Schreibweisen,  welche  in  K  und  Ki  gegen- 
über Pez  vorkommen,  finden  sich  auch  im  Bosegger  bruchstücke 
wider,  mitunter  sogar  in  denselben  worten.  es  sollen  hier  nur 
die  hervorragendsten  erwähnt  werden. 

B  verwendet  richtig  ae  für  e.  so  zb.  y.  16  waer,  40  swaere, 
61  abchaem,  62  naem,  113  waegn,  118  laere,  212  Chaerdnaer, 
225.  226,  wie  345.  346  laeg  und  phlaeg,  362  iranzoysaer,  387 
braechten  usw.    P.  schreibt  in  diesen  fällen  immer  e.  —  h  steht 

*  Pei  aao.  s.  276  bringt  in  der  anmerkung  gleichfalls  die  lesart  kriejj. 


310    ROSEGGER  BRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR. 

für  ch  regelmäfsig  in  niht,  7^?^m^  ü.  11  bedahten,  v.  40  zvht, 
108 — 109  naht  —  mäht  ua.  —  s  wird  richtig  statt  z  angewendet 
in  V.  1  was,  18  des,  26  speis  na7n.  —  R  verwendet  wie  K  und 
Kl  meist  tz  statt  cz,  so  hertzog,  v.  42  chatzn ,  87  eulzeit,  122 
schutzn,  236  Sallzburgaer  usw.  a  wird  statt  o  gesetzt:  300 
mau(et),  423  art  na.  —  ou  für  au  zh.  v.  12  tovfers,  18  chovm, 
29  hovs,  43  ovf,  129  dovht,  196  ovz,  208  tovsent  usw.  —  den 
unechten  umlant  von  o  und  6  hat  R  ebenso  häufig,  wie  er  sich  als 
char  acter  ist  isch  in  K  und  Ki  vorfindet:  v.  \  vntroest,  2  erloest, 
25  groez,  126  toede  uö.  —  die  in  K  und  Ki  beliebten  abweichenden 
formen  wie:  dehaiu  für  chain,  kegn  für  gegen,  wand  für  wao, 
niemen  für  niempt,  quam  für  chom,  sowie  die  pron.  swer,  swaz, 
swie,  das  adverb  sus  und  die  conj.  sweüae  treffen  wir  auch  in  R 
ziemlich  häufig  an. 

Es  ist  wol  überflüssig ,  noch  auf  die  gleiche  Schreibung  der 
länder-  und  völkernamen  in  Ki  und  R  hinzuweisen,  es  sprechen 
ja  alle  momente  dafür,  dass  ivir  es  auch  hier  wider  mit  einem 
fragmente  zu  tun  haben,  welches  mit  den  übrigen  bisher  auf- 
gefundenen bruchstücken  einer  und  derselben  und  zwar  der  ältesten 
der  bisher  bekannten  hss.  der  steirischen  Reimchronik  angehört, 
dafür  spricht  auch  der  umstand,  dass  die  biicher ,  zu  deren  ein- 
bände die  meisten  dieser  fragmente  dienten,  eintragungen  aus  ziem- 
lich gleicher  zeit  enthalten,  so  besteht  der  inhalt  des  quartbandes, 
dessen  Umschlag  Ki  bildete,  aus  handschriftlichen  aufzeichnungen 
über  die  aufdingung  von  lehrlingen  der  Klagenfurter  tischlerin- 
nung ,  deren  erste  vom  18  mai  1664  datiert  ist;  St  diente  einem 
Sterbeprotokolle  in  Strafsburg  aus  den  jähren  1655 — 65  zum  ein- 
bände; im  gerichtsprotokolle  der  herschaft  Rosegg  (R)  beginnen 
die  eintragungen  am  W  juni  1652.  es  liegt  also  die  annähme 
nahe,  dass  die  bislang  älteste  hs.  der  steirischen  Reimchronik  um 
die  mitte  des  \1  jhs.  vernichtet  und  zu  den  erwähnten  zwecken 
verwendet  wurde. 

Ich  lasse  nun  den  Wortlaut  des  bruchstückes  R  folgen,  welches 
der  handschriftensammlung  des  kämt,  geschichtsvereines  einver- 
leibt wurde. 

A  \  =  Pez  cap.  cccxi  p.  271. 

a  Daz  was  der  vutiost.  Mit  seiner  hell'  Graf  ybau 

Daz  sev  uiht  het  erlöst  Der  also  von  dao 


ROSEGGER  BRÜCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR.    311 


5  An  alle  tat  was  geschaidn. 

Als  er  den  Grauen  baidn 

Diche  vor  gehiez 

Als  er  sev  in  haz  stiez, 

Kegen  dem  hertzogn 
10  Do  si  so  warn  belrogn 

Do  bedahten  si  sich  pald. 

Swaz  sev  von  tovfers  der  alt 

Vn  ander  herren  tun  hiezn. 

Daz  si  daz  nihtn  liezn. 
15  Si  belibn  dar  an  vest. 

Daz  waer  in  daz  best. 

Ich  sag  ev  wi  ez  ende  nam. 

vil  chovm  man  des  vber  quam. 

Den  fursten  von  Oesterreich. 
20  Daz  er  tet  so  genaedichleich. 

Alle  die  in  dem  hous  waero. 

daz  er  die  liez  varn. 

Nach  ir  selber  müt 

mit  ir  varndem  göt 
25  Ez  waer  gröz  oder  chlain. 

Newer  speis  alain. 

Dev  müst  da  beleibn. 

Sus  liez  er  tragu  vTi  treibn 

Die  daz  hovs  rovmen  solden. 

b  30  Des  andern  morgns  vil  vrö. 

Des  maentag^s  in  den  tagn. 

So  man  div  chreutz  siht  tragn 

Vmb  daz  hail   der  christenhait. 

Do  was  der  hertzog  berait 
35  Vnd  für  tür  Sand  Margreten. 

Die  selbe  vnger  hetn. 

Do  graf  yban  inz  erlovbt. 

In  österich  vil  gerovbt. 

Vnd  begangen  manige  vugenuht. 
40  Da  von  si  nv  swaere  zvht. 

Von  dem  fursten  hie  müzn  leidn 

Chalzn  ebnhöh  vnd  pleidn. 


Het  man  schir  gerihtet  ovf. 
vnd  warf  da  mit  ze  hovf. 
Manich  dachh  vnd  want.  45 

Die  turn  wurdn  entrant. 
Daz  man  erdurch  sah. 
Div  esterrich  man  ze  brach. 
Di  die  leut  soldn  schirmen. 
Niemen  moht  gehirmen.  50 

Vor  des  hertzogn  zorn. 
Si  warn  all  verlorn. 

V n   ouch  vlorn 

Hietn  si  sich  niht  erg  .  .  . 

Dem  hertzogn  tet  ant  55 

Daz  in  seinem  laut. 

So  groezer  schad  geschach 

Da  von  im  dev  räch. 

Daz f  sein  ver  derbn         c 

Er  s  . . .  palde  werbn.  60 

Wi .  .  .  .  s  dings  ab  chaem. 
Ob    d .  .    von   Osterrich   naem. 
Ovf  .  .  .  u  g  ...  de  daz  hovs. 
Daz  .  old  . .  ane  povs. 
Antwur  .  .  all  zehant.  65 

Der  be  .  .  zzen  Graf  sant. 
Nach    d . .   der   er   getrovt  ge- 

niezn. 
Daz  s .  sich  besprechn  liezn. 
Die   chamen   dar  durch   seinen 

willen 
Mit  sw  . .  er  moht  gestillen.        ^o 
Des  h  .  .  tzogn  vnmvt. 
Swa  .  .  m  .  ar  ZV  waer  gvt. 
Vnd  ouch  f . ..  erleich 
Des  b  .  t  .  .  sev  all  gel  eich. 

Daz  si V  gaebn  rat.  75 

Do  sag  ...  si  im  drat. 
Da  waer  ....  anders  .an. 
Der  i haem  niht  von  dan. 


312    ROSEGGER  BRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR. 


Er  .  vs ovs  habü  inne. 

80Daz  er sinne. 

.  il  ebn 

.  b aht 

r  des  üihtn  wesn. 

85 Voigt  ir  lere. 

wurd  mere. 

hhe  enlzeit  ab. 

d  Daz  si  inder  beten 

Von  der  Purch  von  sand  Mar- 
greten. 
90  Als  palde  musl  schaidn. 

Ez  wart  zwiscbn  in  baidn. 

Ovf  ainn  churtzu  tag  geret. 

Dar  inne  der  Graue  tet. 

Swes  der  iiirst  niht  vvold  enpern 
95  0b  erz  tet  vngern. 

So  mäs  ez  doch  also  sein. 

Swaz  von  speis  vn  von  wein. 


In  der  purch  was   zv  der  zeit. 

Daz  belaib  ane  streit. 

AUez  ensamt  dar  inne.  100 

Daz  ander  er  mit  minne. 

Fvrt   swar  in  sein  wille  trüch. 

e 

Von  Osterich  der  turste  chlüch 
Des  hovses  sich  vnderwant 
Vnd  antwurt  ez  ze  hant.  105 

Aineni  beide  chekchen. 
Frid^eichn  dem  Chrebzpechen. 
VTi    belaib    da    selbn    dennoch 

vber  naht. 
Des  . .  rgens  mit  aller  mäht. 
Fvrns  kegn  Ekkendor!  110 

Do  ieglich  herre  entvv  . .  f 
Seinn  rinch  als  er  in  habn  wolt. 
zehant  man  die  waegn  holt. 
Die  dev  gerust  trvegn. 
Manigen  maister  chlugn.  U5 

Het  er  dar  zv  gewunnen. 


i  II  =  Pez  cap. 
a  Daz  als  brait  als  ein  hant 

Ain  stat  da  was  nindert  laere 

Da  von  dev  wer  wart  so  swaere. 
120 Daz  si  sich  all  mit  all. 

Vil  nach  ergab  dem  val 

Vü  daz  vor  der  schulzn  haz. 

Niemen  moht  lur  baz. 

Ovt  der  wer  gewesn. 
125  ISv  trovtens  anders  niht  genesn. 

Noch  sich  dem  töde  vor  gehabu. 

wand  daz  si  sich  ee  ergabn. 

Der  lurst  schul  mit  der  vest. 

Swaz  in  dovht  daz  pest. 
130 Nach  der  rat  seiner  man. 

Als  mit  den  andern  was  getan. 


Dirr  vor  gewunnen  het 


cccx[  p.  275. 
Nv  chom  mit  grözer  het 
Die  herrn  all  geleich. 
Di  da  warn  von  Oesterreich.     135 
An  dem  edlm  hertzogn. 
Daz  er  geruecht  haim  zogn. 
Wider  kegn  wienn 
Daz  woldns  vmb  in  dienen 
vnd  taet  er  des  niht.  140 

. .  solt  er die  . .  ihl 

Si  wurdn  vber  ladn 

Mit  so  chreligen  scbadn. 

Den  si    niht  lang  vber  wundn. 

Manigen  Iruni  si  begundn.        145 

Her  lur  zellen  vnd  sagn. 

Vnd  swaz  si  verlurn  b 


ROSEGGER  BRÜCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR.    313 


Da  haim  oder  anderswa 

Ob  si  bei  im  belibn  da. 
150  Daz  wolt  im  der  fürst  palt 

Ver  geltn  zwivalt 

Vod  wolt  siv  des  gewiss  ma  .  . 

Mit  swiegetanen  sachn. 

Si  dar  vber  gerlen. 
155  Die  hVen  in  des  niht  gewer  . . . 

Da  warn  sumleich. 

Die  durch  in  willichlich. 

Hetn  verchörn. 

Swaz  si  hetn  verlorn. 
160  Da  haim  oder  anderswa 

So  warn  etlich  da. 

Die  des  niht  woldn  enpern 

Der  fürst  müst  sev  gewern 

Vrlovbs  haim  ze  varn. 
165  Da  ZV  sah  man  in  gebarn 

Playchleich  ane  mazen 

Daz  er  sold  lazu 

Seine  veind  vnd  . .  we  .  . 

Den  er  . , ,  was 

17oDalz 

Da  wart  gesemftet  mit 
Sein  zorniger  müt 
175  Der  dauht  nach  vngenadn  g  . . 
Albrechtn   den  fursteu    chlüch. 

c  Datz   .  .  gern   het  vber  wundn. 

Daz  w  .  .  ZV  den  stundn 

Die  man  haizt  Sunewendn. 
180  Nv  sah  man  vol  endn. 

Den  fursten  von  höher  art. 

D ten  hervart. 

Div  des  iars  geschach. 

wan  v  . ,  churtzlich  da  nach. 
185 Do  her.ert  er  mere. 


Von  s.  getaner  ere. 

Han  .  .  lang  niht  ver  nom. 

Daz  . .  sei  bechom 

Rain  .  erzog  von  Osterrich. 

Daz  er  so  gewaltichlich.  190 

Hab  z.  ier  gehervert 

Div  e.  was  beschert. 

Albrehtn  dem  werdu  fursten. 

Den  man  in  den  getursten. 

le  sah  vnde  vand.  195 

Ovz  .  .  .  vnger  lant. 

Fvr leich 

Ha  .  .  .  .  gn  Oslerrich. 

Da er  die  weil. 

vn it  palder  eil.  200 

Den in 

win 

g  .  .  raid. 

g  .  rn  ze  laid. 

sein  6  han  gedaht.  205 

r  er  ze  samne  braht. 

.>. aehtich  vfi  starch. 

Manich  tovsentmarchwartv'solt.  d 
Den  herren  vnd  den  lantleuten. 
Ich  mag  ev  niht  bedeuten.        210 
wie  ernst  dem  herzog  waer. 
Herzog  mainhart  der  Chaerdnaer 
Als  er  pillich  solde  tun. 
Herzog  Hainrich  sein  sun. 
Im  zehilf  do  sand.  215 

Mit  manigem  weigand. 
Die  manhait  warn  vol. 
von  chaerndn  vn  von  Tyrol. 
Im  half  ovch  zv  der  zeit. 
Von  Gurke  bischolf  Haertneid.  220 
Vnd  von  Ortnburch  graf  main- 
hart. 
Daz  div  gegend  wurd  pewart. 


314    ROSEGGER  BRLCHSTlCR  AUS  OTTACRERS  RELMCHR. 


Schuf  der  von  österrich 

daz  von  Hevnburch  graf*  vlrich. 
225Datz  Clmittelveld  laeg. 

Vn  der  gegeudn  phlaeg. 

Wand  ir  habt  wol  gehört. 

wie  sich  von  erst  enbört. 

Der  chrieg  manichvalt. 
230  Des  manich  man  enkalt. 

B  III  =  Pez  cap. 
a  Die  ev  güls  guunen. 
240  Der  hertzog  wol  versunnen. 

Sprach  1  zv  dem  hertzogen. 

Ich  piu  des  unbetrogen. 

Daz  mir  der  chunich  ze  all^  vrist. 

Ain  vberlistiger  veint  ist. 
245 Doch  6  ich  so  verdurb. 

Daz  ich  mit  chainer  w^  ervvurb. 

Nach  meine  6rn  vristung. 

E  er  mich  also  twung. 

Seins  willen  ze  iehn. 
250  e  laz  ich  mich  töten  sehn. 

Daz  wil  ich  6  werbn. 

Daz  er  müz  sterbn. 

\n  ist  daz.    daz  geschiht. 

So  tut  er  mir  doch  denn  niht. 
255  Zv  dem  Markeis. 

Sprach  der  hertzog  weis. 

Diser  red  ich  ev  niht  gan. 

Nu  seit  ir  doch  ein  weis  man. 

Vn  seit  von  chinthait  gesund^. 
260  Da  von  mich  sere  wundert. 

Daz  ir  mit  red  euch  vergezt. 

Vn    niht   in  ewerm  sinn   mezt. 

Ob  er  den  sib  .ch  im  ver  cluir. 

Vii   daz  lehn  ver  hir. 
265  Des  got  niht  sol  gerflehen. 

•  aufgelöste  abkürzung.  "^ 

Spiegels   zu   sehen.  •*    die   obere 

vorhanden,  der  rest  /'ortgeschnitten. 


An  leib  vnd  an  gut. 

Do  der  helt  Mt. 

Herzog  Albreht  von  Österreich. 

vrlevgt  so  herlichleich. 

Kegn  hern  Rudolf.  235 

Der  Saltzburgaer  bischolf 

Der    ein    mau    was  vner  vorht. 

Daz  der  iht  args  worht. 

cccxxxii  p.  295. 

Ze  haut  b...de  suchen. 

Die  f.rsten  vber  al. 

Die  d.  gehörnt  zv  d^  wal. 

Wa  (si)2  ainenn   man  fundn 

Dem  si  der  eru  gund.-^  270 

Wider  des  reichs  huld.  & 

Grözer  waer  denn  si  nu  ist 

Do  sprach  *  der  Gräfe  an  der 

Herre  von  tytschövv. 

Dem  von  franchreich  ich 275 

Daz    er  sein  ere   an   mir  hege. 
Als  er  hat  getan  6. 
Wand  er  im  dise  arbaeit. 

Mich  hat  verschundet  vn  v 

Ich  getrov  im  der  genadn.        280 
Er  nem  s  . . .  frum  oder  schadn 
Daz  er  mich  niht  vnderwegn  laz. 
Swenne  so  sich  föget  daz. 
Daz  man  beginnet  redn 
zwischn  den  chunige  ped.n.       285 
Ouf  staete  vü  ganlze  sün. 
Ach  waz  weit  ir  nv  Ifln. 
Sprachen  i  aber  die  h^tzogen. 
ler  wert  da  mit  betrogen. 
Als  wir  ev  nu  sagn.  290 

Sweune  ez  chumt  ze  tagn 
si  nur  am  buclidcckel  mit  hilfe  des 
häll'te  der  /blgenden  zeile  ist   noch 


ROSEGGER  BRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCIIR.    315 


So  beginnet  daz  reich. 

Kegen  dem  von  tranchrei. 

So  gröz  voderuug  han. 
295Möht  er  berihtung  began 

Vnd  vmb  daz  werdn 

Des  das  .  .  ich  gegn  im  g  .  .  .  . 

Durch  ew^n  geniez 

Die  ebeuung  er  n liez 

300 Ain  man.  vnderw  .  .   n 

Da  von  r v  ph  .  .  .  . 

Daz  ir  ewer  herschaft. 

c volgen. 

ir  ist  erpolgen 

305 er  chunich  Rudolf 

lösen  der  pischolf 

auch  baizt  lan. 

Daz  w  .  .  .  .  g^n  tun. 
3 10  Daz  i  .  .  antze  sön. 
Frevnts  .  .  ft  \n  minne. 
Von  .  em  chunig  gewinne 

Pez  cap.  cccxxxHi  p.  296. 

Da  .  .  .  sah  man  die  hVen 
vb  .  .    .  elt  ehern. 

315  Da    der    .  .  nich   vTi  die   seinn 
hielten. 
Die  s .  . .  vü  witze  wielten 
Die  ba..erhHzog  an  den  Zeiten 
Mit  ...  V  ...  chvnige   reiten. 
Der  hie melm 

:i20Mit elm. 

Do  er tzogn  chom  sach 

Er  g vü  sprach 

Wie  uu  .  .  ag  .  .  sagt  mir 
Wie  la  .  .  schuU  wier 

^  aufgelöste  abkürzung. 


Ewei"   h 325 

Ez  is daz 

Edl  ch  .  .  .  ch    hoch 

Geden erchorn 

Zv  so  ge  

Daz 330 

Gena 

Daz 

Zv  dem  chvnig  Rudolf.  d 

Sprach!   der   hertzog  vü  d^  bi- 

scholf, 
Herre  vernemt  vnser  gier.         335 
Wier  pitten  ev  daz  i^r 

V  .  .  .  unnet 

Zwischen  ev  pedn 

D  .  s    habt    sich    der    chunich 

wid\ 
Doch  vberchom  in  sidr  340 

D  .  e  fursten  mit  grozer  pet. 
Daz  erz  durch  seu  tet 
Doch  wold  er  der(?)  .  .  .  dehaiu. 
Hörn  gröz  .  .  .  chleiu 
Dieweil   er  mit   geturst  phlaegSio 
Daz  er  mit  her  kegn  im  laeg 
Do  paten  si  in  sere. 
Daz  er  taet  chere 
Von  der  stat  die  weil 
Vber  ain  meil.  350 

Des  wold  der  chunich  niht  enlün 
Weder  vrid  noch  sün. 
W'olt  er  der  stat  gebn  niht 
Vnlz  daz  man  sich  mit  im 

(vViht)2 
Des  möst  man  im  den  stre . .  lazn  355 
Nv  was  ez  in  der  mazn. 
Ouf  den  Abent  chom. 
Daz  i'  r  dewede . .  oht  han  ge . .  om 

-  der  vers  fehlt  bei  Pez. 


316    ROSEGGER  RRÜCHSTÜCK  AUS  OTTACRERS  REIMCHR. 


Herberg  ander  wa. 
360 Da  von  peliben  si  da 


Da  si  vor  lagen 
Die  tranzoysaer 


B  IV  =  Pez  cap.  cccxxxvi  p,  300. 

aVarn  i*r  vater  sehen.  Pez  cap.  cccxxxvii  p.  300. 

Do  begvnd  der  elter  iehn.  Tzv  dem  vater  er  sprach            h 

365  Er  wold  die  rais.  Sag  mi^r  wie   ez    vmb  di  .  .  .  . 

Vermeiden  vnd  .  .  (vrais)i  Ist  dier  santt  oder  w6.              395 

S  . .  .  en   (vater)   Vnd  sag  mi^r  wi  daz  s 

VVolt  er  niht  geruehen.  

Choemen  do  er  in  saech.  Mit  lembtigen  .... 

370 So  waer  er  niht  so  gaech.  Von  mannen  noch  von  .... 

Daz  er  in  sveht  ienger  Ist  ez  niht  mer  gehört              400 

Der  ivnger  brvder  waz  st^ng^  De .  vale .  sprach  an  dem  w . . . 

Vnd  maenleichz  hertzen.  Mi"r  let  so  vv6  mein  ar... 

Nach  dem  vater  het  er  smer-      Daz  ich  vmb  irdischs  g-^  .  . 

tzen  vnd  dvrich  reichtvms  .  .  . 

375  Do  von  bat  er  di  vrouwen.  Dem  Tevfl  leib  vnd  sei  ga .       405 

Daz  si  in  liez  schawven.  Vnd  swaz  got  rehtz  het 

Wi  ez  stvend  vmb  sinen  vater.      Svn  do  von  sag  ich  dier 

So  vast  vnd  lang  pat  er  Swaz  dv  von  mir  Gu 

Vntz  si  ervollet  sein  gir.  Ob  dv  des  iht  behaltest 

380  Den  helle  rvden  schier  So  vvirstu  verlorn  also  ...        410 

Dev  maistrinne  gebot  Liewer  vater  sprich 

daz  si  an  aller  hant  not  wi  sol   ich   mit  dem 

Fvrten  an  vnderwint.  Daz   ich  beleih   in  Go  .  .    Su  . 

Zv  seinem  vater  daz  chint.  der  vater  im  do  veria. 

385  Daz  ez  in  bort  vnd  sech.  wi  ez  von  erste  geschach          415 

vnd  swenne  daz  geschech  Daz  er  dem  Tevfl  vaigen 

Da.  si  in  braechte  her  wider        Gab  leib  vnd  sei  ze  aigen 

.n  di  Er..n  hin  nider  vnd  wi  daz  ergie 

Dise  tzwen  tvrt..  in  Daz  er  von  im  zelon  enphie 

390  In  ein  schoens  havs  hin  Di  phennig  mit  den  er  .            420 

D .  sach  der  ivngliuch  daz  warb  nach  seines  hertze 

Daz  sein  vater  dort  saz  daz  gvet  gew. 

'    die  hier    eijigeklammcrten   worte    sind   meist  vur   mit  hilfe   des 

spiegeis   zu    lesen.               -   der  schreiber   stellte    das   g   verkehrt;    desgl. 
in  gvet  V.  422, 


ROSEGGER  RRUCHSTÜCK  AUS  OTT ACKERS  REIMCHR.    317 


c gers  art 

mich  greiffea. 

425 niht  entsleiieu. 

pald  wider  hin. 

gers  ende. 

.  nd  wi  pa! .  er  mit  der  hende 

430  waz  . .  r  dan 

Dannoch  im  verpran 
Hant  vnd  arm  vnbetrogen. 
Vntz  .  .  den  Ellepogen 
All  .  .  st  daz  tewer  erwant. 

435  Do  si .  der  Sun  also  verprant. 

Er vater  sag  mier. 

I dinch  da  man  dier. 

Mit n  mvg. 

Oder  .  .  .  dier  zefrvm  lüg 

440  Der sprach  daz  ist  verlorn 

Ich  han  .  .  .  tauffe  verchorn. 
dev  .  .  Crisleu  zalt  mich^ 
Vnd  .  .  .  marter  manichvalt 
Di  .  .  .  durich  mich 2  erliten  hat 

445 dez  Tivels  werd  rat. 

wirt  ouch  rat-  mein 

g  niht  anders  gesein 

Sun  .  .  dez  also  schaffen. 
weiser  phaffen. 

450 mit  dem  gvt  so  werbest 

D verderbest. 

A sam  icli 

Damit  schieden  si  sich.-* 


Pez  cap.  cccxxxvni  p.  300. 

D  .  .  .  .  hinus  brahten 
.  .  .  selben  ouch  gahten. 
aus  wider 


455 


Wi  e.  den  vater  an  rvrt.  d 

vnd  wi  er  in  het  gesehu. 

Dez  begvnd  er  iehu. 

Arm  vnd  reichen  460 

An   .  era   gvet   er 

Seinez  tails  er  sich  bewag. 

Williger  armvt  er  phlag. 

In   eim   chloster  vntz    an  seine 

tot.^ 
Daz  dhainer  slahl  not.  465 

lerrt  noch  enweut. 
Do  mit  hah  daz  maer  ein  ent. 

Pez  cap.  cccxxxix  p.  301. 

Dez  selben  Jars  geschach 

Laid  vnd  grozze  vngemach 

In  dem  land  Romaniola.  470 

Div  erpitemt  da 

So  vnget'üge  wart 

Daz  si  zelvrt  vnd  zezart 

Chastelle  vnd  pvrge  hob 

Daz  volkch   vo.    .orihten  vloch475 

Avz   den   havseru    ouls   gevild^ 

Von  der  Ertpidem  wild.^ 

Taten  do  nider  val. 

Wol  aht  pvrg  mit  der  tzal. 


•   mich    V071   miderer  hajid  an   der  seile   hinzugefügt.  -   mich, 

sowie  V.  446  rat  über  der  zeile  vom  Schreiber  nachgetragen.  ^   dieser 

und  die  3  nächsten  vv.  nur  auf  dem  lederriicken  des  buches  mittels  spiegeis 
zu  lesen.  ^  tot  aus  der  vorhergehenden  zeile  herabgezogen.  *   ge- 

vild  mittels  spiegeis  gelesen.  ^  auch  in  diesem  verse  u?id  den  nächsten 

wurden   fehlende   buchstaben  nur  mit  hilfe   des  spiegeis    auf  dem  papp- 
deckel  gelesen. 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  22 


318    ROSEGGER  RRUCHSTÜCK  AUS  OTTACKERS  REIMCHR. 

480  der  niht  gantz  belaib  Di  mfgen  mir  niht  enlwenchen  485 

Dez  selben  Jars  ouch  traib.  Si  gehen  mir  dev  warhait 

Groz  vngefüg  der  wint.  Als  ich  han  gesait. 

Di  noch  lembtige  sint  Daz  in  der  payr  lant.i  488 

vnt  die  sein  gedenchen. 

^  der  letzte  v.  mit  spiegel  auf  dem  lederrücken  gelesen. 

Klagenfurt  im  novemher  1884.  R.  DÜRINWIRTH. 


BRUCHSTÜCKE    AUS    DES     MÖNCHS    VON 

HEILSBRONN    BUCH    VON    DEN    SECHS 

NAMEN  DES  FRONLEICHNAMS. 

Im  folgenden  teile  ich  2  hlätter  einer  handschrift  mit,  welche 
das  Buch  von  den  6  namen  des  fronleichnams  enthielt,  ich  löste 
sie  schon  vor  längerer  zeit  in  Znaim  von  dem  decket  eines  alten 
andachtsbuches,^  das  mir  zur  ansieht  übergeben  worden  war,  ab, 
muste  mich  aber  blofs  mit  einer  abschrift  begnügen,  da  das  ori- 
ginal nicht  feil  war;  ich  bezeichne  es  mit  Z. 

Die  beiden  zusammenhängenden  blätter  gewähren  einen  fort- 
laufenden text,  bildeten  daher  den  inneren  teil  einer  läge,  sie 
sind  13,6  cm.  hoch,  der  text  hat  10  cm.  höhe,  der  decket  des  ge- 
betbuches  12  cm. ;  in  der  breite  misst  der  deckel  7,5  cm.,  die  schrift 
7,2  cm.,   auch   der  freie   räum   zwischen    der   schrift   der   beiden 

'  der  titel  des  buches  lautet:  Kurtzer  summarischer  Innhalt  geist- 
licher Übungen  der  andächtigen  Brüderschaft  des  zarten  Fronleichnambes 
oder  Corporis  Christi  zu  Brüu  in  Mähren.  Allen  Andächtigen  derer  in 
Christo  lieben  Milbrüder  und  Mittschwestern  zu  Trost  unnd  trewhertziger 
Nachrichtung.  Gedruckt  zu  Brün  bey  Bartholomeo  Alberto,  die  vorrede 
ist  datiert  vom  6  februar  1607.  —  das  buch  gekürte  ehemals  dem  stifte 
Kliisterbruck  bei  Znaim.  als  dieses  gegen  ende  des  vorigen  j'hs.  säcula- 
risiert  wurde,  wurde  die  klosterbibliothek  in  alle  winde  zerstreut;  vieles 
aber  kam  in  die  hände  Znaimer  bürger  und  liegt  jetzt  unbeachtet,  ver- 
gessen im  finstersten  xoinkel  der  rumpelkamnier.  gelegentlich  bringt 
darin  ein  zufall,  wie  hier,  eines  oder  das  aridere  ans  tageslicht.  ich 
bin  überzeugt,  man  würde  von  den  deckein  dieser  bücher  7ioch  manchen 
mhd.  text  ablösen  können,  dabei  vielleicht  selbst  ergänzungcn  zu  tmseren 
fragmenten  finden. 


BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSBRONN       319 

aufsenseüen  ist  etwas  breiter  ah  der  rücken  des  buches,  und  so 
hat  der  text  jeder  seile  vollauf  räum  auf  dem  deckel,  es  gieng 
nichts  durch  abschneiden  verloren,  auch  nichts  dadurch,  dass  es 
an  den  kanten  des  deckeis  abgerieben  worden  wäre;  icol  aber  ist 
der  text  der  aufsenseiten  bl.  1^  und  2'  sonst  an  manchen  stellen 
durch  schmutz  und  häufige  benutzung  ganz  unleserlich  geworden; 
desgleichen  sind  durch  löcher,  die  ins  pergament  gefressen  sind, 
einzelne  buchstaben  verloren  gegangen.  das  pergameyit  ist  mit 
feinen,  schon  verblassten  strichen  der  breite  nach  liniert,  und  zwar 
mit  23  strichen,  innerhalb  welcher  sich  22  geschriebene  zeilen  vor- 
finden ;  die  beiden  untersten  und  die  beiden  obersten  sowie  der 
mittelstrich  (der  zwölfte)  gehen  über  die  ganze  breite  des  bogens; 
die  anderen  sind  seitlich  begränzt  durch  Je  2  striche,  die  ebenfalls 
die  ganze  länge  der  seite  einnehmen,  die  schrift  geht  mitunter 
über  diese  querstriche  hinaus,  die  satzanfänge,  überhaupt  alle 
grofsen  buchstaben  sind  meist  in  senkrechter  richtung  in  der  höhe 
der  buchstaben  rot  durchstrichen,  die  sehr  hübsche  und  sorgfältige 
schrift  weist  mit  bestimmtheit  auf  das  lAjh. 

Der  dialect  von  Z  bietet  eine  mischung  md.  und  bairischer 
demente,  md.  monophthongierung  und  bairische  diphthongierung 
erscheinen  bunt  durch  einander;  nur  ist  letztere  doch  noch  viel 
weniger  sorgfältig  durchgeführt  als  erstere.  Z  iceist  jedesfalls  mehr 
bairische  formen  auf  als  M ,  aber  weyiiger  als  P  (vgl.  Wagner 
QF  XV  6  und  8).  wenn  nun  unmittelbar  neben  einander  gemein- 
mhd.  und  bairische  formen  stehen  wie  sinem  ireuude  (l*",  6)  oder 
wenn  man  2%  3  mein  liest,  gleich  darauf  wider  mehrere  min  2*, 
4.  5.  8.  10.  11  und  dazwischen  sei  2',  8,  ujid  damit  zusammen- 
hält dass  nach  Wagners  Vermutung  aao.  s.  3  (vgl.  auch  Denifle 
Anz.  II  300  und  Wagner  Zs.  20,  92)  der  dialect  des  mönchs  als 
md.  mit  wenig  bairischen  elementen  untermischt  zu  bezeichnen  ist, 
so  drängt  sich  die  Vermutung  auf,  das  original  von  Z  habe  viel 
weniger  bairische  formen  gehabt  als  Z  und  dieselben  seien  erst 
teilweise  durch  den  abschreiber  in  den  text  gekommen,  der,  so 
sorgfältig  er  sonst  copiert  zu  haben  scheint,  dennoch  unwillkür- 
lich hin  und  wider  die  Wörter  in  der  form  seines  dialectes  nieder- 
schrieb, gelegentlich  entstand  dann  auch  eine  falsche  form;  über 
puch  brauchte  er  blofs  ein  o  zu  schreiben ,  um  die  bairische  form 
herzustellen;  im  Übereifer  schrieb  er  dann  a\ich  für  got  2'',  3.  ist 
meine  Vermutung   richtig,    so  war  tatsächlich    das  original   von  Z 

22* 


320       BRUCHSTÜCKE  ALS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSBRONN 

meh^  md.  als  bairisch,  tcas  wider  umgekehrt  zur  bestdtigung  der 
Wagnerschen  annähme  dient. 

Nunmehr  will  ich  noch  einen  blick  auf  die  gute  des  textes 
von  Z  und  seine  Stellung  zu  dem  der  anderen  hss.  werfen,  von 
solchen  standen  mir  zu  geböte  G  und  P,  beide  bei  Merzdorf  ab- 
gedeckt,  für  P  noch  die  coUation  Wagners  QF  xv  74,  W  (s.  Alem. 
lii  115 — 116)  utid  M,  dessen  abschrift  ich  noch  der  gute  Halms 
verdanke  (vgl.  auch  Wagner  Zs.  20,  101).  ich  habe  die  lesarten 
dieser  codd.  unter  dem  texte  der  fragmente  zum  zwecke  leichterer 
nachprüfinig  zusammengestellt,  dann  auch  darum,  um  mich  im 
folgenden  blofs  auf  hinweise  beschränken  zu  können,  ohne  die 
ganzen  stellen  ausschreiben  zu  müssen. 

Von  würklichen  fehlem  finden  sich  in  Z  nur  wenige,  und 
diese  sind  belanglos,  meist  nur  verschreibungen  1%  5.  9.  11.  17; 
2%  14.  19.  20.  21.  Wichtiger  sind  die  fehlerhaften  auslassungen 
l"",  5  und  2'*,  5;  doch  sind  beide  nur  versehen;  im  ersten  falle 
stand  in  der  vorläge  von  Z  wahrscheinlich  den  niemant  gebindeu 
kan,  und  das  äuge  des  Schreibers  irrte  von  dem  satze:  den  nie- 
mant überwinden  kan  zu  diesem  so  ähnlichen  ab,  so  wie  es  2^,  5 
von  dem  ersten  stafleln  der  minne  mac  der  ...  zu  dem  zweiten 
mit  diesem  identischen  satze  übersprang,  auch  fehlerhaft,  aber 
weniger  bede^ttend  ist  das  fehlen  von  Z  T,  11. 

Characteristisch  für  Z  sind  die  öfters  erscheinenden  fälle,  dass 
es  denselben  gedanken  widergibt,  der  sich  in  den  anderen  hss. 
findet,  aber  in  bald  mehr,  bald  weniger  geänderter  form,  ich 
veiioeise  auf  1%  16;  l^  8.  12;  2%  19.  20.  21 ;  2^  12.  21.  hierher 
gehören  auch  jene  stellen,  an  welchen  die  loortstellung  gegenüber 
den  anderen  hss.  geändert  ist:  1%  16;  l**,  1;  2'\  6.  17.  21.  mit- 
nnter  fügt  da7in  Z  ein  oder  das  andere  woi^t  hinzu:  1%  3.  7 ;  1'', 
20;  2%  17;  2"",  12.  18.  einmal  aber  bietet  es  auch  einen  anderen 
gedanken  als  die  übrigen  codd.:  2'',  21  ;  wiste  gibt  jedes  falls  einen 
besseren  sinn  fl7s  (ge)torste,  das  nicht  recht  zu  begreifen  ist;  torste 
kann  auch  ganz  leicht  aus  ursprünglichem  wiste  verlesen  worden 
sein;  freilich  ist  das  umgekehrte  ebenso  leicht  möglich,  ebenso 
zweifelhaft  ist  es  auch,  ob  Z  nicht  an  der  oben  angeführten  stelle 
1%  7  das  richtige  bietet. 

Fasse  ich  danach  das  urteil  über  Z  zusammen  ,  so  lassen  der 
mangel  an  gröberen  fehlem,  die  Z  allein  eigen  sind,  sowie  auch 
die  schöne  schrift  mit  ihren  netten  zügen  auf  Sorgfalt  des  Schreibers 


BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSBRONN       321 

schließen;  die  beiden  erwähnten  auslassungen  sind  leicht  erklär- 
liche verseheil ;  dabei  ist  aber  eine  gewisse  Selbständigkeit  in  der 
icidergabe  des  textes  bemerkenswert,  die  indes  fast  nie  den  text 
verschlechtert ;  in  2  fällen  ist  es  sogar  leicht  möglich  dass  Z  allein 
das  richtige  erhalten  hat.  das  ist  dann  natürlich  nicht  ein  ver- 
dienst von  Z,  sondern  von  dessen  originale,  es  wird  dann  ilber- 
lumpt  fraglich,  wie  viel  von  den  abweichungen  von  den  übrigen 
codd.  der  vorläge  von  Z,  wie  viel  dessen  Schreiber  zuzmveisen  ist. 
die  Sorgfalt,  mit  der  die  abschrift  gemacht  ist,  würde  eher  darauf 
schliefsen  lassen  dass  der  gröfsere  teil  der  eigenheiten  von  Z  sich 
schon  in  dessen  originale  vorfand,  daraus  könnte  man  dann  weiter 
vermuten  dass  die  hs.,  zu  der  unsere  fragmente  gehören,  auf  ein  gutes 
original  zurückgieng.    schade  dass  nicht  mehr  von  ihr  erhalten  ist. 

Die  oben  aufgezählten  fehler  sind  freilich  nicht  die  einzigen, 
die  Z  aufweist;  alle  anderen  hat  es  jedoch  bald  blofs  mit  einer, 
bald  mit  mehreren  der  anderen  hss.  gemein,  tind  diese  helfen  uns, 
das  Verwandtschaftsverhältnis  von  Z  festzusetzen. 

Während  nun  Z  mit  M  oder  P  oder  W  allein  nur  ganz  un- 
bedeutende berührungspuncte  zeigt,  so  ist  sein  Verhältnis  zu  G 
jedesfalls  ein  intimeres,  ich  notiere:  l**,  1;  2^,  19;  2'',  13.  19. 
fast  alle  diese  stellen  bieten  Verkürzungen  des  in  den  anderen  hss. 
überlieferten  textes,  die  sich  in  G  auch  sonst  häufig  finden  (vgl. 
Wagner  QF  xv  8) :  dass  diese  nicht  alle  auf  die  rechnung  von  G 
zu  setzen  sind,  ergibt  sich  aus  l"",  1  und  zumal  aus  2%  19;  schon 
der  archetyp  GZ  hat  gekürzt;  G  hat  aber  allerdings  auf  eigene 
faust  loeiter  gekürzt,  wie  jene  stellen  erweisen,  an  welchen  es  im 
vergleich  zu  den  übrigen  hss.,  Z  eingeschlossen,  einen  kürzeren 
text  bietet;  vgl.  zumal  1\  17.  20;  l^  15;  2%  18.  —  G  und  Z 
stammen  also  nicht  von  einander  ab,  sondern  beide  aus  einem 
archetyp,  der  aber  kaum  ihrer  beider  unmittelbarer  Vorgänger  ge- 
wesen sein  wird. 

Z  zeigt  nämlich  auch  berührungen  mit  anderen  handschriften- 
gruppen,  an  denen  G  keinen  anteil  hat.  so  haben  MPZ  zweimal 
lichtiges  gegenüber  GW:  2^,  15  und  2'',  8;  andererseits  gehen  wider 
MWZ  zusammen,  zumal  1%  9  und  20.  beides  würde  zu  den  von 
Wagner  aao.  s.  92  gemachten  bemerkungen  stimmen,  dass  G  und 
W  eine  gemeinschaftliche  quelle  haben  (s.  oben  2%  15  und  2'',  8), 
aus  der  aber  andererseits  auch  P  geflossen  ist;  letzteres  erklärt 
das  zusammengehen  von  PG  1%  9  und  20. 


322      BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSBRONN 

Auffällig  bleibt  dann  nur  dass  Z  mit  W  fast  gar  nicht  ver- 
wandt zu  sein  scheint,  vielleicht  ist  W  jünger  als  G  und  P  und 
geht  enticeder  direct  oder  durch  mittelglieder  auf  G  und  P  zu- 
rück; denn  dass  P  und  W  sich  sehr  nahe  stehen,  zeigt  klär- 
lich  2%  19. 

Wiener- Neustadt,  26  nov.  1884.  KARL  TOM  ANETZ. 

bl.  V 

1    sp^cliet  der  wissage  Als  d'  hirze  .  .  .  .  re 
dvrslet  lehczet^  noch  dem^  wazzer  a.so  dvr 
stet  mein  sei  noch  dir.daz  ist  noch-^  dem  lebe 
digeo*  prvnneu  0  heilige  mlne  0  mioe 

5    Gliche  svzze  0  hymelicher^  honicsam^  0  gö 
tlicher  iofluz'  0  aller  engel  kvneginue.^ 
wi9  sol  ich  dich  iinerio  erwerben  Dv  edels^^ 
h^cze  sei  12  vfi  leip  Dv  erhebest  daz  h^cze  du 
(br)aitest  daz  h^cze^-^  dai*  machest  kvne  daz  h'cze^s 

10    daz  ez  mit  diner  raiczunge  s.  llioriß  dinge 

gert^"  Deri^  aller  creatur  wan^^  dich  wer  vil^o  z\ 
mvten  Auch  edelst  dv  di  sele  wan  dv  zierest 
si  mit  gebender  vü   mit  gewande  aller  tv 
gent.  daz  si  gen  .  .  ne  vii    wirdick  wirt.  daz 

15    si ahel  .  .  .  des  kvniges  aller  kvni 

ge  wirt^i  alse  daz  er'-2  sp^chet'-3  daz  gescriben 
ste24  in  der  minne  püch^s  Meinte  frvndin  mein 2" 
zartiv.  mein  gemahel  dv  pist  allenthalbe^s 
schone  Avch  edelst  dv  den  leip  wan  d\-^  zuh. 

20    maistrinne^o  vü   sin  maiezogen ^i  bist  .  daz  er 

'  leket  G  lehaczte  P  lechet  ff^  ^  dem  kuolen  /^  ^  für  noch 

dir  —  noch:  nach  got  GMPfT  *  lebenden  fV  ^  himelischer  GMP: 

hinielrich  ff^  ^  honicsain  P:  honksam  Jf^  '  fluz  G  ^  kunig  GP 

8  wi  fehlt  GMPJV         10  nimmer  P         »>  edelst  MP:  edeloste  G 
*2  die  sele  hercze  G  "  du  braitest  daz  hercze  fehlt  GP         "  du  GMH 

•5  du  —  herze  fehlt  P:  daz  herze  fehlt  G  '"  solcher  fehlt  G 

"  an  dich  begert  G  »«  der  fehlt  G  i'-*  an  GMPfF  ^o  ^g  y\\ 

GMP:  fehlt  W:  cze  vil  war  an  dich  MP:  wer  ze  vil  an  dich  6'.-    an  dich 
wer /^         21  >virt:sl  nach  si  GMPH'         "  er  selbe  G  ^'  spreche  P 

■^<  stet  MP1V         ^5  daz  gescriben  —  puoch  fehlt  G  ^e  n,ei„  f^  (; 

^"^  mein  f  JF         "  enju  q        29  ju  sin  GMPfF        ^"  sein  czucht- 
maisler  pisl  P:  bist  s.  z.  G         ^'  und  sin  maiezogen  f.  G 


BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSßRONN       323 

sich  ZV  kainen  swachen  diugen^s  Dimmer 
naigel33  Vn  sich  an  widersacz  zv  goies  din  . . 
3*  chainen  swachen  dinge  GP:  keime  sw.  d.  ff"'        ^3  geneiget  Gff^ 

hl  l"^ 
1    alle  ....  eraitet^  .  .  swenne-  daz  geschiht 
so  ist  6.  geedelt  daz  er  aller  hande  getat^ 
vf  erden  hVe  ist.     0  svzze  hohiv  minne.     0 
starckes  kreftiges^  panl  dv  vb'windest 
5    den 5  den  niemant  vbVinden  kan^  wan  also 
stet  gescribe  daz  got  zv  einem  sine  frevde 
sprach  La  mich  daz  ich  zvr.  dv  bist  alein 
d^  krefte  da  vo  der  mensche  "*  gotes  gewal 
tige  wirt  0  kvneginne  aller  tvgent.  ane 

10    dich  wirt  niemant  behalten  .  mit  dir  w  .  .  . 
niemant  verlorn.     Dv  bist  alein  daz  wid' 
gelt,  daz  got  mit  gelichem  gelt  wider ^  ne 
men  wil  vö  dem  menschen  vmb  sin  min 
ne.  daz  er  doch  an  .n  .  .  .  .  m'J  and^io  dJQc  tut.^^ 

15    Wan  12  zvrte  er  mir  ic.  .  .  tar wid^ 

zvrnen.  Svnder  ich pide 

.  .  n .  straffet  13  er  mich  ich  ...  ar  ...  .  niht 
wid''  straffen  Svnd^  ich  muz  mich  svldig 
geben,  vrtailet  er  mich  ich  getar  in  nit 

20    .rtailn.14  Erbarmet  er  sich  ub^  mich  .  ich 

mich  niht  vb^  in.     Aber  minnet 

sol  ich  in  zv  wider  gelt  auch'^ 

1  bereit  blutet  ze  gotes  dienst  alle  zit  31ff.-  beraitet  und  peutet  ze 
g.  d.  a.  z.  P:  Z  wol  nur  beraitet  mit  G,  da  die  liicke  nur  für  so  reicht 
mit  MP  ^  so   swenne  M:   so  wenne  P:  swenne  GW  ^  hanttät  P 

*  krefteclichez  M:  chrefticleichez  GP  ^  den  f.G  ^  ?iach  kan 

f.  in  Z:  wan  du  vb^köm  (M;  überkemd  W;  uberchomde  GP)  in  des, 
daz  er  uf  erden  mensche  wart,  du  (da  W)  bindest  den ,  den  nieman  ge- 
binden   (f.  W)   mac  GMPfT  '   allein  die  (alleidiv  M  alle   di  P)  von 

der  kraft  der  (des  Wj   mensche  GMPfF        »  widergelt  GMPfF  »  en- 

keinem  G  chainen  P  keime  M  deheime  fV  *°  ander  f.  M         "  nit  Äf^ 

*2  von  da  aö  —  z.  21   Aber  f.  G  '^  „nj   straffet  W  "  ich 

urteil  in  niht  GMPW  "  wider  G 


324       BRLCHSTÜCRE  AUS  DEM  MÖ^XH  VON  HEILSBRONN 

hl  2' 
1    minnei  dv  machest  svzze  vnd  senile  gotes 
ioch2  Vn  da  vö  sprach^  er  hebet  vt'  euch* 
meio  ioch  vnd  lernet''  daz  ich  sentte*^  vn   die 
mvtich  pin'  wan  min  ioch^  ist  svzze.  vnd 
5    min  purde  ist  ringe^.     Dv  machest  sich^"  di 
sele.  als  in  der  minne  püch  stetig  gescribe 
Ich  beswer  euch  totteri^  vö  iherusale  daz 
ir  minen  lieben  kündet  daz  ich  sei  minne 
sich.     Dv  vSvundest  gotes  h^cze.  als  er  sei 
10    be  sp'chet  in  der  minne  püch  Swester  min 
dv  hast  vHvundet^s  daz  h'cze  min.  mit  din  .  . 
rat  geschul  vns  der  valer  noch  sine  pi. 
de.  mit  diner^*  manunge  schuft  sich  der  .  .  . 
noch  vnsern  pilde  der  armen  mensche . 
15    da  mit  er  vns  erloste,  von  dinem^'^  gep  .  .  J"^ 
git^^  uns  d^  heilige  gaist  gvlen  willen  zv 
gvten  wecken.     Dv  lerest  vns  got  .... 
.n  in  vnsern  h^czen.     Vü  lerest  got  .  . 
veren  in  sinen  h^cze^^.     Dv  heizzet^o  vns 
2ü    weinen -1  sulczen^^  klagen  Vn-3  heizzet^"  got 
in24  barmheit^s  .ü^c  sin  hercze-''  gegen  vns 
neigen.     Dv  pitest  tur  vns  in  vnse  .  .  . 
1  minnen  in  GMP        ^  du  m  .  s.  g.  i.  und  senfte  3fP        ^  sprichet  Gff^ 
"  uch  uf  G        5  wenent  ff^         ^  senftmutig  G         '  d.  ich  s.  p.    u 
dem.  P        ^  iocii  daz  P        ^  lichte  G         '"  du  machest  die  sele  schöne  G 
^^  f.  G         «Mochter  3//*        "  vgfvvunt  i»/^.-  verwunte /*        ^*  Att  GP 
»*  geschuf  P         '6  dem  GIV         »"  gebete  GW         "  geit  er  P 
19  Vn  —  h^cze   f.  G;   dieses  schiebt  hier  einen  späteren  satz  ein  s.  2\  1; 
nach  hercze  lese?i:  du  pist  unser  vorspreche  in  unserm  herczen  und  unser 
gewererine  in   gotes   herczen   P/f:   du   bist   unser  für  spreche  in   unserm 
h*^zen  M;  herzen  AfP/V        ^o  hgizzest  GMPJf        -^  weinen  und  GMP 
22  s.  und  GMPIV         23  ju  GMP  ff         -^  mit  GMPff^        25  erbarmherzi- 
kait  G  hinter  neigen;  barmhertzigkeil //^         26  eiioas  dem  entsprechendes 
f.  GMPff^  27  sin  hercze  /:  G 

bl.   2" 

1  h^czen  Vn  gewerest  Ivr  got  in  sine  h^czen^'^  wer 

sei  do  niht  gedingen  haben,  da  di  minne  fvr 

*  du  bitest   für  uns  in  unserm  herczen  und  gewerst  für  got  in  gotes 
herczen    f.   in  G    hier,    steht  aber  statt  eines  ausgefallenen  satzes  2",  19 

2  in  gotes  hertzen  Gff"' 


BRUCHSTÜCKE  AUS  DEM  MÖNCH  VON  HEILSBRONN       325 

uns  pitet  Div  lür  got  gewaltichlichen  mac 
gew^en^  Diz^  sint  di  fvnfe  staffeln  der  mlne^ 
5    mac  d^  mensche  komen  gaistlich''  mit  gotes 
gnaden  Vn   mit  sin  selbes  vleize  .  mer  ab^' 
vö*  gnaden  danne  vö  fleiz.     Wan  der  vleiz 
schaffet  nit  ane  gotes 9  gnade  so  wil  di  gna 
de  niht  ane  des  menschen  vleiz.     Div  sehste  ml 

10    ne  ist  noch  disem  leibe i''  dise  minne  stet  also 
daz  wir  in  di  gotlichen  minne  so  gar  gesenc 
ket^i  w^den.     daz  wir  vns  selben  nit  en'^  min 
nen  danne  dvrch  goO'-^  Wan  div  heilige 
Schrift  sp^chet  daz  got  elliv  dinc  geschaffen 

15    hat  durch  sich  selben.     Da  von  ist  elliu  crea 
ture  di  zv  got  komet  vü    nu  vor  got  vroer 
ist  14  dazi^  gotes  wille  an  in  er  füllet  ist .  denne 
daz^ß  si  dii^  gnade  enpfangen  habent^^     Da  so^^ 
w^e  wir  in  gotes  minne  so  gar-'^  tief'-i  gesen 

20    ket  daz  wir  in  gote  vü  got  in  vns  ain  gaist 

w'den.  dez  ich  niht22  wist  gereden^s  wan^*  daz^s 
ez26  di  scrift^"'  sp^chet.  d^  an^s  got  ist  d^  wirt  ein 

3  geweren  mac  MP         ''  daz  GPJV  ^  nach  minne   f.  in  Z:  zu 

den  der  (ein  MP)   geistlich   mensche  hie   uf  erden  (ertrich  G)  kumen  mac. 
Ze  disen  fünf  stapfein  der  minne  ^  der  geistlich  mensche  GMPfV 

'  aber  me  fV         «  von  gotez  P         ^  gotes  /:  GfF         ^°  leben  MP 
»1  versenket  GW         '^  g^  f_  GMPJV        »^  g^t  „„j  j/^j/^-        u  jgt,  vro- 
wer  GMPW        »^  ja  GP         »e  daz  inen  G        "  di  f.  GW        »»  haben 
GMP  13  so  f.   GMPW         20  gai-   ^,  3/^  21  g^    ggr  tief  f.  W 

22  doch   niht   GW  23  i^i^a   (gereden   GP)   getorste   (torste  P) 

GMPW        "  denn  GMPW       25  jg  G        '^^  f.  G        27  geschrift  G 
28  in  GP 


DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES 
FÜNFZEHNTEN  JHS. 

I    MARINA. 

(84^)  Januensis  was   ein   stat  vil   ubermenig   vonu  burgern, 
uberflössig  vonn  guttern  und  aller  libesnarung  und  vil  vast  frucht- 
bar,   davon  machten  die  burger  das  gemein  volck  sorgfältig  inn 
1  Überschrift  rot  hystoria  vonn  einem  Riehen  kaüffmann. 


326     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

deglicher  ubuog  und  groszem  flisz  und  besunder  zu  schieffen 
über  mere.  under  den  allen  was  ein  trefflieber  burger  mit 
nameu  Aronus,  der  semlicher  listigkeit  und  klucheit  in  hantirung 
vil  jar  durch  ubung  siner  vernunlt  und  arbeit  sins  libs  helt  an- 

5  gehangen  und  het  nu  grosz  gut  und  huszrat  überkommen,  darumb 
empfing  er  inn  sin  gemüt  heimlich  sorg,  wer  nach  sinem  tod  ine 
wurde  erben,  wann  er  het  sin  leben  verfurt  ane  wiber  und  kind. 
uff  ein  zyt  waren  gesamelt  vil  kinder  und  jungling  nach  gewan- 
heit  der  statt  und  des  lants  zu  begeen  villicht  ein  hochzitlichen 

10  tag,  und  machten  da  gegen  einander  spitzen  und  hauffen  recht 
als  sie  sollen  gein  einander  stritten,  zu  dem  schimpf  (84'')  kamen 
gewonlich  der  kinder  vetter  und  mülter,  gefründe  und  ein  grosz 
menig  des  volcks  und  als  sie  sahen  solich  wise  und  thun ,  handel 
und  geberde:    ettlich  ringen  lauffen  springen  danczen  und  ander 

15  vil  kurtze  wile  irer  kinder,  wurden  sie  sere  und  fast  erfrauwet 
und  wolgemüt.  da  Aronus  helt  solich  freude  gesehen,  empfing 
er  vil  groszen  smertzen  und  truvvrikeit  und  ging  heimlich  in  sin 
gemach  trurig  und  redt  zu  ime  selber  also:  o  Arone,  unselig 
bistu    alters  halben!    o  du  bist   unselig    und   müde  durch  arbeil, 

20  die  du  hast  volbracht  uff  erden  und  uff  wasser!  ach  Arone,  du 
bist  rieh  von  gut,  aber  arme  von  gemüt!  wie  rieh  schetz  und 
costlich  wonung  hastu  dir  gebuwet  oiit  harter  arbeit  und 
mauiger  verlerblichkeitl  aber  diu  sorg  diner  nachkomen  hastu 
unwisslich  vergessen,    wem  wenestu  din  grosz  gut  zu  verlaszen? 

25  welcher  sone  nach  dinem  tod  wirt  din  gedencken?  gut  rette  ein 
huszfrauwen  und  kinder  oder  erben  zu  uberkomen  hast  du  alle 
wege  versmehet.  o  selig  sin  die  vetter,  die  da  wise  und  fur- 
sichtig  sone  hinder  ine  lassen !  o  wie  vil  hau  ich  hüte  vetter 
gesehen,   die  sich  selig  (85^)  schelzen,   betten  sie  ein  teil  diner 

30  gutter,  die  sie  iren  erben  nach  ine  verUeszen !  nu  bin  ich  by 
lünftzig  jarn.  was  soll  ich  mich  nu  getrosten  oder  was  gedecht- 
nisse  oder  lobes  wird  ich  nach  mynem  tod  verlassen  ?  wo  ist 
myn  lieber  sone,  der  mich  in  gedechtnisse  wirdt  behalten?  selig 
sint  eelich  verboutnisse  und   die    elich  lute,    die  ire   gutter  und 

35  erbschaft  und  gedechtnisse  in  klug  und  wise  kinder  verziheu  und 
verfurn  I 

Diesze  straff  thet  Aronus  widder   sich  selber   und  ime  was 

3    bei  HSachs   (Keller  13,84/7)  Aranus.  12    lies   vetter,    mutier 

und  gefründe?  13  sehen.  31  lies  wes  soll? 


I  MARINA  327 

sere  angst  und  leit.  doch  liesz  er  von  der  rede  und  trost  sich 
selber  und  sprach  also:  die  vogel  hant  die  art,  dasz  sie  zu  den 
eisten  nisten  ee  das  sie  eiger  legen  und  sich  darüber  setzen, 
also  glicher  wise  wilt  du  auch  thun.  du  hast  gebuwet  husung 
und  gnung  darin,  auch  bistu  nit  als  gar  alt,  du  magst  noch  5 
erwarmen  und  erben  ziehen,  nu  ist  dir  nit  me  zu  thün ,  wan 
zu  besehen  oder  zu  sorgen  umb  ein  huszfrauwen. 

Also  ging  Aronus  usz  sinem  heimlichen  gemach  und  rufft 
zu  ime  zvven  siner  gutten  trunde,  die  ime  alle  zytt  truw  warn 
(Sb^)  gewest.  denn  legt  er  vor  sin  meynung  und  bat  sie  umb  10 
ratt.  sie  gehingen  ime  des  zu  und  lobten  sinen  tursatze  und 
verhiessen  ime  sorg  zii  haben  umb  ein  huszlrauwen,  die  ime 
nutze  und  gut  were. 

In   dem  was  Aronus  bekomert,   wo  er   under  den  tochtern 
die  manber  weren  ein  lünde,  die  [er]  ime  zu  einem  wib  mocht  15 
lügen,    in  der  vorgenanlen  statt  was  ein  doehterlin  von  adelichem 
stam  entsprungen  mit  namen  Marina,  ein  junckfrau  woU  gestalt, 
von  lib  schon  und  zumale  kostlich  an  gesmide  und  aller  zierheit, 
also  fast  das  alle,   die  ir  wol  gestalt  bildung  ansichtig  wurdent, 
verwonderten  sich,    ir  jungfraulich  autzlitz,  ire  spilende  äugen,  ir  20 
wiplich  form   macht   inn  den  hertzen   der  jungling  durch   einen 
augenbliek  [ine]  ein  unordelich  begir.     eins  tages  helltet  Aronus 
sine  äugen  in  diese  Marinam,  nit  in  verwurfner  und  geyler  be- 
girde  sunder  mit  clugkheit  und  wyszheit   in  alle  sinem  fursatze, 
und  begert  ir  durch  inbrunstig  lieb  zu  einer  huszfrauwen.    und  25 
het   das    Aronus   (86*)  zu    einer   bequemen    zytt   offenbar    iren 
eitern,    uff  einen  tag  da  Aronus  bort,  ob  man  ime  wolt  Marinam 
geben   zu   einem   wib,    weren    gesament  ire   frund,   vatter   und 
mutier,  die  do  alle  einhellig  nach  einer  deinen  zweytraeht,  die 
bald   gestillet  ward,   gaben  Arono   ir   tochter  Marinam    zu  einer  30 
huszfrauwen  mit  glubde  und  gutter  sicherheyt   beider  teil,     also 
nu   das   geschach,    ward  Aronus   bekommen,   wie  er  bereyt  die 
Wirtschaft  der   hochzytt  kostlich   nach  nottorft   und  geburlicheit, 
und   hiesz   bestellen  aller   bände   zierheit   und   alles   was   dartzu 
moeht  dienen  nach  dem  wegesten,  und  volbrachten  da  die  hoch-  35 
zitt  dry  tag  inn   allen  freuden    und  wollust,   in    solchen  kosten 
und  herhgkeit,   das  da   nichts  gebrast  was  da  nott  was  und  dar 

2  dem.  16  vorgenaten.  22  ein]  in.  36  solchem. 


328     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

zu  gehört,  Marina  die  brut  was  schon  und  hübsche  und  über- 
traf! alle  junckfrauwen  und  Irauwen,  die  da  zu  der  wirtschalt 
waren  geladen,  ire  cleider,  ire  gesmide  und  spenglin  warn  sere 
kostlich,  grosz  ordenung  und  menig  der  diener  und  dienerin 
5  da  was,  gnögsamkeit  des  wins  und  mengerley  spise  inn  (86**) 
guldin  und  silbern  geschier,  das  gancze  husz  bewegt  und  er- 
schellet durch  pfiffen,  harpfen,  luten,  bukeilen,  singen,  klingen 
und  alle  seytenspill.  da  das  alles  verging,  was  Aronus  erfreuwet 
sins   schonen  wibes   und  vertreib   also   vill   tag   in  wonnen    und 

10  freuden  und  groszem  frolocken. 

Da  sie  by  einander  betten  gelebt  ein  jare  in  wollust  und 
müssiggeen ,  viel  Arono  in  sinen  sin  das  er  oft  begangen  hat  und 
geflbet,  das  ist  kauffmanschacze  schieffen  über  mere  gein  Allexan- 
driam,  als  er  dan  gewonheit  helte  von  kintlichen  jarn,  also  daz 

15  er  meint,  es  wer  ime  unmüglich  davon  zu  lassen,  er  stall  sich 
aber  gen  Marina ,  als  were  ime  darumb  nicht  uff  das ,  das  er 
sie  dardurch  nit  beswert,  wann  er  erkant  ir  gemütt,  die  hiczige 
und  febrie  jugent,  ob  er  villicht  ein  zytt  von  ir  were,  das  sie 
ungedultig   wurde    zu    behalden    genczlicheit    des    elichen   stats. 

20  wann  vvarumb?  er  sach  an  die  jugent  und  blodigkeit  siner 
frauwen  und  gemeinlich  aller  frauwen,  das  sie  ein  umb  sweyffend 
gemi'it  haben,  auch  forcht  er,  das  icht  qwemen  die  jungen, 
(87*)  stolczen  knaben ,  die  ane  das  alle  tag  pQagen  zu  komen 
dwile  er  inn  der  statt  was.    was  detten  dan  sie,  wan  er  usz  dem 

25  land  were?  sie  wurden  ir  heimlichen  nach  stellen,  ein  solichen 
stahel  und  zwivel  trug  er  heimlich  by  ime  lang  zytle.  vil  langer 
betrachtung  und  disputeren  widder  und  vor  hett  er  mit  ime  selb 
als  lang  das  er  swach  und  kranck  ward,  yedoch  vill  er  uff  ein 
sin    und    sprach:    es   sy  dann,    das    ich   inn  kurczen  tagen  fare 

30  von  hynnen,  so  musz  ich  sterben,  du  must  sie  laszen.  sie  behut 
sich  selber  ob  sie  wil.  thelt  sie  schon  unrecht  in  dinem  by- 
wesen  so  du  zu  land  werst:  dannoch  must  du  leben,  ich  will 
nit  verzagen,  du  soll  din  lip  und  solich  totlich  sorg  nit  legen 
uff  den  lip  einer  frauwen.    slach  usz  dinem  mut  angst  und  sorg. 

.35  es  ist  nichts  erger  und  swerer  dem  gemüt.  hab  umb  die  sach 
kein  betrubtnissze  mer.  hutt  wil  ich  suchen  myn  gesellen  die 
mir  vor  langer  zyt  truw  gewesen,  die  mir  inn  ubung  und  hantirung 

5  güngsamkeit.  11  gelebten.  16  ti  fehlt.  18  febrie  =  few- 
ri(g)e.  26  stahel  =  Stachel.  34  dinen. 


I  MARINA  329 

recht  huselich   sin   gewest.     dem  vorsalze  wil   ich  Dachkommen, 
(87'')  mit  ine  ein  t'ry  gemüt  haben. 

Da  sich  Aronus  eins  solchen  het  bedacht  und  testeghch  t'ur 
genommen,  ging  er  zu  sinen  zweyen  gesellen  (die  waren  treffe- 
lich  fromme  menner)  und  erzeugt  sich  frolich  gegen  ine  und  5 
meldet  nichts  siuer  heimlichen  anligenden  sache  und  bekommer- 
nisse,  sunder  er  vermanet  und  hilt  sie  an,  das  sie  sich  bereiten 
über  mere  zu  tarn,  also  luden  sie  die  schieif  mit  alle  dem  das 
ine  not  was  und  machten  nüwe  glubde  und  warten  also  einer 
beqwemen  zyt  und  windes  zu  schiffen,  aber  Aronus  was  stet  lO 
und  vest  inn  siuem  Vorsätze  sin  husztrauwen  da  heim  zu  lassen, 
und  vor  dem  tag  da  er  tarn  soll ,  hiesz  er  bereiten  ein  abent- 
essen,  da  er  und  sin  hebe  Marina  allein  heimlich  verslossen  by 
einander  warn.  Aronus  sach  sie  an  und  verwondert  sich  irer 
schone  und  wol  gesalzter  hubscber  rede  sprach  er  zu  ir  also  15 
'liebe  huszfrau,  myn  liebe  Marina,  du  bist  die  rüge  myüs  be- 
trübten gemütes,  ein  einiger  trost  myns  herczeu.  ich  bitt  dich, 
bisz  trolich  und  habe  ein  irien  niut.  nym  kein  beswerung  (88*) 
darumb  das  ich  ilzuut  vonn  dir  tare.  das  ist  alle  zyt  myn  wandel 
gewesen,  durch  den  gewerb  han  ich  überkommen  schecze,  husz  20 
und  hoff,  lob  und  priesz  und  gesellschalt  und  vil  gutter  truude, 
alle  geschmid  und  zierheit,  spengliu,  ring,  köstlich  cleider,  darinn 
du  alle  trauwen  inn  dieser  statt  ubertriffest.  das  und  alles  kann 
ich  durch  myn  gewerb  und  hantirung  überkommen,  heruuib  so 
hab  kein  truwern  oder  smerczen  umb  diesz  reisze,  wann  ich  mich  25 
wil  bereiten  bald  widderumb  z&  kommen,  das  soll  sin  die  letst 
reisz,  ist  das  es  mir  glucklich  geet.  dar  urab  habe  ein  men- 
lichsz  gemüt.  alles  das  ich  besitze  will  ich  dir  verlassen  und 
eigen  geben,  so  ich  doch  weisz,  das  du  die  wile  kein  mangel 
oder  gebresten  mogst  han.  zu  dem  ersten  bitt  ich  dich,  das  du  30 
trolich  und  gemüt  sist.  das  ander:  so  uns  doch  nichts  ver- 
borgen ist,  wan  eins  ere  und  nutz  auch  des  andern  ist,  eins 
schand  und  schad  unser  beider  gemein  ist,  auch  wisz,  das  ich 
also  töricht  nit  bin,  das  ich  nit  bedenck  und  erken,  das  du  durch 
din  schon  gestalt,  adelich  (SS'')  geberd,  lieplichen  wandel  vil  lip-  35 
hern  vast  begirlich  bist  und  lieb  gehast  und  ich  dich  ytzund 
also  einig  ane  man  verlasze.  und  ich  wene  turware ,  myn  lieb 
huszfrau,  du  sollest  einen  kuschen  vorsatz  und  ein  rechten  scha- 

16  ruge  =  requies.         22  alle.  26  die]   diese.  35  liphabern? 


330     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

migen  willen  erapfahen  und  haben,  yedoch  so  erkenne  ich,  was 
solich  jugent,  lorme  und  gutt  gestalte  und  die  verborgen  hitze 
und  fiiwer  heischet,  und  weisz  das  wol,  das  du  die  wil  ich  usz 
bin  an  man  mit  nicht  mögest  beliben,    wann  es   ist  unmöglich. 

5  und  nit  gedenck,  das  ich  darumb  kein  unmöt  trag  oder  has, 
wan  alles  das  dir  und  diner  natur  nutz  und  frommen  bringt, 
das  will  ich  alle  zit.  das  ist,  das  ich  dich  mit  aller  bette  flehe 
und  verman ,  das  du  unser  bell  und  elich  schäm  kusch  und 
rein  habest,   als  lang  du  vermagst,   wan   ich  dich    und    din  ere 

10  sust  niemand  will  emplelhen.  sy  du  din  selber  hutterin,  din 
und  diner  ere.  es  mag  kein  hutt  und  sorg  also  flissig  und  enge 
sin  die  ein  trau  möge  bewarn  widder  iren  willen,  ist  das  sach, 
das  din  geplut  in  dir  wirt  wüten ,  toben  oder  hitzigen  (89")  also, 
das  du  dich    nit  lenger   magst   enthalden   und  behebig  sin,   bitt 

t5  ich  dich,  liebe  husztrau,  versorg  dich,  bisz  listig  und  behut,  das 
daz  du  tust  icht  ofl'enbar  werd  under  dem  volck,  das  dir  und 
mir  und  unsern  kinden,  die  usz  uns  mochten  kommen,  sy  ein 
ewig  schand  und  hintur  ein  ewig  uffheben.' 

'Wise    und   fromme,    in  diesen  dingen    wil   ich    dich   leren. 

20  du  weyst,  das  in  dieser  stat  ist  manicher  junger,  starcker  und 
gerader,  stolczer  knab  und  jungling,  usz  allen  den  wer  dir  gnug 
einen  zu  erwellen,  mit  dem  du  kurczwile  mochtest  haben  und 
spilen.  aber  kein  unverschampten ,  unstetten,  umb  sweyffenden 
lecker  soltu  mit  nicht  erkiesen,  wan  warumb?  ein  solicher  offen- 

25  hart  din  schand  bald,  wann  solich  keins  iren  glichen  oder  ge- 
sellen verhelu.  darumb  bisz  fursichtig  und  nym  dir  einen,  der 
da  sy  wise  und  verswigen,  und  ob  ettwas  vonn  uch  beiden  ge- 
schech,  das  er  das  nit  mynner  verswig  und  verberg  wan  du. 
das  ich  dich  bitt   und    ernstlich  von  dir   begere.     verheistu   und 

30  geredest  mir  das  also  zu  hallen,  fürwar  so  gibstu  mir  ein  grosz 
(89'')  Ireude  hut  inn  mynen  mät.  auch  wil  ich,  das  du  mir  nit 
antworst  als  die  andrn  frauwen  pflegen  inn  glichen  Sachen,  wan 
man  ine  solchs  vorlegt,  so  sprechen  sie,  was  rede  sy  das:  wes 
kommerstu    dich    damit?    wie   mocht    mir   ein    solchs  ymmer  in 

35  mynen    sin  komen !    nein,    nein!   da  sy  got  für!    musz  ich  kein 

tag  nymmer    geleben,    wan    ich  das  thfl    oder  doch    gedenck   zfi 

thün!  solcher  antwort  wil  ich  von  dir  nit.    ich  gleub  sicher,  du 

sollest   in  solchem  lursatz,   als    du    ytzend   bist,    beliben  yedoch 

16  tust  aiix  trüst  corrig-iert.  17  vor  sy  ist  ist  ausgestrichen. 


I  MARINA  331 

als  lang  du  mögest,  auch  bitl  ich  dich,  das  du  das,  dasz  ich 
dir  ytzund  verhenget  hab,  nit  thuest,  es  sy  dann,  das  du  diner 
jugent  nit  mögest  widderstreben.' 

Da  Aronus  hett  geendet  diesze  rede,  da  ward  das  antzlitz 
Marine  siner  huszfrauwen  überdecket  mit  schäm  und  rot.  nach  5 
kurtze  da  sie  verhesz  die  schäm,  mit  bleichem  angesicht  und  er- 
schrockner  slymme  fing  sie  an  zu  reden  also  'myn  liebster  husz- 
wirt,  mit  dinen  worten  hastu  erschrecket  myn  vernuntt  und  ge- 
möte,  als  das  ich  vonn  dir  han  gehört,  das  ich  nie  vormals  (90") 
bann  gelernt  noch  versucht  zu  gedencken.  und  duncket  mich  10 
recht  unbillich  und  unmiltiglich  sin  gethan,  das  du  ein  junges 
dirnlin  mit  solichen  reden  wilt  reytzen,  wan  solich  grosz  laster 
zu  thun  oder  betrachten  minem  alter  nit  zu  gehört,  das  du 
aber  sprichst,  du  wissest  wol,  das  ich  inn  dinem  abwesen  min 
elich  schäm  und  kuscheit  nit  möge  behalden,  das  piniget  mich  15 
also  sere,  davon  ich  auch  gancz  erzitter  und  weisz  nit,  was  ich 
reden  oder  antworten  soll  uff  semlich  diu  vernünttig  bewerung. 
aber  das  ich  dir  itzunt  sag,  das  ist  mir  nit  mynner  im  herczen 
wan  in  dem  munde:  ee  vvolt  ich  sterben  eins  grüselichen  todes, 
wan  das  ich  solt  leben  denn  tag,  das  ich  unser  bett  durch  un-  20 
elich  werck  beflecken  solt  —  und  mocht  gescheen  oder  mir 
Widder  faren:  das  kan  ich  nit  gedencken.  aber  das  du  diese 
antwort  und  entschuldigung,  die  wir  frauwen  gemeinglich  in 
sulchen  sachen  pflegen  zu  haben,  begerest  vermyden,  darumb 
das  ich  nach  diner  begirde  ettwas  trosts  in  din  gemiit  trag,  so  25 
verheisz  (90'')  ich  dir,  das  ich  in  gentzhcheit  myns  libes,  in 
schäm  und  zucht  und  vermydung  aller  unzimlicheitt  eliches  stats 
diner  widderlart  wil  truwelichen  beiten  und  warten,  und  wer  es 
sach,  das  mir  etwas  widderwertiges  dar  über  zufiel,  das  gott 
nit  woU,  so  will  ich  in  alle  dem  diner  regel  und  lere  gehör-  30 
samlich  folgen,  und  ist  ettwas  mer  das  dich  mocht  beswern, 
bitt  ich  dich,  das  du  mir  das  gebittest,  ich  beger  nit  mer  dan 
das  du  minen  willen  alle  zyt  mit  dem  dinen  vereinigest,  wan 
mir  gebort  zu  thun  was  du  wilt  und  nit  was  ich  wil.' 

Dieser  wisen  und  klugen  antwort  ward  Aronus  als  vast  er-  35 
frauwet,    das    er    von  freuden    treher   siner  äugen    kome    mocht 
verhalden.     er  sprach   'myn   aller  liebste  huszfrau  Mariua,   alles 

12  wilt]   vnnd.  13  minen.  25  ich  fehlt.      dinem    gemut. 

36  kome. 


332  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FLNFZEHMEN  JUS. 

das  ich  hann  von  dir  begert  das  hau  ich  uun  von  dir  verstanden, 
nu  halt  din  gUibde  verslossen  in  dinem  gemut,  unbewegt.' 

Da  der  liecht  tag  uff  slosz  die  vinster  nacht,  da  verliessen 
Aronus  und  sin  gesellschatt  die  statt,  ir  huszer  und  suszigkeit 
5  ires  (9P)  vatterlands  und  sassen  in  den  schitTen  mit'  usz  ge- 
streckten segeln,  den  weg,  des  sie  dick  und  vill  gewonheit  betten, 
turn  sie  snelliglich  vor  die  ptort,  thurn  und  huszere  der  Stadt, 
aber  der  liebe  Aronus  wolt  der  reden  siner  trauweu  nit  ver- 
gessen,   sunder   sletz  hett   er  sie   iun  sinem  müt  und  want  sin 

10  äugen  nit  von  dem  land,  als  lang  bisz  das  schieff  also  witt  geiurt 
ward  in  das  mere,  das  man  keinen  thurn  der  Stadt  gesehen  mocht. 
sie  betten  einen  gewinschten  windt,  also  das  sie  in  wenig  tagen 
reichten  und  kamen  dahin  sie  begerten.  Marina  belib  inn  dem 
husze  ein  hutterin   mit  aller  dinstberkeil  und   was  alle  zytte  in- 

15  dechtig  der  rede  ires  huszwirts  und  irer  verheissung  und  glubde 
und  iing  au  recht  und  kuschlich  zu  leben,  sie  hett  nitt  mer  dann 
funlzehen  jare.  davon  in  solchem  jungen  herczen  mocht  kein  be- 
triiglicheit  noch  arge  list  oder  boszheit  wesen.  darumb:  wer  ir  ett- 
was  Unzucht  oder  schaud  begegenet,  das  mocht  man  biüicher  haben 

20  ZU  geschriben  wiplich  blodigkeit(91^')  oderkiutheit  wan  irer  boszheit. 

Darnach  nach  abscheit  der  schietT  belib  sie  vil  tag  allein  und 

also  gemach  Aronus  wenle  sich  und  verrele  sich  voun  ireu  äugen, 

also   gemach  viel   er   auch   usz   irem   hertzen.     wan  schon    und 

zirheit  dieser  dirnen  was  erkant  und  ofl'enbar  worden  der  ganczeu 

36  Stadt,  darumb  in  abwesen  irs  maus  was  teglichen  menige  der 
jungling  vor  irem  husz,  ir  zu  einer  reitzung,  mit  singen,  klingen, 
mancherley  spil,  zu  fusz  und  zu  rosz.  tag  und  nacht  da  hol- 
firten  sie.  sie  hielt  sich  also  zuchtig  und  wiszlich  in  irem  husz, 
das  sie  vonn  keinem  ward  gesehen,    ydoch  sach  sie  by  der  wile 

30  durch  einen  spald  der  venster  wesz  sie  begunden,  also  doch  sie 
von  inen  nit  wart  gemercket  noch  gesehen,  da  sach  sie  die 
lustigen,  geilen  jungliug  und  gerad,  stoltz  knaben  singen,  suUzen, 
und  alle  wise  und  geberde  der  liebe  merckt  sie  an  ine  und  ward 
nun  off  staczken  in  iren  mutt.    hitzig  tuwer  der  liebe ,  innerlich 

35  (92'')  in  irem  gebeynde  und  marck  verslossen,  zwang  sie  und 
drang    sie    zusameu.     yedoch   mocht    sie   des    luwer   lenger   by 

1   han  fehlt,    das  habich    empfangen  AvEyb.  5  valterland. 

12  geschwinschten.  25  leglicliem.  33  lies   und  ward   nun   ull"  sie 

strecken  iren  mutt?    vgl.  334,  7.  36  lies  das  fuwer. 


1  MARINA  333 

einander  nit  behalden,  sunder  es  nam  iiberhandt  und  ward 
lunckeln  und  flammen  recht  als  dorre  holtzlin  jjy  fuer,  das  nit 
ist  bedecket  mit  esche.  Marina  ward  vervvurcket  und  bekom- 
men mit  vil  sorg  der  lieb  statt  und  zyt  halb,  sie  wasz  allein 
in  irem  husz  mit  einer  magl  und  gar  ane  hül.  darumb  vermerckt  5 
sie  beqwemlicheit  der  statt  und  der  zytt.  dar  nach  müssiggeen, 
jugent  und  emssig  gedechtnisse  der  lieb  mereten  in  ir  flammen 
der  begirde.  beqwemlicheit  der  ubeltal  statt  und  zyt  halben 
macht  sie  gehertzt  und  kiine.  also  hüb  sich  in  ir  ein  mechtiger 
kämpf  und  zweytrag  der  lieb  und  der  kuscheit,  ja  woU  ein  10 
groszer  krieg,  wan  aber  in  diesem  kampl  beqwemlicheit  und 
lug  zyt  und  stat  halben  wird  gezogen  zu  einem  gezugen,  so 
vellet  das  urteill  uff  die  kuscheit,  also  das  sie  unrecht  gewynnet. 
also  wart  das  frolich  hertze  inn  zwivel  lang  zit  gepiuet  (92'')  und 
betrübet,  zum  leisten  viel  ir  inn  das  gelubde,  das  sie  hett  ge-  15 
tan  irem  manne  Arono,  und  bedacht  nun  die  grosz  wiszheit  ires 
mans,  do  er  hett  gesprochen,  es  were  unmiiglich,  das  sie  sich 
mocht  in  kuscheit  und  ane  mau  in  sinem  abwesen  enthalden. 
sie  sprach:  volg  wir  rat  unsers  mannes  in  dem  das  er  mir  hat 
laub  gegeben  oder  erleubt  hat  und  ich  bann  ime  das  geret  und  20 
verheissen  an  eids  stat  nit  anders  zu  thün  dann  nach  sinem  ratt. 
uu  kanstu  nit  irren  noch  schuldig  werden,  so  du  thust  nach 
formen  der  verheissung.  das  ist  die  forme:  ich  soll  keinen 
buben  oder  unstetten ,  üppigen  swetzer  oder  lecker  erkiesen, 
sunder  einen  der  da  ist  klug  und  wise.  also  wird  ich  thiiu.  in  25 
dem  bin  ich  dannoch  mym  man  gehorsam,  ist  einer  jung,  so 
mag  er  doch  einem  alten  by  der  wile  in  wiszheit  glich  sin. 

In  den  tagen  kam  für  ire  Ihür  Dagianus,  ein  jungling  er- 
farn  und  beweret  inn  geistlichen  und  keiserlichen  rechten,  der 
lang  zyt  zu  Bononic  (93*)  inn  schfll  kunsten  und  züchten  sich  30 
gei'ibet  bette,  also  fast  das  er  inn  der  stat  eines  treffenlicheu 
mannes  namen  und  leumut  bette  überkommen ,  also  das  er  vonn 
allen  burgern  und  groszen  der  stat  und  des  lants  hochgeschelzt 
und  geacht  was.    dieser  Dagianus  bette  deglich  gescheft  uff  dem 

15  das  gel.]   die   auf  i'asur.  19  lies  dem  rat?  aber  auch  so  kaum 

richtig  überliefert.  20  laub  von  gleicher  haiid   geschrieben    über  rot 

ausgestrichenes    1  .  .  b.  23  forme,    fofiüe.  27  einen  a.  28  Da- 

gianus:  334,21  und  von  335,  17  an  immer  Dagrhnus.    bei  Eyb  und  H Sachs 
Dagmanus.  33  groszer.  34  geschetz. 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  23 


334  DEUTSCHE  PROSA^OVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

marckte,  und  ging  ein  weg  in  sin  husz  von  der  thiir  Marine, 
den  er  alle  zylte  geen  müst.  Marina  sach  ine  deglich  durch  ein 
spalten  des  fensters  vor  ir  thiir  geen  und  merckt  an  ime  jugent, 
schon,  slerck  und  geradigkeit.  sie  erkaut  in,  den  er  hett  einen 
5  tapfern  gang,  ein  ersame  kleid,  gutt  sitien  undwandel,  und  als 
sie  ine  helle  ytzund  lang  gehört  riimen  ein  treffelichen  wysen 
man ,  davon  wart  sie  gantz  hegirde  irs  herczen  uff  ine  strecken. 
wie  sie  aber  das  anfing  und  zu  brecht,  handelt  sie  stell  tag  und 
nacht  mit  flisz  irer  sinnen  und  nam  war  der  stund  und  zytt,  die 

10  er  pflag  zu  geen  vor  ir  husz.  da  was  sie  allzil  bereyt,  das  sie 
stnndt  an  dem  laden  mit  frolichem  angesicht,  mit  aller  wiplicher 
zierung  bereit  und  uff  gemutzet,  sin  zu  beyten  und  zu  (93^) 
warten,  das  del  sie  darumb,  wau  er  sie  ansichtig  wurde,  das 
er  wurd  gefangen  in  lieb  gegen  ir,  so  er  sehe  zeichen  und  er- 

15  zeigung  der  lieb,  aber  sie  schafl't  gancz  nit  damit,  wan  der 
knab  was  dapfer  und  swer  inn  sineni  gang  und  verhüt  siner 
äugen ,  also  das  er  nit  sähe  noch  woll  sehen  au  den  laden  wo 
sie  sesz. 

Also  vergingen  vil  lag,  das  das  freuwelin  mercket,   das  sie 

20  gancze  wer  beraubet  irer  begirde  und  alles  vergeben  were.  eins 
tags  wart  Marina  gancz  uogedultig  der  lieb,  do  sie  sähe  Dagria- 
num  her  gan  von  irem  husz,  wan  sie  vor  inbrunstiger  liebe  nichts 
mocht  geschaffen,  sie  rieff  irer  magt  Anlhonia  und  sprach  zu 
ir  'gee  hin  und  volg  nach  dem  knaben ,  in  welch  husz  er  gang, 

25  und  sprich  zu  ime,  Marina,  Aronis  huszfrau,  hab  dich  geschickt 
zu  ime  und  bitl  ine  sere  und  vasl,  das  er  Ihu  ein  gang  zu  ir 
umb  trefflich  und  herte  sach  die  ir  anlegen,  das  er  das  thu  uu- 
verzoglich  ane  alles  hindernisse.  wirt  er  fragen,  was  der  sach 
sy,  sprich,  du  wissest  daz  nit,  (94*)  aber  er  werd  es  innen  als 

30  bald  er  zu  mir  komme,  und  zeug  ime  das  husz  und  stat  miner 
wonung.'  die  dirn  was  gehorsam  irer  frau,  wen  sie  ging  da 
sie  ine  fant  sitzen  über  disch  by  sinen  frunden  in  der  wirtschalt 
und  warb  ir  botschafl  uberlut,  das  allr  meniglich  bort.  Dagiauus 
hett  Aronum  und  sin  huszfrau  vor  lang  zit  woll  erkant,  wie  woll 

35  er  des   freulins   kein   kuutschaft  halt,     auch  wist  er  woll,   das 
1  und  fehlt,    lies  vor?         4  in  l'eldt.         5  ersaine.        9  nacht  fehll. 
ires.  13  das  erste  sie   l'ehll.  Iti  swer   voi-ne/an,    würdevoll. 

23  Anlhonia,  bei  Eyb  tingenannt,  bei  HSaclis  Silpha,  an  deren  stelle  aber 
später   der   narr  Jockle   trat,  s.  Keller  13,93.  25  Aronis,    so  auch 

335,  35.         28  aller.        33  Dagyan'  aus  Dagi'ian'  corrigicrt. 


I  MARINA  335 

Aronus  nit  zu  land  was.  darumb  wenet  er,  das  Ireulin  hett  ime 
geruffen,  das  sie  villicht  mit  yemants  in  krieg  oder  zweytrag 
wer,  darumb  er  ir  soll  das  wort  thiin  an  gericht,  als  er  auch 
andern  luten  by  der  wile  pflag  zu  thün,  wan  er  gebelten  ward, 
darumb  sprach  er  zu  der  magt  'gee  und  sprich  zu  diner  Irauwen,  5 
ich  wol  kommen  als  bald  ich  gessen  hab'.  es  vermerket  auch 
keiner  anders  dann  es  solich  sach  wer  under  allen,  die  mit  ime 
über  tisch  saszeu.  die  magt  ging  und  sagt  das  widder  irer 
Irauwen.  das  Ireuwelin  vonn  rechten  Ireuden  ward  als  tro ,  das 
sie  recht  erzittert,  sie  wenet  nit  anders,  er  hett  verstanden,  lo 
warumb  er  beschickt  (94"^)  wer.  sie  ging  in  ir  slaffkamer  und 
bereit  ir  bette  mit  köstlichen  decken  und  küssen  und  umbhing 
das  mit  schonen  tuchern  und  zirdt  sich  mit  aller  zirheit  als  sie 
vermocht,  wie  wol  sie  an  ir  selbs  schon  und  hübsch  was,  das 
nichts  dar  über  was,  und  wie  wol  ein  dein  zytte  was  vergangen,  15 
yedoch  want  sie,  es  wer  ein  lang  will,  als  ungedullig  was  sie 
zu  beyleii.  nicht  laug  kam  Dagrianus.  da  sie  sin  ansichtig  ward 
an  dem  weg,  ward  sie  gancz  innerlichen  tro  und  gab  sich  gantz 
uff  das  bette,  wie  sie  das  köstlich  bereit,  die  wil  wart  sin  An- 
Ihonia  under  der  thur  und  öffnet  ime  die  thur,  also  das  sin  20 
koecht  her  uszen  beliben.  do  kam  Marina  ime  engegen  und 
empfing  ine  mit  allen  eren  und  züchten  und  bot  ime  ir  weichen 
hendelin  und  sprach  'ich  wil  uch  tur  gan  denn  weg  wysen.' 
Dagrianus  verwondert  sich  semlicher  gestalt  und  schone  der 
frauwen,  das  er  recht  erschrack  und  volgt  ir  nach  an  das  bett,  25 
das  sie  zirlich  und  hochzitlich  hett  bereitet,  do  satzt  sie  sich 
nyder  vor  das  bett  und  hiesz  (95*)  ine  neben  sie  sitzen,  das 
det  do  Dagrianus.  do  sassen  sie  by  dem  bett  allein  in  verslossen 
thorn.  Dagrianus  verwundert  sich  über  des  IreuHns  und  über 
ander  umbstend.  sie  flammet  recht  in  furiger  liebe  die  sie  zu  30 
ime  hett,  also  das  sie  verstummet  gantz  und  etlwan  lang  nit 
redet,  do  liesz  sich  Dagrianus  ettwas  beduncken  und  hett  ein 
argwan.  doch  ting  sie  zuletst  an  und  sprach  'Dagriane,  du  wiser 
jungling,  ursach  darumb  ich  dich  hann  geheischen  soltu  ver- 
steen.  ich  wen,  du  habest  kuntschalt  myns  mannes  Aronis,  der  35 
do  ylzunt  umb  kouffmanschatz  und  gewerb  ist  gen  Allexandria 
und  hatt  mich  hie  gelaszen,  also  du  mich  hir  sehest,  ich  acht 
ine  fast  wise  und  klug,  do  er  erkant  mynn  jugent  und  hett 
10  tT  fehlt.         13  tucher.         17  nichll  nach,    sin  fehlt.        34  junling. 

23* 


336     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

vermerckt  myn  gelehenheit  und  wandel,  do  sprach  er,  ich  mocht 
mich  nit  in  sinem  ahwesen  ane  ein  andern  man  verüben,  da 
nont  ich  zu  der  zylte,  es  wer  unmüglich.  aber  itzunt  halt  ich 
ganlz  lur  war,   wan   myn  jugent   und   natur  heischet  (OS**)  das. 

5  auch  mag  ich  die  lang  zyt  nit  allein  also  vertriben ,  glicher  wise 
die  schonen  blummen  Ihund  des  glentzen.  die  giessend  usz  iren 
suszen  gesmack  zu  rechter  zyt  von  ine  selber,  aber  wann  sie 
wurden  verhindert,  so  dorren  sie  und  werden  welck.  also  hat 
mich   min   man   auch   geschelzet.     er  meint,   das  er   nit  Irolich 

10  mocht  werden,  ich  verhiesz  ime  dan,  wer  es  das  mich  solichs 
wurd  anfechten,  das  ich  mir  erweit  ein  jungling,  der  wysz  und 
der  sacli  verswigen  wer.  nu  han  ich  dich  under  allen  in  dieser 
statt  erkant  und  vermerckt  also  den  aller  beqvvemsten.  ich  holF, 
du  sollest  mich  nit  versmehen.     wie  ich  bin,   also  sichstu  mich 

15  ytzund.  wiltu,  so  magstu  myns  mannes  stat  verwesen,  wan  du 
will,  gancz  gib  ich  mich  dir.  wir  sin  einig  by  einander,  es 
vveisz  niemants  dan  du  und  ich.' 

Do  Dagrianus   also    durch   semlich   rede   des   Ireulins   ward 
überkommen,  nam  er  ir  haut  und  erzeigt  sich  Irolich  und  hub 

20  an  diese  schone  geblümte  wort  und  sprach  also  'o  woU  mir  des 
gewonschten  (96^)  tags ,  des  glichen  ich  alle  zit  begert  und  ge- 
hofft habe!  grosser  gluck  ist  mir  nie  bekommen,  wann  an  diesem 
lag  hüt  hastu  mich  den  aller  seligsten  gemacht!  o  du  aller  süste 
Marina,  ich  bedenck,  das  wir  vill  manchen  beheglichen  und  Iro- 

25  liehen  tag  mit  einander  begeen  werden,  und  soll  doch  niemant 
vonn  uns  erlarn.  hut  bin  ich  der  aller  gluckseligest  mensch! 
ein  dingk  ist  das  do  uns  hindert  und  mag  doch  in  einer  kleinen 
zytt  gestillet  werden,  o  Marina,  du  machest,  das  ich  yetz  offene 
die  heimlicheit  myns  herczen.    dorumb  solt  du  dich  nit  verwon- 

30  dern,  ob  ich  yetz  zu  diesem  dinem  willen  nit  volende.  es  wer 
lang  zu  sagen,  doch  wil  ichs  verziehen  in  ein  bcqwemlich  zitt, 
und  ist  mir  nichts  swerer.  nym  war,  do  ich  wasz  zu  Bononie 
in  der  schäle,  do  ward  einer  zyt  ein  grosz  ufflaut  in  der  statt 
under  dem  gemeinen  volck,    und  ward   ich  mit  eltlichen  minen 

35  gesellen  begriffen  und  in  einen  kercker  gelegt,  als  wer  ich  ein 
ursach  des  ulTlauffs.  do  Ibrcht  ich  verterblicheit  myns  (96'')  libs, 
so   ich  doch  der   sach  gancz   unschuldig  was.     do  verhiesz    und 

1  gelehenheit  =  gelegenheit,  2S  offent.         30  lies  ob  ich  yetzu 

diesen  dinen  w.  n.  volende? 


I  MARINA  337 

glopt  ich  mit  guttem  willen  und  lutern  hertzen  got  dem  almech- 
tigen,  der  da  wol  erkant  min  uDschult,  wer  es  sach,  das  ich 
gesunt  und  unverletzet  kern  vonn  der  gelencknisse  heim  zu 
mynen  Irunden,  ich  wolt  ein  gancz  jare  nit  mer  wann  einer 
spise  uff  ein  stunde  des  tages  gebruchen,  das  ist  brot  und  wasser.  5 
die  glubde  hann  ich  also  bisz  herre  volbracht  uff  wenig  tag  und 
hau  da  by  min  lip  rein  und  kusch  versichert,  herumb  bitt  ich 
dich,  du  lieb  Marina,  du  wollest  keinen  andrn  erkiesen  wan  mich, 
und  lasz  dir  die  wenig  tag  nit  swer  und  verdriszHch  sin,  bisz 
das  ich  das  jar  miner  glubde  ertolle,  ich  rechen  und  ziel  alle  10 
die  tag,  wie  lang  ich  noch  hau  zu  dem  end,  und  mag  ich  der 
tag  nit  gekurtzen,  es  wer  dann  yemands,  der  dieser  tag  ein  teil 
nemme  und  sie  mit  solchen  tasten  behiit.  wann  da  mit  das  ein 
ander  von  mynen  wegen  thett,  so  hofft  ich  woll  da  mit  bezalen 
und  mich  entbinden  (97*)  als  ich  selber,  nun  hett  ich  grossen  \b 
zwivel,  wem  ich  diesz  hilff  entpQlhe.  das  ich  icht  worde  be- 
trogen, hab  ich  das  gancz  jar  uff  mich  allein  genommen,  dwile 
aber  thu  nun  zft  mir  solchen  getruwen  und  so  grosz  lieb  hast 
emplangen,  als  ich  nun  an  dir  mercken  und  warlich  erkenne, 
so  setze  ich  minen  getruwen  uff  dich  allein,  das  ich  doch  wolt  20 
thün  noch  brudern  noch  trunden,  also  das  ich  die  uberigen  tag 
miner  last  mit  dir  will  teilen  als  terr  du  mir  ane  betruglickeit 
will  globen  zu  lasten,  als  ich  gesagt  habe,  wann  ich  bin  als 
last  zu  dinem  werck  oder  geschickt  bewegt  und  begirhchen  ge- 
neiget, das  mich  die  sechzig  uberigen  tag  sere  besvvern  dann  2b 
das  ander  teil  des  ganczen  jars.  ist  dir  nun  zu  sin,  das  wir 
die  zyt  kurtzen,  so  nym  zu  dir  die  drissig  tag  und  halt  die  in 
ghcher  masze  mit  tasten  als  ich.  wan  das  geschieht,  so  werd 
wir  in  groszen  treuden  uns  gebruchung  unser  liebe  ergeizen, 
du  globest  mir  das  nit  anders  zu  halten  uff  das,  das  ich  (97'')  30 
der  lieb  die  du  gen  mir  erzeigst  betrulich  sy.  es  sin  kurcze 
tag  und  schir  vergangen,  wiltu  es  thun,  so  verjehe.'  dem 
freulin  thelt  die  lang  zytt  we.  do  sie  aber  hört  die  suszen  wort, 
hoffet  sie,  die  tag  solten  ir  kurcze  vergeen.  das  macht  unge- 
stummigkeit  der  mechtigen  lieb,  mit  triem  Irolichen  gemut  ge-  35 
redt  sie  ime  das  also  zu  halten  und  sprach  'die  strengkeit  der 
fast  ein  solch  lang  zyt  betrübt  mich  gar  sere,    yedoch  so  vellet 

6  die  auf  rasnr.  9  dir  fehlt.  14  woll]  wolt.  18  thu 

=  du.  25  sere  =  serre  coOT/zörafü'.  29  uns]  vnnd.  31  der]  die. 


^38  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

ein  tag  bald  uach  dem  andern,  ich  lasz  da  by  blibeu  als  lerre 
das  wir  hernoch  dester  wonsamer  werden.'  Dagrianus  sprach  in 
inie  selber  'nun  hastu  uberwondeu.  —  ich  müsz  diesen  weg  alle 
tag  geen  uff  den  marckt.    ich  wil  dich  teglich  besehen  in  dinem 

5  husze,  ob  du  dem  also  nachkommest'  und  schied  also  von  ir 
und  ging  mit  sinen  knechten  widder  in  sin  husze. 

So  belib  die  liebe  Marina  allein  und  gedacht  in  ir  aller  der 
wort,  die  sie  betten  geredl  mit  einander,  und  die  grosz  leuge 
der  drissig  tag  bedacht  sie  mit  grosser  andacht   und  hinder  ge- 

10  dacht  sie  und  beslosz  in  ir,  sie  wolt  nit  ee  nemen  wasser  und 
brott  dann  nach  undergang  der  sonnen,  den  (98")  audrn  tag 
kam  Dagrianus  gegangen  inn  ir  husz,  wann  sie  hette  ine  hitz- 
lichen lieb,  nach  vill  langem  suszen  gekose  sprach  Dagrianus 
'belibstu  mir  vasten  als  du  mir  gerett  hast?'   sprach    sie  'ja  ich 

15  irilich  ane  alles  betrugen.'  do  sprach  er  also  'du  min  aller  suste 
Marina,  wir  wollen  der  wenig  tag  bald  ein  ende  machen.'  also 
ging  er  vonn  ir.  das  freulin  hilt  ir  last  getrülich  und  gaucze 
ane  alle  beswerung  umb  trost  wil  der  liebe,  der  sie  hofft  an 
dem  ende,    do  sie  bette  gelast  sieben  tag,  do  begunde  in  ir  die 

20  naturlich  hitz  abnemmen.  als  sie  vormals  in  dem  husze  ging 
in  einem  dunen  lynen  gewand,  must  sie  yetzund  sich  gebruchen 
winterwate  und  mocht  dannach  darin  nit  erwarmen,  sie  ver- 
stünde doch  nit  die  ursach  und  list  Dagriani.  der  iunlzehent 
lag    nahet  sich,     das  freulin  mocht  kom  geen   über  denn   oren. 

25  Antonia  ir  magl  verkundt  ir,  Dagrianus  wer  kommen  in  das 
husz.  do  sie  das  bort,  wart  sie  durch  liebe  widder  woll  bald 
gesterckt,  als  ob  ir  nichts  gebreste,  und  lieff  ime  bald  engegen. 
da  sprach  Dagrianus  'wie  ist  din  antzlitz?  wie  hastu  ein  solchen 
gang?   ich  weisz  lurware   du    forchtest   das  tasten,     o   min    lieb 

30  Marina,  hut  sin  wir  kommen  über  die  halb  zit.  ich  bitt  dich, 
bisz  steet  und  überwinde  die  din  natur,  das  du  mir  iclil  dar 
nu  bruchtig  (98''j  werdest.  es  sin  noch  hie  vor  funizehen 
kurtzer  lag,  die  wollen  wir  in  Ireuden  und  wonsamer  herlicheit 
vollenden.'    mit  semlichen  Worten  erweichet  er,  mit  solchen  senilen 

35  reden  trost  er  und  gab  ein  mül  der  trauwen.  do  sie  nun  hell  vol- 
bracht  den  sechs  und  zwentzigsten  tag  und  hell  nu  verlorn  ir 
lebende  l'arb  ir  antzlitz  und  gar  vergessen  alles  bösen  willen  un- 

18  wil  am  zeüensclduss ,    vielleicht    willen.  20  sie]  die. 

23  funflzehtn.  31  die]  den.  35  j-or  und:   v.  36  den]  des. 


I  MARINA  339 

kuscher,  fleisclichen  begirde,  lag  sie  an  irem  bette  und  hett 
nit  mer  als  vast  hitz  der  lieb  als  vormals  und  begund  zu  wegen 
die  grosz  list,  die  Dagrianus  mit  ir  hett  begangen,  und  ward 
erkennen  wie  ein  wiszlich  wercke  daz  wer,  das  er  durch  ent- 
zihung  liplicher  spise  alle  wolluste  irs  libs  hett  verleschet.  da  5 
nun  an  ein  den  leisten  tag  Dagrianus  kam  sie  zu  besehen ,  hiesz 
sie  ine  zu  ir  kommen  an  daz  bette,  da  er  sie  sähe  dort  ligen, 
sprach  er  also  'ach  min  aller  liebste ,  ist  das  das  gewonlich  tro- 
lich  angesicht,  das  du  mir  vor  hin  hast  gezeiget?  es  ist  noch 
ein  einger  kurtzer  tag.'  do  verbrach  sie  ime  die  senfle  smeichen-  10 
rede  und  sprach  'du  hast  mich  lieb  gehabt  in  rechter  volkommen 
liebe,  nit  in  snoder  unerlicher  liebe,  als  ich  unselig  hett  fur- 
genommen.  ich  will  nun  dich  fort  mer  haben  lieb  und  den 
allerliebsten,  du  bist,  der  do  mich  hatt  gelert  halten  min 
kuscheit,  min  ere,  min  leumut,  myns  lieben  (99^)  huszwirts  und  15 
aller  miner  Irunde.  mir  genügt,  das  ich  bin  gehorsam  gewest 
des  wisen,  uff  das  ich  erweite  ein  wisen,  wan  wiszheit  straffet 
alleweg  die  unwyszheit.  gee  selig  und  ymmer  mer  gesunt,  du 
aller  klügster  jungling,  wen  ich  noch  min  huszwirt  noch  alle 
die  minen  vermögen  dir  umb  ein  sulch  ding  nymmer  mer  vol-  20 
dancken.'  do  nun  Dagrianus  sach,  das  er  bei  volbracht  des  er 
begerl,  do  freget  er  an  und  vermanet  sie  mit  suszen  worten 
und  straft  und  lernet  sie  und  verliesz  sie  also  getroszt,  als  er  ir 
vviplich  eelich  kuscheit  mitt  fasten  und  enthalduog  bette  behalden. 

6  an  ein  den  letsten  tag  dh.  am  vorletzten  tage,  i'g/.  10.  7  sähe 
er  sie.  9  das]  da.  13  dich  fehlt.         17  lies  des  wjsen  rate? 

24  nach  behaldenn:    Deo  gracias.  \    ky,u\r,    '€■  unijiii 

Vorstehender  text  ist  dem  cod.  Palat.  germ.  119  entnommen, 
der  zuletzt  und  am  eingehendsten  von  Kinzel  Der  Junker  und  der 
treue  Heinrich  s.  IQf  besprochen  wurde. ^  er  enthält  die  1.  2  und 
3  translation  des  Niclas  von  Wyle,  denen  fol.  84 — 99*  die  Marina 
unter  dem  titel  hystoria  voun  einem  Hieben  kaüffmanu  folgt,  als 
5  stück  findet   sich  Steinhöwels   (nicht  NvWyles,   loie  Kinzel  ver- 

'  die  hs.  mit  1 78  (nicht  1 83)  blättern  ist  ein  schöner  lederband  aus 
der  Sammlung  des  pfalzgrafen  Otto  Heinrich ,  dessen  in  gold  gepresstes 
hildnis  oben  die  initialen  0.  H.,  unten  P.  C.  und  die  Jahreszahl  IböS  trägt, 
ich  durfte  die  lis.  hier  in  Tiibijigen  rnit  mufse  benutzen  und  spreche  auch 
auf  diesem  wege  nochmals  der  verehrt.  Heidelberger  bihliolheksverwaltung 
meinen  dank  für  ihr  gütiges  entgegenkommen  aus. 


340  DEUTSCHE  PROSANOVELLE>  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

mutete)  Griseldis,  als  6  die  vor  kurzem  aus  dieser  hs.  abgedruckte 
Historia  de  sancto  Gregorio  papa  (vgl.  Anz.x  192.  Zs.f.  deutsche  phil. 
1 6, 300. 381),  endlich  als  7  das  von  Kinzel  edierte  gedieht.  Niclas  von 
Wyle  spricht  in  der  ividmung  seiner  zweiten  translation  Guiscard  und 
Sigismonda  an  markgraf  Karl  von  Baden  von  einer  durch  ihn  ver- 
fassten  Übersetzung  der  Griseldis  nach  der  lat.  Übertragung  des  Pe- 
trarca (wie  dann  üwer  gnade  die  selben  history  nachmals  aber  von 
dem  latin  zu  tülsche  gebrach  von  mir  hat  gehöret)  und  fährt  dann 
(79,  l\ffj  fort:  sidher  ist  durch  den  hochgelerten  man  leonardum 
aretinum  vsser  dem  obgemelten  buch  (Griseldis  des  Boccaccio)  die 
histori  von  sigismunda  sagende  vnd  aber  von  aim  andern  gelerten 
die  histori  von  marina  lutend  ouch  zu  latin  gebracht  worden,  vnd 
wann  die  selben  hochgelerten  man  bedücht  hat,  sölich  historien 
der  arbait  wert  sin ,  daz  sy  zu  latinischer  zungen  gesetz  wurden, 
so  hab  ich  gemaint  sich  wol  gebüren  daz  die  von  dem  latin  zu 
tUtsche  ouch  gemacht  wurden  usw.  ich  glaube  mm  dass  mit 
rücksicht  hierauf  die  oben  zum  abdruck  gebrachte  Marina  dem 
Niclas  von  Wyle  zugeschrieben  werden  darf,  es  ist  dieselbe  dar- 
stellungsweise, der  er  sich  bei  seiner  widergabe  von  Eurialus  und 
Lucretia  und  Guiscard  und  Sigismonda  bedient  hat.  seine  latei- 
nische, auf  ein  italienisches  original  zurückgehende  vorläge  ist  die- 
selbe, die  auch  Albrecht  von  Eyb  für  seine  freiere,  inhaltlich  ge- 
kürzte (dise — histori  oder  label,  —  die  ich  auch  auff  das  kurtzt 
ausz  latein  in  deutsch  bringen  wil,  als  ich  denn  dises  püchlein 
ausz  latein  an  manchen  enden  genomen  und  geordnet  hab)  be- 
arbeitung  im  capitel  Wie  sich  ein  Irawe  halten  soll  in  abwesen 
ires  mannes  seines  Ehestandsbüchleins  benutzte  (vgl.  den  abdruck 
von  Eybs  Marina  in  den  Beiträgen  zur  geschichte  der  teutschen 
Sprache  und  nationallilteratur  1  (London  Uli),  s.  135 — 159  wnrf 
vdllagens  Germania  9,  239  ff),  doch  ist  es  auch  mir  trotz  vielem 
suchen  nicht  gehingen,  die  lateinische  quelle  ausfündig  zu  machen, 
über  sonstige  behandlungen  dieses  novellensloffes  und  zwar  im 
anschluss  an  Goethes  erzählung  vom  klugen  procurator  (Hempel 
16,  65 //y  vgl.  Guhrauer  in  den  Wiener  Jahrbüchern  der  litteratur 
bd.  116  (1846),  anzeigeblatt  s.  80/"  und  Düntzer  im  Archiv  f. 
d.  Studium  der  neueren  sprachen  und  litteraturen  3  (1847),  215  ff 
=  Studien  zu  Goethes  werken  1849  s.  27  ff.  nach  Eyb  erzählte 
wider,  wie  Düntzer  nachgewiesen  hat,  der  unbekannte  Verfasser 
des  Speculum  exemplorum.  (erster  druck  1481,  distinctio  10  cap.  14 


I  MARINA  341 

Quomodo  feraina  de  adulterio  gravissime  teniptata  abstineiitie  re- 
medio  liberalur;  in  der  später  als  Magtium  speculum  exemplorum 
(1605  gedruckt)  von  Johannes  Major  veranstalteten  alphabetischen 
umordnmig  nuter  dem  titel  nr  15  De  abstinentia)  mit  der  beson- 
deren berufnng  legi  aliquando  in  iheutonicali  libro,  und  auch 
Hans  Sadis  hat  seine  1556  verfasste  Comedia  Die  schön  Marina 
mit  dem  doctor  Dagmano  (Keller  und  Götze  13,  84  ff)  nach  Eybs 
geschichte  bearbeitet. 

Aus  dem  oben  gedruckten ,  von  einem  md.  Schreiber  her- 
rührenden (Kinzel  aao.  s.  26)  texte  merke  ich  betreffs  des  Wort- 
schatzes folgendes  an,  gleichzeitig  mit  rücksicht  auf  die  alters- 
bestimmung  nhd.  wort  formen^:  abscheit  332,  21.  abvvesen  332,  25. 
333,  18.  336,  2.  *antzlilz  327,  20.  331,  4.  338,  28.  37.  *behebig 
enthaltsam  330,14.  bequeme,  beqwemlich  327,  26.  329,  10.  336, 
13.  31.  beqwemlicheit  333,  G  ff  (vgl.  Transl.  ed.  Keller  60,  30). 
betrüglicheit  332, 18.  337,22.  *betrulich  337,31  (NvWyle  liebt  bil- 
dungen  mit  berbeaügig  56,  5.  58,  32  uo.  bezügniisz  178,  13).  be- 
weruog331,17.  bilduog  327,19.  bruchtig  338, 32  (bruchig  Trans?. 
26,  9).  *bukel(l)e  schw.  328,  7  (s.  Lexer  2,  305  piikel).  dinstber- 
keit  332, 14.  dwile  328, 24.  337, 17  (sehr  oft  in  den  Transl.).  ein- 
hellig 327,  29  (ainhellikait  Transl.  195,  1).  erzittern  331,  16. 
335,  10.  gebeynde  332,  35.  gebruchung  337,  29.  geburlicheit 
327,33  (Transl.  108,38.  111,38.  119,27.  146,21).  sie  ge- 
hingen ime  des  zu  327,11.  gekose  338,  13.  genczlicheit  328, 
19.  331, 26.  gerade  330,  21.  332,  32.  geradigkeit  334,  4  (Transl. 
17,  26).  gereden  versprechen,  geloben  330,  30.  333,  20.  337,  35  f 
338,14.  geschickt  337,  24.  glenlze  schw.  frühling  dZQ,  6.  gluck- 
selig 336,26.  gnügsamkeit  328,5  (Transl.  93,  14.  155,  20.  vgl. 
212,  30/").  grüselich  331,  19  (Transl.  38,  28.  148,  16.  259,  6). 
hantirung  326,  3.  328,  37.  329,  24.  hinder  gedenken  338,  9/" 
(vgl.  VWB  4,  2,  1499).  hitzigen  verb  330,  13.  huselich  329,  1 
(Transl.  151,  2.  287,  23).  husung  327,  4.  hutterin  330,  10. 
332,  14.      indechtig  332,  15.      laub   erlaubnis  333,  20  (DWB  6, 

*  beiläufig  sei  bemerkt  dass  des  Niclas  von  ff  yle  Translationen  von 
Lexer  nickt  berücksichtigt  sind,  was  bei  einem  jnhd.  wh.  selbstverständ- 
lich sein  könnte;  doch  hat  Lexer  gelegefitlich  andere  denkmäler  des 
15  Jhs.  lierarigezogen.  das  Dff'B  sollte  aber  auf  jeden  fall  mehr  belege 
aus  Nvffljle  bringen,  schriftsteiler  wie  Nvff'yle,  Steinhöivel ,  JvEyb 
bieten  vielfach  die  ältesten  belege  nhd.  wortformen  und  Wortbedeutungen 
(vgl.  auch  JGrimm  im  D ff  ß  \,wi\t). 


842  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

287).  lute  328,7.  mit  nicht  330,4.  24.  müssiggeen  328,12. 
333,  6.  uff  gemutzet  334,  12  (Lexer  1,  2261).  oren  hans- 
flnr  338,  24.    reilzuog  332, 26.    smeichenrede  339, 10.    slaczken  ? 

332,  35  lesarten.  swer  334,  16  lesarten.  truwrikeit  326,  17  iind 
iruvvern  329,  25  auffallende  Schreibung  für  trurikeit  und  truren. 
*übermenig  325,  1.  uffheben  suhst.  330,  18.  umbstend  335,  30. 
uugestummigkeil  337,  34  f  (Transl  62,  27.  63,  38.  64,  7.  104, 
34).  unmilliglich  331,  11.  unordelich  327,  22  (Transl.  3,  14  f). 
verbontnisse  326,  34.  verheissung  333,  23.  verhüten  c.  gen. 
(siner  äugen)  334,  16.  sich  verüben  =  bleiben  336,  2.  verlerb- 
lichkeit  326,  23.  336,  36.  flammen  verb  333,  2.  335,  30.  vol- 
dancken  339,20/'.  frolocken  328,10.  lunckeln  333,2.  wan 
warumb?  328,  20.  330,  24  (vgl.  Transl.  11,  2).  *wiuterwat 
338,  22.     zierung  334,  12.     zweytrag   (=  zweytracht   327,  29) 

333,  10.  335,  2.  die  arta^  leyö^eva  habe  ich  durch  *  kennt- 
lich gemacht. 

Tübingen,  den  4  augnst  1884.  PHILIPP  STRAUCH. 


ARATOR  UND  PRUDENTIUS  ALS  VORBILDER 
OTFRIDS. 

Aufser  der  an  könig  Ludwig  gerichteten  dedication  und  der 
lateinischen  vorrede  hat  bekanntlich  Otfrid  noch  zwei  weitere 
Widmungen  vertasst,  von  denen  er  die  eine,  an  den  bischol  Sa- 
lomo,  vor  das  erste  buch,  die  andere,  an  die  mönche  Hartmut 
und  VVerinbert,  hinter  das  liinfte  buch  gestellt  hat.  dass  jene 
ersten  beiden  zuschritten  nach  schluss  des  ganzen  Werkes  ver- 
lasst  sind,  darüber  ist  man  nie  im  zweilel  gewesen,  wol  aber 
gelangte  man  in  betreff  der  abiassungszeit  der  beiden  anderen 
noch  nicht  zu  einer  allgemein  gebilligten  ansieht.  Lachmann 
sprach  die  meinung  aus,  dass  die  zuschritt  an  die  münche  ein 
begleitscbreiben  zum  ersten  buche  gewesen  sei,  welches  0.  trüber 
vollendet  und  abgeschickt  habe;  dass  terner  die  widmung  an  Sa- 
lomo  zugleich  mit  dem  tüutten  buche  übersandt  sei,  welches 
cbentalls  zu  den  früher  abgeschlossenen  gehöre,  natürlich  meinte 
Lachmann  dies  aus  inneren  gründen  erschlielsen  zu  dürfen,  und 
CS  will  dagegen  nichts  besagen ,  wenn  Piper  die  tatsächliche  Stel- 
lung der  Widmungen  in  recht  äufserlicher  weise  zu  dem  un)ge- 


ARATOR  UND  PRUDEMlüS  ALS  VORBILDER  OTFRIDS      343 

kehrten  Schlüsse  beuulzte.  Erdmann  hält  zwar  noch  daran  fest, 
dass  die  zuschrilt  an  Salomo  schon  vor  voilenduug  des  ganzen 
gedichtet  und  mit  abschnitten  des  tünlteu  buches  übersandt  sei, 
weicht  aber  in  betreff  der  anderen  widmung  von  Lachmann  ab, 
ohne  indes  selbst  eine  bestimmte  aüsicht  auszusprechen. 

Ich  war  schon  längst  der  ansieht,  dass  sämmlliche  Widmungen 
von  0.  erst  nach  abschluss  des  ganzen  Evangelicnbuches  ver- 
tasst  seien,  indem  ich  mich  dazu  durch  folgende  anklänge  be- 
stimmen liefs:  Hart.  77  thoh  riat  imo  io  druhtin  mit  sines  selbes 
mahtin  erinnert  an  Ludw.  23  riat  got  imo  ofto  in  notin  und  43 
riat  imo  io  gimtiato  selbo  druhtin  guato;  Hart.  93  in  Davides 
dati  nim  bilidi  zi  noti  an  Ludw.  37  in  imo  irhugg  ih  thrato  Da- 
vides selbes  dato  und  Hart.  166  mit  in  si  onh  mir  gimeini  thiu 
ewiniga  heili  an  Ludw.  5  themo  si  iamer  heili joh  salida  gimeini. 
also,  schloss  ich,  ist  die  Zuschrift  an  die  möuche  wie  die  an 
Ludwig  nach  schluss  des  ganzen  werkes  geschrieben,  in  der 
Zuschrift  an  Salomo  stimmt  v.  40  —  thar  thaz  gotes  ewiniga  jar 
ilberein  mit  Ludw.  92  —  thar  thin  ewinignn  gotes  jar;  sodann 
erinnert  Sal.  39  rihte  iwe  pedi  thara  frna  joh  mih  gifnage  tha- 
razua  an  Hart.  7  rihti  pedi  mine  thar  sin  thie  druta  thine,  und 
Sal.  42*  joh  due  nns  thaz  gimuati  an  Hart.  9''  dna  mir  thaz  gi- 
zami.  darum  setzte  ich  auch  die  zuschritt  an  Salomo  in  die 
letzte  zeit  und  liefs  mich  durch  Erdmanns  argumente  ex  silentio 
nicht  abschrecken;  man  darf  nicht  verlangen  dass  Otfrid  immer 
wider  dasselbe  sagt,  positives  lässt  sich  nicht  dagegen  anführen, 
eine  bestätigung  dieser  meiner  meinung  fand  ich  nun,  als  ich, 
bewogen  durch  die  erwähnung  Aralors  Liutb.  17  (in  Erdmanns 
grofser  ausgäbe),  dessen  werk  De  actibus  apostolorum  einsah, 
auch  diesem  sind  zwei  Widmungen  vorangeschickt,  eine  dritte 
ist  hinten  angehängt,  in  der  ersten  widmung  an  einen  Fiorianus 
abbas  heifst  es  v.  5  fl": 

ad  Carmen  concurre  meum  pedibnsque  labanti 
porrige  de  placido  saepe  favore  manum. 

ieiuno  sermone  quidem  sed  pinguia  gesta 
scripsimus  ac  pelagi  pondere  gutta  fliiit. 

intei-  grandiloquos  per  mille  volumina  libros 
10         maxima  cum  teneas  et  breviora  lege. 
23     ergo  gradnm  retinens  et  prisca  volumina  linquens 
cede  dies  operi,  quod  pia  causa  iuvet. 


344      ARATOn  UND  PRUDEMIUS  ALS  VORBILDER  OTFRIDS 

vielleicht  darf  mau  ua.  erinnern  an  Ludw.  87  themo  dihlon  ih 
thiz  buak,  oba  er  habet  iro  ruah  odo  er  thaz  giweizü,  thaz  er 
sa  hsan  heizit.  jedesfalls  ist  des  Aralor  brief  geschrieben,  als 
das  gedieht  lertig  vorlag,  der  zweite  brief  gilt  ^rimo  omnium 
sacerdotum  papae  Vigilio:   dort  lautet  v.  19  ff: 

versibus  ergo  canam,  quos  Lucas  rettulit  actus, 

historiamque  sequens  carmina  cera  loquar. 
alternis  reserabo  modis,   quod  littera  pandit, 

et  res  si  qua  mihi  mystica  corde  datur. 
metrica  vis  sacris  non  est  incognita  libris, 
psalterinni  lyrici  composuere  pedes  usw. 
auch  hier  möchte  ich  erinnern   an  Liutb.  24   interdum  spiritalia 
moraliaque   verba  penniscens   und    an   i   1,  29   ouh  selbun   buak 
froHO  irreinont   sie  so  scono.     deutlicher   stimmen   aber  folgende 
verse:   hoc  tibi,  magne  pater,  cum  defero  munus  amoris, 
respice,  quod  meritis  debita  solco  tuis; 
te  duce  Uro  legor,  te  dogmata  disco  magistro, 

si  quid  ab  ore  placet,  laus  monitoris  erit     überein   mit 
Sal.25  cheret  thaz  in  muate  bi  thia  zuhti  iu  zi  guate, 
joh  zellet  thaz  ana  wanc  al  in  iuweran  Ihanc. 
ofto  wirdit,  oba  guat  thes  mannes  jungero  gidnat, 
thaz  es  liwit  thrato  ther  zuhtari  guato. 
Auch  diesen  zweiten  brief  hat  Arator  nach  beendigung  seines 
Werkes  geschrieben ,  wie  die  zuletzt  angeführten  verse  unzweifel- 
haft zeigen:  hoc  tibi  cum  defero  munus  amoris — ,  meritis  debita 
solvo  tuis,   Worte,    welche   noch  zu  einer  stelle  aus  der  dritten 
epistel,   die  wir   gleich  anführen  werden,   stimmen,     es  spricht 
nicht  dagegen  dass  Arator  mit  den  futuris  canam,  loquar  die  zeit 
vor  dem  beginn  seines  Werkes  fingiert,    dass  nun  auch  die  dritte 
epistel  (an  einen  Partheniiis  magister  officiorum  atque  patricius) 
geschrieben   ist,    als   das  werk  bereits   fertig  vorlag,   zeigen  die 
verse:    constitui,  fateor,  si  quando  forte  mererer 
ingenii  fructus  ad  meliora  sequi, 
quo  te  cunque  loci  contingeret  esse,  mrorum 
maxime,  transmitti  quod  modularer  opus, 
iam  stimulat  promissa  dies,  ut  debita  tandem 

Cjontractusque  meos  solvere,  docte,  velim. 
Sume,  quod  ex  nitida  libavimus  aequore  Carmen 
et  licet  exiguas  suscipe  gratus  aquas. 


ARATOR  UND  PRUDENTILS  ALS  VORBILDER  OTFRIDS   345 

Es  wird  dadurch  wahrscheinlich  dass  auch  0.  alle  seine 
Widmungen,  wie  Aralor,  nach  beendigung  des  ganzen  Werkes 
verlasst  hat.  an  Arator  als  sein  vorbild  müssen  wir  darum  zu- 
nächst denken,  weil  0.  ihn  citiert,  sich  wahrscheinlich  remi- 
niscenzen  bei  ihm  finden,  und  die  eine  widmung  bei  beiden  am 
ende  des  werkes  steht,  sonst  ist  Arator  nicht  der  einzige  ge- 
wesen ,  der  so  verfuhr,  der  bekanntere  Ausonius  zb.  hat  auch 
drei  dedicalionsepisleln  an  die  spitze  seiner  gedichtsammlung 
gestellt,  eine  an  den  kaiser  Theodosius,  eine  zweite  an  einen 
Syagrius,  die  dritte  an  einen  schüler,  welche  beginnt  mit  dem 
Catullischen  verse  qnoi  dono  lepidnm  novtim  libellum?  auch  Auso- 
nius war  mit  dem  buche  iertig,  als  er  die  drei  Widmungen 
schrieb,  schliefslich  ist  die  zunächst  aultällige  anzahl  der  Wid- 
mungen leicht  zu  erklären,  es  waren  die  dedicationsepisteln  für 
die  exemplare  seines  werkes,  die  man  den  betreffenden  adressaten 
sandte;  man  nahm  aber  alle  Widmungen  in  jedes  exemplar  auf, 
damit  ein  jeder  sie  kennen  lerne.  0.  besonders  wollte  nicht 
umsonst  soviel  mühe  auf  seine  acrosticha  verwandt  haben. 

In  der  lateinischen  vorrede  nennt  0.  neben  Arator  auch  den 
Prudentius.  nun  hat  schon  Erdmann  (einl.  s.  67)  vermutet  dass 
0.  für  die  vierzeiligkeit  an  dem  Diptychon  des  Prudentius  ein 
Vorbild  haben  konnte,  das  ist  gewis  richtig,  wie  genau  0.  jene 
merkwürdige  dichtungsgattung  kannte  und  wie  er  sie  neben  der 
bibel  als  quelle  benutzte,  geht  zunächst  daraus  hervor  dass  er 
das  dritte  capitel  des  ersten  buches,  das  die  genealogie  Christi 
in  vierzeiligen  abschnitten  behandelt,  in  anlehnung  an  die  ersten 
diptycha  des  Prudentius,  welche  von  Adam  und  Eva,  von  der 
arche  des  Noah,  von  Abraham  immer  in  vier  hexametern  handeln, 
verfasste.  aber  auch  wo  er  in  längeren  capiteln  Vorgänge  aus 
dem  neuen  testament  erzählt,  hat  er  den  hieher  gehörigen  tetra- 
stichen  des  Prudentius  züge  entlehnt,  die  sich  in  der  biblischen 
vorläge  nicht  finden,  für  0.  i  12,  13  — 16  lässt  sich  aus  der 
bibel  als  quelle  nur  anführen  Luc.  2,  11  quia  natns  est  vobis 
hodie  Salvator,  qui  est  Christus  dominus  in  civitate  David,  lesen 
wir  aber  v.  15  in  Bethlem  —  thiue  kuninga  thie  warun  alle  tha- 
nana,  so  entnahm  0.  dies  aus  diptychon  xxvi:  Bethlem  — ,  quae 
'prolulit  Jesum  orbis  principium,  caput  ipsum  principiorum.  und 
wenn  v.  14  hervorgehoben  wird  theist  druhtin  Krist  guater  fon 
jungem  muater  wie  v.  16  sin  muater,  magad  sconiu,  so  fand  auch 


346   ARATOR  UND  PRUDENTIUS  ALS  VORBILDER  OTFRIDS 

dies  0.  bei  Prudenlius  xxvtii:  vis  lunwüs  angelici  natum  celebrans 
de  nirgine  Christum,  ferner  hat  0.  im  20  capitel  de  occisione 
infantium  eine  viel  ausführlichere  ijeschreibung,  als  die  bibel 
sie  bietet,  es  sind  hervorzuheben  v.  13  f  sie  zalatun  siu  io 
ubar  dag,  thar  iz  in  theru  wagnn  lag,  v.  IS  joh  zi  im  leidlusti 
nem  iz  fon  ther  brusti,  v.  1 1  thie  brusti  sie  in  ougtun,  thaz  fahs 
thana  ronftun,  v.  19  ira  ferah  bot  thaz  wip,  thaz  iz  muasi  haben 
lip,  wofür  0,  in  des  Prudenlius  diplychon  Occiduntur  infantes 
in  Bethlem  fand:  fumant  lacteolo  parvomm  sanguine  cunae  vul- 
neribusque  madent  calidis  pia  pectora  malrum.  man  darf  nun 
auch  noch  behaupten  dass  0.  i  5,  9  giang  er  in  thia  palinza, 
fand  sia  drurenta  nach  des  Prudenlius  werten  sedem  virgineam 
intrat  geschrieben  ist,  Luc.  i  28  steht  nur  ingressus  ad  eanu 
dann  wissen  wir  auch,  woher  0.  die  vier  verse  genommen  hat, 
welche  den  anfang  von  capitel  ni  6  bilden,  mit  v.  5  fuar  drnhtin 
inti  sine  ubar  einan  lantse  beginnt  die  Übersetzung  der  bibel 
abiit  Jesus  Irans  mare;  die  voraufgehenden  vier  verse: 
Thaz  ih  hiar  nu  zellu,  thaz  weiz  thiu  worolt  ellu, 

wuntar  filu  maraz  joh  thrato  seltsanaz, 
wio  Krist  nam  finf  leiba  joh  zwene  ßska  tharazua, 

fon  then  gab  follon  muases  finf  thusonton  mannes  — 
sind  nach  dem  diptychon  xxvii: 

Quinque  Deus  panes  fregit  piscesque  gemeUos, 

his  hominum  large  saturavit  milia  quinque  usw. 
gedichtet,  wie  0.  auch  am  schluss  seines  capitels  noch  gerade 
vier  verse  hat,  welche  von  der  speisung  der  vierlausend  handeln. 
—  gerade  für  solche  von  0.  öfter  als  aufschrilt  vorangeschickte 
oder  als  Unterschrift  beigefügte  vierzeilige  abschnitte  ist  das 
diplychon  recht  eigentlich  vorbild.  denn  auch  dieses  ist  oder 
soll  sein  eine  aufschrift  oder  Unterschrift  für  eine  plastische  oder 
malerische  darslellung  von  biblischen  Vorgängen.  Dressel ,  der 
neueste  herausgeber  des  Prudenlius,  bemerkt  dass  das  christliche 
niuseum  der  vaticanischen  bibliothek  nicht  wenige  marmorne  mo- 
numente  enthält,  denen  ähnlich,  welche  von  Prudenlius  beschrieben 
werden,  sicherlich  hat  auch  OtlVid  solche  gekannt  und  natürlich 
für  solche  Vorgänge,  die  er  besonders  anschaulich  schildert,  es 
ist  wol  keine  leuschung,  wenn  wir  die  verse  v  17,37  —  40: 
kapfetun  sie  lango,  icas  wuntar  sie  ihero  thingo, 

mit  hanton  oba  then  ongon,  thaz  baz  sie  mohlin  scowon; 


ARATOR  UND  PRUDENTIUS  ALS  VORBILDER  OTFRIDS   347 

sie  irluagatun  nan  kumo  zi  lungist  filu  rumo; 

thar  wolkono  obanentig  ist,  thar  sahun  sie  tian  nahist 
und  besonders  den  schönen  sinnlichen  zug,  dass  die  jünger  sich 
mit  der  hand  die  äugen  beschallen ,  um  von  dem  blendenden 
licht  nicht  am  schauen  behindert  zu  werden,  aul  eine  dem  dichter 
vorschwebende  bildliche  darstellung  zurückiühren ,  zumal  wenn 
wir  bedenken  dass  gerade  dieser  zug  bei  der  darstellung  der 
himmeliahrt  in  der  maierei  beliebt  ist. 

Es  will  mich  auch  bediinken  als  seien  die  worte  ii  22,  9 
sehet  these  fogala ,  thie  Mar  ßiagent  obana  nur  mit  hin  weis  aut 
eine  bildliche  darstellung  möglich,  unerlreulich  ist  es  freilich, 
wenn  gleich  v  20,  63  wider  steht:  hanlon  joh  onh  ougon  biginnent 
sie  nan  scowon,  und  somit  die  Vorstellung  nur  zur  lüUung  des 
Verses  verwandt  wird. 

Der  drille  christliche  dichter,  den  0.  in  dem  lateinischen 
Vorwort  nennt,  ist  Juvencus,  der  eine  Evangelica  hisloria  in  vier 
büchern  geschrieben  hat,  und  in  der  ersten  praefatio  in  je  zwei 
Versen  die  vier  evangelisten  characterisiert,  die  er  alle  benutzt 
hat.  vielleicht  war  er  dem  0.  vorbild  lür  dasjenige  verlähren, 
welches  er  Liulb.  28  ff  so  characterisiert:  scripsi  inter  quatuor 
evangelistas  incedem  medius,  ut  modo  quid  iste,  quidve  alius  cae- 
terique  scriberent,  inter  illos  ordinatim,  prout  potui,  penitus  pene 
dictavi.  im  einzelnen  wird  0.  den  Juvencus  nicht  stark  nach- 
geahmt haben,  da  dieser  mit  der  biblischen  vorläge  zu  frei 
schaltete,  wenn  0.  zb.  vom  Herodes  sagt  eities  kuninges,  joh 
harto  firdanes,  wo  in  der  bibel  nur  Herodis  regis  steht,  so  braucht 
er  bei  einer  so  geläufigen  Vorstellung  nicht  den  Juvencus  nach- 
geahmt zu  haben ,  dessen  worte  lauten  rex  fuit  Herodes  Indaea 
in  gente  cruentus,  ebenso  wenig  wie  ihn  zu  den  versen  i  4, 
19  —  20:  ingiang  er  tho  scioro,  goldo  garo  ziero, 
mit  zinseru  in  henti  thaz  hus  rouhenti 
der  vers  des  Juvencus  veranlasst  haben  muss:  sed  cum  sorte 
adytis  arisque  inferret  odores;  es  fand  sich  schon  in  der  bibe 
hora  incensi. 

Cöslin.  WALDEMAR  OLSEN. 


348  Em  SEGEN 


EIN    SEGEN. 

(53'')  Heute  kh  ns  ge,  min  engil  mit  myr  geyn,  dry  inyn 
iDoldyn ,  dry  mych  behalden ,  dry  mich  heschyrmyn ,  czobende  czn 
gutyr  herberge  breugyn:  das  myr  in  den  icogyn  gesze  keyn  (54') 
iüigenode,  daz  mich  keyn  wofen  vorsnide,  daz  y  gesmett  worde 
sint  der  heylige  crist  geborn  worde.  ab  is  mir  ns  den  minen 
loerde  gennmen,  daz  is  wedir  in  den  selben  seyn  knme ;  ab  is  mir 
wedir  xoerde  in  di  min,  daz  beide  steche  nnde  snide  durch  steyn 
durch  beyn.  dem  heyligen  cruce  zy  ich  bevoln ,  der  heylige  hymel- 
helder  zy  mir  obyn. 

Dieser  segen  (vgl.  dazu  MSD-  xlvii  3  und  s.  469  t,  besonders 
471  ff  den  segen  aus  Muri  nebst  seinen  parallelen;  zum  schluss 
vgl.  s.  283;  zu  dem  reim  wäge :  ungnäde  s.  472  v.  16  und  den 
5  vers  des  Weingarlner  reisesegens)  stellt  in  einer  bs.,  vvelcbe 
mir  kürzlich  von  hrn  landesarchivdirector  vZahn  geborgt  wurde, 
er  hatte  sie  vor  wenigen  wochen  aus  Friaul  mitgebracht,  wo  sie 
sich  im  besitze  des  don  Luigi  Pascoli,  plarrers  zu  Enemongo, 
Carnien,  befindet,  ich  lasse  eine  kurze  beschreibung  und  inbalts- 
angabe  folgen. 

Es  ist  eine  papierhs.  aus  der  2  hallte  des  14  jhs.,  11  cm. 
breit,  14  cm.  hoch,  56  blätter  (das  5^^  ausgeschnitten)  in  7  quater- 
nionen,  eingeschlagen  in  ein  blatt  Schweinsleder;  der  hinterdeckel 
ist  keilförmig  zugeschnitten ,  der  dreieckige  lortsatz  eingesäumt 
und  war  über  den  vorderdeckel  geschlagen ;  wahrscheinlich  sollte 
das  ganze  mittels  eines  (nicht  mehr  vorhandenen)  bandes  nach 
art  einer  geldbrieltasche  verschlossen  werden,  die  sehr  verschie- 
denen bände  des  textes  und  der  reichlichen  Zusätze  an  den  rändern 
lassen  sich  nicht  immer  abgränzen. 

Aut  der  rückseite  des  vorderdeckeis  lat.  segen.  —  anbäufung 
griechischer  namen  und  worte,  durch  f  je  z^vei  getrennt  —  sis  pax 
et  defensio  michi  f  famnle  dei  Michaeli  ab  omni  incursione  dyaboli 
—  läuft  aus  in  ein  Verzeichnis  von  engelnamen,  der  namen  der  hl. 
3  könige  und  den  versuch ,  das  wort  abacadabra  widerholt  zu 
schreiben,  von  1"  —  35''  stehen  in  verschiedenen  gruppen ,  teils 
alphabetisch  geordnet,  teils  dem  Inhalte  nach,  teils  ganz  ohne 
jeglichen  zusammenbang  unter  einander  lateinische  verse.    in  der 


EIN  SEGEN  349 

übergrofsen  mebrzalil  siud  es  gereimte  liexameter,  aber  auch 
reimlose  und  disticlien  kommen  zahlreich  vor.  der  iuhalt  ist 
sehr  bunt:  überwiegend  sind  es  moralische  sätze,  häufig  volks- 
tümliche Sprichwörter,  practische  lebensweisheit,  dann  wider 
theologisches,  lobsprücbe  aut  Maria  und  heilige,  viele  versus 
memoriales,  welche  geböte,  sündencategorien,  ehebindernisse, 
monatsdaten  (teile  eines  cisiojanus),  gestirn  -  und  windnamen, 
astronomische  und  die  Zeitrechnung  betrelTende  sätze,  medizi- 
nische regeln,  botanische  nomenclatur.  geographische  und  histo- 
rische notizen  einprägen  sollen,  sie  sind  zu  verschiedenen  Zeiten 
und  mit  verschiedener  tinte  autgezeichnet,  am  rande  stehen  überall 
noten,  welche  zum  teil  auf  die  verse  sich  beziehen  und  sie  er- 
klären sollen ,  dann  aber  auch  neue  nachgetragene  verse  bringen, 
unten  gelegentlich  glossen,  recepte,  liturgische  notizen.  sichtlich 
das  scrapbook  eines  geistlichen.  SS*"  beginnt  ein  lateinisches 
vocabular:  zuerst  das  lat.  wort,  dann  lat.  definition,  dazu  —  an- 
fangs selten,  später  immer  bäufiger  —  die  deutsche  Übersetzung, 
es  ist  alphabetisch  geordnet,  fängt  aber  mit  I  an  und  geht  die 
biichstaben  durch  bis  V.  48"'  hOrt  es  auf.  antang:  Ingratus 
qui  non  vnlt  regraliari  (Ilia.  orX-  di  lenden.  Jngernm,  s.  spatium 
campt  s.  eyn  morgen.  —  indulgere  .  i .  ignoscere  s.  vorgeben). 
schluss  48"*  üVo.  as.  pertinet  ad  pullos  dum  sedent  sub  sepe.  s. 
srapen.  Vernat  splendet.  Vehwi  s.  instrumentnm.  —  dann  be- 
ginnt ein  nach  inlialtsgruppen  geordnetes  lateinisches  vocabular, 
in  welchem  regelmäfsig  die  deutschen  worte  neben  die  lateini- 
schen geschrieben  sind,  anfaug  48'':  Avus  eldervater.  Ava  elder- 
muter.  Genitor  vaier.  schluss  53'':  Cruniaculus  hechele.  Cal- 
darum  gramacnJa  borisen.  Compes  vesser.  Celtis.  —  damit  bricht 
es  ab.  daraul  der  o!)en  mitgeteilte  segen  —  54%  dann  recepte, 
über  Asmodeus.  54''  kleines  glossar  von  pflanzennamen  (Arte- 
misia  byws  —  Celidonia  schelwrcz).  55"  legende:  Sanctus  Jo- 
docns  fuü  de  natione  regali.  55''  recepte.  56"''  federproben, 
verse,  aber  ganz  verwischt. 

Graz  8.  6.  84.  A.  E.  SCHÜNBACH. 


Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVH.  21 


350        MISCELLEIN  AUS  GRAZER  HAiNDSCHRlFTEN 


MISCELLEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN. 

I    ZUM  JÜPEL. 

Die  verschiedenen  fassnngen  der  legende  vom  judenknaben, 
xcehher  wegen  seiner  teilnähme  am  christlichen  ahendmahl  von 
dem  erzürnten  vater  in  eitlen  (schmeh-)ofen  geworfen,  durch  die 
gnade  der  Jungfrau  Maria  jedoch  auf  wunderbare  weise  gerettet 
wird,  hat  Eugen  Wolter  (Der  jndettkmibe,  Halle  1879)  mit  vielem 
fleifse  verzeichnet  und  zum  grofsen  teile  auch  herausgegeben,  aus 
dem  handschriftenvorrate  der  Grazer  Universitätsbibliothek  teile  ich 
zwei  unbekannte  stücke  mit ,  deren  erstes  durch  alter  und  behand- 
hmg  interessant  ist. 

a)  die  handschrift  nr  1432  (tiach  der  alten  Signatur  ^^j-ie  4^'), 
116  blätter  pergament,  ende  des  xii  oder  anfang  des  xni  Jahrhunderts 
geschrieben,  enthält  lateinische  sermone,  besonders,  und  zwar  gegen 
den  schluss  immer  dichter,  des  hl.  Bernhard  von  Clairvaux.  auf 
bl.  99''  finden  sich  die  folgenden  hexameter  eingetragen,  bei  deren 
abdruck  ich  die  kürzungen  auflöse  und  die  ititerpunction  hin- 
zufüge. 

Quod  relero  res  est,   mihi  credite,  Tabula  non  est, 

quam  vidi  prius  ecciesia  pictam  super  aram. 

Jndeus  quidam  puer,  olim  chrislicolarum 

conludens  pueris  et  eorum  taclus  amore, 
5    ibat  in  ecclesiam  quo  picta  luit  super  aram 

cum  nato  proprio  Christi  genitricis  imago. 

cumque  sacerdos  divideret  populis  sacra  Christi 

judeus  puer  inluitus  relulit  sibi  visum, 

cultro  qui  puerum  sacrifex  in  trusta  secaret 
10    talem  qualis  erat,  quem  sancta  Maria  tenebat 

depictnm  gremio.     propians  suscepit  et  ipse 

ore  suo  partem  carnis  C7'udis  rediifque 

tecta  paterna.     refert  quid  viderit  attuleritque, 

ostendit  patri.     pater  indignalus  in  ira 
15    succendi  jussit  clybanum,  projecit  in  ignem 

natum.     quod  cernens  nialer  lolerare  nequibat, 

(amor  est  matris,  cum  sit  pater  ad  pielateni) 
10  tpnebant  17  nialer 


MISCELLEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN         351 

accurreos  igitur  aniens  exdamat  in  altuni, 

nndique  vicini  mox  concurrere  foresque 
20    infringunt  clausas  puerum  flanimis  rapiimtque 

in  nullo  lesum  pro  more  trium  puerorum. 

sed  miranlibns  et  querentibus  omuibus  istuci, 

quomodo  sit  factum,  respondü  eis  puer:    'illa 

in  mediis  domina  flammis  secura  sedebat, 
25    ipsa  suo  gremio  pie  me  suscepü  et  ignem 

veste  sua  repulit,  totum  me  relrigeravit.' 

quid,  fratres  dominique  mei.  miramur  ad  ista? 

est  et  enim  genitrix  illius  sancta  Maria 

qui  fuit  in  fornace  irium  custos  puerorum. 
30    hoc  mater  potuit,  poluit  qui  fllius  ejus: 

ille  tarnen  per  se  potuit  sed  niater  in  illo. 

hiis  populus  visis  mirabilibus  benedixit 

magna  voce  deum  sanctamqiie  ejus  genitricem. 

patri  vero  nequam  suadebant  lonte  lavari, 
35    babtismnm  rennü,  quem  dant  flammis  sine  mora. 

matrem  cum  puero  baptizabant  reliquosque 

judeos,  sancta  celebris  fit  laude  Maria. 

sie  nos  eripiat  incentivis  vitiorum 
39    sancta  dei  mater,  sit  laus  et  honor  sibi  semper. 

22  mirantus  32  populis  33  ejus  f'e/iU,    aber  Honovius  hat  es 

Das  stück  steht  ganz  nahe  der  fassung,  icekhe  Honorius 
Augustodunensis  im  Specuhim  ecclesiae  zur  Purificatio  Sanctae 
Mariae  vorbringt  (bei  Wolter  nr  8  s.  43).  sogar  mehrere  aus- 
drücke sind  gemeinsam,  ich  habe  sie  hiei'  durch  cursive  schrift  aus- 
gezeichnet, welches  der  beiden  stücke  das  ältere,  ivelches  das  ab- 
geleitete ist,  wage  ich  nicht  auszumachen. 

b)  dem  miscellancodex  990=3^1^  A^\  papier,  ibjh.,  entnehme 
ich  eine  prosaische  fassung  der  legende,  welche  bl.  113''  in  einer 
lateinischen  predigt,  ebenfalls  zur  Purificatio  B.  Mariae  mit  dem 
texte  Adorna  thalamum  tuum,  Syon  etc.  als  beispiel  angeführt  wird 
(vgl.  V.  27  in  a),  wie  denn  alle  predigten  dieser  sammhing  niira- 
cula  zur  exemplification  enthalten. 

Inveuitur  quod  quidam  judeus  mansit  in  civitate  quadam 
Habens  filium  qui  valde   socialis  tuit  cuidam  puero  christiano  et 

24* 


352         MISCELLEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN 

laiulabant  (L  ludebanl)  sepe  pariler.  quadam  die  pascali  iverunt  ad 
missam  et  puer  christiaDUS  inclinabat  ymagini  sancte  Marie  et  ju- 
deus  similiter,  et  judeus  siimpsit  corpus  doniini  et  christianus 
similiter.  cumque  puer  judeus  venisset  domum,  quesivit  ab  eo 
pater  ejus,  ubi  tarn  diu  nioratus  luisset.  illedixit,  se  cum  socio 
suo  christiauo  luisse  (ivisse?)  ad  missam  et  inclinasse  se  ymagini 
sancte  Marie  et  communicasse.  audiens  hoc  pater  iratus  con- 
posuit  maximam  ignem  in  lornace  et  inmisit  filium  in  ignem  et 
clausa  lornace  discessit.  cumque  miraretur  mater  ejus,  ubi  filius 
suus  esset,  quesivit  undique,  tandem  invenit  puerum  in  mediis 
(erg.  flammis)  ludentem.  quod  notatum  est  universe  civitati.  cum 
quererent  ab  eo,  quis  eum  ab  igne  eruissel,  dixit,  quod  illa 
domina,  cui  inclinavi  (l.  inclinavit)  in  ecclesia ,  secum  in  lornace 
luisset  et  eum  a  flammis  detendisset. 

Das  stück  hat  manches  eigene,  so,  dass  der  Jcnabe  vor  dem 
Marienbilde  sich  verneigt,  was  unter  den  lateinischen  fassungen 
nur  noch  der  Liber  miraculorum  bringt,  aus  loelchem  Wolter 
nr  10  die  legende  abdruckt  (verwandt  mit  der  Marienlegende  vom 
schaler),  wenn  hier  die  mutter  Hbei-  des  knaben  abivesenheit  ver- 
wundert ihn  sucht  und  im  ofen  findet,  so  ist  das  lool  nur  eine  Um- 
gestaltung des  ursprünglichen,  wornach  das  wehgeschrei  der  mutter, 
welche  der-  untat  des  fanatischen  vaters  zusieht,  die  christlichen 
nachbarn  herbeiruft. 

II    VERSUS  DE  BEATO  HARTlVlANNO. 

Die  handschrift  nr  350  (alte  Signatur  4-/64  lol.),  von  M'atten- 
bach  in  Pertzs  Archiv  10,624  besprochen,  pergament,  \n  Jahr- 
hundert ,  enthält  auf  der  letzten  seile  ein  vielleicht  am  ansgange 
desselben  säculums  aufgezeichnetes  breviergebet:  De  sancto  Harl- 
manno  ('])iscoj)o.  In  vita  Conlessorum,  nach  welchem  die  fol- 
genden Zeilen  stehen: 

Sancia  MARIA  Latte  den  dinen  chapelan 

der  dir  manch  dinst  hat  getan, 

de  ist  der  biscol  IlARTMan; 

dem  si  alliu  unseR  iint  gcchleit,   KirieLeyson.  — 
gemeint  ist  Ilarlmann,  1141  —  llü4  bischof  von  Brixen.    es  darf 
niciu  wunder  nehmen  dass  in  dieser   aus  SLarnbrecht  stammenden 
hs.    Ilarlmann    sich    so    bedeutsam    erwähnt   findet,      denn    dieser 


MISCELLEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN        35S 

hrchenfürst  hielt  sich  oftmals  in  der  Steiermark  auf,  wie  mau 
aus  vZahns  Steirischem  urkundenbuch  i  und  ir,  vMuchars  Geschichte 
des  kerzoglnms  Steiermark  4  und  5  band,  besonders  4,  443  ff  er- 
sehen kann;  er  begleitete  meistens  den  erzbischof  von  Salzburg 
(Konrad  i,  Eberhard  i),  dessen  suffragan  er  war. 

Die  Vita  heati  Hartmanni,  welche  nach  vZeifsberg  (Zur  krilik 
der  V.  b.  H.  im  Archiv  für  österreichische  geschichte  56,  463  f) 
zwischeji  1190  und  1216  von  einem  anonymus  (wahrscheinlich 
einem  chorherrn  des  klosters  Neustift  bei  Brixen,  das  Hartmann 
gegründet  hatte)  abgefasst  ist,  berichtet  cap.  15  bei  Petz  SS  rer. 
Anstr.  I  496  ff  ausführlich ,  dass  Hartmann  die  kirche  des  klosters 
zu  SLambrecht  eingeweiht  habe,  bei  dieser  gelegenheit  ereigneten 
sich  drei  wunder,  für  welche  der  abt  als  zeuge  angerufen  icird. 
das  ist  Berengar,  der  diese  würde  von  1180 — 1216  bekleidete  und, 
wenn  ich  Zs.  20,  191  /"  recht  vermutete,  die  herstellung  vieler  hand- 
schriften  veranlasst  hat.  das  gebet  für  Hartmann  erklärt  sich 
qlso  leicht,  es  hat  noch  ein  nebeninteresse ,  indem  es  vielleicht  das 
älteste  Zeugnis  dafür  gextährt,  dass  Hartmann  als  sanctus  be- 
zeichnet wurde,  die  päpstliche  anerkennung  erfolgte  erst  1784, 
der  30  october  wurde  dem  'seligen'  als  gedächtnistag  zugewiesen. 
vgl.  darüber  Sinnacher  Beiträge  zur  geschichte  der  bischöflichen 
kirche  Säben  und  Brixen  in  Tyrol,  wo  3,  231  —  346  eine  aus- 
führliche, auf  Urkunden  gestützte  darstellung  von  Hartmanns  leben 
zu  lesen  ist. 

III   SCHLACHTGESANG. 

Die  handschrift  nr  224  (alt  ^^y^  fol.),  ein  Priscianus  major, 
magistri  Chunradi,  pergament,  xu  jahrhunder^t ,  von  dem  es  V 
heifst:  Hunc  prisciauum  ab  Elbuino  de  Treues  se  sancte  Marie 
in  Seccöe  traditum.  quisquis  abstuleril  etc.,  enthält  auf  dem- 
selben blatte  von  einer  hand  des  xm  Jahrhunderts  die  verse: 

Ave  M.,  gotes  muter  unde  maget, 

elieu  mein  not  sei  dir  gechlaget, 

du  hilie  mir  von  sunde! 

Ave  M.,  aller  genaden  vol, 

derbarme  dich  unde  genade  mir  wol 

und  heile  meiner  sele  ir  wunden ! 
das  ist  wahrscheinlich  dasselbe  liedchen,  welches  in  der  schlacht  auf 
dem  Marchfelde  zwischen  Rudolf  und  Ottokar,  am  26  august  1278, 


354         MISCELLEN  AUS  GRAZER  HANDSCHRIFTEN 

von  dem  deutschen  heer  gesungen  wurde,  und  dessen  beide  ersten 
verse  der  steirische  reimchronist  (Pez  SS  rer.  Anstr.  in  149)  citiert: 
Sant  Mari,  muoter  unde  meit, 
al  unsriu  not  si  dir  gekleit. 
auch  vor  der  schlackt  hei  Accon  \2Q\  und  der  schlackt  am  Hasen- 
bühel 1298  sollen  sie  nach  demselben  zeugen  angeslimmt  worden 
sein,  vgl.  Hoffmann  von  Fallersleben  Geschichte  des  deutscken  Kirchen- 
liedes^ s.  68  ff. 

Dasselbe   blatt  dieser  handschrift  zeigt   noch  von   einer  kand 
des  \\  jakrhunderts  gegen  die  fallende  sucht  die  verse: 

Caspar  fert  mirram,  Uius  Melchior,  Balthasar  aurum. 
Hec  tria  sancta  trium  mecum  lero  nomina  regum, 
solvar  iit  a  morbo  domini  pietate  caduco. 
Graz,  december  1884.  ANTON  E.  SCHÖNBACH. 


ZU  DER  WIENER  MEERFAHRT. 

1.  Lambel  in  den  Erzählungen  und  sclivvänken  s.  215  (die 
zweite  aufläge  ist  mir  nicht  zugänglich)  lässt  es  zweilelhatt,  ob 
Hugo  von  Trimberg  im  Renner  v.  10208 — 39,  wo  er  den  schwank 
von  der  trunkenheit  der  'Baiern'  einführt,  direct  unser  gedieht 
benutzt  oder  nach  der  gleichen  quelle  erzählt,  dass  das  erstere 
der  lall  ist,  beweisen  die  anklänge  im  ausdruck  und  in  den 
reimen,  welche  für  die  kaum  30  verse  Hugos  zahlreich  ge- 
nug sind. 

Renner  Wiener  Meerfahrt 

10229  Si  hüben   in  auf  ah   er     398  und  udmen  ir  ndkebnr 

da  lag  

nnd   trugen   in   an    ein   venster      400  und  trugen  in  mit  grimme 

enpor  

und    wurffen     in    ab    hin    in      402    gni    einem    venster,    daz 

daz   hör  was  kö. 

von    einer    hüben,     die    was      545  der  was  gevallen  hö  enpor 

koch.  von  dem  venster   in  daz  hör. 

recht  ungeschickt  wird  hier  im  Renner  das  local  der  Zecherei 
erst  im  letzten  moment  genannt:  von  einer  lauben,  während 
OS  in  WM  gleich  im  eingang  v.  98  heifst  Üf  einer  louben  dö 
gesckach  ditz  vrölicke  nngemack. 


zu  DER  WIENER  MEERFAHRT  355 

10233  Jener  arme  wart  nüchtern     445  Nu  seh  rei  der  burger  sere 

unde  zoch  , 

nach    im    ein    bein,    daz    was     448    'min    bein    ist    mir    zer- 

enzwei,  brochen 

und  auch  ein  arm,    vil  Inte     und    min     arm    ouch    en- 
er  schrei.  .  .  zioei.' 

in  jemerlicher   stimme   schrei 
der  riche  bürgere. 
Wenn  dann  Hugo  nach  beendigung  der  geschichte  forti'ährt, 
äufserungen  der  trunkenheit  zu  berichten:    Einer  wil  varn  über 

mere, der  vierd  wil  gen  Kumpostelle ,  so  liegt  auch 

hier  eine  reminiscenz  an  das  ältere  gedieht  vor:  WM  144  f  einer 
sagete  von  dem  mer  unt  von  sant  Jdkobes  wege  (d.  i.  Compo- 
stella). 

2.    der  Freudenleere   hat  den  stoif  zu  seinem  gedichte  aus 
dem  munde  eines  burggraten  Hermann  (dieser  vorname  ist 
durch   den   reim    gesichert)   von  Devvin   erhalten   v,  3111.     wo 
der  dichter,   dessen   dialect   mitteldeutsch    ist,   zu   diesem  herrn 
in  beziehuug  trat,  sagt  er  nicht;  denn  wenn  Lambel  s.  214  die 
begegnung   nach  Wien    selbst  setzt,   so   scheint  er   mir  in   den 
Versen    44  ff        der  sagete  mir  ditz  mere: 
daz  hat  der   Vreudenlere 
gemachet  als  iz  dort  geschach, 
als  man  im  ze  Wiene  jach 
von  guter  Hute  worte, 
dd  er  daz  mere  horte  usw. 
das  im  v,  47  und  das  er  v.  49  falsch  zu  beziehen:  es  kann  nur 
auf  den  gewährsmann,  nicht  auf  den  dichter  gehn ,  und  folglich 
müssen  wir  auch  die  nun  einsetzende  characteristik   des  Wiener 
lebens  als  die  widergabe  fremder  berichte  ansehen,  wie  es  denn 
auch  gleich  v.  56  heifst:    daz  hdn  ich  dicke  wol  gehört,    wo  aber 
war  burggraf  Hermann  von  Dewin  zu  hause? 

Man  hat  anfanglich  an  Teben  unterhalb  Wien  gedacht,  bis 
Rarajan  Zs.  5,  243  ff  einen  uikundlichen  Heinricus  comes  de 
Hardekke  burchgravinsque  in  Dewin  nachwies,  einen  burggrafen 
vonDewen,  der  erst  durch  heirat  mit  der  witwe  eines  der  1260 
gefallenen  beiden  grafen  graf  von  Hardeck  wurde,  einen  burg- 
grafen Hermann  von  Dewin  hat  Karajan  nicht  aufgefunden ,  und 
auch  mein  nachsuchen  in  neueren  urkundenwerken  ist  vergeblieh 


356  Zu  DER  WIE.NER  MEERFAHRT 

gewesen,  die  Hardecker  sind  ein  österreichisches  geschlecht, 
über  das  näheres  Zs.  4,  244  ff  zu  lesen  ist.  es  verdient  aber 
diesen  notizen  Karajans  hinzugetügt  zu  werden  dass  sie  sich 
viellach  im  gefolge  der  Premysliden  nachweisen  lassen  und 
auch  in  Böhmen  begütert  waren,  so  erscheinen  in  den  Re- 
gesta  dipl.  et  epist.  Bohemiae  nee  non  Moraviae  von  Erben 
und  Emier  i  293  (nr  626),  300  (nr  646),  345  (nr  735),  418 
(nr  889),  422  (nr  903.  904),  596  (nr  1293)  in  Urkunden  Otto- 
kars i,  Wenzels  i,  Oltokars  n  die  gralen  Luitold,  Conrad  und 
Otto  von  Hardeck.  i.  j.  1220  macht  Couradus  comes  de  Hardeke 
dem  kloster  Welegrad  eine  Schenkung  (i  294  nr  628),  Zarosice 
in  Böhmen;  weitere  belege  siehe  im  register  zu  bd.  n  der  Re- 
gesta  s.  1295.  auch  der  von  Karajan  nachgewiesene  steht  als 
zeuge  unter  einer  Urkunde  Ottokars  u  vom  jähre  1260  zunächst 
als  Heinrims  hirggravius  de  Dewin  (Regesta  ii  99  nr  262)  und 
erscheint  dann  von  1262  — 1273  als  gral  von  Hardeck  widerholt 
im  getolge  Ottokars  (Regesta  u  nr  363.  nr  630.  nr  650.  nr  678. 
nr  689.  nr  694.  nr  814).  in  welchem  Verhältnis  der  vom  dichter 
der  WM  erwähnte  burggral  Hermann  von  Dewin  zu  ihm  stand, 
bleibt  tür  mich  leider  unentscheidbar.  aber  ich  halte  es  schon 
lür  nützlich,  diese  beziehungen  der  Hardecker  zu  den  Premy- 
sliden hervorzuheben,  weil  sie  den  mitteldeutschen  dialect  unserer 
dichtung  am  besten  erklären,  der  dichter  war  höchst  wahrschein- 
lich ein  Böhme,  und  als  eine  anregung  für  die  deutsch-böhmische 
litteraturgeschichte  möchte  ich  diese  notizen  angesehen  wissen. 
in  technik  und  spräche  steht  ihm  keine  dichtung  näher  als  die 
von  Bartsch  Mitteldeutsche  gedichte  s.  1 — 39  herausgegebene 
Marieulegende  des  Heinrich  Cluzenere,  welcher  tÜr  den  ßöhmeu- 
könig  Wenzel  ii  schrieb  (Martin  im  Anz.  m  108.  HO),  beide 
haben  den  dreireim  am  scbluss  der  abschnitte  (Wackernagel 
LG^  s.  172  aum.  39)  und  bei  dem  Freudenleeren  finden  wir, 
soweit  es  der  geringe  umfang  seines  gedichts  erwarten  lässt,  die 
gleichen  dialectischen  eigenlümlichkeiten  wie  bei  Cluzenere.  die 
spräche  der  Meifsuer  Heinrich  von  Krolewilz  und  Heinrich  von 
Freiberg  ist  in  einigen  puncten  davon  unterschieden. 

Diese  sprachliche  beobachtung  (die  vielleicht  im  rahmen  der 
Bibliothek  der  mhd.  litteratur  iu  Böhmen  einmal  berUcksichtiguug 
findet)  hat  mich  bewogen,  eine  andere  spur  aufzugeben ,  auf  die 
mich  zunächst  mein   Interesse  für   das  gedieht  führte,     es  gibt 


zu  DER  WIENER  iMEERFAHRT  357 

uämlich  in  jener  zeit  noch  ein  anderes  burggralengeschleclit 
(castellani,  praefecti,  burggravii)  de  Dewin  oder  Deicen,  das  in 
dem  heutigen  Döben  bei  Grimma  ansässig  war.  die  daten,  welche 
darüber  in  einem  aulsatze  der  Sammlung  vermischter  nachrichten 
zur  sächsischen  geschichle  bd.  9  (1774)  s.  352  —  371  zu  finden 
sind,  hat  gesichlet  und  vermehrt  Lorenz  Die  Stadt  Grimma  im 
konigreich  Sachsen  historisch  beschrieben  (Leipzig  1S56)  s.  101(311". 
weitere  uachweisungen  lassen  sich  aus  den  registern  der  urkunden- 
bücher  des  hochstifts  und  der  Stadt  Meifsen  (Cod.  dipl.  Saxoniae 
regiae  iihauplteil,  bd.  3  und  4)  entnehmen,  das  geschleclu  ist 
als  burggralen  von  Dewin  bezeugt  liir  die  jähre  11S5 — 1264, 
der  letzte  nachweisbare  ist  auch  hier  ein  Heinrich  burggrat 
von  Dewin  (1253 — 1264).  einen  Hermann  autzutinden  ist  mir 
auch  mit  hilfe  des  hrn  prol.  Knothe  in  Dresden,  der  mich  bei 
meinem  suchen  in  liebenswürdigster  weise  unterstützte,  nicht 
gelungen. 

Vielmehr  hat  gerade  hr  prot.  Knothe  meine  aulmerksamkeit 
auf  Böhmen  hingelenkt.  Ireilich  das  Dewin,  welches  er  zu 
meinen  scheint  und  das  1283  in  den  besitz  des  von  Heinrich 
von  Freiberg  geleierten  Johann  von  Michelsberg  übergieng  (Emier 
II  560  nr  1298),  ist  schwerhch  das,  nach  welchem  sich  der 
spätere  grat  von  Hardeck  nannte,  mit  welchem  recht  aber  Ka- 
rajan  als  stammschloss  dieses  das  adriatische  Duino  bezeichnet, 
kann  ich  nicht  sagen ,  da  mir  die  von  ihm  benutzte  litteratur 
hier  nicht  zur  Verfügung  steht. 

Vielleicht  ist  einer  unserer  böhmischen  germanisten  so  glück- 
lich, die  Wiener  meertahrt  der  böhmischen  litteratur  entschei- 
dend zu  sichern. 

Göttingen.  EDWARD  SCHRÖDER. 


DIE  SUMME  DER  TUGENDEN  UND  LASTER. 

ZUM  RENNER  2755.  56. 

In  seinen  inhaltreichen  Untersuchungen  über  Hugo  von  Trim- 
berg  und  seinen  Renner  gibt  Wöltel  Zs.  28,  162  t  auch  eine  kurze 
Übersicht  über  die  belesenheit  des  dichters.  die  trage  nach  dem 
V.  2755  f 


358         DIE  SUMME  DER  TUGENDEN  UND  LASTER 

Stoer  hat  gelesen  der  last  er  summen 
Und  der  tugende,  der  vindet  da  wol 
Waz  er  tun  oder  miden  sol 
genannten  werke  will  ich  hier  beantworten,  die  religiöse  lit- 
teratur  des  ausgehenden  mittelalters  ist  ungemein  reich  an  beicht-, 
lehr-  und  andachtsbüchern,  an  homiletischen  und  katechelischen 
hillsmitteln,  die  sich  als  summa  oder  compendium  bezeiclinen. 
den  tilel  Summa  virtutum  et  vitiorum  speciell  tühren  zwei  werke, 
die  zu  den  verbreitetsten  ihrer  gattung  gehören,  beider  heimat 
ist  Frankreich,  ihre  abtassuugszeit  die  zweite  hallte  des  13  jhs. 
Im  jähre  1279  vertasste  der  domiuicaner  frere  Lorens  als 
beichtvater  könig  Philipps  in  von  Frankreich  in  französischer 
spräche  ein  beicht-  und  audachlsbuch  unter  dem  litel  Somme 
des  vices  et  des  verlus  (in  einigen  hss.  auch  Somme  le  roi), 
das  ungemein  rasch  bekannt  und  in  die  verschiedensten  Volks- 
sprachen übersetzt  wurde.  Quetit  und  Echard  Scriptores  ordinis 
praedicatorum  i  386 — 388  geben  unter  Laurentius  Gallus  die  den 
autor  und  sein  werk  betreffenden  nachrichteni  und  führen  ita- 
henische,  provencalische,  catalanische ,  spanische,  englische  und 
niederländische  Übertragungen  und  bearbeitungen  auf.  in  England 
ist  das  buch  von  Dan  Michel  von  Norlhgate  in  seinem  Ayenbite 
of  inwit  bearbeitet  und  später  noch  viermal  übersetzt  worden. 2 
die  niederländische  Übersetzung  des  Jan  van  Brederode  aus  ^eni 
jähre  1407  oder  1408'  ist  als  Summe  le  roy  of  des  couincs 
summe  schon  im  15  jh.  dreimal  gedruckt  worden,  zwei  dieser 
drucke  (Delft  1478  und  Haarlem  1484)  besitzt  die  Göttinger  Uni- 
versitätsbibliothek, von  einer  lateinischen  Übersetzung  finde  ich 
nichts  erwähnt,  ebenso  wenig  von  einer  deutschen,  und  wir 
dürften  also  schon  aus  diesem  gründe  zweifeln  dass  Hugo  von 
Trimberg  und  seine  leser  dies  buch  gekannt  haben,  dazu  kommt, 
dass  sich  die  erwähnung  der  Summe  gerade  da  findet ,  wo  von 
dem  misbrauch  der  pfründen  und  pfarreien  und  anderen  Sünden 

•  nolizen  über  französische  manuscripte  findet  man  aufserdem  in  der 
Hist.  lilt.  de  la  France  19,  397  —  405,  bei  Paulin  Paris  Les  manuscrils  de 
ia  biblioth.-que  du  roi  ni  3S8,  Romania  S,323,  Zs.  f.  rom.  phil.  l,  .349,  Engl, 
stud.  1,  3S2  f. 

*  vgl.  ten  Brink  Geschichte  der  engl.  litt,  i  353  11,  Varnhagen  Engl, 
stud.  1  382  ff. 

'  proben  aus  hss.  bei  GelTcken  Bildercatechismus,  beilagon  s.  81— S5 
und  neuerdings  in  Francks  Mitlelniedeiländischer  grammatik  s.  214— 217. 


DIE  SUMME  DER  TUGENDEN  UND  LASTER         359 

der  kleriker  die  rede  ist.  das  werk  des  Irere  Lorens  aber  war, 
wie  schon  die  abfassuog  in  der  landessprache  zeigt ,  lür  die  laien 
bestimmt  und  geht  daher  über  die  gebrechen  der  geistHchkeit 
kurz  hinweg.^ 

Anders  die  ältere  Summa  virtutum  et  vitiorum,  welche  für 
Ir^re  Lorens  capitel  von  den  7  hauptsünden  eine  hauptquelle 
gewesen  zu  sein  scheint,  ihr  vertasser  Guiliielmus  Peral- 
dus  (Guillaume  Perault)  war  gleichfalls  dominicaner,  aber  nicht, 
wie  man  früher  annahm,  erzbischof  von  Lyon;  er  starb  vor 
1275;  vgl.  die  Bist,  litt.de  la  France  19,307—316  und  Quetif 
und  Echard  i  131  — 136,  wo  über  sein  hauptwerk  und  seine 
(vielfach  fälschlich  dem  Guiliielmus  Parisiensis  oder  Guillaume 
d'Auvergne  zugeschriebenen)  predigten  ausführlich  gehandelt  ist. 
die  Summa,  von  welcher  die  Hist.  litt.  aao.  22  hss.  der  Pariser 
bibliothek  und  ebenso  viel  gedruckte  ausgaben  aufzählt,  nennt 
Cruel  Geschichte  der  deutschen  predigt  im  ma.  s.  455  f  unter 
den  wichtigsten  Stoffsammlungen  für  prediger.  einige  hss.  fügen 
dem  litel  ausdrücklich  hinzu  omnibus  praedicantibus  stimmopere 
necessaria.  in  der  mir  vorliegenden  ausgäbe  von  RClut  Col.  Agr. 
1629  4"  umfasst  das  werk  zwei  bände;  der  erste  enthält  die 
summa  virtutum  und  handelt  nach  einer  einleitung  (de  virtute 
in  communi)  de  fide,  de  spe,  de  charitate;  de  prudentia,  de  tem- 
perantia,  de  fortitudine ,  de  justitia;  de  donis;  de  beatitudinibus  ; 
der  zweite,  die  summa  vitiorum,  nach  entsprecheuder  einleitung 
de  gula,  de  luxuria,  de  auaritia,  de  acedia,  de  superbia ,  de  in- 
uidia,  de  ira,  de  peccatis  linguae.  diese  einteilung  hat  wenig 
origiuelles  und  ich  habe  die  reihenfolge  nur  angegeben ,  um 
gleich  zu  erwähnen  dass  Hugo  von  der  straffen,  Indispositionen 
und  subdispositionen  gegliederten  einteilung  des  Stoffes  bei  dem 
scholastischen  prediger  nichts  gelernt  hat.  aber  inhaltlich  konnte 
er  namentlich  dem  zweiten  teile  des  Werkes,  dessen  gegenständ 
und  gliederung  ja  im  allgemeinen  auch  im  Renner  widerkehrt, 
sehr  viel  entnehmen,  so  wird  der  hinweis  auf  die  Summe  in  dem 
abschnitt  über  den  misbrauch  der  geistlichen  stellen  (v.  2660  ff) 
speciell  das  capitel  De  auaritia  ministrorum  ecclesiae  etc.    Et  primo, 

*  vgl.  niederländischer  druck  14TS  bl.  3U"  (eigener  Zählung)  Eh  noch 
seer  veel  ander  dinghen  is  symonye  glieheten.  mer  het  behuert  meest  de 
clerckf^ti  toe.  Eü  dil  boec  is  mcer  ghemaect  tot  leihen  luden  behoef  dan 
totten  clercUe.  fVant  die  clerckt^n  Iiebben  boeken  glienoeok  leefden  si  wel 
daer  na. 


360         DIE  SUMME  DER  TUGENDEN  UND  LASTER 

de  Simonia  (ed.  1629  i  S7  ff)  meinen;  zu  den  versen  Von  closter- 
leute  leben  v.  2933 ff  und  Von  dosterleute  nngedult  v.  4055  ff  kann 
an  das  capitel  De  niurmure  daustraliam  (i  310  ff)  erinnert  werden» 
und  so  tbrt.  hätten  wir  freilich  nicht  von  dem  dichter  selbst 
eine  ausdrückliche  erwähnung  der  Summa ,  so  würde  der  beweis, 
dass  sie  im  Renner  benutzt  sei,  gewis  schwer  zu  tühren  sein, 
denn  einmal  arbeitet  Hugo  niemals  mit  den  quellen  in  der  band, 
und  dann  würden  selbst  einzelne  wörtliche  Übereinstimmungen, 
wo  sie  sich  landen,  nicht  viel  bedeuten,  diese  compendien  des 
späteren  miltelalters  sind  eben  lediglich  compilationen:  ein  autor 
schreibt  den  anderen  aus,  und  den  erlolg  hat  der,  welcher  es 
den  Predigern  am  bequemsten  macht,  die  klagen  über  den  Über- 
mut und  die  habsucht  der  soldknechte,  über  die  putzsucht  der 
weiber,  über  spiel  und  raub  und  lausend  andere  dinge  hat  Hugo 
mit  vielen  predigern  ebenso  gemeinsam  wie  mit  Guillaume  Perault. 
aber  dass  er  ausdrücklich  eines  der  beliebtesten  handbücher  der 
predigtlitteratur,  und  zwar  ein  noch  nicht  lange  aus  Frankreich 
eingelührtes,  nennt,  ist  immerhin  ein  interessanter  beleg  lür  den 
litte r arischen  Zusammenhang  der  weltlichen  salire  mit  der 
gleichzeitigen  predigt  und  bestätigt  zugleich  auis  neue  den  inter- 
nationalen character  dieser  ganzen  litteratur. 

Göttingen.  EDWARD  SCHRÖDER. 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  IL 

D.    DIE  PARISER  HANDSCHRIFT. 

Die  handschritt  Ms.  all.  115  der  bibliotheque  nationale  in 
Paris  wurde  mir  durch  hochgeneigte  vermitteluug  des  königl. 
minisleriums  der  geistlichen  usw.  angelegenheiten  zur  benutzung 
in  die  hiesige  Universitätsbibliothek  gesandt.  Reiiaghels  be- 
merkungen  über  dieselbe  Germania  22,  273  —  280  bedürlen  in 
nicht  wenigen   lallen  der  berichtigung  und  ergänzung. 

Zunächst  ist  hervorzuheben  dass  die  hs.  p  von  zwei  ver- 
schiedenen Schreibern  herrührt:  der  erste,  bis  bl.  106  (v.  4339), 
hat  16 — 20,  seltener  21  und  22  Zeilen  in  der  spalte,  der  zweite 
meist  22;  der  erste  schreibt  immer  da%,  ez,  der  zweite  nur  das, 
es;  die  linle  ist  von  bl.  107  an  blasser,  auch  der  rubricator  ein 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  H  361 

anderer,  während  der  zweite  teil  sicher  in  das  15  jh.  gehört, 
möchte  ich  den  ersten  lür  mehrere  Jahrzehnte  äher  halten  und 
glaube  fast  dass  er  in  das  14  jh.  zu  setzen  ist,  wenn  auch  an 
■dessen  ende. 

Die  trage,  ob  einige  der  zahlreichen  liicken  auf  verlorene 
biälter  schliefsen  lassen ,  ist  deshalb  schwer  zu  beantworten ,  weil 
der  neue  einband  so  fest  ist,  dass  niemand  ohne  Zerstörung  des- 
selben die  gröfse  der  lagen  feststellen  kann,  wo  ich  zählen 
konnte,  habe  ich  sehr  grofse  lagen  gefunden,  bis  zu  zehn 
doppelblättern,  aber  jede  rechnung,  die  sich  darauf  gründen 
könnte,  wird  zu  nichte  gemacht  durch  den  umstand,  dass  öfter 
sich  die  spur  eines  herausgerissenen  blattes  findet:  bisweilen  an 
€iner  stelle,  wo  eine  lilcke  im  texte  ist,  jedoch  auch  an  solchen, 
wo  entweder  gar  keine  lücke  vorhanden  ist,  zb.  nach  bl.  S3,  oder 
eine   ganz  kleine,   wie  nach  bl.  85,  wo  nur  sechs  zeilen  fehlen. 

Damit  fällt  Behaghels  rechnung  (s.  274),  welche  lagen  zu 
vier  blättern  als  erste  Voraussetzung  hat ,  von  selbst  in  nichts 
zusammen,  wenigstens  soweit  sie  die  handscbrift  p  selbst  be- 
tritft.  das  rechenkunststück  über  die  vorläge  von  p  scheitert 
aber  daran,  dass  Behaghels  angäbe  einer  lücke  6668 — 6737  falsch 
ist:  die  lücke  umfasst  nur  6711 — 37,  also  27,  nicht  die  69  verse, 
aus  denen  die  spalten  zu  23  zeilen  gefolgert  wurden,  erheiternd 
war  mir  dabei  die  entdeckung,  dass  das  exempel  auch  in  calculo 
falsch  ist:  eine  lücke  6668—6737  gibt  nämlich  70,  nicht  69  verse, 
und  ebenso  wäre  388  —  504  doch  117,  nicht  116,  ganz  abge- 
sehen davon,  dass  auch  hier  die  zahl  504  falsch  ist  und  505 
heifsen  muss,  sodass  tatsächlich  US  verse  fehlen,  zu  denen  die 
spaltenlänge  von  23  versen  wol  auch  schwer  passen  wird. 

Ebenso  teils  falsch  teils  unvollständig  sind  die  übrigen  an- 
gaben der  lücken  (s.  273)  und  die  erklärungsversuche  s.  275, 
sowie  die  hier  ausgesprochene  Vermutung,  dass  7456  ein  neues 
blatt  beginne,  die  Vermutung  konnte  auch  überhaupt  gespart 
werden,  weil  der  v.  7455  gar  nicht  fehlt. 

Auf  Behaghels  bemerkuugeu  über  das  handschriflenverhältnis 
will  ich  deshalb  nicht  weiter  eingehen,  weil  ich  demnächst  eine 
alle  hss.  vergleichende  Untersuchung  zu  geben  gedenke;  doch 
hat  auch  hier  Behaghel  sehr  vieles  falsche,  so  s.  280  die  lesart 
hejecht  für  virjecht  (z.  12),  s.  278  die  Vermutung,  dass  a  mit  EH 
stimmt. 


362  DIE  1WEINHA>DSCHR1FTEN  11 

Von  positivem  ertrage  kann  ich  noch  mit  einiger  sicherheil 
angeben : 

Die  hs.  p  ist  nicht  vollständig  erhalten ;  es  fehlen  nach  hl.  9 
drei  biälter  mit  llSversen  (388 — 505);  nach  bl.  65  ein  blatt 
mit  36  Versen,  hier  ist  die  spur  eines  ausgerissenen  blattes  deut- 
lich und  die  beiden  nächsistehenden  spalten  65"^  und  66  haben 
gleichfalls  je  18  verse;  drittens  fehlt  nach  180,  wo  gleichfalls  ein 
blatt  ausgerissen  ist,  v.  7769  —  7812,  also  wahrscheinhch  ein 
blatt  mit  44  zeilen ,   dh.  der  in  diesem  teile  üblichen  Zeilenzahl. 

Von  den  unvollständigen  spalten  (Behaghel  s.  273)  steht  eine, 
bl.  92%  mit  8  zeilen  sicher  am  ende  einer  läge;  ob  auch  36' 
(14  Zeilen),  120'  (11  zeilen),  152'"  (14  zeilen)  eine  läge  been- 
den, habe  ich  nicht  feststellen  können,  die  tatsache  aber,  dass 
es  solche  unvollendete  spalten  bei  beiden  Schreibern  gibt  und 
dass  jedesmal  auch  auf  solche  unvollendete  spalte  eine  lücke 
folgt ,  möchte  ich  durch  annähme  von  Kicken  in  der  vorläge  er- 
klären,  welche  den  Schreibern  von  p  so  auffällig  waren,  dass  sie 
zu  einer  etwa  möglichen  ergänzung  räum  liefsen.  doch  hat  es 
wenig  zweck  derartige  Vermutungen  auszusprechen,  etwas  sicherer 
scheint  mir  die  annähme,  dass  unter  den  verlorenen  blättern  sich 
auch  solche  mit  unvollendeten  spalten  befanden,  dies  möchte 
vielleicht  bei  v.  3281  —  3300,  welche  nach  bl.  77  fehlen,  an  einer 
stelle,  wo  die  spur  eines  ausgerissenen  blattes  erkennbar  ist, 
ebenso  bei  v.  4011  — 4027  nach  bl.  97  der  fall  sein. 

E.  PERGAMENTBRUCHSTÜCK  K. 

Das  früher  Birlinger  gehörende  bruchstück  ist  jetzt  nr  452 
des  fürstlich  Ilohenzollernschen  museums  in  Sigmaringen,  von 
welchem  es  mir  hierher  gesandt  wurde,  der  text  Germania  26,  99 
bedarf  wegen  versehen   beim  druck   einiger  correcturen  und  er- 

gänzungen. 

F.  PERGAMENTBRUCHSTÜCK  M. 

Der  besitzer  desselben,  archivar  dr  GvBuchwald  in  Neu- 
slrelilz,  hat  mir  das  stück  zur  benutzung  für  meine  ausgäbe  über- 
lassen,    der  druck  Germania  25,  395  ist  fast  diplomatisch  genau. 

G.   DIE  GIESSENER  HANDSCHRIFT. 
Die  pergamenths.  der  Universitätsbibliothek  zu  Giefsen,  welche, 
wie  ich  später  zeigen  werde,  für  die  Iweinkrilik  eine  eigentüm- 


DIE  IWEIMIANDSCHRIFTEN  11 


36J 


liehe  bedeutung  bat,  war  mir  1883  nach  Berlin  geschickt;  meine 
damals  genommene  abscbrili  zeigte  jedoch  von  der  erst  später 
mir  zugänglich  gewordenen  ßeneckes  solche  abweichungen ,  dass 
ich  zur  lestslellung  des  talbeslaudes  die  handschrift  1884  noch 
einmal  erbat  und  erhielt.  —  die  hs.  ist  von  einem  Schreiber 
sehr  schön  geschrieben,  jedoch  mit  einer  gröfseren  Unterbrechung 
in  der  zeit;  bei  bl.  80  (v.  4115)  beginnt  blassere  tinte,  die  ini- 
tialen werden  teils  schlecht,  teils  lalsch ,  teils  sind  sie  nur  vor- 
gezeichnet, während  sie  im  ersten  teile  ganz  vorzüglich  ausge- 
führt sind.  —  die  hs.  gehört  unbedingt  den  ersten  Jahrzehnten 
des  13  jhs.  an,  das  lormat  ist  gerade  so  grofs  wie  Benecke- 
Lachmanns  erste  ausgäbe  des  Iwein  und  die  zierliche  form  gibt 
ein  anschauliches  bild  von  der  äufseren  beschaffenbeit  der  salon- 
leclure  im  höfischen  mittelalter. 

Die   angaben    in   Lachmanns   Variantenapparat   bedürfen   an 
folgenden  stellen  der  berichtigung. 


Lachmanns 

apparat 

handschrift  B 

107   ir  fehlt  B 

neic  ir  vn 

556.  557  tuost 

du 

tvstv 

588  niht   fehlt 

B 

[damit  fällt 

ich  niht  daz 

auch  die  ganze 

anmerkung] 

871  erhebt 

enheht 

940  oder  hat  hier 

auch  B 

ode 

998  entriuwet 

ern  tri'icet 

1094  beliehen 

beliben 

1150  daz  was 

des  was 

1440  drumme 

drvmbe 

1469  e  für  k  B 

ie 

1557  Ez 

E 

1670  gesach 

sack 

1707  die 

div 

1842  danne 

danne  da 

1845  iuwern 

i'werm 

1915  friden 

fride 

2099  rmlest  du 

rcetestv 

2112  versten  es 

verstenes 

2183  tr  fehlt  B 

kvnde  ir  helfen 

2212  ez  enweiz 

ezn  wetz 

2239  inwer  für 

ir 

B 

ir  gevangen 

364 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  II 


2242 

icil  gerne 

wil  vil  gerne 

2476 

nie    Idami'i    lallt 

die 

an- 

we     [auch     der 

merkuug] 

lalsch   nie] 

252S 

sint 

sin 

2894 

(hu 

die 

2931 

ein  ensnmde 

ern  svmde 

3306 

die   in  B  beruht 

aut 

lal- 

div 

schem  verstehen 

3338 

im 

in 

3689 

salbe 

salben 

4328 

diu 

die 

4472 

diu    tür    den    oITenb 

aren 

die 

accusaliv 

4964 

die 

div 

5107 

herre 

herre n 

5272 

misseta'le 

misser  a>te 

5284 

gewinne 

gewunne 

5405 

hedenthalp 

bedenthalben 

5520 

mich  wol 

mich  noch 

5651 

hast  du 

hastv 

6002 

min 

mins 

6137 

daz  enkunnet 

dazn  kvnnet 

6552 

wart  er 

was  er 

6575 

selben 

selbem 

6741 

vant  er 

vander 

7512 

si 

si  si 

7551 

e 

ie 

7905 

vns 

imz 

Liudauer    las 


Zu  V.  4164  bemerkt  Lachmann:  'nach  diesem  verse  setzt  B 
allein  hinzu  den  man  noch  diu  moire,  wa  er  zevinden  toa're. 
höchst  unsinnig  aus  z.  5763.  64.'  ich  iiabe  schon  Zs.  29,  115 
angegehen  dass  die  Lindauer  abschriit  von  1521  die  verse  nicht 
übernahm,  weil  der  Schreiber  von  B  sie  selbst  gestrichen  hatte. 

Eine  ganz  merkwürdige  stelle  ist  3998.  hier  hat  ADEl  durch 
in,  Jabcdprz  durclt  mich,  B  beide  lesarten  über  einander  „,',".,j; 
Lachmanu  gibt  im  apparat  gar  keine  Variante,  weil  Benecke 
die  doppelte  lesart  übersehen  hatte.  so  gieng  diese  iür  das 
haodschrirtenverhaltnis  sehr  wichlige  stelle  der  kritik  bisher  ver- 
loren. 


DIE  IWEINHANDSCHRIFTEN  II  365 

Es  verstellt  sich  von  selbst  dass  die  fehler  in  Lachmanns 
apparat  hier  wie  sonst  auf  Beneckes  rechnung  kommen,  er 
selbst  machte  überhaupt  selten  fehler,  ich  wenigstens  habe  im 
Iweinapparat  noch  keine  stelle  gefunden,  in  der  Lachmann  eine 
lesung  Beneckes  falsch  widergegeben  hätte,  er  hat  sogar  nicht 
selten  in  Beneckes  angaben  den  offenbaren  fehler  erkannt  und 
dann  entweder,  wie  oben  bei  588.  2476.  3306.  4472,  seiner 
Verwunderung  ausdruck  gegeben ,  oder  aber  die  lesart  gar  nicht 
aufgenommen,  denn  Beneckes  abschrift  der  Giefsener  hs.  hat 
viel  mehr  fehler  als  in  den  apparat  übergegangen  sind:  in  B  mehr 
als  80,  dazu  auf  den  vier  durch  e  ergänzten  blättern  über  30. 
Lachmanns  angaben  über  die  Schreibung  von  B  (2  ausg.  s.  365f) 
werden  auch  mancher  änderung  bedürfen;  wichtig  ist  wol  noch 
dass  in  B  die  accentuierten  diphthonge  den  circumflex  in  der 
mitte  über  beiden  vocalen  haben,  also  nicht  ei. 

Berlin.  EMIL  HENRICI. 


HILDEBRANDSLIED  65 

Do  stoptun  tö  samane  staimbort  chludun 
braucht  das  handschriftlich  überlieferte  stoptun  durchaus  nicht,  wie 
noch  Braune  Ahd.  leseb.^  s.  77  v.  65  tut,  in  stopun,  praet.  von  stapan, 
geändert  zu  werden;  ebenso  wenig  ist  es  nötig,  dalür  einen  nicht 
belegten  inf.  alts.  *st6pian  anzusetzen,  es  ist  vielmehr  gleich  der 
Ahd.  gll.  H  561,  7  verzeichneten  ahd.  form  slouptnn  'instigant' 
(genaue  Übersetzung  wäre  'instigabanl'  oder  'instigarunt') ,  die 
sich  alts.  entsprechend  als  stp'ftxn  (dh.  stöftun)  ebenda  572,  38 
findet.  das  Hildebrandslied  hat  in  seinem  stöptiin  eine  Ver- 
mischung von  alts.  stöftun  und  ahd.  stouptun,  dem  praet.  von 
stouben  'stäuben,  staub  machen  —  erregen,  turbare'),  vollzogen 
und  bietet  damit  widerum  einen  interessanten  beleg  für  seine 
dialectmengung.  als  object  ist  natürlich  thiu  hros  zu  ergänzen 
und  die  in  rede  stehende  stelle  wäre  zu  übersetzen:  'da  liefsen 
sie  ihre  rosse  zusammen  stieben.' 

Berlin,  im  Januar  1885.  FERD.  HOLTHAUSEN. 


Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.   XVII.  25 


366        BEITRÄGE  ZUR  GERMANISCHEN  LAUTLEHRE 


BEITRÄGE    ZUR    GERMANISCHEN 
LAUTLEHRE. 

1.    altn.  hvi. 

Der  letzte  versuch  allo.  hvi  zu  erklären  ist  von  ANoreen, 
Altisl.  gramm.  §  144  unternommen,  die  identilät  mit  got.  hve, 
die  Paul,  Beitr.  z.  gesch.  d,  d.  spr.  und  lilt.  vi  215  angenommen 
hatte,  wird  auch  hier  vorausgesetzt,  wenn  nun  got.  sve  =  altn. 
svd  ist,  warum  lautet  got.  hve  im  nordischen  nicht  *hvä  sondern 
hvi?  Paul  glaubte  aut  'verschiedene  betonung'  recurrieren  zu 
können,  ohne  zu  sagen  wie  er  sich  dieselbe  denke.  Noreen 
trägt  die  Vermutung  vor,  der  dat.  sg.  der  nominalen  a- stamme 
habe  eingewiirkt:  also  nicht  *hvd  sondern  hvi,  weil  —  der  dat. 
sg.  von  armr  auf  -e,  -i  schliefse.  das  ist  ein  gewaltstreich  der 
Verzweiflung,  der  schon  darum  in  die  luft  gehen  muste,  weil  der, 
der  ihn  tiihrte,  nicht  beachtele  dass  altn.  hvi  so  wenig  von  alts. 
hwt,  ags.  hwy  wie  altn.^«'  von  9gs.  py  getrennt  werden  darl,  aul 
die  sächsischen  formen  aber  jene  weither  geholte  erklärung  nicht 
anzuwenden  ist. 

Schneidet  die  identificierung  des  altn.  hvi  und  des  got.  hve 
einer  annehmbaren  deutung  des  altn.  /  den  weg  ab,  so  ist  viel- 
leicht an  ihrer  berechtigung  zu  zweifeln,  hebt  man  sie  auf,  so 
wird  alles  klar. 

Ich  gehe  von  dem  durch  Sievers,  Beitr.  vni  324  IT  nachge- 
wiesenen factum  aus,  dass  das  germanische  eine  form  des  loca- 
tivus  besessen  hat,  deren  griechisches  muster  in  el,  öinXel,  aij^ei, 
navörj/u€i  vorliegt,  in  got.  hve  sieht  man  seit  langer  zeit  einen 
instrumental,  den  man  gr.  urj  gleichsetzt,  nichts  hindert  in  dem 
aus  altn.  hvi,  alts.  hwi,  ags.  hwy  zu  erschliefscnden  urgerm.  hol 
das  Spiegelbild  des  dorischen  rcel  zu  erkennen,  dass  lilr  hwl  die 
locale  bedeutung  nicht  mehr  nachzuweisen  ist,  kann  nicht  ins 
gewicht  fallen:  für  gr.  navörjfiei  und  viele  andere  ist  sie  es  ja 
ebenso  wenig. 

Die  notwendigkeit  altn.  hvi  von  got.  hve  zu  trennen  erhellt 
weiterhin    aus   der  lautlichen    ideutität  von  altn./i,   ags. /».v  und 


BEITRÄGE  ZUR  GERMANISCHEN  LAUTLEHRE       367 

got.  pei.  es  ist  gar  kein  grund  vorhanden  pei  aus  *paei  ent- 
stehen zu  lassen  (JSchmidt,  Zs.  1.  vgl,  sprachl.  xix  284,  Paul, 
Beitr.  iv  467),  und  gar  keine  möglichkeit,  dass/ee  instrumenlalis 
von  tja-  sei  (Bezzenberger,  Got.  adverb.  und  partikeln  88).  wie 
nahe  %o\.  pei  und  ags.  py  in  der  syntactischen  Verwendung  sich 
berühren,  lehrt  ein  blick  in  die  Wörterbücher:  goi.  pei  übersetzt 
gr.  ort  und  Yva,  »gs.  py  bedeutet  als  adverbium  'deshalb',  beim 
comparaliv  'desto',  als  conjunclion  'dadurch  dass,  weil,  auf 
dass.'  es  liegt  also  keine  veranlassung  vor  got.  pei  von  ags. 
py,  altn.  pi  zu  trennen,  wir  erhallen  somit  einen  urgermauischen 
localiv  pl,  der  mit  gr.  zel  in  relöe  sich  deckt,  neben  demselben 
steht  der  instrumentalis  pe,  dem  gr.  zi]  in  meg.  rrjöe  antwortet. 

2.     zur    flexion    der    adjectivischen    w-stämme. 

Mahlow  lehrt  (Die  langen  vocale  s.  30):  'bei  den  adjecliven 
auf  -u  ist  der  /a- stamm  nicht  ohne  weiteres  für  den  m- stamm 
eingetreten.  .  .  .  augenscheinlich  ist  er  mit  dem  lateinischen 
/-stamme  in  suüvis,  gravis  zu  vergleichen,  und  da  es  im  lateini- 
schen suävis,  nicht  *suädis  heifst,  so  muss  gerni.  *sva"tja-  aus 
*sva''tvja~  entstanden  sein,  mit  verlust  des  v  \or  j.'  ich  glaube 
den  nachweis  erbringen  zu  können,  dass  der  hergang  in  der 
hauptsache  von  Mahlow  vollkommen  richtig  beschrieben  ist.  skr. 
taniis,  lat.  tenuis  werden  im  germanischen  reflectiert  durch  altn. 
piinnr,  ags.  pynne,  ahd.  dunni.  bei  der  flexion  des  idg.  adjectivs 
t'^nü^  müssen  im  germanischen  zwei  stamme  fungieren :  im  nom. 
sg.  der  M-stamm:  germ.^Mww-;  in  den  übrigen  casus  der  y«- 
stamm:  Mahlow  zu  folge  germ.  ^MWMJm-.  die  nachkommen  dieser 
beiden  stamme  leben  in  den  genannten  germanischen  worlen 
weiter.  aUü.  purmr  hat  *punr  verdrängt;  das  nicht  umgelautete 
u  ist  alt,  das  doppelte  n  stammt  aus  den  obliquen  casus;  die 
nominative  ags.  pynne,  ahd.  dunni  sind  neubildungen  zu  den 
obliquen  casus  (vgl.  Behaghel,  Germ,  xxiii  275).  das  doppelte  n 
der  letzeren  kann,  weil  auch  das  altnordische  sich  an  der  ge- 
mination  beteiligt,  nur  aus  nw  hergeleitet  werden:  die  silbe  ist 
unbetont,  also  stand  der  urgermanischen  assimilation  nichts  im 
wege.  folglich  war  das  alte  stammhafte  u  vor  dem  i  des  m-stam- 
mes  noch  als  w  vorhanden:  mithin  ist  der  weg  von  hardu-  zu 
hardia-  allerdings  über  *hardwia-  gegangen. 

25* 


368       BEITRÄGE  ZUR  GERMANISCHEN  LAUTLEHRE 


3.    gutturale   und   labiale. 

a)  got.  slcpa?i. 

Fröhde  hat  iü  Bezzeubergers  Beitr.  in  15  1'  gr.  Xrjyto  (höre 
aul)  mit  ahn.  slakr,  ags.  sJäc,  ahd.  stach  zusanimeogcbracht, 
nachdem  Curlius  Grundz.^  nr  146  gr.  laya^Sg  (schmächtig),  Xa- 
yäaaai'  arpeivuL  (Hes.),  hit.  langueo  verglichen  hatte,  das  Ver- 
hältnis des  e  zu  kurz  a  ist  von  Saussure,  Systeme  s.  166  erklärt, 
vun  der  ertährung  aus,  dass  germ.  f  sehr  oft  aul  vorgermaui- 
schen  guttural  zurücklühre,  hat  Bezzenberger  in  seinen  Beiträgen 
v  172  altn.  sZopa,  ahd.  sfep/? ,  mni\.  slap  an  %v.  h'jyio  und  ver- 
wandte angeschlossen,  in  all  diesen  worten  kommt  der  begriff 
des  schlaff  seius  zum  durchbruche.  ich  trage  daher  kein  bedenken 
gr.  lifyio  mit  got.  sl^pan  zu  identificieren ;  wegen  des  begriffsver- 
hältnisses  genügt  es  an  die  Verwendung  von  gr.  avajtaveoä^ai  zu 
erinnern:  q^aol  de  tbv  S-ebv  avxdv  (poixav  rs  ig  %bv  vrfov  y.al 
a/^naveo^ai  errl  rrjg  y.llvrjg  erzählt  Herod.  i  182.  —  dass  das  p 
in  got.  slepan  auf  vorgermanischen  guttural  gehe,  hat  auch  schon 
Fick  durch  die  Zusammenstellung  des  wortes  (Bezzenbergers  Beitr. 
v  169)  mit  lit.  slygti,  slygoti  (schlummern)  anerkannt. 

b)  got.  stigqan. 

Die  Vermutungen ,  die  Fick ,  Wörterb.  in  343  über  stigqan 
vorträgt,  können  heute  nicht  mehr  befriedigen,  indes  hat  Fick 
den  weg  zu  einer  correcteren  ctymologie  des  deutschen  verbums 
selber  gezeigt  durch  seine  entdeckung,  dass  gr.  ß  aus  idg.  g  er- 
wachsen ist  (Bezzenbergers  Beitr.  vi  210  ff),  den  dort  angeführten 
entsprechungen  ist  die  gleichung  gr.  OTSf-ißa)  (stofsen,  stampfen) 
=  got.  stigqan  anzuschliefsen.  der  labial  konuiit  auch  im  deut- 
schen vor:  schon  JSchmidt,  Voc.  i  128  verweist  im  zusanmienhange 
mit  gr.  ax^ißio  und  anderen  Worten,  die  man  jetzt  ferne  hält, 
auf  ahd.  stampf,  stampfön. 

c)  geriu.  widan. 

Germ,  loarmaz  gegenüber  von  skr.  gharmns  ist  bisher  das 
einzige  sichere  beispiel  gewesen,  welches  man  für  die  Vertretung 
eines  idg.  gh  durch  germ.  %o  im  aidaute  hatte,  beachtet  man 
aber  dass  der  alten  spräche  leuchten  und  sehen  für  identisch 
gelten ,  so  wird  man  germ.  wlltö  (sehe)  und  germ.  gUtö  (glänze) 
mit  mir  als  nachkonunen  eines  ehemaligen  verbums  ghleidn,  glänze, 
betrachten,  dessen  anlaut  verschiedene  behandlung  zuliefs  und 
auch  erfuhr,  sobald  der  begriff  des  leuchlens  in  zwei  Itegriffe 
sich  gespalten  halte. 

Göttingen,   14.  in.  85.  F.  BECIITEL. 


ZUM  RENNER  369 

ZUM  RENNER. 

Am  schluss  seines  interessanten  aufsalzes  über  die  verloren 
geglaubte  Tübinger  Rennerhs.  (oben  s.  115  ff)  meint  Strauch,  in 
meiner  aulzählung  der  Rennerhss.  sei  das  Halberstädter  bruch- 
stUck  unberücksichtigt  geblieben,  dasselbe  ist  jedoch  unter  nr  25 
(Zs.  28, 176)  genannt. 

Ich  benutze  diese  gelegenheit,  um  mitzuteilen  dass  hr  proi". 
IVZingerle  mir  mit  dankenswerter  treuudlichkeit  nachrichten  über 
eine  bisher  unbekannte  hs.  verschafft  hat,  welcher  der  platz  wahr- 
scheinlich nach  nr  20  (Zs.  28,  176)  anzuweisen  sein  dürfte,  die- 
selbe befindet  sich  auf  der  Innsbrucker  Universitätsbibliothek,  wo 
sie  die  Signatur  nr  900  trägt,  es  ist  eine  foliohs.  des  xvjhs.  auf 
papier,  166  bll.  enthaltend;  auf  der  iunenseite  des  vorder-  und 
rückdeckels  steht  die  jahrzahl  1534,  wahrscheinlich  der  eintrag 
eines  früheren  besitzers.  die  hs.  endet  mit  den  worten:  Ein 
püch  hiez  der  samner  genmit  j  Het  ich  getickt  von  maniyer  hantj 
Des  ward  ein  sextern  verlorn  j  Die  selb  vertust  was  mir  zornj 
Und  macht  darnach  den  renner  /  Got  helff  vns  von  aller  swer.    Amen. 

Allen  ,  welche  mich  auf  bisher  unbenutzte  Rennerhss.  auf- 
merksam zu  machen  die  gute  haben ,  werde  ich  aufrichtig  dank- 
bar sein. 

Leipzig.  E.  J.  WÖLFEL. 


EINE   CONJECTUR    ZU  LESSINGS 
DRAMATURGIE. 

Gleich  zu  anfang  des  zweiten  Stückes  der  Dramaturgie  liest 
man  folgenden  satz:  der  dichter  kann  die  kunst  besitzen,  tms 
durch  Schönheiten  des  details  über  misverhältnisse  dieser  art  zu 
täuschen;  aber  er  täuscht  wis  nur  einmal,  und  sobald  wir  wieder 
kalt  werden,  nehmen  \oir  den  beifall,  den  er  uns  abgelauscht  hat, 
zurück,  so  lesen,  soweit  ich  sehe,  alle  ausgaben,  und  es  scheint 
auch  niemand  an  einem  worte  dieses  satzes  aostofs  genommen 
zu  haben,  auch  ich  las  immer  über  die  stelle  hinweg,  ohne 
etwas  auffallendes  zu  finden ,  bis  mich  dir.  dr  Schober  darauf 
aufmerksam  machte,  dass  hier  ein  alter  fehler,  der  schon  auf 
Lessings  raanuscript  zurückgehen  müste,   vorzuliegen  scheine. 

Es  handelt  sich  um  das  wort  abgelauscht.  Grimm  Wh.  i  69 
gibt  für  ablauschen  folgende  bedeulung  an  'etwas  ablauern ,  lau- 
schend gewinnen',  und  belegt  die  erstere  bedeutung  mit  unserer 
stelle  aus  Lessing,  die  zweite  mit  dem  beispiele  ein  der  natur 
abgelauschtes  lied.  ablauschen  =  ablauern  passt  auch  scheinbar 
zu    dem    oben    angezogenen    satze;    aber    eben    nur    scheinbar. 


370       EINE  CONJECTÜR  ZU  LESSINGS  DRAMATURGIE 

dass  ablauschen  in  übertragener  bedeulung  =  ablauern  gebraucht 
wird,  ist  nicht  zu  bezweifeln;  aber  es  kommt  auf  die  art  und 
weise  des  ablauerns  an :  es  handelt  sich  bei  dem  worte  ablau- 
schen um  die  erforschung  von  modalitäten ,  unter  welchen  einer 
zu  demselben  resultate  kommen  könnte,  das  ein  anderer  schon 
erzielt  hat.  das  lied  ist  vorhanden,  das  die  vögel  singen;  aber 
wie  soll  ich  es  nachahmen?  die  metallmischung  ist  da,  die  einer 
erzeugt  hat,  aber  wie  kam  er  zu  derselben?  und  analog:  das 
stück  fand  beil'all;  wie  lieug  es  der  autor  an,  denselben  zu  er- 
zielen ?  jemandem  beifall  ablauschen  kann  also  höchstens  bedeuten : 
'jemandem  die  art  und  weise  ablauern,  wie  er  den  beifall  hervor- 
ruft,' ich  kann  aber  unmöglich  im  gegebenen  falle  ablauschen 
mit  einem  objecte  verbinden,  das  mir  den  spontanen  eftect  einer 
gemUtserregung  anzeigt,  dem  an  sich  nicht  das  geringste  ge- 
heimnisvolle, unbekannte  anhaftet,  der  beifall  als  resultat  psychi- 
scher Vorgänge  ist  ja  ein  ganz  normales,  genau  beobachtetes  pro- 
duct,  und  nur  die  art  und  weise,  wie  diese  seelenregungen  her- 
vorgebracht werden,  die  erst  zum  beifall  führen,  ist  ein  geheimnis 
weniger  gottbegnadeter,  das  ihnen  eben  abzulauschen  wäre. 

Wir  würden  hier  erwarten :  wir  nehmen  den  beifall ,  den  er 
uns  entlockt  hat,  zurück,  und  zwar  wie  entlockt  hat?  durch 
täuschung!  also:  den  er  uns  abgetäuscht  hat.  Lessing  hat  hier 
oll'enbar  ein  Wortspiel  mit  dem  kurz  vorher  zweimal  vorkom- 
njenden  täuschen  beabsichtigt,  dieses  abtäuschen  ist  eine  neubil- 
dung  Lessiugs,  aber  eine  ganz  correcte  neubilduug  nach  'abhan- 
deln, abschmeicheln'  usw.  =  durch  handel,  Schmeichelei  usw. 
etwas  einem  anderen  gehöriges  in  seinen  besitz  zu  bringen  suchen, 
hier:    durch  täuschung. i 

Dass  ein  solcher  druckfehler  sich  einschleichen  konnte,  ist 
leicht  erklärlich;  es  war  doch  nichts  leichter,  als  ein  handschrift- 
liches t  als  l  zu  lesen  und  dann  für  äu  au  zu  drucken;  auf- 
fallend ist  nur  dass  bis  jetzt  der  fehler  von  niemandem  bemerkt 
worden  sein  sollte. 

•  leichter  entstanden  wäre  ablauschen  aus  abtauschen,  das  auci)  einen 
guten  sinn  gäbe,  sich  aber  docli  nicht  so  empfiehlt  wie  ablauschen,  abtau- 
schen hätte  dann  die  bedeutunjj  von  'ein  ding  gegen  ein  anderes  eintauschen', 
und  findet  sich  in  dieser  bedeulung  als  terni.  techn.  im  Schachspiel;  es 
lässt  sich  auch  mit  einer  stelle  aus  Wieland  belegen ,  die  Grimm  Wh.  i  69 
s.  v.  citiert:  ich  r/iuste  glauben,  Jemand  halte  mir  meine  eigene  i>erson 
abgetauscht. 

Wiener -Neustadt,  27  november  1884.  K.  TOM  ANETZ. 


ZU  KLOPS^rOCKS  WINGOLF. 

In  der  ersten  fassung  des  Wingolf  (Au  des  dichters  freunde) 
V.  65  heilst  es: 


zu  KLOPSTOCKS  WINGOLF  371 

Sing  Freund  noch  Hermann.     Jupiters  Adler  wekt 

Dein  Lied  von  Hermann  schon  voll  Entzücken  auf; 

Sein  Fittig  wird  breiter,  der  Schlummer 

Wölkt  sich  nicht  mehr  um  sein  feurig  Auge. 
dazu  bemerkt  der  neueste  Klopstock-herausgeber  dr  RHamel 
(iii  10):  Ciamer  hatte  die  absieht  dergleicheu  gesänge  zu  machen: 
sie  blieben  aber  unvollendet,  diese  notiz  erbt  sich,  bald  mit 
gröfserer,  bald  mit  geringerer  bestimmtheit  ausgesprochen,  durch 
alle  Kl.-commenlare  fort,  während  Hamel  ebenso  vorsichtig  wie 
schön  von  'dergleichen'  gesängen  spricht,  im  anschluss  an  Pawel 
(VVingolf  s.  72),  weifs  sowol  Düntzer  (Kl.s  öden  s.  72)  von  einem 
begonnenen  heldenliede  Hermann ,  wie  auch  Werneke  (Kl.s  öden 
und  elegien  s.  74).  diese  angaben  stammen  alle  aus  einer  notiz 
Cramers,  der  in  Klopstock.er  und  über  ihn  i  190  die  unaus- 
geführt gebliebene  absieht  seines  vaters,  gröfsere  gedichte  aus 
der  geschichte  der  älteren  deutschen  kaiser,  deren  Inhalt  krieg- 
und  Schlachtgesang  sein  sollte,  zu  bearbeiten,  erwähnt,  schon 
der  präcise  ausdruck  der  ersten  beiden  zeilen,  das  sing  . . .  noch, 
sowie  dein  Lied  von  Hermann  machen  so  vage  behauptungen  un- 
wahrscheinlich, es  existiert  würklich  ein  Cramersches  lied  von 
Hermann,  wie  eine  ode  in  den  Bremer  beitragen  zeigt  (vgl.  auch 
Scherers  Litteralurgeschichte  s.  407).  dort  steht  (1745  ii  47  ff)  Der 
gottesleugner.  an  herrn  Job.  Andreas  Gramer,  eine  Strophe 
daraus  lautet  (s.  54): 

Dein  Hermann,  Freund,  der  Erde  Rächer, 

Yor  dem  die  trotzigsten   Verbrecher, 

Die  Räuber,  die  die   Welt  geplagt. 

Die  Herrscher,  die  von  sieben  Höhen 

Monarchisch  auf  die   Welt  gesehen. 

Der   Völker  Bändiger  gezagt  .  .  . 

Was  würde  wol  dein  Hermann  sagen. 

Sollt  er  in  unsern  hellen  Tagen, 

Des  Irrthums  Nacht  vertheidigt  sehn. 
dazu  die  anmerkung:  iS.  in  den  Belustigungen  des  Verstandes 
und  Witzes,  Brachmonat  1744  Hermann,  eine  pindarische  Ode 
von  C**.  schlägt  man  nun  nach,  so  findet  man  s.  554  diese 
ode.  Gramer  führt  in  einer  reihe  von  Sätzen,  nachsätzen  und 
gegensätzen  aus  dass  Deutschland  Hermanns  nicht  mehr  würdig 
ist,  und  stellt  die  altgermanische  tapferkeit  in  gegensatz  zudem 
jetzigen  den  Franzen  dienenden  geschlecht,  doch  vielleicht,  meint 
er,  kann  die  dichtung  noch  die  herzen  umstimmen  und  ent- 
flammen: 

Tyrtäus  singt:    schnell  siegt  sein  Heer: 

Hat  denn  kein  Lied  die  Kraft  itzt  mehr? 
Klopstock  gibt  die  antvvort: 

Die  deutsche  Nachwelt,  wenn  sie  der  Barden  Lied  — 

Wir  sind  ihr  Barden  —  künftig  in  Schlachten  singt, 


372  ZU  KLOPSTOCKS  WINGOLF 

Die  wird  dein  Lied  hoch  im  Getöse 

Eiserner  Kriege  gewaltig  singen. 
So  der  wahre  sachverhall.  er  konnte  niemauclem,  der  sich 
nur  etwas  mit  Klopstock  beschättigen  will,  entgehen,  denn  die  ge- 
naue kenntnis  dieser  zeitschritten  ist  uuerlässlich.  doch  wir  haben 
es  bei  dem  neuen  Klopstockcultus  nicht  mit  wahren  forschern, 
sondern  mit  kritiklosen  Schwärmern  zu  tun. 

Berlin,  märz  1885.  DR  A.  VON  WEILEN. 


NACHTRÄOE  ZU  S.  288  ff. 

1.  s.  288  nr  70.  vgl.  Ält'r.  Hom.  1,  86  he  weard  his  lifes 
orwene.  1,  332  se  rka  weard  orwene  his  dgenre  dlysednysse. 
2,  150  sum  .  .  .  man  IcBg  a>t  fordside  his  freondum  orv)ene.  be- 
sonders aber  2,514  pd  ivcBS  d&r  an  awpa  geaHtrod  fmrh  na>d- 
dran,   swide  toswollen  purh  das  wyrmes  siege,    unwe'ne  his  lifes. 

2.  s.  289  nr  72.  ich  kann  jetzt  eine  stelle  anlühren ,  an 
welcher  ae.  warnian  unzweifelhaft  die  bedeutung  von  ne.  to  warn 
zeigt:  Hom.  1,  334  se  welega  .  .  .  gyrnde  fordi,  pcet  Lazarus  hl 
(=  his  gebrödra)  moste  warnigan,  pwt  hi  ne  becömon  to  his  süsle. 
aber  diese  tatsache  ändert  nichts  an  meiner  auüassung  des  dort 
behandelten  satzes. 

3.  s.  295  nr  94.  vgl.  Hom.  2,  188  nu  wylle  im  e'ow  sume 
gesiDutelunge  he  da're  gecydnysse  (über  das  alte  lestamenl)  sceortlice 
secgan,  päd  ge  eallnnge  pa's  andgites  orhlyte  ne  sjjn,  fordan  de 
nre  mä'd  nys,  fiwt  we  e'ow  he  fullum  andgite  hi  geopenian  magon. 
Thorpe  übersetzt   richtig   for  it   is  not  within  our  capacity  usw. 

4.  s.  296  nr  99.  meine  Vermutung  'forthwith  lür  hand- 
linga  ist  wol  nur  geraten',  ist,  sofern  ich  dabei  an  die  Über- 
setzerin dachte,  glaube  ich,  falsch;  denn  ich  tinde  im  alten  Bos- 
worth  173*  'handlunga,  forthwith,  Greg.  1,9'  und  so  auch  bei  Ett- 
müller  468  'handhmga,  adv.  confestim,  statim'  mit  demselben  citat, 
das  wol,  wie  vielleicht  auch  die  angesetzte  bedeutung,  auf  Ju- 
nius  zurückgeht,  aber  gerade  für  diese  stelle  in  den  Dialogen 
Gregors^  wird  die  Unrichtigkeit  dieser  auffassung  durch  das 
lateinische  original  erwiesen,  die  stelle  lautet  in  der  Haltonhs. 
fol.  19':  he  weard  pd  mid  pdm  siege  nyder  dstreht,  and  Imie  man 
healfcwiccne  handlunga  panon  dhöf.  im  original  aber  lesen  wir: 
ex  qua  percussione  prostratus  in  manihus  iam  semivivus  levatus 
est.     es  ist  klar  dass  handlunga  =  in  manibns  ist. 

*  eine  ausgäbe  dieses  bisher  noch  nicht  gedruckten  werkes  unter  be- 
nötzung  der  vorarbeiten  von  dr  Krebs  und  OCockayne  werde  ich  in  Ver- 
bindung mit  prof.  dr  Johnson  nächstens  erscheinen  lassen. 

Berlin,  den  28  lebruar  1885.  JULIUS  ZUPITZA. 


DEUTSCHE  PROSANOVELLEIS  DES  FLNFZEHMEiN  JHS.     373 


DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES 
FÜNFZEHNTEN  JHS. 

II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EVE. 

Alles  das  man  schraib  got  zu  lobe  und  zu  eren  und  zu  bes- 
serung  den  menschen,  wann  des  menschen  lursacz  gut  ist  und 
wirt  gefurt  durch  vil  mittel  in  ein  guts  ende,  so  ist  es  truchtpar 
vor  got  dem  herren.  und  darumb,  als  ich  geacht  habe  in  dieser 
zeit  cristenleut  sieten  und  besunder  der  die  in  der  ee  sitzen  und  5 
haben  nicht  den  glauben,  noch  der  man  dem  vveibe  und  das  weih 
dem  mau,  so  han  ich  von  gnaden  gots  willen  ein  historien  zu 
schreiben  und  iur  zu  legen  den  eeleuten  und  allen  menschen  zu 
pesserung,  als  ich  sie  dann  gehöret  han,  und  ich  getraw  gott, 
wer  die  historien  liest,  das  sie  in  raitz  zu  pesserung  seins  lebens,  10 
wann  er  hört  die  lürsichtikeit  des  (97*)  mannes,  von  dem  die 
red  ist,  und  der  diemutigen  junckfrawen  und  frawen  wunder- 
liche stattikeit,  gehorsam  und  sterck. 

Nun  hoer  zu,  man,  und  vernym,  weih  und  auch  junckfraw, 
und  lernet  zucht  und  tugent.  es  ist  gewesen  gar  ein  edler  reicher  15 
lurst  eins  lands,  von  der  gepurt  ein  marggrave,  und  der  was 
ausser  masen  guter  sieten  und  mer  dann  es  glaublichen  ist  und 
darumb  das  es  seltsam  ist.  und  der  selbig  wirdig  man  hett  die 
gnad  und  selikeyt,  das  er  ein  junckfraw  was  des  leibs,  und  keuscheit 
und  schäm  die  hett  er  gar  lieb,  wo  sein  nun  in  unseren  Zeiten  20 
der  fursten  kinder  und  nicht  die  allein,  sunder  auch  gemeiner 
leut,  also  reyne?  und  nicht  die  die  jungling  sein  sunder  so  sie 
kaum   sein  komen   zu   zehen  jaren  oder  zu   zwelfen:  —  und  al 

Überschrift  rot  (bl.  96')  Gar  ein  schon  lustige  historienn  von  einem 
tugenthafftigen  weysen  furstenn  vnd  einer  demutigenn  forchtsamen  Junch- 
frawenn  mit  dem  namen  Grisardis.  Maria  A  Überschrift  rot  (bl.  176')  Gar 
ein  schon  lufstig  jstoria  zu  höre  vö  eine  tugenthafftige  weifse  mechtige 
furfsten  vnd  herre  ein  markgraff  vnd  von  einer  demutigen  gotfurchtige  jück- 
frawen    mit  dem    namen   geheifsen   Grisardis  B  1  schreibet  B     von 

got  J  4  und  fehlt  B  7.  lü  jstory  B  8  furlege  B 

10  reifs  B  11   furchtigkeit  A,  umgekehrt  A  bl.  146'  gotfursichtig  für 

gotfurchtig,  vgl.  auch  378,  32  lesarten  12  wüdVlich  stetikeit  B 

16  gepurte  B  17  aufs  d^r  B      und   vor  darumb  fehlt  B  IS  es] 

er  A  23  sint  B      zehe  odV  zwellff  iare  B      [und]  alzuhät  so  B 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVII.  26 


374     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

zuhant  hat  keuschait  urlaubt  von  in  und  erstencken  und  verun- 
raiuen  iren  leibe  und  gehrauchen  nymmer  zu  dem  pesten  der 
freien  wilküre  dann  die  esel  (91^)  ader  ander  vihe  von  irer  na- 
turlichen ordenung.  dorumb  ob  diser  historien  umb  gut  sieten 
5  zu  lernen  unterweilen  etwas  erlichs  und  doch  das  da  straffpar 
ist  wirt  ein  gefurt,  des  sei  nymmand  verubel  haben,  ist  er  anders 
vernuftig  und  mag  begreiffen  den  fursaczt  und  guten  willen,  den 
der  dichter  dietz  puchleins  hat  gehabt  duerch  der  posen  zeit 
willen  die  do  ist  in  diesen  gegenwertigen  zelten,    fint  man  aber 

10  ymant  dem  es  niifsvelt  und  wirt  dor  inn  unmutig,  so  gee  er 
in  sich  selber,  und  vindt  er  sich  dan  schuldig,  so  volg  er  der 
vernutt  nach  und  nit  unordenlich  bewegung. 

Wie  die  unterlhanen  irem  herren  sollen  lur  legen  der  ge- 
mein nucz,  und  in  grosser  nott  sollen  sie  stett  sein  in  dem 

15  gewerb  und  was  ein  herre  sol  thön  in  dem  pesten  aufserwelen. 

Also  was  unter  dem  sailigen  tursten  sein  volck  trolicheu  und 

wolgemut,  das  sie  also  von  den  gnaden  gots  einen  (98')  als  tugent- 

lichen    herren   betten,     doch   so  waren    unter  ine  etlich  die  die 

salickeit  der  gemein  gar  weyfslichen  bedachten  und  mainten,  es 

20  ^ver  nucz  dem  land  und  der  gemain,  das  der  herre  zu  der  ee 
griff  und  nicht  allein  plieb.  wann  er  hett  nicht  prüder  den  er 
noch  seinem  tode  mochl  lassen  sein  turstenthum  dann  allein  zwo 
swester.  darumb  so  lorcbt  die  gemain  nit  unpillichen  die  Zu- 
kunft eins  bösen  herren,   der   in  leicht  fremde   und   unbekannt 

25  vver  und  nicht  gleich  were  irem  herren  den  sie  inzund  betten, 
sie  bedachten  auch  das  wort  des  heiligen  ewangelij,  das  spricht 
also:  ein  guter  paum  bringt  gute  frucht,  und  dorumb  so  gingen 
sie  oft  zu  ralt  und  gedachten,  wie  sie  mochten  einen  weg  finden, 
das  ir  herre  ein  edel  weih  nemen  von  gar  guten  sieten  als  dann 

30  ir  herre  wer,  wann  sie  hofften  das  die  frucht  gut  würd  und  ge- 
riet nach  dem  stamme,    aber  die  sach  was  ine  gar  swere,  darumb 

1  viiaub  B  d'rslrackeii  B  4  dise  jstori  B  5  straffet  B  S  po- 
sen] pson  J  [}  da  B  diesem  A  1(»  darjnne  ß  11  vol  A  12  nicht 
vnredlicher  B     bewegung  etc.    J  13  die  Überschrift   rot  AJi 

iren  A      jre  B  14  in   dem   gewerb]  etc.   A  15   aufsuerwelen  B 

hierauf  etc.  A  17  wolgemute  B  18  herziTn   A  22  zwu  B 

23  nicht   fanl  ausnahmslos  B  24  fremde  fehlt  A  25  irn  A 

jre  B      icziit  immer  B  20  gedachten  A         27  vgl.  Matth.  7,  17 

und  vor  darvnib  fehlt  B  28  bedachtn  B  29  nem  B       gar  fehlt  B 

31  slaine  A  vgl.  387,  1 


II    GRISARDIS  \0^  ALBRECHT  VON  EYE  375 

das  sie  nit  westen  des  herren  tursacz  und  (9S'')  das  man  im  des 
nicht  mocht  für  brlügeii  mit  giimpt.  doch  so  versuchten  sie  ir 
heyl  durch  nucz  und  beheltnufs  willen  der  gemein  und  erweiten 
auls  ine  von  den  haissen  der  gemeyn  die  furnemsten ,  die  dem 
fursten  sollen  lur  legen  iren  rat.  und  körnen  also  lur  sein  oren.  5 
und  do  er  vernam  den  Avillen  der  gemein ,  seiner  Untertanen, 
alzuhant  was  er  in  seinen  Worten  suelsgutig  und  dancket  ir  liebe 
und  sorgkveltickeyt  und  sprach  zu  ine  also  'es  ist  mein  wille 
nicht,  das  ich  mug  ein  weih  nemen,  wann  ich  getraw  got  meinem 
herren,  das  er  nach  meinem  tode  euch  versorg  mit  einem  fursten  10 
der  pesser  ist  dann  ich.  darumb  das  ir  in  meiner  person  habt 
beweist  ewer  frümkeit  und  ewren  glauben,  über  das  alles  bit  ich 
ewer  aller  tugent  und  messickeit,  das  ir  euch  mit  mir  leidet  in 
dem  stuck,  wann  ich  waifs  nit,  wie  lang  ich  lebe  oder  wenn 
mich  mein  schopfer  von  hynen  holt,  und  dorumb  so  wil  ich  15 
keuschheyt  und  reynickeit  in  meinem  leibe  (99^)  bewaren,  die 
mit  den  heiligen  engelen  gemeinschaft  hat,  und  wil  mein  sei  got 
dem  herren  unbefleckt  antworten  und  on  alle  begird  der  frawen 
und  ich  schätz  das  für  das  aller  grost,  wann  ich  hab  ewer  wol 
gepflegen,  das  ich  mag  komen  zu  dem  ewigen  reich  an  gros  sorg  20 
des  weibs  und  der  kinder.  wist  ir  nicht,'  sprach  der  fürst,  'das 
die  kinder  unterweilen  nicht  volgen  noch  geraten  nach  den  irum- 
men  iren  eitern?  ich  bit  euch,  das  ir  gedenckt  etlicher  altveter 
die  frumm  sind  gewest,  und  doch  ire  kinder  sind  ab  trelten  ferre 
von  der  frümkeit  ir  eiteren  payd  an  dem  dinst  gots  und  auch  25 
an  dem  glauben  und  in  menschlicher  wandelung.  Moyses,  Sa- 
muel, David,  Ezechias  und  Josyas  gedencket  in  den  altveteren, 
die  kinder  die  von  ine  bekomen  waren  — :  und  wanderten  nicht 
als  ir  vater,  sunder  dye  tatten  in  allen  iren  wercken  wider  die 
frumckheit  irer  eiteren,  geytzig  waren  dye  kinder  Moyses  und  30 
Zamuelis  und  (99")  unkeusch  die  kinder  Davides,  also  das  sie  nit 

1  ims  [des]  B  i  ine  fehlt  B  7  sufsgutig  vnd  genedig  B    ir'  B 

8  sorguellikeyt  usw.  B  9  imd  öfters  meine  JB  10  einem] 

meine,   m  ausgestrichen  A  12  so  pit  B  15  schepfl'r  v.  iiinnen  B 

und    fehlt  B  IS  und  fehlt  B  19  wen  B        ew'  hab  B 

20  gepflogen  B  21  der]   dy   B  11  ff  das  folgende  weitere  aus- 

fiihrung   der  worte  Petrarcas  saepe   fiiii  dissimillimi   sunt   parentum 
24  gewesen  B         ireu  usw.  B      abgetrelT.  B  25  ir'  B  27  Ese- 

chias  B       gedencke  A      an    den    alte  vettern  B  2S  und]    die  B 

29  veiter  B       dye]  sie  B  30  irr  B  31  Samuelis  B       Dauitz  B 

26* 


376     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

schoDten  irs  aigeu  pluls,  als  das  offenwar  ist  on  Abnou,  der 
seiner  swester  Thamar  ir  er  benam.  die  kinder  Ezechie  und 
Josie,  der  gaistlichen  kunig,  petten  an  die  abtgotter.' 

Do  nun  der  jung  lurst  und  margrave  die  poten,  dye  von 
5  seinem  volck ,  von  der  gemain  zu  im  gesant  waren ,  mit  solchen 
Worten  nit  mocht  gestillen,  und  ir  potschatt  je  wolten  gelreu- 
lichen  werben  und  begerten  ein  gevellig  antwort  der  gemein 
wider  zu  bringen ,  do  nam  er  ein  ander  sach  lur  sich ,  da  mit 
er   sich  von   ine  mocht  brechen,    und   sprach   also  'allerliebsten 

10  bruder  und  Iriindt,  ewer  begerung  und  ewren  guten  willen  zu 
meiner  person  hab  ich  lang  vor  gewifst,  aber  inzunde  so  erkenn 
ich  ine  volkumlicher.  doch  so  geviel  mir  wol,  das  ir  der  zeit- 
lichen hoffnung  und  luisacz  in  ungewissen  Sachen,  als  ich  euch 
beweist  habe  mit  trummen  veteren  und  mit  hosen  kinden,    ver- 

15  gesset  und  mich  ungehin(100^)dert  last  an  der  sailickeit  meiner 
sele  und  des  leibes,  wann  ir  habt  syn  mir  zu  nemeu  ein  plüm- 
men,  die  mir  in  meinem  leibe  nymmer  mer  mag  gewachsen,  got 
der  vermag  alle  ding,  aber  das  er  wider  mach  aus  der  junck- 
Irawen,  die  ir  reynickeit  verloren  hat,  ein  juncklrawen ,  das  ist 

20  unmuglichen.  warumb  wolt  ir  ewerm  herren  nit  turderlich  sein? 
sunder  ir  wolt  ewrem  tründ  und  bruder  verderplich  sein.' 

Do  antworten  die  poten  dem  iursten  und  sprachen  also 
'herre,  wir  glauben,  das  nit  alleyn  in  das  reich  der  himel  komen 
juncklrawen  oder  münch,    sunder  wir  haben  hoffnung   das  man 

25  da  auch  vindet  eleudt  und  witwen.  auch  so  mug  wir  das  vor 
ewren  gnaden  sprechen,  das  juncklrevvlich  reinickayt  unter  den 
lugenden  nit  ist  die  grost,  wie  wol  wir  lesen  das  sie  den  lem- 
lein  nach  gevolgt  haben,  aber  es  sterben  vil  junckfrawen  die 
in  ir  salickeit   und    in  irem  verdienen   in  dem    ewigen  leben  vil 

30  niynder  (lOO*")  haben  dann  Abraham  der  eman.  darumb  so  ge- 
traw  wir  ewren  wirdigen  sietten  das  ir  unser  holuung  uns  in 
kein  weifse  last  verliessen,  wann  unser  keiner  suchet  das  ime 
nutz  ist  in  seinem  haus,  sunder  mit  groser  sorgtveltickeit  forsch 

1  Abnon   dlt.  Amnon           2  Esechie  B           5  zu]  von  A  •»  ge- 

prechen  li         11  icznt  i/  12  volkümPlicher  B    der]  des  >^  14  kiiid'n  B 

v'gissel  Ä          16  leibes]  lebens   /        pluiiie  i^           IS  mdev /'e/ill  J 

19   ein  jückfraw  B           2(t  ew'n  B       furdeilicliFi    B  21    ewren 

fründen  vnd  bruderen  y/  24  nuiicli  B         25  vinde  B  26  jückfraw- 

licli  B          27  tugent  B  29  irr  B          31  unser]  vnd'r  B  vns]  vnd  A 

33  sorguellikeit  fursch  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  377 

wir  geren  den  nucz  der  gemeio.  gnediger  herre,  das  wir  euch 
tur  legen,  das  last  euch  zu  hertzen  geen  mit  vleis.  so  vindet  ir 
das  ewer  person  in  dem  gefencknus  der  ee  mer  mag  verdienen 
der  ewigen  seHckeyt  dann  das  ir  ein  miinch  plibt.  auch  so  trag 
wir  das  ein  zu  aller  vordrist:  wir  sind  die  ewren  an  gots  stat  5 
und  alles,  das  ir  uns  gepiet  in  zimlichen  und  in  erheben  dingen, 
des  sein  wir  ewren  gnaden  willig  zu  thiin.  auch  so  ist  es  zim- 
lich  und  gepurt  ewerm  adel  wol  zu  thun,  das  ir  in  der  sach 
den  willen  ewrer  gemain  volbringet  und  das  wir  uns  nit  Schemen 
unser  polschatt,  das  wir  nit  zu  getrawen  ewren  bewarten  und  lo 
frummen  siten.' 

Als  nun  der  fürst  das  hört  und  bekannt  ir  begeruug  aus 
iren  worten,  do  vil  im  ein  das  (101*)  wort  des  weisen  maus,  da 
er  sprichet:  ein  senftmutig  wort  brichet  den  zorn.  auch  mer: 
ein  weiser  mau  der  machet  sich  lieplich  in  seinen  worten.  do  15 
antwort  der  herre  und  sprach  also  'o  ir  menner  und  mein  volck, 
ich  erkenn  das  ir  nit  wolt  ab  lassen  von  ewrem  urtail,  und  das 
ich  rede  aufs  aigner  diemut  die  got  allein  bevelhet,  so  dünckt 
mich  das  ewer  statickeyt  in  aller  mafs  nit  redlich  sey.  darumb 
ist  es  fuglichen  euch  und  mir  das  wir  uns  bedencken.  dar  umb  20 
so  mugt  ir  nicht  gedencken ,  das  ich  ewer  pete  versmehe  und 
das  ich  euch  nitt  wol  boren,  wann  als  lang  bey  einnander  sein 
die  gelider  meins  leibs,  so  hab  ich  müt  in  ewer  gunst  und  lieb 
zu  pleiben  und  will  also  erfunden  werden,  ist  mir  got  gnedig, 
bey  ewer  itlichem  als  ir  mich  halt  in  der  gemein,  dorumb  so  25 
beger  ich  von  euch  das  ir  mir  von  der  sach  nit  mer  zu  sprechet 
scherpflichen,  sunder  get  zu  den  die  euch  gesant  haben  und  ge- 
denckt  mit  grossem  (101'')  vleis  was  in  den  dingen  zu  thün  sey. 
so  wil  ich  auch  sorgtveltiglich  und  mit  vleis  den  willen  und  fur- 
sichtickeit  gotes  an  ruffen.'  leren  hie,  amptman,  mit  kurtzen  30 
Worten  des  fursichtigen  mannes,  das  du  magst  in  solchen  dingen 
deinen  untherthanen  antworten  mit  diemut,  mit  statickeyt,  frunt- 
lichen ,  fursichticlichen,  nützlichen  und  guilichen. 

2  \at  B  4  eine    müich  B  5  zu   a.  stund  v.  J      vorderst  B 

sein  B         6  gepilet  B  7  sey  B     auch  bis  8  wol  zu  thun  fehlt  A 

9  ew'  B      schämen  B  10  bewertn  B  12  erkafite  B 

13  Prov.  15,  1  14  senfft-    gutig  B  15  Sirach  2U,  29  18  red  für 

mich  B     wolgefellet  B     lies  beveliet?  29  sorguellichen  B  30  gotes 

fehlt  A  31  macht  B  33  fursichtigen  A      nach  gütlichen:     Amen 

(rot)  A  etc.   B      die  folgende  Überschrift  rot  AB 


378     DEUTSCHE  PROSAKOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Von  nieister  Marcus,   wie   der   von   der   gemein   zu  dem 
fursten  wart   gesant   und  was  er  aldo  warb  von    der  ge- 
mein. 
Als   die   poteu    komen   zu   den   die   sie    gesant   betten    und 

5  sagten  des  tursten  antwurl,  do  verwunderten  sie  sieb  all  zumal 
des  herren  fursatz ,  und  als  sie  erkanten  das  ir  anvveisung  macht- 
lofs  war,  so  wolten  sie  docb  den  demutigen  tursten  und  den 
heiligen  man  von  gunst  und  von  lieb  wegen,  die  sie  zu  im  betten, 
nit  hart  noten   und  betrüben ,   sunder  iren  rat   und   iren  willen 

10  den  gussen  sie  in  einen  meister,  der  hiefs  mit  namen  (102*) 
Marcus,  und  an  dem  hingen  des  herren  rete,  und  er  was  im  vor 
anderen  relen  gehorsam,  leren  hie  gutickeit  zu  haben  gegen 
deinen  pflegeren  von  diesem  getrewen  volck,  besunder  wen  sie 
trumme  sein  und  tugentlich,  und  betrueb  nit  ir  messickeit,  ob  sie 

15  unterweylen  nicht  thun  nach  deinem  willen,  sunder  leyde  dich 
mit  ine  und  beyt  auch  irs  wolgefallens  zu  Zeiten  und  an  etlichen 
Sachen. 

Do  nun  maister  Marcus  vernam  das  pete  der  gemeyn,   wie 
wol  er  west  und  erkant  den   guten  fursalzt  seins  herren,    doch 

20  so  versprach  er  sich  geu  der  gemein  dy  potschalt  aut  sich  zu 
nemeo,  wann  er  vor  in  seinem  willen  sulch  sache  mit  dem  tursten 
het  zu  reden ,  ee  das  er  von  der  gemein  darumb  gebetten  ward, 
doch  so  bedacht  er  sich  darumb  das  es  baydes  gutz  was.  und 
er  hatt  es  dem  tursten  als  pald  nicht  tur  bracht,    wer  die  peth 

25  von  der  gemein  nicht  an  in  komen.  dann  wann  wir  vil  ding  in 
uns  uberslahen  welchs  das  nuczest  sey  zu  der  sele  salickeit ,  so 
vinden  wir  danuoch  kaum  das  pest,  darumb  das  wenig  sein  die 
den  menschen  gut  duncken,  und  der  aulsganck  unterweylen  (102'') 
iurt   in  den  tot.     auch   so  waifs  uymant,    ob  er  wirdig  sey  der 

30  lieb  oder  des  hafs  gots,  sunder  alle  ding  die  werden  uns  behalten 
in  Unsicherheit  in  die  zukunltigen  werlt.  dorumb  so  sein  die 
gedancken  der  menschen  lurchtig  und  unser  tursichtickeytt  ist 
unsicher. 

Also    nam   meister  Marcus  einen  guten  getrawen  von    seins 

2  aldo  fehlt  B      7iach  gemein:  etc.  A  4  Es  geschähe  als  B 

9  hartten ,   n   rot  ausgestriciwn  B       vor  willen  rate  ausgestrichen  A 
K»  mit  de  n.  B  12  reten]  lewte  B  20  dy  potschaft  bis  22  voa  der 

gemein  fehlt  A  22  darumb  er  ^.  A  23  gut  ß  25  an  in  nicht// 

Mann   fehlt  A      dinges    B  26  übersahen  //      nuczs  A  27  wenig] 

wog  B  30  hafses  gutz  B        32  fursichtig  A 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  379 

ampts  wegen  und  ging  zu  dem  fursten ,  da  er  wont ,  und  sprach  ■ 
zu  im  also  'wir,  alles  dein  volck,  her,  von  dem  grosteu   bifs  auf 
den  cleinsten,  tragen  dich  in  rechter  gedult  durch  deiner  frum- 
keit  willen ,    weisheyt   und   lursichtickeyt   und   wandelberheyt   in 
ordenlicher  Schickung  deins  furstenthümhs.     gnediger  herre,  lurst  5 
und  margrave,  ich  bitt  dich  durch  meinen  mundt  mit  eintracht- 
licher stymm  alles  deins  volcks,  das  du  uns  hörst,  herre,  nach 
gutickeyt   deiner    gnaden,      aller   lewt  munt   redt   von   dir  und 
spricht,  du  seist  in  tugenden  volkomen,  und  das  ich  nit  auff  ein 
newes   antahen   und   (103^  verdrossenlich    sey  deinen  oren   ein  10 
zu  treiben  das  du  kurtzlich  verstanden  hast  von  poten,  die  dein 
volck    zu   dir   hetten    gesaut,    also   bit   wir    noch   alle,   das   du 
unseren  rate  nicht  versmehest   und  nemest  dir  ein  elich  weipp, 
aufs  der  wir  von  dem  willen  gois  mugen  von  dir  erben  haben.' 
als  in  der  fürst  bifs  auf  das  wort  hört,  do  beltacht  er  sein  wort  15 
die   er  wolt   reden    und  begund    ine  gunstlichen    an  lachen   und 
sprach  also  'ich  habe  dich,  maister,  in  wirden  alzeit  gehabt  und 
ich  hab  dich   in  meinem   rechten  getrawen  funden.     dorumb  so 
bistu  wirdig  das   ich  dich  lieb   hau   und   acht  lewer.     doch  solt 
du   in  der   sach   mein  rede  wol  veruemen    und  solt  sie  mir  auf  20 
losen,  wiltu  anders  ann  endliche  antwort  komen  zu  den  die  dich 
zu  uns  haben  gesant.' 

Von  der  beswerung  die  die  muesse  leyden  so  an  der  ee 
sitzen,  und  sunderlich  von  hoffart  der  frawen. 
(103'')    'Ich  frag  dich    zum  ersten   als   ein  weissen  philozo-  25 
phum  und  einen  besuudren  meinen  gesellen',   sprach  der  fürst, 
'warumb  bedenckestu  nicht  das  das  allermaist  zu  furchten  ist  in 
der  ee,  das  die  Irawe  die  mir  wurd  zugefugt  leicht  von  etlicher 
hindernufs  ungeschickt  plibe  zu  entphaen,  und  wenn  ein  solchs 
geschehe,  was  smertzens  ging  dann  durch  mein  hertz,   das  ich  30 
erkennet   das   ich   und    ir  alle   unsere   hoffnung   hetten  verloren 

1  do  5  2  herr  B  3  dem  A  4  wandelbertikeyt  B 

5  vnordenlicher  A       herre  /'eklt  B  6  dich  fehlt  B  9  nichte  B 

10  anfahe  ^      vertrossenlichen  ^  11  das|_dastu5      kurczlichn  5 

14  vor  der  ist  dem  ausgestrichen  A       gehabü  B  15  bedacht  B 

seine  B         19  hab  B    tewer  achte  Zf         20  mir  sie  B         22  öm/"  gesant 
folgt  elc.  AB,  dann  Helena  eua  rot  A,  rot  auch  die  folgende  Überschrift 
in  AB        23  mufsen  B    so]  die  B        24  besüd'r  B        25  zu  dem  e.  B 
eine  B  27    bekumerslu    mich    das    A        zu]    in    B  28    frawen  A 

zugefurt^         29  wan  i^        30  meinst     das]  so  B        31  erkennt 5 


380  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

und  ich  besuuder  das  verloren  hett,  das  mir  nicht  raocht  wider 
werden,  du  vernymbst  wol  waifs  ich  meine,  wann  ich  es  auch 
vor  den  zu  antwort  hab  geben,  die  vor  dir  zu  mir  gesant  woren. 
nun  las  sein,  das  mein  traw  truchtpar  were  und  hett  doch  bosze 

5  sieten,  also  das  sie  hochvertig  were  von  gepurt  irs  geslechts, 
ader  lafs  sie  sein  aus  demutiger  gepurt:  wenn  sie  erhöhet  würde, 
so  wurd  sie  vil  leicht  unvertragenlich.  über  das  alles  sein  vil 
untugent  der  weiber ,  der  ich  gesweig.  das  du  nit  darlts  ge- 
den(104^}ken,  das  ich  es  lafs  von  erben  wegen,  doch  so  wil  icli 

10  dir  von  vor  genanten  Sachen  etlich  zaichen  lur  legen,  in  den 
du  mit  mir  solt  gedencken  zukunttiglich  verderbnus.  hastu  uit 
gelesen,  das  ersreckenlich  ist  zu  reden,  das  die  die  got  het  aufs- 
derwelt,  darumb  das  sie  den  weyberen  all  zu  huzlichen  bey 
stunden ,    haben   sie  sich  gekert  von  dem  hogsten  werckmaister. 

15  gedenck  mit  mir  an  den  aller  grosteu,  an  den  ersten  Adam,  an 
den  aller  strengsten  Sampson,  an  den  aller  weisten  Salmon,  von 
dem  die  geschrift  spricht,  das  sein  herlz  was  bofs.  do  er  alt 
ward ,  on  zweivel  von  ausser  mafsen  groser  lieb  wegen  der 
weyber,   petet   er   an  die   abtgotter   und   kert   sich  von   dem   er 

20  hett  geschrieben,  das  er  im  hat  gegeben  sailickeyt  der  vernutt, 
der  gedancken,  der  syn  und  zeitlicher  eren  und  reichthumb  über 
alle  die  vor  im  warden  oder  noch  im  künftig  würden,  er  het 
auch  solch  macht  von  gold  und  silber  (104''),  das  es  nicht  geacht 
ward  von  der  mennig  willen,     sunder  er  ward  darumb  nicht  mer 

25  gehaissen  Idida,  was  spricht:  er  den  got  lieb  hett,  wann  er  was 
ein  liebhaber  der  weyber.  und  geschehe  mir  ein  solchs  —  da 
got  vor  sey!  — ,  was  wurd  dan  aus  mir?  darumb  so  wir  nit 
wiesseu  zukunftige  ding,  so  las  wir  das  faren  des  der  dinger 
ein    ursach   ist.     hast  du   nit  das   in  deiner  gedachtnus,    das  do 

30  spricht  Sextus  philozophus:    er   ist  ein  eeprecher  in  sein  weihe 

2  waifs  =  was  B        4  mein]  dy  5  7  vnuertroglichü  B         8  durst  B 

llbedenckenÄ  12  eischrockenlichii  i?     aufserwelt  ß  13  liiczic- 

lichen  B,    vielleicht  hiczlichen?  14  gekart  B  16  Salonit'  B 

17  fr  vgl.  1  Reg.  cap.  11  und  3  17  schiifTt  B  IS  aufs  d'r  m.  B 
l{)  er  heit,  logisc/ier  wäre  hl  2(1  im  het  i?  21  zeitlich  ß  22  ward  y/ 
23vonsilberÄ  2^  mer  fehlt. i  25  Jedid-Ja  2  6'affi?/*?/.  12, 25  was] 
das  5  er  fehlt  B  wen  B  er]  es //  Tiini  fehlt  AB  mffvgl.H(ier- 
onijmus  adversus  Jovinianum)  1,4!)  (Migne  23,281).  Sextus  philosophus 
spricht:  der  ist  ein  eebrecher  in  seim  wib  der  sie  zu  hicziglicheu  lieb  haut, 
in  eim  fremden  wibe  ist  alle  lieb  ein  untugende  und  strafTlich  und  in  dem 
aygen  wib   ist  grosse   uberllissige  lieb  schenllich,    wan  lieb  bringt   unrate, 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  3S1 

der  sie  zu  begierlichen  lieb  hat.  in  ein  fremdes  weibe  ist  alle 
lieb  ein  untugent  und  in  das  aigen  weibe,  so  die  lieb  zu  grofs 
ist,  das  ist  schenllich.  die  lieb  der  schon  ist  ein  vergessenheyt 
der  vernutl.  die  lieb  der  weiber  macht  unratsamkeyt  und  bricht 
hoch  synn  und  gaist.  sie  württ  die  sele  von  grosen  gedancken  5 
und  von  vernüftigkeyt  und  pringt  den  menschen  zu  unendlichen 
und  verworffen  synnen.  es  spricht  Seneca ,  er  hab  bekannt  ein 
gelerl(105*)en  mann,  der  mit  fleischlicher  lieb  so  hart  gefangen 
was,  das  er  für  sein  brüst  hieng  der  frawen  furspan,  wenn  er 
aus  ging,  er  mocht  auch  on  der  frawen  gegenwerlikeyt  nit  sein  10 
auf  ein  punckt  einer  zeit,  und  ir  keins  unter  den  zweyen  tranck, 
es  wer  dann  von  im  und  von  ir  gekostet,  der  lieb  orden  was 
sitlich,  aber  die  gröfs  der  lieb  die  was  strafflich,  wann  die  sit- 
lichkeit  was  unsinickeit.  nun  Marcus,  du  gebieter  und  schicker 
meiner  rete,  was  dunckt  dich  nun  zu  thi'in  nutzlichen  in  den  15 
Sachen?' 

Do  antwort  meister  Marcus  und  sprach  zu  dem  fursten  also 
'herre,  ich  erkenn  das  ir  vil  beweisung  bey  euch  habt,  das  ir 
mugt  bewaren  ewren  fursaczt.  dorumb  so  wil  ich  mein  antwort 
verzihen,  bifs  das  ewer  gnad  hat  aufs  gesprochen  ir  beweruug  20 
ader  bewegung,  und  weil  ir  das  ihiit,  so  wil  ich  ewer  wort  mit 
vleis  mercken  und  wil  dann  dor  auf  antworten,  und  aus  den 
zweyen  (105'')  wol  wir  zihen  das  do  nucz  und  weishait  vol  ist. 
darumb  was  noch  do  binden  hat  ewer  sinreichhait,  das  zihet  herfur, 
wann  ich  las  mich  beduncken,  das  ir  noch  mer  habt  zu  reden.'  25 

bricht  tiohe  sinn  und  gaist,  nimpt  den  menschen  von  grossen  guten 
gedancken  und  bringt  in  zu  unendlichen  und  verworffen  dingen  E(he- 
standsbüchlein ,   ausgäbe  von  1475,    Conradus  Mancz  zu  blaubürren)  bl.  6" 

t  die  folgenden  in  c.  acc,  namentlich  an  erster  stelle  bedenk- 
lich, aber  doch  wol  zu  belassen;  in  E  in  allen  fällen  in  c.  dat.  in] 
vn  A      fremde  B      aller  A      d\\  B  1  /"  in  aliena  quippe  uxore  omnis 

amor  turpis   est,   in    sua  nimius  H  3   schentlichü  B  3  —  T  vgl.  H 

1,  49  (Migne  23,  280)  4  und  br.]  sie  prichet  B  1  ff  vgl.  H  1,  49 

fMg-ne  23, 281).  Seneca  spricht:  er  hab  gekant  ein  gierten  wisen  man  der 
mit  vlissiger  lieb  also  gefangen  wz  daz  er  an  sin  brüst  hieng  einer  frawen 
finspang  wen  er  uszgieng  die  in  des  uberret  und  geboten  het  dz  doch  vast 
schimpfflich  und  sputlich  zu  achten  wz  £  6/.  9"       eine  Ä  8  gelertiter^ 

fleifslicher^  9  furspan  fascia  H  10  gesein  B  11  einen  B 

12  erden  origo//^        18  her /lacA  erken  ^         19  beweren  5        20  bewerung 
ader    tehlt   B        21  bewegung  vgl.  385,  8.  9.    387,  24]   pewerung  A 
vnd  do  weil  B      ewreu  B  23  das  do]  da  do  B  24  het  A 


382  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

'Nim  höre',  sprach  der  margrave  zu  mayster  Marcus,  'leyd 
mich  ein  wenig,  so  wil  ich  dir  sagen  was  ich  gelernet  hab  von 
dem  weisen  Augustino.  der  heilig  vater  schreibt  ein  puch  zwi- 
schen im  und  seiner  vernutt,  do  er  under  vil  anderen  tragen 
5  die  den  menschen  zu  begird  zihen,  wirt  gefragt  von  der  vernuft, 
ob  in  nit  gelust  zu  haben  ein  weyb,  besunder  wenn  die  schone 
und  rein  were,  schemig  und  gelert  und  guter  siten  und  von  ir 
mocht  gelert  werden  und  die  im  auch  genung  gebe  in  dem  zu- 
schacz  und  die  ine  auch  nit  hindert  on  beswerung  des  studirens, 

10  und  besunder  das  er  sicher  wer,  das  er  zu  keiner  zeit  von  ir 
betrübt  würde,  nun  antwort  Augustinus  seiner  vernuft  und  sprach 
also :  male  mir  ein  weipp,  wie  schon  du  ymmer  wilt,  und  hoffel 
mir  sie  mit  (106")  allen  lügenden,  so  wil  ich  doch  keinerley  als 
ser  fliehen  als  dy  geselschaft  der  weiber,  wann  ich  vind  keinerley 

15  das  alle  kunst  und  menlichen  mut  als  ser  dernyder  druckt  als 
weybisch  wort  und  ir  begreill'en,  an  das  nymant  das  weybe  mag 
gehaben,  so  nu  also  an  gepurt  das  ampt  eins  weysen  maus, 
das  er  sol  unkeusch  versmehen,  und  der  der  ein  weipp  hat  der 
ding  an  ist,  als  ich  gesprochen  hab,  des  sterck  ist  zu  verwun- 

20  deren,  aber  ich  getraw  im  nicht  nach  zu  folgen,  wer  sich  ver- 
suchen wil,  der  thut  gar  torlichen,  und  der  ist  sailiger,  der  im 
entpfleucht.  darumb,  als  ich  wene,  so  hab  ich  mir  recht  und 
nuczlichen  gepoten  zw  freyhait  des  leibs  und  der  sele  nicht  zu 
begeren  und  nicht  zu  suchen  und   zu  nemen  kein  weihe,      also 

25  hast  du,  Marcus,  starcke  beweisung  wider  die  enzunden  wort 
der  frawen.' 

'Nun  bore,  was  ich  rede  wider  die  hofTart.  Philippus,  Al- 
lexandri  vater  und  künig  zu  Macedonia ,  wider  den  Demostenes 
olVenlichen  schreibt,    der    ging  zu  einen  Zeiten    nach  seiner  ge- 

30  vvonheit  (106'^)  in  die  kammeren,   und   sein  weibe   die  traib   in 

3  den  B     AugustW  B  h  ff  i\^l.  Augustinus  der  selig  vater  ward 

gefragt  von  der  Vernunft  ob  in  nit  gelüstet  zu  haben  ein  wibe,  besunder 
wen  sie  scliune  kusch  und  rein  wer,  schemig,  Myfs  gelert  und  guter  siten 
mit  genuglichen  zu  schaczen  die  in  an  studiren  und  lernung  nit  hindert 
noch  sunst  betrübet,  antwurt  Augustinus  nach  siner  vernunflt  mal  mir  sie 
wye  schun  du  wilt  und  hobel  sie  mit  allen  tugenden  so  wil  ich  doch  kai- 
nerlay  so  ser  fliehen  als  wiblich  geselschalfte,  wan  ich  finde  nichts  dz  men- 
liclie  mute  und  alle  kunst  so  sere  verleczt  und  nydertruckt  als  wiplich  ge- 
selschalft  IC   hl.  2'  ()  die]    sie  li  8  ge|nög   A  11   spricht  B 

Vi  als   ser    bis    14  keinerley   felilt  A  16  worl]    wirde   A 

IT  ampts  A  25  enczuntn  B  '11  ff  vgl.  H  1,4»  (Mignc  23,  27!)) 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  383 

zorniglicli  aufs,  als  sie  die  kameren  nach  im  zu  slug,  do  swaig 
er  und  sein  unrecht,  das  im  geschali,  das  torst  er  mit  einem 
wort  nit  offenwaren,  der  relor  Gorgias,  der  schraib  den  Kriechen 
aufsermafsen  ein  schons  puch  von  der  ainlrechtickeyt,  als  sie 
unanig  worden,  und  las  das  in  Olimpie.  do  antworte  sein  teinde  5 
Melantius  und  sprach  also:  dieser  gepewtet  uns  aintrechtickeit  zu 
haben ,  der  sich  und  sein  weyb  und  sein  meidlein  in  einem 
hause  nicht  eiutrechtig  kan  gemachen,  wann  sein  weyb  die 
ueyd  des  meydles  schon,  und  darumb  hett  sie  mit  irem  keuschen 
man  teglichen  krieg.  Socrates  der  het  zwo  Irawen  und  die  kriegten  10 
offt  mit  einnander,  und  wenn  er  das  hört,  so  spattet  er  ir,  darumb 
das  sie  umb  einen  stinckenden  menschen  mit  halben  nafslocheren, 
mit  einer  kalen  stirn,  mit  einer  rauhen  prust  und  der  auff  dürf- 
tigen tüessen  ging,  kriegten,  darumb  so  wurden  sie  eins  unholt 
on  einnander  und  saczten  sich  wider  ine  und  handelten  ine  gar  15 
übel  und  (107^)  lang  zeit  trieben  sie  iue  umb.  es  geschah  auch 
eins  mals,  das  der  irawen  ein  stund  ob  im  und  sprach  im  gar 
schemlichen   und  vil   böser  wort   zu,    und   als  es  Socrates  bort, 

l  zorniclichS  B     kämer  B  '1  f  das  torst  er  mit  e.  wort  nit  offen- 

waren, vielmehr  injuriam  suam  versii  tragico  coiisolatus  est /^  3  Gor- 

gias] uergafs  ^  '6  ff  vgl.  /^1,48  (Migne  Ti,21%).     Gorgias  der  rechtor 

het  ein  wib  die  stetes  mit  in  krieget  von  der  megt  wegen  die  im  liusze 
und  hübsche  was  darum  auch  die  frawe  die  niagt  nydt  und  hasset,  und 
als  Gorgias  den  Kriechen  schrib  und  schickt  ain  buch  von  der  eintrehtikait 
als  sie  uneins  waren,  ward  im  geantwurt  der  gebeut  uns  eintrechtig  zu  sein 
der  doch  sich  sin  wib  und  sin  mayd  dry  in  einem  husz  nit  eintrechtig  ge- 
machen kan  und  teglich  niytt  krieg  des  wibs  beladen  ist  E  bl.  3'.  das- 
selbe erzählt  Fischart  Philosophisch  ehzuchtbüchlein  1578  D  8"  nach 
Plutarch  4  aufs    d'r   m.  B       schon  B  5  vneinig  wäre  B       ant- 

worte AB  6  sprachii  B  7  haltii  B     und  sein  meidlein    bis  S  wann 

sein  weyb  fehlt  A  9  meidleins  B    darvmb  so  ß  10  Soerotes  AB 

zwu  B  \{)  ff  vgl.   /f  1,  4S   (Migne  23,  278/).      Socrates  —  der   selb 

hete  zwu  frawen  noch  gewonhayte  des  landes  die  kriegten  täglich  mit 
ainander  vm  den  alten  mane.  da  spotet  er  der  frawen  dz  sie  vni  in  krigten. 
also  vertrugen  sich  die  frawen  ob  dem  manne  und  kriegten  fürbas  mit  im. 
dz  litt  er  gedultiglich.  ains  mals  heten  sie  grossen  krieg  mit  im,  gaben 
im  vil  böser  schentlicher  rede,  da  gieng  er  usz  dem  husze.  da  begussen 
sie  in  mit  unraynem  wasser  von  oben  herabe.  da  wischet  der  gedultige 
man  sin  haubt  und  sprach:  ich  west  wol  dz  nach  aim  solchen  durnen 
kumen  wurd  ain  regen  E  bl.  56*,  vgl.  auch  Spiegel  der  sitten  von  1511 
bl.  37"  12  simis  naribus  H         13  rauhen   prust :  pilosis  humeris  H 

der]    dar  A       auf  dürftigen    fuessen :    repandis   cruribus  H  14  unholt] 

vnd  holt  B  18  schentlich  B      es]   ir  B      Soerotes  AB       hört  fehlt  B 


384     DEUTSCHE  PROSAIS'OVELLEN  DES  FÜiSEZEHNTEN  JHS. 

antwort  er  ir,  do  begols  sye  in  mit  unreinem  wafser.  do  ant- 
vvurt  er  ir  nicht  mer,  sunder  er  wischet  sein  haubt  und  sprach: 
ich  west  wol  das  nach  dem  doner  ein  regen  kome.  Marcus,  du 
solt  nicht  vvenen ,  das  der  weiber  hoffart  und  zorn  die  diemüt  irs 
5  geslachts  stillen  und  gezeraen  müge,  wenn  sie  erhocht  werden, 
des  ist  ein  zaichen  in  Chato  Censorius,  wann  Actoria  sein  weibe, 
wie  wol  sie  was  geporen  von  einem  demütigen  gesiecht,  so  was 
sie  doch  aufser  mafsen  Irevel  und  unverschambt  und  das  kaum 
glaublichen  ist  was  sie  Cathoni  hoffart  beweist,    wiltu  auch,  maister 

10  Marcus,  nit  hören  von  einem  anderen  haimüchen  leyden,  doch  so 
wil  ich  dirs  für  legen,  und  las  dir  es  zu  hertzen  gan.  als  die  histo- 
rien  sagen,  so  ist  zu  Rom  gewesen  ein  hubscher  man,  den  (107'') 
sein  frunde  strafften  darumb  das  er  hett  urlaub  geben  einem 
schonen  weibe,  dye  keusch  was  und  hett  gnung  an  zeitlichem  gut, 

15  also  das  es  kaum  zu  bedencken  was,  was  ine  beswert  hett.  so  rackt 
er  einen  fuefs  von  im  und  sprach  also:  secht,  diefs  schuch  der 
ist  new,  und  er  liget  mir  gar  hubsclich  an  meinem  fuefs,  aber 
ewer  keiner  [aus  euch]  wais  nicht  wo  mich  der  schuch  druckt 
dann   ich   allein.     Tullius  Cicero  ward  gepeten  von  Hircio ,    das 

1  antwuit   fer  ir]  B       do   begofs  —  do  antwurt   er  ir  fehlt  A 
3  käme  B  5  geslechtz  vns  (lies  und)  gepurt  [stillen  und]  B  6  das  A 

Chato  (katho  B)  vnd  Censorius  ^iß,  gemeint  ist  aber  Cato  Licinianus, 
der  söhn  des  Cato  Censorius  t>  /f  vgl.  H 1,  48  (Migne  23,  279)       Actoria 

Paula  H  8  aufs    der  B  11  gen  B     jstorien  B  12/7"  vgl.  H 

1,  48  (Migne  23,  279).  man  list  in  den  historien  der  Römer  daz  zu  Rome 
ist  gewesen  ain  wiser  man  den  sein  freund  darumbe  strafften  das  er  hete 
usz  getriben  und  von  im  getlian  sin  schönes  wib  die  doch  frum,  gütig  und 
kusch  WZ  dz  man  nit  gedencken  mocht  wz  in  beschwert  solt  haben  wan 
si  auch  gnug  an  zitlichem  gute  het.  do  man  den  wisen  also  straft,  da  reckt 
er  von  im  ain  fns  und  sprach:  secht  lieben  fründ  der  schuch  ist  nuw  gjat 
und  hübsch  aber  üwer  kainer  waist  wa  mich  der  schuch  druckt  den  ich 
allain.  da  durch  gab  er  zu  versten  dz  er  sin  wib  nit  on  ursach  von  im 
gethan  het  E  bl.Z'".  gemeint  sind  Paulus  Aeniilius  und  Papiria,  vgl. 
die  litteraturangaben  bei  Goedeke  Dichtungen  von  H Sachs  1^,  153.  F'ischart 
Philosophisch  ehzuchlbiichlein  1578  B  6"  12  gar  ein  hubischer  B 

13  straffen  A         14  zeitlichen  A         15  es]  er  A     zu  fehlt  A     do  B 
16  difser   schuhe  B  17  hubschlichü  B  19  Tuli't  B  Vj /f  vgl. 

H  1,  48  (Migne  23,  278).  als  auch  Tulius  hat  gesprochen  do  er  Hirtus 
Schwester  nit  wolt  nemen,  wan  es  ist  vil  das  den  frawen  zu  gehört  kösper- 
liche  klayder,  hefftlin,  ringe,  bernlin  und  edel  gestein,  zerung,  mayde  und 
mancherlay  huszrat  dar  nach  sind  sie  die  ganczen  nacht  schweczig  kippelen 
und  kiffen,  grynen  und  zannen  und  sprechen  zu  den  mannen:  die  ist  bas 
geklaydet  dann  ich  bin.     so  wirt  die  niere  geert  und  geladen  dan  ich  und 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  385 

er  sein  swesler  neme  seint  den  malen  das  er  Terencia,  sein 
weihe,  hett  urlaub  geben,  des  enwolt  er  nicht  thün  und  sprach 
zu  im  also :  ich  kan  dem  weihe  und  meinem  studiren  kain  ge- 
nung  thuu.  was  sprichestu,  Marcus,  lieher  maister,  in  diesen 
Sachen?  ich  hit  dich,  das  du  mir  antwort  gehest,  wann  du  wayst  5 
vor  allen  leulen  mein  gescheft.' 

Do  sprach  mayster  Marcus  zu  dem  tursten  also  'ist,  her,  hie 
das  end  ewer  hewegung?'  'nein'  sprach  der  herre.  do  sprach 
meister  Marcus:  'gnediger  (108*)  herre,  ewer  hewegung  die  müst  ir 
all  aufs  giessen,  also  das  die  geledigt  stat  mag  in  siech  genemen  10 
das  frummen  pringt  und  nucz  ist.'  do  antwort  im  der  marg- 
grave  und  sprach  also  'das  ich  nun  wil,  maister  Marcus,  aus 
sprechen,  dor  innen  soll  du  mich  wol  versteen  und  soll  nit  ge- 
denckeu,  das  ich  die  ee  woll  verdammen,  die  heilig  und  von  got 
geschaffen  ist.  aber  schilleng  über  ein  aug  straff  ich  do  mit  15 
heffliglichen  pubin  und  ruffion  und  die  bedachten  eebrecher  dye 
alle  mit  der  ee  bedackt  werden,  das  mir  gar  sere  mifsvelt.  Theo- 
Irastus  der  heidenisch  mayster  schreibt  ein  puch  von  der  ee,  das 
er  nennet  Aureolam.  in  dem  puch  fraget  er  under  vil  fragen, 
oh  ein  weyser  man  sol  ein  weih   nemen.     zu  haut   tregt  er  ein  20 

ich  arme  bin  verworffen  und  verschmecht.  mere  sprechen  sie  warumbe 
hastu  die  nachbiirin  an  gesehen?  was  hastu  mit  irer  mayd  geret?  waz  hastu 
mir  vom  marckt  gebracht  und  geliauffte?  lade  mir  denn  fründe.  lade  mir 
den  gesellen,  du  bist  by  der  gewesen,  du  hast  sie  liebe  und  bist  mir 
veindt  und  so  du  ir  das  gancz  husz  befilchst,  mSs  ir  yederman  dinstlich 
sin.  beheltestu  aber  etwas  in  diner  gewalte,  so  spricht  sie  du  wollest  ir 
nit  getruwen  wirt  dir  hessig  und  gran,  schilt  und  flucht  dir  und  gedenckt 
dich  villichte  zu  toten  und  ist  si  ann  so  ist  dir  schwer  sie  zu  erneren  ist 
si  aber  rieh   ist  dir  peinlich  si   zu  liden  E  bl.  2'.  3'  1  seintenmalen  B 

torencia  AB         4  in]  zu  B  12  wil  nach  Marcus  B         13  dar  B 

15  scliilhent  Ä       aug]  lang,  1  ausgestrichen  A  16ruffian^       be- 

dacklFi  B  17  bis  387, 12  vgl.  Hl,  47  (Migne 23, 2'&/f),  wo  ein gröfserer  teil 
des  Theophrasti  de  ?it/ptiis  libcr  aureolus  aufnähme  gefunden  hat  11  ff 
Theophrastus  der  ain  iunger  Arislotiles  gewesen  ist  schribt  über  dise  frag 
in  dem  buch  der  hochzil  und  spricht:  ist  sie  hübsch  und  von  guten  siten 
von  erberen  eiteren  geboren  und  fruchtber  und  so  er  ist  gesund  und  rieh 
so  mag  ain  wyser  man  nemen  ein  wibe.  so  sich  aber  dise  dinge  seiden  alle 
begeben,  ist  eim  wisen  kain  wib  zu  nemen,  wan  durch  ein  wib  wirt  ge- 
hindert die  lernung  der  geschrifTt  und  die  wiszhait  und  mag  kainer  wol  ge- 
dienen den  künsten  und  dem  wib,  der  wiszhait  und  dem  bette  E  bl.  2". 
hieran  schliefst  sich  in  E  unmittelbar  das  zu  384,  \Si  ff  ausgehobene 
19  Awerolam  B 


386  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

und  spricht  also:  ist  sie  schon  und  hat  sie  gut  sieten,  ist  sie 
vonn  guten  leuten,  ist  sie  gesunt  und  reich,  ist  sie  geschickt 
kinder  zu  tragen,  also  mag  unterweilen  ein  weiser  man  (108'') 
ein  weih  nemen.  doraulT  antwort  er  zuhant  und  spricht:  das 
5  vindet  man  gar  selten,  aber  wenn  du  sie  genymst,  so  hastu  es 
alles,  dorumb  soll  kein  weiser  man  ein  weih  nemen.  zu  dem 
ersten  hindert  sie  den  vleis  zu  der  weifsheit,  wann  es  mag  uy- 
mand  gewarten  der  wncher  und  des  weibs.  es  ist  auch  vil  das 
gehört  zu  der  notdurft  des  weibs:  edel  cleider,  edel  gestein,  golt, 

10  zerung,  meide,  allerley  haufsratt,  wagen,  slietten  und  allerley 
gülden  gesmeide.  über  das  clagen  sie  und  reden  dir  nach  und 
sprechen  also:  die  get  auf  der  gassen  pas  gezirt  dann  ich,  die 
eren  alle  lewtt,  und  ich  arme,  wenn  die  trawen  zusammen  komen, 
so  würd  ich  versmecht.    solcher  clag  ist  vil.    nun  mug  wir  das 

15  weihe  nit  gelassen  allein,  nymmest  sie  dann  mit  dir,  so  tregstu 
ein  pürde.  ein  arme  mag  man  kawm  erneren ,  ein  reiche  zu 
tragen  ist  peynnig.  secz  dor  zu ,  das  du  sie  nicht  beschawen 
magst,  dann  als  sie  kumpt,  also  mustu  sie  behalten,  ein  weiser 
man  der  ist  nym(HJ9^)mer  allein,    wann  im  ist  gegenwertig  die 

20  vernutt  und  die  guten  werck  die  ye  gewest  sein,  die  halt  er 
vor  ime  und  er  kert  den  freien  mut  wo  er  hin  wil,  und  was  er 
nicht  vermag  mit  dem  leibe,  das  volendt  er  mit  fursichtickeit. 
gebrechen  im  lewt,  so  redt  er  mit  got.  also  ist  er  nymmemer 
allein,     auch    ob   mau   zu  der  ee  greift  von   der   kinder  wegen, 

25  das  unser  name  nicht  vergee,  ader  das  wir  haben  unsers  alters 
versorger  und  gewies  erben,  das  ist  recht  unsynnickeit.  was 
get  uns  das  an,  so  wir  von  dieser  weit  scheiden,  und  das  ein  ander 

I  hat   [sie]    B  3   tragen]    machii    B  7   so    hindert   B 
8  Wucher  =  bucher      des]  das  A           8 — 17  vgl.  384,  19/7  lesarten 

10  meide   fehlt  A        wagen,   slietten   \isw.    lecticae   et   esseda   deaurata  // 

II  guidein  5  14  wi'ird  ./ =  wird       versincht  y/       d'r  ist  ^ 

15  nymslu    B  i«j  purdfi  B     arnieu   dy  B         17   peynnig  =  mhd.  pinec 

secz]  das  A  sie  nach  du  fehlt  A  H/falso  beschlüsset  Theophrastus 
die  fürgenummen  frage  dz  kain  wale  und  beschawen  sey,  ain  frawe  zenemen, 
siinder  wie  die  kumpt,  so  miistu  sie  behalten,  sie  si  unlidelich,  zornig,  hof- 
fertige, ain  lorin  oder  wyse.  wie  sie  ist,  kan  nit  vor  gewissen  werden  snnder 
darnach  in  dem  eelichen  wesen.  ain  pferde,  csel,  ochs  und  ander  ding  werden 
versucht  vor  ee  man  sie  kafft.  aber  ain  frawe  die  man  zu  der  ee  nemen  soll, 
wirt  nit  vor  bewert,  dz  sie  nit  werde  verschmecht  und  myfsfalle  ee  sie 
werd  genummen  E  bl.bb"  19  \n  A  21   was  fehlt  A         23  nym'  B 

25  aber  A,  s.  übrigens  RKöhler  Vier  dialoge  von  HSachs  s.  I  14  x,u  62,3 1 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  3S7 

genent  wirt  nach  unserem  namen  ader  stammen ,  so  doch  der 
sone  zu  hant  nicht  gleich  ist  dem  vater,  und  ir  sein  doch  vil  die 
einen  namen  haben?  oder  was  ist  das  nucz,  das  du  do  haymen 
einen  sone  ernerest.  der  villeicht  dir  stirbt  oder  wirt  unleyden- 
lich?  und  wen  er  kumpt  zu  seinen  jaren,  so  erpeytet  er  iiaum  5 
bifs  das  dich  der  tot  holet,  darumb  so  sein  pesser  und  gewieser 
(109'')  erben  gut  frunde  und  magen,  die  du  getrew  erfunden 
hast  dann  die  die  du  must  haben,  es  sey  dir  lieb  oder  laide. 
doch  so  ist  das  das  gewiesser  erbe,  das  du  deins  gutes  wol  ge- 
bruchest  die  weyl  du  lebst,  dann  das,  das  dir  mit  deiner  arbeit  10 
und  sorgen  ist  sawer  worden,  lest  anderen  leuten  villeicht  zu 
Sunden.  Marcus,  das  alles  sein  die  wort  Theotrasti  des  philo- 
zophen.  nun  sag  mir,  was  dir  zu  müt  sey  mit  mir  zu  reden, 
wann  welchs  cristenmensch  bewegen  des  haidens  wort  nit,  so 
unser  Wandlung  sol  sein  in  dem  himel?  und  wir  solten  als  vol-  15 
komen  sein  in  unserem  leben,  das  wir  alzeit  sprechen  mit  Paulo: 
ich  begere  zu  sterben  und  zu  sein  mit  Christo,  ich  sprich  mer : 
sol  der  begeren  erben,  der  do  teylhaitig  ist  des  erbteils  Crisli? 
und  sol  er  wünschen  kiuder  und  kindskinder  die  villeicht  der 
entencrist  vindet?  und  als  ich  den  geantwort  habe  die  dye  pat-  20 
schalt  vor  dir  worbeu  van  der  rete  unser  gemein ,  das  Moises 
und  Samuel  iren  kinden  ander  lewt  lurgesaczt  haben,  darumb 
das  sie  (110")  sahen,  das  ire  kinder  got  nit  woU  gevielen.  hye 
sey  das  end  meiner  bewegung,  wann  ich  wil  dich  mit  meinen 
Worten  nit  lenger  aul  halten,  sunder  ich  bitdich,  das  du  nicht  25 
unterdruckest  und  versweigst  deine  gedancken  und  in  gantzem 
getrawen  und  mit  nuczen  reten  unlerweifs  uns.' 

Von  schemigen  und  keuschen  Irawen  und  aufs  in  wirt 
beweifset  zucht  und  ere  der  ee  und  das  sie  nicht  alle 
lewt  sollen  versmehen. 

1  unseren  A      ader  stammen  fehlt  B  3  oder]  dor  A  6  bifs 

fehlt  B      helet  B  7  mag  B  &  du  fehlt  A  9  gewifsest  B 

gutes  wol  fehlt  A        10  die  w.]  da  w.  B        12  sint  B     ptiiiosopiii  B 
14—23  vgl.  //1,48  (Migne  23,278)  liaec  et  huiuscemodi  Theophrastus 
disserens,  quem  non  suffundat  Ctirislianorum,  quoruni  conversatio  in  coeiis, 
qui  quotidie  dicunt :  cupio   dissolvi   et   esse  cum  Christo  (Phil.  1,23)? 
16  unseren   A  18  begerer  AB  19  er  soi  AB  20   entencrist 

fehlt  A  21  lies  mit  B    den   reten?  22  kindern  5  25  nicht] 

mich  A  26  deine  A      gantzen  A  28  Überschrift  rot  AB      schä- 

mige B      in  wirt  fehlt  A  29  webeist  A       und  ere  fehlt  B  30  ver- 

sweigen  A,  hierauf  rot  Maria  hillff  aus  nett  A 


30 


'  388  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Do  swaig  meisler  Marcus  ein  wenig  mit  hangendeai  ant- 
luctz  und  gedacht  sich,  was  er  solcher  weisheyt  antwort  soll 
geben,  darnach  rieht  er  sich  auff  und  ging  den  hern  an  mit 
solchen  werten  und  sprach  'gnediger  herre,  mich  hat  verwundert 
5  (und  bin  ersrocken  in  mir)  dye  hohe  der  tursichtickeit  ewres 
hertzen  rete,  so  ich  schacz  ewren  fursacz,  warumb  ir  habt  bifs 
aul  die  zeit  gesessen  on  gesellschaft  weyblicher  art,  und  wie  wol 
ir  (110'')  von  angeporner  irumkeit  und  diemut  oft  mit  mir,  ewrem 
diener,  habt  von  der  sach  wegen  geredt:  —  und  han  ich  doch 

10  uit  volkumlichen  die  haimlickeit  ewrs  hertzen  verstanden  bils  auf 
diese  zeit,  hier  umb  alles  das  ir  habt  für  gelegt,  das  ist  wir- 
dickeit  vol  und  durchleuchtet  mit  warheit.  doch  pit  ich  ewer 
furstenlich  tugeut,  das  ir  mir  nitt  verubel  vvolt  haben,  das  ich 
antwort  als  das  mir  mein  synne  verleihen,  wann  ich,  ewer  diener, 

15  bin  zu  antwort  vol  worden,  also  das  es  mich  betzwingt,  und 
las  ich  nicht  von  mir  zu  verantworten  frawen  zucht  und  ere. 
wer  ist,  der  auch  entpfangen  rede  bey  im  mag  behalten?'  do 
sprach  zu  ime  der  marggrave :  'rede  in  gantzem  getrawen,  maister 
Marcus,   und  behalt   gar  nichts  nitt  bey  dir  verholen.'     do  ant- 

20  wort  meister  Marcus  und  sprach  also  'herre,  alles  das  ir  vor 
habt  erzalt,  als  ich  dann  vor  gesprochen  han,  das  ist  wol  zu 
furchten,  sehe  wir  allein  böse  und  torchte  weiber  an.  aber  das 
ist  nicht  zymlichen  albegen.  wann  ine  aller  mafs  als  vil  zor- 
niger (111*)  und  hoffertiger  frawen  sind,  also  thar  ich  gesprechen, 

25  das  man  auch  vindet  gültig,  zuchtig  und  verlragenlich  frawen. 
wer  darumb  will  aller  wind  in  acht  haben ,  der  sehet  keinen 
acker,  und  were  all  wolcken  mercken  wil,  so  hewet  er  das  gras 
nymmermer.  also  sprich  ich,  das  die  ee  darumb  ist  nitt  zu  ver- 
lassen  und   besunder  wer  vernuftiglich  will   schetzen   den   stant 

30  vil  lewtt   und  volckes.     ab    nun    hose  weiber   sein    zu   furchten, 

1  anhangenden  y^  2  bedacht  Z?  3  darnach  do  j5  ging  den  hern] 
uing  A  7  die]  difseu  B  8  angeporn  B         9  habt  fe}ilt  A      wegen 

fehlt  B  und]  so  5  10  volkümenlichn  Z^  12niitd'ri?  15  worden] 
wmdes  A  windes  B      es]  er  AB       und  fehlt  AB  17  d'r  enpfangen  B 

IS  gantzen  y/         1!)  iniV  fehlt  B  21  als  —  han /t-A/f  ^/         23  zim- 

lich  B       in  B  25  v'treglich  B  26  in    acht   ziueimal  A  vgl.  wer 

allzeit  auf  den  wind  will  sehen,  der  wird  nicht  säen  und  nicht  mähen  Sim- 
i'ock  D.  sprichw.  11044  und  Schuhe  üie  bibl.  Sprichwörter  s.  04  zu  Eccles. 
11,  4  27   vgl.    IVander  Deutsches  sprichwörterlexicon    5,  385    s.  v. 

wölke  nr  48.  50  2S  nym'  B  nicht   ist  B  29  vernufticlichn  B 

schacze  B      stat  B  30  voick  A      sinl  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EVß  389 

wolle  wir  darumb  all  ptaffen  werden  oder  niünch?  Cristus, 
unser  herre  und  got,  dem  ward  in  seyn  heiligs  haubt  getruckt 
ein  dornekron,  da  von  illich  stielt  besunder  sein  tropfen  namen 
seins  edlen  und  tewren  pluts,  in  einem  gleichnufs  edels  ge- 
stains:  was  sein  die  slainlin  der  cron  Cristi  anders  dan  mani-  5 
gerley  statt  alles  cristenvolcks,  die  das  haubt  Cristi  ziren?  wann 
er  ist  unser  aller  haubt  und  alles  cristenvolck  die  sindt  sein  leibe 
ewiglich  on  ende,  darumb  müessen  (111'')  in  der  zirde  des  hauls 
gots  etlich  sein  junckfrawen ,  etlich  wittiben ,  ethch  eelewt  und 
ander  keusch  menschen  als  niunch,  pfalTen  und  closterfrawen.  10 
und  das  obgnant  volck  wirt  auch  anders  unterschaiden,  und  also 
hab  wir  fursten  und  künig  und  ander  prelaten,  die  der  gemein 
vor  sein  und  auch  die  des  leibs  nott  besorgen:  also  haben  wir 
ackerlewt,  vischer,  sneider  und  kauflewt,  pecken  und  schuster 
und  gemeinlichen  alle  hanlwercklewt.  und  das  alle  ding  orden-  15 
liehen  in  der  heyligen  gemein  des  gaistlichen  lebens  stellen  und 
in  zu  nit  kome  ein  schedlich  tayllung,  so  ist  es  nicht  zymlich, 
das  der  vischer  sei  ein  fürst,  und  herwider  stund  es  übel,  das 
der  konig  were  ein  mulner.  also  begert  die  zimlickeit  aller  stat 
furdinst  und  wirdickeit  der  gepurl  eins  itlichen  geslachts,  und  20 
wer  also  got  begert  wol  zu  gefallen,  der  bleib  in  seinem  orden, 
dor  ein  in  gott  hat  geschickt,  und  lebe  dor  inu  tugentlichen,  so 
nymbt  er  nach  seiner  arbeit  den  Ion  von  got  hie  (112^)  und 
nach  diesem  leben  dort,  als  nun  ewer  furstenlickeit  ist  allein 
wirdig  in  ewer  person  des  furslenthümbs ,  so  ist  es  zimralichen  25 
in  allem  gemerck,  das  ir  volget  dem  pet  der  gemein,  so  die  pete 
ist  in  erheben  dingen  und  nicht  ist  wider  der  sei  selickeit.  und 
das  ich  das  vor  ewren  gnaden  rede:  ir  habt  vil  herein  gezogen  von 
untugende  der  weyber  euch  zu  aigner  enlschuldigung.  doch  bort 
mich  in  gedult,  so  wil  ich  euch  überwinden  mit  beyzaichen  frummer  30 
frawen  und  wil  mit  macht  Erkule  den  prugel  aus  der  haut  nemen.' 

1  müich  usw.  B        3  durnein  er.  B    itlichm  B    knmen  B        4  tewerm 
B    einen  A         5  Cristo  A         7  cristenvolcks  A         8  ewiclichn  B 
so  mvfs  B    zeitt  A         9  etlichen  w.  ^         11  und]  od'r  B         12  künig 
u.  fursten  B  13  versorgen  B      hab  B  15  gemeincklichen  B 

16  in  dem  B      stenn  B  17  zu]  yn  B      kümen  B  18  sein  A 

so  stund  B  19  der]  er  A  Tl  darjnne  B  24  dort  fehlt  B 

furstenlich  wirdikeit  B        25  wirdig  fehlt  B        26  besvnd'r  so  B        28  das 
vor  vor  fehlt  A    [ir]  habe  A         29  aigner]  ein'  B         30  pezeichil  B 
31  vgl.  clavani  Hercuii   extorquere   de  manu  H  (Migne  23,  935)  imd  Her- 
Z.  F.  D.  A.    XXIX.     N.  F.  XVII.  27 


390     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

'Saget  mir,  was  dunckt  euch  von  den  weiberen  die  got  iu 
der  heiligen  geschrieft  hat  geschrieben  und  uns  gegeben  zu  einem 
spigel,  dar  inn  wir  uns  sullen  beschawen ,  Sara,  Rebecca,  Lia, 
Rachel  und  Debora,  Johel,  Judith,  Ester  und  an  zal  ander  vi), 
5  auch  in  der  new  ee  vil  frawen  aus  der  ee  und  in  der  ee  und 
vill  junckfrawen,  dye  umb  tugent  durch  das  swert  sind  zu  Cristo 
komen  ?  was  gedenckt  ir  besunder  von  Elizabeth ,  sant  Johans 
des  tauffers  muter,  (112*')  Anna,  unsers  herren  Jhesu  Cristi  an- 
fraw,   Anna    ein   tochter  Samuel,   Placilla  Theodosy   des  kaisers 

10  weih,  Elizabeth  ein  lantgratfin  in  Döring,  Paula  und  Monica  dye 
muter  Augustini,  über  die  alle  die  muter  gots,  die  rein  maget, 
die  junckfraw  Maria,  dye  alle  haben  an  der  ee  gesessen,  mit 
unterschaid  allein  Maria  mit  irem  gemahel  Joseph?  aber  so  ir 
habt  von   haidennischen  weyben   ewer   disputiren  volbracht   und 

15  erzalt  ir  untugent,  euch  zu  hilf,  so  wil  ich  nun  mein  antwort 
thün  auch  von  haidennischen  weyben  und  wil  aufsen  lassen  vil 
wirdiger  tiawen  auch  in  dieser  zeyt  und  wil  aufs  iu  beweisen 
solch  keuscheit  und  frumkeyt,  das  ir  must  sprechen,  das  ir  über- 
wunden seyt,  und  müst  volbringen  das,   das  wir  zimlichen  und 

20  erheben  von  ewren  wirdigen  gnaden  haben  gebetlen.  das,  das 
pofs  ist,  das  bewegt  unterweylen  einen  menschen,  aber  das  gut 
ist  das  liget  ob.  darumb  das  gut  das  kompt  nit  besenlich  aufs 
dem  posen,  sunder  das  bofs  ist  das,  das  von  dem  guten  bofs 
worden  ist.'    do  (113")  sprach  der  marggrave 'Ihuslu  das,  Marce, 

25  so  thue  ich  deinen  und  des  volcks  willen.'  do  antwort  mayster 
Marcus  und  sprach  also  'herre,  ewer  antwort  hab  ich  nit  mit 
tauben  oren  gebort  von  ewrem  mund ,  und  das  ir  sie  nicht  wi- 
derruft noch  eintrag  vindet,  des  secz  ich  euch  selber  zu  einem 
gezeugen.'     'ist  mir  got  gnedig',    sprach    der  fürst,    'so  bin    ich 

30  ein  gezeug  und  ein  volbringer  der  werck,  ob  ich  erkenn,  das 
cules  lässt  sich  seine  keule  nicht  leicht  aus  den  händen  winden  Wander 
D.  sprichw.-lexicon  2,  52t)  1  dunck  A       den  fehlt  A  2  schlifft  B 

hat  nach  uns  B      geschrieben  und  /e/i/<  B      vns  und  A  3  jnne  B 

Lia  fehlt  A  5  auch  in  der  (den  B)  new  ee  vil  fehlt  A  6  durch 

fehlt  A  9  Anna   ein   tochter  Samuel   (saniiel   B)  gemeint  ist  Hanna 

die  tochter  Phanucls,   Luc.  2,  36  —  38         Placilla  vielmehr  Flaccilla 
theo  II  sy  ^  10  during  B      pawla  B,    Schülerin  des   hl.  Hierontjmus, 

vgl.  Spiegel  der  sitten  von  1511  />/.  130'  11  vnd    über  B      maget  die 

fehlt  A  llweibern^  17  aufsj  auch  ^/  22  besenlich  =  wesen- 

lich 23  nur  ein  das  B  24  ist  vor  23  von  B  25  thun  ich   an 

reite  (i   ausgestrichen)  B  26  dy  hab  B  27  ewrnn  A      28  das  .'/ 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  391 

du  mir  hast  genung  gelhana  in  deiner  antwort.'  'so  vvil  ich 
euch  lur  legen  weiber,  herre',  sprach  Marcus,  'dye  nicht  allein 
ir  man  in  grosser  keuscheit  und  reyuickeit  haben  lieb  gehabt, 
sunder  sie  sein  also  keusch  und  rein  erfunden  also,  wenn  in 
der  man  starb,  zu  dem  sie  juucktravven  waren  komen ,  das  sie  5 
nach  im  begerten  nit  lenger  zu  leben,  und  sie  schätzten  es  gar 
für  ein  grose  untugent,  ab  sie  einen  andern  man  betten  ge- 
nomen.  und  zum  ersten  zeuch  ich  herein  Diedo,  Pigmaleonis 
swester,  die  nach  irs  mans  tode  sampnet  ein  grofs  summa  (113'') 
gelts  und  für  über  mer  und  pawet  dye  stat  Karthago,  do  das  lo 
sähe  der  konig  Hiarbia  von  Libia,  do  warb  er  umb  sie  zu  der 
ee.  aber  sie  schob  es  auff,  bifs  die  stat  volbracht  ward,  nicht 
lange  darnach  und  die  stat  volpracht  was,  do  machet  sie  ein 
gros  fewer  zu  einer  gedechtnus  der  lieb  irs  toten  maus  Siechei 
und  warf  sich  dar  ein  und  wolt  lieber  verbrynnen  dann  einen  15 
anderen  man  zu  nemen.  diese  fraw  in  keuscheit  pawet  ein  stat 
Cartbago  und  verpran  in  dem  leben  der  keuscheit.  Hastrubalis 
eines  konigs  weihe,  als  ir  stat  von  den  Römeren  wart  gewunnen 
und  an  gezündet  und  was  umbgeben,  und  umb  das  irem  leibe 
nicht  unrecht  geschehe,  do  nam  sie  ire  kinder  zu  payden  seyten  20 
und  viel  von  dem  haus  hernider  in  das  fewer.  aber  höret,  was 
theit  Nicerati  weip:  als  ir  man  unrecht  laid  von  seinen  vein- 
deu  und  wart  getodt,  do  dottet  sie  sich  auch,  das  sie  icht 
must  smacheit  leiden  an  ir  keuscheit  von  den  thirannen,  die 
Liesonnder  hett  auff  gesetzt,  do  er  Athenas  gewan.  Arthemisia  25 
vor  Zeiten  (114^)  ein  weibe  Mausoli,  von  der  saget  man  gros 
keuscheit.  die  was  ein  konigin  von  Carie  und  ist  von  edlen 
poeten  und  ist  von  historienschreiberen  ser  gelobt  und  besunder 
dorumb  aller  meinst,  das  sie  iren  man  alzeit  tot  als  lieb  hett  als 
in  dem  leben,  und  sie  pawet  auff  ine  ein  grabe  von  wunder-  30 
Hoher  schone  und  grose ,  das  bifs  auff  disen  tag  all  edel  greber 

2  her  für Ä        5  jückfraw  ^        6  schätze./     ^sv  fehlt B        8  zu  dem 
e.  so  B      dido  B         %  —  s.  395,  27  vgl.  H  1,  43—46  (Migne  23,  273—276) 
8— 17  =  £*/.14"         9suma^      sviTiÄ  11  sah  «acÄ  libia  5      hiazbi'a  5 

Hyarba  E  12  ader  ^      nicht  lange  — 13  was  fehlt  A  14  siechn^^ 

sithei  B       Sichey  E  15  prinne  B  16  zu   fehlt  B.     vielleicht  zu  ee 

nemen?         17  verprant  5        17— 21  =JS  i-Z-ll'.  12"         17  Baslubal  ^ 
18  dem  ^        19  ire  r/5        22  Niceratz  [weip]  .^        25  lisander  ß     gesaczt5 

Athenae^    Anthonas  ß    Arlhemia  ./Ä        26  Mausolon  ^ /)/>  Mausolou 
=  MavaaoXov?  mansoli /?         28  jstorienschreibfi  B        30  wunderlichen  A 


392     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FCNFZEHMEN  JUS. 

von  irem  mann  haissen  Mausolea.  Teuta  die  konigin  Illiricorum 
was  lang  ein  gepieteriu  ausser  mafsen  starcker  man  und  sie  zu- 
brach Ott  mit  ir  eim  her  der  Romer  sterck.  das  hett  sie  ver- 
dient mit  irer  keuscheit.  dye  Juden  und  gemainiglich  all  haideu 
5  haben  vil  weiber  und  sie  haben  unter  in  das  gesecz,  das  die 
allerlibst  unter  ine  wirt  verprannt  mit  dem  manne,  wenn  er  lodt 
ist.  und  so  der  Icichnam  aufl' der  par  ligt,  so  komen  zu  samme 
all  sein  weiber  auff  das  aller  hochgst  geclaidt.  do  hebt  sich  dann 
unter  ine  ein  krieg,   welche   die   keuscht  ist  gewesen,    und  die 

lu  zeugnufs  der  (IH"")  keuscheit  beweist  allein  der  tot.  und  die 
die  also  ob  leyt,  die  seczt  sich  in  ir  geziert  bey  dem  manne  und 
halst  und  kust  ine  und  versmeht  das  tewer  nicht  durch  die  lieb 
der  keuscheit.  ich  mein,  dye  also  den  todt  nit  versmeht,  das  sie 
iren   man  lieb   hat  und  keinen   anderen   nach   ime  habe.     Alci- 

15  biades  der  Socraticus  der  flöhe  zu  dem  herzogen  Farnabasum, 
als  Liefsannder  Athenas  gewan.  der  herzog  nam  lone  von  Li- 
sandro  und  slug  Alcibiade  das  haubt  abe   und  sant  es  Lisandro, 

und  das  ander  teyl  liefs  er  unbegraben.    aber  sein  mayd , 

die  bey  im  aufs  der  ee  slieff,  die  ging  wider  das  gepot  des  un- 

20  parmherzigen  feinds  durch  dye  veind  und  waget  iren  leib  und 
begrub  iren  herren.  das  sollen  ansehen  cristenweiber,  die  trey 
sein,  und  sollen  den  glauben  iren  mannen  halten,  den  also  hielt 

1  mansolo  heifsen  niansolea  B  Teuta]  Seneca  A  Teneca  B ,  loitwe 
des    liönif^s    Agvo7i    vo?i    Illyrien         jliiicorum   B  2    laniig    zeit   B 

aufs  d'r  B        zubracht  A  3  ire  if      ein  A,  fehlt  B  4  ir  5 

Juden  y^Ä,  vielmehr  die  Inder,  vgl.  H \y\\  (Migne  Ti,'ll'^]  gemein- 
cklichn  B  \  ff  vgl.  es  schribt  auch  Valerius,   daz  in  dem  lande  India 

sey  gewonhait  dz  ein  man  mer  frawen  (drrick  fraw  |1  ne)  mfig  gehaben,  so 
vil  er  mag  erneren  und  so  der  man  sterbe,  kumen  alle  sin  frawen  für  ge- 
richt.  do  selbst  ir  yede  Ursachen  lYirbringt,  dz  sie  dye  liebste  sey  gewesen, 
dz  erkent  der  richter  mit  nrtail.  welche  dan  die  liebste  wirt  erkant,  die 
get  mit  früden  zu  dem  feuer  und  legt  sich  (druck  sie)  ufT  den  toten  man 
mit  im  zu  verbrennen,  die  andern  gen  dennen  mit  schänden  vnd  mit  trwren 
E  öLb"  7  Samen  B  S  aller  fehlt  B  \)  wider  ine  A  Kl  das 
gezeucknufs /?       tat  ^  11  jr'  B       den  dote  mä  B  Vi  also  fehlt  B 

nit  fehlt  B  14  und   keinen    anderen    nach   ime  habe   nicht  ganz 

logisch,     puto   ([uae    sie   moritur,    secundas    nuptias    non    requirit    H  1,44 

(Migne  'IZ,21\]  15  socroticus  AB  17  lisandero   B  IS ] 

abtides  A  Altidis  B  nach  Plularch  hiefs  sie  Timandra,  nach  Athenamis 
Theodata.    II  nennt  die  c.oncy\h\n9  nicht  mit  namen  20  parmherzigen   / 

21  ff  imitentur  matronae  et  matronae  saltem  christianae  concubinarum 
fidem  et  praestenl  liberae  quod  captiva  servavit  //         22  also]  do  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRFXHT  VON  EYB  393 

ein  unelich  weipp  umb  gelanckniis.  Abrailatas  hell  zu  einem 
weibe  Panthiam,  die  ine  aufser  mal'sen  lieb  bett  (115°).  die 
selbig  Panthia,  die  was  unglaublich  schone,  und  Abradatas  bett 
gar  ein  guten  fründe,  dem  saget  er  seins  vveibs  schon  und  ir 
schemigkeyt.  und  zu  einen  Zeiten  do  weiset  er  sie  seinen  fruuden  5 
also  nackende,  aber  sie  west  es  nicht,  do  kam  es  tur  den 
konig  Cirum,  als  dann  Xenophon  der  philozophus  schraibt.  der 
liefs  Abradatas  dorumb  dotten.  do  sprach  Panthia  sein  w-eib: 
der  kunig  hat  recht  sach  gehabt  zu  meinem  man,  das  er  in  hat 
lassen  toten,  ich  erkenn  das  er  mich  nit  als  lieb  hat  gehabt  10 
als  ich  ine,  darumb  das  er  mich  einen  fremden  hat  als  nackent 
lassen  beschawen.  und  darnach  bekert  sie  sich  in  irs  totten 
manns  lieb  und  sie  leget  sich  zu  den  wunden  seins  leibs  und 
stach  sich  durch  ir  brüst,  und  ir  wunden  blut  gofs  sie  in  irs 
toten  maus  wunden.  Strato  der  konig  in  Sidon  der  forcht  sich  15 
also  hart  vor  den  von  Persen,  das  er  sich  selber  wolt  toten, 
doch  enthielt  er  sich  und  bayttet  mit  forchten  der  zukunit  seiner 
(115'')  veinde.  und  do  sein  weibe  erkannt,  das  er  zuhant  würd 
gefangen  und  von  seinen  veinden  must  zu  gespot  werden,  do 
nam  sie  im  sein  swert  aus  der  haut  und  stach  in  durch  payde  20 
seyten  seins  leybs.  und  sie  leget  sich  darnach  auf  ine  und  lottet 
sich  auch  umb  des  willen,  das  sie  nicht  nach  irem  man  must 
eins  anderen  manfs  gewalt  leyden.  Lucreciam,  als  dann  die 
historien  sagen,  dye  layd  zu  Rome  gewalt  und  auch  grosen  frevel 
an  irer  keuscheit  von  dem  jungen  kunig  Tarquino.  darnach  25 
wolt  sie  nicht  lenger  leben,  umb  das  ir  an  irem  man  was  un- 
recht gesehen,  sunder  die  vermaylung  ir  keuscheit  wischet  sie 
abe  mit  irem  aigen  blutt.  darumb  do  wart  der  kunig  Tarquinus 
mit  seinem  sone,  der  die  unlugent  an  dieser  frawen  gethan  helt, 
aufsgetriben  und  das  reich  ward  einem  anderen  und  wart  im  ge-  30 

1 — 15  =E   bl.  12"  1.  3.  S  Abeadices  A  Abradices  B ,  nach  Xejio- 

phon  und  H  Abradatas,  in  E  nicht  mit  namen  genannt  2  panlbiä  .IB 

=  Panthea      aufs  d'r  B  3  selb  B  4  eine  B  5  sie  fehlt  A 

freunt  B  6  das  k.   [es]  B  7  vrenophen   A       vxenophan   B 

9  meine  AB  11  fremde  mä  B       nacken  B  12  beharret  B      sich 

fehlt  B  ^^  ff  Secrota  A      Socroto  B  für  Strato  regulus  Sidonis  H 

in  Sidon  der  fehlt  A  16  persona  17  zu  d'r  z.  b         21  erdotetÄ 

22  auch]    auff,    u   durchstrichen  A       ichl  B  23  Lucronu  B 

23 — 30  vgl.  die  ausführlichere  darstellung  E  bl.  12' — 13°,  auch  Spiegel  der 
Sitten  von   1511  bl.  32'  24  auch  fehlt  B  25  jt'  B  2S  do]  so  B 

TrackwinQ  B 


394     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

nomeu  von  den  Romeren.  herre',  sprach  meister  Marcus,  'ich 
lob  dye  keuscheit  der  frawen  nicht,  das  sie  sich  selbs  ha(116^)ben 
getott,  sunder  solch  tugenhch  schäm,  keusch  und  reyuickeyl 
suUen  cristenliche  weyber  au  ine  haben,  herre,  habet  ir  nun 
5  ein  genung'  sprach  maister  Marcus,  'an  den  exempeln  von  groser 
trew  und  frumkeyt  frummer,  keuscher  frawen  (wann  die  posen 
sind  vor  gezali),  so  hat  mein  antwort  hie  ein  ende.' 

'Mich   duuckt,   maister  Marcus',   sprach   der   margrave,   'du 
habst  noch  pey  dir  mer,  und  was  das  ist,  das  lafs  uns  vernemen.' 

10  do  sprach  mayster  Marcus  'herre,  ich  wil  ewrem  willen  gnung 
thün.  Duilius  der  aufs  den  Romeren  zu  dem  ersten  in  schieffen 
mit  streitten  ob  lag,  der  nam  die  junckfrawen  Bilia  zu  der  ee, 
dye  als  groser  schäm  und  keuschheyt  was,  das  sie  nicht  allein  der 
vorgnannten  weit  sunder  auch  dieser  gegenwertiger  weit  sol  sein 

15  ein  lebendigs  exempel.  es  leyt  unterweylen ,  als  dann  von  ewren 
synlichen  gnaden  vor  aus  gesprochen  ist,  frewliche  schäm  und 
keuscheit  zu  winzing(?),  und  das  ich  geswaig  der  pubin  (IIG""),  so 
ist  doch  das  ein  Sprichwort,  das  die  weih  gemeinlichen  legen  ab 
die   schäm   mit   den  claideren.     so    nun  Duilius  alt   und  kranck 

20  was  und  an  seinem  leyb  zittert,  do  hört  er  zu  einen  Zeiten  von 
einem  seinem  veinde,  das  er  zu  im  sprach  schentlichen :  du 
stinckendes  maul,  do  er  solch  wort  hett  vernomen ,  do  ging  er 
haim  und  clagt  es  seinem  weib  Bilia  und  sprach  zu  ir  also: 
Warumb  hastu  mir  solch  gebrechen  als  lang  verswiegeu,  das  ich 

25  erczney  da  für  gethan  hett?  do  sprach  sein  fraw  Bilia  gar  gut- 
lich: ich  hett  es  vor  laugest  gethan,  aber  ich  meint,  das  allen 
mannen  ir  mundt  also  smecken.  herre,  diese  traw  ist  loblich, 
das  sie  also  schämig  und  keusch  was  und  als  manig  jare  in 
groser  gedult  getragen  het  irs  maus  stinckenden  nuindt  und  das 

30  der  man  solchen  sweren  geprechen  seins  leibs  nye  erlure  von 
beswerung  seins  weibs  sunder  von  u beisprechen  seins  veinds.    on 

2  selbr//  l   herre]  Hie,  i  ausgestrichen  B  5  der  exempeln 

9  Hierbei  A'wB         11  Duellius  y/ß         15  exmpel  y^         17  keuscheit] 
het  AB  IS  weil)]  well  AB      ob  A.     vgl.  Herodotus   hat   inii  dem  fall 

vnrecht  gesagt,  das  ain  Weib  die  Scham  vnd  zucht  mit  dem  hemd  auszihe 
vnd  hinlege.  Dan  welche  erbar  vnd  züchtig  ist,  die  zihet  erst  alsdan,  wann 
siie  die  klaider  ab  leget,  an  statt  derselbigen  die  Scham  an  7{sw.  Fischart 
Philosophisch  ehzuchtbüchlein  1578  A  6'  19  do  Ä       Dulius^       duel- 

liiisÄ  20  wart  tf  21dasd'r/?  25  Biella //5      gutlichn  5 

27  smechtn  B  :U  pesserung  ./ 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  395 

allen  zweivel:  welch  traw  zwen  man  (117^)  erkannt  habe,  die 
mag  das  nicht  gesprechen  von  schamiger  Unschuld.  Martia  die 
tochter  Cathonis  dye  junger,  die  ward  getragt,  warumb  sie  nicht 
einen  anderen  mau  nem,  nach  dem  ir  man  was  abgangen  und 
sie  doch  ein  lieblich  anllucz  hett  und  einen  schonen  leyb  und  5 
grosen  reiclithumb.  do  sprach  sie:  ich  vinde  keinen  man  der 
mich  lieber  hat  dann  mein  gult.  mit  der  antwort  hat  sie  höf- 
lichen beweist,  das  man  an  den  weyberen  mer  ansieht  das  gut 
dann  die  keuschheyt  und  wirdig  schäm,  so  wir  nun,  gnediger 
herre,  alle  von  euchwiessen,  das  ir  nicht  reichlhumb  sucht  in  10 
den  weyberen  sunder  gut  sieten,  keuscheyt  und  trumkeyt  und 
erlich  schäm,  so  ist  es  nicht  glaublichen,  das  euch  got  uit  ver- 
sorg mit  einem  tugenlichen  weybe.  die  selbig  Martia  hett  auch 
also  gros  lieb  zu  irem  toten  man,  das  sie  ine  alle  tag  beweinet 
und  sich  übel  gehabt,  do  ward  sie  von  anderen  frummen  fra-  15 
wen  gefraget,  wann  doch  kome  der  leczt  tag  (117'')  irs  waynnes. 
do  sprach  sie:  au  dem  ende  meins  lebens.  Ananias  (?)  dye 
rayczten  ire  friinde,  das  sie  einen  anderen  man  solt  nemen  und 
sprachen:  du  bist  noch  jung  und  hast  ein  lustig  gestalt.  do 
sprach  sie:  des  thu  ich  uit,  wann  fund  ich  einen  als  guten  als  20 
ich  einen  gehabt,  so  must  ich  besorgen  das  ich  ine  schier  ver- 
lüre,  würde  mir  aber  ein  böser  man,  was  get  mich  dann  nott 
an ,  das  ich  nach  einem  guten  einem  bösen  solt  untertanig  sein ! 
Velleria,  dye  swester  Messalorum,  do  der  ir  man  Serfius  ab  ging, 
do  wolt  sye  keinen  anderen  nemen,  und  do  man  sie  fraget,  25 
warumb  sie  das  thett,  so  sprach  sie:  mein  Serfius  der  lebet 
noch  alle  zeit  in  mir  und  in  meinem  hertzen.' 

1  hat  B  2  —  9  vgl.  E  öl.  ii"    und  Spiegel  de?'   sitten   von  1511 

bl.  130*  2  Maria ^5.    E  bl.  14'  keifst  sie  Marina,  sonst  richtig  Martia, 

die  übrigens  nicht  tochter,  sondern  die  zweite  (junger)  gemahlin  des  Cato 
Litieensis  war.  auch  Hieronymus  Marcia  Gatonis  filia  minor  und  im 
Spiegel  der  sitten  bl.  129'  Marcia  die  wittwe  ain  tochter  Cathonis,  130"  ain 
tochter  Cathonis  3  Carönis  5  darvmb^  i  nem  fehlt  y4  d'rir[man]i? 
1 3  Maria  AB  13—17  vgl.  Spiegel  der  sitten  bl.  1 29'  14  altag  B 
16wendok.fi      weinens  i/  17 —23  Ananias:  Annia //,  vgl.  auch 

Spiegel  der  sHten  bl.  129',  dort  aber  ungenannt.  Annia  war  die  gemahlin 
des  Cinna,  nach  dessen  tode  sie  M.  Piso  Calpurnia?ii/s  heiratete,  von  dem  sie 
sich  aber  bald  wider  trennen  muste.  sie  ist  schwerlich  die  im  texte  ge- 
viei7ile         19  jung   zweimal  A  21  gehabt  hanfi         23  sol  5         24  Va- 

leria  A       do  fehlt  A       der   fehlt  B  24  —  27    vgl.  Spiegel  der  sitten 

6/.  130'  24.26  serfinus  ^tf  27  alzeit  [in  mir  und]  5      7iach  hertzen 


396     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Hie   besleul'set   meister  Marcus   seiu  disputatioa  mit  dem 

tiirsteu ,  und  tragen  das  zu  samnien  noch  nucz. 

'Wirdiger  und   edler  herre,    es  ist  nott,   so  wir  haben  zu 

sammen  getragen  guts  und  bofses  (118^),  das  wir  auch  erkennen, 

5  was  das  uuczest  ist  und  das  peste  in  ewrer  person  sey  uud  der 

geniain  notdortt.     erwellet  euch  das  peste,  doch  also,  das  ir  ewer 

eynat  nit  solt  hoher  achten  dann  das,  das  ein  grofs  meuige  volcks 

für  das  peste  heltet.'     do  sprach  der  fürst  'maisler  Marcus,  wir 

wollen  unter  uns  dye  sach  nitt  weyter  treiben,  darumb  das  aus 

10  meiner  bewegung  und  deiner  anlwort  ist  geolfeuwart  das  Paulus 
spricht ,  wer  seinem  rate  volgen  wil ,  der  pleybe  allein ,  doch 
nymbt  er  ein  weybe,  so  thut  ers  an  sunde.  dye  selben  muefsen 
sich  aber  an  einuander  leydeu,  wann  sie  haben  betrubnüs  des 
fleisch  dye  weyl   sie  leben,     nun   sag  mir  bey  deinem  glauben, 

15  den  ich  zu  dir  habe',  sprach  der  fürst,  'was  dunckt  dich  das 
uns  zu  thun  sey,  und  was  rats  gibstu  mir?'  do  sprach  maister 
Marcus  also  'herre,  wert  ir  ein  aigen  man  uud  wert  eVver  alein, 
als  ich  dann  erken  dye  salickeyt  der  keuschlichen  sterck  und 
dye    raiuickeyt    ewrs   herczen    uud   leibs,    do   riet  ich    in    allen 

20  trewen ,  das  ir  sie  (118'')  solt  behalten  und  dar  inne  beharren, 
wann  in  der  ee  ist  der  mensch  also  vergeben,  das  der  man,  als 
sand  Pauls  sprichel,  nicht  hat  seins  leibs  macht  sunder  die  fraw, 
und  das  weih  hat  auch  irs  leibs  kein  macht  sunder  der  man. 
aber  als  sich  ewre  eynat  hell  gegen  der  gemain,  so  rat  ich  mit 

25  guter  gewiessen,  das  ir  gehorsam  seit  der  gemain.'  'so  die  ding 
sich  anders  nicht  mugen  ergeen',  sprach  der  fürst,  'so  verstee, 
Marcus,  was  ich  unverbrochenlich  für  mich  gesalzt  habe,  uud 
kein  mensch  sol  das  wenden,  gee  zu  dem  volck,  das  dich  zu 
uns  gesaut  hat,  und  besunder  zu  meinen  swesteren,  und  leg  in 

30  für  das  letzt  urtail  meins  tursaczes.  wollen  sy  dann  gunsllicheu 
auf  nemen  die  trauwen,  die  ich  mir  dann  ausserwele  nach  meinem 
rat  allein  an  ir  aller  wiessen ,    sie  sey  wer  sie  sey,  die  unserm 

rot  Hie  volget  nacti  A  1   dii-  (ulgenden    üOe/schri/'ten    rot  Ali,    am 

schliiss  Jedesmal  etc.   in  A       disputatön  ./       disputacio  B  4  gut   u. 

pose  B  5  nucz  A      ew'  B  0  ein  noUuifft  B      euch  selb'  B 

7  eynät  ./     vgl.  z-,  24  9  wollen  (woll  Bj  wir  AB       aus  fvidt  A 

10  das  das  ^  11    1  Corinth.  cap.  7  )4  dye]  da  B  17  wirt  .'Z 

19  herczen  fehlt  B       und  felilt  AB  2()  jnnen  B  22  pauM  B 

1  Corinth.  7,  4  24  ew'  B  'li\  der  gen  B  27  vnii'prechenlichn  B 

2b  d'r  sol  B  31  ich  fehlt  A 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  397 

fiirsteüthum  untertanig  ist,  so  wil  ich  iren  willen  volbringen. 
gevelt  in  aber  das  nicht,  so  sullen  sie  wissen  all  zu  mal  und 
ein  yeder  besunder,  das  ich  über  all  kein  weybe  wil  zu  mir 
(119')  lassen,  ich  waifs,  das  Salmon  spricht:  ein  gut  iraw  ist 
ein  gut  gab  von  got,  und  zuhant  do  bey  spricht  er:  wen  got  5 
lieb  hat,  der  entrynnet  ir:  das  ist  die  pose.  und  also  beweget 
mich  unser  payder  disputiren,  und  in  des  so  wil  ich  mich  gentz- 
lich  entptelhen  mit  grosem  ernst  unserem  lieben  herren  Jhesum 
Cristum  von  allen  krelten  meiner  vernult.  also  ist  es  sein  wil, 
das  der  wil  meins  volcks  sol  vor  gen,  das  er  mir  ein  wip  schick,  10 
bey  der  ich  mug  sellig  werden.' 

Als  nun  maister  Marcus  hett  verstanden  des  lursten  unver- 
wendeliich  urteil,  do  ward  er  fro  und  danckt  seinen  gnaden  und 
mit  urlawb  kam  er  zu  den,  die  in  zu  dem  türsten  gesant  betten, 
und  zu  dem  ersten  so  nam  er  ein  den  gunst  und  den  willen  15 
seiner  swester.  darnach  do  leget  er  es  Iure  den  reten  in  der 
gemain  offenlich,  den  edlen  und  auch  seinen  bürgeren,  und  saget 
ine  den  willen  des  lursten,  mit  solcher  unterschaide  wer  es, 
das  sie  wolten  zu  einer  trawen  nemen  (119'*)  were  die  were,  die 
den  äugen  des  fursten  geviel,  sie  wer  von  wann  sie  were  und  20 
von  welchem  gesiecht,  edel  oder  unedel,  und  von  welcher  sprach 
und  aufs  welchem  lande,  das  soll  zu  im  selber  sten  und  zu  nye- 
mand  anders,  und  im  sol  von  nymand  dorein  geredt  werden, 
gar  mit  kurczen  worten  gaben  sie  alle  gemainglichen  ire  gunst 
und  guten  willen  dorzu,  wann  sie  erkanten  wol,  das  er  in  got-  25 
lieber  lieb  und  torclit  lebet  und  kein  tursichtiger  noch  weyser 
lebt  unter  allem  volck  dann  er.  darumb  do  redt  er  nicht  mer 
domit  das  volck  beswert  mocht  werden,  als  nun  maister  Marcus 
wider  iur  den  lursten  kom  und  im  saget  den  aintrachtigen  willen 
und  gunst  seins  volcks,  und  wie  sie  im  wünschten  alles  glucks  30 
und  sailigkeyt,  do  saczte  meister  Marcus  dor  zu,  das  das  volck 
gemeiniglich  begert  von  seinen  tugentlichen  gnaden ,  das  er  den 
tag  seczt,    wenn  er  die  hochzeit  wolt  wirdigen.     (120')  do  nun 

3  zu  mir  wil  iß  4  salomö  B  Sirach  26,  17  5  Eccles.  7,  27 

6  begere  A  7  peide  B       genczlichii  B  8  vnd  mit  B  12  vn- 

verwunderlich  y/  14  die]  der  Ä  16  er  es]  ers  5  17  oflenlichE  Ä 

20  wanne  B  24  ir  g.  B  26  lieb  und  fehlt  B      nach  A 

weifs  II  te  B  27  do]  so  B       mer  fehlt  B  29  zu  de  B      eintrech- 

ticlichn  B  32  gemeinckiichn  B      begert   v.  s.   tugetiichen  tweimal  A 

begerten  B  33  seczet  B 


398  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

der  margrave  sähe,  das  er  seiu  gluebd  müfst  halten,  do  sprach 
er  'in  einem  monat  so  sol  alles  mein  volck  sehen  und  erkennen 
mein  weihe  und  mein  praut.  gee',  sprach  der  fürst  zu  maister 
Marcus,  'in  dein  haus  und  in  der  zeit  so  frag  nyemand  was  mein 

5  geschick  und  gewerbe  sey,  und  wann  die  zeit  aufs  ist,  so  wil 
ich  das  volck  lassen  laden  zu  meiner  hochzeit.'  als  nun  meister 
Marcus  von  dem  fursten  kam,  al  zuhant  gepot  er,  das  für  ine 
sollen  kummen  goltsmid,  sneider  und  ander  behenl  lewt,  die  in 
der  zeit  mochten  berayten  das  sich  zymet  der  lürstenlichen  praut 

10  von  gefesse,  furspan,  ketten,  gurtelen,  vingerlein  und  kreucz 
und  kostenlich  gewant  zu  claideren  von  seyden  und  samathen 
und  gülden  tucheren,  als  das  mufs  sein  in  hohen  dingen. 

Von   der   prawt.     das  lert,   das   man  sol  suchen   an  den 
weiberen  gut  siten  und  frumkeyt  und  nicht  das  gute  des 

15  gelts  ader  guter  der  reichlhum. 

(120'')  Es  safs  unter  der  purg  des  fursten,  do  er  gemain- 
lich  wonhaft  was,  ein  armer  man,  der  was  ein  witwe.  der  het 
ein  wenig  scheflein,  von  der  er  sich  neret,  und  er  nam  von  den 
schaffen  speyfs   und  claider.     und  der  selben  schaff  wartet  sein 

20  tochter,  ein  junckfraw  unglaublicher  schon  und  guter  geperde 
und  groser  schäm  und  das  sie  auf  der  gassen  aufswendig  irs 
vaters  hawfs  nye  was  gesehen  worden,  dye  selben  junckfraw 
sähe  der  fürst  und  margrave  zu  zeiten  aufs  dem  venster  seins 
pallasts  do  sie  mit  den  schaffen  umb  ging,  und  in  gehaym  und 

25  verswiegen  so  het  er  lange  zeit  hoffnuug  gehabt  auf  den  vater 
und  auch  sein  tochter,  die  junckfrawen,  und  het  des  iczund  ge- 
wiefslichen  entpfunden,  das  die  junckfraw  ein  leben  au  ir  fürt 
über  die  gewonheit  ander  menschen,  und  wenn  er  die  junck- 
frawen sähe,  so  went  er,  er  sehe  ein  engel.    und  zu  einen  zeiten 

30  do  fürt  er  seinen  sneider  au  das  vensler,  das  er  dye  junck(12r)- 
frawen  sehe,  und  sprach  zu  im  also  'nach  dem  leibe  dieser  armen 
diern  berayte  und  mache  die  claider,  dye  meiner  zukunftigen 
praut  geboren,  und  das  die  clayder  gemacht  sein  in  der  zeit, 
die  ich  dem  volck  gelobt  hau.'  es  geschähe  als  der  fürst  gepolt. 
1  geiubde  ö  2  mannet  Zf  6  volk  alles //  8  ander  fehlt  B 

10  gefessen  2/      vnd  gurtel  Zf  12  guidein  Ä  14  gute]  gut  5 

des —  15  reichthum  feliHB  16  genieincklicliii /?  17  //e,v  witwer  Ä? 

18  da  von  [der]/?  24  so  R  25  aclilug/;  26  und  er  het /? 

iczund]   müt  //  28  jürkfraw  //  21)  einö  B  31  sähe  B 

3::(  zu  gehören  B  34  het  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  399 

in  des  nameii  die  tag  ab  und  kam  der  tag  des  abeiits  des  ge- 
satzlen  tags,  aa  dem  die  hochzeit  solt  gesehen,  und  do  wurden 
bekümmert  des  fursten  swester  und  maister  Marcus  und  das  volck 
gemeinlichen  mit  ine  von  der  hochzeit  wegen,  wann  sie  westen 
wol  al  zu  mol,  das  kein  potschall  nit  was  gethan  keinem  herren  5 
noch  fursten  in  kein  ander  land,  das  man  mochl  gesprechen, 
das  die  prawtt  auf's  einem  andern  laut  kommen  was.  darumb 
nam  sie  al  zu  mal  grol's  wunder,  und  santen  potschalt  zu  dem 
fursten  und  sie  Hessen  in  fragen  mit  solchen  worteu  also  'o  aller 
durchleuchtigster  gnediger  herre,  wie  stet  es  umb  ewer  und  10 
unser  sach,  umb  dye  wir  oft  sein  pey  euch  gewesen?  wir  (121'') 
begeren  alle  mit  groser  hicziger  diemut,  das  ir  behaltet  das  uns 
ewer  gnade  hat  versprochen ,  wann  wir  noch  sorgveltig  darumb 
sein.'  do  nun  der  marggrave  hört  das,  als  sie  mit  grosem  ernst 
mit  ime  redten,  do  antwort  er  ine  mit  den  und  anderen  worten  15 
und  sprach  also  'lieben  fründe  und  bruder,  hat  ewer  keiner 
aus  meinem  muud  ye  gehört  eyn  lugenhaflig  wort,  ader  hab  ich 
ewer  keyneu  ye  übergeben  mit  hinderliesten ,  der  straff  mich 
dorurab  vor  euch  allen,  das  wil  ich  widerriiffen  und  wil  es  vier- 
fach wider  kereu.'  do  sie  all  antworten  'wir  haben  ein  sulchs  20 
von  ewern  gnaden  nicht  erkant',  'hab  ich  dann  des  ewer  ge- 
zeugnüs',  sprach  der  fürst,  'das  ich  ewer  keinem  nye  gelogen 
han,  so  wile  ich  inzunde  nicht  anheben  zu  liegen  der  gemein 
und  wil  sie  auch  nicht  betriegen.'  darnach  do  sprach  der  frumm 
herre  zu  in  also  'geet  und  heist  kommen  al  zu  mol  die  in  der  25 
stat  sein  und  umb  ine  in  der  gegent ,  edel  und  unedel ,  reich 
und  arm,  alt  und  jung,  frawen  und  juuckfrawen,  und  gepieten 
in,  das  sie  auf  morgen  vor  der  (122")  vesper  alle  gegenwertig 
sein,  und  ir  sullt  besunder  komen,  das  ir  mein  fraw  und  prawt 
füret  in  mein  haufs  mit  zymlicher  ervvirdigkeit.  darnach,  ist  es  30 
der  wil  gots,  so  wollen  wir  schimpflich  tage  haben,  als  sich  das 
wol  gepürt  zu  diesen  Zeiten.'  solch  gepot  das  wart  volbracht 
mit  grosen  freuden  nach  des  fursten  begerung,  und  ein  iclicher 

4  genieincklich  B  7  kom  [was]  B  S  so  nam  B       sie  fehlt  B 

11  bey  euch  sein  5  12  halltet  B  13  sorguellig  B  14  sie 

als  und  mit  B         IS  hinterliste  B        22  sprach  d.  fürst  cor  21  des  ew'  B 

keinen.  A   keine  B  23  hab  B        iczüt  B  26  sint  B        ine 

fehlt  B  Ti    und  junckfrawen   fehlt  A       gepitett    B  29   fraw  und 

fehlt  B        31  nach  wir  aus  z.  31)  mit  zimlicher  erwirdigkeit  toiderholt  A 
32  gepot  fehlt  A  33  itlich'  B 


400     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FLISTZEHNTEN  JHS. 

besunder  unter  seinem  volck  der  uberwundert  sich,  was  der 
fürst  verbanden  hett,  das  also  haymlichen  bedacht  was.  audi 
so  berayt  man  zu  der  hochzeit  wes  man  bedorit  von  vischen, 
von  wilprecht,  von  hasen,  hnneren,  von  tieren,  wild,  zam, 
5  vogel  cleyn  und  grofs  und  edlem  getranckl,  das  man  an  keinerley 
mangel  hete.  der  diemutig  liirst  liefs  auch  nicht  gebrechen  das 
zimlich  was  zu  der  hochzeit.  er  liefs  bestellen  pusawmer,  pfeuffer, 
fidler,  orgler,  und  ander  trewden  spil  ward  da  gehört. 

Wie  die  junckfraw  ward  gebeten ,  do  sie  der  fürst  im  ver- 
10  gemehelen  woll. 

(122'^)  Als  nun  die  zeit  kome,  dye  der  fürst  dem  volck  het 
auf  geseczt,  do  waren  alle  die  gegenwertig,  die  do  waren  ge- 
laden von  seinem  gebott,  und  stunden  vor  des  herren  purg  und 
wartten  seiner  zukunft.    al  zuhant  do  ging  der  fürst  aus,  schon 

15  angelegt  mit  kostenlicher  watt,  mit  seiner  ritterschaft  und  mit 
seiner  monschaft,  und  ir  keiner  mocht  seinen  willen  und  fur- 
sacz  erkennen  und  wo  sein  praut  was.  und  do  er  dem  volck 
nach  seiner  gewonheit  seinen  grus  gepoten  hett,  do  sprach  er 
zu   in    also    'meyn   allerliebstes   volck   und   brüder,   die  zeit  ist 

20  kummen,  der  ir  lang  von  mir  gehart  habt,  nun  geet  mir  al 
nach  in  grosser  stille,  und  ich  begere  von  euch,  das  ewer  keiner 
in  der  zeit  anders  thw  dann  das  ich  haifs,  und  in  des  so  bit  ich 
euch  gemeinlicheu,  das  ir  in  ewer  stille  mit  sambt  mir  got  wollet 
hielten,  das  er  meinen  fursacz  schickd  nach  dem  wolgevallen  seins 

25  gollichen  willens  im  und  uns  zu  eren.  die  plerd  last  hinter 
euch,  wan  wir  bedürfen  ir  nicht,  (123^)  darumb  das  die  stat 
nicht  weyt  ist  da  ich  mir  hab  ein  praut  fursehen,  und  ein  it- 
licher  pleib  an  seiner  stat  als  lang  das  ich  ewer  zukunft  euch 
verkünde;    und  das  thut   in  groser   stille,     und  wenn    euch  ge- 

30  sagt  wirt,  das  ir  ewer  gegenwerlickeit  beweist,  so  last  euch 
stercklichen  boren  mit  ewer  stymme  und  wünschet  uns  glucks 
und  in  allen  dingen  das  peste.'    das  thet  der  fürst  darumb,  das 

2  bedackt  B         4  vnd  vö  wiltpret  B      hi'inr  B      wilde  vnd  zaine  B 
5  edlen  A    edel  getranck  B        (i  mangeln  B        7  pusawmen  J    pfeulfen  ./ 

9  do  sie]  dye  B     im  fehlt  .1,  i'or  d.  fuist  B     v'meheln  B     lies  do  sich  d. 
f.  vergemcheln  w.?  10  wolt]  etc.     hierauf  gleivlil'aUs  roMValtliizar  von 

der  wag  Ich  glaub  hin  vb'(?)  A  \'l  all  [die]  B  2(i  gehabt,  über  ausge- 

strichenem bt:  rt  A       alle  B         'l'i  gemeincklichn  usio.  B         24  schick  B 
25  willen  Zf      dy  iafset  B         27  hab  nach  praut  B         28  pleib  sten  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  401 

die  juncklraw  zu  der  ere  wolt  geen  von  evvszern  eien  nicht  west 
zu  sagen,  und  wenn  sie  dann  ein  solchen  herren  in  irs  armen 
vater  hewfslein  hett  gesehen  komen  als  einen  konig  mit  grossem 
geschrey  des  volcks,  so  wer  sie  leicht  vor  srecken  in  siechthfim 
gevallen.  und  an  der  maid  wart  erlulet  das  die  grost  über  alle  5 
junckt'rawen  vor  hat  gesprochen,  aber  in  einer  anderen  geschieht: 
got  der  hat  erhöhet  dye  demutigen  und  hat  dye  gewaltigen  ge- 
nydert. 

Also  ging  der  margrave  aufs  seiner  purg,  und  bey  im  ging 
ein  briester  und  sein  sneyder,  der  trug  das  schon  edel  gewant  10 
(123''),  das  die  juncklraw  solt  an  legen,  und  im  volget  nach 
etwan  verre  ein  grose  menig  volcks,  den  gab  er  ein  zaichen 
zu  sten.  und  er  kam  zu  des  armen  mannes  liawfs  und  bestelt 
aufsen  die  thure  in  huet  mit  dem  priester  und  mit  dem  sneider. 
do  was  das  volck  gemeinlichen  in  grosem  verwunderen,  was  der  15 
lurst  da  willen  het  zu  thun,  und  sie  meinten  nicht,  das  ein  wirdig 
tochter  mocht  lunden  werden  in  eins  solchen  armen  mannes  hewfs- 
lein ,  die  einem  solchen  mechtigen  fursten  mocht  gleichen  nach 
halt  in  seinem  iurstenthum.  und  als  der  fürst  an  clopiet  an  des 
armen  mannes  hewslein  und  im  dye  thüre  geöffnet  wart,  da  zog  20 
er  die  thur  nach  im  zu,  gleich  als  ob  er  allein  komen  were. 
was  meinstu,  wie  dye  grofs  menig  volcks  do  gedacht  haben,  do 
die  den  fursten  allein  sahen  geen  in  des  armen  mannes  hewfs- 
lein? sie  haben  villeicht  gedacht,  das  er  gar  mit  heimlicher  ein- 
trag  in  des  armen  mannes  hewfslein  hab  lassen  bringen  ein  25 
ausermafsen  edel  tochter  und  hab  sie  dor  inne  verporgen  und 
wolle  etwas  selczams  (124*)  beweisen  aufs  der  gewonheit  ander 
herren,  das  doch  auff  payde  ort  geschähe,  wann  da  was  ver- 
porgen gar  ein  edler  stein  und  selczam  und  tewer,  aber  er  was 
dannoch  nicht  gepalirt.  30 

Als  nun  der  arm  man  mit  sambt  seiner  tochter  den  fursten 
ansahen  in  kostenlicher  watt,  do  ersracken  sie  payde.  alzuhant 
vor  schäme  flöhe  dye  junckfraw  in  ir  kammerlein  und  liefs  den 
vater   allein  bey  dem  fursten.     do   sprach  der  alt,   arm  man  zu 

1  er  j9      geen  vnd  von  ewern  e.  A        3  vaters  B      sehn  Ji        4  vor- 
schrocken  B         5  erfüllet  B         6  Luc.  1,52         7 /"  gedemutigel  B 
12  etwi  B  13  bestallt^  15  gemeincklich  Ä  IT  armen  fehlt  A 

18  einen  A     eine  B     fursten  fehlt  A        19  gancze  furstenth.  B 
20  war^  21  was  5  22  wie]  wes  Ä  23  die]  sie  B        26  aufs 

dermafsn  usw.  B      edeln  5      jnneÄ  28  da]  das  ^  30  gepolirt  B 


402     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FLiNFZEHiMEN  JHS. 

dem  fursten  also  'aller  durchleuchtigster  turst  und  herre,  was 
ist  die  sach,  das  ir  also  kosteulich  geclaidet  und  allein  kernen 
seyt  in  eins  armen  manfs  hewslein,  das  unrein  ist  und  smeckt 
von  den  schaffen?  ist  auch  ewer  einganck  tugentlichen  und  er- 
5  liehen?'  und  wie  wol  der  man  gehört  hett  von  dem  lursten  grofs 
frumkeyt  und  erberkeyt,  dann  noch  vil  er  in  vorcht  dorumb  das 
er  allein  kome  und  hett  vil  cleglicher  gedancken  in  inie,  dys 
er  alzumal  offenwart  dem  herren.  do  der  frumme  lurst  erkant 
dye  lorcht  des  armen  manns,  sähe  er  in  an  gar  mit  einem  (124'') 

10  lustigen  und  gnedigen  antlucz  und  sprach  zu  im  also  'guter  und 
frumnier  man,  treib  dein  torcht  aufs  von  dir,  wann  an  diesem 
tag  sal  deinem  hawfs  ere  und  wirdikeyt  erpoten  werden  darumb 
das  der  herre  in  im  wil  wonen.'  und  der  turst  name  den  alten 
man  bey  seiner  hend  und  hiefs  inn   zu  im  siezen,     als  das  ge- 

15  schab  und  dem  armen  dye  gedancken  und  sein  crait  widerkome, 
die  im  entwichen  was  von  torcht  wegen  des  fursten  zukunft,  do 
sprach  der  fürst  zu  im  also  'guter  und  frummer  man,  ich  vren 
es  sey  dir  wiessenlich  und  offeuware,  das  ich  allein  bin  und 
keinen  gemahel   nit  habe,   und  die   gemain  meins  lands  die  be- 

20  gert  von  mir,  das  ich  mir  eyn  weib  neme.  was  sprichstu  dor 
zu,  sol  ich  ein  sulches  Ihi'm  oder  nicht?  gib  deinen  rate  dor 
zu.'  al  zuhaut  als  der  arm  solch  wort  vernam  von  dem  lursten, 
do  Aussen  im  sein  zeher  über  sein  wangen ,  und  mocht  sich  eins 
sulchen    nit  lenger  enthalten    und    alles  sein  gederm   in    seinem 

25  leyb  ward  bewegt  über  seiner  tochler  verdurbnüfs  und  er  wandt 
seyn  (125*)  hendt  und  sprach  also  'o  wee  mir  unter  allen 
menschen  der  unseligst!  wer  hat  mir  das  leben  geben  bifs  auf 
diesen  tag!  we  mir  das  ich  ye  geporen  warde!  warumb  ist  mein 
muter  nicht  mein    grab  gewesen  ?    warumb  bat   sie  mich  ernert 

30  aufs  iren  prusten,  das  ich  solchen  jamer  sol  und  muefs  sehen 
an  meinem  kind?  ich  han',  sprach  der  arm,  'vil  gebort  von  ewer 
lugent  und  Irümkeyt,  die  ir  ewrem  volck  beweist  habt,  wie  wolt 
ir  euch  [also]  an  mir  armen  mann  also  swerliehen  vergessen  und 
wolt  got  und  die  gerechtickeit  also  zurückwerfen  euch  zu  einem 

2  kostenliclui  B  '6  in  niei  arem  B  4  tugentlich  B  5  aieni 

mä  ^  6  erbruckeyl  A    erwerkeit  B       dannoch   so  //  7  kam  B 

8  al  zuhät^  9  do  salie /f         10  genedigem  ^         11  focht  ,^ 

13  im  fehlt  A  14  armen  m.  B  15  craft]  trost  A  18  wissent- 

lichen B        21  eins  A        23  sein]  dy  B        25  verderbnufs  B         28  awe  B 

29  ein  grab  A  30  sulch  grofsen  j.  B  ;t;{  a.  alten  m.  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  403 

bozem  leymütt  und  in  untugent  meiner  tochter!'  'nayn',  sprach 
der  fürst,  'mein  t'riindt,  diese  ding  machen  sich  nit  also  das  ich 
frevel  wol  begenn  an  deiner  tochter,  siinder  ich  bin  dorumb  zu 
dir  kummen ,  das  ich  dich  umb  dein  tochter  wil  pieten ,  das  du 
mir  die  wollest  geben  zu  einem  gemahel.'  'wie  mag  das  gesein',  5 
sprach  der  arm  man,  'das  ir  solch  sach  von  mir  armen  petler 
begert  (und  also  sein  auch  gewest  mein  allfordern) ,  und  ir  seit 
von  gepurt  ein  (125'')  edler  fürst?  und  als  wenig  sich  mag  ver- 
eynen  das  golt  mit  dem  eysen,  als  wenig  mag  das  glaubhch  wer- 
den ,  das  ich  ewren  w  orten  getraw.  darumb  so  bit  ich  ewer  10 
furstenlich  tugent,  ir  lat  mich  von  euch  erfaren  frumkeyt,  das 
ich  mein  schefflein ,  das  ich  got  und  mir  erczogen  habe  und  hab 
das  gelert  und  an  geweist  von  seiner  muter  sailigen  bifs  auff 
diese  zeit,  das  ich  das  hinfur  vor  euch  mug  behalten  an  smehung; 
und  auch  das  nicht  allein,  sunder  lat  euch  erparmen  mein  alter  15 
und  mein  armut  und  das  ich  nicht  hab  noch  begere  keinen 
trost  in  diesem  leben,  wann  allen  trost  hat  mir  got  geben  in 
der  fursehung  meiner  tochter.  mit  versorgen  so  ist  sie  mein 
muter,  von  liebe  wegen  so  ist  sie  mein  kint  und  ein  ernererin 
meins  lebens,  des  dinsts  ist  sie  mein  meydt.  sie  ist  auch  von  20 
weyshait  mein  vater.  thut  ir  mir  dar  über  keinen  gewalt,  so 
furchtet  got  der  des  ein  recher  ist,  und  ee  das  sie  keinen  ge- 
walt von  yemand  layd,  so  bit  ich  euch,  das  ir  mir  vor  mein 
leben  nemet  (126^),  das  ich  nicht  dürf  ansehen,  das  volkumen 
tugent  von  unrecht  und  von  gewalt  sol  dernyder  ligen.'  do  25 
antwort  der  marggrave  dem  alten  frummen  man  und  sprach  also 
'o  man,  der  sein  kinder  wol  kan  aufsrichten!  wann  [ich]  sieder 
der  zeit  als  ich  han  aufgenomen  die  beschirmung  meines  fursten- 
thiims ,  so  bin  ich  des  vieissig  gewesen ,  des  sol  got  mein  zeug 
sein,  das  ich  meinen  veinden  unrecht  zu  keinen  Zeiten  nye  wolt  30 
beweisen,  wie  mocht  ich  dann  solcher  untugent  stat  geben,  das 
ich  dir  dein  tochter  soll  smehen !  auch  so  will  ich  nicht  brauchen 
des  Urlaubs  herlicher  gewalt,  das  ich  doch  villeicht  zu  erlichen 
Sachen  dir  dein  tochter  mocht  genemen,  mir  zu  einem  eelichen 
weybe,  wenn  das  ir  wil  were.     aber  ich  wil  nicht  anders  thun  35 

5  eeliche  g.  5  7  gewese  B  14  diefseu  gegewertigen  B 

15  das  ich   allein   bin  A  19  so  fehlt  B  20  die   ist  auch  A 

25  lege  5  21  f  wann  —  zeit]  vnd  5  28  han]  bin  ^      aufsgenüme  Ä 

29  das    sol  AB      gezeugt  31  daii    nu  B  32  geprauclien  B 

33  doch]  dich  A 


404  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

dann  mit  gunst  deins  willens,  darunib  so  bit  ich  mit  demüt, 
als  ein  mensch  das  ander  thim  sol,  das  du  mir  dein  tochter  nit 
versagest  zu  geben  in  die  geselschalt  der  ee.'  do  sprach  der 
alt  man  'ist  es  also,  herre,  als  ir  got  zu  einem  zeugen  habt  an 

5  ge(126^)rulfen,  so  fursehet  mein  alter  und  mein  armut  mit  einer 
clainen  notdorft ,  so  wil  ich  nit  allein  mein  tochter  geben  gern 
ewer  claren  gepurt,  sunder  ich  danck  auch  dem  almechtigen 
got  mit  innickeit,  das  er  von  seinen  gnaden  als  grofs  tugent 
und  Irümkeyt,  dye  ich  waifs  und  erlunden  han  an  meiner  tochter, 

10  also  hohlichen  \\\l  belonen  in  diesem  leben  und  das  er  erkannt 
hat  dye  wirdickeyt  seiner  creatur.'  do  sprach  er  'herre ,  ich  wil 
meiner  tochter  rutfen  und  wil  boren  iren  willen.' 

Do  nun  die  juncktraw  also  stund  vor  dem  tursten  in  armüt, 
in  swacher  watt  als  halber  nackend,  do  wart  er  in  sie  sein  äugen, 

15  wann  vormals  hett  er  dye  juncklrawen  von  terrens  gesehen, 
do  er  nicht  gewiefslichen  mocht  beschawen  die  schon  irs  ant- 
lucz  und  irs  leibs.  aber  do  er  sye  nun  aigentlich  sähe,  do  vand 
sie  solch  gnad  in  seinen  äugen ,  das  er  kawm  sweigent  mocht 
got  seiner  tursehung  gedancken.    do  sprach  der  turst  der  junck- 

20  trawen  zu  gar  tugentlichen  also  'sag  mir,  liebe  tochter,  wie  ist 
(127^)  dein  name?'  und  do  sie  im  nicht  snel  antwort  gab  von 
schäm  wegen  magtlicher  zucht,  'Grisardis  haist  sie',  sprach  ir 
vater.  'wiltu',  sprach  der  alt,  'geen  mit  dem  herren  oder  ken- 
nestu  ine?'   'ich  kenn  sein  nicht',  sprach  die  juncktraw.     'auch 

25  so  wil  ich  mit  im  nit  geen.'  'tochter',  sprach  der  alt,  'er  ist 
der  l'urst  und  unser  herre  dieser  lande,  und  er  begert  dich  arme 
dieru  zu  haben  zu  einem  eelichen  weybe.'  'vater',  sprach  Gri- 
sardis, 'ich  beger  keinen  man  zu  haben  und  von  meiner  be- 
gerung  so  hab   ich   ein    reyne  sele,  sunder  du  bist   mein  mau, 

30  vater  und  ernerer,  beschirmer  und  ein  hueter  meiner  sele  und 
des  leibs.'  'begerstu  nit  lieber,  kindt',  sprach  der  vater,  'das  du 
seist  ein  hohe  iraw  auff  dieser  erden?'  'neyn',  sprach  sie,  'vater, 
dye  weil  du  lebst,  alles  das  diese  weit  mag  gehaben,  das  schätz 
ich  iur  nichlz  gegen  deiner  lieb.' 

35  Hye  bort  und  vernembt,  alle  gesiecht  und  aller  menner  irdi- 

4  alt  arm   ni.  li  5  angeruflt  ß  6  cl.  clare  B  10  lob- 

lichen ^  11   do]   docli  B  14  halb  iiacket  B  IG  er  ir  // 

ira.  ß  17  irs]  des  5      eigentlichen/?  IS  sweigen  ^4  19  jück- 

fraw  ß  21  im]  nun  ^  31  nicht  libs  kint //  33  da  weil  iisiv.  B 

34  nichte  B  35  alle  m.  //      inrschti  B 


II    GRISARDIS  VOxN  ALBRECHT  VON  EYE  405 

sehen  kinder,  und  lernt  von  Grisardis  ewren  eiteren  anlegen 
und  beweysen  (\21^)  war  lieb,  wirdickeit  und  unlertenigkeyt. 
nun  sehet  an  ein  unbekante,  arme  tochterl  die  scheczt  den  dinst, 
den  sie  irem  vater  mag  gethün  mit  vil  arbeit  und  gebrechen,  für 
grofs  herschatl  und  reichtümb  dieser  weit,  o  Adams  kinder  und  5 
besunder  Cam,  ein  verspotter  deins  vatters  Noe,  und  die  dir 
nach  volgen,  wann  wolt  ir  eweren  eiteren  lernen  gehorsam  seyn 
und  sie  von  lieb  und  trewen  des  hertzen  wolt  versorgen  und 
besunder  so  sie  alt  und  beswert  sein? 

Da  nun  der  lürst  der  armen  diern  Grisardis  antwort  ver-  10 
uam,  do  viel  er  in  grofs  verwunderen  als  ein  weyser  man  und 
sprach  zu  dem  alten,  irem  vater  'ich  bit  dich,  hayfs  Grisardis, 
dein  tochter,  das  sie  mir  antwort  gebe  als  irem  bruder.'  alzu* 
haut  als  sie  das  geheyssen  ward  von  irem  vater,  do  was  sie  im 
gehorsam  und  sprach  'ich  wil  gern  antwort  geben  nach  meinem  15 
vermugen.'  'mein  liebe  Grisardis',  sprach  der  fürst,  'warumb 
versmehestu  zu  sein  mein  eelicher  gemahel?'  'do  hab  ich',  sprach 
(128*)  Grisardis ,  'einen  gemahel ,  das  ist  mein  naturlicher  vater, 
und  seiner  liebe  der  mag  ich  nit  vergessen ,  und  die  vorcht  gots 
ist  mir  über  alle  menschenliebe.'  do  der  fürst  solch  vernuftig  20 
wort  hört  von  Grisardis,  do  wuchs  sein  lieb  gen  ir,  und  sprach 
zu  ir  also  'Grisardis,  als  ich  an  deinen  worten  vernym,  so  furch- 
testu  got.'  'ja',  sprach  sie,  'ich  furcht  got  und  hab  ine  auch 
lieb  über  alle  ding,  also  hat  mich  meyn  vater  geleruet  und  lert 
michs  auch  teglichen.'  25 

Nun  hört  ir  versaumlichen  veter  dieser  zeit,  warumb  lert 
ir  nicht  ewer  kinder  zu  dienen  und  erwirdigen  got  in  seinen 
heiligen  gepoten ,  und  unterweist  sie  zu  lernen  gut  siten  und 
die  forcht  gotes?  aber  was  und  wie  lernest  du  deine  kinder, 
wenn  du  selber  ungeschickt  bist  und  weist  villeicht  nicht  von  30 
got  zu  sagen !  nun  mercket  ir  Pilaten ,  ich  sprich  nicht  prelaten 
des  cristenlichen  volcks,  warumb  sucht  ir  nit  der  sei  sailigkait, 
die  euch  Christus  entpfolhen  hat  und  die  er  mit  seinem  plutt 
hat  gekauft,    mit  seinen  worten  (128'')  der  predig   und   mit  be- 

2  was  A  3  arme  vnbekäte  ß  6  Cain  J      Cam  B  7  lernen 

ewern  e.  5         8  trewen  vnd  lieb  5  13  Z' als  sie  zu  bannte         20  vor 

aller  B  23  ja  —  got  fehlt  A  24  gelert  B  25  mich  B 

27  und  zue.  5  29  lerstu  ß  30  von  got  nicht  i?  31  Pilaten  — 

nicht  fehlt  A  32  selb  A 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.  XVIl.  28 


406  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Weisung  seiner  werck?  aber  das  wir  all  übel  leben,  darumb  so 
stet  es  in  allen  cristenlichen  landen  übel,  wann  in  diesen  bösen 
Zeiten  suchen  sie  nit  nier  dann  das  in  nucz  pringel,  und  lassen 
die  schefflein  gots  zu  einer  speyfs  den  wolfen.  behutt  sie,  berre, 
5  selber,  wann  die  hirten  sein  wolf. 

Aber  sprach  der  fürst  und  marggrave  zu  der  junckfrawen 
Grisardis  also  'tocbter,  furchtestu  got,  so  hat  got  gepoten  den 
kinderen ,  das  sie  iren  eiteren  sollen  gehorsam  sein,  darumb 
so   mustu  von    uott  wegen   deinem  vater  gehorsam   sein.'     'auff 

10  dise  zeit',  sprach  Grisardis,  'so  hab  ich  von  den  gnaden  gots 
meinen  vater  in  grosen  noch  in  deinen  Sachen  nye  erzürnet, 
des  vergihe  ich  sein  zu  einem  zeugen.'  von  solchen  vernütiigen 
«vorten  wart  der  alt  gar  irolich  und  sprach  zu  seiner  tocbter 
Grisardis  'ach  liebe  tocbter,  ich  bin  deiner  rede  ein  gezeug,  das 

15  ich  von  dir  mit  einem  wort  nye  betrübt  bin  worden,  und  bist 
mir  all  (129")  zeit  gehorsam  gewesen  meinen  willen  zu  volbringen. 
dorumb  so  beger  ich  von  dir,  das  du  auch  inzund  meinem  willen 
gehorsam  seist.'  'alles  das  du  wilt  und  mich  haifst',  sprach  Gri- 
sardis, 'vater,  das  wil  ich  erfüllen  nach  deinem  willen,  und  was 

20  dich  das  beste  dunckt ,  das  gepewt  mir  zu  thün.'  do  lachet  sie 
der  vater  an  mit  vetterlicher  suessickeit  vor  grosen  freuden  und 
mocht  sich  do  pey  nicht  enthalten,  er  verreret  etwan  manchen 
zeber  von  seinen  äugen ,  und  sprach  also  'mein  ainige  tocbter 
und  liebes  kint,   ich  bit  dich,   das  du    eins  starcken  muts  seist 

25  und  lafs  dich  nit  bekumeren  Übermacht  der  newen  ding,  die 
unversehenlich  sein  komen,  so  der  edel  unser  herre  und  fürst 
dieser  lande,  dem  wol  mechtige  kunigskinder  zu  der  ee  gegeben 
wurden,  hat  dich  arme  aufserwelt  im  zu  einer  praut  und  zu 
einem  eelichen  gemahel,  und  ich  hab  im  an  dich  gegeben  mein 

30  gunst  und  guten  willen  und  beger  und  pit  dich,  dastu  auch 
unfserm  gnedigen  hern  dein  gunst  und  guten  willen  darzu  gebest. 
von  sulcher  wort  wegen  mocht  sich  die  tugenhaft  junckfraw 
(129'')  Grisardis  nitt  lenger  enthalten  von  züchtiger,  junckfrew- 

4  schefferey  B      den  wolffen  zu  e.  sp.  B  5  die  sein  w,  B 

10  dieser  A        11  meins  vafers  A  12  das  B      gezeuge  B         13  fro- 

liclien  B  14  ach]  also  B  17  iczüt  B,  fehlt  A       meinen  // 

21  settlicher  B  22  A  ^ twi  mangen  zeiiern  B  26  vnu'selienlichii  B 

27  mechtig'  B       kuniges  kinder  B       gegeben  zu  d.  ee,  hierauf  %t- 
g(eben)  ausgestrichen  A  29  an  fehlt  A       geben  B      meins  A 

30  und  beger  —  31  willen  fehlt  A 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  407 

lieber  schäm  wegeu.  des  drungen  ir  die  zeher  aufs  iren  lichten 
äugen  mer  vonn  trawrickeyt  dann  von  freuden  wegen,  als  sich 
das  hernach  geoffenwart,  und  sie  antwort  irem  vater  und  sprach 
also  'vater,  dein  wil  ist  mein  wil.  aber  ich  wird  von  dir  ge- 
schaiden,  und  wolt  der  erwirdig  unser  gnediger  berre  von  seinen  5 
gnaden  ablassen  und  versehe  im  von  gepurt  ein  edle  juncklrawen, 
die  im  gleich  were,  so  ist  mir  doch  dein  vetterlich  sorgvellickeit 
und  mein  keuscheit  lieber  dann  alle  frewd,  ere  und  trost  und 
aller  reichtüm  dieser  werlt.  darumb  lieber  vater,  ich  habe 
lange  zeit  geswiegen  und  hab  dein  lere  gehalten  in  mir,  aber  lo 
du  solt  mir  es  inzund  vergeben,  das  ich  rede  mein  notdorft, 
wann  ich  das  nuczlichen  erkenn,  und  ich  bit  euch,  aller  gnedig- 
ster  herre,  das  ir  ewer  mayd  wort  in  diemüt  vernemet.'  do 
sprach  der  fürst  also  'Grisardis,  rede,  wann  du  hast  deiner  rede 
gut  macht  (130")  zu  reden  gen  mir.'  'ich  begere  und  bit',  sprach  15 
aber  Grisardis,  'ewer  hoch  gepurt,  das  ir  ewren  gleichen  wolt 
suchen  und  last  mich  in  meiner  armut  mit  meinem  armen  vater 
meyn  leben  zu  bringen,  das  zimbt  und  stet  ewren  gnaden  wol 
an  und  ist  euch  erheben ,  als  auch  mir  das  zimbt  und  erlich  ist, 
das  ich  in  meiner  diemut  und  durftigkeit  plaib.'  'neyn',  sprach  20 
der  margrave,  'mein  allerliebste  praut  und  gemahel,  nit  als  du 
will,  sunder  gee  her  zu  mir  und  gib  mir  dein  handt.'  al  zubaut 
do  stund  der  alt,  ir  vater,  auf  und  nam  die  hant  Grisardis, 
seiner  tochter,  und  gäbe  sie  zusammen, 

Do  hiefs  der  fürst  die  Ihure  auff  thün  und  liefs  allein  ein  25 
meister  Marcus,  den  priester  und  den  sneyder,  und  er  sprach 
zu  der  lugenllichen  junckfrawen  Grisardis  also  'sehe,  mein  aller- 
liebste tochter  und  praut,  ich  gib  meinen  willen  dorein,  das  du 
in  der  ee  meins  leybs  solt  gewaltig  sein,  nun  frag  ich  dich  in 
gegenwertickeyt  des  (130^)  briesters  und  deins  vaters  und  der  30 
anderen,  ob  ein  solch  auch  dein  wil  sey.'  do  sprach  Grisardis 
'herre,  es  ist,  so  es  meins  vaters  wil  und  gunst  ist.'  al  zuhaut 
do  warf  der  fürst  dye  wort  dor  auf  und  sprach  der  junckfrawen 
gar  gutlichen  zu  also 'Grisardis,  mein  allerliebster  gemahel,  als 

1  des]  es  B  3  offeuparrt  B  5  sein  B  6  fursehe  B 

edeleu  jückfraw  Ä  7  doch]  noch  J?      sorguellickeit  i?  lObehalUen-ß 

14  rede]  wort^         16  ir]  ich^         IS  ziunbty^         19  wol  t'or  zimbt 
rot  ausgestrichen  B      erlichii  B  24  zusammen]  do  dem  hern  B 

26  vnd  auch   den   sn.  B  27  sihe  B  31  sulchs  B  32  es   ist 

mein  will  B  33  fürst  die  warfT  der  fürst  A 

28*      . 


408    DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FCNFZEHMEN  JHS. 

du  mir  oun  vertrewt  bist,  also  beger  ich  nit  mer  von  dir  dann 
das  du  mir  inzunde  gelobest,  das  dein  wil  sich  meinem  willen 
zu  allen  Zeiten  gleich  mach.'  'guediger  und  aller  Uebster  herre, 
eyn  solchs  zu  ihün,  das  globe  ich  ewren  gnaden  unverprochen- 
5  liehen  zu  halten',  sprach  Grisardis,  'und  auch  über  das  so  mir 
mein  vater  wirt  genomen ,  so  getraw  ich  ewer  fursichtickeit ,  das 
ir  mich  nymand  eutpielhet  nach  den  gnaden  gots  dann  das  ir 
selber  wollet  sein  ein  behuter  meins  lebens  und  ein  pfleger  und 
in  allen  Sachen  meins  lebens  ein  schicker  nach  angeporner  ewer 

10  frumkheit  und  tugent.'  al  zuhaut  zöge  man  der  tugentlichen 
junckfrawen  (131^)  Grisardis  abe  ire  zuriefsen  rock  und  das 
henfen  hemd,  das  sie  trug  an  irem  leybe,  und  wart  angelegt  mit 
sammat  und  mit  guldem  gewant  von  berlen  und  edlem  gestein 
durchworecht ,   als  dann   eins    edlen  fursten  praut  wol  angepurt 

15  zu  tragen,  und  sie  stund  also  vor  irem  herren  und  gemahel 
durchgofsen  mit  liplicher  weiser  und  roter  varb  in  einer  solchen 
gestalt  als  ein  wunniglicher  engel. 

Wie  Grisardis  von  irem  vater  geleret  wardt  und  sagt  also : 
Dornach  gingen  aufs  dem  hewfslein  der  priester  und  meyster 

20  Marcus  und  rufften  mit  grofsen  treuden  in  das  volck,  das  sie 
siech  Hessen  boren ,  wann  al  zuhaut  wurden  sie  sehen  den  hoch- 
gepornen  fursten  mit  seiner  wünicklichen  praut,  und  sie  sollen 
im  al  zu  mal  entgegen  schreien  mit  einer  frolichen  stymme  zu 
wünschen  des  aller  pesten.    zu  haut  do  wardt  (131'')  gehört  der 

25  trumetten  reysen  mit  aynickeyt  der  pfeuffer  und  ander  spilleut 
mancherley  hotrecht,  als  das  ordenlich  bestalt  ward,  und  solch 
grofs  geschrei  vor  frewden  vor  allem  volck  erhub  sich  alles  da 
auf  die  zeit,  das  sich  das  ertrich,  ob  es  müglich  were  gewesen, 
mit  sambt  dem  volck  mocht  erfrewt  haben. 

30  Als  nun   solche  stymme  in  des  armen   maus  hewfslein  ge- 

hört wart,   do  sprach  der  frum  fürst  zu  seiner  praut  also  'Gri- 

4   vnuerprochenlich  B  8   ein]    mein  A        meins   lebens   fehlt  B 

und  vor  in  fehlt  A  10  do  zoh  jB  11  \vtn  B  12  henffein  5 

13  per'lein  B      vn  edeln  (edlen  A)  steine  B  14  durch  vnrecht  A 

durch   vorcht  B  16  durch  grosem  A       müt  ./      liplicher   und  w.  A 

17  vimiugiicher  A  18  von  fehlt  B       und   sagt   also   fehlt  B 

20  riffen  B       grosem   A  21   hochgepore  B  23  im]    nim   A 

24  der  A      vor  gehört  nochmals  zuhannt  A      der  t.]  die  t.  A  26  horff- 

recht  B       ordenlichn  B       was  B  11  all  B  28  müglichn  B 

29  gefrewet  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  409 

sardis,  diese  frawde  uud  hubscheit,  die  sie  inziind  erhebent,  die 
gesehen  ist  deiner  wirdickeit  zu  eren.  darumb  so  gee  nun  aufs 
dem  hewfslein  deins  vaters  in  das  pallast  unsers  furstenlhümbs, 
und  got  der  geb  dir  vil  glucks  und  sailickeyt,  und  bifs  lurbas 
mein  furstin.'  darnach  da  umbfing  die  diemutige  und  tugentlich  5 
junckfraw  Grisardis  gar  lieplich  iren  frumraen  vater  mit  iren 
armen  und  dancket  im  seiner  vatterlichen  trewen  und  sorgvelti- 
keit,  die  er  von  kintwesen  an  sie  gelegt  hett,  wann  sie  west 
und  erkantwol,  (132*)  das  er  was  ein  frummer,  gerechter,  hey- 
liger  man.  und  in  dem  fruntlichen  zaichen,  das  sie  an  im  be-  10 
weist,  vermischet  sie  auch  petliche  wort  und  sprach  'vater,  bit 
got  fruntlich  an  underlofs,  das  er  mir  bey  geslee,  das  ich  mit 
dieser  zeitlichen  und  ergencklichen  erhohung  aller  tugent  perge 
mufs  staygen.' 

Da  nun  das  hewfslein  was  vol  worden  von  gedrang  des  volcks,  15 
do  sprach  der  alt  zu  seiner  tochter  Grisardis  also  'mein  aller- 
liebste tochter  und  liebes  kint,  ich  erman  dich,  das  du  ge- 
denckest,  wie  du  bist  erzogen  in  armut  und  in  groser  durftickeyt 
von  meinen  banden,  und  las  das  aufs  deinem  synn  kein  tzeit 
Valien  zu  beheltnufs  der  diemutickeit.  boffart  und  zorn:  das  sein  20 
besunder  untugent  der  frawen.  die  las  in  dich  zu  keinen  zeyten 
wurtzeln.  hab  deinen  herren  und  gemahel  mit  fursichtickeit  lieb 
und  bifs  im  mit  willen  der  sele  in  allen  dingen  untertanig.  bifs 
ein  fursichtige  muter  deins  gesinds,  die  dir  eolpfolhen  werden, 
und  unterweyse  sie  (132'')  mit  grosser  sittickeit.  beweyfs  dich  25 
als  ein  pflegerin  wittiben  und  waysen ,  ein  trosterin  bifs  der 
dürftigen,  ein  erloserin  der  gefangen  und  dye  mit  unrecht  ver- 
druckt werden,  uud  mit  gantzer  macht,  als  vil  an  dir  ligt,  so  kumm 
aufF  pesserung  zu  hilf  den  die  den  tot  haben  verdient,  dich  selber 
in  allen  deinen  wercken  also  beweyse,  das  dich  nymant  straff.  30 
almusen  gib  den  armen  notdürftigen  nach  deinem  vermugen, 
und  dein  haut  kere  von  keinem  armen,  bistu  gnedig  armen 
leuten ,  so  ist  dir  al  zeit  got  gnedig.  hastu  vil  so  gib  vil.  hastu 
wenig,  so  verstofs  es  nit  in  verpunden  sack,  sunder  das  du 
hast,  das  tayl  in  grosser  diemüt  mit  den,  an  den  es  bestatt  ist.  35 

1  sich  i.  erhebet  B         2  geschihet  [ist]  B        6  irem  A        12  frunt- 
lich] für  mich  5         14  auff  steigen  j5         15  von]  vol  A         17  verman  B 
19  zu  keiner  B  22  wurtzeln]  steige  B  26  witwen  vnd  den  B 

28   kum  auff]    thu    A  29  hilffen   A  30  allen    fehlt  B 

33  got  alzeit  B  34  in  den  B  35  den  es]  des  A 


410     DEUTSCHE  PROSANOVELLEiN  DES  FCNFZEHMEiN  JHS. 

allen  leuten,  als  es  dann  einer  frummen  frawen  zimlich  ist,  bifs 
in  deinen  Worten  siiefs  und  leydenlich  und  vor  allen  dingen  so 
beware,  das  du  keinem  menschen  versmehung  beweisest,  mit 
keinem  rede  haimlich  wort  an  dein  man  und  on  gezeugnufs  vil 
5  lewt.  und  alles  das  einer  (133^)  frummen  trawen  übel  an  stet, 
das  soltu  aufs  slahen.  merck  und  vergiefs  nit  der  kurczen  wort, 
die  ich  dir  inzund  sage,  und  schreib  sie  in  dein  hercz  mit  dem, 
des  ich  dich  vor  unterweist  han,  und  liefs  alle  tag  in  deme  puch 
deiner  gedechtnus,  dorumb  das  du  mir  also  snel  und  ungewarnet 

10  aufs  meinen  henden  gezogen  wirdest.  das  macht  mir  kummer 
und  sorgtveltickeyt ,  das  ich  nit  lenger  zeit  habe  dich  zu  lernen 
das  dir  in  deinem  stant  zu  gepurt.  sich',  sprach  er,  'die  claider 
deiner  diemut,  die  du  hast  getragen  in  armut  unter  meinem  besen, 
die  las  dir  legen  an  ein  stat,   das  du    sie  teglichen   mugest  an- 

15  gesehen,  umb  das  sie  dir  werden  ein  vermeynung  der  diemut  und 
zemen  dich  vor  aller  hoffart.' 

Als  nun  der  vater  seiner  tochter  Grisardis  mit  der  verma- 
nung  ein  ende  hett  gemacht,  des  dancket  der  fürst  dem  alten 
gar    mit  groser  demut   und  liefs  im  geben   ein  gab   zu  herngab, 

20  als  dann  einem  fursten  in  solchen  Sachen  zimbt  zu  geben ,  und 
er  hiefs  (133'')  ine  komen  zu  seiner  hochzeit.  dar  nach  so  nam 
der  fürst  Grisardis  sein  praut  und  fürt  sie  mit  grosser  wirdickeyt 
aufs  dem  swachen  hewfslein  irs  vaters  unter  die  gemain  des  volcks. 
nun    merckt,   was   mocht  das   tugentlich   maydlein    und  das  ge- 

25  schemig  junckfrewlein  Grisardis  gedencken ,  das  solcher  groser 
erwirdickeyt  und  herschaft  nye  mer  gesehen  und  erkant  hett,  als 
ir  auf  die  zeit  erpoten  wart?  sie  west  auch  von  keiner  hofl'art 
noch  von  solchem  prangen  nichtz  zu  sagen,  diese  historie  ist 
dem  leser   ein   ursach    grofser  diemut,   ob   er   sie  bedenckt   mit 

30  ernstlicher  innickeit. 

Als  nun  Grisardis  zwischen  den  zweyen  swesteren  des  marg- 
graven  und  anderen  edlen  frawen,  den  sie  entpfolhen  was,  stund 

1  dummen /'ehlt  B         2  leidenliclie  Z/         das  folgende  um\  fehlt  A 
3  keinen^  4  keine  menschnÄ      deine  j9      und  fehlt  B        5  frummen 

fehlt  B  S  des]  das  ^  9  deines  5  10  wurdest//  11  lere  B 

12  dir]  das  i?       in]  nu  5  13  pefscm //  15  vermeynung  =  ver- 

manungÄ  18  des]   do //  19  zu    herngab  fehlt  A       her   gab  ^ 

2 1  do  ß  23  des]  seines  B  25  scliamig  ß         26  erwirkeyt  B     und] 

noch  U  28  solche  A      prangire  B      historien  A      jslori  B  29  leser] 

laster  //      sich  bedenck  A  31   also  zwischen  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VOxN  EYB  411 

und  sie  sie  turten  uach  lurstenlicher  lursichtickeit ,  do  wurd  eia 
solch  gedreng  von  dem  volck  die  juucklrawen  zu  beschaweo,  das 
man  kaum  mocht  für  komen.  es  was  aucli  eyu  solch  grofs  ver- 
wunderen in  aller  (134'}  menschen  gedancken  von  der  übrigen 
schon  des  anllucz  und  des  leibs  und  der  zuchtigen  guten  sieten  5 
und  des  erberen  wandeis,  damit  Grisardis  von  got  begäbet  was, 
das  ein  itlichs  zu  dem  anderen  sprach  'wie  ist  dem,  das  wir 
dye  juncktrawen  bey  uns  nit  haben  gewiest  noch  erkaut,  und 
wie  hat  sie  sich  doch  vor  uns  allen  mugen  verpergen?'  also 
ward  die  zuchtig  juncklraw  Grisardis  mit  groser  erwirdickeyt  ein  10 
gefurt  in  die  purg  und  pallast  des  edlen  frummen  herren.  do 
wart  ein  itlicher  aufs  gericht  nach  seiner  wirdigkeit,  als  dann 
das  fursehen  was  von  den  pflegeren  des  furslen.  als  nun  die 
hochzeit  angehaben  wart,  ist  wol  glaublich,  das  die  muter  Jhesu 
und  auch  Jhesus  mit  seineu  jüngeren  von  dem  prewtigan  und  15 
auch  von  der  prawtt  auff  dye  hochzeit  gepeten  sein  mit  groser 
innigkeyt  irs  hertzen  und  mit  entpfelhung  aller  der  ding,  die 
sie  zu  schaffen  betten  mit  dem  (134'')  leybe  und  mit  der  sele. 
es  ist  auch  glaublichen,  do  die  zwo  juncktrawen,  der  edel  er- 
wirdig  fürst  und  marggrave  und  Grisardis  sein  diemutig  praut,  20 
mit  keuscher  raynickeyt  irs  leibs  wurden  zusammen  gefuget,  das 
sie  payde  mit  groser  schäme  sich  got  und  seiner  wirdigen  muter 
der  junckfrawen  Marie  entpfoUen  haben,  und  haben  sie  gepeten, 
das  gesunt  und  lugenthaflig  frucht  und  kinder  von  in  bekomen 
zu  einer  gedechtnufs  ir  eiteren  und  irem  volck  zu  einem  Irost  25 
und  zuvoran  got  dem  ahnechtigen  zu  lobe  und  zu  eren.  do  nun 
dye  hochzeit  also  volbracht  was,  do  zog  itlicher,  der  geladen 
ward,  wider  heym,  und  wünschten  irem  frummen  tugenthaftigen 
herren  und  Grisardis  seiner  dienuUigeu  prawt  vil  glucks  und 
selickeit  zu  beheltnus  und  beschirmung  des  lands  und  der  gemain.  30 

Von  den  grossen  lugenden,  der  Grisardis  vol  was,  das  ir 

nyemandt  irer  eren  vergond. 

l  ein  sie  fehlt  JB     lies  mit  B  fuisleal.  wiidikeit?      wart  5  3  kaum] 

keinen  A  6  erwergen  B  11  des]  den  ^      fursten   und  h.  B 

13  fursehen]  für  schon  B  15  preutigain  5  IT  irr  i?      entphaung  ^^ 

19  ZWUJ5     erwirdig  edel  i/         22  sein  wirdige^         2'i  Marie  fehlt  J 
sie   über  ausgestrichenem  das  A  24  gesüte  B       fruclite  B       be- 

kemen  B  25  irr  B  27  ein  itlich'r  B  28  was  B      hey  A 

30  zu]  vnd  A      gemain  amen  A         31  den]  der  A      also  vol  B         32  irr 
herschafft  vnd  eren  B 


412  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Doi'üach  üit  (135*)  laug  do  kom  die  edel  und  tugeuthalt 
furstiu  Grisardis  vou  tag  zu  tag  in  solch  grofs  bekentlickeit  dem 
land  und  der  gemein,  das  meniglich  gute  ebenpilde  von  ir  nam, 
uud  die  gnad  gots  stund  ir  also  bey,  das  sie  nicht  allein  gewallig 
5  was  irs  tursten  durch  ir  tugentlichs  leben ,  sunder  sie  hielt  sich 
auch  als  demultiglichen  und  innghchen  und  gnadiglichen  gein 
armen  und  gein  reichen,  gen  edel  und  unedel,  die  für  sie  komen, 
das  kein  mensch  was  in  dem  turstenthumb ,  das  ir  nicht  günd 
der   ereu ,    wirdickeit  und   herschatt,   und  auch   als  ich   von   ir 

10  gebort  ban ,  so  w-as  sie  in  ireu  worten  gnedig  und  lieplicb  an 
irem  antlucz,  behegenhch  uud  l'runthold,  und  alles  das  sie  tbet, 
das  stund  ir  wol  an  und  zuchtiglicbeu ,  das  meniglich  ein  grofs 
gevalleu  daran  bet.  wann  ir  bercz  bett  mit  der  edlen  Suzanna 
ein    grosen    getraweu    in    got.     sie   ward   auch   erkant   in   iren 

15  wercken  einfeltig,  mit  groser  fur(135^)sicbtickeyt,  demutig  und 
getrew.  gein  gotl  was  sie  innig  au  irem  gepete,  gehorsam  uud 
stet  gen  irem  man.  das  alles  kom  in  solch  offenwarung  gen 
allen  leuten,  wer  nur  iren  namen  boret  nennen,  der  wart  von 
der  stymme  erfrewet.     man  saget  auch  vou  ir,   das  sie  also  ge- 

20  dultig,  leidenlicb  und  gehorsam  was  irem  herren ,  als  das  geoffen- 
wart  wirt  in  vil  dingen,  die  hernach  komen  und  gebort  werden, 
das  ein  spricbworl  aufs  komen  ist  von  iren  lügenden  in  dem 
land  und  ist  auch  noch  do  selben  unter  den  frawen,  wann  wo 
in  den  landen  ein  fraw ,  do  vor  Zeiten  ist  Grisardis  gewest ,  irem 

25  man  ist  widerspenig,  boffertig  und  zornig,  so  sprechen  die  anderen 
frawen  zu  ir  also :   du  bist  nicht  Grisardis. 

Darnach  nit  lang  do  nam  got  von  ir  die  schäm  der  ee ,  und 
gab  ir  aufs  irem  herren  ein  tocbter  und  zweu  sone,  und  ob  sie 
ander  kinder  nicht  mer  pracbt  bab,  das  beb  ich  nicht  vernomen, 

30  oder  sie  sein  villeicbt  als  jung  gestorben,  das  (136^  sie  nicht 
durch  das  verdienen  der  eiteren  sehen  die  übel,  die  auf  der 
erden  gesehen,  und  sein  in  das  pardeifs  komen  durch  die  macht 
der  sacrament  der  heiligen  crislenlieil. 

3  meniclichn  li  5  irs]   des  ß     tugeiUlich  i/  tj  also  cl.  |uiiil|  B 

gen  —  gen  B  7  arem  B      gen  vnedel  B  8  das]  und  A      was 

fehlt  A  11  behegentlichn  B  12  meniclichn  B  14  grofs  B 

16  newrt    B  20  olfenpar   B  21   vil]   d(^  B  22  kam   B        ist 

fehlt  AB  23  da  selbst  B  21  ein   fraw   in   de   lanndn  B        Gris. 

ist  B  25  und]  od'r  B  27  schand  B  28  ir  fehlt  A  32  pa- 

deifs  A      paradeifse  B      genüme  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  413 

Nun  bit  ich  und  besunder  einen  itlichen,  der  diefs  puchlein 
und  die  historieu  wirt  lesen,  und  besunder  irumme  eelevvt  und 
auch  clostermenschen,  die  unter  dem  gehorsam  sein,  das  sie 
mit  gutickeyt  hören  die  fursichtickeit  und  die  scharpf  Versuchung 
des  fursten ,  domit  er  die  tugenthaftigen  Grisardis,  sein  gemahel,  5 
versuchen  weit,  und  darnach  die  grosen  sterck  über  weybisch 
art  und  die  bestenlickeytt  der  diemut,  dor  innen  die  tugenthaft 
Grisardis  mit  groser  gedult  bestanden  ist,  auf  das,  ob  des  gleichen 
auch  einem  anderen  menschen  widerfure,  das  er  werd  versucht 
von  seinem  gemahel  ader  von  einem  gaistlichen  vater,  das  er  10 
dann  solch  Versuchung  mit  fursichtickeit  und  in  grosser  diemut 
sei  tragen  und  lernen  von  (136"')  der  tugenthaftigen  Grisardis, 
das  du  mit  ir  die  volkumenheit  der  gedult  macht  besitzen,  wann 
sie  hatt  gelernt  von  sand  Pauls,  das  sie  al  zeit  sprach  in  allen 
dingen  zu  irem  herren  also:  herre,  was  wolt  ir,  das  ich  sol  15 
thün?  und  das  es  leichter  werd  zu  vernemen,  was  ich  inzund 
mayn ,  so  sehen  wir ,  das  in  unseren  Zeiten  gehorsam  als  tewer 
ist  under  eeleuten  und  in  den  clostern,  das  der  man  mufs 
oft  sprechen  zu  seinem  weyb,  ab  er  wil  fried  haben  in  seinem 
hawfs:  was  du  wild  das  wil  ich  auch  thün,  und  gar  selten  spricht  20 
die  fraw:  mann,  was  wiltu  das  ich  sol  thün?  was  sprechen  wir 
dürftigen  hie  zu?  dann  Grisardis  tot  ist,  und  alle  tugent  sind 
mit  ir  ye  begraben  worden. 

Wie  der  marggrave  die  tugenthaftigen  Grisardis  in  sweren 
Sachen  versuchet,  und  wie  sie  das  gedultiglich  uberwant  25 
mit  grofser  stetikeit  der  libe. 
Als  nun  Grisardis  und  des  fursten  kinder  der  muter  (137'') 
mangelen  mochten,  die  Grisardis  mit  iren  brüsten  selber  genert 
hett,  und  keiner  ammen  narung  wolt  getrawen,  darumb  das  sie 
wol  west,   das  die  narung  der  kinder  sich  wandelt  in  der  com-  30 

2  jstory   B  3  den   geh,   A       der   geh.    B  5  seine   B 

10  elichen    gem.   B  12  das    sol   B        tugenhafften   B  13  du  — 

macht   fällt   aus  der   construciion       machst  B  14  wann   der    sie  A 

Paul*»  B  15    Apostelgesch.   9,  6  18    den    eeleutn    B 

19  wolt  A  20  auch   fehlt  B  22  hir  B       dy   sint   B  23  ye 

fehlt  B  2if  seine  gemahel  wolt  v'suche  vnd  bewern    an    swern  sachü 

vnd  wie  sie  all  v'suchung  tugellich  üb'  want  B  26  mit  grofser  stetikeit 

der  libe]   etc.    hierauf  rot  marth  A  27  d'r  narung  von  d'r  mut'  ge- 

inägeln  B  28  brüsten,    davor   g(enert?)  A  30  kind'r  leybe   (aus 

weybe  oder  umgekehrt)  wandeln  B      die  A      Gonplexen  B 


414  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

plexiou  durch  der  zertlichkeit  willen,  und  wann  die  aogeporo 
coniplex  wirt  verwandelt,  so  schicken  siech  dann  der  kinder 
sieten  nach  der  narung,  die  sie  von  den  hosen  sundigen  weyben 
haben  genomen,  und  werden  denn  nach  der  fremden  muter  sieten 
5  geschickt  in  der  naturlichen  zuneygung,  und  aufs  wolgeporen 
kiuderen  werden  dann  ruffian  und  puben ,  an  den  man  het  hoff- 
nung  herren  zu  werden. 

Do  nun  der  marggrave  das  sähe,  das  Grisardis  sein  gemahel 
nicht   allein  tugentlich  was,   sunder  das  sie   auch  den  perg  der 

10  lugenl  innen  hielt,  do  gedacht  er  mit  grofser  fursichtickeit,  wie 
er  sie  in  herten  und  sweren  sachen  versuchen  und  beweren 
wolt  an  iren  tugenden,  anderen  frawen  zu  einer  ewigen  (137'') 
lere  und  zu  einem  exempel  und  guten  ebenpilde  aller  frumkeit. 
es  geschah,  das  Grisardis  und  der  marggrave,  ir  gemahel,  eins 

15  nachtes  bey  eiunander  lagen,  und  der  herre  entfand  und  erkannt 
in  einer  stille,  das  Grisardis  uit  sliefl".  do  hueb  er  an  gar  swerUch 
zu  erseuffzen  in  im  selber,  das  thett  er  Grisardis  zu  gehören, 
er  beweyst  auch  grofs  angst  mit  seinem  leibe  uud  war!  siech  von 
einer  seilten  zu  der  anderen  und  sein  arm  warf  er  hin  und  here 

20  wider,  also  das  Grisardis  an  ime  grofs  bekummernüfs  und  angst 
soll  versteen,  doch  so  thet  es  der  weyfs  fürst  also  verporgeu 
mit  solcher  fursichtickeit,  das  ein  itlicher,  der  diese  ding  recht 
merckt,  der  vindet  nicht  ein  lugenhaltig  zaicheu  dor  iun.  es 
were  auch  zymlich  nicht  gewesen,  das  ein  solcher  frummer  und 

25  getrewer  fürst  soll  siech  mit  lugen  bekümmeren ,  suuder  zaichen- 
lich  und  schainperlich  wolt  er  weysen  in  den  wercken,  das  er 
ein  stet  frawen  von  tugenden  und  (138^)  von  diemutt  hett  und 
die  von  grund  irs  herczen  iren  herren  uud  gemahel  lieb  hett 
und  wider   ine  nicht  were   in  keinen  dingen,     also  thett   unser 

30  lieber  herre  Jhesus  Cristus  nach  seiner  heiligen  aulfersteung, 
do  er  on  lugen  erschain  Maria  Magdalena  in  eins  gertners  weyse 
und  zweien  jüngeren  unterwegen    in  einer  anderen  geslalt.     do 

1  zeillichkeit^     wan  daii  Ä  2  Cöplex /f         4AaäB  6  dem  r/ 

hoffeiiüg  hei  B  7  der  ^anze  nhsatz  entbehrt  des  nac/isatzes 

8  das   vor  sähe  fehlt  B  10  het   Z^  11  bewaien    A  13  eben- 

pilden  B  16  an    e.    falle  A       swei liehen  B  17  gehoruiig    B 

18  dem   I.  B  19  auf  die  a.  B      die  warde  B  24  nicht  zimlicli  B 

25  zcichPlichen /?  26  schcinperiichen,  en  rot  au.'ii::cstriclieii,  darauf 

er  B      bewcifsen  B  Tl  steten  B  31   weyse]    pilde  //  32  do 

nu  d.  f.  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  415 

der  fürst  nuo  gepart,  als  im  grose  bekummernufs  was,  do  redet 
er  heimlichea  mit  im  selber,  das  doch  Grisardis  vernam,  und 
er  sprach  mit  solchen  Worten  also :  warumb  hastu  das  nit  vor 
bedacht?  so  nu  das  mufs  sein,  wer  es  nit  pesser,  das  du  das 
licht  der  sunnen  nie  best  beschawt?  und  get  es  für  sich,  so  5 
wirf  es  eyn  sach  solcher  betrubnufs,  das  alle  die  übel,  die  ich 
ye  gelieden  han,  die  mugen  sich  diesem  übel  nit  gleichen,  als 
nun  Grizardis  solch  grofs  bekummernufs  an  diesen  worten  ver- 
nam irs  herren,  der  sie  vor  nicht  mer  hett  gehört  von  ime  noch 
erkannt  het,  do  viel  sie  in  swer  gedancken  und  in  mitleiden  10 
mit  irem  (138")  allerUebsten  herren,  und  sie  gab  im  ein  zaicheu, 
das  sie  wachet  und  das  sie  seine  wort  wol  vernomen  hett  und 
sprach  zu  dem  herren  also  'ach,  meyu  aller  liebster  herre  und 
bruder,  van  den  tagen  als  ewer  augeporne  gnad  das  gutt  daucht, 
das  ir  mein  diemüt  erkannt  habt  und  mich  in  ewer  geselschaft  15 
der  ee  habt  genommen,  so  hab  ich  ewrs  hertzen  bekummernufs 
und  sorgvehikeit  so  grofs  nicht  mer  gesehen  und  erkannt,  auch 
ob  ir  icht  bekummernufs  gelieden  habt,  so  habt  ir  es  doch  vor 
mir  in  ewrer  diener  gegenwertickeit  verporgen  und  seit  vor 
meiner  gegenwertikeit  alle  zeit  frolichen  gewesen,  aber  was  das  20 
inzund  bedewttet,  ist  es  ewrem  willen  nicht  wider,  so  bit  ich 
ewer  gnad,  das  ir  mir  solch  bekummernufs  zu  erkennen  geben 
wolt,  das  ich  mit  sambt  euch  solcher  betrubung  ein  tragerin 
sey,  und  als  ich  mich  in  frewden  mit  euch  gefreut  han,  also, 
ist  es  muglichen,    das  ich  ewer  traurigkeit  ein  einnemerin  sey.'  25 

Do  antwort  der  turst  und  sprach  also  'Grisardis,  die[se]  purd 
diefs  jamers,  die  ist  dir  uutragenlichen  zu  tragen,  und  (139*) 
du  bist  ir  zu  krauck.  du  pist  eyn  fraw.  du  bist  in  herten 
Sachen  unversuchet,  und  mich  düncket,  das  du  über  dein  macht 
geest  solch  hert  traurigkeit  zu  wiessen.'  'herre',  sprach  sie,  'alles  30 
das,  das  euch  beswert,  das  ist  nicht  über  mein  macht  zu  tragen 
sieder   der   zeit   als   ir   mich  dann    gnediglich  habt   an   gesehen. 

1  als    er   in   grofser   b.    wer  B  4  das   nu  B      [das]   leicht  A 

6  es  vor  eyn  fehlt  B        sulchs  B  7  hab  5  8  de  i?  9  irs  b. 

vernam  B       von  jm  (hierauf  Jiochmals  nicht  me,  aber  ausgestrichen)  vor 
[hett]  gebort  i?  11  vmb  jren  B  18  so  habt]  so  seit  ^      es  fehlt  A 

19  in]  \nA     ew'n  dienern.^      eiw  ausgestrichen,  dann  ewer  diren  j5 
verporgen  —  20  gegenwertikeit  fehlt  A  20  alzeit    B  23  wolt 

geben  B  26  antwurt    ir  B      difseu  B  28  fraw    vnd    [du]  B 

29  versucht  A         32  genediclichn  B 


416     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜiNFZEHNTEN  JUS. 

darumb  alles,  das  euch  druckt,  mag  es  gesein,  so  leget  es  auf 
mich,  wann  ich  bin  beraytt  mit  ewer  lieb  zu  geen  bifs  in  den 
tot.'  'o',  sprach  der  fürst,  'mein  aller  liebster  gemahel  Grisardis, 
dein  grofs  lieb,  die  du  zu  mir  hast,  die  bezwingt  dich  solche 
5  wort  zu  reden,  aber  du  wirdest  betrogen,  ab  ich  dir  sage  diese 
jamerliche  ding.'  nun  wuchs  und  geniert  sich  die  lieb  in  der 
tugeuthaftigen  Grisardis ,  und  sie  antwort  irem  herrn  mit  hayssen 
zehern  und  sprach  also  'ich  weifs  nicht  was  andere  weyber 
mugen  getragen ,  aber  die  gantzheit  meiner  brüst  waifs  wol ,  was 

10  Grisardis  mug  getragen,  darumb,  herre,  so  erparmt  euch  über 
mich  und  schiebet  (139'')  mir  diese  ding  nicht  auff,  wann  mein 
hertz  ist  in  mir  erwärmt,  wann  ewer  gedackt  wunden,  die  be- 
sweren  mich  mer  dann  villeicht  das  gescheft  an  im  selber  ist, 
wie  hert   und    auch  wie  grofs   es   sey.'     'du   überwindest   mich, 

15  Grisardis',  sprach  der  marggrave,  'das  ich  dir  das  ofFenwar,  das 
vi!  hesser  geswigen  were.  nun  sehe,  war  ein  ich  mufs  meinen 
willen  und  gunst  geben,  es  haben  mein  reit  das  uberkomeu  und 
erkannt,  das  unser  kinder  zu  wenig  haben  an  der  herschaft  und 
an  dem  adel ,   also  das  sie    nitt  mugen  besitzen    irs  vaters  erbe. 

20  dorumb  so  ersrick  nit,  du  maynst,  du  magst  grose  ding  und 
swere  ding  tragen,  ee  das  der  tag  anbricht,  so  muessen  wir 
payde,  du  und  ich,  ansehen,  das  unser  kinder  werden  von  uns 
getragen  und  genomen  von  den ,  die  dor  zu  geschickt  sein ,  und 
sie  werden  mit  ine  thün   als  sie  dann  gehaissen    sein  durch  die 

25  macht  der,  die  in  ein  solclis  enlpfolhen  haben.'  wann  der  fürst 
het  verporgen  ein  fremds  gesinde  gewappent,  (140*)  von  den 
Grisardis  nicht  enweszt  und  die  sie  auch  vor  nicht  mer  gesehen 
noch  erkannt  helt.  als  er  den  selben  hett  ein  zaichen  geben, 
do  clopften    sie  an  das  thor  der  purg   und  hiessen  in  gewaltig- 

30  liehen  geben  die  drey  kinder  des  marggraven,  als  denn  das  er- 
kant  were.  an  den  hett  der  fursl  gar  heymlichen  beslelt,  das 
Grisardis  da  von  nit  enwest,  das  sie  dye  kinder  selten  füren  in 
ein  ander  land  gar   zu  einer  edlen  frawen.     die  soll   in  grosser 

7  tugenhafflen  5      haysseni  ^         9 /.  brunst?         10  mag  Ä         11  mein 
[efdt  A  12  bedacklcn  B  14  auch   nach  es  B      wie  fehlt  B 

16  were  geswigG  B      sihe  B     mufst  B  20  maclit  B     ding  fehlt  B 

21  getragen  B  23  sint  B  24  [mit]    ine  nicht  A      sie]  die  A 

geheifs  //  25  in  fehlt  A       eins  A       eiii  B  26  fremdes  B      den] 

dir  A  27  nicht  —  vor   fehlt  A  31  an]    mit    B       bestalt    B 

33  edinn  A 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  417 

still  der  kinder  pflegen  und  solt  sie  lernen  gut  und  hofl'lich 
sieten  als  lang  ir  potschaft  von  dem  marggraven  kome.  als  nun 
der  kammerer  dem  fursten  gar  frw  verkundt,  das  ein  fremdes 
volck  vor  dem  thor  wer  und  sprachen  hochmuliglichen ,  das  man 
dem  marggraven  solt  sagen,  das  er  seyn  glueb  solt  halten,  als  6 
nach  dem  urteyl  seiner  rethe  wer  aufs  gesprochen:  'mag  ein 
anders  nicht  gesein',  sprach  der  fürst,  'so  thun  ich  iren  willen, 
wann  des  rats  urteyl  in  der  sach  sol  ich  nicht  straffen.'  also 
wurden  die  kinder  des  fursten  und  (140'')  der  tugenthaftigen 
Grisardis  den  geanlwort,  und  die  fürten  sie  mit  ine  hin,  das  10 
Grisardis  noch  nymant  mocht  erfaren ,  wo  die  kinder  hin  komen, 
und  wie  wol  das  Grisardis  in  ir  gegenwertickeyt  must  sehen, 
das  man  ire  kinder  von  ire  name,  doch  so  ward  ir  tugent  so 
manigfaltig  und  so  grofs,  das  sie  swaig  und  über  solch  sach  nit 
antwort  gab.  15 

Es  was   auch   die  diemutig  tugenthaftig  Grisardis   nach  der 
zeit,  als  sie  ire  kinder  hett  verloren,  irem  herrn  in  allen  dingen 
also  behegenlichen  und  gefellichen  wiUig,  schimpflichen  in  zuch- 
tiger geperde   und   gein   im  suesse   mit  senftrautiglichen  Worten 
und  wercken   mer  dann   sie  vormals   ye  gewesen  was.     sie   het  20 
auch  alzeit  in  irer  gedechtnüfs  das  gluebdt,  das  sie  irem  herren 
gethan  hatt   zu  dem  ersten   als  sie  zu  im  kome.     auch  so  fragt 
sie  iren  herren  auf  ein  zeit  nye,  wo  ir  kinder  weren  hin  komen, 
noch  von  keinem  menschen  erforscht   noch   enfragt   sie  von  irs 
herren  gewerbe,   sunder   in   grosen   fugenden  (14  T)  beslofs   sie  25 
in  ir  das  muterliche  wee,  das  sie  trug  von  ir  kinder  wegen,  das 
sie  gleich  ein  ander  Hesster  ist  gewesen  auff  dieser  erden,     als 
nun  der  marggrave  sähe   und  erkant  die  ubergrosen  sterck  und 
das  vest  gemüt  seiner  tugenthaftigen  gemahel  Grisardis,    do  be- 
dacht  er  das  muterlich  wee  und  den  herten  smertzen ,   den  sie  30 
laide   als   mit   grosser   gedull,   das   er   haynilich  das   mit  groser     "' 
piltrickeyl  bewaynet.     doch  so  swaig  er  der  sach  vor  ir,  das  ir 

2  lang  das  B  3  saget  gar  frwe  [verkundt]  B       fremde  B 

4  vor  volck  :  tuch  ausgestrichen  A       was  B       spreche  B  5  gelubde  B 

6  ein]einny^  es  5        7  iren]  ewren  J5        10  die]  sie  Ä         11  hin]ir^ 
12  ir'    B  13  ward]  was   B  18  vnd    seh.    B  19   senftea 

tugentlichen  w.  B  20  siee   h.  A  21  alle   zeit   B        jre  B 

gluedt  A  gelubde  B  22  het  B       gefraget  B  24  keinen  B 

26   das    nach    ir   fehlt  A  27   einnander  A       Esster  B  32  ge- 

sweig  B 


418  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

layd  nicht  geraertvvürd,  und  er  iibet  sich  und  auch  sie  auff  das 
allerhohsl.  auch  so  west  er  wol,  wenn  man  tugeot  lobet  in 
einem  lugentlichen  hertzen,  so  nymbt  sie  zu.  aber  in  dieser 
sach ,  dorumb  das  alle  tugent  werden  geschickt  von  der  gerech- 
5  tickeyt,  het  er  dan  mit  ir  da  von  geredt,  so  het  sie  recht  und 
stal  gehabt,  das  sie  het  gefragt  mer  von  irem  schaden,  also 
wer  dann  sein  fursacz  aufs  frag  und  aufs  antwort  zu  ruwe  gangen 
und  wer  offenwar  worden  und  wer  nicht  komen  in  das  ende, 
dorumb  er  es  hett  gethan,  (HP)  durch  der  frawen  Versuchung 

10  wegen,  also  sagen  sie  payde  auff  dye  spitzen  der  tugent,  und 
dieser  sach  wart  zehen  jar  geswiegen  und  sie  liden  sich  doch 
payde  mit  einnander  in  groser  zucht  und  lieb,  zug  ich  noch  her 
ein  zu  lobe  der  tugenthaftigen  frawen  Grisardis  das  der  heilig 
sand  Ambrosius   schreibt   in  dem   ersten   puch  von  den  ampten, 

15  do  wurd  die  historie  zu  lang;  dann  were  wil  wiessen ,  wenn 
oder  wo,  zu  welcher  zeit  und  was  er  reden  sol,  der  lefs  das 
selb  puch. 

Wie    der    fürst    die    tugenthaftigen    Grisardis    aber    ver- 
suchet  und   sie  von   im   aufs  dem   peth  trieb   wider  zu 
20  irem  vater. 

Es  waren  zehen  jar  vergangen ,  als  die  grofs  Versuchung 
leychter  was  worden,  und  ich  waifs  nicht,  mit  welcher  kunst 
der  fürst  das  zu  bracht,  und  ob  es  zimlich  sey  zu  sprechen,  das 
ein  solcher  frummer,   tugentlicher  man  also  (142^)  hertiglichen 

25  wolt  versuchen  ein  solche  tugentliche,  frumnie  und  diemutige 
frawen ,  die  unstrafflichen  was  in  allen  iren  sieten ,  in  Worten 
und  in  wercken.  aber  ich  main,  das  sey  ein  sach  gewesen: 
gol  unser  herre,  der  aller  hertzen  ist  ein  erforscher  und  er- 
kenner,  der  spuret  dye  sein  in  mancherley  weifs  und  er  schickt 

30  und  beraittet  und  volbringt  sie  also  durch  diefs  totlich  leben  zu 
dem  ewigen  leben,  wie  er  wil  und  durch  wen  er  wil,  das  auch 
der    unterweylen    nicht   waifs    noch   erkent   durch   den    er   den 

1    icht   B  3    hertzen]    nienschii  B  6   ire  AB  7  rwe   A 

rüge  B  11  liden  sich]  hellen  A  12  Zu  gee  ich  jm  vor  ein  B 

14  dem  A.    gemeint  ist  die  schrift  De  officiis  ministrorum  15  do]  so  B 

dihistoryi^        18  die]  der  y/     tugethafrten  2/        19  (reibe  Ä        20  vater 
etc.,  hierauf  rot  Maria  A  25  tugenllichen  nach  frümen  B  2(i  vn- 

slrefilichen  B  29  die  sporet  B       seine  B  30  beraitlelj  bewertt  B 

31  wenn  .4  32  erkant  A        er]  d'r  her'  B        denn  m.  A 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  419 

menschen  bei  kumet.  we  dir  Assur,  spricht  der  prophet  Ysayas, 
du  pist  der  prugel  meins  Schlagers,  got  der  droet  im  das  ewig 
wee  und  haist  in  doch  ein  zuchtiger  des  voicks  gotes.  aber  das 
enwoll  got  nicht,  das  diser  wirdig  fürst  also  gesant  sey  über 
die  tugenlhaftigen  Grisardis.  aber  so  nymant  an  sund  ist,  wer  5 
was,  was  an  ir  zu  straffen  was,  umb  das  sie  hoher  zu  neme  an 
lugenden,  und  das  do  dein  was,  das  geviel  got  nicht  wol  an  ir. 
also  spricht  Salmon:  (142'')  lachen  wirt  mit  smertzen  vermischt 
und  an  dem  ende  der  frewden  waynet  man  gern,  auch  so  got 
seiner  aller  unschuldigsten  muler  und  maid  hat  mit  im  selber,  10 
der  noch  unschuldiger  was,  nicht  geschonet  und  besunder  an 
dem  tag  seins  heiligen  leidens,  so  was  Grisardis  auch  nicht  zu 
schonen,  nach  den  zehen  jähren  do  erdacht  aber  der  marggrave 
ein  fremde  sach  in  solcher  weifs,  als  er  vor  hell  gethan,  do  er 
die  kinder  het  versant,  do  mit  er  die  tugendhaftigen  Grisardis  15 
versuchet,  also  beweist  er  ir  eins  nachts  aber,  als  sie  bey 
einnander  lagen  und  ruten,  vil  groser  zaichen  des  inneren  kum- 
niers,  und  er  redt  als  er  sein  sinne  wolt  verliessen,  man  kam 
im  dann  pald  zu  hilf,  do  das  die  schamhaftig  und  tugentlich 
frawe  Grisardis  vernam,  die  kein  args  erkannt,  do  ersrack  sie  20 
der  grosen  unversehen  sach  und  wart  aufsermasen  jamerig  und 
sprach  dem  fursten  zu  also  'o  wee  mir!  was  ist  das  news  und 
was  ubels  hell  euch,  mein  allerliebster  herre,  in  ewer  (143') 
lieb  und  frumkeyt?  wer  sein  doch  die  als  untugentlichen  lewt, 
die  euch  also  hart  bekümmeren  und  geben  arg  für  tugent?  nun  25 
fugt  ir  doch  keinem  menschen  nicht  laydesl  0  mich  aller  weiber 
die  aller  betrübst,  es  sey  dann,  das  ir  alles  ewer  laid  auff  mich 
leget,  so  wiesset,  herre,  das  mir  grofs  wee  und  kummer  ge- 
schieht, und  wolt  es  got,  so  wolt  ich  gern  vor  ewren  kummer 
und  für  euch  sterben.'  30 

Do   nun   der  fürst   solch   grofs   angst   und  kummernufs  an 
seiner   tugenlhaftigen  Grisardis  erkannt,    do  gedacht  er,   wie  er 

1  bei  kumet]  bekennet  y/  bei  kulmt't  ^ebesse7't  ö7/s  beschi|armet  5 
Assur]  aber  y/  1  f  haias  l(),b  2  slaheit  jB  slaheas'^  Steinmeyer 
3  zuchtigen  A       Züchtigung  B      aber  fehlt  J  4  enwolt  A  6  was 

=  weifs  5        8Salomon5        8 /" /'rot-.  14, 13  11  der  noch]  darnach  ^ 

15  [het]   versannte  B  18  ab'r  als  ob  B       kom  B  19  scha- 

mig [und]    tugenthaft  B  20  argers  B  21  vnu'sehe   grofsen  B 

aufs  d'rmafseni?  22  Awe5      was  fehlt  B  23  hell  iB      28  mich  i? 

29  vor]  für  B  31  bekomernufs  B  32  lugenthafften  B 


420  DEUTSCHE  PROSAINOV ELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

sye  mit  groser  hinterlisl  ir  betrubtnufs  mochl  benemen  und  sprach 
zu  ir  also  'mein  allerliebste  Grisardis,  ich  bin  nicht  als  thumer 
synn  noch  als  arcvvenig,  das  ich  zweivel  an  deiner  grosen  lieb, 
die  du  zu  mir  hast,  darumb,  wenn  ich  gedenck,  was  du  vor 
5  geliden  hast,  das  da  über  die  mafs  aller  frawen  ist,  und  als  oft 
ich  es  für  mich  nym,  so  wundert  mich,  das  du  noch  lebest, 
wie  mag  ich  dir  dann  geoffenwareu  diese  gegen(l43'')wertige 
ding,  die  gar  vil  untregenlicher  sein  dir  und  auch  mir  dann 
die  ersten  ? '  do  anlwort  die  lugenthaft  Grisardis  gar  mit  suessen 

10  Worten  dem  herren  und  sprach  also  'allerlibster  herre,  das  sich 
vor  vergangen  hat,  das  ist  hin,  und  ich  han  es  got  entpfolhen 
und  von  seinen  gnaden  so  trag  ich  es  nach  meinem  vermugen. 
aber  iuzund  diese  gegenwertige  ding,  die  sein  mir  untregenlicher 
dann  die  ersten,  wann  ir  seyt  anders  geschickt  dann  vor.    darumb 

15  so  bit  ich  ewer  fruntholcz  hercz  mit  groser  diemut,  ist  es  nit 
wider  ewren  willen ,  das  ir  mir  mit  teylt  ewer  angst ,  so  getraw 
ich  got,  ir  tragt  sie  dester  leichter.'  'Grisardis,  ist,  das  ich  dir 
das  sage  und  offenware  und  wer  nit  fursichtickeit  des  endes,  so 
were  es  nicht  wunder,  das  wir  pede  abgingen.'     'herre',  sprach 

20  Grisardis,  'ist,  das  ir  mir  das  saget  und  offenwart,  seyt  unbesorgt 
und  legt  es  alles  aufl"  mich,  so  werdet  ir  erfinden,  das  es  alles 
zu  dem  pesten  wirt  geschickt.'  'warumb',  sprach  (144^)  der  fürst, 
'las  ich  mich  von  dir  überwinden,  das  ich  dir  sage  aller  laid  das 
laydigst?   oder  warumb  solt  du  umb  mich   und  ich  umb  deinen 

25  willen  solch  unrecht  layden ,  dann  das  wir  leychl  peyde  in  grofs 
sichtumb  werden  vallen?  siehe,  grosse  dinck,  die  vergangen  sein, 
den  volgen  nach  vil  grosser,  dann  ich  mufs  dich  aufs  meiner 
geselschaft  sliessen.  wenn  ist  das  auff  erden  ye  gebort  worden  ? 
man  wil  dich  nicht  leyden,  das  du  seist  ein  furstin,  sunder  ich 

30  mufs  dich  stossen  wider  in  dein  armut,  als  ich  dich  dann  funden 

habe,  und  man  hat  mir  aufs  getretten  gar  ein  edel  junckfrawen, 

die  man  mir  von  ferren  landen  in  vierzehen  tagen  wirt  pringen.' 

Do  nun  Grisardis  die  wort  von  irem  herren  vernam,  do  wart 

1  groser]  sufser  B      gemefsigen  B  2  thumer]  myner  B  'd  ar- 

wenig  A  4  bedenck  B  5  da  fehlt  B  6  verwüdert  B        8  vn- 

treglich'r /y       d\T  fehlt  J      mer /^  10  herre  fehlt  J  II  vor  fehlt  A 

12  gegenwerligen  B        17  desler]  des  B        18  nit]  mit  //      nicht  // 
20  ist  —  ofTenwart  fehlt  B        21  es  fehlt  B        22  pestem  A        25  leych  A 

20  grofsen  B  27  dem  A   der  B      wann  B  28  wann  // 

yej  wp,  w  m  y  f^eiindert  A  mer  B  81  jürkfraw  B 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  421 

sie  fro  und  sprach  zu  dem  fursten  also  'aller  liebster  herre,  seit 
guls  muts  und  unredlich  trawrickeit  treybet  verre  von  dem  hertzen 
durch  ewer  heb  und  tugent.  eins  allein  aufs  genommen,  das  ir 
(144'')  mich  gewirdigt  habt  in  ewerm  peth  keuscher  geselschaft  und 
gnediger  fruntschaft,  die  ich  han  lieb  gehabt  und  vvil  auch  lieb  5 
haben  dye  tag,  die  ich  lebe,  und  ich  wil  auch  nymmermer  un- 
danckneme  sein  oder  vergessen  der  grozzen  lieb,  die  ir  mir 
von  ewren  angeporn  tugenden  beweist  habt:  das  allein  aufs  ge- 
slossen,  so  wist,  das  ich  meins  vaters  armut  und  sein  gegen- 
wurtickeit  also  lieb  hab,  das  es  mir  nicht  swer  ist,  das  ich  zu  10 
im  kome,  sunder  schimpflich  und  lustlich  für  allen  lust  dieser 
werlt  ist  es  mir.  auch  so  han  ich  reichtumb,  herschaft  bey  euch 
nye  lieb  gehabt ,  sunder  die  reynickeyt  und  keuscheit  allein ,  die 
zwischen  uns  payden  ist  gewesen,  sehent',  sprach  sie,  'ich  bin 
nackende  komen  in  die  herschaft:  auch  so  wil  ich  nackend  wider  ^^ 
komen  in  meins  vaters  hawfs.  got  der  hat  es  geben:  auch  so 
hat  er  es  wider  genomen,  und  als  es  im  gefellichen  ist,  also  ist 
es  auch  gesehen.  (145^)  sein  name  sey  gelobt!'  al  zuhant  stund 
Grisardis  auff  aufs  dem  peth  und  sucht  die  claider,  die  ir  ir 
vater  entpfolhen  hett  als  einen  wolbewarten  schilt  wider  die  20 
hoffart,  und  wolt  von  dann  geen,  ee  der  tag  an  brach,  und 
als  sie  siech  begund  an  zu  legen  in  der  gegenwertickeit  irs 
herren ,  do  was  ir  das  alt  hemd ,  das  sie  in  irs  vater  haws  ge- 
tragen hett,  zu  eng  und  zu  kurcz  worden,  darumb  das  sie  an 
dem  leibe  lenger  und  dicker  worden  was,  als  dann  den  frawen  25 
gemeinlichen  geschieht  nach  den  kinderen.  do  lachet  die  tugent- 
haftig  Grisardis  und  sprach  gar  schimpflichen  zu  dem  herren 
also  'lieber  herre,  es  ist  nacht,  und  ir  muget  nit  erkennen  was 
mir  pricht,  doch  so  beger  ich,  das  ir  mir  glaubig  seyt,  mein 
altes  hemd  das  ist  mir  zu  dein  worden,  erlaubet  mir,  das  ich  30 
hie  tuch  neme,  das  ich  mir  in  meines  vaters  hawfs  ein  ander 
hemd  mach.'  als  ir  das  von  dem  herren  erlaubt  was,  da  zöge 
sie  an  den  halb  erfaulten  rock  und  (145'')  gesegent  iren  herren 

2  dy  treibet  B       3  durch  fehlt  AB        4  in  fehll  AB    ewrri  A    pette  B 
5  hab  B         6  die]  vnd  B     ich  vor  wil  fehlt  B     nymer  B        7  gesein  B 
die]  do  y^        8  angeporn  A     tugent  B        9  vater  B        11  lustig  vor 
aller  B  14  vgl.  Hiob  1,  21  16  vaf  7tsw.  B  17  ers  [es]  B 

18  der  sey  B  20  ein  unwolwebarter  A  21  danne  B      anpreche  B 

23  herren  fehlt  A  25  dicker  u.  lenger  B  26  gemeincklichn  B 

tugenthafft  B  29  gepricht  B  32  jre  hern  B      wart  B 

Z.  F.  D.  A.    XXIX.    N.  F.   XVII.  29 


422     DEUTSCHE  PROSANOVELLEIS  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

und  sprach  'von  gantzem  meinen  herlzen  bit  ich  ewer  gnad, 
mein  aller  liebster  herre,  das  ir  mich  aufs  ewrem  gedechtnufs 
treibet  und  keinen  smertzen  habt  umb  mich,  wann  mir  ist  nit 
laid  gesehen  an  dem  verliessen  zeitlicher  herschatt.'  'bayt,  mein 
5  übe  Grisardis',  sprach  der  marggrave,  'bifs  das  ich  mich  an  lege, 
so  wil  ich  dich  allein  füren  an  die  stat,  do  ich  dich  hab  ge- 
nomen.  nun  hie  ist  gar  wol  zu  bedencken  der  herzenlich  grofs 
jamer  und  waynen ,  das  der  fürst  layd ,  do  er  sähe  die  als  gar 
uniiberwindtlich    tugent   seins  weybs,    gehorsam,   anfalt,    sterck, 

10  dienuU  und  gedult  mit  dem  hauffen  eins  volkomen  lebens  und 
versmehung  aller  dieser  werlt.  also  gingen  sie  payde  mit  ein- 
nander  in  der  vinsteren  nacht  und  kamen  füre  irs  vaters  haus 
und  do  sie  payde  also  stunden  in  trawrickeit,  do  waynet  der 
fürst  also  sere,    das  er  Grisardis    nit  mocht  zu  sprechen,     aber 

15  sie  wünscht  im  hails  und  sprach  also  'unser  lieber  herre  und 
got  nach  (146^)  seiner  manigfeltigen  parmherzickeit,  gnad  und 
gutickeit  fursehe  euch  mit  einem  frummen  weybe,  die  ewrem 
adel  und  handel  erwirdig  ist,  wan  lebt  auff  disem  ertrich  ein 
getrewer  guter  frummer  gotfurchtiger  man,  der  unschuldiglichen 

20  lebet  unter  der  hosen  weit,  das  seit  ir.' 

Also  schied  sich  der  fürst  von  ir  in  grossem  jamer,  und 
die  tugenthaftig  Grisardis  clopfet  an  die  thure  irs  vaters  haus, 
als  der  alt,  irvater,  erkannt  die  stymm  seiner  tochter  und  sähe 
ir  Zukunft,   do  vil  er  von  grosen  srecken  vor  ir  nyder  und  lag 

25  lang  als  er  halber  todt  were.  und  do  er  wider  zu  im  selber 
kom ,  do  hueb  sich  newe  clag  und  waynen  und  er  sprach  also 
'es  ist  recht  komen  das  ich  vor  besorgt  han,  und  das  übel  hat 
mich  begrieffen  und  alles,  das  ich  dem  herren  vor  gesagt  habe, 
das  ist  über  mich  komen.    ich  entpünd  in  deinem  unrecht  ein  ver- 

30  smehung  des  almechtigen  gols  und  das  alt  Sprichwort,  das  layder 
ich  armer  dürftiger  unter  totlichen  menschen  der  (140'')  aller  un- 
saligst  man  hab  gebort  von  den  alten:  man  sol  den  herren  wol 

1  und  fehlt  B       sprach  also  B       ganczen  B  4  geschehen  B 

5  angelege  B        7  nun  fehlt  B      gar  fehlt  B      den  herczelichen  [grofs]  B 

8  die   fehlt  B  9  einfalt   gehorsam  B  13  trawr|rickeit  B 

14  gesprechen  yy         19  gotfursichtiger  y/,  vgl.  373,11  lesa.  gotforchtiger // 

21  grossen  A  22  tugenthaft  B       die]  dir  A  24  vor  grofsein  ü 

von  ir  A  25  lang   fehlt  yt       was  B  '11  hab  B  29  vn- 

rechten  A      ein  fehlt  AB  31  armer  dürftiger  unter  totliciien]  alter  vnd 

torlicher  y^  32  dem  a.  A 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  423 

dienen  und  übel  trawen.'  wie  woll  doch  die  bekümmert  tugent- 
haftig  Grisardis  aber  einen  säur  senit  hett  versucht,  dennoch 
so  thet  sie  iren  vleis,  das  sie  iren  vater  in  dem  alter  nit  ver- 
lure  in  frevelen  urtaylen  über  iren  herren  und  sprach  also  'lieber 
vater,  wie  wol  diefs  geschalt  an  im  selbs  hat  ein  pofse  gestalt,  5 
darumb  das  ich  es  weder  mit  worlen  noch  mit  den  wercken  nit 
verschuldet  habe,  darumb  das  er  mich,  seinen  eelichen  peth- 
genofsen,  mocht  verlassen,  die  er  an  underlafs  in  grofsen  wirden 
hat  gehalten,  so  lafs  doch  von  dem  layd,  wan  ich  erkenn  den 
herren  also  frum  und  getrew,  wer  es  nit  endlich  sach,  aufs  der  10 
er  etwas  nuczlichers  zihen  will,  er  thet  es  nicht,  dorumb  so 
sweige  wir  und  haben  achtung  auff  das  end  und  entplelhen  es 
got,  der  alle  ding  die  bofse  sein  in  das  gut  verwandelen  mag, 
und  wenn  es  seiner  erparmunge  wol  gefeilet,  so  wirt  es  (147^) 
pesser  dann  es  ye  gewesen  ist.  do  der  alt  solche  wort  hört  von  15 
Grisardis,  seiner  tochter,  do  swaig  er,  und  do  er  pafs  zu  im 
selber  kam,  do  wart  er  also  fro,  das  er  sein  tochter  wider  hett, 
das  er  alles  Unrechts  vergafs. 

Wie  Grisardis  wider  kome  und  wie  sie  ire  kinder  erkant, 
zu  einer  anweifsung  den  frawen  von  den  lügenden  Gri-  20 
sardis. 
Alzuhant   als   nun  Grisardis  von  dem  marggraven  kam,   do 
gedacht  er  mit   groser  sorgveltickeit,   das  solch  grosse  sach  nit 
offenwar  wurde,  das    er  die  frawen  also  hett  von   im  getrieben, 
die  alles  volck  in  also  groser  lieb  hett  und  in  also   genem  was,  25 
und    er  hett   es   nicht  mügen   an  schaden  seins  leymüts  verant- 
worten,  und  das  grofs  ergernufs  wer  auff  erstanden  unter  dem 
volck:  darumb  so  bestellet  er  gar  behendiglich,  das  die  fraw  zu 
im  kome  und  sein  und  Grisardis  tochter,  die  inzunde  manpar  was 
worden,  mit  iren  bruderen ,  die  (147*^)  ir  dann  entpfolhen  waren  30 
worden  und  die  sie  erzogen  hett,  als  ob  sie  ir  kind  weren ,  mit 
ir  brecht,  und  er  het  in  grofs  volck  geschickt,  die  mit  kosten- 
licher gezirde  mit   den  kinden  komeu    sollen,     es  het  auch  der 

1  wenig  getrawen  B  vgl.  grossen  herren  und  schönen  frauen  soll 
man  wol  dienen  doch  wenig  trauen  Simrock  D.  sprichw.  4641  tugent- 
hafft  Ä  2  senffÄ  5  das  geschefft  if      seib'r  5  6  das  fehlt  B 

9  doch  fehlt  B         11  er  e.]  ee  e.  ß      het  es  nicht  getan  5         20  der 
fr.  A       von   den]   vnd  A        Grisardis  etc.,  hie?-auf  rot  katherina  A 
25  also]   aller  A      heten  B       und  fehlt  A  28  behenndlichn  B 

31  jreu  B  32  in]  im  A      zu  geschickt  B  33  zirde  B 

29* 


424     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JUS. 

marggrave  die  sach  also  bestellet,  das  die  lochler  weder  in  noch 
ir  muler  Grisardis  nicht  erkannt,  dann  allein  hört  sie  von  der 
Irawen,  die  sie  erzogen  hell,  die  sie  für  ir  muler  hell,  das  sie 
soll  mit  ir  faren  zu  beschawen  den  niarggraven  und  sein  weyb, 
5  von  der  sie  als  grofs  tugeul  hell  gehört  und  vernomen.  als 
man  nun  dem  marggraven  saget,  im  komen  gefst,  do  schickt  er 
mit  listen  nach  Grisardis,  das  sie  zu  im  kome.  alzuhant  was 
sie  irem  herren  gehorsam  und  die  aller  diemuttigst  Grisardis,  die 
lieff  nicht  voll  zorns,    als  ob    sie   nicht  komen  wolt  von  wider- 

10  spenickeil  wegen,  sunder  alzuhant  kam  sie  zu  im.  in  dem  ist 
zu  vermercken,  was  guts  wurcket  ainfalt  und  diemut.  'Grisardis', 
sprach  der  fürst,  'du  weist  umb  das  geschefl  meins  hauses. 
darumb  so  berayt  alle  ding  (148")  ordenlichen,  wann  die  gesl 
kummen  mit  der  junckfrawen,  die  dich  hat  wider  prachl  in  deins 

15  Vaters  hawfs,  und  gee  ein  weyl  in  mein  kammeren ,  bils  das  ge- 
dreng  des  volcks  vergeet,  und  leg  andere  clayder  an  (wann  es 
stund  mir  nit  wol,  das  ymant  an  meinem  hoff  übel  geclaidel 
were)  und  schacze  die  junckfrawen  durch  ein  lochlein  in  der  kam- 
meren.'   als  Grisardis  ein  solch  von  dem  herren  geheyssen  wurd 

20  und  das  kaum  volbracht  hell,  al  zuhaut  was  das  folck  bey  der 
purg.  der  fürst  ging  her  abe  für  die  purge  und  enlpfing  die 
edlen  frawen  und  die  junckfraw  mit  iren  bruderen  mit  grol'ser 
wirdigkeyt  und  lurl  sie  an  die  stat,  do  sie  wollen  frolichen  sein, 
und   als    man  saget,   so  was  die  junckfraw   und  auch    ir  bruder 

25  aufsermasen  schon  und  wol  geschickt,  gleicher  weise  als  man 
engel  sehe  in  menschlichen  leiben,  aber  die  tugenthaft  Grisardis 
was  beslossen  und  sie  mocht  die  junckfrawen  kaum  durch  ein 
spalt  gesehen,  doch  so  (HS*")  merckt  sie  ir  sitlen  und  nam 
irs  antlutz  wäre  und  irs  leibs  beweguug,  und  sie  hell  ein  grofs 

30  wolgefallen  an  ir.  umb  solch  sache  gewau  Grisardis  nye  kein 
neilt  in  irem  hertzen,  sunder  grofs  sorgvellickeit  het  sie,  das 
irem  herren  ichl  ubels  widerfure.     mainstu,  ab  man  ein  frawen 

1  bestall  B       weder  zu  A       wider  B  2  bekannte  B  3  die 

sie   für  ir    m.    hett   feldt  A  4  weyb  vnd  A  10  [in]    dem  // 

11  mercken /^       Grisardis  nadi  12  fürst  ^         12  du  weist  fehlt  A         13  so 
mach    vnd    bereilt  B        ordeniich  B  17  übel    cleid'r    an    het  B 

18  schaczt  A      schätz  B      jQckfraw  B       kamer  B  19  suichs  li 

was  B  20  het  volpracht//  22  frawen]  junckfraw//      jQckfrawen  tf 

25  aufsderm.  Ä  27  sie]  die  y/     jückfraw  ^     eine  ß        31  neitl] 

nott  B 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  425 

auf  der  erden  vind ,  do  sie  sähe  ir  gellen ,  das  sie  nicht  bewegt 
wurd?  ich  sprich  nicht  allein  von  neyde,  sunder  lege  es  an  ir, 
sie  trieb  sie  aufs  dem  land.  do  versähe  der  marggrave,  das  die 
sach  nit  aufs  kome  und  das  auch  nymant  nach  Grisardis  wurd 
fragen,  und  do  der  tisch  bedackt  was,  do  man  solt  essen,  do  5 
holet  er  sie  selber,  und  als  sie  mit  im  aufs  der  kammeren  ging 
on  verliessen  ir  schonen  gestalt  und  als  sie  die  alle  hett  ent- 
pfangen ,  die  komeu  waren ,  do  hiefs  sie  der  herre  pey  im  pleiben 
ob  dem  tisch  mit  im  und  mit  den  gesten.  do  bestalt  der  fürst, 
das  Grisardis  safs  ob  dem  tisch  gegen  im  über  zwischen  den  10 
zweien  bruderen,  und  er  safs  zwischen  der  (149*)  fremden 
frawen,  die  die  kind  und  junckfrawen  erzogen  hett  und  zwischen 
der  junckfrawen  seiner  tochter  safs  er,  die  Grisardis  für  die 
prawtt  het.  und,  als  man  saget,  do  sähe  Grisardis  die  junck- 
frawen, die  dye  praut  solt  sein,  stettiglichen  und  oft  an,  und  15 
sie  verwundert  ir  übrigen  schoene  und  ir  zuchtigen  geperde  und 
gut  sieten  die  sie  hett.  auch  so  warf  sie  unterweylen  ir  äugen 
auf  die  bruder,  ir  sone,  das  sie  gancz  enzundet  was  in  muter- 
licher  Jieb ,  das  sie  einen  solchen  lust  und  wolgefallen  gewan  an 
den  kinden,  das  sie  aller  traurickayt  vergafs  und  vor  frewden  20 
nicht  mocht  essen,  und  sie  gedacht  und  trug  zu  sammen  in 
irem  herczen  irs  herren  fursichtickeit  und  sie  erkannt  in  also 
edel  und  gut,  das  sie  in  nye  als  in  solchen  grosen  dingen  wolt 
urteyleu.  dornach  do  begund  die  tugenthaft  Grisardis  zu  uber- 
slagen  und  bedencken  das  alter  der  junckfrawen  und  der  knaben  25 
mit  den  jaren,  als  sich  ir  kummer  het  angehaben,  und  (149'') 
sie  sähe  auch  etlich  zaichen,  die  die  muter  an  iren  kinden  pafs 
wiessen  dann  nymand  anders,  und  aufs  den  dingen  allen  begraff 
Grisardis,  das  die  kinder  ire  kinder  waren. 

Was  die  tugenthaft  Grisardis  redet,  do  sie  ire  kinder  er-  30 
kant  und  was  an   gegriffen  wart  mit  irem  vater  in    irr 
bekentlichkeit. 
Die   weyl  also   Grisardis   mit  grosem  vleis   fursah,   das  sie 
icht  irret  in  gewieser  bekentlickeit  der  kinder,  und  do  sie  auch 

1  so  die  sehe  also  B         2  bege  A  4  kern  B  5  wart  B      do 

man]   das  man  B  1  m  B  11  der]  den  zweien  A  14  do]  so  jß 

16  züchtiget  17  gute  Ä  \S  gaacz  fehlt  B  \9  sie  fehlt  B 

22  herren]  herczen^  25  knab  B         27  etlicheu //  28jmand  B 

31  wart  —  32  bekentlichkeit]   was  amen  A  33  Da  weil  B 

M  bekentlichkeit  B 


426  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

gewiefs  was  und  erkannt,  das  ir  Iierre  alle  vergangen ne  ding 
daruiiib  hett  gethan  umb  Versuchung  willen  der  bestentickeit  irer 
gedult,  do  gedacht  sie,  wie  sie  den  herren  niocht  furkomen  in 
der  offenwarung.  doch  do  hielt  sie  siech  lange  auf,  besunder  so 
5  ir  hertz  begund  zu  priunen ,  das  sie  icht  thet  das  wider  gut 
sieten  und  fraweu  zucht  were.  also  wuchs  nicht  in  der  tugenl- 
haftigen  Grisardis  zorn  nach  der  gewonheytt  (150")  der  weyber. 
sie  gedacht  auch  uitt,  wie  sie  den  herreu  raiczet  zu  untugeut, 
das  er  ir  solch  unrecht  beweist  het,   sunder  sie  hett  ine  dester 

10  lieber  und  vergafs  aller  vergangen  ding,  als  sie  nye  gescheu 
weren,  und  sie  beweist  sich  also  gen  im,  das  er  sie  durch  ir 
grosse  tugent  und  diemut  mufst  lieber  haben  denn  er  sie  vor 
ye  gehabt  het.  und  do  sie  das  fewer  in  irem  herczen  der  libe 
gen   irem  herreu    und  gen  den  kinden    nicht  lenger   mocht  ver- 

15  pergen  und  getragen,  so  umbfing  sie  die  kint  itlichs  mit  Iren 
armen  und  trugt  sie  gar  zertlicheu  an  ir  muterliche  brüst  mit 
fruntlicheu  küssen  und  sprach  zu  irem  herren  mit  lachenden 
äugen  also  'gnediger  herre,  hab  ich  gunst  von  ewren  gnaden,  das 
ich   nach   meinem  lust   mag  geschimpfen   mit  meinen    kinden?' 

20  do  der  niarggrave  sähe,  das  Grisardis  was  lurkomen  und  dye 
kinder  erkant  hett,  als  sie  das  beweist  mit  irem  Irolichen  ant- 
lucze,  do  sprach  er  'Grisardis,  mainst  du,  das  diese  kind  dein 
sind?'  'ja,  herre',  (150'')  sprach  sie,  'es  sein  meine  kind,  die 
mir  got  durch  euch  geben  hat.' 

25  Was  groser  wünne  und  frewden  do  auff  stund,  do  man  hört 

und  erkannt  solche  fremde  uubekante  ding,  wer  mag  das  auls 
gesprechen  ?  alzuhant  must  man  bringen  den  frummen  gerechten 
man,  Grisardis  vater,  der  vor  selten  oder  villeicht  nye  auff  dye 
purg  was  komen,  nit  darumb  das  ine  der  lurst  versmehet  (wann  er 

30  erkannt  ine  getrew  und  frumme) ,  sunder  darumb  allein  das  er 
wolt,  das  dye  Versuchung  Grisardis  soll  verswiegen  pleiben  nach 
dem  fursaczt  seins  willens,  als  nun  Grisardis  valer  pracht  ward 
und  ee  er  in  den  pallast  ging,  do  wart  er  geclaydet  nach  zim- 
lichkayt  seins  alters,    auch  so  liefs  in  der  fürst  nicht  mer  komen 

2  bestenlickeit  y/  4  do]  so  B       vnd  bes.  B  6  tugciitliaHteii  B 

8  raicztet^         10  geschehe /^         13  der  libe  —  14  herren  felilt  A 

15  so]  do /f         17  freuiiUichem //         21  ntn  A         Tl  kind'r  deine  kint  Z/ 

23  sind  Ä         25  wQnen  Ä         26  frenimde  vnd  vngehorte  d.//         28  vor 

fehlt  A         2!)  tt\i  fehlt  A       nicht//         30  deriiannt  i/       vngetrew,  i\  aus- 

gestriohen  A      so  (jelrew  B  31  versweigen  A         34  hifs  ß 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  427 

in  sein  hewslein ,  sunder  er  ward  eio  anweiser  seiner  kinder  zu 
einem  trost  seiner  tochter  und  das  er  im  auch  bey  stund  in 
seinen  t'urstenliclien  rechten ,  aufszurichten  den  nucz  der  gemain, 
und  das  er  im  (151')  auch  were  als  sein  valer.  also  wart  er 
gefurt,  do  der  marggrave  und  Grisardis  sassen  mit  iren  kinden  5 
und  bey  iren  gesten.  do  wart  im  eer  und  zucht  erpoten,  und 
er  wart  unterweist  aller  sach,  wie  der  herre  sich  selber  und  Gri- 
sardis sein  tochter  hett  in  tugenden  also  an  einnander  versucht, 
das  sie  bayde  danck  und  lob  von  allen  lewten  betten  gewunnen. 
do  der  alt ,  Grisardis  vater ,  die  sach  aigentliche  vernam ,  do  ver-  lo 
wundert  in  sere  der  grossen  fursichtickeyt  des  herren.  auch 
alle  dye  gegenwertig  waren ,  die  lobten  und  eroten  got,  der  irem 
herren  ein  solch  diemut,  keusch,  gehorsam,  ainfaltig  und  tugent- 
haftig  frawen  geben  und  beschert  het.  auch  so  kome  das  ge- 
scheft  Grisardis  in  alle  land  und  der  leymut  der  tugent  ir  und  15 
irs  herren  wart  von  allen  menschen  gelobet,  und  wie  wol  dye 
tugenthaftig  Grisardis  vor  allen  menschen  was  genem  und  aufser- 
massen  lieb,  aber  do  man  bort,  das  sie  als  in  grossen  hefftigen 
dingen  (151'')  als  gar  tugentlich  und  diemutiglich  hett  über- 
wunden sich,  do  wart  der  leymut  irer  Versuchung  und  frumkeyt  20 
noch  hoher  auff  gehaben,  es  sol  auch  ein  itlicher  leser  und 
zuhorer  wiefsen,  das  diese  histori  nach  diesem  vorgeschrieben 
synn  sich  also  verlauffen  hat  und  gesehen  ist. 

2  gestund  B  3  reihen  B         9  genomen  A  10  eigentlichen  B 

12  erten   B  13  und    tugenth.    fehlt   A  14  gesiecht  A 

17  tugenthaft   B        aufsderm.    B  19    demüliclichen    B  20  sich 

ub'rwQdn  B  TL  jstory  B  23  geschehen  B 

Vorstehender  text  ist  dem  Ms.  germ.  quarto  763  der  kgl. 
hibliothek  zu  Berlin  entnommen,  einer  papierhs.  [Ä]  aus  dem 
j.  1470,  die  ich  hier  in  Tubingen  mit  mufse  benutzen  durfte, 
[über  B  siehe  s.  436  zusatz.]  sie  enthält  bl.  1 — 96  den  roman 
von  den  sieben  weisen  meistern  in  einer  fassung,  die  im  wesent- 
lichen zu  derjenigen  in  dem  cod.  phil.  22  der  kgl.  handbibliothek 
zu  Stuttgart  stimmt  (vgl.  Keller  Li  romans  des  sept  sages  s.  lxxiiv  ff), 
6?.  96"— 151''  die  hier  abgedruckte  Grisardis,  bl.  151''— 182"  den 
Ackermann  aus  Böhmen  in  einer  in  Kniescheks  zweite  hss.-gruppe 
Cab  einzureihenden,  vereinzelt  mit  der  hs.  B  correspondierenden 
gestalt    (vgl.   Knieschek   s.  Ib    und  Kossmann   Zs.  28, 29).     der 


428  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Schreiber  der  hs.  nennt  sich  zweimal:  hl.  122*  Walthizar  von  der 
wag  und  am  schluss  hl.  182''  Hie  hat  diefs  puch  ein  ende  |  Got 
vns  seine  heiligen  geist  sende  |  Hillff  got  du  ewigs  worlt  ]  Dem 
leybe  hie  der  sele  dortt.  hierauf  rot  Walthizar  Hubner,  dann 
schwarz  Dieser  Schreiber  ist  gnant  Waltisar  von  der  wag  etc.  des 
alten  glaubens  finiui  librü  illü  feria  quarta  post  Symonis  et  iude 
Anno  Miinclxx'^.i 

Die  hs.  zeigt  bairische  mundart,  jedoch   mit  einwürkung  des 
mitteldeutschen. 

Vocale.  &  für  o:  ader,  spattet,  patschaft,  ab,  van,  gepalirt 
401,  30,  eynat  396,  7.  24;  a  für  ai  (ei):  uuanig,  anfalt,  was 
=  weiz  419,  6,  begratT.  —  e  für  umlaut  des  a  und  A,  wenn 
dieser  überhaupt  eingetreten  ist;  e  für  i:  bevelhet  377,  18.  e  un- 
organisch angefügt  sehr  häufig  in  declination  und  conjugation;  e 
als  nebenton:  geren,  leren  377,  30,  vgl.  durchworecht  408,  14; 
e  durch  zusammenziehung:  gesehen;  stärkere  fälle  der  syncope, 
verbunden  mit  consonantenausfall:  euzunden  =  enzundenden 
382,25,  gulde[ne]m  408,13,  getangen[en]  409,27,  des  fleisch[es] 
396,  14.  —  i  für  ie  oft;  i  der  endung  pubin  385,  16.  —  o  für  a, 
ä:  on,  ob — noch,  woren,  rufüon;  o  für  u:  sone  387,  2.  4,  Dö- 
ring 390, 10;  0  rfer  2  schw.  conjugation:  eroteu  427,12.  —  u  meist 
umimgelautet ;  für  uo  (gelegentlich  n) ;  ü  =  u  mit  beilaut  blieb 
im  abdruck  unberücksichtigt;  ü  -=  i:  würft  381,  5,  würd  386,  14, 
müt  408,  16  lesa.  —  ai,  daneben  selten  ei,  aber  überwiegend  -heit 
(keuscheit) ;  ai  für  a :  waifs  =  waz  380,  2  { Weinhold  BG  §  66) ; 
ai  für  ae  (ä):  sailig,  sailickeit;  für  ei  (i) :  plaib  407,  20.  —  au  für 
ü  (doch  gebruchest  387,10)  und  ou.  —  ei  =  a:  vermeynung 
410,15;  für  i,  nur  stainlin  389,5,  wip  397,  10;  =  eu  (iu): 
leimutt.  —  eu  für  iu;  für  ei  (i):  pfeutfer  400,7.  408,25. 
—  ie  zur  bezeichnung  der  dehnung  von  mhd.  i  (nhd.  ie):  dieser, 
plieb,  geschrieben,  begierlichen,  liefst,  siehe  420,  26,  aber  auch 
sieten,  wiessen,  slietten,  pieten  hielten,  gewies,  stielt,  geliedcn 
415,  7.  18.  —  ue  =  u:  duerch  374,  8,  glueb  giuebd  417,  5. 
398,  1 ;  ==  uo  (üe):   fuessen  383,  14. 

Consonanten.     liquidae   1  für  11:    erfulel  401,  5;    11  für  Ih: 

*  die  1  Melibeus.  2  Sieben  weise  meister.  3  Alexander.  4  Acker- 
mann aus  Böliinen  enthaltende,  von  einem  Schreiber  stamrneJide  fis.  der 
kgl.  Iiandbibliolhck  zu  Stuttgart  cod.  p/äl.  22  in  klein  4°,  «//t  Schlüsse 
defect,  datiert  sich  gleichfalls  vom  jähre  1470. 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  429 

schilleng  385,  15,  entpfollen  411,23.  —  Umstellung  des  r:  pittri- 
ckeit  417,  32.  —  m  für  n:  pusawmer  400,  7;  für  mm  (mb): 
Ihumer  420,2.  —  n  für  m:  besen  410,13,  prewtigan  411,  15;  n 
für  nn:  uosinickeit  381,  14;  nn  für  n:  mennig  380,24;  ausfall: 
vernuft,  vernuftig;  schwund  im  flect.  infinitiv :  irs  waynnes  395, 16 ; 
epenthetisches  n  sehr  häufig:  genung,  meinst  391,  29,  winzing 
394,  17.  —  behegenlich  412,  11.  417,  18,  kostenlicher  400,  15. 
402,  2,  furstenüch  iürstenlickeit  388,  13.  389,  24,  vertragen- 
lich  untragenUch  388,25.  415,  27,  unleydenhch  387,4;  n  an- 
getreten an  die  1  und  3  sg.  conj.  praes.:  anfahen  379,  10,  nenien 
374,29,  abgefallen  in  der  dpi.  ind.:  muesse  379, 23.  —  labiales: 
p  für  h  im  anlaut  häufig;  epenthetisches  p:  sampnet.  —  b  für  p: 
briester  401,  10;  epenthetisch :  nymbt,  sambt,  zimbt,  unverschambt, 
vernembt,  furstenthümbs;  epithetisch:  reichthumb;  b  für  w:  albegen 
388,23,  besenhch  390,22,  webart=bevvart  421,20  lesa.,  webeist 
==  beweist  387,  29  lesa.  —  ff:  hoffei  382,12.  —  w  fürh:  offenwar, 
offenwaren,  wucher  386,  8,  webart  421,  20  ?esa.,  webeist  387,29 
lesa.;  ausfall:  ruten  419, 17.  —  dentales:  t(tt)  für  d:  trugt  426, 16, 
betlacht  379, 15;  ausfall  dest:  tugenlich  394, 3.  395, 13,  wilprecht 
400,4;  epithetisch:  fursaczt,  betrubtoufs,  sorgtveltiglich,  sorgtvel- 
tickeit,  abtgotter,  senft  423,  2,  getranckt  400,  5,  urlaubt  374,  1.  — 
d  für  t :  gehedeu  415,  7.  18.  —  schickd  400,24.  —  der-  rieben  er- : 
aufsderwelt  380, 13.  —  th  im  an-  und  auslaut  gelegentlich  für  t.  — 
(t)zw  für  tw:  betzwingt  388,  15.  416,  4.  —  z  für  s:  Zamuelis 
375,31,  philozophum  379,25,  bozem  403,  1.  —  s  neben  ss: 
gewieser  neben  gewisser  387,  6.  9;  s  für  z:  masen  373,  17  ;  aus- 
fall des  s  nach  seh :  keuscht  392,  9.  —  sc  und  s  für  seh :  hub- 
sclich  384,17,  ersrocken  388,5,  srecke,  ersrecken  o/?.  —  seh: 
fleischlicher  =?  flizlicher  381,  8.  —  gutturales:  g  für  c:  trugt 
426,  16;  g  für  h:  sagen  418,  10,  hogsten  380,  14,  daneben 
hochgst  392,  8.  —  ng  für  nd  des  part.  praes.:  schilleng  =  schil- 
hend  385,  15.  —  h  verschwiegen:  entphaen  379,29;  h  bildungs- 
consonant:  sehet  388,  26.  —  ch  eingeschoben  vor  t:  wilprecht 
400,4.  —  ck  für  g:   gedackt  416,  12  (B  jedoch  XmAdicki). 

Conjugation.  imperativ  sehe  407,  27.  416,  16  neben  siehe 
420,  26.  3  pl.  praet.  warden  380,  22.  imperativ  bils  409,  4. 
part.  gepflegen  375,  20.  gewest  375,  24.  386,  20.  403,  7.  du 
best  (=  betest)  415,5.  vergond  411,31.  sal  402,12.  du 
dartts  380,  8.     thar  388,  24.     torsl  383,  2. 


430     DEUTSCHE  PKOSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Wortschatz ,  zugleich  als  heitrag  zur  altersbestimmung  nhd. 
wortformen,  die  mit  *  bezeichneten  Wörter  sind  sonst  nicht  belegt 
oder  icenigstens  nicht  in  dieser  bedeutung.  altforderu  4ü3,  7.  aQ- 
iiaw  390,  8.  aaweiser  427,  1.  arcwenig  420,  3.  man  hat  mir 
*  aufs  getretten  (abgetreten,  zur  gemahlin  ausgesucht)  gar  ein  edel 
juQckiravven  420,  31.  behuter  408,  8.  bekentlickeit  412,  2. 
425,32.  beschirmuug  403,28.  411,29.  bestellen  an  (B  mit) 
416,  31.  beswerung  beschwerlichkeit  382,9.  betrubung  415,  23. 
bevallen?  377,  18 /es«,  bewaren  aftsoZ.  410,  3.  bewegung  feeioe^i- 
grund,  begründung  374,  12.  381,  21.  385,  8.9.  387,  24.  396,  10. 
brechen  impers.  fehlen  421,  29.  clostermeoschen  413,  3.  com- 
plex ,  complexiou  414,  1.2.  cristenmensch  (neutr.)  387,  14. 
cristenvolck  389,  6  f.  *cristenvveibei'  (matronae  christianae) 
392,  21.  eynat  einsamkeit,  ehelosigkeit  396,  7.  24.  *eiunemerin 
415,25.      einlrag   (fem.)  =  eintracbt    401,  24.      *ein    tragen 

377,  4.    385,    20.      eman    376,  30.      *ergencklich   vergänglich 

409,  13.  erhohung  409,  13.  erstencken  374,  1.  erwirdigen 
venerari  405,  27  (DWB  3,73).  gantzheit  416,  9.  gefesse  398, 
10  (DWB  4,  1,  1,  2128  c).  geytzig  375,  30.  gelle  425,  1 
(DWB  4,  1,  2,3042).  gemahel  masc.  auch  von  der  frau  405,  17. 
407,34.  416,3.      gemerck   389,26.     *geschemig  (B  schämig) 

410,  25.     geschimpfen   426,  19.     einen  guten    getravven   nemen 

378,  34,  auch  412,  14  als  masc.  glueb  (B  gelubde)  417,  5 
neben  gluebd  398, 1.  gotlurchtig  422, 19.  gunst  masc.  397, 15  vgl. 
397,  24.  30.  406,  30.  31.  416,  17.  gunsthchen  379,  16.  396,  30. 
haymen  adv.  387,  3.  *haisse  schw.  masc.  375,  4.  halt  gehalt, 
wert,  stand  401,  19.  sein  heyl  versuchen  375,  2  (DWB  4,  2, 
818).  herngab  410,  19.  hinderlist  399,  18.  420,  1.  historieu- 
schreiber  391,  28  (DWB  4,  2,  1580).  hoffein  (==  hobeln  im  druck 
des  Eybschen  Ehestandsbüchlein,  DWB  4,  2,  1589)  382,  12.  ander 
spilleut  mancherley  hotrecht  408,  26  (Lexer  1,  1365.  DWB  4,  2, 
1696).  *huzlichen  (vgl.  mhd.  hiuze,  [B  hicziclichen])  380,  13. 
inzund(e)  374,  25  usw.  (nur  398,  26  iczund).  kintwesen  409,  8. 
kunigskinder  406,  27.  lernen  =  lören  405,29.  410,11.  meydle 
(B  meidlein)  383,  9.  meuscheuliebe  405,  20.  messickeit  375,  13. 
378,  14.  peynnig  386,  17.  pete  neutr.  378,  18.  389,  26.  fem. 
378,  24.  389,  26.  pelhgeuofse  423,  7.  philozophe  schw.  masc. 
387,  12.  prugel  389,31.  rat  stf.?  387,  21.  recher  403,22. 
der  Irumelten   reysen   408,  25.     zu    ruwe   gau  418,  7.     in  ver- 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  431 

punden  sack  versto/'sen  409,  34.  saniaih  398,  11.  408,  13.  sche- 
niigkeyt  393,  5.  schicker  381,  14.  408,  9.  schilleug  über  eiu 
aug  385,  15.  sclilager?  419,  2  s.  lesa.  seint  den  malen  385,  1. 
*sinreichhait  381,  24.  sitliclikeit  381,  13.  stamme  schw.  masc. 
387,  1  vgl.  374,  31.  statt,  stat  389,  6.  19.  stetteu  389,  16. 
straffpar  374,  5.  *suefsgutig  375,  7.  tragerin  415,  23.  iibel- 
sprechen  stn.  394,  31.  *sich  uberwuudern  sich  sehr  wundern 
400,1.  undanckneme  421,  7.  ungeschickt  379,29.  *unrat- 
samkeyt  381,  4.  uosinickeit,  unsynnickeit  381,  14.  386,  26. 
untragenlich,  untregenlich  415,  27.  420,  8.  13.  unverbrochen- 
lich  396,  27  (unverprechenlichen  B).  408,  4.  unverschambt 
384,  8.  unversehen  419,  21.  unversehenlich  406,  26.  unver- 
wendelHch  397, 12.  vergemehelen  400, 9.  verbanden  400, 2.  ver- 
maylung  393,  27.  von  terrens  404,  15.  versaumlich  saumselig 
405,  26.  versorger  386,  26.  verspotter  405,  6.  vertrewt  anver- 
mählt 408,  1.  verubel  374,  6.  388,  13.  verwundern  c.  geyi.  sich 
verwundern  425,  16.  fruuthold  412,  11.  420,  15.  tursehung 
403,  18.  404,  19.  furstenückeit  389,  24.  wandelberheyt  (waudel- 
bertikeyt  B)  fügsamkeit,  geschicklichkeit  379,  4.  weil  381,  21. 
♦wenig  stf.?  398,  18.  werfen:  sein  äugen  w.  in  404,  14. 
do  warf  der  fürst  dye  wort  dor  auf  407,  33.  widerspenickeit 
424,  9.  zu  winzing  ligen?  394,  17.  die  hochzeit  wirdigen 
397,  33.  witwe  vom  mann  (B  witwer}?  398,  17.  zimlickeit 
389,  19.  zuneygung  414,  5.  zurückwerfen  402,  34.  zuschacz 
382,  8.     zuvoran  411,  26. 

Bei  obigem  abdruck  wurden  die  bekannten  abkürzungen  auf- 
gelöst,  lediglich  schnörkelhafte  oder  durch  misversteheu  herbeige- 
führte (vgl.  KKarg  Die  spräche  HSteinhöwels  1884  s.  20)  conso- 
nantgeminationen  wie  vnnd,  herrenn,  edell,  wandertlen  usw. 
vereinfacht. 

Unter  den  von  der  italienischen  renaissancelitteratur  behan- 
delten novellenstoffen ,  \velche  seit  der  zweiten  hälfte  des  \b  jhs. 
auch  in  Deutschland  ihren  einzug  hielten  und  die  geschichte  des 
deutscheti  prosaromanes  einleiten,  hat  sich  die  erzählung  von  der 
Griseldis  von  anfang  an  einer  ganz  besonderen  beliebtheit  zu  er- 
freuen gehabt,  ja  in  Italien  selbst  ist,  wie  G Voigt  neuerdings  in 
seiner  abhandhing  über  die  Lucretiafabel  (Berichte  über  d.  verh. 
der  kgl.  sächs.  gesellschaft  der  Wissenschaften  zu  Leipzig,  philo- 
logisch-hist.  cl.  35  (1883),  25 /y   hervorhob,   durch  Petrarcas  lat. 


432  DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

nacherzählung^  der  Griseldis  des  Boccaccio  (Decam.  x  10)  die  no- 
velle  überhaupt  erst  in  der  humanistisch-lat.  litteratur  hoffähig  ge- 
worden, durch  Petrarcas  beispiel  angeregt  folgte  dann  Lionardo 
Bruni  von  Arezzo  mit  seiner  i'ihertragung  der  liebesgeschichte  von 
Guiscard  und  Sigismonda  (Decam.  iv  1),  ihm  wider  Enea  Silvio 
Piccolomini  mit  Eiirialns  und  Lucretia.  während  die  letztgenannte 
novelle  meines  Wissens  in  Deutschland  einzig  von  Niclas  von  Wyle 
übersetzt  wurde-,  haben  sich  an  Guiscard  und  Sigismonda  ver- 
schiedene versucht:  aufser  NvWyle^  der  deutsche  Übersetzer  (Arigo*) 

'  eijien  auszug  aux  Petrarcas  erzählung  gibt  auch  Jac.  Plälippus 
Bergoniensis  in  seiner  schrift  De  pluriviis  claris  selectisque  mulieribus 
cap.  145:    De  Griselde  Salutii  marchionissa. 

^  Nüff^ylcs  translatio7i  findet  sich  mich,  was  ffllken  übersah,  im 
cod.  pal.  germ.  101  fol.lb  — 100  und  zwar  von  drei  händen  geschrieben, 
deren  erste  bis  fol.  97  dem  Johannes  de  Weidea  lector  scolarum  ibidem 
gehört,  von  dein  auch  fol.  1 — 74"  die  abschriß  der  Gesta  Romanoriun  her- 
rührt  (fol.  74'  Finitum  est  praesens  opus  Anno  domini  Ixx"  (1470)  se- 
cundo  nonas  mensis  nouembris  in  burgaw).  die  ztveite  hand  reicht  bis 
fol.  108,  eine  dritte  sclwieb  fol.  109".  anfang  rot:  Hie  vahet  sich  an  ain 
Jiepliche  history  die  bapst  pius  der  ander  des  namens  gemacht  hat  von  zwayn 
liebhabenden  menschen  mit  vercherten  namen  und  langzeit  vor  seinem  päbst- 
lichem  st'it  als  heniacli  cifulicher  das  begriffen  wirdL  etc.  Und  den  selben 
pium  papani  hab  ich  iiü  Ixi  (1461)  iar  gesehen  zu  mantaw  dominica  infra 
octavam  corporis  christi  in  bäpsllichen  eren :  zu  letzterem  vgl.  meine 
anm.  66  zu  Pfalzgräfin  Mechlhild  s.  51  /f.  die  dann  folgende  yiovelle  ist 
nicht  wie  in  der  gesmmnlausgabe  seiner  verdeutschu7igcn  der  pfalzgräfin 
Mechthild  gewidmet,  sondern  wie  in  der  vor  1471  geschriebenen  Augs- 
burger hs.  (Keller  Translationen  s.  368)  und  dem  einzeldruch  (Pfalzgräfin 
M.  s.  60.  61.  arim.  87.  97)  der  markgräfin  Katharina  von  Baden:  Geben 
zu  Efslingen  auf  Esto  michi  Anno  domini  millesimo  quadringentesimo  sexa- 
gesimo  secundo  (die  Widmung  an  die  pfalzgräfin  ist  datiert:  monlag 
nach  Estomihi  1462).  m  der  deutschen  Übersetzung  der  missiva  Enee 
Silvij  sive  proiogus  (Keller  17,1  — 19,20)  ist  oft  der  Wortlaut  des  tat. 
originales  über-  oder  an  den  rand  geschrieben,  gelegentlich  auch  später 
noch,  der  eigentlichen  erzählung  (Keller  21,  21  ff)  geht  Ä/.  79'  die  rote 
Überschrift  voraus  Incipit  Historia  quam  compilavit  Aenas  Silvius  de  Senis 
que  cognominatur  Lucrecia  ob  simililudinem  Lucrecie  filie  Tarquini  senatoris 
que  se  ipsam  intereunt  (sie). 

^  beiläufig  sei  bemerkt  dass  nach  gütiger  mitteilimg  des  hei'rn  biblio- 
thekssecretärs  dr  Milclusack  in  JVolfenbüttel  die  hinter  Steinhöwels  Aesop 
(Ulmer  druck)  befindliche  novelle  von  Sigismunda  und  Gwisgardus  mit 
Nvff^ytes  Übersetzung  identisch  ist,  vgl.  Scherer  QF  21,11.  Lessing  ed. 
Hempel  11,2,941/: 

*  das  Zeugnis  .Jakob  Kübels  (15;U),  das  Goedeke  Grundriss  P,  368. 
370  für  Steinhöwels  auturschaft  des  deutschen  Decamerone  anführt,   ist 


II    GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  433 

des  Decamerone,  AvEyb  in  seinem  Ehestandsbüchlein,  MMontanus 
(Scherer  QF  21,  12  f).  die  häufigste  Übertragung  ist  aber  der 
Griseldis  zu  teil  geworden.  ^  bekannt  sind  die  Übersetzungen  HStein- 
höwels,  Arigos  und  eines  ungenannten  mitteldeutschen  (Schröder  Gri- 
seldis und  Apollonius  s.  3  ff).  NvWyles  behandlung  (Keller  19,  b  ff. 
meine  Pfalzgräfin  Mechthild  s.  59  anm.  85)  ist  noch  nicht  wider  auf- 
gefunden, aber  a\ich  AvEyb  hat  diese  novelle,  deren  heldin  er  Gri- 
sardis  nennt,  verdeutscht  oder  richtiger  ganz  frei  bearbeitet,  dass  die 
obige  ohne  autornamen  überlieferte  fassung  von  AvEyb  herrührt,  er- 
hellt aus  folgendem,  der  eigentlichen  erzählung  von  der  Griseldis  ist 
eine  umfängliche  einleitung  vorausgeschickt,  in  der  der  markgraf  — 
mit  namen  erscheint  nur  die  trägerin  der  handlung  —  für  die  ehe- 
losigkeit  eintritt,  während  sein  rat  Marcus'^  die  ehe  verteidigt,  beide 
berufen  sich  dabei  auf  die  alten  kirchlichen  und  profanen  Schriftsteller, 
aus  denen  beispiele  ausgehoben  werden ,  die  die  fehler  resp.  tilgenden 
des  weiblichen  geschlechtes  illustrieren  sollen ,  ein  thema ,  das  in  der 
italienischen  wie  deutschen  renaissancelilteratur'^  in  mode  stand  und 
beliebt   war.     der   Verfasser   der    Grisardis   hat   seine   belege   vor- 

hinl'ällig.  es  ist  natürlich  zu  interpinigiei'en  der  fabeln  Esopi,  Boccacij 
vö  den  Erleuchten  Frawen ,  der  Chronica  von  Hertzog  Golfrids  hurfart  zu 
dem  heylige  (sie)  lande  ustv. 

/'  Übel'  rniitelenglisvhe  bearbeitungen  s.  jetzt  Zupitza  ifi  derFiertel- 
jahrsschrift  für  kultur  und  litleratur  der  renaissance  /ig.  von  LGeiger  1 ,  63.] 

^  mich  in  HSachs  comödie  Gi'iselda  nach  Boccaccio  (ed.  Keller  2,07,  3) 
führt  der  erste  rat  den  namen  Marco. 

3  vgl.  zb.  des  jSiclas  von  fFyle  16  translution ,  des  HSachs  Comedia 
oder  kampfgespi'Uch  zwischen  Jupiter  und  Juno  (Keller  i,'6  ff)  und  des- 
selben Ob  einem  weisen  mann  ein  weib  zu  nemen  sey  oder  nit,  nach  Theo- 
phrastus  vgl,  oben  385,  17  lesa.  (folioausgabe  5  (1579),  cccxxxi).  Luthers 
eintreten  für  die  ehe  hat  gleichfalls  zur  behandlung  dieses  tliemas  an- 
geregt, vgl.  ua.  des  Joh.  Irenetis  Pomeranus  Lob  und  unschuldl  der  Ehe- 
frawen  1543  jetzt  aus  Pomerischer  Sprache  in  Meissnische  gebracht  vnd 
mit  etlichen  schonen  Historien  vnd  Exempeln  gemehret  Durch  Andream 
Hondorff  Pfarrherren  zu  Drayssig ,  Leipzig  156S,  wo  in  dialogform  die 
lugenden  U7id  fehler  der  frauen  behandelt  werden,  avfser  den  bekannten 
weiber feindlichen  citaten  aus  kii'chlichen  und  profanen  autoren  alter  zeit 
wird  hier  namentlich  vom  Verteidiger  der  frauen  gegen  Sebastian  Franck 
polemisiert,  der,  obwol  evangelisch ,  die  schentlichsten  vnd  sclimehlichsten 
Sprüche  der  Heyden  von  den  Frawen  verdeutschet  vnd  auch  darneben  die  ge- 
meinen Sprüche  der  Gottlosen  Welt,  damit  die  Weibesbilder  vn  der  (im  druck 
den)  Ehestandt  auff  das  höchste  geschmehet  vnnd  gescliandüeckt  werden,  in 
einem  Buch  zu  hauffe  getragen  vnd  gesamlet  hat,  vnd  redet  auch  selbst  darnebe 
so  schmehlich  vn  spöttisch  von  den  Weibern  als  kein  Heyde  gethan  hat. 


434     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

wiegend  aus  dem  ersten  buche  des  tractates  des  Hieronymus  contra 
Jovinianum  cap.  43 — 49  (Migne  23,  273 — 282)  geschöpft,  den  auch 
Chaucer  in  der  erzdhlung  des  gutsherrn  ( Canter^bury  tales,  Poetical 
works  of  Geoffrey  Chaticer  ed.  hy  Morris  3,  2iyfj  benutzte,  die- 
selben beispiele  wie  in  der  Grisardis  finden  sich  nun  auch  fast 
ausnahmslos  und  wörtlich  in  AvEybs  1472  vet^ö  ff  entlichtem  Ehe- 
standsbüchlein  wider,  da  unsere  hs.,  die  selbst  copie  und  zwar 
eine  äufserst  flüchtige,  oft  geradezu  sinnlose  (vgl.  zb.  383,  3  lesa.) 
copie  einer  älteren  ist,  aus  dem  jähre  1470  datiert,  so  kann  über  das 
Verhältnis  beider  loerke  zu  einander  kein  zweifei  sein,  die  Gri- 
sardis ist  das  älteste  (zwischen  1459  (s.  unten)  und  1472)  unter 
den  erhaltenen  werken  des  AvEyb.  ihr  folgt  die  Margarita  poetica 
(1472),  das  Ehestandsbüchlein  (1472)  und  der  im  mai  1474  be- 
gonnene, aber  erst  1511,  im  ^^  jähre  nach  Eybs  fode  (1475)  von 
dessen  neffen ,  dem  Eichstätter  bischof  Gabriel  von  Eyb  unter  mit- 
hilfe  des  Joh.  Huff,  canonicus  an  SWilbolds  chor  des  Eichstätter 
domstiftes  —  von  diesem  rührt  die  anordnung  des  werkes  her  — 
zum  druck  beförderte  Spiegel  der  sitten^  mit  den  bearbeitungen 
der  Menaechmi  und  Bacchides  des  Plautus  und  der  Philogenia  des 
Ugolino  von  Parma  als  3  und  4  teil,  über  AvEyb  vgl.  aufser  der 
iD5  6,  447/f-  angeführten  litteratur  noch  Ottmar  FHSchönhuth 
in  der  Zs.  des  hist.  Vereins  f.  d.  wirtemb.  Franken,  Jahrgang  1851, 
heft  5  s.  1—15.  Scherer  LG  s.  251/'.  742.3 

'  hiernach  ist  die  auch  in  Wackernagels  LG^  s.  433  übergegange7ie 
in'ige  noliz,  nach  der  der  Spiegel  der  sitten  'von  AvE.  selbst  nur  lat. 
geschrieben  und  erst  lange  nach  seinem  tode  verdeutscht  worden  sei',  zu 
berichtige?!,  die  in  (iotha  befindliche  hs.  eines  Specultim  morum  Alberti 
de  Eyb  (Jacobs  und  Ukert  Beitr.  3,  18/)  verlangt  'weitere  mitersuchung. 
so  weit  ich  nach  den  dortigen  mitteilungen  urteilen  kann,  zeigt  das  Spe- 
eulum  morum  weder  mit  der  Margarita  poetica  noch  mit  dem  Spiegel 
der  sitten  berülwungspuncte. 

2  AvEybs  biograph  Haenle  enoähnt  7ioch  als  dem  AvEyb  zuge- 
schrieben ein  Gespräch  zioischen  dem  tod  jind  einem  bauern.  die  notiz 
beruht  auf  der  alten,  irrigen,  zuerst  von  Gervinus  beztoeifelten  annähme, 
Eyb  sei  der  Verfasser  des  Ackermann  von  Böhmen. 

^  bei  diesem  anlass  mag  daran  eriwiert  werdeti,  worauf  ynich  mein 
freund  Edward  Schröder  aufmerksam  m.acht,  dass  auch  AvEybs  älterer 
bruder  Ludivig  (1417  — 1502  ADB  6,  449)  in  seinen  politischen  denk- 
würdigkeilen gelegentlich  ein  lebhafteres  Interesse  für  die  litteratur  durch- 
blicken lässt.  er  kennt  SBrandts  Narrcnschi/f  tmd  citiert  furter  der  poet 
dh.  Ulrich  Füetrer,  vgl.  Cllöflers  ausgäbe  der  LvEybschen  denkwürdig- 


II   GRFSARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  435 

Vorarbeiten  aus  den  jähren  1459/60  zu  allen  diesen  werken  — 
Eyh  hat  seine  massenhaften  excerpte,  ex  omnibus  fere  oratoribus, 
historicis  et  philosophis  zusammengetragen,  verschiedenlich  durch 
widerholung  in  seinen  Schriften  verwertet  —  finden  sich  in  der 
hs.  nr  387  fol.  der  bischößichen  bibliothek  zu  Eichsiätt,  deren  ein- 
sieht mir  durch  die  gute  des  dortigen  bischößichen  Ordinariates 
ermöglicht  worden  ist.  die  hs.  (vgl.  über  sie  auch  W Vogel  Des 
ritters  Ludwig  vEyb  des  älteren  aufzeichnung  über  das  kaiserl. 
landgericht  des  burggraftums  Nürnberg  usw.  s.  30  n.)  enthält 
Manuscripta  miscelanea  Joannis  de  Heldbiirg  Sinn:  quondam  de- 
cani  Eystett  und  am  schluss  folgende  vier  stücke  von  der  band 
des  AvEyb:  1.  eitie  abschrift  der  Griseldis  Petrarcas:  De  insigni 
obedientia  et  fide  uxoria  Johann]  boccacio  franciscus  petrarcha 
locipit  leliciter  (12  ss.  =  Petrarchae  opera,  Basler  ausgäbe  v.  1554 
s.  600 — 606  haec  muliercula  passa  est),  die  quelle  für  Eybs  Ver- 
deutschung.—  2.  Clarissimarum  iemiuarum  laudacio  14  ss.  anfang: 
Albertus  de  Eyb  Juris  utriusque  doclor  Sigismundo  de  Eyh  patruo 
suo  Canonico  Eysteteii.  s(alutem)  d(icit).  schluss:  Vale  Sigismunde 
et  tuum  quod  elflagitasti  aiuuus  accipe.  Ex  Eystel  viii  kl  decem- 
bris  Anno  LVini^  (1459).  eiiie  citatensammlung  sachlich  geordnet, 
zb.:  De  pudicitia  mulierum  (als  beispiele  beata  virgo,  Lucretia, 
Minerva,  Cassandra  etc.  genannt).  De  fide  mulierum  erga  maritos 
mit  einem  zusatz  am  rande  adducatur  eliam  hie  hystoria  pro- 
ximo  toho  de  Griselde  et  eius  fide  etc.  De  prudencia  et  sa- 
pieutia  mulierum.  De  literarum  pericia  mulierum  usw.  es  sind 
diese  excerpte  vorarbeiten  für  die  Margarita  poetica,  in  die  manches 
wörtlich  aufgenommen  wurde,  vgl.  ua.  dort  Secunda  pars,  tractatus 
secundus,  oratio  17  De  laude  et  commendatioue  clarissimarum 
feminarum.  —  3.  In  leuam  invectiva,  5  ss.  schluss:  Valete  coq- 
tribules  et  lenas  execratas  habete.  Ex  Eystet  v'<^  kl  decembris 
Lviuio  (1459)  A  de  Eyb  doctor.  —  4.  An  uxor  viro  sapieuti  sit 
duceuda,  22  ss.  anfang:  Albertus  de  Eyb  Juris  utriusque  doctor 
domino  Georgio  de  Absperg  decretorum  doctori  (s.  über  ihn 
meine  Pfalzgräfin  Mechthild  s.  56  anm.  73)  s(aluteni)  d(icit). 
schluss:  Ex  Eystet  viu  januarij  lx«  (1460).  die  beweisstellen 
sind  entnommen  den  in  allen  werken  Eybs  reich  citierten  autoren. 
auch  hier  handelt   es  sich  um  eine   lat.  vorstudie  und  zwar  zum 

ketten   in  der  Quellensammlung  für  fränkische  gesell.  Iig.  von  dem  hist. 
vereine  zu  Bamberg  1  (1S49),  125.  15ü. 


436     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

Ehestandsbüchlein,  dessen  disposition  und  einleitung  von  Eyh  zu- 
erst lat.  aufgezeichnet  und  dann  ins  deutsche  übersetzt  wurde, 
manche  der  hier  gesammelten  materialien  finden  sich  auch  in  Eybs 
letztem  werk,  im  Spiegel  der  sitten  verwertet. 

[Zusatz,  mein  matiuscript  icar  bereits  im  besitz  der  redac- 
tion,  als  ich  durch  Goedekes  Grundriss  1**,  365  auf  eine  im  cgm. 
535  bl.  176" — 206"  enthaltene  behandlung  der  Grisardis  (B)  auf- 
merksam wurde,  die  vermutete  Identität  der  Münchner  fassung 
mit  jener  in  der  Berliner  hs.  wurde  mir  auf  meine  anfrage  durch 
gütige  mitteilung  des  herrn  dr  W Meyer  bestätigt,  die  hs.  selbst 
mir  hierher  zur  benutzung  gesandt,  für  Albrechts  von  Eyb  autor- 
schaft  bietet  auch  die  Münchner  hs.  anhaltspuncte ,  in  so  fern  ihr 
Ursprung  nach  Eichstätt  weist,  cgm.  535  (ibjh.^)  stammt  näm- 
lich aus  dem  ^2  stunde  oberhalb  Eichstätt  gelegenen  Master  Rebdorf 
und  enthält  ua.  bl.  1  —  381  ein  martyrologium  und  heiligenleben 
der  monate  Januar,  februar,  märz,  april-,  das  für  den  Eichstätter 
Sprengel  bestimmt  gewesen  sein  muss,  wie  fnich  die  vergleichung 
mit  einem  mir  vorliegenden  älteren  Eichstätter  breviarium  lehrt, 
es  genügt  hier  der  hinweis  auf  die  besondere  Vertrautheit  mit  der 
Eichstätter  schutzpatronin  SWalburga  im  texte  selbst  wie  auch  im 
inhaltsverzeichnis  der  in  der  hs.  behandelten  viten.  zu  SWal- 
burgen  todestag  (25  februar,  Walpurg  ein  juncldrau)  findet 
sich  in  letzterem  bl.  2**  am  rande  folgender  zusatz  in  rot  Item 
sut  walpurg  beget  mä  hewt  als  sie  gestorbn  ist  vod  als  si  er- 
haben wart  beget  mä  sie  an  de  tag  philip  vnd  Jacob  der  xiipoten 
(1  mai).  —  die  Grisardis  ist  unter  dem  2d  februar  (nicht  13  februar, 
wie  im  Verzeichnis  der  deutschen  hss.  s.Sl  atigegeben  ist^)  zwischen 

*■  </e/'  alte  einband  trägt  auf  dem  rücken  zwei  zettel.  auf  dem 
oberen  steht  Legent  der  Heiligen,  dan?i  vo7i  jmigerer  liand  Martyrologium 
P  1  Jan.  Febr.  Merz.  April;  auf  dem  unteren  wider  von  der  älteren  band 
Teutsches  Manual  1457.  die  von  Sclimeller  aufgeworfene  frage  Die  An- 
gabe '1457'  hinten  auf  dem  Rücken,  woher?  (bleistiftnotiz  auf  der  rück- 
seite  des  2  sonst  unbeschrieberien  pergamentblattes)  vermag  auch  ich  nicht 
sicher  zu  beantworten,  ve7'?nute  aber  dass  die  Jahreszahl  auf  älterer  tra- 
dition  beruht  UJid  nur  als  terminus  a  quo  für  die  abfassungszeit  der  hs. 
zu  verwerten  sein  wird. 

^  der  cgm.  537  enthält  martyrologium  und  leben  der  heiiigen  der 
7nunate  septeinber  bis  december.  der  mittlere  band  hat  sich  laut  einem 
bleisti f teintrag  Schmellers  (s.  die  vorige  anmerkung)  noch  nicht  wider- 
gefujiden. 

^  daselbst  ist  auch  der  name  Leupolt  zu  streichen,    mit  der  Grisardis 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  437 

Petri  stnhlfeier  (22  febrnar)  und  Matthias  (24  febrnar)  ein- 
geschoben, der  index  führt  die  erzählung  als  Ein  gut  ebenpild 
vö  eim  furstn  vnd  vo  Grisardis  auf.  Stadler  sagt  Heiligenlexicon 
2,  530  von  Griseldis  'ein  in  neuerer  zeit  bekannt  gewordener 
name,  von  welchem  wir  jedoch  nirgends,  nicht  einmal  in  bürger- 
lichen kalendern,  in  denen  doch  sonst  gar  verschiedene  namen  vor- 
kommen, etioas  haben  finden  können.' 

Wir  sind  darnach  wol  berechtigt,  die  auffallende  einfngnng 
der  Grisardis  in  ein  Eichstätt-Bebdorfer  martyrologium  und  heiligen- 
leben  aus  dem  umstände  zu  erklären,  dass  ein  angesehmer  Eich- 
stätter  domherr  diesen  Stoff'  behandelt  hatte,  an  dem  oben  s.  434 
angesetzten  terminus  a  quo  für  die  abfassungszeit  der  Grisardis 
möchte  ich  einstweilen  festhalten,  sollte  das  Jahr  1457  auf  dem 
einbandrücken  des  cgm.  535  mehr  beweiskraft  besitzen,  als  ich  ihm 
nach  s.  436  anm.  1  zusprechen  kann,  so  würde  das  nicht  viel  ändern: 
auf  jeden  fall  ist  die  Grisardis  die  älteste  unter  den  uns  erhaltenen 
Schriften  Albrechts  von  Eyb. 

Hätte  ich  von  der  existenz  der  Münchner  Grisardis  (B)  früher 
künde  gehabt,  so  würde  ich  sie,  weil  sie  weniger  flüchtig  geschrieben 
ist  als  A,  meinem  texte  zu  gründe  gelegt  haben,  nun  sind  nach- 
träglich auslassungen  und  entschiedene  fehler  in  A  von  mir  aus  B 
corrigiert  worden,  alles  andere,  nur  mit  ansschluss  des  rein  gra- 
phischen und  der  dtirch  apocope  und  syncope  herbeigeführten  ab- 
weichungen,  in  welch  letzteren  A  und  B  der  zahl  nach  sich  gleich- 
berechtigt gegenüberstehen,  wurde  in  die  lesarten  verwiesen,  die 
grofse  zahl  AB  gemeinsamer  fehler,  namentlich  in  namen  (380,  27. 
383,  5.  384,  6.  385,  1.  387,  18. 19.  388,  15.  391,  25.  392,  1.  4. 
393,  1/f.  7.  15.  .394,25.  395,2.  13.  24.26.  396,9.  19.  421,  4), 
muss  bereits  in  der  vorläge  gestanden  haben,  die  also  selbst  wider  nicht 
das  original  gewesen  sein  kann,  dass  B  nicht  aus  A  geflossen,  erhellt, 
ganz  abgesehen  von  den  vielen  flüchtigkeiten ,  aus  den  zahlreichen 
auslassungen  ganzer  sätze  in  A,  die  sich  zumeist  aus  abirren  des 
auges  erklären:  377,  1  f.  378,  20  ff.  382,  13  f.  383, 1  f.  384,  1  f. 
390,  5.  391,  12^.  405,  23.  406,  30/".  410,  19.  415,  19/".  416,  27. 
424,3;    aber  auch  A  nicht  aus  B:   398,14/".  408,18?  420,20.] 

Es  kann  nicht   in  meiner  absieht    liegen,    Eybs  Grisardis  im 

hat  nichts  zu  tun  die  geschickte  vom  kaiser  Konrad  und  grafen  (nicht  mark- 
grafen)  Leupolt  im  cg"m.  536  bl.  126  (Goedeke  Grundriss  P,365  ist  also  das 
citat  cgm.  536  zu  tilgen)  und  cgm.  542  bl.  361  (Goedeke  aao.  1*,  302  nr  39). 
Z.  F.  D.  A.   XXIX.    N.  F.  XVII.  30 


438     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTF:N  JUS, 

Verhältnis  zu  den  übrigen  bearbeitungen  dieser  novelle  hier  im 
zusammenhange  zu  behandeln,  so  wünschenswert  es  ist  dass  auch 
die  geschickte  dieses  Volksbuches  einmal  eine  bis  itis  einzelne 
gehende  darstellung  erfahre,  wie  wir  sie  von  Seuffert  über  die 
Genovefalegende  besitzen ;  auch  sie  hätte  in  erster  Haie  die  motive 
der  Veränderungen  zu  berücksichtigen,  in  RKöhlers  artikel  bei 
Ersch- Gruber  (erste  section  91,413^  vgl.  auch  Gosches  Archiv 
für  litteraturgesch.  1,409/f  »nd  Zs.  für  deutsche  philologie  8, 102  n.) 
ist  das  material  für  eine  solche  arbeit  in  musterhafter  genauigkeit 
und  Vollständigkeit  zusammengetragen,  ich  verweise  aufserdem 
noch  auf  Dnnlop  -  Liebrecht  Gesch.  der  prosadichtungen  s.  252 /f. 
Morgenblatt  für  gebildete  leser  1863  nr  38  (s.  885 — 892)  und  40 
(^s.  942  —  948).  Eberts  Jahrbuch  4,  113.  MLandau  GBoccaccio. 
sein  leben  und  seine  werke  s.  159  und  desselben  Die  quellen  des 
Dekameron^  (1884)  s.  156/f,  wo  ua.  s.  160  auf  ein  hslich  in  der 
Wiener  Hof bibliothek  ('nr  10108)  beftndiiches  lateinisches  Schauspiel 
Grisehdis  aufmerksam  gemacht  ist.  zu  HSachs  comödie  vgl.  noch 
Arch.  f.  litteraturgesch.  1 1 ,  56/".  auch  Georg  Pfund  (Pondo)  verfasste 
eine  comoedie  von  Griseldis  (1590),  vgl.  Goedeke  Grundriss  1,329 
nr  336.  nach  Petrarca  [aus  Abraham  a  Sancta  Clara?  s.  RKöhler 
aao.  s.  417'']  hat  AJConlin  (ADB  4,  438)  in  seiner  Thorheit  der 
närrinnen,  Öttingen- Augsburg  (1709),  1,  111 /f  die  geschichte  von 
der  Griseldis  in  das  capitel  von  der  Regiersichtigen  närrin  einge- 
ßochten.  vgl.  endlich  noch  Een  nedersaksische  novelle  van  Griseldis 
(mit  eynre  geestUke  bedudenisse)  door  JHGallee  in  der  Tijdschrift 
voor  nederl.  taal-  en  letterkunde  iv  (1884). 

AvEyh  hat  in  seiner  widererzählung  einen  ähnlichen  weg  ein- 
geschlagen wie  bei  seiner  Übertragung  Plautinischer  comödien:  er 
war  bemüht ,  seinen  originalen  deutschen  geist  einzuhauchen  und 
namentlich  ist  ihm  dies  bei  der  altrömischen  posse  gelungen,  wenn 
ein  gleiches  streben  bei  der  Grisardis  nicht  ebenso  auffällig  sich 
geltend  macht,  so  hat  das  seinen  grund  in  dem  Stoffe,  der  deutschen 
anscliauungen  weniger  fremd  gegenübersteht.  Eyb  hat  alle  orts- 
bezeichnungen  getilgt ,  desgleicheti  erscheinen  die  personen  aufser 
der  heldin  Grisardis  und  dem  erst  von  Eyb  benannten  obersten 
rate  des  fürsten  Marcus  namenlos,  die  geschichte,  wie  Eyb  sie 
erzählt,  könnte  sich  auf  heimischem  boden,  in  heimischen  Ver- 
hältnissen abgespielt  haben,  der  gelehrte  Verfasser  (der  dichter 
dielz  puchleins  374,  8)   verfolgt  lehrzwecke  (373,  1  ff.  410,  28^;. 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYB  439 

er  wendet  sich  an  beide  geschlechter  (hoer  zu,  mau,  uud  veruyui, 
weib  und  auch  junckfraw  373, 14.  alle  gesiecht  404,  35),  insbe- 
sondere an  die  frauen  (424,  32  ff.  426,  G  f)  und  ehelente  (373, 
bff.  413,  2.  17  /^y,  denen  Grisardis  und  ihr  gemahl  vorbildei^  der 
Keuschheit,  einsieht,  demut,  des  gehorsams  und  der  geduld  sein 
sollen,  die  säumigen  väter ,  die  in  ihren  kindern  keine  wahre 
gottesfurcht  z\i  wecken  verstehen,  weil  sie  selbst  ihrer  ermangeln 
und  'von  gott  nicht  zu  sagen'  wissen  (405,  26  ff),  verweist  er  auf 
den  allen  vater  der  Grisardis,  der  seinem  ki7ide,  als  es  die  elter- 
liche hätte  verlässt,  gute  und  fromme  lehren  mit  auf  den  weg  gibt, 
den  kindern  (aller  nieuuer  irdischeu  kiuder  404,  35.  Adams  kinder 
und  besuuder  Cani ,  ein  verspotter  deins  vatlers  Noe,  und  die  dir 
nach  volgeu  405,  5  ff)  ^predigt  er  gehorsam  und  liebe  gegen  die 
eitern,  wie  Grisardis  sie  gezeigt,  als  sie  in  kindlichem  gehorsam 
dem  markgrafen  die  hand  reichte,  wo  sie  doch  lieber  in  armen  Ver- 
hältnissen geblieben  wäre,  der  fßege  des  vaters  ihr  leben  widmend 
(404,  35 — 405,  9).  dem  amtmann  hält  er  das  benehmen  des  mark- 
grafen seinen  untertatien  gegenüber  als  muster  vor  (377,  'SO  ff)  und 
umgekehlt  verlangt  er  von  den  untergebenen  vertrauen  gegen  ihre 
Pfleger  (378,12yfj.  er  macht  für  die  schlechten  sitten  der  gegenwart 
(373, 20  ff.  374, 8. 406, 1  f.  4 1 3, 17  /f;  die  geistlichen,  die  Pilaten,  ich 
sprich  nicht  prelaten  des  crislenlichen  volcks,  verantwortlich,  die 
nur  ihre  eigenen  interessen  im  äuge  haben  und  anstatt  hirten  zu 
sein  selbst  wölfe^  geworden  sind  (405,  31 — 406,  5),  und  die  closler- 
menschen,  die  unter  dem  gehorsam  sind  (413,  3),  sollen  gleich- 
falls aus  der  geschichte  für  sich  nutzen  ziehen. 

Wie  schon  hervorgehoben  ist,  erzählt  AvEyb  die  h\Mov\e ,  die 
für  ihn  auf  wahrer  begebenheit  berxiht  {i21,  2{  ff),  wenn  er  auch 
an  Petrarca  anlehnt,  doch  ganz  frei  wider,  ja  ich  halte  es  für 
wahrscheinlich  dass  Eyb,  der  in  Pavia  zum  doctor  promovierte 
spätere  kämmerling  des  pabstes  Pius  ii,  bei  seinem  auf  enthalte  in 
Italien  die  geschichte  hat  erzählen  hören  und  gelegentlich  züge  der 
Volksüberlieferung  in  seiner  arbeit  verwertet  hat,  so  zb.  wenn  er 
412,  19/f  berichtet  (man  saget  auch  von  ir),  Grisardis  sei  so 
geduldig  tind  gehorsam  gewesen,  dass  ihr  name  deshalb  in  ihrer 
heimat  sprichwörtlich  gebraucht  worden  wäre,  und  (das  Sprichwort) 
ist   auch    noch  do   seihen    unter   den  trawen,   wann  wo   in  den 

*  auch  sonst  begegnet  bei  AvEyb  der  vergleich   mit  dem  wolf  unter 
den  lämmern:    Spiegel  der  sitten  von  1511  ßl.  128".  153". 

30* 


440     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

landen  ein  fraw,  do  vor  Zeiten  ist  Grisardis  gewest,  irem  man 
ist  widerspenig,  lioffertig  und  zornig,  so  sprechen  die  anderen 
frawen  zu  ir  also :  'du  bist  nicht  Grisardis.'  vielleicht  beruht  auch 
die  namensform  Grisardis  auf  einer  dialectischen  Variante,  so- 
dann: Petrarca  und  sämmtliche  mir  bekannte  behandhmgen  geben 
in  Übereinstimmung  mit  Boccaccio  der  Grisardis  zwei  kinder.  zu- 
erst wird  ihr  das  mädchen  genommen,  dann  widerholt  sich  das- 
selbe beim  söhne,  die  widerholung  ist  geschickt  von  Eyb  vermieden 
(413,  27 /fj:  er  lässt  die  kinder  gemeinsam  der  Grisardis  nehmen, 
aber  es  ist  kaum  einzusehen,  weshalb  es  bei  Eyb  drei  kinder,  eine 
tochter  und  zwei  söhne,  sind,  falls  wir  nicht  annehmen,  Eyb  habe 
hier  aus  lebendiger  Überlieferung  geschöpft,  letzteres  wird  noch 
wahrscheinlicher  durch  den  zusatz:  ob  sie  ander  kinder  nicht  mer 
pracht  hab,  das  hab  ich  nicht  vernomen  tisw.  (412,  29).  als  leere 
redensart  wäre  die  bemerkung  doch  gar  zu  zwecklos,  von  zioei 
Schwestern  des  markgrafen  (374,22/".  396,29.  397, 16.  399,  3.  410, 
31)  weifs  gleichfalls  nur  Eyb.  auch  davon,  dass  Grisardis  beider 
ankunft  ihrer  tochter,  der  vermeintlichen  braut  des  fürsten,  an- 
fänglich nur  vom  nebenzimmer  aus  durch  eine  spalte  dem  aufzuge 
der  gaste  zusieht,  findet  sich  bei  Petrarca  nichts,  bei  Boccaccio 
bestürmen  die  hofdamen  den  markgrafen ,  freilich  vergeblich,  er 
solle  wenigstens  Griselda  in  einem  besonderen  zimnier  bleiben  lassen 
oder  ihr  doch  eines  ihrer  früheren  kleider  geben,  damit  sie  nicht 
so  armselig  unter  den  gasten  umhergehen  müste.  angeführt  seien 
noch,  ohne  dass  ich  daraus  etwas  beweisendes  schlie/sen  möchte, 
berufungen  wie  als  ich  von  ir  gebort  han  412,  9  f.  als  ich  sie 
(die  geschichte)  (\anü  geboret  han  373,9.  als  man  saget  425,14. 
Im  allgemeinen  darf  man  sagen  dass  Eyb  das  unnatürliche, 
das  harte  und  rauhe  in  der  erzählung  um  vieles  zu  mildern, 
menschlich  begreiflicher  zu  machen  bestrebt  gewesen  ist.  er  sucht 
es  wenigstens  eingehender ,  sorgfältiger  zu  motivieren  und  ist  darin 
noch  weiter  gegangen  als  Petrarca,  der  bereits  seinem  original  Boc- 
caccio gegenüber  ein  gleiches  verfahren  eingeschlagen  hatte  (Archiv 
1,  409).  wenn  der  markgraf,  um  Grisardis  zu  versuchen,  grofse 
trauer  und  kümmernis  erheuchelt  über  den  doch  nur  von  ihm 
selbst  gefassten  entschluss,  sich  von  seinen  kindern  und  seiner  gattin 
zu  trennen  (414,21//^,  so  empfindet  Eyb  dass  dieses  benehmen  in 
Widerspruch  stehe  mit  dem  sonst  so  edlen  wesen  des  fürsten.  er 
meint,  wer  die  dinge  recht  ins  äuge  fasse,  werde  dem  fürsten  des- 


H   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  441 

halb  nicht  lügenhaftigkeit  vorwerfen,  habe  doch  auch  Christus  sich 
gleichsam  verstellt,  als  er  nach  seiner  anferstehung  Maria  Magda- 
lena als  gärtner  und  zweien  seiner  junger  in  anderer  gestalt  er- 
schienen sei.  oder:  Christus  ersparte  nicht  seiner  muiter,  die  doch 
gewis  unschuldig  war,  den  schmerz  seines  leidens  und  Sterbens:  so 
legte  auch  der  markgraf  seiner  gemahlin  schwere  prüfutigen  auf, 
so  wenig  sie  sie  doch  nach  menschlichem  ermessen  verdient  hatte, 
gottes  wege  sind  eben  wunderbar  und  die  Werkzeuge,  die  er  sich 
zu  Vollstreckern  seines  willens  ausersieht,  erscheinen  uns  nicht 
immer  als  die  rechten  (418,22 — 419,  13),  vgl.  noch  41S,  2yf. 
423,  9  yf.  auch  darin  weicht  Eyb  von  der  sonstigen  Überlieferung 
ab,  dass  es  bei  ihm  nicht  die  freude  an  dem  ungebundenen  leben 
ist,  die  den  markgraf en  der  ehe  abhold  macht;  die  ehelosigkeit  des 
fürsten  beruht  hier  vielmehr  auf  religiöser  anschauung,  ja  die 
erste  hälfte  der  ganzen  er  Zählung,  die  fast  ein  geistlicher  tractat 
genannt  werden  könnte,  ist  ausgefüllt  mit  erwägungen  der  frage, 
was  gott  wolgefälliger  sei,  die  ehe  oder  die  ehelosigkeit,  und  der  ge- 
lehrte Verfasser,  der  auch  innerhalb  der  eigentlicheii  novelle  sich  in 
geistlich  frommen  Wendungen  gefällt  (400, 22)f.  401,  5 /f.  411, 14 /f. 
412, 13/".  417,27j  und  mit  biblischen  citaten  nicht  kargt,  sucht  gerade 
hier  seine  belesenheit  an  den  mann  zu  bringen,  es  bedarf  wider- 
holter  (375,  2ff.  378,  iff.  vgl.  399,  2 /fj  directer  anregung  von 
außen,  bis  der  markgraf  sich  zur  heirat  entschliefst.  —  sodann 
wird  die  Werbung  des  markgraf  en  (401,  31  ff)  anders  erzählt,  im 
einzelnen  die  vorläge  vertieft,  rührend  ist,  wie  der  arme  alte 
vater  der  Grisardis  anfangs  und  gewis  berechtigt  zweifelt  an  der 
aufrichtigkeit  der  Werbung,  denn  'gold  passe  nicht  zu  eisen',  wie 
er  seine  tochter  bereits  in  gedanken  entehrt  sieht  und  deshalb 
wünscht,  selbst  nie  geboren  zu  sein,  wie  er  den  markgrafen  bittet, 
ihm  das  einzige,  das  er  besitze,  das  ihm  vater,  muttei',  kind  und 
magd  sei,  nicht  zu  nehmen,  bis  er  sich  schlief slich  von  der  red- 
lichen absieht  des  hohen  wej'bers  überzeugt,  auch  Grisardis  weigert 
sich  anfänglich  auf  das  entschiedenste  (404,  27  ff) ,  während  sie 
sammt  ihrem  vater  ^  bei  Boccaccio  und  Petrarca  im  ge fühle  der 
Untertänigkeit  ohne  weiteres  einwilligt,  sie  will  den  vater  nicht 
verlassen,  der  sie  liebe  wie  kein  gatte  sie  mehr  zu  lieben  ver- 
möchte,   die  hohe  Stellung ,  die  ihr  in  aussieht  steht ,  kann  sie  nicht 

*  dagegen  willigt  im  dänischen  und  isländischen  märchen  der  vater 
gleichfalls  nur  mit  widerstreben  in  die  heirat  seiner  tochter  (Arch.  1,  424), 


442     DEUTSCHE  PROSANOVELLEN  DES  FÜNFZEHNTEN  JHS. 

reizen,  sie  will  die  keuschheit  bewahren,  die  sie  höher  schätze  als 
alles  sonst  in  der  weit,  erst  durch  die  bitten  des  valers  und  den 
hinweis  auf  gottes  gebot,  nach  dem  die  kinder  ihren  eitern  ge- 
horsam sem  sollen,  wird  sie  zum  Jawort  bewogen,  rührend  ge- 
schildert ist  auch  der  dann  folgende  abschied  vom  vater  (409,  5  ff), 
der  seinem  kinde  gute  lehren  mitgibt,  die  sie  in  ihr  herz  schrei- 
ben solle,  läglich  möge  sie  im  'buche  ihrer  erinnerungen'  lesen 
(410,  hf);  fein  der  zug,  wenn  der  vater  der  Grisardis  die  alten 
hauskleider  mit  in  die  ehe  gibt ,  damit  sie  sie  stets  betrachte ,  allzeit 
ihrer  herkunft  eingedenk  und  demütig  bleibe  (410,  ^^  ff)-  sie  legt 
später,  wenti  sie  verstofsen  wird,  das  'halb  verfaulte  gewand  wider 
an  (421,33).  aber  wie  viel  zarter  empfindet  Eyb,  wenn  Grisardis 
in  aller  stille  hei  nacht zei t ,  vom  galten  geleitet,  in  die  ärmliche 
hätte  des  vaters  zurückkehrt ,  während  Boccaccio  und  Petrarca  sie 
vor  dem  ganzen  hofstaat  bis  auf  das  hemd  alles  ablegen  lassen, 
was  sie  durch  die  gnade  des  fürsten  an  sich  trägt.  —  endlich  sei 
noch  der  hübsche  zug  hervorgehoben ,  dass  in  Eybs  erzählmig  Gri- 
sardis —  sie  sähe  auch  etlich  zaichen,  die  die  multer  an  iren 
kiiiden  pafs  wiefsen  dann  nyniand  anders  425,  21  f —  ihre  kinder 
sehr  bald  widererkennt. 

Stilistisch  zeigt  sich  AvEyb  auch  in  der  Grisardis  als  der 
gute  erzähler  und  prosaist ,  als  tvelchen  wir  ihn  aus  seinen 
anderen  erzählungen  (Guiscard  und  Sigismunda,  Marina  und 
Albanus  im  Ehestandsbüchlein ,  der  geschichte  ^  vom  Streithandel 
zweier  römischer  Jünglinge  Publius  Cornelius  und  Cajus  (Celerius 
bei  Eyb)  Flamineus,  die  sich  um  Lucretia,  die  locht  er  des  Fnl- 
gentius  Felix  und  der  Claudia  bewarben,  ersterer  den  adel  der 
geburt,  letzterer  den  der  lügend  des  gemütes  verfechtend,  im 
Spiegel  der  sitten  1511  fol.  101^  im  capitel  Von  edelen)  bereits 
kennen.  AvEyb  überragt  NvWyle  und  Sleinhöwel  durch  eine  leich- 
lere und  glättere  darstellungsweise,  die  er  sich  zu  eigen  gemacht 
hat  durch  emancipation  von  der  römischen  denk-  und  Schreibart, 
wo  er  enger  an  lateinische  vorlagen  sich  anschliefst,  da  ist  auch 
sein  deutsch  ungewandter ,  wie  aus  der  ersten  hälfte  der  Grisardis 
deutlich  wird,  die  zweite  hälfte  dagegen,  die  eigenlliche  novelle, 
die  Eyb  nicht  übersetzt,  sondern  im  grofsen  ganzen  sehr  frei  wider- 

'  dieselbe  ge.schichte  erzählt  NvWyle  in  seiner  14  transhdion, 
vgl.  Heller  284,  35  ff  und  meine  Pfahgräfxn  Mechlhild  s.  20  und  Ol 
ah7n.  93.  94. 


II   GRISARDIS  VON  ALBRECHT  VON  EYE  443 

erzählt,  ist  ungleich  besser  und  fliefsender  geschrieben,  ja  ich  stehe 
nicht  an,  Eybs  Grisardis  unter  den  bekannten  älteren  behandlungen 
dieses  Stoffes  in  deutscher  spräche  stilistisch^  entschieden  die  erste 
stelle  einzuräumen. 

*  vgl.  nuch  die  belebte  darstellungsweiie  401,22//".  410,24/7".  sprick- 
wörtliche  redensarten  finden  sich  388,  26 /f.  389,31.  394,18.  409,34. 
412,  22/7",  422,  30.  423,2;  ein  hübsches  bild  401,  29/";  das  Wortspiel  Pi- 
laten  ich  sprich  nicht  prelalen  405,31. 

Tübingen.  PHILIPP  STRAUCH. 


RUODLIEB-MÄRCHP]N  IN  RUSSLAND. 

Bei  der  sloffsammluug  für  ein  werk  über  unsere  abeud- 
läudische  märcheiulichluiig  stiel's  ich  vviderholt  auf  die  drei-lehren- 
fabel  iü  fassungeu  ,  welche  bei  Köhler -Seiler  uicht  verzeichnet 
sind,  auf  eine  derselben  (Schleicher  Litauische  märcheu  s.  39  ff) 
ist  kürzlich  schon  von  Ferdinand  Holthausen  (Germ.  29,  336  f) 
hingewiesen  worden,  und  es  wäre  kein  anlass,  ihrer  nochmals 
zu  erwähnen ,  wenn  ihn  nicht  eine  kleine  exegetische  Streitfrage 
böte,  die  erste  der  drei  lehren  bezieht  sich  auf  einen  weg  'für 
heute'  und  einen  anderen  'für  morgen'.  Holthausen  verzichtet 
auf  eine  erklärung,  Schleicher  versucht  eine  solche,  trifft  aber 
vvol  nicht  das  rechte,  wenn  er  deutet:  'für  heute  wol,  aber  weil 
er  zu  schlecht  ist,  wird  für  morgen  der  andere  gewählt.'  es 
scheint  vielmehr  eine  paradoxie  beabsichtigt  ähnlich  der  bekannten 
Eulenspiegelschen  (wenn  du  laugsam  fährst,  kommst  du  früh  an, 
wenn  schnell,  spät),  nur  dass  statt  zweierlei  geschwindigkeit  auf 
einem  und  demselben  schlechten  weg  zwei  wege  von  verschiedener 
beschaffenheit  gesetzt  sind:  der 'weg  für  morgen' wird  ausdrück- 
lich als  der  bessere  bezeichnet,  ist  aber  vermutlich  länger  als  der 
andere,  wer  ihn  fährt,  der  bedenkt,  dass  er  morgen  weiter  fahren 
will,  wer  den  schlechteren  wählt,  fährt  nur  'für  heute',  weil  er 
das  fuhrwerk  beschädigt  und  in  folge  dessen  aufenthalt  bekommt, 
jedoch  ist  die  paradoxie  uicht  einfach  so  gefasst:  längerer  weg, 
schneller  am  ziel,  sondern  in  den  namen  versteckt:  'weg  für 
morgen',  das  klingt,  als  käme  man  erst  morgen  ans  heutige  ziel, 
als  sei  er  ein  grofser  umweg,  während  der  doppelsinnige  ausdruck 
denjenigen   meint,    der   'für  morgen'  die   weiterfahrt  ermöglicht. 

So  viel  über  die  litauische  version.     aus  dem  centrum  von 


444  RUODLIEB- MÄRCHEN  UN  RÜSSLAND 

Russland,  südlich  von  Moskau,  südwestlich  von  Tula  stammen 
die  im  kreise  Krapiwna  gesammelten  märchen ,  welche  AAErleu- 
weiu  1863  zu  Moskau  herausgegeben  hat.i  die  nummer  16  ('vom 
bauerusohn')  s.  82 f  erzählt:  es  war  einmal  ein  bauernsohn  von 
kleinem  wüchse,  der  vor  dem  gespött  der  leute  in  die  weite 
weit  lief,  als  ihm  sein  vater  eine  trau  gab.  bei  einem  alten 
männleiu  verdingte  er  sich  um  einen  rubel  fürs  jähr,  nach 
dreifsig  Jahren  verlangte  er  die  abrechnung,  und  der  alte  stellte 
ihm  zur  wähl ,  ob  er  die  dreifsig  rubel  oder  zwei  worte  als  lohn 
wolle,  er  wählte  das  letzlere,  und  der  alte  sprach:  du  wirst  in 
einen  weiler  kommen,  da  lebt  ein  alter  bauer  mit  einem  jungen 
weihe,  dort  übernachte  nicht;  und  zweitens:  hebst  du  gleich 
hoch,  lass  doch  nicht  niederfallen,  der  kleine  zog  ab,  kam  auf 
das  gehöft,  sah  die  junge  mit  dem  alten  und  wählte  eine  korn- 
darre  zum  Unterschlupf  für  die  nacht,  es  kommt  ein  bauer, 
legt  die  kleider  ab  und  läuft  weg.  während  er  fort  ist,  schneidet 
der  kleine  aus  dem  liegen  gebliebenen  rock  ein  Stückchen  heraus 
und  belauscht  dann  eine  Verabredung  zwischen  jenem  bauern 
und  der  jungen  frau,  sie  wollten  den  allen  umbringen,  am 
anderen  morgen  wird  als  des  mordes  verdächtig  ein  kaufmann 
verhaftet,  der  eben  dort  auf  der  durchreise  war.  unser  kleiner 
aber  verspricht  den  würklichen  mörder  anzugeben,  wenn  sich 
die  gemeinde  versammle,  das  geschieht,  nur  einer  wird  als  krank 
entschuldigt;  der  muss  aber  auch  herbei  und  wird  mit  hilfe  jenes 
ausgeschnittenen  läppchens  der  tat  überführt,  der  kaufmann  und 
seine  gefährten  beschenken  den  rettenden  zeugen,  der  dann  noch- 
mals gelegenheit  findet,  ihnen  beizustehen:  räuber  fallen  nämlich 
über  die  kaufleute  her,  auf  ihren  hilferuf  erhebt  der  kleine  ein 
geschrei  'da  sind  sie  1  da  sind  sie ! ',  sodass  die  räuber  erschrecken 
und  entfliehen,  aufs  neue  beschenkt  wandert  er  weiter  und 
kommt  nach  hause,  dort  findet  er  seine  frau  mit  den  nach  seiner 
abreise  geborenen  söhnen,  er  hält  sie  für  frenide  und  hebt  schon 
das  heil,  ihnen  die  köpfe  abzuhauen,  erinnert  sich  aber  noch 
zu  rechter  zeit  der  zweiten  lehre,  weckt  die  frau  und  erfährt  nun 
dass  er  seine  söhne  würde  ermordet  haben,  wenn  er  geld  statt 
der  lehren  genommen  hätte. 

Das  märchen   steht  auf  der  fünften  stufe  (Anz.  ix83),   hat 

'  Uapo^HbiH    cKa3KU,    coßpuHHbiu    cejbCKUMH    yunTcaaMU.      iiSAauie 
A.  A.  3p.ieHBeHHa.      Mockbu  1863.     167  ss. 


RIO DLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  445 

aber  von   den    drei  lehren    die   erste  (ursprünglich  zweite;    vgl. 
aao.  s.  Sl)  vergessen    und   führt   nur  das  zugehörige   ahenteuer, 
jedoch  an  falscher  stelle,  noch  mit,  indem  die  kaufleute  aus  der 
band  der  rauher  befreit  werden,  nachdem  sie  von  dem  verdacht 
des  mordes  gereinigt  sind,    die  reiheufolge  der  ahenteuer  ist  also 
diese;  altes  drittes  ahenteuer,  altes  zweites,  heimkehrscene.    das 
motiv ,  dass  der  dienstlohu  in  ein  brod  eingebacken  wird ,  ist  wie 
überhaupt   auf  dieser  stufe  vergessen,    während   es  bei  späteren 
wider  auftaucht,  hat  aber  wol  eine  spur  in  den  widerholten  be- 
lohnungen  gelassen ,  die  der  held  empfängt  (vgl.   das  zu  stufe  iv 
gehörige    märchen   bei  Seiler,   Ruodl.   s.  54,  d).     beachtenswert 
ist  dass  die  lehren  nicht  den  allgemeinen  character  von  klugheits- 
regeln  tragen,  sondern  ein  bestimmtes  vorauswissen  verraten :  nicht 
vor  einem  ungleichen  ehepar  überhaupt  wird  gewarnt,    sondern 
vor  einem  bestimmten  an  dem  und  dem  ort,  nicht  mäfsigung  im 
zorn  wird  empfohlen,  sondern  die  nachher  eintretende  Situation 
eines  zum  tödlichen  schlag  ausholenden  wird  vorgebildet  in  dem 
rate:    hebst  du  hoch,   so  lass  doch  nicht  niederfallen,     dadurch 
ist  der   novelle  ein   märchenhafter   anstrich  verliehen ,    der  alte 
dienslherr  bekommt  etwas  von  dem  wesen  übermenschlicher  bei- 
stände,    da  der  für  die   fünfte   stufe   characteristische,    übrigens 
schon  auf  der  dritten   angebahnte   zug  vom   ausschneiden   eines 
Stückchens  tuch  aus  dem  rock  des  mörders  sich  auch  hier  wider- 
findet,  ein  directer  Übergang  vom  keltischen  auf  slavisches   ge- 
biet aber  kaum  anzunehmen  ist,  so  wird  derselbe  wol  in  Deutsch- 
land hinzugekommen  sein  (vgl.  über  Deutschland  als  Station  auf 
der  wanderuug  unseres  märcheus  Anz.  ix  91).    ob  die  entdeckung 
des   mörders  durch    den   hund    im   Ruodüeb   eine    Umwandlung 
dieses  motivs  oder  dessen  quelle  sei,  kann  um  so  mehr  unerörtert 
bleiben,  als  dieselbe  nicht  in  den  fragmenten  überhefert,  sondern 
nur  durch  eine  combination  erschlossen  ist  (Zs.  29,  7),  die  nicht 
jedermann  wird   gutheifsen  wollen,     so  viel   aber  wird   man  zu- 
geben, dass  in  die  geographische  lücke  zwischen  der  cornischen 
und  der  russischen  Überlieferung  sich  dieser  zug  der  deutschen 
nicht  uneben  einfügt,    es  darf  bei  dieser  gelegenheit  daran  erinnert 
werden,  dass  auch  in  einem  anderen  märchen  eine  Übereinstim- 
mung des   europäischen  Ostens   mit  dem  westen   gegenüber   der 
germanisch  -  romanischen  mitte  sich  zeigt:   Köhler  behandelt  Or. 
und  occ.  2,  107  den  eingaug,  welchen  mehrere  gälifjcbe  fassungen 


446  RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

des  inäichens  von  der  vergessenen  braut  haben,  als  einen  zusatz, 
der  nur  ihnen  eigen  sei.  der  nämliche  zusatz  findet  sich  jedoch 
auch  in  russischen^  fassungen  wider:  Erlenvvein  s.  29  (nr  6); 
Afanasiew  5,96  (nr23);  dieser  fall  bildet  also  eine  nahezu  deckende 
parallele  zu  dem  vorigen,  allein  zur  gegenseitigen  aufhellung 
könnten  beide  nur  dann  dienen,  wenn  sie  einer  systematischen 
Zusammenstellung  ähnlicher  beobachlungen  eingegliedert  wären, 
noch  aber  sind  wir  weit  davon  eine  märchengeographie  zu 
besitzen. 

An  das  gouvernement  Tula  gränzt  östlich  das  von  Rjasan; 
hier,  im  kreise  Ranenburg,  ist  folgendes  manchen  aufgezeichnet  bei 
Afanasiew^  (5, 150  nr31,  a):  ein  kaufmannssohn,  der  sein  ganzes 
erbteil  verprasst  hat  und  sich  nach  arbeit  umtut,  zieht  die  äugen 
einer  reichen  kaufmannstocliter  auf  sich,  die  ihn  von  ihren  eitern 
ium  mann  begehrt,  diese  haben  nichts  dagegen ,  da  ihre  tochter 
ja  mit  einem  glückshäubchen  zur  weit  gekommen  sei,  und  so 
findet  die  hochzeit  statt,  die  junge  frau  versteht  sich  meister- 
Hch  auf  Stickerei  und  übergibt  ihrem  mann  einen  teppich  von 
ihrer  band,  den  er  um  hundert  rubel  verkaufen  soll;  treffe  er 
aber  einen  wackeren  menschen,  so  solle  er  den  teppich  gegen 
ein  gutes  wort  ablassen,  er  wird  handeis  eins  mit  einem  alten 
männlein,  das  ihm  dann  aber  statt  des  geldes  ein  gutes  wort  an- 
bietet, darauf  geht  er  ein  und  empfängt  den  rat:  vordem  tode 
fürchte  nichts,  als  er  seiner  frau  erzählt,  was  er  ausgerichtet, 
dankt  sie  ihm  und  gibt  ihm  einen  teppich  zu  500  rubel,  der 
aber  gleichfalls  um  ein  gutes  wort  feil  sein  soll,  diesmal  lautet 
es:  weck  auf,  untersuche,  hau  keine  köpfe  ab.  zu  haus  erzählt 
er  den  handel,  und  die  frau  sagt  nichts  darauf. 

Nun  rüsten  sich  seine  oheime  zu  einer  handelsreise;  während 
sie  hundert  schiffe  haben,  bringt  er  zur  not  ein  einziges  auf. 
wie  sie  auf  dem  meer  fahren,  erhebt  sich  aus  diesem  plötzlich 
ein  see-gorbylj3  und  verlangt  einen  menschen,  den  man  unten 

*  ein  einzelner  zug  in  diesen  fassungen,  das  widerholte  untertauchen 
im  nu-ere  und  die  daran  geknüpfte  frage  'bist  du  erschrocken?  —  ich  auch' 
findet  sich  ähnlich  in  einem  schwedischen  märchen  bei  Cavallius  und  Stephens 
s.  200,  und  wider  in  einem  anderen  dänischen  bei  Grundtvig  Folke;eventyr 
II 168  (s.  220  der  Strodtmannschen  Übersetzung),  vgl.  auch  Asbjörnsen  und 
Moe  nr  41  (s.  207  der  6  aufl.). 

'  ich  benütze  die  dritte  ausgäbe,  von  KSoldatenkow,  Moskau  1863. 

^  der  herausgeber   setzt  ein  fragezeichen   zu  dem  wort,     es  wird  ein 


RUODLIEß- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  417 

als  Schiedsrichter  brauche,  die  oheime  wenden  sich  an  den 
neflen,  und  eingedenk  der  ersten  lehre  geht  dieser  ohne  furcht 
mit  dem  seegeschöpf.  unten  wird  ihm  die  frage  vorgelegt,  was 
wertvoller  sei:  gold,  silber,  kupfer?  er  entscheidet  sich  für  das 
letztere,  weil  nur  aus  ihm  die  Scheidemünze  herzustellen  sei. 
man  gibt  ihm  recht,  und  der  gorbylj  bringt  ihn  wider  auf  sein 
schiff,  das  er  mit  edelsteinen  füllt,  als  er  die  oheime  einholt, 
wirft  er  die  streilfrage  auf,  ob  seine  oder  ihre  wäre  kostbarer 
sei.  sie  weisen  auf  die  zahl  ihrer  schiffe  hin,  er  aber  bleibt 
dabei,  reicher  zu  sein,  schliefslich  legen  sie  die  frage  einem 
könig  vor,  der  den  kaufmannssohn  ohne  weiteres  will  aufknüpfen 
lassen,  doch  aber  sich  iiuister  zeigen  lässt  und,  als  im  ver- 
dunkelten zimmer  die  edelsteine  zu  leuchten  anfangen,  dem  neffen 
den  sieg  sammt  den  schiffen  der  oheime  zuspricht,  zwanzig 
jähre  treibt  er  nun  handelschafl  und  kehrt  ungeheuer  reich  nach 
hause  zurück,  dort  findet  er  neben  seiner  frau  zwei  Jünglinge 
schlafen,  zieht  den  säbel,  besinnt  sich  aber  auf  den  zweiten 
rat,  weckt  die  frau  und  erfahrt  dass  es  Zwillinge  sind,  die  nach 
seiner  abreise  geboren  wurden. 

Westlich  von  Moskau ,  am  einfluss  der  Wasusa  in  die  Wolga 
liegt  Subzow;  in  der  umgegend  wurde  eine  Variante  aufgezeichnet, 
die  sich  bei  Afanasiew  aao.  s.  152  findet,  einen  kaufmannssohn 
Hans  Unstern  (Ivan  Nestastnoj)  nimmt  eine  reiche  kaufmanns- 
tochter  zum  manne,  schickt  ihn  dreimal  nach  seide  und  ebenso 
oft  mit  Stickereien  in  die  Stadt,  den  lohn  für  die  handarbeiten 
vert;pricht  der  alte  auf  einmal  auszubezahlen  und  bietet  dann 
dafür  die  drei  ratschlage:  bei  freude  freue  dich  nicht;  bei 
schrecken  erschrick  nicht;  heb  auf,  aber  lass  nicht  niederfallen. 
Hans  verdingt  sich  als  supercargo  auf  einer  handelsflotte ,  die 
dann  mitten  im  meere  nicht  mehr  vom  flecke  kommt,  er  steigt, 
eingedenk  des  zweiten  rates,  als  taucher  in  die  tiefe,  findet  hier 

fisch  mit  stark  gewölbtem  rücken  (gorb)  gemeint  sein;  g-orAy/y  bedeutet 
sonst  allerhand  gebauchtes,  namentlich  den  anschnitt  am  brodlaib  und  am 
baumstamm  (den  knaufs  und  den  schwärtling);  ein  fisch,  das  Seepferdchen, 
heifst  gorbunok,  ein  anderer,  salmo  gibbosus,  gorbuscka.  nach  einer 
anderen  vorsteliungsreihe  hin  führt  der  todkündende  'sargfisch'  (MüUenhoff, 
Sagen  nr  334;  vgl.  Wolf,  Deutsche  sagen  nr97),  der  einen  sarg  auf  dem 
rücken  trägt,  sarg  heifst  grob,  was  nach  Fick^  2,550  das  gewölbte  be- 
deutet, also  mii  gorb  im  letzten  gründe  eins  ist.  übrigens  wird  {ür  gorbyl/ 
auch  die  bedeutung  homme  bossii  ou  voüte  angegeben. 


448  RUODLlEß- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

eiu  haus,  darin  eiüeo  greis  und  ein  mädchen  (den  meerköuig 
und  seine  tochter,  wie  es  in  einer  Variante  heifst),  davor  einen 
block  mit  richtbeil.  der  alte  erklärt  den  stahl  für  vorzüglicher, 
die  junge  das  zinn.  als  Hans  ihm  beistimmt,  nimmt  der  alte  das 
beil ,  haut  dem  mädchen  den  köpf  ab  und  schenkt  Hans  drei  bril- 
lanten, die  schiffe  können  nun  wider  von  der  stelle,  Hans  empfängt 
die  drei  fahrzeuge,  die  ihm  als  lohn  für  sein  vvagnis  versprochen 
waren  und  bietet  dem  eigentümer  der  flotte  eine  wette ,  dass  er 
in  seinen  drei  schiften  kostbarere  wäre  führe  als  der  andere  in 
seinen  27.  als  nach  Vorzeigung  der  brillanten  der  rheder  sich 
überwunden  gibt,  ist  Hans  eigentümer  der  ganzen  flotte  und 
macht  glänzende  handelsgeschäfte.  bei  der  heimkehr  sieht  er, 
wie  seine  frau  einen  jungen  menschen  küsst,  zieht  schon  das 
Schwert,  um  beide  zu  töten,  gedenkt  aber  des  dritten  Spruches 
und  erlährt  dass  er  auf  den  eigenen  söhn  eifersüchtig  gewesen. 
Das  märchen  lässt  sich  bis  ins  gubernium  Saratow  an  der 
Wolga  verfolgen,  dort  lautet  es  (Afan.  8,181,  nr21):  Hans 
Unstern,  ein  armer  teufel,  der  jeden  anderen  arbeiter  mehr  ver- 
dienen sieht,  als  ihm  selber  gelingt,  geht  zum  könig  und  fragt, 
woher  es  komme  dass  er  kein  glück  habe,  der  zar  und  seine 
rate  zerbrechen  sich  vergeblich  den  köpf,  seine  tochter  aber 
meint,  man  solle  ihn  verheiraten,  dann  werde  ihm  der  herrgott 
schon  ein  anderes  los  bescheren,  weil  du  gar  so  gescheid  bist, 
sagt  der  könig,  nimm  du  ihn;  und  so  muss  die  prinzessin  mit 
Unstern  ins  elend  ziehen,  sie  heifst  ihn  am  meeresstrand  ein 
einsames  hüttchen  bauen,  schickt  ihn  erst  um  seide,  dann  mit 
dem  teppich  in  die  Stadt,  und  Hans  nimmt  lieber  das  geld  als 
den  angebotenen  rat,  obgleich  der  alte  ihn  warnt,  das  geld  werde 
er  doch  verlieren,  würklich  verliert  er  unterwegs  das  geld  und 
wählt  das  nächste  mal  den  guten  rat.  derselbe  lautet:  erheb  die 
band,  doch  lass  sie  nicht  niederfallen,  und  halt  dein  herz  fest. 
mit  diesem  erlös  traut  sich  Hans  nicht  vor  seine  frau  zu  treten 
und  läuft  in  die  weite  weit,  er  hört  von  einem  lande,  wo  ein 
zwölfhäuptiger  drache  die  leute  frisst,  und  seufzt,  dass  er  kein 
geld  habe  hinzugelangen,  den  verstand  hätte  er,  zu  wissen  was 
dort  zu  holen  sei.  ein  vorübergehender  kaufmann  vernimmt  die 
klage,  streckt  ihm  geld  vor  zum  bau  eines  schilfes,  und  so  ge- 
langt Unstern,  ausgerüstet  mit  kohlen,  hauen,  schaufeln  und 
blasebalg,  bis  zur  höhle  des  drachen,  der  eben  einen  verdauungs- 


RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  449 

schlaf  hält.  Hans  häuft  kohlen  um  ihn,  zündet  und  lacht  sie  an, 
bis  das  untier  unter  greulichem  gestanke  platzt,  haut  ihm  die 
zwölf  köpfe  ab,  verkauft  die  zwölf  drachensteine  um  fabelhafte 
summen,  kehrt  nach  hause  zurück  und  findet  seine  trau  mit 
Zwillingen,  in  bösem  argwöhn  erhebt  er  schon  die  band  wider 
die  trau,  bezwingt  aber  sein  herz  und  erfährt  dass  er  der  rechte 
vater  ist. 

Gleich  dem  Erlenweinschen  märchen  setzen  auch  diese  die 
fünfte  entwickelungsstufe  voraus,  weil  die  heimkehrscene  aus  der 
alten  rahmenfabei  zu  den  abenteuern  geschlagen  und  auf  eine 
lehre  bezogen  ist.  alles  vorhergehende  aber  ist  durch  eine  neue 
erfindung  ersetzt,  die  nur  eben  das  motiv  von  den  ratschlagen 
statt  des  lobnes  festhält,  die  dreizahl  der  lehren  und  der  abenteuer 
ist  vergessen ,  und  wenn  auch  die  zweite  Version  drei  lehren  hat, 
so  ist  doch  für  die  erste  derselben  kein  abenteuer  da ,  auch  klingt 
diese  nur  wie  eine  spielende  erweiterung  der  zweiten,  ähnlich 
wie  in  der  eben  mitgeteilten  fassung  die  einzige  vorkommende 
lehre  zweigliederig  ist,  sodass  man  berechtigt  scheint,  jene  drei- 
zahl der  lehren  lediglich  für  eine  unwillkürliche  anlehnung  an 
die  allgemeine  märchendreiheit  zu  halten ,  nicht  für  eine  nach- 
würkung  der  unserem  märchen  zukommenden  dreizahl,  in  der 
fassung  der  lehren  kommt  wider  das  schon  erwähnte  specielle 
vorauswissen  zum  ausdruck,  und  damit  stimmt  der  zug  der  Sara- 
towschen  version,  dass  das  männlein  sagt:  was  willst  du  mit  dem 
gelde,  du  verlierst  es  ja  doch,  auf  die  schicksalsmächte  im  hinter- 
grund  deutet  auch,  dass  nach  einer  version  die  frau  mit  einem 
glückshäubchen  auf  die  weit  gekommen  ist,  dass  in  der  letzten 
die  frage  an  den  eingang  gestellt  wird ,  warum  der  held  kein 
glück  habe,  und  dass  er  in  den  beiden  letzten  fassungen  den 
namen  Unstern  führt. 

Dieses  schicksalsthema  ist  ursprünghch  unserem  märchen 
ganz  fremd,  es  scheint  aus  dem  russischen  märchen  vom  reichen 
Markus  und  glücklosen  Vasilij  (oder  Andrej)  zu  stammen,  doch 
bevor  dies  erörtert  wird,  empfiehlt  es  sich,  nach  jenem  Erlenwein- 
schen märchen  zurückzugreifen ,  das  noch  wesentlich  den  typus 
der  westeuropäischen  fassungen  zeigt. 

Ein  einzelner,  kleiner  punct  ist  nämlich  vorhin  übergangen 
und  hierher  aufgespart  worden,  der  jahreslohn  bei  dem  alten 
männlein  in  der  fremde  ist  sehr  niedrig  ausgemacht,   auf  einen 


450  RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

rubel  nur.  das  gemahnt  au  die  kopeke  in  dem  märchen  'drei 
kopeken'  (Afan.  8,  179,  nr  20)  und  an  den  pfennig  in  dem  paral- 
lelen märchen  bei  Vuk  s.  60,  nr  7.  dazu  kommt  noch  dass  in 
den  nämlichen  'drei  kopeken'  dem  beiden  die  wähl  gelassen  wird, 
ob  er  reichtum  haben  wolle  oder  ein  gutes  weih,  und  mit  dieser 
Wendung,  die  der  wähl  zwischeu  geld  und  lehren  in  unseren 
Ruodliebmärcheü  nachgebildet  scheint, i  der  Übergang  genommen 
ist  zu  einem  augeschweifsten  stück,  das  aus  einer  ganz  anderen 
märchenreihe  stammt,  das  hauptmoUv  io  den  'drei  kopeken'  ist 
das  von  der  katze  des  Richard  Whittington  (worüber  zu  vgl.  KHM 
nr  70,  VVoir  DMS  nr  14,  Gonzenbach  nr  76),  und  so  ergibt  sich 
mit  den  specitisch  russischen  lässungen  desRuodliebmärchens  noch 
die  allgemeine  ähnlichkeit,  dass  auf  einer  seereise  grofse  reichtümer 
gewonnen  werden;  bei  Vuk  wird  das  schiff  mit  gold  und  silber 
gelullt,  ähnlich  wie  wir  oben  den  gorbylj  das  f'ahrzeug  mit  edel- 
steinen  füllen  sahen,  und  ebenda  baut  sich  vor  der  Seefahrt  der 
held  ein  kleines  hültchen,  wie  in  dem  zuletzt  mitgeteilten  Saratow- 
schen  märchen;  in  einer  russischen  Variante  (Afan.  5,156,  ur32) 
gewinnt  er  drei  schiffe,  womit  sich  die  drei  schiffe  vergleichen 
lassen ,  die  durch  das  taucherwagestück  gewonnen  werden,  sind 
diese  Übereinstimmungen  nicht  zufällig  (und  nachher  wird  sich 
zeigen  dass  sie  es  nicht  sind),  dann  erhebt  sich  die  frage,  auf 
welcher  seite  entlehnung  stattgefunden  habe,  die  'drei  kopeken' 
erscheinen  im  vergleich  mit  den  westlichen  lässungen  des  Whit- 
lingtonmärchens  verkümmert  und  unselbständig,  auch  begegnen 
Züge  aus  anderen  märchen  darin,  so  findet  sich  der  zug,  dass 
der  kaufmann  den  erlös  für  die  katze  dem  'Richard  Whittington' 
vorzuenthalten  beschliefst,  aber  durch  einen  furchtbaren  stürm 
zu  anderen  gedanken  gebracht  wird,  worauf  sich  sofort  die  wogen 
glätten,  schöner  motiviert  wider  in  dem  märchen  'kreuz  als  pfand' 
(Afan.  7, 334,  nr49);  und  die  bei  uns  im  bauernaufstand  des  armen 
Konrad  historisch  gewordene  wasserprobe  wird  nicht  blofs  mit 
den  drei  kopeken  vorgenommen ,  sondern  auch  mit  dem  lohn  des 

'  die  entsclieidung  wird  drei  brüdein  üiierlassen,  die  aber  an  iiiren 
alleren  bruder  verweisen,  und  dieser  ältere,  jedoch  überaus  Jugendliche,  rät 
zu  einer  frau.  hiermit  vergleicht  sich  ein  märchen  im  Tuti  Nameii  (Rosen 
2,286),  und  das  ist  um  so  beachtenswerter,  als  dasselbe  zu  der  Pantschat. 
1,  395  anm.  besprochenen  gruppe  gehört,  die  wir  weiter  unten  noch  werden 
heranzuziehen   haben. 


RUODLlEß- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  451 

treuen  arbeiters  in  dem  märchen  von  der  'prinzessin,   die  nicht 
lacht'  (Alan.  6,  283,  nr  58). 

Besteht  sonach  ein  gewisser  verdacht,  dass  die  russische 
iassung  des  W'hittingtonmärchens  überhaupt  aus  verschiedenen 
erzählungen  zusammengeborgt  sei,  folgUch  auch  bei  den  Über- 
einstimmungen mit  den  russischen  Ruodliebmärchen  den  letzteren 
die  gröfsere  ursprünglichkeit  zukomme,  so  bleibt  immer  noch 
zu  erklären,  woher  diese  ihre  abweichungen  von  den  westlichen 
Versionen  haben,  dabei  werden  wir  nun  abermals  auf  das  Whit- 
tingtonmärchen  zurückgewiesen,  doch  nicht  in  seinen  slavischen 
fassungen ,  sondern  in  der  sicilischen ,  auf  'die  geschichte  von 
Giuseppinu'  bei  Gonzenbach  nr  76.  ein  kinderloses  königspar 
wendet  sich  im  gebet  an  den  heiligen  Joseph  und  bekommt  einen 
söhn,  der  dann  grofse  Sehnsucht  nach  reisen  empfindet  und,  weil 
die  eitern  ihn  nicht  wollen  ziehen  lassen ,  heimlich  davon  läuft, 
eine  königstochter  verliebt  sich  in  ihn  und  begehrt  ihn  zum 
manne,  obwol  er  nur  diener  im  schlösse  ist.  der  könig  bespricht 
sich  mit  seinen  raten  und  gibt  seine  einwilligung  unter  der  be- 
dingung  dass  Giuseppinu  zuvor  eine  reise  mache  und  grofse 
reichtümer  heim  bringe,  er  rechnet  aber  im  stillen  darauf,  dass 
das  schlechte  schiff,  das  man  ihm  zur  Verfügung  stellt,  unter- 
gehen werde,  der  heilige  Joseph  macht  jedoch  als  mönch  ver- 
kleidet die  reise  mit,  bewürkt  durch  seine  nähe  dass  das  schiff 
seetüchtig  wird,  und  bringt  seinen  Schützling  in  ein  land,  wo 
man  kein  salz  kennt,  die  leute  lernen  den  gebrauch  dieses  ge- 
würzes,  behalten  die  ganze  Schiffsladung,  die  in  lauter  salz  be- 
steht, und  füllen  es  dafür  mit  gold.  aber  nun  gilt  es  eine 
zweite  fahrt;  auf  dieser  geht  es  mit  der  VVhitliugton-katze  ebenso. 
auf  einer  dritten  bilden  soldatenanzüge  die  ladung,  eine  feind- 
liche flotte  mit  vielen  Soldaten  bietet  kämpf.  Giuseppinu  nimmt 
ihn  auf  des  heiligen  rat  an  unter  der  bedingung,  dass  der  sieger 
das  schiff  des  anderen  bekomme,  erst  unterliegt  Giuseppinu, 
dann  aber,  als  die  ladung  zum  preis  gesetzt  wird,  siegt  er, 
kleidet  die  Soldaten  in  seine  anzüge  und  flöfsi  nun  heimkehrend 
mit  seinem  beer  dem  könige  solche  furcht  ein,  dass  er  keine 
weiteren  ausfluchte  sucht.  —  hier  haben  wir,  wie  in  den  russi- 
schen Ruodliebmärchen ,  ein  reiches  mädchen ,  das  sich  in  einen 
armen  Jüngling  verliebt  und  die  einwilligung  des  vaters  erlangt, 
der  bräutigam  (wie  dort  der  jung»;  gatte)  gebt  zur  see  und  kehrt 


452  RLODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

mit  schiffen  voll  gold  zurück,  auch  ein  streit  auf  dem  meer 
fehlt  nicht,  >vobei  schiff  und  Iracht  des  unterliegenden  dem  sieger 
zugesprochen  wird  —  nur  ist  es  hier  ein  streit  mit  waffen,  dort 
mit  Worten,  endlich  haben  wir  in  der  person  des  heiligen  Joseph 
die  waltende  schicksalsmacht,  die  uns  in  den  russischen  Ruod- 
hebmärchen  so  aullcillig  gewesen  ist.  diese  letzteren  scheinen 
ihre  eigentümliche  gestall  einer  mischung  mit  dem  Whittington- 
märchen  zu  verdanken,  wie  umgekehrt  die  slavische  Fassung  des 
WhitlingtonmHrchens  auf  einer  kreuzung  mit  mehreren  andfivn 
mcirchen  beruht  und  speciell  den  eingang  mit  dem  dienstverhältnis 
aus  dem  Ruodliebmärchen  entlehnt  hat. 

Was  den  anlass  zu  dieser  doppellen  kreuzung  gegeben  habe, 
wissen  wir  damit  so  wenig,  wie,  woher  der  name  Hans  Unstern 
und  die  scharfe  ausprägung  des  gedankens  stamme,  dass  der 
held  ein  unglückskind,  seine  frau  ein  glückskind  isl.  schon 
oben  ward  vorausgedeutel  auf  das  märchen,  das  wir  hier  zu  be- 
sprechen haben ,  vom  reichen  Markus  und  von  Vasilij  Bezscasl- 
noj,  d.  i.  Basilius  Unstern  (Afaii.  1,13,  s.  S«»  und  163:  2.35. 
s.  294). 

Verrät  schon  dieser  name  eine  Beziehung  zwischen  beiden 
märchengruppen ,  so  wird  dieselbe  bestätigt  durch  den  umstand, 
dass  in  der  erzählung  vom  reichen  Markus  das  eingreifen  der 
schicksalsmächle  den  grundzug  bildet,  sie  deckl  sich  nämlich 
mit  dem  deutscheu  märchen  vom  teufel  mit  den  drei  goldenen 
haaren  (KHM  ur  29;  Gonzenbach  nr  47),  gehört  also  einem 
grüfseren  verbreitung^bezirk  an,  und  eine  serbische  version  (Vuk 
nr  13)  enthält  geradezu  den  wichtigen  zug,  dass  der  held,  der 
es  trotz  allen  fleifses  zu  nichts  bringt,  sich  aufmacht,  das 
Schicksal  in  person  zu  befragen,  warum  es  ihm  so  schlecht 
gehe  —  ganz  denselben  zug,  welchem  wir  in  der  Saratow<chen 
fassung  des  Huodliebmärchens  begegnet  sind,  wo  der  held,  dem 
alles  fehlschlägt,  den  könig  um  den  grund  seines  Unsterns 
befragt. 

Das  russische,  deutsche  und  skandinavische  (Asbjörnsen  und 
Moe  nr  5)  roärchen  vom  reichen  und  mächtigen ,  der  den  schick- 
salsspruch  vergebens  zu  hintertreiben  sucht,  scheint  übrigens 
auf  einer  combiualion  aus  älteren ,  einlacheren  märcheu  zu  be- 
ruhen, denn  erstlich  besteht  die  vordere  hallte  für  sich  in  jener 
schönen  sage,  die  uns  durch  WHertz  unter  dem  namen  Heinrichs 


RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  HUSSLAND  453 

von  Schwaben  geläufig  ist  (vgl.  die  nachweise  ^  bei  Oeslerley, 
Gesla  Rom.  ur20),  und  hat  in  dieser  abgeschlossenheit  ein  seiten- 
stück  an  dem  neugriechischen  und  litauischen  märchen,  worin 
das  verlolgte  kind  nicht  ein  knabe,  sondern  ein  mädchen  ist 
(Bernh.  Schmidt,  Griech.  märchen  nr  2,  s.  67;  Veckenstedt,  My- 
then usw.  der  Zamaiten  2,  102,  4,  s.  94).  zweitens  ist  da,  wo 
an  den  'Heinrich  von  Schwaben'  ein  zweiter  teil  angeiügt  ist, 
dieser  nicht  in  allen  tassungen  der  gleiche :  statt  der  sendung 
des  verfolgten  ins  jenseits,  wobei  er  von  mehreren  begegnenden 
den  auttrag  übernimmt,  antwort  auf  gewisse  Tragen  zurückzu- 
bringen,  und  welche  dazu  tülirt,  dass  der  habgierige  vertolger 
den  alten  lergen  des  unter-  oder  aufserweltsstromcs  ablösen  muss, 
findet  sich  auch  das  Fridolinmotiv  aus  dem  Gang  nach  dem  eisen- 
hammer  (Hahn,  Griech.  märchen  nr  20  mit  der  anm.;  Alan.  2, 
nr  35),  und  dies  motiv  scheint  auch  in  der  ersten  hallte  der 
anderen  tassung  eine  spur  hinterlassen  zu  haben ,  sofern  bei 
Alan.  1,  nr  13  der  üriasbriel  den  aultrag  enthält,  den  ahnungs- 
losen boten  in  einen  siedenden  kessel  zu  stürzen,  drittens  end- 
lich kommt  jene  Wanderung  ins  jenseits  mit  den  tragen  auch 
losgelöst  von  'Heinrich  von  Schwaben',  mit  anderer  einleitung 
vor  (zb.  Vuk  nrl3;  Gonzenbach  ur47;  Pentam.  nr  38),  und 
es  ist  beachtenswert  dass  der  vorhin  erwähnte  zug  vom  auf- 
suchen des  Schicksals,  um  den  grund  des  beharrlichen  Unglücks 
zu  erfragen,  gerade  aus  dieser  gruppe  stammt,  noch  in  einem 
anderen  punct  verrät  sich  ein  einfluss  dieser  gruppe  auf  die 
andere,  deren  vordere  hallte  der  'Heinrich  von  Schwaben'  bildet, 
während  nämlich  im  deutschen  märchen  bei  Grimm  (KHM  nr  29) 
der  held  in  der  glückshaut  geboren  ist,  völlig  angemessen  dem 
grundgedanken  des  'Heinrich  von  Schwaben',  zieht  er  bei  Wolf 
(DHM  s.  184  0")  vielmehr  aus  'sein  glück  zu  suchen'  und  führt 
bei  Afan.  aao.  geradezu  den  namen  'Unstern',  diese  umkehrung 
ins  gegenteil  kann  kaum  wo  anders  herrühren  als  von  jener  fas- 
sung,  deren  repräsentant  Vuk  13  ist  und  worin  der  vom  unglück 
verfolgte  held  den  grund  davon  beim  Schicksal  selbst  erfragen 
will,  so  wilrkt  also  diese  gruppe,  die  an  sich  gar  keine  be- 
rührung   mit  dem  Ruodliebmärchen ,   auch   in   seiner  russischen 

*  auf  die  vieifactien  besprechungen  dieser  kaisersage,  von  Weber, 
Köhler,  Steindorff,  Wesselowsky,  Heydenreich,  Mafsmann ,  hier  einzugehen 
ist  kein  grund  vorhanden. 

Z.  F.  D.  Ä.  XXIX.    N.  F.  XVil.  31 


454  RLODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

fassuDg,  hat,  durch  die  verwandle  griippe  vom  reichen  Markus 
hindurch  auf  die  Ruodliebmärchen  ein. 

Fragen  wir  nun,  wie  diese  ganze  niärchentamilie  vom  reichen 
Markus  dazu  gekommen  sei,  mit  dem  Ruodliebmärchen  combiniert 
zu  werden ,  so  ist  zunächst  nicht  mehr  zu  erkennen  als  dass  die 
aussendung  des  verfolgten  ins  jenseits,  damit  er  umkomme  und 
die  reiche  braut  nicht  gewinne  (vgl.  namentlich  das  eben  ange- 
führte märchen  bei  Wolf,  sowie  Bartsch,  Meklenburg.  sagen  1, 
497  ff,  Grundtvig,  Folkesevenlvr  i  131  ff  =  s.  95 ff  der  Leoschen 
Übersetzung  und  Schleicher  s.  7  l  ff,  wo  der  eingang  nichts  mehr 
mit  'Heinrich  von  Schwaben'  zu  tun  hat),  die  gröste  ähnlichkeit 
zeigt  mit  den  gefährlichen  Sendungen  in  dem  weiter  oben  heran- 
gezogenen sicilischen  märchen  aus  der  Whittingtongruppe,  zu 
welchem  die  erzählung  bei  Curtze,  Volksüberl.  aus  Waldeck  s.  (33 
in  so  fern  einen  Übergang  bildet,  als  sie  einen  überirdischen  paten 
des  armen  knaben  tälig  in  dessen  geschick  eingreifen  lässt  und 
gleich  der  bekanntesten  fassung  des  Whittingtonmärchens  London 
zum  Schauplätze  hat.  da  wir  aber  wol  die  Übereinstimmungen 
dieses  märchens  mit  den  russischen  Ruodliebversionen  gesehen 
haben,  die  brücke  aber  zwischen  ihm  und  dem  Ruodliebmärchen 
überhaupt  nicht  zu  finden  vermochten,  so  stehen  wir  der  lOsung 
dieser  frage  noch  so  fern  wie  zuvor. 

Da  dringt  denn  ein  lichtstrahl  aus  einer  ganz  abgelegenen 
ecke,  in  Zingerles  Lusernischem  Wörterbuch  findet  sich  s.  66  ff 
ein  märchen,  das  bei  Seiler,  Ruodl.  s.  59  nur  so  weit  angeführt 
ist,  als  es  die  Ruodliebfabel  enthält,  nun  besteht  es  aber  aus 
zwei  teilen,  der  erste  enthält  die  Wanderung  ins  jenseits  ähnlich 
eingekleidet  wie  Gonzenbach  nr  47  und  weiterhin  Vuk  nr  13. 
ein  armer  mann  geht,  den  lieben  herrgolt  selber  aufzusuchen, 
dies  motiv  der  weiten  reise  aber  scheint  den  anlass  geboten  zu 
haben,  als  zweiten  teil  das  Ruodliebmärchen  anzuhängen,  wo  ja 
der  held  aus  weiter  ferne  zunickkehrt,  diese  koppelung  zweier 
ganz  verschiedenen  märchen  nun  muss  den  weg  nach  Russland 
gefunden  haben,  so  wenigstens  erklärt  sich,  warum  die  speci- 
fisch  russischen  Versionen  des  Ruodliebmärchens  die  vorhin  be- 
sprochenen züge  tragen:  die  frage  nachdem  grund  des  Unglücks 
(vgl.  Vuk  13),  den  namen  Unstern,  der  aus  der  Markusgruppe 
stammt,  und  ebenso  das  eingreifen  der  schicksalsmächte;  die  züge 
aber  aus  dem  sicilischen  Josephsmärchen   sind  hereingekommen, 


RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  455 

weil  dies  märchen  ähnlichkeit  mit  dem  von  Markus  hat.  dass 
daneben  auch  das  Ruodliebmärchen  selbständig  autgelasst  und 
fortgepflanzt  ward,  beweist  das  märchen  bei  Erlenwein,  auch  das 
eingangs  erwähnte  litauische  ist  hier  anzuführen,  da  dort  das 
motiv  vom  guten  und  schlechten  weg  ähnlich  behandelt  ist  wie 
im  lusernischen.  dass  aber  dieses  letztere  selbst  nur  bezüglich 
der  characteristischen  koppelung,  nicht  aber  in  bezug  aul  alle 
einzelheiten  den  zustand  widerspiegle,  in  welchem  das  Ruodlieb- 
märchen nach  Russland  kam ,  zeigt  ein  vergleich  seiner  übrigen 
Züge  einerseits  mit  der  Schleicherschen  und  der  Erlenweinschen 
fassung,  andererseits  milder  westlichen  tradition;  denn  der  haupt- 
sache  nach  ist  es  auf  die  achte  stufe  (Anz.  ix  85)  vorgerückt. 

Es  ist  oben  gesagt  worden,  das  märchen  vom  leulel  mit  den 
drei  goldenen  haaren  sei  in  dieser  gestalt  verhältuismäfsig  jung; 
gegenüber  den  norwegischen  und  russischen  parallelen  aber  er- 
scheint es  in  so  fern  ursprünglicher,  als  in  ihm  der  Verfolger 
ein  könig  ist  wie  im  'Heinrich  von  Schwaben':  die  widerholten 
angriffe  auf  das  leben  des  gehassten  kuaben  und  namenthch  die 
art,  wie  er  seinen  mordbefehl  erteilt,  passen  besser  für  einen 
herscher,  der  das  gesetz  nicht  zu  fürchten  hat,  als  für  einen 
blofsen  kaufmann,  sei  er  noch  so  reich,  auch  dass  in  dem  oben 
erwähnten  märchen  aus  Waldeck  der  ins  jenseits  geschickte  bräu- 
tigam  seinem  schwäher  ein  kleines  beer  mitbringt,  deutet  darauf 
dass  dieser  ursprünglich  nicht  kaufmann ,  sondern  künig  war. 
nach  Scandinavien  und  Russland  mag  also  das  märchen  von 
Deutschland  aus  gekommen  sein,  dass  der  reiche  im  russischen 
märchen  den  namen  Marko  führt,  rührt  davon  her,  dass  dies 
der  name  des  reichen  in  der  parabei  vom  armen  Lazarus  ist 
(Afan.  1  und  2,  167,  zu  nr  13)  —  ob  auch  aufserhalb  Russlands, 
vermag  ich  nicht  zu  sagen;  auffällig  ist  jedesfalls  die  endung  o, 
da  die  sonst  übliche  form  für  Markus  im  russischen  Mark  ist. 
von  dem  weg,  den  das  Ruodliebmärchen  nach  Russland  genommen, 
wird  im  folgenden  die  rede  sein. 

Wenn  es  richtig  ist  dass  die  Russen  unser  märchen  nicht 
in  einfacher  gestalt,  sondern  in  Verbindung  mit  der  reise  ins 
jenseits  überkommen  haben,  so  fragt  sich  zunächst,  ob  dieser 
andere  bestandteil  dieselbe  form  gehabt  habe,  wie  im  luserni- 
schen märchen.  da  die  Saratowsche  version  den  zug  bewahrt 
hat,  dass  der  arme  held  zum  könig  geht,  um  den  um  sein  mis- 

31* 


456  RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

geschick  zu  befragen,  und  der  entsprechende  zug  bei  Vuk  nr  13 
in  einer  version  steht,  die  der  lusernischen  und  sicilischen  ver- 
wandt ist,  so  könnte  man  geneigt  sein  die  frage  zu  bejahen,  er- 
wägt man  aber  dass  die  Russen  bei  der  eigentümhehen  Umge- 
staltung, die  sie  vornahmen,  nicht  diese  version  benutzt  haben, 
sondern  die  parallele  vom  teufel  mit  den  drei  haaren  i  so  ist 
doch  wo!  wahrscheinlicher  dass  der  erste  teil  des  märchens  diese 
letztere  fassung  gehabt  habe;  die  Saratowsche  Überlieferung  hätte 
dann  jenen  zug  nachträglich  aus  der  parallelen  gestaltung  her- 
übergenommen, ob  nun  aber  schon  aufserhalb  oder  erst  inner- 
halb Russlands  dem  ersten  teil  das  grundmotiv  beizulegen  ist, 
dass  ein  armer  bewerber  um  eine  reiche  erbin  ins  jenseits  ge- 
schickt wird,  jedesfalls  muste  dies  motiv  eine  änderung  dahin 
erfahren,  dass  die  reiche  erbin  für  ihn  nicht  erst  zu  gewinnen, ^ 
sondern  mit  ihm  verheiratet  war;  denn  der  schluss  des  zweiten 
teils,  die  heimkehrscene  mit  dem  verkannten  söhn  setzt  eine  frau 
voraus,  dadurch  sodann,  dass  die  reise  ins  jenseits  durch  eine 
erfindung  nach  dem  Schema  des  Whittingtonmärchens  ersetzt 
ward,  wo  gleichfalls  ein  lästiger  freier  beseitigt  werden  soll,  ist 
der  unterwellliche  character  der  reise  verwischt,  doch  sehen 
wir  ihn  noch  deutlich  genug  durchblicken  in  der  scene,  wo  der 
russische  Ruodlieb  ins  meer  hinabsteigt  zum  seekönig.  wo  mag 
dieses  eigentümliche  motiv  ursprünglich  zu  hause  sein? 

Dass  ein  fahrzeug,  ein  mensch  plötzlich  in  der  bewegung 
gehemmt,  'gestellt'  wird,  ist  ein  weitverbreiteter  sagenzug;  so 
bannt  ein  Wassermann  einen  menschen ,  der  über  eine  brücke 
will,  in  Veckenstedts  Wend.  sagen  s.  199.  griechische  und  ita- 
lische fassungen  des  märchens  vom  Löweneckerchen,^  wo  ein 
vater  auf  reisen  gehend  die  töchter  fragt,  was  er  mitbringen  soll, 
enthalten  den  zug,  dass  die  jüngste  für  den  fall,    dass  er  ihren 

*  die  nach  dem  'Teufel  mit  den  drei  haaren'  gebauten  märchen  lassen 
zwar  das  par  schon  vor  der  reise  vermählt  sein,  aber  nicht  alle  (s.  Grundt- 
vig,  Minder  1,162);  auch  in  derjenigen  gruppe,  die  den  eingang  ohne  das 
motiv  aus  'Heinrich  von  Schwaben'  erzählt,  sind  die  beiden  erst  brautleute. 

^  in  dem  zur  gleichen  gruppe  gehörigen  märchen  bei  Golshorn  nr42, 
s.  14ü  ist  vielmehr  der  vater  bei  errüliung  des  Versprechens  an  die  stelle 
gebannt  so  lange  bis  er  sein  kind  dem  frosch  verlobt;  die  Situation  ist  also 
dieselbe  wie  in  dem  nachher  zu  erwähnenden  schwedischen  märchen  von 
Messeria  und  scheint  gegenüber  den  griechisch-italischen  fassungen  die  ur- 
sprüngliche bedeutung  des  motivs  anzuzeigen. 


RüODLIEB-iMÄRCHEN  IN  RUSSLAND  457 

auftrag  vergesse,  sein  schiff  verwünscht,  nicht  von  der  stelle  zu 
können  (Hahn  1,  97.  122;  BSchmidt,  Griech,  märchen  nr  10; 
Pentam.  6.  18  ==  Liebr.  1,  82.  243;  wozu  etwa  zu  vgl.  Müllenhoff 
s.  402j.  allein  hier  ist  blofs  vom  anhalten  die  rede,  nicht  vom 
hinuntersteigen.  Wolf,  Beitr.  2,  294  spricht  die  Vermutung  aus, 
Strudel  und  wirbel  bezeichnen  den  eingang  in  die  nixenwohnung. 
damit  vergleiche  man  folgende  angäbe  bei  Bertram,  Sagen  vom 
Ladogasee,  Helsingfors  1872,  s.  4,  aus  welcher  zugleich  hervor- 
geht dass  diese  stellen  die  nämlichen  sind ,  wo  die  schiffe  auf- 
gehalten werden,  der  Wassermann,  heifst  es  da,  wohnt  tief  auf 
dem  gründe  des  sees,  und  über  seinem  hause  sieht  man  an  der 
Oberfläche  des  sees  wirbel  und  Strudel,  gerät  ein  fischer  mit 
seinem  boot  da  hinein,  so  wird  er  immer  im  kreise  herumge- 
dreht und  kommt  nicht  eher  los,  als  bis  er  eine  gäbe  in  den 
see  wirft,  eine  brodrinde  oder  salz  oder  was  er  sonst  gerade  bei 
der  band  hat.  aus  der  Vorstellung  nun,  dass  der  eingang  zum 
nixenhaus  die  schiffe  festhält,  scheint  die  andere  hervorgegangen 
zu  sein,  dass  ein  ankerndes  oder  aufgelaufenes  schiff  diesen  ein- 
gang versperren  könne  (Strackerjan  1,421  §  259  f;  Wolf,  Niederl. 
sagen  s.  610,  nr  511),  und  damit  berührt  sich  die  weitere,  dass 
ein  Schiffer  zufällig  ein  loch  ins  nixenhaus  stöfst  (Norddeutsche 
sagen  s.  173,  nr  197,  2;  Schönwerth  2,  181).  im  riesengebirge 
spielt  eine  sage  von  der  wasserfrau,  die  einen  über  den  see 
rudernden  Jüngling  so  lange  nicht  von  der  stelle  kommen  lässt, 
bis  er  von  hunger  bezwungen  sich  entschliefst,  in  die  tiefe  zu 
springen  und  bei  der  wasserfrau  zu  wohnen  (Grohmann,  Sagen 
aus  Böhmen  1,  147  f).  bei  Müllenhoff  s.  333,  nr  453,  3  taucht 
während  eines  heftigen  sturms  ein  Wassermann  am  Steuer  hervor 
und  droht  das  schiff  zu  versenken,  wenn  nicht  die  frau  des  kapitäns 
mit  ihm  herunterkomme  und  seinem  weih  in  kindsnöten  beistehe, 
die  frau  entschliefst  sich  hinabzusteigen  und  kehrt  nach  einigen 
stunden  reich  beschenkt  zurück,  in  den  schwedischen  märchen 
von  Messeria,  Singorra  usw.  (Cavallius  und  Stephens  nr  14; 
s.  255.  275.  378)  hält  ein  meerweib  das  königliche  schiff  so  lange 
fest,  bis  ihr  das  kind  versprochen  ist,  mit  dem  die  königin  geht 
und  das  sich  später  zu  ihr  auf  den  meeresgrund  begibt,  nachdem 
andere,  untergeschobene  opfer  von  der  empörten  see  wider  aus- 
geworfen worden  sind,  nach  der  Vilcinasaga  schläft  könig  Vil- 
cinus  in  einem  wald  au  der  Ostsee  bei  einer  seefrau ,  die  dann 


458  RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

auf  der  heimlährt  ihm  nochmals  erscheint,  indem  sie  das  schiff 
am  Steuer  festhält  und  erst  wider  loslässl,  als  der  könig  sie  in 
seine  heimat  bescheidet;  das  weitere  geht  uns  hier  nichts  an. 
Vilciuus  ist  ein  slavischer  held;  aber  diese  sage  werden  wir  für 
eine  germanische  halten  dürfen,  denn  die  absieht  der  ganzen  er- 
zählung  ist  nur,  einem  nordischen  riesen-  und  heldengeschlecht 
einen  ahnherrn  von  gefürchletem  namen  zu  verschaffen  (Zs. 
12,  342).  ein  Übergang  deutscher  sage  nach  Russland  ist  auch 
sonst  bezeugt  (Zs.  12,  344  f);  doch  bei  der  nahen  Verwandtschaft 
beider  Völker  lässt  sich  ebenso  wol  an  gemeinsames  altes  erbgut 
denken:  die  vorhin  erwähnte  sage  vom  Ladogasee  beruht  schwer- 
lich auf  entlehnung,  und  ebenso  beispielsweise  eine  andere  (Ber- 
tram s.  3),  wo  durch  einen  beilhieb  in  eine  gewaltige  woge  der 
Wassergeist  verwundet  wird,  ähnlich  wie  dies  nach  Müllenhoff 
s.  224  f  (Vgl.  Grässe,  Preufs.  sagen  2,  1075ff;  Pröhle,  DS-  nr  89 
mit  d.  anm.),  Strackerjan  1,  325  (vgl.  meine  Nebelsagen  s.  281) 
in  deutscher  sage  geschieht,  und  Afan.  8,  397  führt  zu  unserem 
märchenzug  nicht  blofs  ein  russisches  Volkslied  vom  kaufmann 
S.'idko  an ,  sondern  auch  ein  schwedisches  'herr  Feder',  der  Voll- 
ständigkeit halber  erinnere  ich  noch  (aus  Plinius,  bei  Lenz,  Zool. 
d.  alten  s.  518,  vgl.  501)  an  die  sage,  wonach  ein  schiff,  das  den 
kaiser  trägt,  plötzlich  stille  steht,  die  schiffer  aber  beim  tauchen 
den  kleinen  fisch  Echeneis  am  Steuer  festgesaugt  finden,  wiewol 
die  fabel  vom  schiffhalter  durchs  mittelalter  fortgepflanzt  ward 
(KvMegenberg  s.  251  f,  vgl.  Gesta  Roman,  ed.  Oesterley  ur  264), 
so  dürfen  wir  ihr  doch  schwerlich  einen  einfluss  auf  die  nor- 
dische Volksüberlieferung  zuschreiben,  denn  Olaus  Magnus  791  fl 
erwähnt  sie  zwar,  aber  nur  aus  römischen  quellen. 

Alles  in  allem  macht  die  taucherscene  eher  den  eindruck 
eines  nordischen  sagenmotivs  als  eines  südlichen,  um  so  auf- 
fälliger ist  ihre  einschallung  in  den  gang  des  Whittington- 
märchens;  denn  dies  liegt  in  südeuropäischer  iässung  zu  gründe, 
wie  wir  oben  gesehen  haben ,  und  ein  weiterer  beleg  dafür  ist 
dieser,  ein  griechisches  märchen  bei  Hahn  1,  240  (nr  38)  er- 
zählt, wie  einer  mit  einer  ladung  Schilfmatten  nach  Ägypten  lährt, 
wo  doch  diese  wäre  heimisch  und  wolfeil  ist,  und  dennoch  mit 
schätzen  beladen  nach  hause  kommt  —  also  eine  gerade  um- 
kehrung des  Wbiltingtonmotives  von  der  fahrt  in  das  land,  wo 
man  die  mitgeführte  fracht  vielmehr  nicht  kennt,    die  geschichte 


RUODLlEB-xMÄRCHEN  IN  RUSSLAND  459 

ist  in  kurzem  folgende,  ein  mann  widerholt  beständig:  ich  habe 
grütz  im  kopt,  aber  kein  geld  im  sack,  ein  Jude  hürt  das  und 
schiefst  ihm  geld  vor,  damit  er  seine  grütze  bewähren  könne, 
der  mann  kauft  Schilfmatten  und  fährt  nach  Ägypten,  thürmt  sie 
auf  dem  Strand  auf  und  verbrennt  sie  zu  asche.  da  kommen 
aus  dem  meere  d\e  yüid'/.oya,^  fressen  von  der  asche  und  speien 
dafür  edelsteine  aus,  die  der  mann  sammelt,  als  rückfracht  lässt 
er  sich  backsteine  anfertigen;  die  eine  hälfte,  in  der  er  die  edel- 
steine verborgen  hat,  legt  er  zu  unterst  in  den  räum,  die  andere 
oben  darauf,  unterwegs  entsteht  ein  stürm ,  und  der  mann  wird 
von  den  mitreisenden  gezwungen,  die  hälfte  seiner  fracht  dem 
meere  zu  opfern,  das  schiff  besteht  nun  den  stürm,  und  wie  sie 
glücklich  zu  lande  kommen ,  verlangt  er  entschädigung  lür  seine 
steine,  vor  dem  richter  weist  er  den  kostbaren  inhalt  der  back- 
steine vor,  und  da  die  anderen  nicht  im  stände  sind,  nur  für 
den  zehnten  teil  der  ins  meer  geworfenen  steine  mit  ihrem  ver- 
mögen aufzukommen,  so  werden  sie  obendrein  dem  mann  als 
Sklaven  zugesprochen,  der  Jude  bekommt  nur  das  vorgestreckte 
geld,  keinen  gewinnanteil.  unverkennbar  ist  hier  die  ähnlichkeit 
mit  dem  Saratowschen  Ruodliebmärchen,  wo  der  held  klagt,  dass 
er  verstand,  aber  kein  geld  habe,  dieses  geborgt  erhält,  die  kost- 
baren edelsteine  durch  anzünden  eines  grofsen  feuers  gewinnt, 
worin  der  zwöUköpfige  drache  umkommt  (diese  Wendung  scheint 
echter  als  das  aschefressen  der  xihäkoya) ,  mit  dem  ungeheuren 
erlös  zurückfährt  und  seinem  gläubiger  das  darlehen  widererstattet, 
aber  auch  die  anderen  verwandten  russischen  fassungen  haben 
hier  ihr  prototyp.  man  beachte,  wie  mitten  auf  der  see  das  schilf 
gefährdet,  aber  durch  ein  opfer  gerettet  wird,  wie  sich  um  die 
habe  des  klugen  mannes  ein  rechtsstreit  entspinnt  und  ihm  das 
vermögen  und  die  personen  der  anderen  zugesprochen  werden, 
und  nehme  noch  hinzu,  was  vorhin  bei  der  Inhaltsangabe  über- 
gangen worden  ist,  dass  die  kaufleute  anfänglich  spöttisch  auf 
die  scheinbar  wertlose  fracht  ihres  gefährten  heruntersehen ,  und 
man  wird  zugeben  dass  hier  das  urbild  vorliege  iür  die  reichen 
oheime  des  Hans  Unstern,  die  bei  der  gefährdung  der  flotte  ihren 
neffen  veranlassen ,  selbst  als  opfer  in  die  see  zu  springen ,  die 

'  Hahn  übersetzt,  ohne  eine  gewähr  übernehmen  zu  wollen,  mit  'see- 
pferd',  womit  er  sicherlich  nicht  den  oben  in  der  anm.  zu  gorbylj  er- 
wähnten fisch  meint. 


460  RÜODLIEB -MÄRCHEN  IN  RÜSSLAND 

ihn  dann  verlachen,  als  er  die  trage  aulwirtt,  ob  er  oder  sie 
reicher  seien,  mit  ihm  vor  den  richter  gehen  und,  als  sich  her- 
ausstellt dass  der  neffe  die  kostbaren  edelsteine  besitzt,  diesem 
all  ihre  schiffe  abtreten  müssen,  zugleich  erkennt  man  die  stelle, 
wo  das  taucherabenteuer  angefügt  ward:  das  opfer  der  halben 
ladung  wird  umgewandelt  in  ein  menscheuopler,  und  da  sich  an 
das  hinabspringen  ins  meer  die  erwerbung  der  schätze  knüpfen 
liefs,  so  fiel  die  blofs  in  der  Saratowschen  version  erhaltene 
Wendung  weg,  wonach  es  schlangensteine  waren,  ja,  noch  mehr: 
die  in  ziegel  gebackenen  kostbarkeiten  scheinen  die  Verschmelzung 
des  umgekehrten  Whittingtonmärchens  mit  dem  von  Ruodlieb  be- 
günstigt zu  haben;  sie  gemahnen  an  den  in  ein  brod  gebackenen 
lohn,  der  in  letzterem  märchen  eine  rolle  spielt,  dass  aber  nicht 
blofs  in  Russland  diese  Verschmelzung  bekannt  war,  dafür  findet 
sich  eine  spur  in  dem  siebenbürgischen  Ruodliebmärchen  bei 
Haltrich  nr  47  (2  aufl.  nr  48),  und  dieses  gewinnt  hierdurch  be- 
sondere Wichtigkeit,  obgleich  es  nur  die  heimkehrscene  bewahrt 
hat.  ein  kluger,  aber  armer  mann  zieht  in  die  fremde,  um  geld 
zu  verdienen  und  damit  auch  seinem  verstände  zur  geltung  zu 
verhelfen,  er  dient  zwanzig  jähre  bei  einem  herrn,  der  ihm 
seinen  reichen  lohn  in  ein  ziegenfell  nähen  lässt  und  ihm  den 
rat  gibt:  wenn  du  heimkommst,  lass  dreimal  deinen  zorn  ab- 
kühlen, ehe  du  etwas  tust,  dreimal  hat  er  schon  die  band  er- 
hoben, um  sein  vermeintlich  treuloses  weih  zu  töten,  bezwingt 
sich  aber  immer  wider  und  erlährt  schliefsiich  den  Sachverhalt 
(dieses  dreimal  ist  eine  ganz  verblasste  erinnerung  an  die  alte 
dreizahl  der  lehren),  als  reicher  mann  nun  macht  er  die  er- 
fahrung  dass  er  seinen  mitbürgern  die  tollsten  dinge  aufbinden 
darf,  während  er  zuvor  niemals  gehör  für  seinen  verständigen  rat 
fand,  dieser  allen  anderen  fassungen  unseres  märchens  tremde 
zug,  den  die  überschritt  bei  Haltrich  so  ausdrückt  'armul  ist 
nichts,  reichtum  ist  verstand'  kann  doch  wol  nichts  anderes  sein 
als  eine  reminiscenz  an  die  klage  des  Saratowschen  'Ruodlieb', 
dass  er  zwar  verstand,  aber  kein  geld  habe,  und  stammt  mit 
dieser  aus  dem  eben  besprochenen  griechischen  märchen. 

Die  berechtigung,  dieses  letztere  zu  der  Whittingtongruppe 
zu  ziehen,  mag  auf  den  ersten  blick  zweifelhaft  erscheinen,  da 
sie  sich  nur  auf  den  umstand  stützt,  dass  die  reise  in  das  land, 
wo  die  matten  im  überlluss  vorhanden  sind ,  sich  als  umkehrung 


RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  461 

des  Whiltingtonmotivs  darstellt  von  dem  land  ohne  katzen,  und 
dass  sowol  über  die  katze  als  über  die  matten  gespöttelt  wird, 
weil  sie  wertlose  waren  seien,  allein  wenn  wir  weiter  oben 
die  scenenl'olge  des  sicilischen  Whittingtonmärchens  in  den  rus- 
sischen Ruodliebmärchen  widergetunden  haben  und  nun  diese 
letzteren ,  nach  ihrer  Saratowschen  w  ie  nach  den  um  Moskau  hei- 
mischen Fassungen ,  als  nachbildungen  des  griechischen  märchens 
erkennen,  so  gelangen  wir  aut  dem  weg  der  gleichuug  dazu,  das 
griechische  ebenfalls  lür  ein  Whittingtonmärchen,  wenn  auch 
für  ein  umgekehrtes,  anzusprechen,  dazu  kommt  noch  dass,  wie 
schon  früher  erwähnt,  das  russische  Whittingtonmärchen  (die 
'drei  kopeken')  von  einem  stürm  berichtet,  der  nur  dadurch  be- 
schwichtigt wird ,  dass  unrecht  angemafstes  gut  dem  eigenlümer 
wider  zugewandt,  ja  in  der  nahestehenden  erzählung  'kreuz  als 
pfand',  die  wir  damals  verglichen  haben,  geradezu  ins  meer  ge- 
worfen wird  —  ein  zug,  der  bedeutsam  genug  an  das  opfer 
der  halben  fracht  an  das  aufgeregte  meer  in  dem  griechischen 
'umgekehrten'  Whittingtonmärchen  gemahnt,  erinnern  wir  uns 
aufserdem  dass  die  Erlenweinsche  Ruodliebfassung,  die  doch  im 
übrigen  mit  den  westeuropäischen  Versionen  geht,  einen  zug  aus 
den  'drei  kopeken'  zu  bewahren  scheint,  so  werden  wir  auch  von 
dieser  seite  zu  der  annähme  gedrängt,  die  in  Russland  bekannt 
gewordene  Ruodlieberzählung,  welche  wir  uns  nach  art  der 
lusernischen  zusammengesetzt  denken  müssen,  habe  in  ihrer  ersten 
hälfte  eine  gestalt  gehabt  oder  wenigstens  auf  russischem  boden 
gewonnen ,  die  es  ermöglichte ,  in  weiterer  Umbildung  sowol  züge 
aus  dem  Whittingtonmärchen  als  aus  dessen  griechischer  'um- 
kehrung' heranzuziehen,  ein  einziger  glücklicher  fund  (und  viel- 
leicht ist  er  sogar  in  Afanasiew  zu  machen,  den  ich  noch  lange 
nicht  völlig  durchgemustert  habe)  lehrt  uns  wol  einmal  eine 
Zwischenstufe  kennen ,  welche  die  heute  so  wunderlich  verfitzten 
fäden  nach  herkunft  und  verlauf  deutlicher  zu  überschauen  ver- 
stattet, einstweilen  müssen  wir  uns  mit  der  erkenntnis  begnügen, 
dass  die  russischen  umbildner,  welche  aus  den  zwei  lose  zusammen- 
hängenden hälften  der  lusernischen  version  ein  neues  ganze  zu 
schaffen  unternahmen,  von  ähnlichkeit  zu  ähnlichkeiten  weiter- 
gleitend bei  dem  'umgekehrten'  Whittingtonmärchen  halt  machten 
und  von  hier  die  hauptsächlichsten  bausteine  für  die  heutige  ge- 
stalt des  russischen  'Ruodlieb'  entlehnten. 


462  RÜODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

Das  unterseeische  abenteuer  enthält  übrigens  einen  zug,  der 
damit  noch  nicht  erklärt  ist:  die  schiedsrichterrolle  in  dem  streit 
um  den  wert  der  metalle.  vielleicht  handelt  es  sich  ledighch 
um  einen  reflex  des  Streites  um  den  wert  der  Schiffsladungen, 
der  sich  nachher  zwischen  dem  nelTen  und  seinen  oheimen  ent- 
spinnt: dass  er  schätze  aus  der  tiefe  mitbrachte,  muste  doch 
motiviert  werden,  und  als  lohn  für  hebammendienste,  wie  in  der 
oben  aus  Müllenhotf  angeführten  sage,  waren  sie  nicht  darzu- 
stellen, dabei  ist  jedoch  folgendes  zu  beachten,  oben  haben 
wir  die  Verwandtschaft  hervorgehoben ,  welche  zwischen  dem  ein- 
gang  des  märchens  von  Messeria  und  unserer  taucherscene  be- 
steht, in  der  dänischen  lässung  dieses  märchens  nun  (Grundtvig, 
Folkeseventyr  n  81  =  s.  106  der  Strodtmannschen  Übersetzung) 
ist  der  zug  bewahrt,  dass  das  hinabgestiegene  menschenkind  sein 
leben  durch  'drei  Wahrheiten'  lösen  muss  —  ein  im  norden  sehr 
beliebtes  motiv,  wie  man  aus  Gering,  Islendzk  tevenlyri  2,  iSOff 
ersieht,  und  namentlich  die  nr  6  bei  Gering  enthält  Wahrheiten, 
deren  formulierung  mit  der  unserer  Schiedssprüche  genau  stimmt, 
eine  gewisse  ähnlichkeit  zeigt  auch  das  märcheu  vom  erbsentinder 
bei  Haltrich  nr  32  (2  aufl.  33),  bei  Mite  Kremnitz,  Rumänische 
märcheu  s.  196  (nr  16)  und  bei  Hahn  nr  17  (1,  148;  2,  210). 
da  gewinnt  einer,  der  auszog  'sein  glück  zu  suchen',  schätze  da- 
durch, dass  er  die  von  einem  unhold  ihm  vorgelegten  rätselfragen 
löst;  die  scene  gemahnt  an  Vafthrudnismal.  die  einkleidung  sieht 
widerum  aus,  wenigstens  bei  Hahn  und  Kremnitz,  wie  ein  ableger 
aus  Whittington:  denn  die  wäre,  zu  deren  Verfrachtung  eine 
ganze  flotte  aufgeboten  wird ,  ist  nicht  blofs  wertlos  wie  die  katze 
und  die  schilimatten,  sondern  noch  gar  nicht  vorhanden,  da  der 
erbsenfinder,  allzu  phantasievoll  gleich  der  frau  mit  dem  milch- 
topf, vergisst  dass  er  immer  noch  die  eine  erbse  in  der  tasche 
hat,  die  daraus  berechneten  ernten  aber  vorläufig  nirgends  als 
in  seinem  köpf  existieren,  nachdem  er  jedoch  die  schätze  er- 
worben, kriegt  er  doch  noch  seine  königstochter.  auch  an 
märchensituationen  wie  sie  in  der  Aslauggruppe  vorkommen 
(Zingerle,  Märchen  1",  nr27;  Colshorn  nr  26),  lässt  sich  erinnern. 
die  reiche  entwickelung  derartiger  motive  in  der  germanischen 
dichtung  hat  Uhiand  im  dritten  abschnitt  seiner  abhandlung  zu 
den  Volksliedern  gewiesen. 

Wir  finden  das  Erlenweinsche  märchen  in  derselben  gegend, 


RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  463 

um  Moskau,  wo  auch  die  anderen  Versionen  zu  hause  sind,  da 
die  letzteren  auf  eine  überheferung  zurUckdeuten ,  welche  dem 
Ruodliebmärchen  ein  anderes  vorangestellt  hatte,  ähnhch  wie  die 
lusernische,  so  könnte  die  Erlenweinsche  fassung  einfach  die  ab- 
gefallene zweite  hallte  sein,  und  die  speciösch  russischen  tbrmeu 
wären  erst  da  entstanden,  wo  wir  sie  noch  heute  antreffen, 
ebenso  gut  ist  aber  auch  eine  mehrfache  einwanderung,  von  ver- 
schiedenen Seiten  her,  vorzustellen,  im  einen  wie  im  anderen 
tialle  weist  aber  die  eigentümlich  russische  zu-  und  Umbildung 
mit  ihrem  maritimen  character  auf  demente  hin,  welche  über 
meer  gekommen  sein  müssen  —  es  fragt  sich  nur:  über  das 
schwarze,  oder  über  die  ostsee.  so  deutlich  nun  die  Verwandt- 
schaft mit  dem  sicilischen  Whittingtonmärchen  und  mit  dem  'um- 
gekehrten' griechischen  nach  Süden  zu  deuten  scheint,  so  führt 
doch  das  motiv  mit  dem  angehaltenen  schiif  und  was  sich  daran 
knüpft,  nach  norden,  da  ist  denn  sehr  beachtenswert  dass  eine 
norwegische  Whittingtonversiou  (Asbjörnsen  und  Moe  nr  59, 
3  aufl.  s.  306)  genau  wie  die  russische  den  seesturm  kennt,  der 
erst  dann  nachlässt,  als  der  kaufmann  gelobt,  den  vollen  erlös 
aus  der  katze  dem  eigentümer  derselben  zuzustellen;  und  wenn 
wir  oben  in  diesem  zug  einen  beweis  der  Verwandtschaft  zwischen 
dem  griechischen  'umgekehrten  Whittington'  und  dem  sicilischen 
'Whittington' erkannt  haben,  so  trifft  derselbe  auch  für  den  nor- 
wegischen zu.  ferner:  der  russische  'Ruodlieb'  verrät  durch 
seinen  namen  'Unstern',  dass  er  auf  dem  wege  zu  seiner  heutigen 
geslalt  den  durchgang  genommen  hat  durch  das  märchen  vom 
reichen  Markus  und  vom  armen  Unstern ,  und  aus  der  hier  sich 
findenden  fahrt  ins  jenseits  stammt  auch  seine  gefahrvolle  reise, 
wenn  nun  diese  reise  in  einzelneu  Versionen,  wie  wir  früher 
gesehen ,  durch  die  aus  dem  Gang  nach  dem  eisenhammer  be- 
kannte todessendung  ersetzt  ist,  so  kommen  beide  motive  ver- 
knüpft vor  auf  dänischem  boden:  bei  Grundtvig,  Minder  1,  170 
redet  der  reiche  Verfolger  mit  einem  klog  mand  ab,  er  solle  den 
boten  totschlagen,  der  mit  einer  bestimmten  frage  zu  ihm  komme, 
die  reiseabenteuer  aber  sind  ganz  die  aus  der  reise  ins  jenseits, 
drittens :  die  Verknüpfung  des  Ruodliebmärchens  mit  dieser  reise 
kennen  wir  bis  jetzt  nur  aus  der  lusernischen  fassung.  sie  muss 
sich  aber  auch  im  norden  gefunden  haben,  bei  Grundtvig,  Fol- 
keaevenlyr  i  39  (s.  20  der  Leoschen  Übersetzung)  wird   die  reise 


464  RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND 

auf  anstiften  des  neidischen  ritters  Rot  unternommen;  es  würde 
uns  viel  zu  weit  tüliren,  wenn  wir  diesen,  namentlich  in  Scan- 
diuavien  begegnenden  zug  durch  zahlreiche  andere  niärcheu  hin 
verfolgen  wollten ,  und  nur  das  sei  hervorgehoben ,  dass  der  nei- 
dische rote  abermals  an  Fridolin  gemahnt,  worauf  es  uns  hier 
ankommt  ist  etwas  anderes:  unterwegs  begegnet  der  höllenreisende 
einem  hilfreichen  raben,  der  ihm  zum  abschied  noch  den  rat  gibt 
'nie  von  der  geraden  strafse  abzuweichen.'  die  befolgung  dieser 
bekannten  Ruodlieblehre  ist  in  den  weiteren  verlauf  des  märchens 
so  äufserlich  verflochten,  dass  der  auffällige  zug  kaum  etwas 
anderes  sein  kann  als  ein  stehen  gebliebener  rest  aus  einer  älteren 
bearbeilung,  worin  derselbe  seinen  guten  sinn  hatte,  also  wahr- 
scheinlich aus  einer  der  lusernischen  verwandten  fassung.  aucii 
in  der  Hakonsage  ist  das  Ruodliebmärchen  mit  dem  von  Fridolin 
verschmolzen ;  über  die  herkunft  des  darin  auftretenden  'roten' 
sehe  man  Anz.  ix  87,  und  danach  ist  zu  bemessen ,  in  wie  fern 
der  erwähnte  ritter  'Rot'  des  dänischen  märchens  eine  Fridoliu- 
figur  heifseu  kann:  ursprünglich  gehört  er  vielmehr  der  Ruod- 
liebfabel  an.  das  dänische  märchen  weist  also  mit  jener  lehre 
und  mit  der  figur  des  roten  auf  Ruodlieb  als  zweiten  teil  hin, 
die  Hakonsage  auf  einen  ersten  teil ,  der  das  Fridolinmotiv  ent- 
hielt, dessen  Zusammenhang  mit  der  reise  ins  jenseits  wir  kennen: 
beide,  das  dänische  märchen  und  die  Hakonsage,  dürften  wol 
niederschlage  aus  einer  älteren  zweiteiligen  fassung  sein,  jenes 
hält  sich  an  den  ersten  unter  benutzung  einzelner  züge  aus  dem 
zweiten,  bei  dieser  ist  es  umgekehrt. 

In  der  Hakonsage  weht  dieselbe  seeluft  wie  in  den  russi- 
schen Ruodliebmärchen,  und  wenn  Hakon  seinen  lohn  in  zwei 
schiffen  nach  hause  fährt  statt  eingebacken  in  brotlaiben,  so 
steht  diese  abweichung  von  dem  alten  Ruodliebmotiv  der  russi- 
schen fassung  ebenso  nahe,  wie  seine  kenntnis  edler  steine  an 
die  bedeutung  der  edelsteine  in  den  russischen  Versionen  erinnert, 
dass  er  Viglüss  heifst  statt  Unstern  oder  dgl.,  gehört  zu  seinem 
lieldencoslüni,  und  dieses  mag  manchen  zug  der  volksmäfsigen 
Überlieferung  zugedeckt  haben,  au  dem  lehrencatalog  im  Ruodlieb 
haben  wir  ein  beispiel,  wie  verschiedene  Spielarten  einer  und 
derselben  geschichte  von  einem  mittelalterlichen  dichter  bei  seiner 
neubearbeitung  in  erwägung  gezogen  wurden  (Anz.  ix88),  und 
so  mag  auch  die  Hakonsage  durch  Verschmelzung  mehrerer  Ver- 
sionen entstanden  sein:  mindestens  zwei  muss  der  dichter  ge- 
kannt haben,  wie  schon  Anz.  ix  87  ausgesprochen  ist,  darunter 
eine,  die  dem  Ruodliebgedicht  nahe  stand,  sollte  in  dieser  auch 
der  'hund  des  Aubry'  vorgekommen  sein ,  den  ich  Zs.  29,  7  für 
das  Ruodliebgedicht  wahrscheinlich  zu  macheu  suchte,  so  liefse 
sich  daraus  ein  bisher  nicht  besprochener  zug  der  russischen 
fassungen  erklären,  die  frau  des  'Unstern'  nämlich  lässt  sich 
durch    ihren    mann    seide   aus    der   Stadt  holen    und    schickt  ihn 


RUODLIEB- MÄRCHEN  IN  RUSSLAND  465 

mit  kunstvollen  handarbeiten  daliiii ,  um  sie  zu  verkaufen,  da  sie 
eine  verstofsene  königstochter  ist,  so  liefse  sich  denken,  dieser 
zug  aus  'Bertha  die  Spinnerin' (Simrocks  gleichnamige  schritt  s.  146 
oben;  Mafsmann,  Ivch.3,976  anm.  3)  sei  durch  die  allgemeine  ähn- 
lichkeit  der  Situation  hereingekommen,  er  findet  sich  aber  auch 
in  der  'königin  von  Frankreich'  (Mafsmann  3,  907),  und  hier  in 
Verbindung  mit  dem  'hunde  des  Aubry'.  zu  irgendwie  sicheren 
Schlüssen  berechtigt  das  freilich  noch  nicht,  aber  zu  weiterer 
nachforschung  kann  es  einen  fingerzeig  geben ;  und  unter  diesem 
gesichtspunct  sei  noch  etwas  anderes  angeführt:  wie  'Unstern' 
statt  des  erlöses  aus  den  Stickereien  blofs  lehren  nach  hause 
bringt,  so  heifst  es  in  der  einleitung  einer  anzahl  von  märchen, 
die  teilweise  zur  Aladingruppe  gehören  (Erlenwein  nr  20;  Hahn 
nr9;  Haltrich-  nr  21  =  1  aufl.  nr  20),  dass  ein  knabe  statt  des 
geldes  für  das  gespinst  seiner  mutter  tiere  nach  hause  bringt, 
meistens  eine  schlänge,  die  er  vom  tode  gerettet  hat  in  ähnlicher 
weise  wie  das  im  märchen  von  der  tiersprache  (Orient  und  occi- 
dent  2,  164)  vorkommt,  die  hier  sich  eröffnenden  bezüge  zu 
verfolgen,  müssen  wir  uns  für  jetzt  versagen. 

Untersuchungen  wie  die  vorstehende  sind  ungemein  erschwert 
durch  den  umstand,  dass  das  weitschichtige  malerial  dem  einzelnen 
vielfach  unzugänglich  bleibt,  vielleicht  kann  jemand,  dessen  hilfs- 
mittel ihm  bessere  einsieht  in  die  Verzweigung  des  Whittington- 
märchens  verstatten,  als  ich  sie  habe,  eine  auskunft  geben,  die 
uns  ermöglicht,  den  beweis  zu  vollenden,  dass  sämmtliche  de- 
mente des  russischen  'Ruodlieb'  von  den  Ostseeländern  her  ein- 
gewandert seien.  1  an  ein  umfassendes  corpus  von  märchen- 
überlieferungen  ist  ja  noch  lange  nicht  zu  denken,  und  so  lange 
die  ansieht  herscht,  dass  die  abendländischen  märchen  insgesammt, 
wie  das  vorliegende,  ziemlich  jungen  Ursprungs  seien,  wird  das 
bedürfnis  einer  solchen  Sammlung  schwerlich  anerkannt  werden, 
allein  die  anzeichen  mehren  sich  dass  wir  in  einem  grofsen  teil 
dieser  erzählungen  Zeugnisse  aus  den  allerältesten  zeiten,  denk- 
mäler  der  anfange  der  erzählungskunst  zu  sehen  haben,  und  wenn 
einmal  diese  Überzeugung  durchgedrungen  ist,  wird  sich  wol 
auch  eine  gelehrte  körperschaft  finden,  die  sich  um  den  welt- 
märchenschalz  annimmt. 

'  nach  abscliluss  des  ms.  bin  icti  übrigens  wider  einiger  mafsen  zweifel- 
liaft  geworden,  ob  nicht  doch  die  einwanderung  von  süden  her  wahrschein- 
licher sei.  denn  ich  sliefs  inzwischen  auf  eine  neugriechische  fassung  des 
Messeriamärchens  (Hahn  nr  54) ,  welche  den  wichtigen  zug  vom  angehal- 
tenen schiff  gleichfalls  enthält. 

München,  märz  1885.  LUDWIG  LAISTNER. 


466        ZUM  PROLOG  VON  HARTMANNS  GREGORIÜS 


ZUM  PROLOG  VON  HARTMANNS  GREGORIÜS. 

Nur  in  einer  jungen  liandschritt  vollständig  und  stückweise 
in  einer  anderen  überliefert  bieten  die  ersten  170  verse  des  Gre- 
gorius  manche  Schwierigkeiten,  von  denen  ich  die  in  den  vv. 
76 — 80  enthaltene  nicht  zu  lösen  weifs.  andere  stellen  hoffe  ich 
im  folgenden  zu  berichtigen. 

V.  29  liest  Paul  nach  G  loeren  dne  Sünden  sJac,  I  hat  werden 
der  Sünden  slac.  m  der  ersteren  lesart  bedeutet  weren  natürlich 
'währen,  dauern';  dann  ist  nicht  ausgedrückt  dass  das  'ohne  sünde 
verharren'  etwas  treiwilliges  ist,  dass  es  eine  grofsartige  leistung 
ist,  welche  allerdings  durch  den  lohn  des  ewigen  lebens  an  grüfse 
noch  überboten  wird,  diesen  begriff  erhalten  wir,  wenn  wir  aus  1 
autnehmen  den  anstatt  äne  und  werri  als  'abwehren'  auffassen:  die 
leistung  der  seele,  die  das  unheil  der  sünde  abwehrt,  erreicht,  auch 
wenn  sie  damit  seit  der  gehurt  des  ersten  gebornen  begonnen  hätte, 
nocli  nicht  die  höhe  des  himmlischen  lohnes.  noch  besser  wird 
der  sinn,  wenn  wir  das  werden  von  I  in  loeiiden  verändern:  dies 
hiefse  nicht  nur  'abwehren',  sondern  auch  'rückgängig  machen', 
und  darum,  um  die  bufse  handelt  es  sich,  übrigens  ist  v.  27 
von  Bech  unrichtig  erklärt:  'stammte  er  von  Adam  her  gleich 
Abel  dh.  gehörte  er  zu  denen,  die  so  rein  und  heilig  sind  wie 
Abel.'  hier  ist  ja  im  gegensatz  zur  kurzen  bufse,  welche  ein 
leichtsinniger  Sünder  in  aussieht  nimmt,  eine  unendlich  lange 
gemeint,  Abels  tod  wird  als  eines  der  frühesten  ereignisse  auch 
von  Wolfram  erwähnt:  Wh.  51,30  sit  Abel  starp  durch  brnoders 
nit.  noch  besser  passen  zu  unserer  stelle  altfranz.  parallelen: 
Chev.  au  lyon  IS  14  le  plus  bei  qui  onques  fust  del  ling  Abel,  und 
Montaiglon,  Rec.  de  fahl.  4  p.  136  des  lo  tens  Abel. 

34  niemer  nie:  wegen  der  parallelstelle  aus  dem  A.  H.  114811 
um  daz  ewige  leben  daz  dd  niemer  zergdt  würde  auch  hier  wol 
nie  zu  streichen  sein,  zumal  der  sinn  von  niemer  me  'niemals 
wider'  den  gedanken  erwecken  könnte,  als  ob  das  ewige  leben 
als  ein  schon  einmal  vergangenes  bezeichnet  werden  sollte. 

41  Paul  liest  müezikeit  nach  I  missikait;  G  hat  mälkhait. 
ersteres  scheint  allgemein  verständlicher,  was  ja  aber  gerade  gegen 
eine  Variante  spricht;  es  ist  aher  nicht  ganz  zutreffend:  nicht 
die  unbenutzte,  sondern  die  schlecht  benutzte,  dh.  hier  die  zu 
weltlicher  dicbtung  verwendete  zeit  will  der  dichter  büfsen.  dazu 
passt  mMe?«'c/«e?Y ,  was  nicht  als  'beschwerde,  anstrengung,  plage' 
aufzufassen  ist,  sondern  als  'mutwille,  Übermut':  in  diesem  sinne, 
synonym  mit  tump,  ungewizzen,  frevel,  geil  kommt  müelich  oft 
vor:  s.  Lexer.  allerdings  ist  das  subst.  müelicheit  sonst  nicht 
belegt;  aber  Hartmann  gestattet  sich  auch  das  arcal  eiqiq^Uvov 
lügeiicheit :  B.  1,282. 

50   l  hat   Vnd  si  die  nit  wider  niuwent.    anstatt  si  die  liest 


ZUiM  PROLOG  VON  HARTMANNS  GREGORIÜS        467 

Paul  sich,  indem  er  zugleich,  und  gewis  mit  recht,  den  sing, 
des  verbs  hier  und  in  der  anderen  reimzeile  einsetzt,  allein  sich 
ninwen  ist  erst  aus  späteren  quellen  belegt;  häufig  und  alt  ist 
dagegen  ein  dinc  ninwen.  streichen  wir  daher  die:  'wenn  ihn 
seine  missetat  reut  und  (er)  sie  nicht  erneut.'  dass  ein  casus- 
wechsel  des  pronomens  in  verbundenen  nebensätzen  nicht  an- 
gedeutet wird,  begegnet  auch  A.  H.  808  ff. 

84  1.  Er  enist  mit  I;  G  hat  der  enhat;  aber  ich  hdn  heiz 
oder  kalt  heifst  in  der  regel  'mir  ist  heils  oder  ich  triere';  vgl. 
j'ai  chand,  j'ai  froid  und  s.  die  von  Bech  verglichenen  stellen. 
noch  gewöhnlicher  wäre  da  enist:  vgl.  Erec  1926  da  wart  niht 
kalt  noch  heiz;  und  der  vers  783  des  A.  H.,  den  Bech  anzieht, 
stimmte  völlig. 

108  das  nur  in  I  überlieferte  sigelös  im  reim  aut  gröz  er- 
gibt eine  bei  Hartmann  unerhörte  reimungenauigkeit.  auch  der 
ausdruck  ist  ungenau,  da  ein  kampt  nicht  vorhergegangen  ist.  beide 
anstöfse  vermeidet  man,  wenn  das  durchaus  zutreffende  wort  bloz 
für  sigelös  eingesetzt  wird. 

120  setzt  Paul  xvider  ein,  überflüssig  und  kakophonisch  neben 
nider.  es  ist  anstatt  doch  zu  schreiben  noch  'noch  jetzt',  wie 
1673  noch  bekere  dinen  muot. 

I22].wandaz  der  gedinge  in  machte  (l  machet  jnn)  also  ringe. 

128  süberten  mit  A  ist  die  alte  form  (I  sühertent):  s.  die 
beispiele  bei   Lexer. 

Zu  132  vgl.  Beda  zu  Lucas  10,  34  alligat  (dominus)  vulnera 
dum  praecipit  Poenitentiam  agile:  infundit  oleum  dum  addit  Ad- 
propinquavit  enim  regnnm  caelorum.  Infundit  et  vinum  dum 
dicit  Omnis  arbor  quae  non  facit  fructum  bonum  excidetur  et  in 
igneni  mittetur. 

148  begie  bei  Paul  ist  eine  unnötige,  ja  wol  unrichtige  con- 
jectur.  sich  eines  d.  begdn  heifst  'von  etwas  seinen  unterhalt, 
seine  nahrung  haben.'  dagegen  haben  wir  ergdn  in  dem  hier 
passenden  sinne  'loskommen,  frei  werden'  in  Karajans  Sprach- 
denkmalen 33,  22  swaz  er  widir  goltes  hulden  hat  getan  erne 
mage  sich  shi  niht  ergdn.  in  unserem  verse  ist  wunden  zu  streichen ; 
es  ist  aus  dem  vorhergehenden  widerholf. 

Zu  dem  übrigen  texte  des  Gregorius  bemerke  ich  nur  dass 
ich  die  in  der  vorrede  zur  2  aufläge  von  Haupts  A.  H.  vorge- 
schlagenen alhetesen  auch  jetzt  noch  für  richtig  halte. 

Strafsburg,  den   1  april  1885.  E.  MARTIN. 

WORTERKLÄRUNGEN. 

1.  feigi  kommt  nach  Graff  3,  432  ahd.  nur  bei  Otfrid,  und 
zwar  zweimal  vor,  an  beiden  stellen  in  ganz  ähnlicher  Verbindung: 
I  11,  10  ni  si  man  nihein  so  veigi  ni  sinan  zins  eigi  keime  und 
I  24,  5  ni  si  man  nihein  so  feigi  ther  zuei  gifnng  eigi,  suntar  in 


468  WORTERKLÄRUNGEN 

rehtdeila  gispento  thaz  eina.  Graff  übersetzt  das  wort  durch  unser 
'feig',  Kelle  als  'arm,  unbedeutend,  gering',  Piper  'gering',  Erd- 
mann 'gering,  dürftig',  diese  autfassungen  passen  genau  genommen 
nicht  in  den  Zusammenhang,  wenn  Augustus  von  allen  menschen 
zins  verlangt,  so  kommt  es  nicht  darauf  an  dass  gerade  die  dürf- 
tigen ihm  gehorchen,  und  wer  zwei  mäntel  hat,  ist  nicht  dürftig, 
vielmehr  ist  zu  übersetzen  'frech,  mutwillig,  keck',  eine  bedeutung, 
welche  von  der  altgermanischen  'dem  tode  verfallen'  ausgeht,  nur 
in  anderer  richtung  als  die  uns  geläufige,  der  verzweifelnde  kann 
allen  widerstand  aufgeben,  er  kann  aber  auch  (wir  sagen  dann 
'verzweifelt')  den  widerstand  rücksichtslos  auf  das  äufserste  steigern, 
vgl.  zu  dieser  bedeutung  die  stellen  im  DVYB  unter  3).  eine  für 
unsere  auffassung  sehr  bezeichnende  stelle  bietet  das  Siegfriedslied 
143  Do  ivard  der  held  Seifride  So  grimmig  vnd  so  fe.yg  Seyn 
schwerdt  das  gundt  er  fassen  Ynd  zno  dem  steyne  steyg.  in  dem 
von  Grimm  unter  3)  angegebenen  sinn  begegnet  das  wort  auch 
in  der  vorrede  von  Katharina  Zell  zu  ihrem  gesangbuch,  Strafs- 
burg 1534  (PhWackernagel,  Bibliogr.  des  kirchenlieds  554'')  schant- 
liehe  buoben  lieder  vnnd  feyge  muotwillige  sprach,  zu  beachten  ist 
dass  in  Grimms  belegen  besonders  Geiler,  also  wider  ein  Elsässer, 
vertreten  ist. 

2.  bei  Walther  18,  27  sins  hnndes  lonf,  sins  hornes  duz  er- 
helle im,  und  erschelle  im  ivol  nach  eren  kann  die  Verbindung  des 
worles  lonf  mit  den  verben  leicht  als  ein  starkes  zeugma  erscheinen, 
an  eine  änderung,  etwa  zu  lüt  'gebell'  ist  nicht  zu  denken:  A 
und  C  (hier  steht  der  spruch  zweimal)  stimmen  überein.  es  muss 
bei  hnndes  lonf  ein  prägnanter  sinn  angenommen  werden,  sodass 
es,  etwa  als  kunstausdruck  des  Jägers,  das  in  der  hetze  laufen, 
das  mit  gebell  hinter  dem  wilde  herlaufen  bezeichnet,  so  auch 
in  Tüngers  Facetien  (Litt,  verein  cxviii  s.  97)  als  der  pot  mit  den 
hunden  vor  dem  herczogen  sluond,  fragt  der  fürst  nnder  anderm 
oh  die  lutt  lüffen  (lat.  si  vocibus  clari  essent).  der  herausgeber 
vermutet  rüefen,  was  gewis  unnötig  ist. 

3.  unter  gelt  im  DWB  bespricht  Hildebrand  auch  die  mis- 
bräuchliche  Verbindung  dieses  ursprünglichen  angebots  einer  wette 
'es  gelte!  soll  es  gelten?'  mit  du,  ihr,  sie.  er  schliefst:  es  ist 
auch  würklich  ein  zeitwort  daraus  rückwärts  entnommen  worden, 
in  der  Schweiz,  und  zwar  mit  der  angleichung,  die  sonst  mittel- 
deutsch, nicht  oberdeutsch  ist:  daher  bei  Stalder  gällen  'ein- 
stimmen.' allein  lür  diese  fälle  ist  eher  anzunehmen  dass  das 
mh(].  geheUen  'übereinstimmen,  zustimmen' vorliegt,  welches  sich 
wol  schon  früher  (s.  die  beispiele  aus  Lindener  und  Fischart  DWB 
unter  3^")  mit  jenem  gelt  vermischt  hat,  sodass  auch  jenes  geltet 
ihr  vielmehr  als  gehellet  ir  'seid  ihr  einverstanden'  aulzufassen 
ist.  die  syncope  der  ersten  unbetonten  silbe  ist  alemannisch  und 
bairisch  "anz  in  der  Ordnung.  E.  MARTIN. 


Drnck  von  .T.  B.  Uirschfeld  in  Leipzig. 


ANZEIGER 


FÜR 


DEUTSCHES  ALTERTHUM 

UND 

DEUTSCHE  LITTERATÜR 

UNTER  MITWIRKUNG  VON  WILHELM  SCHERER 

HERAUSGEGEBEN 

VON 

ELIAS  STEINMEYER 


ELFTER   BAND 


BERLIN 
WEIDMANNSGHE    BUCHHANDLUNG 

1885 


INHALT. 


Seite 

Andresen,  Konkurrenzen,  von  Strobl 229 

vBahder,  König  Rother,  von  Roediger       109 

Bernhardt,  Vulfila,   von  Franck     .     , 230 

Biedermann,  HvKleists  briefe  an  seine  braut,  von  Minor  ....  193 
Bolte,   BKrügers  Spiel   von  den  bäurischen   richtern  und  dem   lands- 

knecht,  von  Minor 87 

Brahm,  HvKIeist,  von  Minor 195 

Brunnhofer,  Ursitz  der  Indogermanen,  von  Scherer 180 

Gederschiöld,  Fornsögur  sudrlanda  ,  von  Heinzel 128 

Cosijn,  Altwestsächsische  grammatik,  von  Zupitza       125 

Crueger,  Die  erste  gesammtausgabe  der  Nibb.,  von  Litzmann    .     ,     .  176 

Dielitz,  Die  wähl-  und  denksprüche,  von  Kochendörffer 171 

EUinger,    Verhältnis   der   öfTentl.   meinung   zu    Wahrheit   und  lüge   im 

10.  11.  12  Jh.,  von  Kaufmann 87 

Gaedertz,  Das  nd.  Schauspiel,  von  Minor 84 

Goedeke,  Grundriss  i^,  von  Strauch 247 

Götzinger,  Das  Lob  der  torheit,  verdeutscht  von  SFrank,  von  Scherer  181 

Hirzel,  Verzeichnis  einer  Goethe-bibliothek,  von  Minor 138 

Hruschka,  Zur  ags.  namensforsch ung,  von  Schröder      ......  182 

Jonas,  Litt,  korrespondenz  des  paedagogen  FEvRochow,  von  Pniower  231 

Kern,  Goethes  Torquato  Tasso,  von  Werner 139 

Khull,  Beiträge  zum  mhd.  wb.,  von  Steinmeyer 89 

Kinzel,  Lamprechts  Alexander,  von  Roediger 257 

Kluge,  Etymologisches  wb.,  von  Franck 1 

Köstlin,  Dichtungen  von  FHölderlin,  von  Minor 204 

Korrespondenzblatt  des  Vereins  für  siebenbürgische  landeskunde  vi,  von 

Steinmeyer 89 

Litzmann,  Liscow,  von  Seuffert 70 

Lobe,  Wahlsprüche  devisen  und  Sinnsprüche,  von  Kochendörffer    .     .  164 

Lücke,  Goethe  und  Homer,  von  Seuffert 282 

Mannhardt,  Mythologische  forschungen  ,  von  Meyer 141 

Muller,  De  oude  en  de  jongere  bewerking  van  den  Reinaert,  von  Martin  122 

Naumann,  Über  Herders  Stil,  von  Seuffert 90 

Paul,  Mhd.  grammatik^,  von  Scherer 99 

Paulsen,  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts,  von  Kaufmann   .     .     .  224 

Penlzhorn,  ThAbbt,  von  Seuffert 185 

Perry,  From  Opitz  to  Lessing,  von  Steinmeyer 232 

Piper,  Otfrid  ii,  von  Steinmeyer 183 

Richter,  Rabener  und  Liscow,  von  Seuff"ert 90 

Riedel,  Schuldrama  und  thealer,  von  Minor 192 

Roediger,  Kritische  bemerkungen  zu  den  Nibb.,  von  Steinmeyer  .  .  31 
Roetteken,  Der  zusammengesetzte  satz  bei  Berthold  von  Regensburg, 

von  Strobl       232 

Scholle,  LMinots  lieder,  von  Brandl 35 

Seelmann,  Valentin  und  Namelos,  von  Schröder 116 


IV  INHALT 

Seite 

vStein,  Das  bildungswesen  ml,  von  Kaufmann 220 

Strelilke,  Goethes  briefe,  von  Minor 132 

Tobler,  Schweizerische  Volkslieder,  von  Köhler 7ß 

Toischer,  Die  altd.  bearbeitungen  der  Secreta  -  secretorum ,  von  Stein- 

nieyer 91 

vTröltsch,  Fundstatistik  der  vorrömischen  metallzeit  im  Rheingebiete, 

von  Laistner 219 

Vigfusson  and  Powell,  Corpus  poeticum  boreale,  von  Heinzel  ...  38 

Voigt,  Ysengrimus,  von  Laistner 211 

Weinhold,. ..Mhd.  grammatik^  von  Franck 102 

Zingerle,  Über  eine  hs.  des  Passionais  und  Buches  der  niärtyrer,  von 

Strauch 233 

Berichtigung 334 

Notizen 98.  334 

Verzeichnis  der   auf  dem  gebiete  der  neueren  deutschen  litteratur  im 

j.  1884  erschienenen  wissenschaftlichen  publicationen,  von  Strauch  283 
Zur  geschichte  der  deutschen  philologie 

briefe  JGrimms  an  FWBergmann,  von  Martin       92 

ein  brief  JGrimms  an  FHvdHagen,  von  Steinmeyer 95 

briefe  von  Jacob   und  Wilhelm  Grimm  an  KMüllenhoflT,  von  Stein- 
meyer      235 

miscellen ,  von  Crueger 179 

Zu  Zs.  28,  376,  von  Fischer 98 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LIÜERATUR 

XI,    1    JANUAR    1885 


Etymologisches   Wörterbuch    der  deutschen   spräche    von  Friedrich  Kluge. 
Strafsburg,  Karl  JTrübner,  1SS3.  x.xiv  und42Sss.  lex.  S°. —  10,50  m.* 

Wenn  mau  das  etymologisieren  systematisch  betreiben,  dh. 
mit  allen  zu  geböte  stehenden  milteln  die  geschichte  der  vvürter 
verfolgen  wollte,  würde  ein  menschenleben  nicht  geniigen,  um 
ein  Wörterbuch  zusammenzubringen,  fast  jeder  artikel  leitet  durch 
ein  weites  sprachgeschichtliches  gebiet  mit  einer  schier  unüber- 
sehbaren fülle  von  physiologischen  und  psychologischen  erschei- 
nuQgsformen.  allzu  häufig  wird  der  schritt  durch  Schwierigkeiten 
gehemmt;  nicht  seilen  steht  der  forscher  vor  wahren  rätseln,  die 
ihn  fast  unwiderstehlich  zu  bannen  versuchen,  und  das  ist  noch 
das  wenigste,  der  etymologe  hätte  auch  das  ganze  gebiet  der 
kulturgeschichte  im  weitesten  sinne  zu  durchwandeln,  er  müste 
die  religiösen  anschauungen,  den  aberglauben,  die  Vorstellungen 
über  tiere,  pflanzen,  mineralieu,  die  formen  und  gerate  des  acker- 
baues,  der  kriegsführung,  kurz  jede  regung  des  geisles  kennen, 
deren  spur  in  seinem  material  zurückgeblieben  ist.  mit  vielen 
fällen,  in  denen  ein  wort  aulkam  oder  eine  neue  bedeutung  er- 
langte, ist  ein  stück  der  kulturgeschichte  so  eng  verwoben,  dass 
man  sagen  darf,  die  elymologie  sei  eigentlich  mehr  eine  aufgäbe, 
welche  jene  mit  hilfe  der  Sprachwissenschaft  zu  lösen  habe,  als 
umgekehrt,  vorläuflg  ist  nicht  abzusehen,  ob  wir  jemals  zu  dieser 
systematischen  erforschung  der  Wörter  gelangen  werden,  so  lange 
es  aber  nicht  geschieht,  bleibt  jede  etymologie  ein  mehr  oder 
minder  gelegentlicher  einfall. 

Man  darf  deshalb  aber  von  dem,  welcher,  um  einem  fühl- 
baren bedürfnis  abzuhelfen,  ein  etymologisches  Wörterbuch  ver- 
fasst,  nicht  verlangen  dass  er  viel  noch  nicht  bekanntes  bringe, 
was  man  von  ihm  erwarten  kann  ist  nur,  dass  er  das  vorhan- 
dene sammle,  in  sich  aufnehme  und  wolgesichtet  in  knapper 
form  vorführe,  bei  dieser  arbeit  muss  notwendig  auch  neues 
resultieren ,  manche  frühere  Vermutung  befestigt  sich  oder  wird 
definitiv  beseitigt,  dem  blick,  welcher  zugleich  die  geschichte  so 

[*  vgl.  Litter.  centralbl.  1S82  nr  24.  —  DLZ  1S82  nr  30  (MRoedigei).  — 
Gott.  gel.  anz.lS83  nr  13.  14  (ABezzenberger).  —  LiUeraturbl.  f.  germ.  und 
rom.  philol.  1S82  sp.  365,  1883  sp.  118  (OBehaghel).  —  Neue  Zürcher  zeitung 
1882  (HSchweizer-Siedler).  ~  Köln,  zeitung  2juni  1882.—  Deutsche  Rund- 
schau, mai  1883.  —  Engl.  Studien  vii  358  (HHager).] 

A.  F.  D.  A.    XI.  1 


2  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

vieler  würter  übersieht,  ergeben  sich  von  selbst  neue  combi- 
nationen. 

Da  das  werk,  welchem  ich  hier  eine  ausführlichere  kritik 
widme,  diesen  anforderungen  entspricht,  so  war  es  schon  des- 
halb recht  dass  es  von  der  öffentlichen  meinuug  mit  fast  ein- 
stimmigem, lautem  beifall  aufgenommen  wurde;  und  um  so  mehr 
war  es  recht,  als  es  Vorzüge  hat,  die  weit  über  jene  anforde- 
rungen hinausgehen. 

Einem  anhänger  der  grammatischen  richtung,  welche  das 
ausnahmslose  würken  der  lautgesetze  so  nachdrücklich  betonen 
zu  sollen  glaubt ,  muste  es  sich  herausstellen  dass  wir  von  der 
höheren  etymologie,  welche  über  die  historisch  beglaubigte  ge- 
schichte  der  worte  hinausführt,  beträchtlich  weniger  wissen,  als 
man  noch  vor  einem  menschenalter  vermeinte,  auch  das  war  zu 
erwarten,  dass  Kl.,  der  den  neuen  anstofs,  welchen  die  Wissen- 
schaft der  germanischen  sprachen  vor  sechszehn  jähren  erhalten, 
selbst  so  wesentlich  gefördert  hat,  das  material  ausreichend  be- 
nutzen und  sich  als  zuverlässigen  führer  durch  die  lautgeschichte 
bewähren  werde,  aber  gerade  bei  einem  manne  dieser  richtung 
ist  es  zu  betonen ,  wenn  er  sich  den  bedingten  wert  der  laut- 
lichen Übereinstimmung  klar  gemacht  hat.  unsere  etymologien 
beruhen  wol  vorwiegend  auf  lautcombinationen ,  während  sie 
richtiger  von  begriffscombinalionen  ausgehen  würden,  aber  es 
hat  gute  gründe,  wenn  wir  in  der  praxis  anders  verfahren,  und 
es  verschlägt  ja  schliefslich  nichts,  ob  wir  mit  dem  wesentlicheren 
oder  unwesentlicheren  beginnen,  sobald  wir  nur  die  objectivität 
behalten,  um  den  wert  beider  abzuschätzen,  das  hat  Kl.  ent- 
schieden getan  und  es  zb.  in  den  artikeln  dorf  und  lenz  auch 
ausdrücklich  ausgesprochen,  mit  gleichem  lobe  muss  man  her- 
vorheben dass  der  Verfasser  der  gewis  sehr  nahe  liegenden  Ver- 
suchung nach  neuen  einfallen  in  nicht  geringem  grade  wider- 
standen, dass  sein  streben  nach  objectivität  ihm  zuweilen  selbst 
Zugeständnisse  gegen  seine  innersten  neigungen,  zb.  den  wünsch 
einen  möglichst  grofseu  teil  des  Sprachschatzes  als  altes  indog. 
erbgut  ansehen  zu  dürfen,  abgerungen  bat,  dass  ihm  die  arbeit 
nicht  blofs  ein  werk  des  Verstandes  und  der  gewissenhaften  for- 
schuug  war,  sondern  er  mit  innerster  seele  dabei  ist  (vgl.  zb. 
dieh).  daraus  fliefsl  auch  ein  anderer  Vorzug,  in  einem  ctyn)o- 
logischen  Wörterbuch  ist  zwar  jeder  arlikel  eine  sache  für  sich; 
aber  sicher  wird  es  jeder  mit  l'reudeu  begrüfsen,  wenn  Kl.  ver- 
sucht das  ganze  überschauend  umfassendere  resultate  für  die  ge- 
schichte  der  spräche  und  des  Volkes  zu  ziehen,  er  ist  fleifsig 
bestrebt,  den  einzelnen  artikeln  gesichtspuncte  für  die  verschie- 
densten Seiten  der  kullurgeschichle  abzugewinnen,  die  manchmal 
ebenso  schlagend  wie  einfach  sind  (vgl.  kochen). 

Last  not  least  sei  das  bestreben  betont,  das  wesentliche 
der  würlgeschichte  herauszuarbeiten,    das   tatsächliche   oder  ver- 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  ö 

mutliche  Verbreitungsgebiet  scharf  abzugränzeu,  die  mitteiluQg  der 
äufserea  erscheinungsformen  zu  beschränken  zu  gunsten  der 
inneren  begrün  düng  der  Wörter  und  ihrer  geschichte.  es 
gehört  ganz  gewis  zur  inneren  geschichte  des  germ.  adjectivurps 
blind,  dass  die  Indog.  für  denselben  begriff  eine  andere  bezeich- 
nung,  kaikos,  hatten,  welche  mit  veränderter  bedeiitung  bis  ins 
germ.  hineinragt,  wer  an  der  berücksichtigung  solcher  momente 
mäkeln  zu  müssen  glaubt,  der  beweist  dass  er  vielleicht  ein  mit 
reicheren  beweisen  von  Sprachenkenntnis  gespicktes,  aber  sicher 
kein  besseres  werk  schreiben  würde. 

Treffender  als  mit  worlen  beweise  ich  meine  anerkennung 
vielleicht  durch  die  tat  bei  der  erfüUung  des  auftrages,  welcher 
mir,  mit  ausdrücklichem  hinweis  auf  Kl.s  werk,  geworden  ist, 
das  material  der  nl.  spräche  in  ähnlicher  weise  zu  bearbeiten, 
wenn  ich  dabei  abhängiger  von  meinem  unmittelbaren  Vorgänger 
erscheine  als  er  von  den  seinigen  —  ich  kann  das  selbst  am 
wenigsten  beurteilen  — ,  so  erklärt  sich  das  einerseits  daraus, 
dass  ich  Kl.  gerne  als  führer  nehme  durch  die  gebiete,  welche 
wir  gemeinsam  zu  durchforschen  haben,  andererseits  liegt,  so  weit 
die  Übereinstimmung  reicht,  bei  dem  auch  mir  gemessenen  be- 
schränkten räume  darin  die  anerkennung,  dass  er  das  meiner 
ansieht  nach  richtige  und  wichtige  gegeben  hat  in  einer  durch 
keine  bessere  oder  nur  gleich  gute  zu  ersetzenden  form. 

Es  begreift  sich  dass  bei  einer  arbeit,  welche  unter  der 
wechselvollen  Stimmung  vieler  jähre  zu  stände  gekommen  ist, 
vereinzelt  auch  inconsequenzen  in  puncten  begegnen ,  welche  ich 
als  besondere  Vorzüge  herausheben  konnte,  so  hat  es  keinen 
halt,  wenn  hemme  ohne  jedes  Zwischenglied,  noch  dazu  auf  eine 
schwanke  lautliche  begründung  hin,  an  eine  sanskritwurzel  'kauen' 
angeknüpft  wird;  ähnlich  ist  es  bei  flennen;  auch  bei  kauz, 
kauzen,  keil  steht  man  auf  schwankem  boden;  die  etymologie 
von  brüllen,  die  Vermutung  einer  wurzel  'weben,  spinnen'  unter 
fitze  wären  besser  unterdrückt  (fat-  für  'kleidung'  braucht  man 
von  fassen  nicht  zu  trennen,  die  bedeutung  kann  ebenso  erklärt 
werden  wie  die  des  subst.  fass).  überhaupt  werden  die  lautge- 
schichtlichen Vermutungen  manchmal  doch  mit  zu  grofser  Sicher- 
heit vorgetragen ,  und  dasselbe  gilt  von  den  kulturhistorischen 
Schlüssen,  der  unter  dach  zb.  hat  wenig  wert;  dach  ist  'be- 
deckung,  deckmaterial',  und  wenn  das  germ.  wort  auch  eine 
besondere  specialisieruog  enthält,  so  kann  daraus  meines  erachtens 
nicht  geschlossen  werden  dass  die  Indog.  vor  der  trennung  noch 
keine  behausungen  gedeckt  hätten,  bestreiten  lässt  sich  die  Ver- 
mutung, dass  mit  der  aufnähme  von  fenster  auch  'eine  Umge- 
staltung des  begriffes  statt  gefunden  habe',  sicher  kann  ja  nie- 
mals geschlossen  werden  dass  eine  neue  bezeichnung  nur  dann 
an  die  stelle  einer  anderen  komme,  wenn  sich  auch  ein  neuer 
begriff  damit  verbinde;  die  aufnähme  eines  fremdwortes  kann  zb. 

1* 


4  KLLGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

reine  niodesache  sein,  hier  aber  ist  noch  besonders  zu  berück- 
sicluigen  dass  ein  einfaches  wort  an  die  stelle  von  compositis 
tritt,  auch  ohne  die  abstraction  aus  7iackt  und  seinen  verwandten 
wird  man  sich  sagen  können  dass  zu  der  zeit  vor  der  trennung 
*eine  art  von  bekleidung'  vorhanden  war;  zudem  ist  der  schluss, 
wenn  man  will,  nicht  einmal  sicher,  da  nackt  nicht  zwingend 
den  begriff  'mit  künstlicher  kleidung  versehen'  als  gegensatz 
voraussetzt,  der  schluss  unter  rast  ist  kühn;  wenigstens  können 
doch  auch  andere  züge  als  gerade  der  von  Asien  nach  Europa 
in  betracht  kommen,  und  das  wort  trift  'weide'  konnte  zu  jeder 
zeit  entstehen,  da  vieh  zur  weide  getrieben  wurde,  in  den 
Schlüssen  unter  altar  und  kröne  scheint  mir  sogar  ein  gewisser 
Widerspruch  zu  stecken. 

Dass  man  im  einzelnen  sehr  oft  anderer  meinung  sein  wird, 
liegt  um  so  mehr  in  der  natur  der  sache,  als  die  etymoiogie 
meist  ja  nur  resultate  von  verhältuismäfsig  geringer  Sicherheit 
erzielt,  es  geschieht  nur  im  interesse  der  sache ,  wenn  ich  unten 
meine  abweichenden  auslebten ,  so  weit  ich  sie  nicht  in  meinem 
Etymolog.  Wörterbuch  vorzutragen  haben  werde,  ausführlich  ver- 
zeichne. 

Auch  nur  unter  diesem  gesichtspunct  möchte  ich  es  aufgefasst 
wissen,  wenn  ich  principielle  mängel  eingehender  bespreche,  teil- 
weise fliefsen  dieselben   aus  äufserlichen  Verhältnissen  hervor. 

Dahin  rechne  ich  vor  allem  dass  der  zwang  so  häufig  be- 
merkbar wird,  den  die  raumbeschränkung  auferlegte:  überall  wird 
gespart,  und  ich  irre  wol  nicht,  wenn  ich  zu  fühlen  meine  dass 
der  Verfasser  manches  unterdrücken  muste,  was  er  gern  zur  Ver- 
deutlichung und  Vervollständigung  gesagt  hätte,  die  kürze  führt 
manclmial  bis  zur  unverständlichkeit,  nicht  nur  für  das  gröfsere 
publicum,  auf  welches  das  buch  ja  gleichfalls  berechnet  ist,  son- 
dern auch  für  eingeweihtere.  so  wird  manchem  got.  usfarpö  bei 
fahrt  nicht  klar  werden,  es  verfehlt  den  zweck,  wenn  nicht  nur 
germ.,  lat.,  griech.,  sondern  auch  ferner  liegende  Wörter  (vgl, 
kneifen),  sogar  arab.  (pauke)  ohne  bedeutung  angeführt  w'erden; 
was  mit  der  Volksetymologie  unter  perle  gemeint  sei,  werden  viele 
nicht  verstehen,  vom  adject.  stier  erfährt  man  nur  dass  es  jüngere 
ablautsbildung  zu  starren  sei,  und  von  sticken,  ersticken  bekommen 
wir  nicht  mehr  mitgeteilt,  als  dass  es  zu  sticken  'acu  pingere' 
und  dies  zu  stechen  gehöre,  soll  sich  damit  jemand  zufrieden 
geben?  und  wer  hat  nutzen  von  dem  über  urbar  gesagten?  vgl. 
ferner  ducaten,  gebärde,  gift,  hübsch,  inzicht  (dessen  in  einer 
erklärung  bedürfte) ;  unter  kauen  wäre  widerkäuen  zu  erwähnen, 
unter  letzen  (sich  letzen)  und  plan  die  jüngere  bedeutung  zu  ent- 
wickeln;  die  unter  -//cA.  ausgesprochene  beziehung  zu  gr.  -Xi%og 
müste  deutlicher  herausgearbeitet  sein ;  der  artikel  schüren  ist 
recht  dürftig;  schrot  mit  seinen  gedrängten  und  unvermittelten 
zusammenstellun'(en  kann  niemandem  genügen. 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  & 

Nicht  selten  hat  Kl.  aus  der  not  eine  tugend  gemacht  und 
mit  iüjerraschendem  geschick  verstanden,  schon  durch  die  an- 
ordnung  tatsachen  hervortreten  zu  lassen  und  in  knappster  form 
viel  zu  sagen,  aber  ob  er  bei  vielen  lesern  das  nachdenken  fin- 
den wird,  welches  er  manchmal  voraussetzen  muss,  möchte  ich 
doch  bezweifeln,  ferner  kann  es  nicht  fehlen  dass  unter  dem 
zwang  nicht  zuweilen  auch  der  ausdruck  leidet,  indem  er  un- 
schön (zb.  bei  embeere,  am  Schlüsse  von  kühn)  oder  ungenau 
wird:  'zufällig  fremd'  bei  mager  enthält  einen  Widerspruch, 
'stockende  lautverschiebung'  hätte  von  den  älteren  nicht  über- 
nommen werden  sollen,  eine  ganze  reihe  von  bemerkungen  wird 
dem  grofsen  publicum  unverständlich  sein,  und  ich  muss  ge- 
stehen dass  auch  mir  manches  dunkel  geblieben  ist,  an  sich  oder 
im  zusammenhange,  in  diesem  sinne  sind  folgende  artikel  zu 
rügen:!  hord ;  buch;  auer;  broäem;  frau;  frohn  (schluss);  frist 
(und  dann :  wie  kann  man  an  Zusammenhang  mit  etwas  'eher' 
denken,  dessen  bedeutung  nicht  klar  ist?);  gaden  (wenn  man 
riskieren  will,    das  wort  aus   altgerm.  sprachgut  zu  deuten,   so 

*  manchmal  mögen  druckfehler  schuld  sein,  die  überhaupt  nicht  seifen 
sind:  bei  lagern  fehlt  etwas.  —  ebenso  bei  öicgen  am  schluss.  —  bitten] 
st.  gebeten  1.  gebet.  —  bleiben]  z.  11  1.  das  subst.  fett.  —  boh]  z.  7  1. 
bhtildö-s,  z.  S  1.  schliefsnagei.  —  brauchen]  z.  3  fehlt  etwas.  —  borte] 
St.  räum  1.  säum,  —  braut]  st.ghemon  1.  ghomon.  —  dach]  z.  4  und  3  v.  u. 
1.  decke  als  verbum.  —  dichten]  st.  erinnern  I.  ersinnen.  —  dieb]  1.  got. 
piubipa.  —  drei]  st.  ii'dyus  1.  trej'as?  —  dreist]  1.  nd.  driste  und  st.  er- 
mitteln 1.  vermitteln.  —  ebritz]  1.  abrotonmn.  —  ehe]  st.  Jahrhunderts  1. 
jahrlausends.  —  ejite]  am  schluss  fehlt  etwas.  —  erbe]  1,  alts.  erti  und 
st.  arbh  1.  arb.  —  fahrt]  1.  ns-farl)6.  —  faul]  z.  8  1.  verfaulen  lassen.  — 
fechten]  st.  faühtan  1.  faihtan.  —  fleyinen]  vgl.  und  got.  sind  versetzt.  — 
flüstei'n]  es  scheint  etwas  zu  lehlen.  —  franse]  z.  3  v.  u.  st.  bedeutung 
I.  herleitung.  —  froh7i]  z.  9  st.  vrö  1.  vron.  —  gans]  im  ersten  teile  ist 
der  satz  in  Unordnung  geraten.  —  gar]  es  ist  wol  etwas  weiteres  über 
arwa  ausgefallen.  —  gehen]  z.  6  v.  u.  ist  wol  deutung  st.  bedeutung  zu 
lesen.  —  gelichter]  st.  stellen  1.  stehlen.  —  2  gelt]  st.  gale  I.  gald.  — 
habicht]  st.  gadel  1.  gadelisch.  —  hacken]  bei  haw  fehlt  beziehung  auf 
hauen.  —  1  hafen]  I.  vorgerm.  khabh.  —  hageri]  1.  alts.  bihagon.  — 
kacken]  st.  drisen  1.  driszen.  —  kaue]  z.  4  st.  zu  I.  aus?  —  klause]  1. 
angustus.  —  kleie]  st.  mnl.  I.  mnd.  —  klotz]  1.  das  verbum  ballen.  — 
knoten]  z.  7  1.  knuda.  —  könig]  z.  15  v.  u.  1.  t-st.  —  krüppel]  z.  3  1. 
kreupel,  —  kuh]  z.  8  statt  st.  1.  — ?  —  laufen]  z,  9  1.  unverwandt.  —  Hd 
steht  nicht  an  der  richtigen  alphabetischen  stelle.  —  nase]  1.  nl.  neus.  — 
nüchtern]  1.  nl.  nuchter.  —  reuten]  st.  pflüg,  sterz  I.  pflugsterz.  —  samstag] 
1.  nl.  zatei'dag.  —  schuft]  1.  got.  skafta.  —  schal]  st.  den  germ.  I.  — ?  — 
scharf]  1.  sceorfan  'abreifsen'.  —  schluchzen]  I.  ).vy^  'schluchzen'  usw.  — 
schmaus]  z.  2  st.  nach  1.  noch?  —  schnaue]  1.  ^M.  S7iacga.  —  segen]  es 
fehlt  lat.  Signum.  —  sitte]  1.  altn.  siä:r.  —  starr]  z.  8  1.  welches.  —  sühne] 
z.  3  1.  gericht.  —  taufe]  z.  7  st.  ags.  1.  alts.  —  teil]  z.  5  1.  dai-Ii.  —  thun] 
z.  10  St.  idg.  wol  gr.  zu  lesen.  —  tragen]  I.  nl.  dragen.  —  treiben]  z.  8 
1.  idg.  dribh.  —  trinken]  1.  ags.  drincan.  —  trocken]  st.  drük :  germ.  drug 
wol  zu  lesen  germ.  druk.-drug.  ist  z.  10  dhrug  richtig?  —  trotz]  trotz- 
dem ist  an  die  falsche  stelle  geraten.  —  übel]  1.  alts.  util.  —  vei-lieren] 
1.  nl.  verliezen.  —  wimpel]  z.  4  1.  brustschleier.  —  zwerch]  z.  10  1.  twerh. 
—  manchmal  begegnen  auch  inconsequenzen  in  der  Schreibung,  beispiels- 
weise in  den  got.  formen  unter  ferse. 


6  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

liegt  die  sippe  voq  gatte  am  nächsten;  d  wäre  wie  in  baden,  der 
bedeiitiing  wegen  stände  gemach  zur  vergleichung);  2  heide  (in 
dem  satze:  'im  got.  schlösse  sich  das  masc.  heide  genauer  an  das 
femin.  an'  wird  mau  'das  femiu.'  auf  haipno  beziehen,  während 
doch  haipi  gemeint  ist.  überhaupt  ist  die  ganze  auseinander- 
setzung  wenig  h'chtvoll,  auch  nicht  durchaus  stichhaUig.  wenn 
got.  haipno  'heidin'  besteht,  war  doch  auch  ein  entsprechendes 
masc.  vorhanden,  und  ferner  hat  man  kein  recht  die  bedeutung 
von  got.  haipi,  die  zur  erkläruug  in  anspruch  genommen  wird, 
den  anderen  dialecten  abzusprechen;  vgl.  meine  anmerkung  zu 
Flandrijs  r  473.  gemeingerm.  haipjö  war  vermutlich  das  weite  offene 
land  im  gegensatz  zur  unmittelbaren  Umgebung  der  Wohnungen 
und  etwa  des  waldes,  und  davon  ist  heiden  eine  gemeingerm.  ab- 
leitung,  die  natürlich  nicht  zufällig  bei  den  einzelnen  stammen 
in  gleichmäfsiger  weise  specialisiert  wurde;  vgl.  unten  die  be- 
merkung  zu  fasten);  hose;  kaiser;  knoblauch  (schluss);  kraus  und 
krolle;  leinen;  seide  (schluss).  ferner  'beide  gruppen'  bei  bnde, 
der  erste  satz  s.  47%  der  schlusssatz  von  drehen  (der  ungeübte 
leicht  irre  führt);  der  satz  in  parenthese  unter  dulden,  'natürlich' 
unter  friedhof,  das  'erschlossene /(asw'«-'  unter  Ihaar,  der  schluss 
von  harnen,  die  parenthese  am  schluss  von  höhn,  der  schluss  von 
hummer,  die  Schlussbemerkung  von  inständig  (übrigens  gehört 
das  wort  zu  instandan  'in  etwas  bestehen ,  beharren'),  von  käfig, 
das  unlogische  'kaum'  bei  kahn,  der  zweideutige  mit  'im  ags. 
bewahrte'  beginnende  satz  unter  kerl  (auch  wird  mancher  sich 
den  köpf  zerbrechen,  was  die  anführung  von  laut  am  Schlüsse 
soll),  der  'damit  vereinigen'  beginnende  satz  bei  köder,  der  schluss 
des  artikels  lob,  die  bemerkung  bei  rosmarin  dass  'das  wort  im 
deutschen  vom  Sprachgefühl  zu  rose  bezogen  werde'  (die  bewei- 
senden formen  dürften  nicht  fehlen),  die  anführung  von  ags.  scrcef 
unter  scharbe,  die  Schlussbemerkungen  von  star  und  zunge;  was 
ist  unter  siech  gemeint  mit  'vgl.  die  bedeutungsverschiedenheit 
zwischen  siech  :  seuche' ?  was  heifst  unter  ivese^i '■ags.  wesati,  engl. 
/  was  ua.  gehören  in  die  grammatik'?  mir  hat  sich  dabei  die 
frage  aufgedrängt,  ob  es  nicht  besser  wäre,  dem  gröfseren  publicum 
nur  eine  auswahl  anzubieten  oder  von  der  alphabetischen  Ord- 
nung abstehend  den  stoff  in  einer  anderen  form  zu  verarbeiten, 
wenn  die  Verhältnisse  würklich  so  liegen,  dass  man  ein  umfang- 
reicheres werk  nicht  riskieren  kann. 

Die  ferneren  auflagen  werden  auch  für  eine  vollere  Über- 
einstimmung zwischen  den  einzelnen  arlikelu  sorgen  müssen; 
jetzt  sind  noch  manche  ungleichmäfsigkeiten ,  sogar  dirccle  Wider- 
sprüche, und  darunter  recht  starke  und  auffallende  geblieben: 
in  behagen  :  hayen ,  bleiben  :  leb  er ,  doldetthal  (in  bezug  auf  gr. 
■^oXog) ,  drehen  :  dann  (in  bezug  auf  gr.  TQrjf.ia) ,  dumm  :  taub, 
dünn  :  dunst  (man  sieht  unter  dem  letzteren  nicht,  warum  beim 
erstercn  darauf  verwiesen  wird),  2  fessel :  fufs  (ähnlich  wie  beim 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  7 

vorigen),  gerste  :  grand,  garten  :  gurt ,  garten:  gras  (in  bezug  auf 
XOQTog),  kruke :  krug  (wo  mhd.  krnke  nicht  ausdrücklich  er- 
wähnt ist),  löschen  :  dreschen  (wegen  präsenssuffix  sk),  mit :  tniss 
(wo  ein  miss  'gegenseitig'  nicht  zu  findeii  ist;  misslich  fehlt  ganz), 
pfand:pfenmhg,  pfarre  :  pferch ,  rechen  :  recken  (liiiisichtlich  öpe- 
yeiv),  sohle  :  schwelle,  stützen  :  stände,  taub  :  toben,  thor :  duseln 
(in  bezug  auf  dusig),  traube :  drücken  (in  bezug  auf  altn.  priiga), 
zer gen  :  zehren ,  zwerch  :  durch  (in  bezug  auf  durh).  im  arldiel 
krampf  scheinen  zwei  redactionen  nicht  genügend  verschmolzen 
zu  sein. 

Auch  müste  eine  grOfsere  gleichmäfsigkeit  zwischen  dem  auf- 
zunehmenden und  auszuschliefsenden  angestrebt  werden;  manche 
composita  und  ableitungeu  bedürften  doch  eines  kurzen  Wortes 
der  erklärung  oder  wenigstens  einer  Verweisung  an  der  alpha- 
betischen stelle  auf  die  bestandteile,  manches  fremdvvort  verdiente 
ebenso  wol  oder  eher  die  aufnähme  als  andere,  denen  sie  zu 
teil  geworden  ist,  einiges  fehlt  sicher  nur  zufällig,  gelegentlich 
habe  ich  mir  als  nachzutragen  augemerkt  anfachen,  anmaßen, 
aufhören,  ausbund,  behäbig,  beklommen  (auch  klemmen  fehlt  au 
der  aiphabet,  stelle),  bereits,  bescheren,  bestimmen,  bö,  böschung, 
bügeln,  dechant,  deck,  drüben  (hüben),  einhellig,  fähig,  feldwebel, 
flanke,  gehören,  gelübde,  geraten,  geschwader,  getümmel,  herstellen, 
hudeln,  langen,  metzeln,  nachricht ,  patzig,  picken,  protz,  redlich, 
schürger,  Sommersprosse,  spion  (nur  unter  spähen),  stofs  ('gefolge', 
'actenstofs'),  strolch,  verschollen  (nur  unter  schelle),  verstauchen, 
widmen;  während  zb.  rubrik  aufgenommen  ist,  fehlen  element  und 
Schablone  (s.  unten),  dagegen  würde  man  einzelnes  wie  zores 
und  mampfen  missen  können.  ^ 

^  ratsam  wäre  es  vielleicht  auch  das  engl,  etwas  mehr  zurückzudrängen, 
aus  den  Studien  des  Verfassers  begreift  es  sich,  wenn  demselben  ein  so  breiter 
räum  zugestanden  wird,  und  manchem  dürfte  es  zu  besonderer  freude  ge- 
reichen dass  darin  vielleicht  die  anfange  eines  etymolog.  engl.  Wörterbuches 
zu  erkennen  sind,  allein  wer  an  die  speciellen  gründe  nicht  denkt,  dem 
verschieben  sich  in  folge  der  Qbermäfsigen  beriicksichtigung  der  einen  spräche 
vielleicht  die  Verhältnisse,  hingegen  dürfte  das  nl.  etwas  mehr  beachtet 
werden;  ich  beanspruche  keinen  gröfseren  räum  für  dasselbe,  aber  gröfsere 
genauigkeit:  nl.  durven  (unter  dürfen)  bedeutet  'wagen'.  —  valsch  wird 
unrichtig  zu  einem  Schlüsse  benutzt,  da  ältere  lehnwörter  im  nl.  stets  v 
aus /"haben,  wie  vieren,  venster. —  mn].  flatteren  (unter  flatieni)  ist  flat- 
teren 'schmeicheln'.  —  naauw  (nah)  ist  nicht  nelnvs.  —  spalten  ist  auch 
nl.:  mnl.  nnl.  spouden.  —  man  schreibt  nicht  mehr  ligt  sondern  licht  und 
entsprechend  auch  nicht  mehr  lagchen.  —  nnl.  moei  (muhme)  ist  mnl.  moeie 
ahd.  muoja  ^v.  fxalu.  —  nl.  liwee  (nicht  luve)  aus  kwede  ist  genau  gleich 
quitte.  —  deugdelijk  (tüchtig)  ist  ableitung  von  deugd  =  tilgend.  —  be- 
tamen  (ziemen)  ist  kein  st.  zeitwort  und  entspricht  nicht  direct  germ.  ti^'man. 
—  nnl.  torn  (zorn)  hat  mit  zorn  nichts  zu  tun.  —  nicht  nl.  tocht  ent- 
spricht unserem  zug,  sondern  nl.  teng.  —  unter  spi'eu  wäre  die  erwähnung 
von  mnl.  spraeien  'streuen,  sprühen'  sehr  am  platze,  unter  staunen  die  von 
mnl.  stünen  'sich  anstemmen  gegen,  sich  versetzen  gegen'  und  von  nl.  steunen 
'stützen'.  —  zu  strälme  vgl.  mnX.strene  nnl.  streen,  welches  mit  stringhe 
'sträng'  synonym  ist.    mittelniederländisches  von  bedeutung  hätte  noch  öfter 


S  KLUGE    ETYMOLOGfSCHES    WÖRTERBUCH 

Aus  tieferem  gründe  fliefsen  einige  eigentumlichkeiten,  die 
ich  als  mäugel  ansehe,  es  ist  wol  Hildehrands  einQuss  darin  zu 
erkennen,  wenn  sich  so  gewaltsam,  muss  ich  sagen,  das  streben 
geltend  macht,  Wörtern,  die  allgemeiu  als  entlehnungeu  ange- 
sehen werden,  germ.  Ursprung  zu  sichern,  das  Vorurteil  führt 
Kl.  zu  unWahrscheinlichkeiten,  wie  er  sie  sich  sonst  kaum  zu 
schulden  kommen  lässt.  hei  kämpf  wird  geltend  gemacht  'dass 
von  lautlicher  seite  die  annähme  der  eutlehnuug  keine  stütze  habe', 
ist  das  denn  etwa  bei  Stiefel  und  manchen  anderen  Wörtern  der 
fall?  selbst  pfalz  würde  man  trotz  dem  pf  der  lautgestalt  nach 
gewis  eher  für  ein  germ.  wort  halten,  wer  sagt  ferner  dass  die 
bedeutung  'eifer'  nicht  aus  'kämpf  erwachsen  könne?  wenn  die 
Germanen  noch  so  viele  eigene  Wörter  für  'kämpf  hatten,  so 
konnten  sie,  wie  ja  selbst  Hildebrand  zugibt,  für  eine  specielle 
bedeutung  darum  doch  ein  fremdvvort  entlehnen,  und  selbst  ohne 
die  specielle  uüance  der  bedeutung.  warum  sollen  die  alten 
Germanen  nicht  aus  denselben  motiven  gehandelt  haben,  aus  denen 
die  jüngeren  Wörter  wie  darne,  mamseU,  charmant,  miserabel  und 
so  viele  andere  gebrauchen?  man  sehe  nur  die  rede  eines  mo- 
derneu mannes  an,  der  sehr  viel  über  seine  germ.  natioualität 
reflectiert,  wie  viel  geborgtes  gut  sie  enthält,  zu  dessen  gebrauch 
eine  nötigung  nicht  vorhanden  ist!  kamp  heifst  in  den  altgerm. 
sprachen  'Zweikampf,  dieselbe  bedeutung  hat  mlat.  campus,  folg- 
lich sind  beide  identisch,  wer  nun  lust  hat  mlat.  campus  'zwei- 
Icampf  von  lat.  campus  'kampfplatz'  zu  trennen,  der  mag  es 
riskieren,  aber  den  altgerm.  character  des  wortes  würde  er  damit 
immer  noch  nicht  erwiesen  haben,  es  sollte  billiger  weise  doch 
auffallen  dass  alle  die  mit  k  anlautenden  und  sonstigen  Wörter, 
bei  denen  die  rettungsversuche  augestellt  werden,  im  got.  fehlen, 
es  müste  doch  stutzig  machen  dass  so  oft,  wie  zb.  bei  köpf  und 
korb,  germ.  Wörter  mit  gleichlautenden  fremden  zufallig  zu- 
sammentreffen, sehr  verfehlt  ist  es  auch,  aus  ahd.  vorst  ein 
germ.  wort  macheu  zu  wollen,  welches  zu  führe  oder  gar  zu 
fairguni  gehören  soll,  es  fehlt  dafür  jeglicher  anhält,  da  die 
laulform  forst  aus  lat.  forest-  oder  forast-  ganz  correct  ist.  auch 
wäre  anders  die  bedeutung  'wilder  wald'  zu  erwarten;  aber  so 
weit  das  wort  sich  beobachten  lässt,  haftet  ihm  der  begriff  'ge- 
begterwald'  an,  und  dieser  begriff  allein  würde  fast  genügen, 
um  lal.-roman.  enllchnung  zu  vermuten,  was  die  mlat.  formen 
betrilft,  so  hat  man  nicht  den  mindesten  grund  an  ihrer  ablei- 
lung  aus  lat.  foris  oder  foras  zu  zweifeln;  dass  daraus  forest- 
hervorgehen  konnte,  beweist  ital.  forestiere  'fremder',  auch  die 
bedeutung  gibt  keinen  genügenden  anlass,  um  die  alte  elymologie 
zu  beanstanden,    warum  stimmen  die  bedeutungen  von  lat.  cupella, 

aiiyelührt  werden  können,  unter  enthc/iren  würde  die  rücksichtnahnie  auf 
miil.  ontbercn,  welclies  'unterlassen'  bedeutet,  eine  lalsche  elymolofjie  er- 
spart haben. 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖKTERBÜCH  9 

ciipelliis  nicht  zu  kübel?  sie  sind  deminutiva  von  cupa  und  be- 
deuten mithin  'kleine  kufe'.  und  was  weist  positiv  auf  gerni. 
kubil-?  mit  hoben  'enger  räum'  kann  keine  Verwandtschaft  be- 
stehen, denn  der  kübel  ist  kein  enger  räum,  mnl.  cövele  'kutte, 
haube'  (sie  heifsen  wide  cövele!)  ist  a'ibüa  und  dies  entsteht  regel- 
recht aus  cnbella  (cupella)  —  die  namen  von  kleidungsstücken  und 
gefäfsen  berühren  sich  öfter  — ,  und  so  bleibt  auch  für  ahd.  *chubil 
ein  lat.  deminutivum  das  wahrscheiulichste  etymou.  semmel 
soll  ein  deutsches  wort  sein  und  zu  ahd.  Simon  'essen'  geboren, 
welches  wol  nur  aus  gisemon  Olfr.  iv  20,6  erschlossen  ist!  auch 
*die  frühe  Verbreitung  über  die  westgerm.  sprachen'  kann  nicht, 
wie  es  zb.  bei  tilgen  geschieht,  als  entscheidender  beweis  gegen 
entlehnung  geltend  gemacht  werden,  wir  müssen  sogar  gemein- 
same sprachgeschichtliche  entwickelungszüge  bei  sämmtlichen  Ger- 
manen nach  der  irennung  zugeben  (s.  oben  die  bemerkung  zu 
heide  und  unten  zu  fasten),  und  Kl.  kann  gewis  nichts  im  princip 
dagegen  haben,  da  er  seite  xvi  f  der  einleitung  voraussetzt  dass 
'der  fortwährende  verkehr  zwischen  den  ausgewanderten  Indo- 
germanen  zu  einem  regen  austausch  von  kulturerrungenschaften 
führte'  und  zuweilen  'sprachliche  Übereinstimmungen  bei  den  west- 
lichen Indogermanen  nur  auf  Übertragung  von  einem  volk  zum 
anderen  beruhen  (s.  nähenf.  aber  wenn  darin  auch  eine  Schwierig- 
keit liegen  sollte,  so  darf  sie  doch  nicht  gegen  eine  so  genaue 
Übereinstimmung  in  bedeutung  und  form  in  anschlag  gebracht 
werden,  wie  sie  tilgen  mit  delere  zeigt,  dass  aus  deleo  diljö,  di- 
ligö,  dtlö  werden  konnte,  wird  wol  niemand  bestreiten  (Übergang 
von  lat.  e  im  germ.  zu  i  bespricht  Kl.  selbst  unter  feier);  ganz 
ebenso  kommt  ahd.  bi-munigö  'ermahne'  aus  moneo.  man  vergl. 
auch  den  parallelismus:  Olfried  dilön,  crüzön,  INotker  tiligön, 
chrüzigön.  bei  mancher  anderen  etymologie  noch  erkenne  ich  das 
gleiche  Vorurteil,  recht  grell  tritt  es  bei  hurtig  hervor,  wo  der 
vollständig  genügenden,  überzeugenden  und  anerkannten  ableitung 
von  hurt,  hurten  ganz  überflüssiger  weise  noch  die  au  sich  sehr 
unsichere,  jedes  festen  bodens  entbehrende  Vermutung  augehängt 
wird,  das  wort  könne  auch  mit  ags.  hrced  zusammengehören, 
mhd.  hurtedich  wird  man  doch  nicht  von  hurt  trennen,  und  dass 
dies  das  französische  wort  ist,  wird  zum  überfluss  durch  mnl.  hurt 
(hurten)  erhärtet,  den  methodischen  fehler,  welcher  hier  herein- 
spielt, treffen  wir  auch  wol  aufserhaib  dieses  Zusammenhanges: 
der  gewöhnlichen  etymologie  von  gatter  wird  noch  eine  lautlich 
unmögliche  und  begrifflich  keineswegs  bessere  beigegeben  und  der 
überzeugenden  von  wort  =  verbum  noch  eine  möglichkeit  an- 
gehängt, die  danach  keinen  sinn  mehr  hat.  es  ist  ja  ein  beweis 
unseres  geringen  etymologischen  wissens,  wenn  wir  mehrere  mög- 
lichkeiten  zugeben  müssen;  darum  werden  wir  es  aber  auch  nur 
dann  tun,  wenn  es  absolut  nötig  ist,  wenn  die  Wahrscheinlichkeit 
in  den  verschiedenen  fallen  sich   die  wage  hält,     bei  jener  eut- 


10  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

schiedenen  neiguog  des  Verfassers  wundert  es  mich  dass  unter 
scherz  nicht  ruhig  gesagt  ist  dass  ital.  scherzare  nur  deutsches 
lehnwort  sein  könne,  was  ist  gegen  die  vergleichungen  hei  Fick^ 
206  einzuwenden?  auch  hei  schuf  dürfte  der  germ.  Ursprung 
schärfer  hetont  werden  auf  grund  von  alternnl.  scilf,  scelfe,  wel- 
ches schwerlich  dem  deutschen  entlehnt  ist.  gegen  die  Zusammen- 
stellung mit  Schelfe  'schale'  (scilf  'pflanze,  die  sich  leicht  abschält') 
ist  auch  nichts  einzuwenden;  vgl.  nl.  schilferen  'in  dünnen  blätt- 
chen abfallen.' 

Begreiflicher,  aber  darum  noch  nicht  berechtigt,  ist  die 
gröfsere  beachtung,  welche  altgerm.  Wörter  gegenüber  jung  be- 
legten und  besonders  jünger  gebildeten  finden,  das  interesse  des 
Verfassers  erlahmt,  wenn  sich  nicht  die  aussieht  auf  ein  weites 
gebiet  der  idg.  Sprachgeschichte,  oder  mindestens  ein  interessan- 
ter blick  in  die  kulturgeschichte  erötfuet.  ein  artikel  wie  schmutz 
macht  nicht  den  eindruck,  als  ob  er  sehr  durchgearbeitet  sei,  und 
sticht  dadurch  vom  allgemeinen  character  des  buches  um  so  mehr 
ab.  das  ist  aber  keine  volle  objectivität;  das  Proletariat,  so  weit 
es  in  die  Schriftsprache  eingedrungen  ist,  sollte  gleiches  recht 
haben  wie  der  wortadel.  auch  ist  es  übereilt,  zb.  hei  bahn  zu 
sagen:  'der  älteren  Sprachgeschichte  fehlt  ein  hiermit  identisches 
wort  und  somit  jeder  anhält  für  die  etymologie';  dass  dem  in 
diesem  speciellen  falle  nicht  so  ist,  habe  ich  in  meinem  Etymolog, 
wb.  unter  baa7i  gezeigt,  zu  schnell  fertige  behauptungen  hätte 
ich  auch  sonst  anzumerken,  wenn  beispielsweise  unter  fütif —  und 
ähnlich  öfter  —  gesagt  wird  'die  versuche,  die  benennung  ety- 
mologisch zu  ergründen,  in  ihr  etwa  ein  wort  'haud'  zu  erken- 
nen, haben  keine  berechligung.  die  idg.  Zahlenbenennungen  stehen 
als  feste  bildungen  vor  uns,  deren  Ursprung  dunkel  ist.'  wer  darf 
denn  behaupten  dass  nicht  einmal  eine  plausible  etymologie  gefun- 
den werden  könne?  dass  der  Verfasser  nicht  etwa  blofs  sagen  will, 
die  bis  jetzt  gemachten  versuche  seien  verfehlt,  scheint  sich  bei  hatid 
zu  ergeben,  wo  es  fast  zum  axiom  erhoben  wird  dass  ein  solches 
wort  isoliert  dastehen  müsse,     vgl.  auch  haber  am  schluss. 

Aus  den  neigungen  und  abneigungen  des  Verfassers  erklärt 
es  sich  dass ,  auch  abgesehen  von  verkannten  lehnwörtern,  man- 
ches einfach  als  idg.  oder  doch  altgerm.  erbgut  betrachtet  wird, 
was  es  nicht  ist,  von  dem  wir  es  wenigstens  nicht  beweisen  kön- 
nen, dabei  ist  ein  principieller  factor  in  der  Sprachgeschichte 
nicht  gehörig  zur  geltung  gekommen,  bei  dem  ich  etwas  verweilen 
möchte,  ich  meine  die  onoma  topoeie,  indem  ich  das  wort 
weiter  fasse,  als  es  in  der  regel  geschieht,  und  dasselbe  darunter 
verstehe,  was  I'aul  im  10  cap.  seiner  Principien  der  Sprachge- 
schichte urschöpfung  nennt  und  sehr  gut  hehanilelt  (v^'l.  dazu 
auch  Whitney  Leben  und  Wachstum  der  spr.  s.  318  IT  und  meine 
bemerkung  Zs.  27,  1421).  Kl.  hat  in  seinem  Vortrag  über  ety- 
mologie, gehalten  auf  der  Karlsruher  philologenversammlung,  das 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  11 

cap.  aus  Pauls  buche  ciliert,  aber  ob  er  ihm  die  tragweite  se- 
geben hat,  die  Paul  selbst  beabsichtigte,  möchte  ich  bezweifeln, 
ich  wähle  die  andere  bezeichnung,  weil  sie  bequem  ist  und  das 
wesen  der  sache  trifTt.  denn  eine  biklung  ist  nicht  nur  dann 
als  onomatopoetisch  zu  fassen,  wenn  die  laute,  aus  denen  sie 
besteht,  unmittelbar  auf  den  geist  einen  ähnlichen  eindruck 
machen  wie  das  zu  bezeichnende  object,  sondern  wenn  die  be- 
deulung  überhaupt  mit  dem  laulgebilde  eng  verknüpft  ist,  wenn 
jener  eindruck  durch  eine  association  irgend  welcher  art  zu  stände 
gebracht  wird.  Wörter,  die  buchstäblich  einen  schall  ausdrücken, 
kann  es  kaum  geben,  weil  es  keinen  articulierten  schall  gibt, 
wir  sehen  ja  auch  dass  derselbe  schall  auf  verschiedene  weise 
bezeichnet  wird,  die  bezeichnungen  aber  gleichmäfsig  für  ono- 
malopoetisch  gelten,  die  gewöhnliche  interjeclion  beim  fallen 
eines  schweren  gegenständes  ins  wasser  ist  phimps,  man  sagt  da- 
für aber  auch  bums,  und  zuweilen  kann  man  bei  derselben  ge- 
legenheit  das  lautlich  sehr  verschiedene  platsch  anwenden;  hautz 
wird  für  einen  schlag  mit  der  faust  gebraucht,  bautzen  ist  aber 
auch  bellen,  noch  stärker  werden  die  differenzen  bei  den  bezeich- 
nungen sehr  sinnfälliger  bewegungen,  wo  ja  die  onomatopoeie  not- 
wendig schon  mittelbarer  sein  muss  als  bei  schalhvörtern.  ferner 
wissen  wir  dass  Wörter  für  sinnfällige  Vorstellungen  mit  grofser 
bestimmtheit  onomatopoetisch  aufgefasst  werden,  die  zufällig  die 
betreffende  lautgestalt  resp.  die  betreffende  bedeutung  erlangt 
haben;  und  in  vielen  fällen  würde  es  wol  sehr  schwer  zu  er- 
weisen sein,  in  wie  fern  die  lautgestalt  der  Vorstellung  conform 
ist.  das  kommt  daher,  weil  die  conformität  zuweilen  erst  auf 
einer  reihe  von  associationen  beruht,  die  vermittelung  kann  nui^ 
auch  dadurch  zu  stände  kommen  dass  eine  anzahl  anderer  Wörter 
von  ähnlicher  bedeutung  eine  ähnliche  lautgestalt  haben,  in  der 
ursprünglich  gar  nichts  onomatopoetisches  zu  stecken  braucht, 
in  dem  sinne  wäre  es  allerdings  auch  eine  onomatopoetische 
Schöpfung  zu  nennen,  dass  zu  einer  zeit  der  bahn  als  Sänger  von 
einer  wz.  kan  *kanon  benannt  wurde,  vorausgesetzt  dass  für  das 
Sprachgefühl  der  damaligen  menschen  mit  der  lautgruppe  kan  die 
Vorstellung  'singen'  nicht  mehr  blofs  durch  gedächtnismäfsige  re- 
productiou  verknüpft  war.  ich  glaube  aber  in  der  tat  auch  dass 
es  ganz  unmöglich  ist,  feste  gränzen  für  die  onomatopoeie  zu 
ziehen,  für  das  practische  bedürfnis  kann  man  ja  den  namen 
auf  diejenigen  fälle  beschränken ,  in  denen  eine  neue  lautliche 
combination  von  der  gestalt  entsteht,  welche  wir  in  der  regel  als 
Wurzel  betrachten. 

Mit  recht  betont  Paul  aao.  dass  diese  urschöpfung  zu  jeder 
zeit  tätig  sei,  auch  zu  der  unseren,  es  käme  darauf  an,  ihr  wesen 
näher  zu  ergründen,  ohne  bis  jetzt  die  zeit  zu  eingehenderer 
Untersuchung  gefunden  zu  haben,  kann  ich  doch  einiges  bei- 
bringen, was  vielleicht  nicht  ganz  ohne  wert  ist. 


12  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

An  deu  zahlreichen  onomatopoeien,  die  unsere  Volkssprache 
zumal  in  den  frequeutaliven,  intensiven  uä.  besitzt,  lassen  sich 
einige  beohachtuugen  leicht  anstellen,  die  nur  durch  concrete 
beispiele  noch  besser  zu  stützen  wären,  es  liegt  ja  im  weseu 
der  onomatopoeie  dass  sie  einen  sinnfälligen  begriß"  enthalte,  der- 
selbe wird  ohne  zweifei  sehr  deutlich  herausgeiiihlt;  allein  meist 
ist  er  doch  mit  nebeubegrilTen  so  eng  verbunden,  dass  er  trotz- 
dem etwas  vages  erhält,  es  kommt  sehr  häufig  vor  dass  Wörter 
onomatopoetischen  characters  eine  ganze  reihe  von  bedentungen 
in  sich  vereinigen,  die  sich  nicht  immer  nahe  stehen ;.  lerner  gibt 
es  dabei  merkwürdige  parallelen,  indem  nicht  nur  derselbe  begriff 
durch  mehrere  lautähnliche  oder  laulverschiedene  Wörter  ausge- 
drückt wird,  sondern  die  einzelnen  auch  dieselbe  mehrlache  be- 
deutung  in  sich  vereinigen,  daraus  müssen  wir  jedeslalls  schliefsen 
dass  es  auch  bei  diesen  lormationen  dem  Sprachgefühl  leicht  wird, 
von  einem  begriff  zum  anderen  überzugehen;  denn  die  betreffen- 
den parallelwörter  werden  schwerlich  immer  selbständig  zu  allen 
bedeutungen  gekommen  sein,  ein  instructives  beispiel  ist  fick- 
facken,  dessen  onomatopoetischer  character  sich  nicht  bezweifeln 
lässt,  wenn  auch  An],  ficchan  'reiben'  an  demselben  beteiligt  ist 
und  selbst  nicht  onomatopoetisch  sein  sollte;  vgl.  auch  ßck,  fick 
als  interject.  beim  rutenschlag,  wofür  sich  auch  fickfuck  iindet» 
und  westf.  fick  di  fack  im  rätsei  vom  besen  gesagt,  die  sinnliche 
Vorstellung  muss  die  einer  kurzen,  schnell  auf  einander  folgenden 
beweguug  sein,  von  fickfacken  nun  verzeichnet  Weigand  als  nhd. 
die  bedeutungen  'ohne  absieht  hin  und  wider  laufen;  geschäftig 
sein;  eifrig  böses  anzetteln,  ranke  schmieden;  blendwerk  machen; 
yuzuverlässig  handeln  oder  reden;  zur  Züchtigung  mit  ruten 
schlagen';  mit  weilerer  modification  kommt  dazu  im  nl.  'kleines 
werk  tun,  trödeln',  andere  dialecte  würden  vielleicht  noch  andere 
niodificationen  ergeben,  dazu  tritt  nun  mit  ziemlich  verschiedener 
Wendung  im  nfläm.  (De  Bo  Idiolicon)  die  bedeulung  'mit  färbe 
bespritzen',  die  aber  auch  leicht  erklärlich  bleibt:  das  spritzen 
selbst  ist  ungefähr  dieselbe  beweguug  wie  beim  rutenschlagen,  und 
aufserdem  wird  die  laulverbiudung  fickfacken  sich  leicht  der  vor- 
stellungdes  gesprenkelten,  welches  bei  dieser  art  des  färbens  ent- 
steht, gefügt  haben,  wenn  nun  im  wetsüä).  fiksefakse  für  'Schnick- 
schnack, posse'  gesagt  wird  (auch  im  DWB  fixfax),  so  steht  die 
bildung  dem  spiachgefühl  sicherlich  mit  fickfacken  'blendwerk 
machen'  im  Zusammenhang,  einerlei  ob  sie  noch  andere  grund- 
lagen  hat  oder  nicht,  und  auch  Schnickschnack  wird  nicht  ganz 
aul'ser  beziehung  zu  jenen  Wörtern  sein,  ist  aber  fixefaxe  (fem.) 
'posse',  so  kann  auch  faxe  hier  seinen  Ursprung  haben,  und  das 
wort  liefse  sich  dann  nicht  anders  wie  als  onomatopoetische  bil- 
dung bezeichnen,  denn  man  könnte  es  doch  nicht  unmittelbar  an 
ahd.  ficchan  anknüpfen,  ferner  kann  man  aber  auch  leicht  zu 
der  Vermutung  kommen  dass  die  wurzeln  des  adject.  fix  zum  teil 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  13 

in  diesen  botlen  hineinreichen  (s.  unten),  das  schon  einmal  heran- 
gezogene nfläm,  scheint  uns  nun  auch  von  ficken  aus  zu  anderen 
lautähnlichen  biidungen  überzuleiten,  wenn  dort  fikkeji  bedeutet 
*mit  einem  schlechten  messer  an  etwas  herumschnitzeln',  so  stehen 
wir  in  anbetracht  von  nl.  fikfakken  'possein'  vielleicht  noch  immer 
bei  derselben  sippe;  allein  der  gleiche  begriff  heilst  im  selben  dia- 
lect  auch  figgelen  und  viggelen,  in  anderen  ßtselen,  fitschelen,  und 
wenn  ich  nicht  irre,  wird  auch  futselen  in  der  gleichen  bedeu- 
tung  gebraucht,  wie  viel  arbeit  wird  es  noch  kosten,  bis  dieses 
mit  wahren  Schlingpflanzen  überwucherte  gebiet  so  weit  zugäng- 
lich gemacht  ist,  dass  eine  durch  die  exacte  auflösung  von  laut- 
problemen  und  kulturhistorisch  interessantes  material  verwöhnte 
Sprachforschung  dasselbe  gerne  betritt! 

Eine  wichtige  beobachtung  besteht  darin,  dass  der  onomato- 
poetische character  nicht  die  ganze  wurzel  zu  umfassen  braucht, 
sondern  sich  vielfach  an  einzelne  lautverbindungen  und  selbst  an 
einzelne  laute  heftet  (vgl.  Paul  aao.  s.  188);  diese  können  dann 
zur  grundlage  partieller  neuschopfungen  werden,  ja  selbst  die 
vocalqu  antität  kann  das  Sprachgefühl  in  diesem  sinne  als  dif- 
ferenzierendes mittel  auffassen,  so  kann  der  anlaut  tr  von  treten 
die  grundlage  einer  reihe  von  Wörtern  bilden,  die  mit  tr  begin- 
nend verschiedene  arten  von  treten  bezeichnen,  der  zufällige  aus- 
laut  X  eines  wortes  eine  reihe  von  anderen  Wörtern  mit  ähn- 
lichen bedeutungen  beeinflussen,  indem  entweder  x  an  die  stelle 
eines  anderen  auslautes  tritt,  eines  verwandten  oder  nicht  ver- 
wandten, oder  ein  neues  wort  mit  auslautendem  x  gebildet  wird ; 
auf  grund  eines  Verhältnisses  wie  spatz :  sperling  oder  einer  bil- 
dung  wie  spatz  für  sich  kann  das  tz  durch  analogie  weiterwürken. 
so  glaube  ich  dass  schnautze  sich  nicht  sowol  an  schneuzen, 
sondern  überhaupt  an  Wörter  auf  ze,  z  anlehnt,  die  öfter  einen 
etwas  verächtlichen  sinn  haben  (vgl.  auch  unten  götze).  ähnlich 
ist  es,  wenn  in  den  iterativen  die  vocale  so  leicht  wechseln,  sie 
lehnen  sich  dann  an  andere  iterativa  oder  an  gruppen  von  solchen 
an.  ich  glaube  dass  sich  auf  diesem  gebiete  mancher  leicht  selbst 
beobachten  kann,  wie  er  iterativa  gebraucht,  die  vorher  noch  nicht 
da  waren,  oder  wenigstens  in  einem  neuen  sinne,  als  ein  beispiel 
partieller  onomatopoetischer  Umbildung  fasse  ich  posaune,  das 
historisch  berechtigte  bosine  tritt  auf  einmal  als  bosüne  auf,  ohne 
dass  man  das  n  erklären  könnte,  meiner  ansieht  nach  ist  -tme 
an  die  stelle  von  -ine  getreten,  weil  es  für  den  posaunenton 
characteristischer  ist;  vielleicht  war  dabei  auch  das  ü  von  tam- 
büre,  tambnse  mit  von  einfluss,  so  ist  ohne  zweifei  i\\k\.  schaukeln 
für  mhd.  schuckelen  nl.  schokkelen  onomatop.  Umbildung,  die  sich 
an  baumeln,  taumeln,  gaukeln  anlehnt;  das  au  ist  characteristisch 
für  eine  schwebende,  schaukelnde  bewegung  geworden,  durch 
partielle  onomatop.  Umbildung  kann  nach  einem  Verhältnis  wie 
biUken  :  biegen   der  schlussconsonant  irgend    eines   verbums  ver- 


14  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

schärft  werden;  wenn  daher  bücken  auch  auf  ein  vorgerm.  hhukn- 
zurückgeht,  so  ist  damit  doch  noch  nicht  gesagt  dass  jedes  inten- 
sivum  mit  verschärftem  auslaut  eine  alte  n-biidung  erweist. 

Es  lässt  sich  weiter  kaum  bezweifeln  dass  sich  neue  worter 
aus  mehreren  onomatop.  elementen  zusammensetzen,  dass  der  an- 
laut  von  a,  der  auslaut  von  b,  der  vocal  von  c  zu  einer  neufor- 
mation  zusammengeschmolzen  werden  können,  dass  manchmal  viel- 
leicht eine  ganze  reihe  von  Wörtern  bei  der  bildung  eines  neuen 
beteiligt  ist,  die  selbst  nichts  onomapoetisches  zu  haben  brauchen, 
nl.  bluffen  'schlagen'  könnte  sich  zb.  ua.  an  blouwen  'bläuen' 
lehnen,  es  hält  hier  freilich,  auf  einem  so  schwankenden  boden, 
sehr  schwer  einen  beweis  zu  führen,  aber  principiell  wird  sich 
die  möglichkeit  nicht  läugnen  lassen,  ein  beispiel  ist  vielleicht 
gipfel,  dessen  jüngere  entstehung  die  sprachgeschichtlichen  tat- 
sachen  wahrscheinlich  machen;  als  demente  dazu  würden  einer- 
seits gupf  und  giebel,  andererseits  wipfel,  zipfel  wol  genügen,  in 
ähnlicher  weise  liefse  sich  holpern  deuten:  für  den  anlaul  können 
die  gruppen  von  hinken,  holzen,  humpeln  und  von  hobbel  ('Un- 
ebenheit'), höcker  mafsgebend  gewesen  sein,  für  die  weitere  form 
poltern  (vgl.  holter  die  polter),  vielleicht  auch  tölpel;  bei  stolpern, 
bei  dem  auch  Kl.  an  onomatop.  Ursprung  glaubt,  kämen  stürzen 
und  straucheln  in  betracht.  eine  ziemlich  deutliche  onomatopoeie 
scheint  mir  rutschen,  rutsch  ist  ja  mit  den  ablautenden  litsch, 
ratsch  geradezu  interjection  für  gleitende,  schnelle  bewegung.  aber 
auch  hier  hat  die  Schöpfung  sicher  noch  weitere  stützen,  so  in 
rucken  (wie  batze  :  backen)  bei  der  speciellen  bedeutung  'rutschen 
um  platz  zu  machen',  dialectisch  sind  rücken  und  rutschen  in  dem 
sinne  ganz  gleichbedeutend,  auch  noch  von  anderen  Wörtern  liefse 
sich  ein  einfluss  nicht  ohne  Wahrscheinlichkeit  behaupten,  vgl. 
auch  unten  die  bemerkungen  zu  knospe  und  tüpfel. 

Der  bestand  solcher  Schöpfungen  ist  natürlich  an  ihre  zweck- 
mäfsigkeit  geknüpft;  woher  sie  kommen,  weifs  man  nicht  und 
fragt  man  nicht;  man  könnte  fast  sagen,  sie  haben  in  der  luft 
gelegen,  fix  ist  doch  wol  im  gründe  das  franz. -lat.  wort  und 
bestand  zunächst  in  der  Verbindung  fix  und  fertig,  die  noch  heute 
lebendig  ist.  fix  konnte  hieraus  leicht  die  bedeutung  'schnell 
bereit'  gewinnen,  woran  sich  die  von  'flink  und  gewandt'  bequem 
anschliefst,  das  Sprachgefühl  hätte  sich  in  diesem  falle  eines 
importierten  fertigen  Wortes  bemächtigt,  weil  die  niitimportierte 
bedeutung  den  Übergang  zu  einer  solchen  erleichterte,  die  ono- 
matopoetisch aufgefasst  werden  konnte;  s.  oben. 

Was  nun  bei  jeder  neiischöpfiiog  der  fall  ist,  die  sich  nicht 
an  naheliegende  analogien  lehnen  kann,  dass  sie  unter  der  ober- 
flache  der  Sprache  von  langer  band  her  vorbereitet  sein  muss, 
das  gilt  auch  für  die  onomatopoeie.  derjenige,  aus  dessen  mund 
sie  zuerst  ertönt,  ist  sich  nicht  bewust  dass  er  etwas  neues  sagt 
und  würde  keine  rechenschaft  über  ihre  entstehung  geben  können. 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  15 

weil  sie  besonders  zweckdienlich  ist,  darum  ist  sie  bei  vielen  zu- 
gleich in  nicht  geringem  grade  vorbereitet  und  kann  sich  be- 
festigen, aber  es  ist  denkbar  dass  die  associationen,  denen  sie 
ihre  entstehiing  zu  verdanken  hat,  so  compliciert  sind  oder  so 
versteckt  liegen  ,  dass  auch  der  aufmerksam  gemachte  sie  nicht 
würde  reconstruieren  können,  freilich  fehlt  auch  uns  dann  jedes 
mittel,  um  die  onomalop.  neuschöpl'ung  zu  beweisen,  und  ich 
möchte  ganz  gewis  nicht  einer  methode  das  wort  reden,  die  schnell 
bereit  ist,  sich  mit  einer  Schwierigkeit  auf  diesem  wege  abzu- 
finden. 

Wer  mit  Paul  annimmt  dass  die  onomatopoeie  zu  jeder  zeit 
in  der  spräche  tätig  sei  —  wenn  vielleicht  auch  einmal  mehr, 
einmal  weniger  — ,  der  hat  noch  eine  nicht  ganz  leichte  frage 
zu  beantworten,  heute  erscheinen  die  meisten  dieser  bildungen 
in  der  gruppe  der  iterativa,  intensiva  und  ihrer  verwandten,  für 
ältere  perioden  müsten  wir  aber  notwendig  auch  die  entslehung 
einfacherer  bildungen  voraussetzen,  der  hauptgrund  des  Unter- 
schiedes ist  vielleicht  in  dem  umstände  zu  suchen,  dass  die  meisten 
einfachen  bildungsweisen  nicht  mehr  lebendig  geblieben  sind,  oder 
dass  wenigstens  mit  den  lauten  auch  ihre  bedeutung  verblasst  ist; 
diesen  Wörtern  ist  aber  ein  farbenreicherer  character  gemäfs.  dann 
ist  zu  bedenken  dass  jene  wortgruppen  doch  nur  spärlich  in  die 
Schriftsprache  aufnähme  finden,  die  sie  nicht  nötig  hat  oder  gar 
nicht  gebrauchen  kann;  es  könnten  darum  entsprechende  forma- 
tionen  älterer  zeit  spurlos  vergangen  sein,  da  ferner  die  mög- 
lichkeit  besteht  dass  aus  frequentativen  uä.  nachträglich  einfachere 
formen  abgeleitet  werden,  so  besitzen  wir  vielleicht  in  einfachen 
Wörtern  die  reste  von  früheren  complicierten  formationen.  schliefs- 
lich  wird  auch  in  betracht  kommen  dass  die  litterarische  bildung 
das  in  die  spräche  aufgenommene  material  vor  Umbildungen  — 
und  Umbildungen,  nicht  volle  neuschöpfungen  sind  ja  weitaus  die 
meisten  onomatopoeien  —  in  einem  nicht  geringen  grade  zu 
schützen  vermag,  dass  die  höhere  Verwendung  wie  die  form  so 
auch  die  bedeutung  festigt  und  läutert. 

Kl.  gesteht  in  den  späteren  teilen  des  werkes  mehr  onomatop. 
neuschöpfungen  zu  als  vorher,  aufserdem  nähert  er  sich  dem 
besprochenen  gebiete,  wenn  er  nicht  selten  doppelformigkeit  der 
wurzeln  innerhalb  des  germ.  oder  auch  schon  im  vorgerm.  zu- 
gibt, allein  die  jeder  zeit  lebendige  urschöpl'ung  muste  in  gröfse- 
rem  mafse  berücksichtigt  werden  und  zur  vorsieht  mahnen  bei 
der  annähme  unsicherer  alter  beziehungen  und  der  construction 
von  Urformen. 

Eng  mit  der  modernen  grammatischen  richtung  hängen  die 
schwächen  zusammen,  welche  sich  hinsichtlich  der  bedeutungs- 
lehre  in  diesem  werke  fühlbar  machen,  zu  Grimms  zt-iteu  hat 
man  alter  tradition  gemäfs  noch  mehr  mit  begriffscombinationen 
etymologisiert   als  heute;    aber   dieselben   waren   nicht   gezügelt 


16  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

durch  eine  genügende  lautkenntnis.  die  jetzige  forschung  geniefst 
den  Vorzug  dass  sie  sich  in  viel  engeren  schranken  bewegen 
muss;  doch  ist  die  reaction,  welche  hierzu  geführt  hat,  teilweise 
auch  zu  weil  gegangen,  sie  hat  die  lautlehre  zu  sehr  in  den 
Vordergrund  der  Sprachgeschichte  gerückt;  mit  der  bedeutungs- 
lehre  beschäftigen  wir  uns  viel  zu  wenig,  wie  wenig  befriedigt 
hier  die  begrift'senlwickelung  im  artikel  bieten!  rutschen  soll  zu 
rütten,  karst  zu  kehren  'legen'  geboren!  (unter  der  Voraussetzung, 
dass  karst  md.  nd.  form  sei,  wäre  eher  an  kratzen  zu  denken; 
vgl.  ahn.  krota  'eingraben'.)  auch  der  artikel  kaum  ist  nicht  vvol 
geraten,  germ.  kümön  bedeutet  nichts  anderes  als  'klagen,  jam- 
mern, stöhnen',  eine  entsprechende  grundbedeutung  kommt  der 
nominalbilduug  zu,  deren  adverbium  kümo  'kaum'  ist;  die  weiter- 
gehenden bedeutungen  des  adjectivs  —  so  weit  sie  vorkommen  — 
erklären  sich  wie  in  nhd.  elend  und  jämmerlich,  was  bei  altn. 
kann  geahnt  wird,  ist  nicht  ganz  klar;  zur  annähme  einer  be- 
deutung  'leiden'  liegt  keine  nöligung  vor.  zuweilen  wird  sehr 
starkes  für  möglich  gehalten,  ein  andermal  aber  kurzweg  erklärt 
dass  ein  specieller  bedeutungsübergang  unmöglich  sei.  unter 
schaudern  heifst  es  'die  annähme,  Schauder  gehöre  mit  schauer  zu 
mhd.  schür,  ist  unberechtigt,  weil  das  mhd,  wort  die  bedeutung 
'schauder'  nicht  hat.'  damit  vgl.  man  zb.  arg,  wo  es  nicht  nötig 
gefunden  wird ,  von  nhd.  ärgern  mehr  zu  sagen ,  als  dass  es  mhd. 
ergern  'zum  bösen  reizen,  verschlechtern,  verderben'  sei.  ich 
denke,  hier  steht  die  nhd.  bedeutung  viel  weiter  von  der  ange- 
führten mhd.  ab,  als  die  des  nhd.  schauder  von  mhd.  schür  nlul. 
schauer,  heute  gehen  ohne  zweifei  dem  Sprachgefühl  vieler  schauer 
und  schauder  durch  einander,  damit  soll  was  sonst  bei  schauder 
vorgebracht  wird  nicht  angelastet  sein,  auf  dem  gebiete  des  be- 
deulungswandels  ist  es  überhaupt  mislich,  von  Unmöglichkei- 
ten zu  reden  und  die  zuversichtlichkeit  so  weit  zu  treiben,  dass 
die  entwickelung  des  begrilTes  'Wetteifer,  eifer'  aus  'z\veikam|)f, 
kämpf  (unter  kämpf)  für  unmöglich  erklärt  wird ;  wir  haben  doch 
gesicherte  beispiele  genug,  welche  uns  ganz  anderes  als  möglich 
zeigen,  wir  wissen  dass  die  entwickelung  selbst  bis  zu  gegeu- 
sätzen  gehen  kann,  und  es  ist  bekannt  dass  das  überraschendste 
auf  diesem  gebiete  manchmal  durch  aufdeckung  eines  einzigen 
mittelgliedes  deutlich  wird,  wir  sollten  bescheidener  sein,  ehe 
wir  nicht  aus  einer  umfassenden  bedeutungslehre  gesetze  abstra- 
hiert haben.  Kl.  spricht  allerdings  unter  graf  von  'gesetzen  des 
bedeutungswandels',  aber  wo  findet  man  dieselben  ? 

Die  anmerkungen  zu  den  einzelnen  artikeln  lasse  ich  in 
alphabetischer  Ordnung  folgen. 

ahnen,  die  ableitung  von  der  pr;i|)osilion:  mich  anet  'mich 
kommt  au'  ist  mir  doch  viel  wahrscheinlicher  als  die  ganz  in 
der  luft  schwebende  von  an  'hauchen',  bei  der  enlslehung  des 
Wortes  könnte  auch  der  gedanke  an  a«e 'ahn'  mil;i;ewürkl  haben; 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  17 

man  denke  an  die  vorbedeutungsvollen  ersclieinungen  der  alin- 
frauen.  —  arm  adj.  würde  der  bedeutung  nach  vorzüglich  zu 
arbeit  passen ;  auch  lautlich  liefse  sich  die  Zusammenstellung 
stützen:  armo  aus  *orbhmo;  vgl,  zb.  ahd.  hahno  bei  Kl.  unter 
halfter.  mein  freund  dr  Julian  Kremer  hat  mir  dieselbe  etymo- 
logie  mitgeteilt,  —  hellhatninel  ist  sicher  'schellenhammel'; 
Kilian  gibt  dazu  franz,  monton  d  la  sonnette.  —  bequem,  eine 
bedeutung  'sich  ziemen'  für  das  einfache  qneman  ist  mir  ebenso 
wenig  bekannt,  als  es  notwendig  ist,  dieselbe  wegen  der  compo- 
sita  vorauszusetzen,  —  beschummeln  wird  sich  am  nächsten 
an  die  bedeutung  'fegen,  abschuppen'  schliefsen,  welche  schum- 
melen,  schommelen  im  nd,  nl,  hat,  auch  beschuppen  ist  ähn- 
lich zu  deuten  (schuppen  ist  in  verschiedenem  sinne  synonym  mit 
schummelen)  und  es  besteht  gewis  kein  so  enger  Zusammenhang 
mit  ags.  scop,  wie  man  nach  Kl.s  fassung  zu  glauben  versucht  sein 
könnte,  —  blasen,  'die  altgerm.  worte'  im  letzten  satze  ist  doch 
zu  allgemein  gesprochen,  —  blut.  was  heifst  got,  blöpa-  für 
*blöda-?  —  2  bremse,  da  die  entsprechende  nd,  nl,  sippe  von 
pramen,  premsen  durchaus  mit  p  anlautet,  kann  mhd.  bremse,  wel- 
ches sich  an  1  bremse  angelehnt  hat,  kein  got.  *bramisjd  sein; 
got,  hätte  vielmehr  ein  entsprechendes  wort  mit  p  anzulauten,  — 
brühe,  ist  bruch  druckfehler?  —  brunft.  Lessings  ansieht 
sollte  doch  etwas  eingeschränkt  werden,  da  der  Übergang  von 
brumft  zu  *brumst  und  weiter  zu  brunst  sehr  wol  lautgesetzlich 
sein  kann,  vgl.  meine  Mnl.  gr,  §  109  anm,  2,  —  bühre  (nl,  buer 
im  wb.  von  Plantijn)  wird  wol  das  franz.  bure  (bureau)  'grobes 
zeug'  sein,  —  dar.  übersehen  ist  nhd.  f/ar  =  ahd.  thara  'dort- 
hin'. —  diele,  dass  engl,  thill  'deichsel'  mit  diele  identisch  sei, 
ist  schwer  zu  glauben,  —  dreist,  die  wurzelform  braucht  doch 
nicht  notwendig  tris  zu  sein,  —  duft.  ich  glaube  kaum  dass  grund 
vorhanden  ist,  von  der  zubeziehung  des  wortes  zu  nd,  nl,  duf 
und  damit  zu  taub  abzugehen;  die  sippe  von  dampf  bietet  für 
die  bedeutungsentwickelung  die  beste  parallele,  —  bei  deutsch 
wird  ohne  not  eine  Schwierigkeit  aufgeworfen,  wenigstens  kann 
ich  nicht  sehen,  was  hier  unklar  ist:  die  Westgermanen  bezeich- 
neten ihre  eigene  art  als  'volkstümlich'  im  gegensatz  zu  'gelehrt' 
und  'fremd',  und  indem  die  nachbarvölker  die  bezeichnung  auf- 
nahmen (mlat,  theodiscus  allfrz.  thiois  usw.),  ward  sie  eben  zum 
volksnamen.  engl,  dutch  beruht  auf  mnl.  duutsch,  und  es  wider- 
holl  sich  hierbei  im  kleineren  genau  die  entstehung  von  deutsch. 
das  ist  alles  ganz  klar,  die  Deutschen  waren  dann  allerdings 
wider  so  gefällig,  ihren  namen  den  fremden  formen  zu  lieb  in 
tiutsch  umzuwandeln;  denn  diese  erklärung  von  mhd.  tiutsch  für 
diutsch  ist  kaum  zu  bezweifeln,  darum  ist  auch  der  ausfall  gegen 
die  verpöüung  von  teutsch  nicht  wol  angebracht.  —  durch- 
lau cht,  erlaucht,  das  ü  ist  bekanntlich  rückumlaut  nach  ana- 
logie.  —  einsiedel  mag  man  doch  kaum  eine  nachbildung  von 
A.  F.  D.  A.    XI.  2 


18  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

anacJwreta  nennen.  —  elfenbein.  das  h  in  iliesem  worte  und 
in  der  folge  dann  auch  iu  helfant  kann  sehr  wol  aus  volksety- 
mologischer anlehuuug  au  helfen  entspringen,  da  dem  elfenbein 
ganz  besondere  heilkräfte  zugeschrieben  wurden;  vgl.  zb.  Maerl. 
^'at.  bl.  2,  1390  ff.  —  empören.  Kl.  stellt  empören  zu  empor, 
jedoch  die  sippe  von  gebühren  zu  her  'tragen',  aber  bor  von  ge- 
bühren zu  trennen  haben  wir  am  allerwenigsten  grund,  burjan 
bedeutet  ja  'erheben'  im  eigentlichen  sinne,  ich  würde  allerdings 
jetzt  auch  bor,  und  mithin  auch  gebühren,  lieber  zu  empören  ziehen 
als  zu  her.  —  entrüsten  berührt  sich  mit  nd.  nl.  ontrusten  'in- 
quietare'  im  begriff  'turbare',  was  für  die  geschichte  des  nhd. 
Wortes  wol  nicht  ohne  belang  ist.  —  erdbeere.  was  ist  gegen 
die  ableitung  von  erde  einzuwenden?  —  fach  er.  als  feststehend 
können  wir  annehmen:  fächer  zu  fächern,  fächeln,  iterativ  von 
fachen  in  anfachen,  dessen  fach  gehört  vielleicht  mit  fakk  zu- 
sammen, welches  in  fackel  steckt  oder  dies  wort  beeinflusst  hat. 

—  faden,  die  nhd.  bedeutung  bleibt,  wie  auch  in  anderen  Wör- 
terbüchern, unerklärt;  es  ist  offenbar  'so  viel  vom  kuäuel,  wie 
man  mit  ausgestreckten  armen  abmisst'.  —  fahrlässig  ist  ganz 
gewis  nicht  als  ursprünglich  'lässig  zu  fahren,  sich  zu  bewegen' 
zu  verstehen,  wenn  diese  specielle  nüance,  die  heute  gar  nicht 
darin  liegt,  auch  einmal  aufgetrieben  werden  kann,  besser  begreift 
es  sich  als  bilduug  zu  'fahren  lassen'  nach  analogie  von  lässig 
und  nachlässig;  am  bequemsten  wäre  VYeigands  Vermutung,  dass 
es  aus  verloezig  umgebildet  sei,  und  zwar  mit  anlehnung  an 
'fahren  lassen'  und  zugleich  an  'durch  nachlässigkeit  gefährdend'. 

—  faseln  kann  zu  vase  'franse,  faser'  gehören  und  die  bedeu- 
tung von  der  Vorstellung  des  unstäten,  schwächlich  beweglichen, 
zugleich  vielleicht  des  verwirrten  ausgehen ;  vgl.  zipfel  für  'ein- 
faltspinsel'  und  schwänz  für  'narr'.  —  fast,  das  adverb  fest  ist 
nicht  erst  nhd.  —  fasten,  dass  die  enthaltung  von  speisen  eine 
religiöse  übung  auch  des  germ.  heideotums  gewesen  sein  soll,  ist 
unglaublich;  fasten  isl  'fest  halten,  beobachten',  und  wenn  dieser 
allgemeine  begriff  nach  der  bestimmten  richtuug  hin  beschränkt 
wird,  so  scheint  mir  daraus  hervorzugehen  dass  gerade  umgekehrt 
die  fasten  den  Germanen  das  allerauffälligste  beim  neuen  glauben 
waren,  wenn  die  Ost-  und  Westgermanen  gleichniäfsig  aiigilus 
und  diabolns  aufnahmen,  wenn  sie  misericordia  auf  dieselbe  weise 
übersetzten ,  so  ist  es  auch  nicht  auffällig  dass  sie  ihr  wort  für 
'eine  religiöse  Vorschrift  beobachten'  gleichmäfsig  auf  die  fasten 
anwandten;  vgl.  oben  zu  heide  und  s.  9.  —  feim.  die  früheren 
vergleichungen  (s.  Weigand,  Schade)  sind  aufgegeben,  aber  unter 
farnkrant  wird  bezug  darauf  genommen.  —  f eisen  hat  sicher 
umlauts-e,  wie  Schade  auch  bestimmt  annimmt,  sichere  Zeug- 
nisse dafür  sind  allfrz.  (mnl.)  falise,  ahd.  feiliso  Gl.  Ker.  (Ahd. 
gll.  I  89),  vils  mit  i  aus  umgelauletem  e  Schade  Geistl.  ged.  vom 
INiederrhein  s.  320  v.  676  und  die  heutige  schwäbische  ausspräche 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  19 

mit  geschlossenem  e,  während  für  e  nichts  spricht,  in  bezug  auf 
die  Unterscheidung  zwischen  e  und  e  wäre  auch  an  anderen  orten 
zu  reformieren,  man  schreibt  überall  e,  wo  kein  umlaut  des  a 
vorliegt,  demgemäfs  auch  in  fremdwortern.  allein  wir  können 
den  auf  die  etymologie  gebauten  unterschied  gar  nicht  aufrecht 
erhalten,  denn  wir  wollen  doch  sicher  keine  historische  Ortho- 
graphie in  unsere  Wissenschaft  einführen;  die  Unterscheidung  kann 
nur  in  phonetischem  sinne  einen  zweck  haben,  e  ist  nur  berech- 
tigt, wo  ofTener  laut  vorliegt,  deshalb  muss  es  zb.  in  fenster 
(und  in  quentiti  'quentchen')  fallen,  vermutlich  hatte  schon  das 
mlat.  wort  geschlossenen  laut,  wenigstens  haben  ihn  tatsächlich 
die  lehnformen;  in  ahd.  fenstar  mnl,  venstere  klang  das  e  unter 
dem  einfluss  der  nasal  Verbindung  (vgl.  meine  Mnl.  gr.  §  60)  gerade 
wie  in  gespejist,  kennen  usw.,  im  rhein.  dialect  ist  finster  daraus 
geworden,  übrigens  ist  die  Umwandlung  bei  diesem  wort  in  ein 
neutr.  nicht  allgemein,  mnl.  ist  es  noch  fem.  und  ebenso  in 
deutschen  dialecten.  —  fetzen,  das  dialect.  sonntagsfetzen  dürfte 
irgend  eine  andere  etymologie  nicht  hindern;  der  ausdruck  kann 
scherzhaft  gemeint  sein  wie  i^foten  für  'bände',  deckel  für  'hut' 
usw.,  und  dass  solche  Übertragungen  sich  auch  in  der  spräche 
festigen,  zeigen  zb.  köpf,  franz.  tete,  manger.  —  flaum.  es  wäre 
zu  constalieren,  in  wie  weit  in  dem  worte  der  aulaut  f  volks- 
tümlicher ist  als  in  fert  (pferd)  uä.,  dh.  ob  er  nicht  blofs  den 
grammatikern  angehört  und  etwa  zur  Unterscheidung  von  pflaume 
eingeführt  ist.  wenn  sie  sich  nicht  darüber  ausgesprochen  haben, 
wird  ihr  motiv  schwerlich  festzustellen  sein;  aber  an  beziehung 
zu  feder  ist  jedesfalls  nicht  leicht  zu  denken.  —  flügge,  aus 
mnl.  vlugghe  und  engl,  fledge  geht  hervor  dass  die  form  mit  gg 
in  älterer  zeit  schon  bestanden  hat.  —  flunkern,  die  bedeutung 
'gloriose  meutin'  hat  ohne  zweilel  einen  sinnlicheren  Ursprung 
als  den  durch  vermittelung  eines  abstracten  'schein  erregen'.  — 
föhn.  die  entstehung  aus  favonius  darf  man  sicherer  behaupten, 
da  aus  fdvojijus  sehr  wol  famijo  werden  kann.  —  froh  ist  auch 
nl.  (mnl.  vro).  —  furcht,  die  nhd.  form  schliefst  sich  zunächst 
an  mnl.  vriicht,  welches  ein  schon  älteres  fnrht  gen.  fnrhti  vor- 
aussetzt. —  die  Schlussbemerkung  bei  gähren  klingt  fast  so, 
als  wäre  in  dem  g  etwas  von  j  grundverschiedenes  (etwa  idg.  gh) 
zu  erkennen;  mit  rücksicht  auf  die  parallelen  guten,  gicht  und 
die  analogien  nl.  gien,  gij ,  gene,  mhd.  gthe  usw.  war  die  sache 
ganz  anders  auszudrücken,  wenn,  wie  Paul  (Mhd.  gr.-  §  63)  ver- 
mutet, der  Wechsel  zwischen  g  und  j  ursprünglich  nur  ortho- 
graphisch ist,  wäre  in  einigen  der  fälle  ein  entschiedener  einfluss 
der  Schrift  auf  die  ausspräche  zu  conslatieren,  eine  sache,  die 
im  princip  noch  nicht  gehörig  beachtet  ist.  —  guten,  ahii.ßtu, 
gajetan  kann  für  germ.  jepo,  gajedan  stehen  (vgl.  kneten)  und  zur 
idg.  WZ.  jet  in  Cr^rtiv  gehören,  die  bedeutung  von  'jäten'  ergäbe 
sich   leicht   aus  der  von  'suchen,  aussuchen'  und  in  mhd.  geten 

2* 


20  KLLGE    ETYMOLOGISCHES    \VÖRTERBUCH 

'aussuchen'  (Mhd.  \vb.  i  538'')  könnte  ein  rest  der  älteren  erhalten 
sein,  dazu  auch  altu.  ff? (aus  *y?j6/ö?j 'eifer'?  —  gedeihen,  das 
Simplex  ßthan  kommt  nicht  blofs  im  got.  vor.  —  bei  geländer 
liegen  die  Verhältnisse  verwickelter  als  zugestanden  wird ;  wir 
haben  in  dem  worte  verschiedene  dentalstufen ;  vgl.  einerseits 
mhd.  lander,  geJender,  gelenter,  mnl.  glend,  ontglenden  'eröffnen' 
(eigeutl.  'das  geländer  wegnehmen'),  andererseits  mnl.  gelente,  glente, 
gletit ,  DÖäm.  gelent ,  Teuthonista  gelynt  'geländer',  mnl.  gegknt 
'mit  einem  geländer  versehen',  die  consonantenverhältnisse  er- 
innern au  die  von  latte  und  der  sippe  von  glänz,  wenn  man  glatt 
dazu  stellt,  die  analogie  der  letzteren  Verwandtschaft  würde  auf 
geländer :  latte  weisen ,  was  begrifflich  sicher  besser  wäre  als  die 
von  Kl.  ausgesprochene  Vermutung.  —  gern  eh.  nhd.  gerücht  ist 
und  bleibt  gahröfti.  wenn  auch  einmal  eine  ableitung  von  riechen 
in  bildlicher  Verwendung  'einen  guten  oder  bösen  ruf  haben'  l)e- 
sagt,  oder  die  nd.  md.  zu  rufen  gehörigen  Wörter  volksetymolo- 
gisch an  riechen  angelehnt  und  teilweise  umgebildet  werden,  so 
berechtigt  das  den  etymologen  noch  nicht  dazu,  ein  besonderes 
geruch  'ruf  aufzustellen  (Weigand)  oder  gerücht  unter  geruch  ab- 
zuhandeln (Kluge),  unter  berüchtigt  war  Kl.  noch  der  richtigeren 
ansieht.  —  unter  geruhen  wiivc  ruchlos  zu  nennen.  —  die  Zu- 
sammenstellung von  geschirr  mit  scharrest  lässt  sich  schwerlich 
umgehen,  gegen  die  ableitung  der  allgemeinen  bedeutung  'in- 
strument,  gefäfs,  zeug'  aus  einer  ganz  speciellen  'beim  scharren 
gebrauchtes  zeug'  könnte  nicht  das  mindeste  eingewendet  werden; 
nhd.  (anjschirren  darf  nicht  irre  machen ,  da  es  erst  —  was  in 
Kl.s  formulierung  allerdings  nicht  hervortritt  —  ganz  junge  ab- 
leitung aus  geschirr  'pferdegeschirr'  ist.  welches  skerran  könnte 
es  gewesen  sein,  von  dem  die  bildung  ausgeht?  des  hartes?  der 
pferde?  auch  ^e/a/s  erwächst  vielleicht  ähnlich  aus  einem  speciel- 
len begriff.  —  unter  gleich  ist  das  jetzt  st.  vb.  zu  erwähnen. 
—  dass  götze  zu  giefsen  gehöre  scheint  mir  denn  doch  durch- 
aus nicht  so  sicher;  eine  ununterbrochene  formtradiiion  nötigt 
nicht  zu  der  annähme,  und  am  nächsten  liegt  doch  dass  götz  (so 
wol  ursprünglich,  vgl.  mhd.  plur.  götze)  stets  zu  gott  gehört  hat 
wie  spatz  :  sperling,  wie  fotz  :  fud;  die  möglichkeit  der  bildung 
beweist  ja  auch  der  eigenname  Götz.  —  griesgram.  nicht  blofs 
wegen  ags.  gristbitunge,  sondern  hauptsächlich  wegen  ahd.  crist- 
grimmön  und  alts.  gristgrimmo  soll  gris-  für  grist-  stehen,  dies 
grist  'knirschen'  liefse  sich  übrigens  zur  sippe  von  greinen  ziehen. 

haft.  'schw.  adj.'  ist  jedesfalls  druckfehler;  lies  'selbständig'? 

aber  auch  sonst  ist  die  fassung  am  anfang  nicht  klar,  ich  kann 
nicht  einsehen  dass  haft  der  bedeutung  nach  eher  zu  haben  zu 
stellen  wäre;  wie  sollte  es  dann  eigentlich  zu  fassen  sein?  Kl. 
selbst  umschreibt  es  nur  durch  'behaftet  mit';  wir  wissen  ja  nach 
der  von  Kl.  angenonmienen  elymologie  von  haben  nicht  einmal, 
was  dessen  grundbegriff  ist.  —  die  Zugehörigkeit  von  hager  zu 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÜRTERBICH  21 

kahl  würde  für  das  letztere  ein  älteres  hahal  nötig  machen,  wäh- 
rend die  dialecte,  wie  schon  ^Veigand  betont,  auf  hal  weisen.  — 
das  wesen  von  nhd.  hälfte  ist  meines  wissens  noch  nirgends 
richtig  bezeichnet,  das  ursprünglich  nicht  hd.  wort  ist  eine  alte 
dentalableitung,  wahrscheinlich  mit  suffix  ti.  die  mnl.  nominativ- 
form (helft,  hell,  helcht)  hat  den  umlaut  aus  anderen  casus,  wie 
geweit  'gewalt';  neben  dem  letzteren  besteht  mnl.  noch  gewout 
(out  aus  ald;  nnl.  nur  geweld);  andere  beispiele  s.  Mnl.  gr.  §  1S9. 
eins,  worin  der  umlaut  ebenso  fest  ist  wie  in  helft,  ist  der  fluss- 
name  Scheide,  mnl.  Scelt,  mlat.  Scaldis,  also  älter  Skald  gen.  Skaldi; 
eine  form  derselben  wz.  ohne  umlaut  repräsentiert  der  name  der 
iusel  Schonwen  an  der  Scheldemünduug ,  früher  Scouden.  helft 
kam  mit  dem  bekannten  jüngeren  e,  welches  zb.  auch  in  nhd. 
ente,  ins  hd.  —  halle,  an  die  deutschheit  der  ganzen  sippe  von 
halle  'saline'  glaube  ich  trotz  Diefenbach  nicht.  —  helligen. 
wenn  mhd.  schellec  zu  schallen  gehört,  so  könnte  hellec  'abgehetzt' 
als  Jägerausdruck  mit  /ia/?e>i  zusammenhängen.  —  bei  herschen 
scheint  mir  die  Schwierigkeit  doch  überschätzt;  herisön  'ehrwürdig 
sein'  könnte  wol  die  bedeutung  'herr  sein,  herschen'  erlangen, 
wenn  auch  kein  heriro  'dominus'  daneben  stünde;  da  das  letztere 
aber  der  fall  ist,  ist  die  entwickelung  um  so  eher  möglich,  übrigens 
fragt  es  sich,  ob  in  der  tat  nicht  das  verbalsuffix  -isön  in  weite- 
rem umfange  mit  den  comparationssuffixen  verwandt  ist;  dann 
würden  die  von  adjectiveu  abgeleiteten  verba  parallelen  zu  den 
jüngeren  bildungen  wie  ergern,  mindern,  nähern,  verschlimmern 
usw.  sein.  —  ho  de.  mit  recht  wird  an  6  gezweifelt,  das  einzige 
ahd.  haodo  darf  kaum  in  betracht  kommen,  um  neben  dem  sonst 
erwiesenen  hodo  noch  eine  andere  form  anzunehmen.  —  welche 
dunklen  puncte  bleiben  in  der  geschichte  des  Wortes  hofieren? 
—  die  jetzige  bedeutung  von  hörst  ist  nicht  erklärt  und  schwer- 
lich jüngere  Übertragung  aus  'gebüsch'  oder  'hügel  mit  gebüsch'; 
die  Wahrscheinlichkeit  spricht  dafür  dass  sie  alt  sei.  nehmen  wir 
dazu  die  bedeutungen  'dicker  grasbüschel,  busch  von  zusammen- 
stehendem röhr',  so  scheint  'buschartiger,  dh.  verästelter  gegen- 
ständ, busch'  der  alte  begriff  des  Wortes  ('raubvogelnest'  als  aus 
reisig  geflochten),  und  dann  ist  Zusammenhang  mit  hürde  sehr 
wahrscheinlich,  vgl.  wurst :  werden.  —  huntzen.  die  zu  frühst 
bezeugte  bedeutung  'abschneiden,  verstümmeln',  welche  in  ver- 
huntzen  ja  noch  fortdauert,  durfte  nicht  aufser  acht  bleiben,  bei 
unserer  gewöhnlichen  bedeutung  mag  man  an  hnnd  gedacht  haben, 
und  auch  die  andere  hefse  sich  auf  hund  zurückführen:  'stumpfen 
wie  einen  hund'.  aber  auch  Zusammenhang  mit  nl.  homp  'ab- 
geschnittenes stück',  hompen  'stun)pfen'  ist  möglich.  —  hutzel  ist 
'die  geschrumpfte'  und  gehört  zu  nd.  nl.  hott  'molken,  geronnene 
milch',  hotten  'gerinnen,  schrumpfen'  (Woeste  Westf.  wb.  lOG''). 
im  selben  stamme  treten  die  bedeutungen  'schütteln,  wackeln'  auf: 
fläm.  hotteren,  mhd.  hotzelen  'schaukeln',  hotze  'wiege',  wie  ahd. 


22  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

scotto  'molken'  zu  schütten,  schütteln  gestellt  wird,  neben  holteren 
'schütteln'  im  nl.  auch  hotsen,  hutsen  in  gleicher  bedeutung;  vgl. 
auch  franz.  hocher  'schütteln'  (Diez'^  2,  346).  vielleicht  vereinigen 
sich  hott-  und  skott-  in  älterer  zeit.  —  jetzt,  so  ganz  unklar 
ist  es  doch  nicht,  wie  ie-zno  die  bedeutung  'jetzt'  haben  kann, 
freilich  wüste  ich  zwischen  zwei  möglichkeiten  nicht  zu  entschei- 
den, nämlich  ob  zuo  zu  fassen  ist  als  'heran,  bis  jetzt',  oder  als 
'dazu,  fortan';  jedesfalls  aber  ist  die  bedeutung  'in  der  gegenwart' 
beschränkt  aus  der  einer  dauer,  die  den  gegenwärtigen  zeitpunct 
in  sich  schliefst;  vgl.  mhd.  iegenöte  'unausgesetzt',  aber  auch 
'gerade  jetzt'  und  nhd.  nunmehr  'im  augenblick',  aber  eigentlich 
'fortan'.  —  kamerad.  dass  die  Schreibung  kammerad  auf  anlehnuug 
an  kammer  beruhe,  ist  unwahrscheinlich;  sie  erklärt  sich  sehr 
einfach  aus  der  silbenkürze  (vgl.  Mnl.  gr.  §  105),  wie  auch  afiw- 
teke,  palh'sade  ua.  vorkommen.  —  kastanie.  ahd. /res^nma  ags. 
eisten  verlangen  kein  lal.  *castinia,  sondern  konnten  aus  cästanja 
entstehen,  wie  zb.  Köln  nl.  Keulen  aus  Cölonja,  mnl.  Böjien  aus 
Bönonja  (Boulogne).  —  kehren,  dass  für  md.  karte  (st.  kerte) 
ein  ganz  beispielloses  Verhältnis  von  got.  ai :  e  angesetzt  wird, 
ist  kaum  zu  begreifen;  dasselbe  müste  dann  doch  auch  bei  leren 
gelten.  —  kitzeln,  engl,  tickle  stellen  andere  richtiger  zu  ticken. 
—  klinge.  Wolframs  Wortspiel  lässt  sich  doch  nicht  als  be- 
gründun g  gebrauchen.  —  kluft.  dass  die  mhd.  bedeutung 
'grufl'  auf  Vermischung  mit  cnjpta  beruhe,  ist  meines  erachtens 
anzunehmen  nicht  nötig,  da  die  noch  nhd.  bedeutung  'klaffender 
spalt'  (wovon  'zerklüftet')  zur  erklärung  genügt;  der  begriff 'spalt, 
aushöhlung'  gehört  aber  dem  abstractum  von  klieben  eigentümlich 
zu.  doch  sind  die  beiden  Wörter  kluft  und  crypta  in  der  tat  nicht 
ohne  berührung  geblieben,  wie  am  deutlichsten  Kilian  beweist, 
wenn  er  klufte  und  krufte  neben  einander  setzt.  'I'euerzange' 
bedeutet  kluft  nicht  als  'gespaltenes  Werkzeug',  sondern  als  'klem- 
mendes Werkzeug',  vgl.  die  bedeutungen  von  kleben,  kluppe  und 
dialect.  kluft  als  'gespaltenes  holz  zum  einklemmen',  der  begriff 
des  'klemmenden'  haftet  überhaupt  so  fest,  dass  sich  die  frage 
erhebt,  ob  er  nicht  schon  früh  auch  dem  vb.  neben  'spalten'  eigne, 
gegen  got.  *klubbö  als  entsprechung  von  ahd.  chlnppa  wäre  nd. 
kluppe  anzuführen,  welches  vielmehr  auf  germ.  kluppö  (wie  schnitzen 
'.schneiden)  weisen  würde.  —  knirps.  auf  ^^  aus  f  oder  b  deutet 
rhein.  knirioes.  der  von  Weigand  angenommene  Zusammenhang 
mit  nl. /»'»or/" 'knoten' ist  denkbar;  so  steht  rhein. /rn/wes  'knirps' 
vermutlich  zu  kniiwel  'knoten'.  —  knittelvers.  es  liegt  doch 
ein  Widerspruch  in  den  beiden  behauptungen,  dass  knittel  für 
knüttel  stehe,  und  Ursprung  und  grundbedeutung  dunkel  seien, 
von  den  angeführten  parallelen  sind  die  beiden  ersten  sicher  von 
keiner  bedeutung.  —  knospe,  den  angestellten  erwägungen  liefse 
sich  eben  so  gutes  und  zum  teil  wahrscheinlicheres  gegenüber- 
stellen,  zb.  mit  Woeste  Weslf.  wb.  136"   dass  sp   für  ps   stehe; 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖKTERBUCH  23 

<lann  würde  Weiterbildung  von  knop  (knöpf)  oder  knoppe  (knub- 
ben)  oder  ableitung  von  einem  zugehörigen  vb.  mit  s  vorliegen 
(vgl.  trespe  :  mhd.  trefse);  noch  eher  ist  aber  sp  onomatop.  Ver- 
wandlung von  p,  Vgl.  knappem  und  knaspern,  knuspern,  welches 
nl.  auch  knorspen  und  knospen  heifst.  ein  directer  Zusammen- 
hang zwischen  diesen  verbis  und  knospe  ist  sehr  wol  denkbar: 
sie  können  dem  Sprachgefühl  vermittelt  sein  durch  den  ähnlichen 
eindruck,  den  sie  auf  die  entsprechenden  sinne  machen,  damit 
ist  nicht  ausgeschlossen  dass  bei  den  Wörtern  für  'knuspern'  auch 
die  WZ.  knus  in  onomatop.  Weiterbildung  im  spiele  ist.  —  knüt- 
tel.  worauf  beruht  die  annähme  von  knüttel  'strick  mit  knoten'? 
nötig  wäre  sie  nicht,  vgl.  knüppel:  knöpf.  —  küren  ist  sicher 
nicht  erst  nhd.  entstanden,  sondern  vermutlich  im  md.  schon 
älter;  vgl.  mnl.  mnd.  cören,  nnl.  kenren  'wählen'.  —  2  laden. 
einen  noch  deutlicheren  fingerzeig  für  den  ursprünglichen  begriff 
als  die  got.  nomina  gibt  mhd.  hioder  'lockspeise',  dessen  beziehung 
zu  laden  nichts  im  wege  sieht,  wie  ich  bei  Ril.  unter  lore  sehe, 
hat  schon  Gessner  luder  zu  laden  gestellt.  —  laffe.  warum 
denn  nicht  zu  nd.  nl.  /a/" 'lade'?  —  unter  lauschen  ist  die 
etymol.  gruppierung  der  Wörter  verfehlt,  lauschen  (belauschen) 
hat  noch  heute  mehr  den  begriff  von  'verborgen  sein'  als  von 
'hören';  dass  es  nicht  von  ahd.  losken  'verborgen  sein'  zu  trennen 
ist,  zeigt  mnl.  luuschen  'verborgen  sein',  beide  sind  mit  ahd. 
lüzzen,  welches  genau  dieselbe  doppelbedeutung  hat,  zusammen- 
zustellen. —  leute.  das  augebliche  ags.  leden,  l^den  'spräche'  ist 
wol  dasselbe  was  man  sonst,  und  wol  mit  recht,  als  leden,  lyden 
aus  latinus  fasst?  —  lodern  wird  bei  Weigand  deßniert  'sich 
brennend  leicht  auf-,  hin-  und  herbewegen',  das  stimmt  wol 
schwerlich  mit  dem  gewöhnlichen  gebrauch,  dem  zu  folge  es  viel- 
mehr 'flammend  in  die  höhe  schlagen'  ist.  gleichlautendes  lodern 
(hd.  d  stammt  aus  dem  nd.)  ist  im  westf.  'üppig  wachsen'  (et  es 
so  gail  dat  et  lodert  Woeste  Westf.  wb.  163);  das  wort  gehört  mit 
löde  ahd.  Iota  'schössling'  zu  liudan  'wachsen',  dies  aufs  feuer 
übertragen  gibt  den  begrifl"  von  'lodern',  wegen  altn.  Lodurr 
müste  die  Übertragung  als  alt  gelten,  wenn  es  anders  Übertragung 
ist:  die  wz.  hat  aufser  'wachsen'  auch  die  bedeutung  'in  die  höhe 
steigen'  (Fick^*  172),  weshalb  die  anwendung  aufs  feuer  alt  sein 
kann.  —  lolch.  es  ist  fraglich,  ob  'gutturale  Weiterbildung'  vor- 
liegt, wie  in  käfig,  so  könnte  das  scheinbare  suffix  ig,  ich  sich 
auch  in  einer  anzahl  anderer  Wörter  aus  /  hinter  consonant  ent- 
wickelt haben,  vgl.  mennig,  eppich,  dialect.  ollich,  olich  'öl'.  — 
bei  2  löschen  wird  der  zweifei  zu  weit  getrieben,  warum  soll 
denn  lossen  nicht  'lösen'  sein?  die  form  ist  mnl.  nnl.  ganz  ge- 
wöhnlich, wie  auch  das  adject.  lus.  auch  über  die  heimat  kann 
man  sich  entscheiden ,  da  wegen  der  form  (lossen)  nur  das  nl. 
und  nd.  in  betracht  kommen,  die  in  diesem  falle  nicht  weiter  zu 
trennen  sind.  —  lüpfen  ist  mit  'heben'  nicht  gut  umschrieben, 


24  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

es  ist  'el\Nas  was  schliefst  los  machen  und  in  die  höhe  heben' 
(Weigand  'ein  wenig  (zu  freiem  räum)  in  die  höhe  heben'),  ein 
'^luppjan  kann  sich  lautlich  sehr  wol  zu  laufet  'hülse'  stellen  (s. 
Kl.  unter  lauh),  welches  zu  lit.  litp-ti  aslow.  hipi-ti  'schälen', 
skr.  lup  'raufen,  trennen'  gehört  (Fick^  173.  605.  Job.  Schmidt 
Zur  gesch.  des  idg.  vocalismus  2,  292).  die  bedeutung  von  lüpfen 
wäre  demnach  zunächst  'loslösen';  Imib,  falls  es  dazu  gehört,  eigent- 
lich wol  'das  sich  loslösende,  lüpfende',  wenn  die  stelle  Velth. 
Sp.  bist.  3,  26,  8  ende  heeften  van  den  perde  geloeft  (ihoeft  'haupt') 
richtig  ist,  würde  mnl.  loven  zur  bestätigung  gereichen  für  lüpfen: 
germ.  Inh.  —  bei  1  niandel  würde  ich  nicht  einfach  'getreide- 
haufeu',  sondern  'getreidehaufen  von  15  garben'  sagen  (so  geben 
Weig.  und  Frisch  an,  Kil.  bestimmt  12,  De  Bo  Weslvl.  idioticon  12 
— 14  garben),  da  die  zahl  vielleicht  wesentlich  ist.  die  nahe- 
liegende ableitung  von  mande  'tragkoib'  (15  stück,  die  eine  mande 
lullen)  bedürfte  des  beweises.  —  dass  metzger  mit  roman.  mazza 
'keule,  Schlägel'  zusammenhängt,  ist  nicht  zu  bezweifeln,  vgl.  Wei- 
gand, von  dem  überhaupt  nicht  abgewichen  zu  werden  brauchte. 
—  mors  er.  ahd.  mormri  gehört  mit  mhd.  morsel,  rheiu.  ?ner- 
schel,  mirschel,  älternhd.  mürsen,  nl.  morzelen  'zerreiben,  zer- 
stückeln, zermalmen',  mhd.  mnrsel  'stück'  zu  franz.  morcean.  — 
nergeln  (nörgeln,  ni'rgeln)  könnte  in  der  form  als  frequentativ 
genau  dem  ul.  neurien  entsprechen.  —  pfalz.  die  gründe  ge- 
nügen nicht,  um  die  herkömmliche  otymologie  anzufechten,  so 
viel  steht  jedesfalls  fest,  dass  begriff  und  name  des  palatium  in 
Deutschland  bekannt  sein  konnten,  ehe  die  kaiserlichen  plalzen 
entstanden,  und  dass  man  den  namen  auch  schon  auf  irgend 
welche  andere  gebäude  übertragen  haben  konnte,  was  die  Schwie- 
rigkeit der  form  betrifft,  so  kommen  auf  verschiedenen  gebieten 
nasaieinschiebungen  vor,  die  wir  nicht  zu  rechtfertigen  wissen; 
hier  speciell  könnte  anlehnung  an  die  endung  anderer  Wörter  im 
spiel  sein  (vgl.  Gr.  ii  341.  345  f).  schwerer  wiegt  der  umstand, 
dass  pfalz  mit  palantium  in  der  bedeutung  'söUer,  terrasse'  zu- 
sanmien trifft;  aber  daraus  ist  höchstens  zu  schliefsen  dass  neben 
palatium  auch  palantium  ins  deutsche  aufgenommen  wurde.  — 
pfuschen,  ein  iiüi  p  anlautender  stamm  ist  für  das  wort  nicht 
abzusehen;  ferner  kann  man  von  franz.  housiller  nicht  auf  pf 
kommen,  dem  vielmehr  dialect.  bosseln,  possein  entspricht,  darum 
möchte  ich  fragen,  ob  pfuschen  nicht  eine  Übersetzung  von  fuschen 
ins  schriftdeulsche  sei.  in  meiner  heimat  sagt  man  fuschen  gegen 
pterd  uä.;  freilich  ist  das  kein  sicherer  beweis,  weil  es  schwer 
ist,  die  schichten  aus  einander  zu  halten,  indem  fuschen  aus  der 
gesellschaftsklasse  eingedrungen  sein  könnte,  welche  ferd  spricht, 
das  von  Weigand  angeführte  wetterauische  pnsche  beweist  jedoch 
auch  andererseits  nicht  sicher  für  pf.  im  dialect.  nl.  ist  futselen 
gleichbedeutend  mit  bosselen  und  deckt  sich  teilweise  auch  mit 
pfuschen.  —  prüfen,    woher  weifs  Kl.  dass  n\.  proeven  'das  zu 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖKTERBL'CU  25 

erwartende  d  hat'?  genn.  ö  und  ö-j  lauten  im  ul.  gleich  und  es 
ist  vielmehr  anzunehmen  dass  ul.  proeven  auf  genau  derselben 
gruudl'orm  wie  nd.  pröven  hd.  prüfen  beruhe,  der  eintritt  der 
umlautwürkenden  endung  kann  sich  in  dem  werte  sehr  gut  aus 
analogie  erklären ,  wegen  seines  so  recht  factitiven  characters 
'wahrscheinlich,  annehmlich,  deutlich  machen'.  —  pudel  gehört 
wül  zu  pudeln,  Weig.  2,403.  —  rappeln,  das  jetzige  (nur  un- 
pers.)  wir  rappelt  es  (im  köpf)  ist  das  gewohnliche  rappehi;  man 
denkt  'das  werk  ist  nicht  in  Ordnung  und  rappelt',  damit  ist 
nicht  ausgeschlossen  dass  die  redensart  sich  in  älterer  zeit  an  ein 
anderes  wort  anlehnte.  —  reizen  kann  ich  als  factitiv  von  reißen 
nicht  begreifen;  es  ist  wol  ein  nomen  zu  supponieren  mit  der 
bedeutung  'reifsendes  instrumenl  (zum  antreiben  dertiere)';  vgl. 
bei  Kil.  reete  (ee  =  gerni.  ai)  'instrumenlum  dentatum  quo  strin- 
gitur  linum'.  —  bei  riegel  waren  jedesfalls  auch  andere  bedeu- 
tungen  anzugeben,  da  'querholz  zum  verschliefsen'  nur  speciali- 
sierung  aus  'latte,  querholz,  schiene'  ist.  dieselben  bedeutungen 
hat  lat,  regtda,  dessen  eiufluss  sich  vielleicht  in  dem  weiblichen 
geschlecht  von  nfläm.  regel,  reih  'lalte,  querholz,  schiene'  verrät. 
Kil.  hat  merkwürdiger  weise  regel  und  lijhel  'regula,  vectis',  als 
ob  er  an  \\\\.  rihen  dächte;  aber  die  zweite  form  ist  wol  nur  ver- 
druckt für  rijchel,  welches  er  gleichfalls  für  'riegel'  aufgibt,  die 
angeführten  bedeutungen  ermöglichen  die  beziehung  des  worles 
zu  reihen;  zb.  könnte  es  zunächst  'latte  zum  aufreihen  irgend 
welcher  gegenstände' gewesen  sein.  —  reuten,  dass  r?esfer  dazu 
gehört,  wird  wahrscheinlich,  weil  der  pflugsterz  auch  pflugrente 
Reifst,  weiter  kann  riester  'schuhflicken'  sehr  wol  dasselbe  wort 
sein  wegen  der  formähnlichkeit:  riester  ist  ganz  speciell  'der  am 
ballen  oder  an  der  entgegengesetzten  seile  aufgenähte  fleck',  der 
riester  am  pflüg  aber  'ein  umgebogenes  eisernes  blatt'.  —  rinde. 
was  berechtigt  zu  der  gewisheil:  'Verwandtschaft  mit  rand  ist 
sicher'?  bei  rayid  heifst  es  noch  'zum  selben  stamme  gehört  wol 
rinde',  und  die  deutung  ist  an  sich  doch  nicht  so  gar  überzeugend. 
—  Irost.  ag&.  hyrstepanne  gehört  schwerlich  hierhin,  sondern 
zu  n\u\.  harst  'braten,  bratofen'.  —  samstag.  ahd.  sanihaz  und 
franz.  samedi  beruhen  nicht  auf  nasalierung,  wenigstens  nicht, 
wenn  damit  *sambat  für  sabbat  gemeint  ist,  sondern  auf  Übergang 
des  b  in  m  (vgl.  Weigaud  s.  v.).  derselbe  ist  lautphysiologisch 
leicht  begreiflich  unter  der  Voraussetzung,  dass  das  zweite  a  schwin- 
det; das  noch  nicht  ganz  einsilbige  sabb-t  wird  dann  durch  assi- 
milation  zu  sab"t  und  dies  zu  samt,  wie  nhd.  haben  t-  zu  ham  t- ; 
ahd.  sambaz  steht  für  samb-z  aus  sam-t.  —  Schablone  fehlt, 
die  bei  Weigand  stehende  etymologie  (von  campio  'kämpe' !)  ist 
unglaublich,  man  könnte  eher  scampelioen  (scampioen)  'Schab- 
lone' bei  Kil.  und  im  Teuthon.  vereinigen  mit  scampen  'rädere, 
scalpere'  (Kil.),  westf.  schampen  'streifen,  leicht  verletzen,  ritzen'; 
scampelioen  'scalprum,  caelum'  (Kil.).     danach  wäre  schampelioen 


26  KLLGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

'Schablone'  eigentlich  'abriss'  und  Schablone  vielleicht  an  schaben 
angelehnt,  die  annähme  eines  Zusammenhanges  mit  gleichbedeu- 
tendem franz.  echantiUon  gibt  man  nicht  gerne  auf.  —  schacht 
ist  gleichfalls  mit  hd.  schaff  identisch;  schaft  ist  jeder  hohle, 
schachtähnliche  gegenständ,  zb.  'schaft  am  leuchter,  stiefelschaft, 
Oberteil  der  viereckigen  hühlung  eines  hochofens',  woraus  sich 
'schacht  im  bergbau'  selbst  erklärt;  auch  engl,  shaft  'abzugsröhre, 
hochofenschacht,  brunnen,  schacht'.  weiter  könnte  auch  Schach- 
tel dazu  gehören,  wenn  man  an  eine  tiefe  schachte!,  zb.  eine  hut- 
schachtel  denkt,  es  stünde  dann  wol  statt  des  neutrums  schaftel 
(Schachtelhalm)  in  folge  von  Vermischung  mit  ital.  scatola.  Schach- 
tel in  der  bedeutung  'femiual'  bedarf  keiner  besonderen  erklärung. 

—  scharf,  ital.  scarpa,  scarpella  'meifsel'  stammt  nicht  von 
scarp,  sondern  von  lat.  scalpere,  scalpellnm.  noch  öfter  dürfte  Kl. 
auch  darin  einen  oben  gerügten  fehler  verraten  dass  er  zu  schnell 
bereit  ist,  roman.  Wörter  dem  deutschen  abgeborgt  sein  zu  lassen. 

—  warum  wird  scheckig  nicht  mit  anderen  zu  ital.  a  scacchi 
oder  besser  zu  franz.  echec  gestellt?  dass  das  mhd.  adject.  sche'cke 
eine  jüngere  liildung  ist,  geht  ja  aus  dem  vocal  hervor.  —  scher be 
kann  doch  eher  oder  wenigstens  ebenso  gut  zu  ags.  sceorfan 
gehören  als  scherflein.  —  schinden,  uord.  skinn  wird  selbst 
nichts  anderes  sein  als  die  'abgeschuppte,  abgeschundene  haut', 
jedesfalls  ist  die  dentalis  des  wortes  ableitend,  wie  hervorgeht  aus 
Kilians  scheene  {vQYm\\\\\ch=schene)=  schelle,  schinde  'häutchen, 
hast,  feir.  hierhin  gehört  wol  auch  schiene,  eigentlich  'stelle 
mit  der  dünnen  oder  leicht  zu  schindenden  haut'  und  andererseits 
'dünne  platte'.  —  Schleuder  dürfte  wol  mit  Schleier,  u\.  slnier 
identisch  sein,  das  nl.  wort  hat  aufser  'schleier'  die  bedeutungeu 
'schleife  am  arm,  schlinge,  in  der  ein  verletzter  arm  getragen 
wird,  riemen,  band'  (s.  De  Bo,  Kil.  und  das  nnl.),  woraus  sich 
'Schleuder'  ohne  weiteres  erklären  würde.  Schwierigkeit  macht 
jedoch  die  form  schiander  und  das  genus;  nl.  slnier  ist  wie  schleier 
masc.  —  schmaus,  im  nl.  begegnet  ein  verwandtes  smuisteren 
'schmausen'  und  'schmieren'  schon  im  16  jh.  Woeste  Westf.  wb. 
hat  smusteren  für  'kosen'  (eigentlich  'sich  gütlich  tun'),  synon. 
mit  schmausen  ist  ferner  nd.  nl.  smndderen,  smodderen,  zu  denen 
hd.  schmudig  'drückend  heifs'  und  westf.  (Woeste)  schmuden  'schmo- 
ren' (mit  smüd-)  gehören,  ähnliche  begriffe  berühren  sich  in  der 
sippc  von  nl.  smullen,  dessen  II  schwerlich  aus  germ.  sl  hervor- 
gegangen ist.  smnd-  und  smüs-  können  zusammengehören,  die, 
wie  gewöhnlich,  sehr  verwickelt  aussehenden  wortgruppcn  müstcn 
noch  näher  untersucht  werden,  viel  material  steht  bei  De  Jager 
Frequentatieven  n  573 — 579.  —  schramme,  warum  ist  schram- 
men erst  nhd.?  —  schrot.  vierschrötig,  dessen  bedeutung  weder 
aus  schröt  'klotz'  noch  aus  schroten  leicht  zu  begreifen  ist,  steht 
sicher  in  Zusammenhang  mit  ahd.  fiorscoz  'quadratus',  welches 
in  ninl.  vierscoot  die  bedeutung  'vierschrötig',  in   vierschotigh  bei 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  27 

Kil.  und  soDst  (vgl.  Frisch  unter  vierschrötig)  die  Weiterbildung 
mit  -ig  zeigt.  —  schwänz  ist  nichts  als  intensivbildiing  zu 
schwingen,  schwanken;  eine  zwischenform  swangezen  oder  swanke- 
zen  mag  bestanden  haben,  aber  es  ist  auch  verkürzte  analogie- 
bildung  möglich,  wenn  schon  die  form  die  Vermutung  nahe  legt, 
so  erheben  die  bedeutungen  diese  zur  Sicherheit,  der  grundbegriff 
ist  '(sich)  schwingend  oder  wiegend  bewegen';  vgl.  mhd.  swanzen 
'sich  schwankend  bewegen,  sich  drehen',  Teuthon.  swantz  'tanz', 
deutsch  dialect.  schwänzen  'sich  umhertreiben'  (daher  'die  schule 
schwänzen'),  De  Bo  und  sonst  nl.  (De  Jager  Frequ.  i  956  f)  swan- 
selen  (zwanselen)  'stark  schwanken;  schwankend  ausschütten'  ['viel- 
leicht für  swankselen'  De  Bo],  Überfelder  Kärtner.  idiotic.  schwän- 
zen 'ausspülen',  gerade  wie  rhein.  schwenken  (Weigand  'durch 
schwingend  bewegte  flüssigkeit  reinigen');  vgl.  auch  die  bedeutun- 
gen von  scÄtoej/en,  schweif.  —  s  chic  ätzen,  über  schwadronieren 
drückt  Kl.  sich  nicht  vorsichtig  genug  aus,  denn  schicadron  hat 
doch  wol  den  gröfseren  anteil  an  dem  worte,  welches  ursprüng- 
lich wol  besagt  'wie  ein  herumziehender  reitersmann  schwatzen'. 

—  seicht  wird  ohne  not  erschwert;  es  gehört  zu  sinken  oder 
sigan  in  dem  sinne  'was  eingesunken,  gesunken,  niedrig  ist',  wie 
dicht  'was  gediehen  ist',  müde  'sich  gemüht  habend'  usw.  westf. 
sige  'seicht,  niedrig'  (Woeste)  ist  allerdings  wol  gleich  altn.  sictr 
mnl.  side  'niedrig'.  —  siedeln,  ich  verstehe  nicht,  wie  ahd.  sedal 
nebenform  zu  germ.  sitls  (zu  sitzen)  sein  kann,  im  mnl.  hat 
eensedele  (eencedele)  'einsiedler'  scharfes  s,  während  ein  germ.  *ain- 
sidiljo  *eenzedele  lauten  miiste.  ob  das  auf  entlehnung  von  siedet 
deutet,  die  dann  nicht  einmal  sehr  alt  sein  konnte?  es  bleiben 
bedeutende  Schwierigkeiten  bei  dem  worte.  —  da  solper  vom 
Niederrhein  kommt,  liegt  nichts  näher,  als  ein  compositum  von 
solt  'salz'  darin  zu  suchen,  vielleicht  solthrin  (Kil.  sontbrytie)  von 
mnl.  hrine  nnl.  brijn  'salzbrühe'.  —  spröde,  nfläm.  sprooi,  ist 
schon  im  Teuthon.,  also  1475,  bezeugt:  sproe  'gebrechhch,  spröde', 
die  beziehung  zu  spreu  hat  eine  stütze  an  frühernul.  spru  in 
der  gleichen  bedeutung.  —  star  als  'augenkrankheit'  ist  gewis 
nicht  erst  nhd.  folgerung,  sondern  steckt  wol  schon  in  ahd.  stara- 
blint,  fries.  starublint;  selbständig  kommt  es  mnl.  vor:  Rein,  ii 
3566,  Alex.  10,  1456,  Lanc.  2,  11968  te  stare  (stak)  staen;  Kil. 
verzeichnet  ferner  bei  staelhlint  ein  'germ.  augstaV.  —  statt. 
Stätte  ist  nicht  pluralform,  sondern  der  alts.  nl.  nom.  sing,  stedi. 

—  stauche  gehört  höchst  wahrscheinlich  zu  alts.  stnkan  nl.  stny- 
ken  'stauchen,  aufschichten,  stofsen'  und  bildet  so  eine  parallele 
mit  stofs  (am  kleid) :  stofsen;  vgl.  De  Bo  '■stuikboord  der  umge- 
schlagene säum  unten  am  kleide,  der  mit  streifen  verzierte  unter- 
saum,  synon.  stootkani'.  danach  war  stauche  ursprünglich  'der  vor- 
stofsende  teil  am  ärmelende  usw.',  und  aus  der  ferneren  bedeu- 
tungsentwickelung  liefse  sich  vielleicht  ein  schluss  auf  die  altgerm. 
kleidung  gewinnen.  —  stäupe,  wenn  die  bedeutung  'Züchtigung 


28  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCU 

mit  der  rute'  (altfr.  stiipa)  die  ursprüngliche  ist,  könnte  man  ao 
Stupfen  anknüpfen,  doch  ist  ein  anderer  Zusammenhang  vielleicht 
sachlich  hesser  hegründel.  die  stäupe  war  jedesfalls  bei  den  Ger- 
manen wesentlich  mit  dem  abschneiden  des  haares  (teilweise  auch 
der  kleider)  verbunden,  RA'^  701  IT.  711  f.  Kilian  übersetzt  stuype 
'poena  cutis  et  crinium'.  bei  diesem  begriff  käme  man  auf 
stumpf,  Stümpfen,  westf.  stuepen  'stutzen';  vgl.  auch  der  locke 
und  der  hare  stimmein  Diulisca  1,  458  (stümmeln  und  stuepen 
sind  ganz  synon.).  die  grüste  Schwierigkeit  macht  aber  die  be- 
deutung  'schandpfahl'  von  stupe,  die  sich  mit  den  übrigen  gar 
nicht  so  leicht  vereinigen  lässt;  durch  sie  wird  man  leicht  wider 
nach  einer  anderen  richtung  geführt,  nämlich  zu  mnl.  nfläm. 
stupen  'sich  bücken'.  —  stiege,  ich  vermag  nicht  einzusehen» 
wie  ahd.  stiega  (dazu  stiagil)  'eins  mit  steg'  sein  kann.  —  warum 
wird  stotz  nicht  mit  anderen  zu  stutzen  gestellt?  —  wenn  Wei- 
gand  2  straufs  mit  1  straufs  zu  'sträuben,  struppig  sein'  stellt, 
so  ist  diese  etymologie  nicht  unsicherer  als  hundert  andere.  — 
(nasen)stHher  wird  wol  zu  nd.  stuf  'stumpf,  altn.  stüfr  'der 
stumpf  geboren,  wozu  sich  auch  dialect.  nhd.  und  nd.  stuhhen 
'slofsen'  (wie  Stumpen  'stofsen'  : stumpf)  stellt,  die  worter  ent- 
halten die  unuasalierte  wz.  von  stnmmel.  —  trocken,  es  ist 
ags.  dryge  anzusetzen  aus  drugi,  worauf  mnl.  dröge  rhein.  drüg 
führen.  —  troddel.  ahd.  trndo  wird  zu  trödeln,  trendelen  ge- 
hören ,  wie  das  syuon.  nfläm.  drendel  'draht,  franse,  faser,  troddel, 
schleppender  fetzen'  zu  drendelen  'trödeln,  trendein';  die  bedeu- 
tung  der  verba  ist  vielleicht  erst  aus  einem  nomen  'schleppender 
fetzen'  zu  erklären.  —  tüpfel  fügt  sich  der  form  nach  der  sippe 
von  tief,  und  auch  die  bedeutung  steht  nicht  entgegen;  vgl.  ahd. 
tnpfan  fläm.  doppen  'tunken,  tupfen'  und  holl.  doopen  neben  'tau- 
fen' auch  'tunken,  tupfen';  'tupfen'  ist  also  eigentlich  'zum  ein- 
tunken tupfen',  zugleich  aber  onomatopoetisch  aufgefasst.  — über- 
winden, dass  in  ahd.  ubarwintan  nicht  wintan  'winden',  sondern 
winnan  mit  präsensbildendem  t  stecken  soll,  ist  unglaublich  oder 
wenigstens  nicht  zu  beweisen.  • —  ulk.  die  analogie  von  nl.  ni 
'zwiebel'  und  'spafs'  weist  auf  identiläl  mit  ulk,  nlch  sicambr. 
'Zwiebel'  bei  Kil.  —  verplämpern  ist  onomatopoetisch,  das  zu 
gründe  liegende  plemp  'ins  wasser  werfen,  wasser  ausschütten, 
weichtlüssige  massen  in  bewegung  setzen',  fries.  plempen,  westf. 
pUimpen  usw.  —  dass  verschlagen  das  active  part.  zu  versiahen 
'betrügen'  sei,  kommt  mir  wenig  wahrscheinlich  vor,  vgl.  ver- 
schmilzt, mit  allen  hnnden  gehetzt;  weniger  ist  an  eine  begriffs- 
eutwickelung  wie  in  durchtrieben  oder  nl.  doortrapt  zu  denken ; 
s.  noch  unten  die  beinerkung  zu  geivand  (wenden).  —  ver- 
tuschen, tuschen  'zum  schweigen  bringen'  ist  onomatopoetisch 
(tusch  als  interject.,  um  stille  zu  gebieten),  daher  auch  nd.  tuschen. 
das  wctterauische  dische  bei  Weigand  ist  mir  auffallend,  so  weit 
ich  mich  erinnere,   habe   ich  am  Rhein  tische   gehört.  —  ver- 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH  29 

wegen  ist  weüig  deutlich  gemacht;  verwegen  :  sich  verwegen  ist 
eine  parallele  zu  vermessen  :  sich  vermezzen.  —  was  an  der  ge- 
wöhnlichen etyniologie  von  verwittern  zu  bedenken  wäre,  wüste 
ich  nicht;  es  ist  der  form  und  bedeutung  nach  untadelhaffe  ab- 
leitung  von  weiter.  —  warum  wird  Währung  unter  währen  hQ- 
handelt?  —  weichbild.  da  die  gränze  des  icich  wie  auch  der 
feldgemarkung  durch  ein  bild  bezeichnet  wurde,  so  bedeutet  lokh- 
bilde  'gränze  des  wich',  und  dies  kann  sehr  wol  in  die  bedeutung 
von  wich  selbst  übergehen,  damit  scheint  mir  das  wort  hin- 
reichend erklärt.  —  wenden,  die  nhd.  bedeutung  des  adj.  ge- 
wandt wird  durch  das  angeführte  kaum  begreiflich,  mir  scheint 
das  wort  act.  oder  pass.  partic.  von  wenden  in  der  sinnlichen 
bedeutung:  'der  sich  gewendet,  viel  umgesehen  hat',  oder  'herum- 
gewendet'; im  letzteren  falle  wäre  die  bemerkung  zu  verschlagen 
zu  vergleichen,  parallel  sind  franz.  tourne,  tournnre,  die  vielleicht, 
wie  etwa  auch  versutns,  nicht  ohne  einfluss  waren.  —  bei  Winds- 
braut wird  mit  recht  der  zweifei  an  einer  mytholog,  Vorstellung, 
wofür  nichts  sicheres  angeführt  werden  kann,  aufgenommen,  mit 
recht  auch  auf  beziehung  zu  brausen  hingedeutet;  freilich  weifs 
auch  ich  nichts  weiter  dafür  geltend  zu  machen  als  die  natür- 
lichkeit  der  auffassung,  das  lautliche  könnte  sich  auch  so  er- 
klären, dass  brüs  (und  brüsk)  Weiterbildung  aus  *brü  wäre, 
wozu  dann  bi^üd  eine  geläufige  bildung.  im  ahd.  wäre  das  wort 
erhalten  in  der  Verbindung  tointes  brüt,  indem  sich  möglicher  weise 
schon  die  unklare  Vorstellung  eines  Zusammenhanges  mit  braut 
eingestellt  hätte,  mit  der  wz.  brus  'brausen'  könnte  leicht  die 
gleichlautende  von  ags.  brysan  'zerschmettern'  Zusammenhang 
haben,  und  dann  hätten  wir  vielleicht  auch  in  ahd.  brödi  eine 
spur  für  die  gestalt  ohne  s.  —  der  bei  wittern  ausgesprochene 
zweifei  ist  schwerlich  gerechtfertigt,  dass  der  Jägerausdruck  zu 
der  bedeutung,  die  eigentlich  'mit  benutzung  der  Witterung  rie- 
chend aufspüren'  ist,  kommen  konnte,  dafür  sprechen  'wind  haben', 
franz.  vent  engl,  wind  'Witterung'.  —  wocken.  da  die  eigentliche 
bedeutung  'flachsbündel  zum  aufziehen  auf  den  rocken'  ('wickel') 
ist,  so  kann  man  das  wort  mit  Sicherheit  zu  wieche  oder  dessen 
nebenform  wicke  stellen.  —  wollen,  ahd.  mhd.  ist  e  anzusetzen 
(Zs.  25,  221  fj,  wie  jetzt  auch  Paul  Mhd.  gr.2  §  173  hat.  —  zaser 
könnte  mit  zart  zusammengehören,  wenn  die  grundbedeutung  des 
letzteren  'schmiegsam'  wäre;  vgl.  meine  anm.  zu  Alex.  6,  940. 
—  bei  zerren  sollte  deutlicher  gesagt  sein  dass  ahd.  zerren,  nl. 
terren,  isl.  terra  'extendere'  nicht,  wie  gewöhnlich  angenommen 
wird,  mit  alts.  terian  identisch  sein  kann,  im  ersteren  muss  die 
Verschärfung  des  r  von  dem  j  unabhängig  sein  (germ.  tarrjan); 
ob  Zusammenhang  mit  zehren  besteht,  ist  fraglich.  —  zimper- 
lich, auf  onomatopoetischen  character  von  zimpern  weist  nfläm. 
timpermeese  =  pimpermeese  'pimpelmeise'  (zu  pimpeln  vergl.  Zs. 
24,  419).  Woeste  Westf.  idiotic.  führt  bei  zimpen,  zimpern  'weinen' 


30  KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERBUCH 

auch  ein  schles.  himpern  'weinen  mit  verschlossenen  lippen'  an. 
auf  die  bedeutung  von  zimperlich  (sich  zümpern  'ängstlich  sein' 
Bruder  Hans  976)  war  auch  wol  nrh.  tinip  (zu  zipfel)  'zipfel'  von 
einfluss.  —  zote,  die  lautform  spricht  ebenso  wenig  für  frem- 
den Ursprung  wie  sachliches,  mir  ist  immer  noch  Identität  mit 
zotte,  welches  mehrfach  die  bedeutung  'liederliche  person,  hure' 
hat,  viel  wahrscheinlicher  als  entlehnung  aus  sottie.  auch  in 
roman.  ÖHrra  (Diez3  1,  77.  94  f)  berühren  sicii  die  bedeutungen 
'zotte'  und  'posse'.  —  znber.  warum  got.  ticibaür  mit  o?  — 
von  zugleich  würde  man  wol  richtiger  sagen:  analogiebildung 
zu  zuvor,  zuerst  usw.  —  zirhel  und  zioirbeln  wären  äufserlich 
in  beziehung  zu  versetzen. 

Dankenswerte  register  der  berücksichtigten  gr.,  lat.,  ital., 
franz.  und  engl.  Wörter  beschliefsen  das  werk;  eine  kurze  vor- 
treffliche eiuleitung  setzt  den  standpunct  des  etymologen  aus 
einander  und  gil)t  als  notwendiges  hilfsmittel  für  das  Verständnis 
eine  übersieht  über  die  geschichte  unserer  spräche  bis  in  die 
ahd.  zeit  hinein,  auch  hier  dürfte  den  Schlüssen  aus  dem  sprach- 
geschichtlichen material  manchmal  etwas  zu  viel  vertraut  sein, 
auch  hier,  in  dem  gesammtbilde  tritt  die  urschöpfung  der  jün- 
geren Perioden  etwas  zu  sehr  zurück  gegen  die  bewahrung  und 
ausbeutung  des  aus  einer  urperiode  entlehnten  fonds  und  den 
an  nachhaltige  kulturhistorische  einflüsse  geknüpften  Zuwachs 
fremder  demente,  einige  Sätze  lassen  auch  das  andere  moment 
zu  seinem  rechte  kommen;  aber  sie  müslen  mehr  in  den  Vorder- 
grund gestellt  sein,  damit  die  gewöhnliche  ansieht  sie  sich  nicht 
so  leicht  entgehen  lassen  könnte,  welche  in  der  Sprachgeschichte 
einen  grofsen  strich  anbringt,  um  sie  in  eine  conslruclive  und 
destructive  periode  zu  trennen,  in  dem  richtigen  und  wichtigen 
satze  Pauls  (Principieu  s.  118)  'gänzlich  fallen  lassen  muss  man 
die  für  die  geschichte  der  indogerm.  flexion  beliebte  Scheidung 
in  eine  periode  des  aufbaus  und  eine  periode  des  Verfalls'  dürfte 
man  'flexion'  ruhig  mit  'sprachen'  vertauschen,  dann  möchte  ich 
auch  fragen,  ob  wir  würklich  irgend  welche  anhaltspuncte  haben, 
um  die  Sprachentrennung  der  Indogermaneu  in  eine  bestimmte 
und  so  auffällig  junge  zeit,  etwa  2ü00  vor  Chr.,  zu  verlegen? 

Wenn  der  Verfasser  im  eingang  über  die  Vorzüge  der  roman. 
etymologie  vor  der  germ.  redet,  so  zeigt  doch  sein  buch  dass  er 
es  nicht  l'ür  unrichtig  hält,  wenn  wir  uns  gewöhnt  haben,  lieber 
Jahrtausende  als  Jahrhunderte  der  Sprachgeschichte  zu  verfolgen, 
unsere  erkenntnis  nicht  von  zufälligen  Verhältnissen  beschränken 
zu  lassen,  sondern  dem  trieb  nachzugeben,  der  bis  an  die  quelle 
vordringen  will,  dass  wir  es  nicht  bedauern,  so  viel  weiter  gehen 
zu  müssen,  sondern  uns  redlich  bemühen,  uns  selbst  und  'dem 
gebildeten  alle  Schwierigkeiten  darzulegen  und  zu  beseitigen',  ohne 
rücksicht  auf  solche,  die  gerne,  des  eigenen  nachdcnkens  über- 
hoben, einige  interessante  notizen  empfangen,  mit  denen  sie  ge- 


KLUGE    ETYMOLOGISCHES    WÖRTERRÜCH  31 

legentlich  einmal    die  amüsanteren  anderweitigen  Unterhaltungen 
der  gesellschaft  unterbrechen  können. 

Wir  würden  unsere  schuld  nicht  voll  abgetragen  haben,  wenn 
wir  nicht  auch  der  Verlagsbuchhandlung  sowie  der  druckerei  unsere 
anerkennung  zollten  für  die  treffhche  ausstattung  des  buches,  — 
abgesehen  von  der  pseudodeutschen  schrift  —  ein  würdiges  kleid 
für  den  inhalt.  möge  der  letztere  immer  vollkommener  werden, 
wenn  die  obigen  bemerkungen  etwas  dazu  beitragen  können,  so 
haben  sie  ihren  zweck  erfüllt. 

Bonn  im  mai  1884.  J.  Fraisck. 


Kritische  bemerkungen  zu  den  Nibelungen  von  Max  Roediger.  Berlin,  Weid- 
mannsche  buchhandlung,  1884.   viii  und  94  ss.    8".  —  2,40  m. 

Roediger  erklärt  nicht  weniger  als  55  von  Lachmann  bei- 
behaltene Strophen  für  interpoliert:  86.  123.  124.  165.  198.  206. 
271.  676.  736.  1000.  1001.  1015.  HOL  1104.  1232.  1308. 
1355.  1417.  1567.  1651.  1652.  1667.  1680.  1865.  2016.  2018. 
2019.  2020.  2022.  2057.  2058.  2059.  2062.  2063.  2066.  2067. 
2068.  2074.  2076.  2081.  2084,  2—2085,  1.  2088.  2144.  2169. 
2170.  2171.  2174.  2198.  2222.  2251,3—2252,2.2253.2256. 
2259.  2260.  2261,  verteidigt  dagegen  die  echtheit  dreier  von 
Lachmann  verworfener:  691.  695.  1521.  aufserdem  sieht  er  in 
Str.  330,  nicht  aber  in  454,  3 — 455,  2  einen  jüngeren  zusalz, 
schlägt  178,  1  und  268,  3*  texiänderuugen  vor  und  entwickelt 
(gegen  Henning)  seine  auffassung  über  das  stück  1836 — 57. 

Ich  halte  zunächst  die  versuchten  rettungen  für  falsch,  auf 
Str.  689  Erlouhet  uns  die  hotschaft  e  wir  sitzen  gen:  uns  wege- 
müede  geste,  Idt  uns  die  wile  sten.  wir  suln  iu  sagen  mcere,  waz 
iu  enboten  hat  Günther  und  Prünhilt ,  der  dinc  vil  zierliche  stdt 
lässt  Lachmann  folgen  str.  693  Do  sprach  der  marcgrdve  Gere, 
ein  riter  guot,  'si  sint  in  allen  tngenden  so  rehte  höhgemnot:  si 
ladent  iiich  ze  Rlne  an  eine  höhgezit;  si  swhen  iuch  vil  gerne, 
daz  ir  des  dne  zwivel  sit.  dazwischen  hat  er  drei  Strophen  ge- 
tilgt, von  diesen  will  Roediger  die  mittlere,  691,  wider  einsetzen 
'Nu  lön  in  got',  sprach  Sifrit.  'ich  getrüwe  in  lool  triwen  unde 
guotes,  also  man  friunden  sol:  sam  tuot  ouch  ir  swester.  man 
sol  uns  mere  sagen  oh  da  heime  unser  fritmde  iht  hohes  muotes 
tragen:  dadurch,  meint  er,  gewinne  erst  die  scene  rechtes  leben, 
zudem  habe  Lachmann  nichts  gegen  diese  str.  vorgebracht,  letz- 
teres war  auch  nicht  nötig:  denn  wenn  Siegfried  z.  3  sagt  sam 
tuot  ouch  ir  swester,  so  wird  damit  die  interpolation  690  voraus- 

*  denn  1103,  "2  (nr  xvni)  wird  nur  ein  druckversehen  der  jüngsten 
Lachmannschen  edilion  gebessert:  die  mir  zu  geböte  stehenden  ausgaben, 
die  erste  und  die  dritte  grofse  und  der  vierte  und  siebente  textabdruck, 
weisen  sämmtiich  das  richtige  diu  auf. 


32  ROEDIGER    KRITISCHE  BEMERKUNGEN    ZU    DEN    NIBELUNGEN 

gesetzt,  in  welcher  Giselhers  iiud  Gernots  erwähnung  geschieht; 
Kriemhild  ist  ja  nur  Günthers,  nicht  auch  der  BriinhikI  Schwester. 
—  ferner  behält  Roediger  str.  695  Do  sprach  aber  Gere  von  Bur- 
gonden  laut  'twer  mnoter  Uote  diu  hat  nick  gemant ,  Gernöt  und 
Giselher,  ir  sült  in  niht  versagen,  daz  ir  in  sit  so  verre,  daz 
hcere  ich  tegeliche  klagen'  hei,  weil  nur  dann  Siegfried  701  sagen 
könne,  dass  Günther  und  sine  mdge  nach  ihm  gesandt  hatten, 
aber  695  ist,  wie  aus  iioer  mnoter  hervorgeht,  eine  anrede  der 
boten  an  Kriemhild,  nicht  an  Siegfried,  dieser  dürfte  also,  streng 
genommen,  darauf  hin  nicht  erklären:  es  hat  nach  mir  gesendet. 
dass  die  einladung  von  Günther  im  namen  seiner  verwandten  er- 
geht, ist  Str.  679  angedeutet;  dass  die  boten  das  nicht  mit  klaren 
Worten  sagen,  ist  keine  gröfsere  Unterlassungssünde  als  dass  sie 
den  ihnen  ausdrücklich  gewordenen  auftrag  an  Siegmund  ganz 
vergessen,  jedesfalls  wäre  aber  der  anstofs,  welchen  die  beibe- 
haltung  der  str.  695  verursachen  würde,  ein  viel  grüfserer:  denn 
von  Gernots  und  Giselhers  beteiligung  an  der  einladung  war  nur 
in  der  auch  von  Roediger  als  unecht  anerkannten  str.  690  die 
rede.  —  was  zwischen  1513  und  1527  steht,  schied  Lachmann 
aus.  Roediger  verteidigt  1521  Do  si  daz  schif  entlnoden  und 
gar  getruogen  dan  sicaz  dar  nffe  heten  der  drier  künege  man, 
Hagne  ez  sluoc  ze  stucken  und  warf  ez  an  die  ßuot.  des  hete 
michel  wunder  die  reken  küene  nnde  gnot ,  indem  er  sich  darauf 
beruft  dass  hier  ein  alter  sagenmäfsiger  zug  vorliege  und  dass, 
wenn  es  dem  dichter  nicht  überflüssig  erschienen  sei,  1512  die 
beladung  des  schiffes  zu  erwähnen,  er  ebenso  kurz  auch  die  ent- 
ladung  habe  berühren  dürfen,  das  erste  argument  beweist  nichts, 
denn  dass  interpolaloren  sehr  wol  sagenkenntnis  besitzen  konnten, 
zeigt  zb.  INib.  1531  und  anm.;  das  andere  spricht  sogar  wider 
Roedigers  ansieht,  nachdem  nämlich  die  Burgunden  str.  1512  ir 
golt  und  auch  ir  wdt  in  das  schiff  getragen,  fährt  Hagen  zunächst 
1000  ritter  und  seine  recken  übers  wasser,  darauf  (nach  und  nach, 
wie  man  doch  auf  grund  von  1513,  4  annehmen  muss)  9000 
knechte:  das  gepäck  wird  aber  gewis  gleich  bei  der  ersten  lan- 
dung  ausgeladen,  nicht  unnützer  weise  den  ganzen  tag  hin  und 
her  geführt  worden  sein. 

Ich  wende  mich  zur  betrachlung  einiger  athetesen.  329  und 
330  lauten:  'Daz  xoil  ich  widerrdten\  sprach  dö  Slfrit.  'jd  hat 
diu  küniginne  so  vreisUchen  sit,  swer  ir  minne  wirhet,  daz  ez  in 
höhe  stdt.  des  muget  ir  der  reise  haben  guoten  rat.'  'So  wil  ich 
iu  daz  raten ,  sprach  dö  Hagene,  'ir  bitet  Sifride  mit  in  ze  tragene 
die  vil  starken  reise:  daz  ist  nu  min  rät;  sit  ime  daz  ist  kündec, 
wie  ez  umb  die  frouwen  stdt.'  nur  die  erste  dieser  Strophen  be- 
zeichnete Lachmann  als  späteren  zusatz  und  schloss  sie  in  eckige 
klammern  ein;  Roediger  will  auch  die  zweite  für  jünger  ange- 
sehen wissen,  da  sie  in  deutlichem  gegensatz  zur  vorangehenden 
gedichtet  sei.    dieser  'deutliche  gegensatz'  beruht  indes  nur  auf  der 


ROEDIGER    KRITISCHE    BEMERKUNGEN    ZU  DEN    NIBELUNGEN  33 

armseligen  widerholung  des  verbums  raten  an  der  gleichen  stelle  der 
cäsur  und  des  reimes  rdtistdt;  der  inhalt  des  von  Hagen  erteilten 
rates  kann  völlig  ohne  329  bestehen,  wenn  wir  aber  zwei  einander 
in  reimen  und  Wortschatz  so  ähnliche  interpolierte  Strophen  vor 
uns  haben,  werden  wir  immer  eher  die  eine  für  das  muster  der 
anderen  ansehen  als  beide  dem  gleichen  Verfasser  zutrauen,  ich 
wende  mich  damit  auch  gegen  eins  der  argumente,  mit  welchen  s.  7 
die  echtheit  von  198  angefochten  wird,  wenngleich  ich  diese  Strophe 
nicht  unbedingt  verteidige,  im  vorliegenden  falle  konnte  330,  4 
zur  einschiebung  einer  meinungsäufserung  Siegfrieds  anlass  geben. 

—  die  gründe,  aus  denen  str.  27 1  Der  wirt  der  hete  die  sinne,  im 
was  daz  wol  erkant,  wie  rehte  herzexUche  der  hell  von  Niderlant 
sine  swester  trüte,  die  er  noch  nie  gesach,  der  man  so  grözer  schoene 
vor  allen  junc fr ouwen  jach  verworfen  wird,  leuchten  mir  nicht 
ein:  'hiernach  weifs  Günther  dass  Siegfried  seine  Schwester  liebt, 
obgleich  er  sie  noch  nie  gesehen  hat.  trotzdem  tut  er  nichts, 
um  eine  annäherung  zu  ermöglichen ,  die  ihm  doch  ganz  recht 
ist.  denn  als  272  f  Ortwin  rät,  die  frauen  am  feste  teilnehmen, 
und  287  f  Gernot,  den  Siegfried  durch  Kriemhild  begrüfsen  zu 
lassen,  stimmt  er  sofort  bei.  was  soll  aber  die  bemerkung  in 
271,  wenn  sie  keinen  fortschrilt  veranlasst,  und  die  erwartung, 
der  könig  werde  die  initiative  ergreifen,  geteuscht  wird?'  für  meine 
auffassung  motiviert  die  Strophe  die  bereitwilligkeit,  mit  der  Gün- 
ther auf  Ortwins  und  Gernots    spätere  wünsche  alsbald   eingeht. 

—  735.  736  lauten:  Nu  ndheten  zuo  ein  ander  der  zweier  künege 
icip.  dd  wart  vil  setel  leere,  maneger  vrouwen  lip  wart  von  helde 
handen  erhaben  nf  daz  gras,  die  vrouwen  gerne  dienden,  waz  der 
dd  nnmüezec  was!  Do  giengen  zuo  ein  ander  diu  minneclichen 
wip.  des  was  in  grözen  vröuden  maneges  riters  lip,  daz  ir  beider 
griiezen  so  minnecUch  ergie.  dd  sach  man  vil  der  recken  der  die- 
nen vrouwen  dd  niht  lie.  dazu  bemerkt  Roediger  s.  16  f:  'die 
beiden  Strophen  halten  so  grofse  ähnlichkeit,  selbst  in  den  reimen, 
dass  man  eine  als  nachbildung  der  andern  betrachten  muss.  und 
zwar  möchte  ich  die  zweite  ausscheiden,  weil  1)  das  adjectivum 
minnecUch  ungeschickter  weise  zweimal  in  ihr  vorkommt,  2}  nur 
der  reimzwang  in  z.  4  den  sing,  der  lie  statt  des  plur.  die  liezen 
hervorgerufen  haben  dürfte,  3)  ihr  Verfasser  die  beiden  königiu- 
nen  sich  noch  einmal  begrüfsen  lässt,  während  doch  von  ihren 
frauen  die  rede  und  die  begrüfsung  der  Kriemhild  und  Brünhild 
bereits  730  geschildert  und  als  erfreulich  bezeichnet  ist.'  dagegen 
ist  einzuwenden  1)  dass  in  diesem  Hede  in  einer  und  derselben 
Str.  zweimal  auch  vorkommt  zb.  das  adj.  stark  685,  das  parli- 
cipium  gezieret  775.  2)  dass  str.  730  von  einer  begrüfsung  der 
beiden  köuiginnen  noch  nicht  die  rede  war;  es  wird  dort  nur 
von  dem  allgemeinen  eindruck  gehandelt,  welchen  der  von  Brün- 
hild als  landesherrin  veranstaltete  empfang  auf  die  gaste  macht, 
ein  empfang,   der  unmöglich  so   prächtig   früher  von  seilen  der 

A.  F.  D.  A.   XI.  3 


34  ROEDIGER    KRITISCHE    BEMERKUNGEN    ZU    DEN  NIBELUNGEN 

Kriemhild  ausgefallen  wäre;  dann  erst  beginnt  die  Schilderung 
der  begrüfsuug  im  specielleu:  zunächst  die  Siegfrieds,  Sieg- 
munds und  Günthers, ^dann  die  der  königinnen,  jede  durch  nu 
eingeleitet.  —  1104  E  der  edel  Rüedeger  ze  Bechldren  reit  tiz 
der  stat  ze  Wiene,  dö  wären  in  diu  kleit  rehte  volleclkhen  üf  den 
soiimen  komen.  die  fuoren  in  der  nidze,  daz  in  wart  wenic  iht 
genomen.  Roediger  sagt  über  diese  str.  s.  22:  'ist  Rüdiger  nicht 
genügend  für  die  gesandtschaft  ausgerüstet  und  will  dafür  mit 
shi  selbes  guote  sorgen  (1093,  4),  so  kann  er  seine  bedürfnisse 
nur  den  verraten  in  seiner  heimat,  in  ßechlareu  entnehmen,  dort- 
hin reitet  er  selbst,  warum  sollen  also  die  kleider  erst  nach  Wien 
und  darauf  zurück  nach  ßechlareu  transportiert  werden,  zumal 
die  strafsen  unsicher  sind  (1104,  4)?  ja  wenn  die  neue  garde- 
robe  gleich  in  Wien  angelegt  würde  1  das  geschieht  aber  nicht, 
auch  nicht  in  Bechlaren  (1114)...  kommen  nun  die  kleider 
nicht  aus  Bechlaren  —  woher  dann?  es  steht  in  1104:  uz  der 
stat  ze  Wiene.  freilich  meint  Lachmann,  der  bau  des  satzes  ge- 
statte diese  erklärung  nicht,  dö  müsle  fehlen,  jedoch  wenn  ein 
par  Strophen  vorher  hin  ze  Bechelären  dö  sande  Rüedeger  ohne 
anstand  durchgieng,  weshalb  denn  hier  nicht  der  völlig  analoge 
satz  uz  der  stat  ze  Wiene  dö  xodren  in  diu  kleit  komen?'  darum 
verwirft  Roediger  die  str.  und  weist  sie  dem  verf.  von  1102  zu. 
um  gleich  mit  dem  letzten  zu  beginnen:  ganz  analog  sind  die 
beiden  Sätze  nicht,  der  zuerst  angeführte  ist  ein  reiner  hauptsatz, 
in  dem  andern  verweist  dö  auf  ein  vorhergegangenes  e.  es  ist 
ferner  eine  willkürliche  annähme,  dass  Rüdiger  seine  bedürfnisse 
nur  den  Vorräten  in  Bechlaren  entnehmen  könnte  und  somit  ein 
unnützes  hin-  und  herschicken  hätte  stattfinden  müssen,  die 
formel  endlich  dö  waren  in  ....  komen  bedarf  keiner  weiteren 
angäbe  des  woher,  das  ersieht  man  aus  681,  wo  es  von  Gere 
und  den  übrigen  gesandten,  die  dem  burgundischen  hole  angehören 
und  von  dort  aufbrechen,  heifst:  Si  fuoren  reisUche :  ir  pfert  und 
ir  gewant  daz  was  in  dö  komen,  dh.  fertig  gestellt,  in  z.  2  be- 
ziehe ich  mit  Roediger  gegen  Lachmann  auf  den  markgrafen  und 
seine  leute,  nicht  auf  Göllint  und  ihre  tochter  (vgl,  den  plural 
1105,  1).  ich  fasse  somit  den  sinn  der  str.  folgender  mafsen: 
ehe  Rüdiger  von  Wien  nach  Bechlaren  aufbrach,  war  die  garde- 
robe  auf  saumtieren  bereit;  diese  saumtiere  machten  den  weg 
(von  Wien  nach  Bechlaren)  in  voller  Sicherheit  (weil  sie  von 
Rüdiger  und  seinen  mannen  geleitet  waren),  diesen  sinn  haben 
auch  die  hss.  CDIh  in  dem  überlieferten  gesehen  und  durch  ihre 
änderungen  noch  planer  zu  gestalten  sich  bemüht.  —  in  dem  auf- 
trage, welchen  Kriemhild  den  spielleuten  erteilt,  findet  Roediger 
einen  directen  Widerspruch  zwischen  str.  1355  Und  swaz  ir  miner 
friunde  immer  muget  gesehen  ze  Wormez  bi  dem  Rine,  den  sult 
ir  niht  verjehen,  daz  ir  noch  ie  geswhet  betrüebet  minen  mnot; 
und  saget   minen  dienest   den  helden  küene  unde   guot   und  1356 


ROEDIGER    KRITISCHE    BEMERKUNGEN    ZU  DEN    NIBELUNGEN  35 

Bittet,  daz  si  leisten,  daz  der  knnic  in  enhöt ,  und  mich  dd  mite 
scheiden  von  aller  miner  not.  die  Hinnen  wdlent  wcenen,  daz  ich 
an  friunde  si:  ob  ich  ein  riter  iccere,  ich  kwme  in  ettewenne  bi; 
er  verwirft  daher  die  erstere  auf  gruud  von  1339,  4.  wenn  aber 
Kriemhild  den  boten  nichts  weiteres  anzuvertrauen  hat,  als  was 
Str.  1356.  57  besagen,  dinge,  die  1343.  45  zwischen  ihr  und  Etzel 
verhandelt  sind,  so  ist  nicht  abzusehen,  weshalb  sie  Werbel  und 
Swemmel  tougenlichen  in  ir  kemendten  entbietet,  auch  würde 
1356,  1  si  bei  wegfall  der  str.  1355  beziehungslos  dastehen,  im 
übrigen  ist  der  Widerspruch  zwischen  1355  und  1356  nur  ein 
scheinbarer:  Kriemhild  wünscht  dass  ihre  brüder  glauben  sollen, 
ihre  not  bestehe  einzig  darin,  dass  sie  von  den  Hennen  als  freund- 
los angesehen  werde,  nicht  darin,  dass  sie  noch  über  Siegfrieds 
ermordung  trauere;  von  der  zeitweiligen  verdüsterung  ihres  ge- 
mütes  zu  reden  verbietet  sie  darum  den  boten,  weil  zwar  nicht 
die  Heunen  (1339,  4),  wol  aber  ihre  brüder  deren  Ursache  leicht 
erraten  können.  —  der  Vorschlag,  268,  3  muosen  sit  (statt  si) 
verklagen  zu  lesen,  ergäbe  für  diese  zeile  ganz  den  gleichen  in- 
halt  wie  für  267,  4 ;  in  solchen  fällen  pflegt  Roediger  sonst  eine 
interpolation  anzunehmen. 

Ich  könnte  noch  gegen  verschiedene  andere  ausscheiduugen 
von  Strophen  (zb.  1417.  2088)  specielle  bedenken  geltend  machen, 
aber  auch  wo  ich  das  nicht  zu  tun  in  der  läge  bin,  erscheinen 
mir  häufig  die  beigebrachten  gründe  nicht  stark  genug,  um  eine 
athetese  zu  rechtfertigen,  meines  erachtens  hat  Roediger  sich 
nicht  immer  des  salzes,  den  er  mit  vollem  recht  in  seiner  vor- 
rede ausspricht:  'nicht  alles,  was  gestrichen  werden  kann,  muss 
auch  gestrichen  werden'  erinnert,  indes  verkenne  ich  keineswegs 
dass  seine  scharfsinnige  schrift  vielfach  anregt  und  in  manchen 
puncten  zu  sicheren  ergebnissen  gelangt:  dahin  rechne  ich  ua. 
athetesen  wie  die  von  str.  86  oder  206. 

Steinmeyer. 


Laurence  Minots  lieder  mit  grammatisch-metrischer  einleitung  von  Wilhelm 
Scholle.  Quellen  und  forschungen  52.  Strafsburg,  Karl  JTrübner, 
1884.  xLvn  und  45  ss.    8".   —2  m. 

Minot  ist  schon  lange  ein  liebling  der  anglislen  gewesen, 
die  historische  bestimmtheit,  die  spielmännische  frische,  der  mäfsige 
umfang  und  die  gute  Überlieferung  seiner  elf  lieder  haben  ihm 
schon  vor  Scholle  3  gesammtausgaben  verschafft  —  abgesehen  von 
partiellen  abdrücken  in  verschiedenen  Chrestomathien  — ,  und  auch 
über  die  spräche  hat  bereits  FJRierbaum  1876  eine  dissertatiou 
geliefert,  dennoch  ist  Sch.s  buch  durchaus  nicht  überflüssig: 
jede  frühere  ausgäbe  war  nur  eine  copie  der  hs..  Seh.  erst  bietet 
einen  kritischen  text.  Bierbaum  hatte  metrik  und  lautlehre  so 
gut  wie  gar  nicht,  die  flexion  recht  oberflächlich  behandelt;  über 

3* 


36  SCHOLLE   LAÜRENCE    MmOTS    LIEDER 

das  end-e  des  adjectivs  zb.  bemerkt  er  schlecblweg:  'überbaupt 
lässt  sich  mit  Sicherheit  nichts  in  diesem  puncte  feststellen.'  Seh. 
hat  gerade   diese  partien  mit  akribie  und  Sachkenntnis  erörtert. 

Zum  detail  übergehend,  muss  ich  mich  vor  allem  mit  der 
dialectbestimmung  unbedingt  einverstanden  erklären:  südöstliche 
gränze  des  nördlichen  Englands,  und  zwar  immer  noch  nördlicher 
als  STristrem.  dies  zugegeben  ist  der  nachweis,  dass  das  end-e 
des  adjectivs  sehr  oft,  gelegentlich  auch  das  des  adverbs,  noch 
gesprochen  wurde,  von  besonderem  interesse,  weil  er  die  alte 
ansieht,  wonach  das  verstummen  dieser  e  im  nordhumbrischen 
des  14jhs.  allgemein  war,  einschränkt,  man  darf  nun  doppelt 
begierig  sein  auf  die  einschlägigen  Untersuchungen  über  STristrem, 
welche  auf  s.  lui  von  Kölbings  vorsichtiger  ausgäbe  angekündigt 
werden,    vgl.  inzwischen  Schipper,  Zs.  f.  öst.  gymn.  1884  s.  212  f. 

Ferner  gebürt  dem  capitel  über  die  metrik  der  kurzzeilen 
das  lob  grofser  genauigkeit.  zweifeln  kann  man  allenfalls,  ob 
nicht  die  arge  differenz  des  wortaccents,  öfters  sogar  der  allitte- 
rierenden  hauptstäbe,  mit  dem  versaccent  in  vielen  vierfüfsigen 
Versen  einfach  durch  die  annähme  zu  heilen  wäre,  dass  auf  der 
cäsur  die  Senkung  fehlen  darf,  zb.  The  nöbill  düc  öf  Brabdnd 
IV  22,  wo  Seh.  als  vor  of  einfügt;  The  feld  it  hat  Flämengoye 
IV  74,  wo  sich  Seh.  mit  Flamengerije  hilft;  Suhl  cum  a  bdre  över 
(Seh.:  over)  pe  se  vii  161;  Pe  %ü6rd  of  htm  wdlkes  (Seh.:  walkes) 
ful  Wide  VIII  29 ;  Bot  böth  on  hörs  dnd  on  f'öte  (Seh. :  Bot  both 
ön  hors)  iv  59;  For  he  was  his  frend  fdühfnUst  vii  161,  wobei 
mau  allerdings  zur  Vermeidung  des  zweisilbigen  auftactes  das  über- 
flüssige For,  das  die  Schreiber  so  gerne  interpolierten,  weglassen 
müsle.  dadurch  wäre  auch  der  bösen  Strophe  v  31 — 36  geholfen, 
deren  dreifüfsler  sonst  den  vierfüfslern  der  ührigeu  Strophen  ganz 
Singular  gegenüberstehen: 

Sir  Philip  pe  Valdys 
With  his  men  in  po  ddgs  usw. 
für  weitere  härten  gäbe  es  noch  weitere  heilmiltel.  nimmt  mau 
schon  elision  des  e  von  unbet.  pe  auf  folgenden  bet.  vocal  in 
pe  erle  an,  warum  nicht  auch  in  grdimt  him  grdce  of  pe  höly 
gast  IV  8,  wo  man  sonst  mit  veiiust  zweier  Stäbe  grannt  him  grace 
ö/"  lesen  muss?  —  kann  das  adv.  e  in  sone  gelegentlich  nacbtönen, 
warum  nicht  auch  in  lange  (hs.  lang)  in  104,  vvo  sonst  zu  betonen 
ist  Als  lang  als  p am  lasted  tnight?  —  niany  und  sorow  gelten  für 
einsilbig;  mit  demselben  recht  kann  es  conig  sein,  wenn  es  sich 
darum  bandelt,  einem  Have  ive  nowper  conig  ne  cat  vni  75  aus- 
zukommen, ebenso  Philip  in  der  formel  sir  Philip  of  Frannce  iv55 
und  88.  —  endlich  sehe  ich  kein  principielles  hindernis,  manch- 
mal auch  noch  das  tlexions-e  des  subst.,  gleich  dem  des  adj.,  als 
tönend, zu  betrachten,  zb.  hi  Frannce  dnd  in  Flandres  both  m  6 
(statt  In  Frannce  dnd)  oder  a  stede  tö  nmstride  iii  69,  wo  Seh. 
lieber  to  in  for  to  verwandelt,     doch  muss  zur  Steuer  der  wahr- 


SCHOLLE  LAÜRENCE  MLNOTS  LIEDER  37 

heit  und  zu  Sch.s  gunsten  bemerkt  werden  dass  es  trotz  alledeni 
nicht  möglich  ist ,  alle  Stabreime  unter  den  versaccent  zu  bringen 
oder  alle  argen  fälle  von  schwebender  betonung  zu  beseitigen, 
wir  brauchen  eben  zur  entscheidung  noch  manche  ähnliche  Unter- 
suchung verwandter  denkmäler. 

Die  langzeilen  machen  trotz  dem  Scharfsinn,  den  Seh.  auf 
ihre  systematisierung  verwendet  hat,  einen  verworrenen  eiudruck. 
ich  bemerke  nur  zu  s.  xl  dass  der  auffassung  von  kene  men  sal 
pe  kepe  x  23  als  dreifüfsig  keine  Schwierigkeit  im  wege  liegt,  da 
ja  das  end-e  von  kene  nach  s.  xxi  f  nicht  zu  tönen  braucht. 

Im  text  steht  manche  glückliche  conjectur.  doch  hätte  da 
und  dort  ein  conservativeres  vorgehen  nichts  geschadet.  Pai  sal 
maintene  him  —  or  eis  to  tat  Jus  frendschip  fal  vii  113  ff  kann  das 
to  ganz  gut  behalten,  zumal  da  schon  ein  vom  hilfszeitwort  re- 
gierter inf.  ohne  to  vorausgeht;  vgl.  Zupitza  zu  Guy  1925.  — 
einige  end-e  hätten  nach  den  normen,  die  Seh.  selbst  s.  xlh  auf- 
stellt, geschrieben  bleiben  können,  zb.  m  stoicre  i  91,  with  Jiono- 
wre  m  21.  —  ae.  d  ist,  \V\e  die  reime  bezeugen,  bei  dem  dichter 
oft  zu  ö  geworden,  aber  noch  häufiger  intact  geblieben,  die  hs. 
stimmt  in  den  controlierbaren  fällen  zum  Sprachgebrauch  des 
dichters.  woher  also  die  berechtigung,  im  Innern  des  verses 
die  Überlieferung  anzutasten?  consequenz  war  ja  doch  nicht 
immer  in  der  Schreibung  eines  und  desselben  Wortes  herzustellen, 
vollends  zu  fehlerhafter  auffassung  einer  wichtigen  conjugations- 
erscheinung  liefs  sich  Seh.  verführen  durch  das  bestreben,  ae.  a 
vor  /(/  und  nasalen  stets  als  a  darzustellen,  obwol  doch  sogar 
bei  RRolle  die  verdumpfung  nicht  unerhört  ist,  in  allen  nord- 
engl.  denkmälern,  auch  bei  den  reimen  des  STristrem,  ist  näm- 
lich der  ablautvocal  des  prät.  sg.  in  den  pl.  gedrungen  —  dar- 
nach hat  auch  Minots  songen  vii  138  das  o  aus  dem  sg.  satig, 
soiig  entlehnt.  Seh.  hingegen  lässt  es  aus  dem  u  des  part.  her- 
vorgehen und  schreibt  dafür  simgen.  hätte  die  hs.  smigen,  wir 
müsten  dafür  songen  lesen  1  —  endlich  bin  ich  mit  der  regel- 
mäfsigen  rückverwandlung  des  aus  u  besonders  vor  dentalen  und 
nasalen  entstandenen  o  in  u  nicht  einverstanden;  denn  dies  schwan- 
ken ist  für  den  dichter  durch  einen  festen  reim  erwiesen:  pai 
nomen  :  es  cumen  (statt  comen)  ix  53  f.  Seh.  suchte  zwar  auszu- 
kommen, indem  er  numen  in  den  text  setzte;  aber  wo  begegnet 
im  14  jh.  ein  prät.  pl.  numen?  Stratmann  kennt  numen  nur 
als  part.  der  Schreiber  hat  vielmehr  comen  in  cumen  rückver- 
wandelt; er  selbst  war  dem  o  abgeneigt;  wo  ihm  trotzdem  o  stehen 
geblieben  ist,  würde  ich  ihm  desto  eher  trauen,  noch  unglück- 
licher war  Seh.,  wenn  er  gegen  seine  eigene  regel  loun  (ae.  icnnnen) 
VII  151  zu  won  änderte;  denn  das  darauf  gereimte  part.  bigun 
streitet  auf  das  entschiedenste  dagegen. 

Zu  Sch.s  entschuldigung  muss  übrigens  gesagt  werden  dass 
diese  vereinzelten  misgriffe  wol  hauptsächlich  in  der  übertriebeneß 


38  SCHOLLE    LAÜRENCE    MINOTS    LIEDER 

lugend  wurzeln,  alles  anstöfsige  aus  seinem  text  zu  verbannen, 
im  ganzen  und  grofsen  ist  seine  broschiire  eine  tüchtige  leislung 
und  zeugt  von  exacter  Schulung. 

Prag  21  juni  1884.  A.  Brandl. 


Corpus  poeticum  boreale.  The  poetry  of  the  old  nortliern  tongue  from  the 
earliest  times  to  the  thirteenth  Century  edited  classified  and  trans- 
lated  with  introduction,  excursus,  and  notes  by  Gudbband  Vigfüsson, 
M.  A.  and  FYork  Powell,  M.  A.  vol.  i  Eddie  poelry.  vol.  u  Court 
poetry.  Oxford,  al  the  Clarendon  press,  1883.  cxxx  and  575;  712  ss. 
gr.  8°.  —  42  m.* 

Ein  werk,  wol  geeignet  durch  die  fülle  des  hier  zum  ersten 
mal  vereinigten  malerials,  durch  erstaunliche  gelehrsamkeit,  durch 
reichtum  an  neuen  ideen  zu  imponieren  und  durch  lebensvolle 
darstellung,  durch  stilistische  und  poetische  feinfühligkeit  zu  fes- 
seln und  zu  gefallen,  uns  Deutschen  vielleicht  noch  besonders 
empfohlen  durch  die  begeisterte  Verehrung  Grimms  und  Goethes 
(i  s.  xcui.  xcLx  f.  cvL  cxL  cxvii.  cxxHi,  s.  prolcgomcna  zu  Stnrlunga 
s.  Lxxvn),  die  uns  nicht  bei  einem  Engländer,  den  man  in  dem 
buche  oft  zu  hören  meint,  eher  bei  einem  Skandinavier  auffällt, 
aber  mehr  noch  als  durch  bewunderung  und  Sympathie  können 
die  germanisten  aller  uationen  Vigfüsson  die  dankbare  anerken- 
nung  seiner  leistungen  ausdrücken  durch  eifrige  bebauung  des 
von  ihm  erschlossenen  arbeitsfeldes;  das  ist  sowol  durch  sprach- 
liche, poetische,  kritische,  litterarhistorische  behandlung  der  von 
ihm  mitgeteilten  texte,  als  durch  prüfung  seiner  in  der  einleitung 
und  den  excursen  ausgesprochenen  theorien. 

Es  ist  mir  unmöglich  das  neue  werk  nach  allen  seilen  zu 
beleuchten  und  über  alle  strittigen  puncte  —  denn  V.  geht  fast 
überall  seine  eigenen  wege  und  sein  thema  ist  die  ganze  alt- 
nordische poesie  —  ein  begründetes  urteil  abzugeben,  ich  muss 
mich  begnügen ,  die  äufsersten  umrisse  des  Corpus  zu  skizzieren 
und  dann  bei  einigen  partien  zu  verweilen,  in  denen  ich  dem 
Verfasser  nicht  beistinmien  kann. 

Die  einleitung  gibt  eine  geschichte  der  altnordischen  philo- 
logie  auf  Island  —  viel  ausführlicher  für  die  ältere  zeit  als  in  den 
prolegomena  zu  Stnrlunga  s.  cxli  — ,  in  der  einige  interessante 
gestallen  hervortreten,  Arngrim  und  Biörn  von  Skardsa  1593 — 
1643,  vor  allem  aber  bischof  Brynjolf  1605 — 1675.  es  ist  vielfach 
noch  möglich  nachzuweisen,  welche  manuscriptc  diese  gelehrten 
benutzten  und  in  welcher  reilienlolge  ihnen  dieselben  bekannt  wur- 
den, denn  die  alte  tradition  war  in  Island  so  gut  abgerissen  als 
anderswo,    nur  von  der  prosaischen  Edda  wüste  man  noch  immer 

[*  vgl.  DLZ  1S84  nr  2-1  (EKöJbing).] 


CORPUS    POETICÜM    BOREALE  39 

als  einer  gelehrten  anleitung  zur  dichtkunst,  s.  die  Zeugnisse  aus 
dem  15  und  16  jh.  i  s.  xxvii  und  u  560.  die  poetische  lernte  BiOrn 
erst  spät  kennen,  aber  er  wie  andere  hatten  ein  ähnhches  buch, 
das  sie  auch  Edda  nannten,  'die  ältere',  'die  Uredda',  schon  vorher 
postuliert.  —  es  folgt  eine  beschreibung  der  vorhandenen  und 
für  die  ausgäbe  verwerteten  handschriften.  —  daran  scliliefsen 
sich  betrachtungen  über  die  altgermanische  poesie  überhaupt  — 
mit  versuchen  langobardische  lieder  aus  den  erzählungen  des  Pau- 
lus Diaconus  zu  erweisen  —  und  die  Stellung  des  altnordischen 
in  derselben,  die  schon  in  den  prolegomena  zu  Sturlunga  aus- 
gesprochene ansieht,  dass  die  Eddalieder  z.  t.  von  den  westlichen 
inseln  stammen,  wird  durch  neue  argumente  gestützt  (vgl.  Edzardi 
Paul-Braunes  Beiträge  8, 349).  —  es  folgt  eine  Verteilung  der  Edda- 
lieder auf  verschiedene  aus  eigentümlichkeiten  des  poetischen  stils 
erschlossene  Verfasser.  V.  unterscheidet  einen  'Helgidichter',  einen 
Hapeten-'  oder  'monolog-'  oder  'klaglieddichter',  d.  i.  den  verf.  der 
gedichte  von  Bruuhild,  Gudrun,  Oddrun,  einen  'balladendichter', 
von  dem  die  erzählenden  götterlieder,  den  aristophanischen  dich- 
ter, von  dem  Lokasenna,  Harbardhsliodh,  Skirnismal  stammen,  den 
'sibyllendichter'  ua.  doch  ist  dabei  nicht  immer  ein  Individuum, 
öfter  auch  eine  poetische  schule  gemeint,  s.  lxiv.  cxvin.  —  sodann 
Zeugnisse  für  die  Verbreitung  dieser  lieder  und  für  bekanntschaft 
mit  ihnen,  die  wichtigsten  sind  natürlich  die  vor  1230,  dem 
höchstmöglichen  alter  der  hs.  R,  s.  xlii.  lxxi,  und  vor  1150,  der 
zeit,  in  welche  V.  die  Sammlung  der  lieder  selbst  setzt,  es  kom- 
men in  belracht  Ulfr  L'ggason  c.  980,  i  s.  lxviii,  Eyvindr  skal- 
daspillir  c.  970,  s.  lxv.  2,  Arnorr  iarlaskald  c.  1064,  s.  lxxvii,  Ivarr 
Ingimundarson  c.  1144,  iarl  Rügnvaldr  etwa  um  dieselbe  zeit, 
s.  LXXVII,  könig  Sverrir,  s.  lxxii.  lxxvii.  314;  —  dann  abgesehen 
von  Sn.Edda  undVölsunga  saga  uä.  die  Skiöldunga  saga  (Sögubrot), 
I  s.  lxxv.  349,  Ynglinga  saga,  i  23,  Flateyjarbok,  i226,  Örvar-Odds 
saga,  I  2.  226,  Gisla  saga,  ii  331,  Ilromundar  saga  Greipssonar,  i 
s.  lxxvii  ff  (s.  MüllenhofT  Zs.  12,351).  vgl.  dazu  die  parallelen 
zwischen  Hymiskvidha  und  P'a^reyinga  und  Grettla  i  511,  zwischen 
den  liedern  von  den  Nibelungen  und  Laxdoela  ii  506,  im  dritten 
excurs  des  zweiten  bandes.  —  die  folgenden  paragraphen  handeln 
von  der  hofpoesie  und  stellen  zur  erklärung  des  umstandes,  dass 
die  zwischen  970  und  1070  entstandenen  gedichte  oft  nicht  die 
positiven  angaben  über  persoueu,  orte  und  facten  enthalten,  für 
welche  sie  in  den  sagas  citiert  zu  werden  scheinen,  die  hypothese 
von  einer  Überarbeitung  derselben  im  12  jh.  auf,  bei  der  eine  fülle 
von  latsachen  durch  allgemeine  poetische  phrasen  ersetzt  worden 
sei,  s.  Lxxxiii  ff.  vgl.  II  27.258,  —  die  älteren  königssagas,  Aris 
arbeiten,  hätten  aber  überhaupt  keine  verse  gehabt,  sie  nur  benutzt, 
so  schon  prolegomena  zu  Sturlunga  s.  lxxix  ;  vgl.  Dictionary  unter 
hlant,  CBtla,  Svöldr.  eine  ganz  ähnliche  theorie  wird  dann  für  die 
SnorraEdda,  deren  ältesten  text  W  gebe,  s.  xliv.  xlvi.  vgl.  ii  6.  10 


40  CORPUS    POETICL'M    BOREALE 

(vgl.  Müllenhoff  Altertumskunde  v  197  ff)  aufgestellt:  die  verse  sind 
später  eingeschoben  und  überarbeitet,  das  Siialdskaparmal  rührt  z.  t. 
nicht  von  Snorri  her  und  ist  unvollendet,  s.  xcvni.  lxxxvii,  s.  ii  524 
(vgl.  Mülleohofl'  aao.  s.  170. 197).  —  auch  für  die  antiquarische  ge- 
lehrsamkeit  des  formali  und  eptirmali  ist  Snorri  nicht  verantwort- 
lich (vgl.  MüUeuhoffaao.  s.  203).  —  der  folgende  abschnitt  über  den 
mythologischen  gehalt  der  altnordischen  poesie  versucht  die  masse 
der  Überlieferung  in  chronologisch  getrennte  schichten  zu  sondern, 
wobei  nur  für  die  letzte,  die  der  VVikingperiode,  directer  einfluss 
fremder,  christlicher  mythen  und  anschauungen  zugegeben  wird, 
vgl.  excurs  i  des  ersten  bandes.  —  den  schluss  der  einleituug 
bilden  angaben  über  einrichtung,  ziele  und  zwecke  der  vorliegen- 
den ausgäbe. 

Der  text  zerfällt  in  10  bücher.  die  sechs  des  ersten  bandes 
enthalten  meist  Eddalieder,  ich  eitlere  nach  Bugge.  buch  i 
'älteste  nordische  poesie'  enthält  Havamal  in  fünf  nummern, 
welche  als  selbständige  gedichte  auftreten:  t)  'weisheit  des  gastes', 
2)  'spruchgedicht',  s.  dazu  i  400,  —  mit  Sn.  Edda  i  108,  die 
prosaische  angäbe  über  die  fessel  Gleipuir  als  strophe  darge- 
stellt, —  3)  'Loddfafnis  belehrung',  —  dann  Sn.  Edda  i  36,  1,  — 
4}  'Wodans  liebeslehren',  5) 'Havamal'.  letzteres  umfasst  str.  111. 
138—164,  also  Runatal  und  Liodhatal  (s.  MüllenholT  aao.  s.  270). 

—  dazu  als 'fragment  eines  zauberliedes'  Sigrdrifumal  13,3 — 19. 

—  dann  folgt  unter  dem  titel  'heroische  didactik'  das  'Wölsungen- 
spiel'  d.  i.  Sigurdharkvidha  n  (Reginsmal),  Fafnismal,  Sigrdrifumal, 
die  in  R  ohne  abschnitt  folgen  (aber  der  erste  vers  von  Fafnismal 
hat  eine  Überschrift  s.  Bugge  s.  219).  wie  überall  betrachtet 
hier  V.  die  prosaslücke  von  R  als  spätere  zutat.  —  die  ältesten 
lieder  erzählenden  Inhalts  bilden  den  schluss  des  ersten  buches: 
die  grönländische  Atlakvidha ,  Hamdhismal,  d.  i.  Gudhrunarhvöt 
und  Hamdhismal  (s.  Bugge  Zs.  f.  d.  ph.  7,  385);  s.  dazu  i  375,  — 
und  das  gautländische  gedieht  auf  Theodorich  den  grofsen,  d.  i. 
die  Strophe,  welche  Bugge  auf  dem  stein  von  Rok  gelesen  hat, 
mit  berufung  auf  Piaurikz  —  skati  Maiinga  =  Deor  v.  18  Peödric 
dhte  priticj  wintra  Meeringa  bürg. 

Buch  II.  älteste  poesie  der  westlichen  inseln,  lyrisch-didac- 
lisch.     1)  mythologische  didactik:  Vafthrudhnismal,  s.  dazu  i  376, 

—  Grimnismal,  aus  dem  str.  18.  19.  20.  23.  36.  43.  45.  46.  49. 
50.  54  als  fragment  eines  selbständigen  gedichtes  ausgeschieden 
wird  (ganz  abweichend  von  Lüning  und  Müllenholf  aao.  s.  159), 

—  versus  memoriales  aus  Grimnismal  str.  44.  27,  —  aus  Völuspa, 
uamen  der  zwerge,  norneii,  walkyrien  (s.  Müllenholf  aao.  s.  93  11), 

—  Alvissmal,  —  schliefslich  zwei  rätseldichtungen,  die  nicht  in 
der  lieder- Edda  stehen,  könig  Heidhreks  rätsei  aus  der  Uervarar 
saga  und  Swipdagr  und  Menglüdh.  —  2)  'der  Aristophanes  der 
westlichen  inseln':  Lokasenna,  Skirnismal,  Harbardhsliodh,  Ivar 
und  Üdhinn;    das  letzte  stück  stammt  aus  der  Skiöldunga,  FAS 


CORPUS    POETICUM    BOREALE  41 

I  372  f.  —  3)  mythologische  briichstücke:  Heimdalls  zauber, 
Niördhr  und  Skadhi,  s.  dazu  i  381  Saxo,  —  Gna  und  Hofvarpnir, 

—  Thökk  und  Baldr,  —  Thorr  und  Geirrödh  aus  Sn.  Edda  r  102. 
94.  118.  180.  286  f. 

Buch  HI.  alte  westländische  epik.  A.  die  Helgilieder,  näm- 
lich: 1)  Helgi  und  Sigrun,  d.  i.  Helgakvidha  Hundingsbana  i  und 
das  meiste  von  ii  25—28.  30 — 48,  —  2)  Helgi  und  Svafa,  d.  i. 
Helgakvidha  Hiörvardhssonar,  —  3)  Helgi  und  Kara,  d.  i.  Helga- 
kvidha Hund.  II  1 — 13.  also  die  von  den  herausgebern  sonst  ver- 
lassene Ordnung  in  R  ist  z.  t.  beibehalten,  s.  dazu  i  s.  lxxviii, 
und  i  376.  502  (Aage  og  Else;  s.  Uhland  Schriften  7,  416).  — 
dann  Völsungakvidha  in  forna,  d.  i.  Helgakv.  Hund,  ii  14 — 18,  — 
ein  fragrnent  eines  zweiten  gedichts  von  Helgi  und  Sigrun,  d.  i. 
Helgakv.  Hund,  ii  29,  —  Atli  und  Hrimgerdhr,  d.  i.  Helgakv.  Hiörv. 
12 — 30,  —  ein  anderes  lied  von  den  Wölsungen,  dessen  frag- 
mente  in  dem  alten  Wölsungeuspiel,  buch  i,  zerstreut  sind,  — 
Hialmars  todessang  und  die  ervveckung  Angantyrs  aus  der  Hervarar 
und  Örvar-Odds  saga;  s.  dazu  i  495. 

B.  'Der  balladendichter':  Völundarkvidha,  Thrymskvidha, 
s.  dazu  IS.  501  Thord  of  Hafsgaard,  —  Baldrs  tod,  d.  i.  Vegtams- 
kvidha  oder  Baldrs  träume ,  von  dem  Verfasser  der  Thrymskvidha, 

—  Grottasöngr  aus  der  Sn.  Edda,  —  ßiarkamal  aus  Olafs  saga  hins 
helga,  Heimskringla  ii  c.  220,  und  Sn.  Edda  i  400,  FAS  i  112, 
s.  dazu  I  381  Saxo,  —  fragrnent  eines  liedes  von  Hrolfr  Kraki  aus 
Sn.  Edda  i  396,  —  fragrnent  eines  ilildebrandsliedes  aus  Asmun- 
dar  saga  kappabana  FAS  2,  484  ff,  s.  dazu  i  387  Saxo  (s.  Müllen- 
hoff  Dkm.^  264). 

C.  'Der  sibyllendichter':  Völuspa,  s.  dazu  i  377.  ii  621.  642. 
über  V.s  behandlung  der  Völuspa  s.  unten. 

D.  'Der  christliche  dichter',  d.  i.  Solarliodh  nach  hss.  des 
ITjhs.,  aus  dem  die  'parabeln'  als  rest  eines  besonderen  gedich- 
tes  ausgeschieden  sind. 

Buch  IV.  historische  gedichte,  mit  ausnähme  von  l)derHymis- 
kvidha.  s.  dazu  die  parallele  aus  der  F;ereyinga  und  Grettla  i511. 

—  2)  genealogische  gedichte :  Hyndluliodh  aus  der  Flateyjarbok, 
als  ganzes,  das  gedieht  wird  ii  515.  629.  652  in  die  'kleine  Vö- 
luspa' und  das  eigentliche  Hyndlulied  geschieden.  —  Rigslhula 
aus  codex  W  der  Sn.  Edda;  s.  dazu  i  379.  —  Thiodulfr  hvin- 
verski:  Ynglingatal,  erste  hälfte  des   10  jhs.    dazu  ein  neuer  text 

II  655.  —  Eyvindr  skaldaspillir  :  Haleygjatal,  c.  976.  dazu  ein 
neuer  text  ii  657.  —  3)  alte  enkomien:  Hornklofi  :  Rabenlied, 
erste  hälfte  des  10  jhs.,  —  Eiriksmal,  bald  nach  954,  —  Eyvindr 
skaldaspillir :Hakonarmal,  c.  976,  von  denen  einige  Strophen  in 
einen  appendix  verwiesen  werden  (s.  Müllenhoff  aao.  279  f).  — 
4)  Egill  Skallagrimsson:  Höfudhlausn,  950 — 954,  s.  dazu  i  379,  — 
lied  auf  Arinbiorn,  c.  970,  s.  dazu  i380,  —  Sonar  lorrek,  975 — 980, 
von  letzterem  ein  neuer  text  u  544.  —  5)  'Sigtryggs  dichter' :  das 


42  CORPUS    POETICIM    BOREALE 

Darradharliodh  aus  Niala,  nach  1014  (vgl.  Lehmann  und  Schnorr 
Die  ^Jalssage  1883  s.  139). 

Buch  V.  jüngere  lieder  der  heldensage.  1)  'der  Siegfried- 
dichter': Gripisspa  (Sigurdharkvidha  i).  —  2}  'der  Brunhikldichter': 
'das  lange  Brynhildhed',  d.  i.  Sigurdharkvidha  in  (oder  Sigurdhar- 
kvidha hin  skamnia)  mit  Heh'eidh  Brynhiidar  als  ein  gedieht,  wie 
B  anzudeuten  scheint  (aher  s.  Bugge  s.  260),  —  'fragment 
eines  kurzen  Bruuhildliedes',  d.i.  Brot  af  Sigurdharkvidhu,  — 
Oddrunargratr,  —  Fragmente  aus  der  lücke  in  B,  eins  aus  der 
Sverris  saga  FMS  8,  409,  die  übrigen  aus  der  Volsunga  saga.  — 
3) 'der  Gudhrundichter':  Gudhrunarkvidha  hin  forna,  d.i.  Gudh- 
runarkvidha  n,  —  Gudruns  goltesurteil,  d.  i.  Gudhrunarkvidha  ni, 

—  Gudhrunarkvidha,  d.i.  Gudhrunarkvidha  i,  —  Tregrof  Gudh- 
runar,  d.  i.  liamdhismal  1,  Gudhrunarhvöt  str.  9 — 21.  —  4)  'der 
AtUdichter' :  Atlamal  in  groenlenzku,  —  fragment  eines  Atliliedes, 
d.  i.  Gudhrunarkvidha  n  37 — 44.  —  5)  der  hunnische  cyclus:  lied 
von  HlOdhr  und  Angantyr  aus  Hervarar  sagia,  s.  dazu  i  387  Saxo. 

—  6)  kaialogische  dichtungen  zur  heldensage:  liste  der  recken 
Halfs  FAS  2,  54  f,  —  die  liste  in  Hialmars  todessang  FAS  2,  220, 

—  in  Asbiörns  lied  FiMS  3,  220,  —  in  einem  Starkadhslied  FAS 
3,  19  f,  —  fragment  eines  Starkadhsliedes  Sn.  Edda  ii  407;  s.  dazu 
1  388  Saxo. 

Buch  VI.  improvisationen  und  gelegenheitsgedichte.  darunter 
Torf-Einars  gedichte  aus  der  Orkneyinga  und  runeninschriften, 
s.  dazu  I  400.  567.  571  ff,  am  letztangeführten  orte  auch  eine  neue 
losung  des  steins  von  Tune. 

Buch  VII,  das  den  2  band  l)e8innt.  heidnische  poesie  im  drott- 
kvtett.  1)  mythologische  gedichte,  Bragis  schildlied  aus  der  Sn. 
Edda,  —  Thiodulfs  von  Ilvin  Ilaustlöug,  950 — 970,  aus  der  Sn. 
Edda,  —  dazu  ein  par  lausavisur  aus  Ynglinga  saga,  —  Eilifs  Gudh- 
riinarsons  Thorsdrapa  aus  der  Sn.  Edda,  —  Ulfs  Uggasons  Hus- 
drapa,  975 — 9S0,  aus  der  Sn.  Edda,  —  fragmente  dieser  gattung. 

—  2)  enkomieu,  natürlich  meist  aus  den  künigssagas.  Ilornklofis 
Glymdrapa,  erste  hälfte  des  10  jhs.,  aus  Heimskringla  und  Sn.Edda, 

—  Guthormr  sindri:  Hakonar  (935 — 961)  drapa,  —  Kormakr  Üg- 
mundarson:  SigrOdhardrapa,  935 — 961,  aus  Sn.  Edda  und  Ilakonar 
saga,  —  Eyvindr  skaldaspillir:  improvisierte  Strophen,  —  Glunir 
Geirason :  Grafeldardrapa  ua. ,  c.  976 ,  —  Einars  skalaglamms 
Vellekla,  kurz  vor  980,  —  Tindr  Hallkelsson,  —  Eyjolfr  dadha- 
skald  ua.  —  3)  und  4)  dichtungen  im  drottkv;elt,  mehr  privaten 
characters,  darunter:   Ilroniumh-  und  seine  söhne,  aus  Landnama, 

—  Thorarins  Mahli(lliing;ivisur,  —  Odds  Illugadra])a  ans  Eyr- 
byggja,  —  Kormaks  und  Bersis  improvisationen  aus  der  Korniaks 
saga,  —  Egils  improvisationen  aus  der  Egils  saga,  —  Vigaglunis 
improvisationen  aus  der  Vigaglunis  saga. 

Buch  viii.  1)  die  poüten  Olafs  Tryggvasons,  995 — 1000,  und 
Eiriks,  1000—1012:  llallfredhr  vandraulhaskald.  Halldorr  ukristni, 


CORPUS    POETICUM    BOREALE  43 

Skuli  Thorsteinsson,  Thorrodhs  Kolbeinssons  Eiriksdrapa,  Biörns 
Hitdoelakappis ,  Gunnlaugs  ormstungas  uod  seines  feiudes  Hrafus 
enkomien  ua.  —  2)  die  poeten  des  lil.  Olaf,  1014 — 1030,  und 
Knuts  von  Dänemark,  lOOS — 1035:  Sighvatr,  von  dem  wir  mehr 
besitzen  als  von  irgend  einem  anderen  altnordischen  dichter,  selbst 
Einarr  Skulason  nicht  ausgenommen,  ii  125 — 150,  —  Otlar  der 
schwarze,  Thorarinn  loftunga,  Hallvardhr,  Thormodhr  kolbrunar- 
skald ,  einer  der  fostbroedhr  ua.  —  3)  die  poeten  Magnus  godhis 
und  Haralds  Sigurdharsons  hardhradhis  c.  1040  — 1070:  Arnorr 
iarlaskald  ii  1S7— 19S,  Thiodhollr  Arnorsson  n  199—212  ua.  — 
unter  den  poesien  privaten  characters  wäre  hervorzuheben  ein 
lied  köuig  Haralds  selbst,  eine  art  liebeslied.  —  4)  die  poeten 
Magnus  berftettis  und  Eiriks  godhis  von  Dänemark,  1093^1130: 
Markus  Skeggjason,  lögsögumadhr  von  1084 — 1108,  Gisl  lUugason, 
Halldorr  skvaldri,  Einarr  Skulason  ua.  —  5)  die  poeten  der  prä- 
tendenten  und  Usurpatoren  sowie  der  späteren  könige,  1130 — 
1200:  Ivarr  Ingimundarson,  Halldorr  skvaldri,  Einarr  Skulason  ua. 

—  6)  gedichte  des  12jhs.  auf  ältere  personen  und  begebenheiten : 
Einars  Skulasons  Geisli  auf  den  hl.  Olaf  1154,  Hallarsteinarr  (der 
sonst  auch  Hallarsteinn  genannt  und  mit  Steinn  Herdisarson  als 
identisch  gefasst  wird,  s.  Thorlaksson  Udsigt  over  de  norsk-island- 
ske  skjalde  1882  s.   llSf),  —  bischof  Biarnis  lomsvikinga  drapa, 

—  ein  anonymes  Konungatal.  —  7)  als  anhang  fragmente  und 
einige  gedichte  der  Islendinga  sögur,  unter  denen  die  Gislis  als  die 
bedeutendsten  erscheinen. 

Buch  IX.  epigonenpoesie.  1)  gedichte  aus  dem  Sagenkreise 
Ragnar  lodhbroks:  Krakumal  ua.,  —  einige  gedichte  der  Fornal- 
dar  Sögur,  darunter  merkwürdig  modern  und  ansprechend  die 
aus  der  Vigluudar  saga.  —  2)  spruchpoesie:  Malshattakva^dhi  von 
bischof  Biarni?  (s.  Möbius  ergänzuugsband  der  Zs.  f.  d.  ph.  1874 
s.  Iff.  615f),  —   das  Runenlied. 

Buch  X.  buchdichtung  ua.  1)  Gunnlaugs  (f  1219)  Merlinus 
spa  nach  Gottfried  von  Monmouth.  —  2)  letzte  gedichte  im  forn- 
yrdhalag.-Vülsathattr,  ein  phallusspiel,  —  Einars  fostris  Skaufhala- 
balkr,  c.  1450  (s.  Külbing  Beiträge  1876  s.  242,  Germ.  21,  368). 

—  3)  ein  par  tanzlieder.  —  4)  rimur:  Einars  Glissons  Olafsrima, 
Einars  fostris  Skidharima,  c.  1450  (s.  Maurer  Zs.  f.  d.  ph.  3,  227), 
kinderreime  uä.  —  5)  und  6)  katalogische  dichtungen  und  eigent- 
hche  versus  memoriales  (ihulur):  Hauks  Valdisarsons  Islendiuga- 
drapa,  mitte  13jhs.  (s.  Möbius  Islendingadrapa  1S74),  ein  poetisches 
Verzeichnis  der  Islendinga  sögur  ua.,  —  dann  die  thulur  aus  Sn. 
Edda,  andere  sogar  in  drottkvselt  von  Einarr  Skulason?  —  7)  Skal- 
datal  aus  Sn.  Edda  U  und  Kriugla. 

Ein  anhang  sieht  s,  547  ff,  die  verdächtigen  Strophen  der 
Fornaldar  sögur. 

Einige  prosatexte:  die  prosa  der  poetischen  Edda  ii  524.  — 
die  Völsunga  saga,  soweit  sie  die  lücke  in  R  der  poetischen  Edda 


44  CORPUS    POETICUM    BOREALE 

ausfüllt,  II  532,  s.  I  391,  —  die  erzählung  von  Siegfried  und 
Gudrun  ia  Skaldskaparmal  nach  den  hss.  r  und  i  eß,  ii  590  ff, 
—  die  Umschreibung  des  Hyndluliedes  und  anderer  genealogien 
in  Flatejjarbok ,  Sn.  Edda  ua.  ii518ff.  542  ff,  —  Sammlungen 
von  synonymen  aus  Sn.  Edda  ii  542  ff.  dazu  zwei  ungedruckte 
Sammlungen  von  kenningar  i  574  f.  ii  618. 

Diese  texte  sind  durch  ausführliche  litterarische  und  histo- 
rische darstellungen  eingeleitet,  übersetzt  und  von  notea  am  schluss 
jedes  bandes  begleitet,  dazu  kommen  inhaltsreiche  excurse.  die 
des  ersten  bandes  behandeln  1)  altnordischen  glauben  und  gottes- 
dienst,  tempel  und  opfer,  orakel,  ahnencult  und  eide,  besessen- 
heit  und  iucubation,  kalender,  —  2)  altnordische  und  germanische 
metrik;  —  die  des  zweiten  bandes  1)  die  kenningar,  ein  sehr 
umfangreiches  Verzeichnis  s.  447 — 486,  —  2)  Chronologie,  im 
anschluss  an  seine  Untersuchungen  im  Timatal  1854 — 55  rückt 
V.  die  älteste  isländische  und  norwegische  Chronologie  um  ein 
gutes  stück  herab,  sodass  die  entdeckung  Islands  und  die  thron- 
besteigung  Haralds  harfagris  c.  900  Helen ,  c.  945  Haralds  tod, 
c.  960  beendigung  der  isländischen  colonisation  und  beginn  der 
sagazeit,  998 — 1000  isländische  mission,  1001  tod  Olafs  Trygg- 
vasonar,  1030  ende  der  isländischen  sagazeit  und  tod  Olafs  des 
heiligen,  —  3)  spuren  von  gedichten  der  heldensage  in  den  is- 
ländischen familiensagas,  —  4)  über  die  genealogien  bei  Tacitus 
(Erdha,  Tius,  Mannus),  im  Hyndlulied,  Ynglingatal  usw.,  —  über 
die  Worte  Edda  und  Anses. 

Was  über  Sprachgeschichte,  poetik  und  realien  in  den  noten 
steht,  ist  aus  deu  indices  zum  zweiten  bände  leicht  zu  ersehen. 

Über  den  umfang  der  Sammlung,  die  principien  der  auswahl 
und  auslassung  von  texten  gibt  der  litel  und  eiuleitung  s.  cxi  aus- 
kunft.  die  worte  'von  den  ältesten  Zeiten  bis  zum  13  jh.'  —  dieses 
also  nicht  mehr  —  beschränken  die  zeit,  —  die  ausführungen 
der  einleitung  die  gattung:  buchpoesie,  d.i.  gedichte,  welche  nicht 
zum  Vortrag  bestimmt  waren,  sind  ausgeschlossen,  aber  weder 
das  eine  noch  das  andere  princip  ist  streng  festgehalten,  s.  buch  x 
die  gedichte  des  Einarr  fostri  aus  dem  15  jh.  und  die  Merlinusspa 
Gunnlaujis.  wenn  Skidharima  udgl.  als  'lebendige  poesie'  auf- 
nähme fanden  trotz  der  späten  zeit,  so  hätte  man  wol  die  gelegen- 
heitsdichlung  des  13jhs.  wie  sie  zb.  in  der  Sturlunga  und  den 
Biskupa  sügur  reichlich  vorliegt  in  der  Sammlung  erwarten  dürfen, 
jene  wenigstens,  die  nicht  von  Snorri  Sturlason,  Olafr  hvitaskald, 
Sturla  und  anderen  herrührt,  welche  nach  V.  'buchpoeten'  sind, 
aber  die  Scheidung  dieser  beiden  poetischen  gattungen  ist  über- 
haupt mislich ,  wie  die  verse  der  Islendinga  sögur  und  auch  der 
Fornaldar  beweisen,  welche  nach  V.s  ansieht  meist  buchpoesie 
sind ,  aber  den  formen  der  'lebendigen'  nachgebildet,  und  wenn 
Merlinusspa  doch  einen  platz  in  der  sammluug  linden  konnte,  so 


CORPUS    POETICUM    BOREALE  45 

bedauert  man  wichtigere  werke  dieser  art  nun  noch  immer  an 
anderen  oft  nicht  leicht  zugängHchen  orten  suchen  zu  müssen, 
so  den  Hattalyldll  Rögnvalds,  der  nur  in  der  Egilssonschen  aus- 
gäbe der  Snorra  Edda  gedruckt  ist,  Hugsvinnsmal,  d.i.  die  Disticha 
Catonis  ed.  Scheving  1831,  die  Placidusdrapa  ed.  Egilsson  1833, 
Bessasteder  programme,  und  andere  dichtungen  des  12  jhs.,  —  die 
Placidusdrapa,  zugleich  das  älteste  manuscript,  das  altnordische 
poesie  enthält. 

Festzustellen,  ob  würklich  alles,  was  nach  der  ansieht  des 
verf.s  in  die  Sammlung  aufgenommen  werden  sollte,  in  derselben 
steht,  ist  nicht  leicht,  denn  um  es  nur  gleich  zu  sagen,  die 
anläge  des  ganzen  Werkes  ist  von  einer  raffinierten  Unbequemlich- 
keit, die  principien  der  anordnung  nach  dem  Verfasser,  nach  der 
Chronologie,  nach  der  poetischen  gattung  wechseln  jeden  augen- 
blick.  es  ist  gar  nicht  so  einfach  nachzuweisen,  ob  die  Strophen 
auch  der  berühmtesten  skalden  vollständig  gesammelt  sind.  Einars 
Skulasons  gedichte  zb.  stehen  an  vier  verschiedenen  stellen  ii  252. 
267.  277.  283,  ähnlich  verhält  es  sich  mit  Thiodholfr  hvinverski 
I  242.  II  9,  Hornklofi  i  254.  n  27,  Eyvindr  skaldaspillir  i  251. 
262.  II  33,  —  Kormakr,  Egill,  Thormodhr  kolbrunarskald,  Halldorr 
skvaldri  ua.  auch  die  nach  V.  'echten'  verse  der  isländischen 
familiensagas,  abgesehen  von  den  in  ihnen  vorkommenden  bruch- 
stücken  enkomiastischer  hofpoesie,  sind  zerstreut  ii  57  ff.  63  ff. 
331  ff.  —  für  die  bekannteren  namen  hilft  eine  aufmerksame 
lectüre  des  dem  ersten  bände  vorgesetzten  inhaltsverzeichnisses 
der  einzelnen  10  bücher.  aber  die  namen  der  kleineren  dichter 
findet  man  da  nicht,  und  ein  Verzeichnis  der  dichternamen  fehlt 
in  den  vielen  und  reichen  indices  am  schluss  des  zweiten  bandes. 
hat  man  aber  endlich  die  stellen  gefunden,  in  denen  Strophen 
eines  dichters  stehen,  so  beginnt  die  quäl  erst  recht,  denn  ge- 
naue litterarische  angaben  hält  V.  offenbar  für  unelegant,  so  würde 
der  leser  sehr  irren,  wenn  er  meinte,  ich  hätte  in  der  Inhalts- 
angabe oben  die  Verweisungen  auf  den  Buggeschen  text  der 
Edda  aus  dem  Corpus  abgeschrieben,  ebenso  oder  vielmehr  bei 
der  verwickelten  tradition  viel  schlimmer  steht  es  mit  den  quellen- 
angaben  bei  der  höfischen  lyrik.  die  bs.,  aus  der  ein  gedieht 
oder  eine  reihe  von  Strophen  oder  eine  einzelne  Strophe  entnom- 
men ist,  wird  zwar  öfters  in  der  litterarischen  einleilung  bezeich- 
net, in  den  seltensten  fällen  aber,  auch  wenn  ein  abdruck  der 
hs.  vorliegt,  erfährt  man,  wo  darin  die  Strophe  oder  strophen- 
reihe  zu  finden  ist.  meist  jedoch  beschränkt  sich  die  Verweisung 
auf  ausdrücke  wie  'aus  Sn.  Edda',  aus  den  'königssagas'.  da 
suche  man.  bei  gröfseren  gedichten  ist  es  demnach  auch  nicht 
möglich,  sich  aus  dem  Corpus  zu  belehren,  ob  die  reihenfolge 
der  Strophen  auf  der  Überlieferung  beruht  oder  nicht,  ja  auch 
über  die  Zugehörigkeit  einzelner  Strophen  zu  bestimmten  gedich- 
ten, über  die  Zuweisung   der  Strophen  wie   des   gedichts  an  die 


46  CORPUS   POETICUM    BOREALE 

einzelnen  Verfasser  bleiben  dem  leser  zweifei,  die  er  aus  den 
angaben  des  Corpus  nicht  lösen  kann,  die  wichtigen  iuquit  des 
prosatextes:  'bei  dieser  gelegenheit  sagte  N.  IN.  die  Strophe'  — 
sind  in  den  anmerkungen  nur  gelegentlich  mitgeteilt. 

Der  name  des  verf.s  bürgt  wol  dafür  dass  nichts  wichtiges 
fehlt,  eine  halbstrophe  des  Tindr  Hallkelsson  scheint  ausgefallen 
zu  sein  ii  49,  s.  FMS  1,  173,  eine  Strophe  nach  i  355  ni,  s.  FMS 
3,  220.  im  buch  vi  2)  s.  371  vermisst  man  die  Inschrift  des  Ton- 
dernschen  horns  ua.,  in  buch  x  3)  s.  39n  die  Ingolfstrophe  aus 
der  Vatnsdoela  (s.  MüllenholY  Dkm."- 364).  daran  liegt  wenig,  aber 
die  unvoUstäudigkeit  in  den  angaben  V.s  über  die  grundlagen 
seines  textes  erschweren  nicht  nur,  wie  aus  dem  obigen  hervor- 
geht, die  beurteilung  der  höheren  kritik,  sondern  machen  auch 
eine  controle  der  wortkritik  unmöglich,  dass  eine  Strophe  der 
gewöhnlichen  eukomiastischen  im  droltkvsett  abgefasslen  skalden- 
dichtungeu  in  mehreren  hss.  der  königssagas  steht,  erfährt  der 
leser  in  der  regel  gar  nicht,  also  auch  nicht  in  welchen,  ob  in 
der  Heimskringla-recension  oder  einer  andern,  wo  in  denselben, 
vor  allem  aber  nicht,  wie  ihre  lesarten  abweichen  und  in  welchem 
Verhältnisse  die  verschiedenen  texte  zu  einander  stehen. 2 

Ich  hebe  aus  einer  unzahl  nur  ein  par  fälle  hervor.  Hall- 
fredhr  vandrsedhaskald  Corp.  ii  93  z.  73:  Snmr  vas  dorr  of  cevi 
'oddßagds'  hinn  es  pat  sagdi]  uuter  dem  text:  73  Samr,  Cd.  — 
dass  die  hss.,  s.  FMS  3,  7,  Heimskringla,  Olafs  saga  Tr.  c.  120 
(130),  aber  oddbragds  haben,  wie  V.  selbst  Forusögur  s.  209 
Str.  21  auch  drucken  liefs,  wird  nicht  erwähnt,  —  u  93  z.  81: 
Moendot  pess,  er  Prdndir  protthardan  gram  sötto ;  keine  lesart. 
Prcendir  ist  aber  coujectur  V.s.  in  den  Fornsögur  s.  209  str.  22 
stthl  pegnar  und  ebenso  FiMS  3,  8,  Heimskringla  aao.  —  Sighvatr 
skaid  II  130  z.  33 :  Hngslöra  bid  ek  heyra  'hress  fors  iaofors 
pessar.  keine  lesart.  in  likr.,  Olafs  saga  h.  c.  92  steht  statt  'hress 
fors  :  hressfoers ,  in  FMS  4,  190,  1  auch  die  lesarten  hresshjnds, 
hresslyndr,  hressför,  hvers  fors.  —  ii  133  z.  14:  haofdom  keypt  an 
heiptir  Hdkon  saman  mcßudi.  unter  dem  text  14  Read,  sama 
moendi.  kein  wort  davon  dass  Flateyjarbok  ii  c.  208  statt  moßndi 
ihundit  gelesen  wird.  —  ii  139  z.  14  vaordr  med  väopnom  skerda, 
v'tkingom  skaor,  rikis.  keine  lesart.  aus  FMS  5,  27  ersieht  man 
dass  aufser  skerda  auch  skorna  gelesen  wird.  —  ii  145  z.  13 
Fylgda-ek,  peim-es  fylgjo  femildom  gram  vildi.  keine  lesart.  FMS 
6,  39  ist  für  gram  auch  die  Variante  gramr  angegeben,  es  wäre 
fast  besser  gewesen,  gar  keine  Varianten  zu  geben  als  eine  so 
willkürliche  auswahl.  —  dass  V.  die  gesammte  varia  leclio  ge- 
kannt und  gesammelt  hat,  muss  man  wol  annehmen  von  einem 

1  im  metiisclien  excurse  i  436  ist  sie  citiert  und  verwertet. 

-  I)ei  gediciiten  anderer  art  werden  die  Varianten  allerdings  wie  es  scheint 
vollständig  angegeben,  aber  es  geschieht  dies  leider  nicht  in  der  exacten  weise 
wie  es  in  der  classischen  und  deutschen  philologie  üblich  ist ;  s.  zb.  ir  1 0  z.  54, 
i251  z.  180  (heiitom  han\  heiitufn  luvrri)  fehlt  Verweisung  auf  FAS  2, 100. 


CORPUS    POETICÜM    BOREALE  47 

manne,  der  mit  den  isländischen  manuscripten  auf  einem  ver- 
trauteren l'ufse  steht  als  sich  dessen  irgend  ein  anderer  rühmen 
könnte,  ob  aber  seine  texte  auf  einer  philologischen  Unter- 
suchung der  Überlieferung  beruhen,  ob  die  nicht  mitgeteilten 
lesarten  würklich  wertlos,  dh.  von  den  in  den  text  aufgenommenen 
abgeleitet  sind,  —  darüber  bleiben  zvveifel.  und  conjecturen  in 
den  text  zu  setzen,  auch  wenn  sie  evidente  besserungen  sind, 
ohne  die  Überlieferung  mitzuteilen,  ist  ein  verfahren,  das  die  phi- 
lologie  doch  nach  den  humanistenzeiten  mit  gutem  grund  auf- 
gegeben hat. 

Die  Unsicherheit  des  lesers  wird  noch  vermehrt  durch  die 
gar  nicht  seltenen  druckfehler  im  text.  ii  21  z.  52  snipo  statt 
gtiipo,  47  z.  88  aoro  statt  äoro,  93  z.  94  est  statt  es,  127  z.  13 
ein  sverda  zu  viel,  flyja  statt  fryja,  129  z.  7  lyk  statt  lyk,  130  z.  44 
heims  statt  küms,  133  z.  8  koiinngr  statt  konungs,  137  z.  9.  10 
zwei  klammern  zu  viel,  139  z.  15  niaogo  statt  maorgo,  z.  27  sokn 
statt  söku,  140  z.  39  gunnar  statt  gumnar ,  145  z.  18  ein  bei- 
strich,  z.  7.  8  zwei  klammern  zu  viel,  148  z.  71  rann  statt  r««. 
bei  so  schwierigen  texten  ist  das  nicht  gleichgiltig,  besonders  da 
die  Orthographie  mitunter  von  den  normen  einer  altertümlichen 
gleichförmigkeit,  welche  im  ganzen  eingehalten  wird,  abweicht 
und  durch  seltsame  formen  überrascht,  s.  ii  7  z.  2  moeri  statt 
mcBri,  49  z.  10  (Tindr)  sankk  statt  sookk,  50  z.  12  saung  statt 
saong,  92  z.  55  iofurr  statt  iaofurr,  z.  61  gcerva  statt  goerva,  95 
z.  22  ticerir  statt  ncerir,  128  z.  40  mcettom  statt  moettom,  147 
z.  56  hoefir  statt  hceßr,  211  z.  11.  12  hroekk ,  sceng  stall  hraokk, 
saong,  —  91   z.  39  fräoknir ,  aber  i  50  z.  126  frcekn. 

Einiges  ist  natürlich  sofort  als  druckfehler  erkenntlich,  aber 
wenn  haoggva  ii  147  z.  57  neben  hceggnar  8  z.  28.  91  z.  30. 
94  z.  15.  128  z.  36  gedruckt  wird  gegen  den  gebrauch,  so  ist 
das  wol  wie  taka  tekinn  zu  verstehen,  aber  ii  115  z.  6  (Gestr) 
wider  haoggit  (part.).  —  i  und  j,  u  und  v  werden  gewöhnlich 
geschieden,  aber  n  154  z.  50  midian,  n  50  z.  24  nar.  —  es  statt 
er  ist  in  den  älteren  gedichten^  durchgeführt,  ii  134  z.  42  aber 
gewis  mit  unrecht:  es  vid  Alafr  fiaorvi  of  vcBgir  fe  pcegü  es 
muss  doch  7V  den  reim  bilden,  vgl.  ii  247  str.  2  hvat  'r  i 
heimi  betra.  —  dagegen  hätte  ii  35  z.  4  die  form  vdmna  statt 
vdpna  gewagt  werden  können:  fdoru  til  forma  väpna  fliött  her- 
saogo  dröttni.  der  paragraph  über  Orthographie,  einleitung  s.  cvuf, 
gibt  über  diese  fälle  keine  auskunft. 

Ebenso  schweigsam  ist  V.  über  die  kritischen  bestrebungen 
seiner  Vorgänger,  am  meisten  citiert  er  noch  Eddalitteratur,  aber 
Möllers,  Rölbings,  Edzardis  arbeiten  Germ.  20 — 28  zb.  nicht,  sonst 
fast  nur  Egilsson,  dh.  in  der  allgemeinen  einleitung  wird  seiner 
Skyringar  gedacht,  —  Cederschiölds  Geisli  und  einiges  andere,  aber 
fast  nie  wird  eine  conjectur  anderer  gelehrter  mitgeteilt  oder  be- 
sprochen,    kein  wort  von  Thorkelssons  Skyringar  Reykjavik  1868, 


48  CORPUS    POETICUM    BOREALE 

Wis6ns  Urval  Luud  1870,  Gislasous  untersucliuDgen  über  verse  des 
Skaldskaparmal  Kopenhagen  1879,  Arnorr  iarlaskald  1S79,  Yngliuga- 
tal  1881,  MöbiusIslendiugadrapaHauksValdisarsouar  Kiel  1874,  Lund 
Über  die  skaldischen  dichtuugen  der  Yugliuga  saga  Aalborg  1866, 
Kyhlbergs  und  Ternströms  editionen  einiger  gedichte  Sighvats  Lund 
1868. 1871,  Wennbergs  Geisli  Lund  1874,  CederstrOms  Hakonarmal 
Stockholm  1860,  Gullbergs  Olalsdrapa  Lund  1875,  Rafns  Krakumal 
1826,  den  texten  der  lesebUcher.  —  auch  niüchte  man  wissen,  ob  es 
für  englische  oder  dänische  gelehrte  würkhch  genügt  Kölbings  aus- 
gäbe des  Skaufhalabalkr,  Maurers  Skidharima,  Möbius  Malshat- 
takveedhi  blofs  durch  die  Jahreszahl  zu  bezeichnen,  s.  n  363. 381. 396. 
Andererseits  l'ehll  es  allerdings  nicht  an  bestimmten  angaben, 
dass  der  herausgeber  den  handschriftlichen  text  verlassen  habe  mit 
mehr  oder  minder  ausführlichen  begründungen  in  den  einleitun- 
gen  I  s.  Lxxxiv.  ii  27.  258,  am  fufse  der  seile  oder  hinten  in  den 
noten,  aber  das  gefühl  der  befriedigung,  der  eriosung  von  überlie- 
ferten unbegreiflichkeiteu  wird  dem  leser  hierbei  nur  selten  zu  teil. 
Alles  dreht  sich  hierbei  um  die  hypothese  von  der  syste- 
matischen Überarbeitung  der  älteren  skaldenpoesie.  einleitung 
s.  Lxxxin  IT,  II  27  f  werden  zum  beweis  einige  fälle  angeführt, 
welche  V.  olfenbar  als  die  einleuchtendsten  beispiele  betrachtet, 
er  citiert  Einars  skalaglamms  Vellekla  ii  44  str.  1,  Heimskringla, 
Sagan  af  Haraldi  konungi  gräfeld  ok  Häkoni  iarli  c.  6  (FMS  1,55).^ 
Häkon  iarl  lielt  Pröndlieim  med  styrk  frmnda  sinna  priä  vetr 
svd  at  Gunnhildar  synir  fengu  engar  tekjor  i  Pröndheimi ;  kann 
ätti  margar  orrostw  vid  Gunnhildar  sonn,  ok  drdposk  margir  nienn 
fyrir.  ßess  getr  Einarr  skdlaglam  i  Vellekln,  er  hann  orti  om 
Hdkon  iarl. 

Ok  oddneytir  üli  eidvandr  ßola  hreidan 

gladr  i  Göndlar  vedrum       gramr  svafdi  bil  hafdi, 
ok  randmäna  reynir  rögsegl  Hedins  böga 

upp  höf  iöfra  kappi  etjulund  at  setja. 

Varat  of  hyrjar  örva        oddavifs  ne  drifu 
sverda  sverrifiardar  svanghjjadi  at  fri'/ja, 

brakrögnir  skök  bogna,  barg  npyrmir  varga, 

hagl  or  Illakkar  seglum,       hiörs  rakkliga  fiürvi. 

Mart  vard  el  ädr  Ala  Austrlönd  at  mun  banda 

randar  lauks  af  riki  rcekilnndr  um  twki. 

dann  wider  prosa. 

Die  verse  construiert  Egilsson  FMS  12,  31  f  auf  folgende 
weise:  Ok  eidvandr  oddneytir  hafdi  nti  breidan  flota;  gladr 
gramr  svafdi  bil  i  Göndlar  vedrum.  Ok  Hedins  böga  raudniäna 
reynir  npp  höf  rögsegl  (af)  kappi,  at  setja  etjulund  iöfra. 

Sverda  sverrifiardar  svanglyjadi  varat  at  fryja  of  byrjar 
örva  i  drifu  odda  vifs.  Brakrögnir  skök  rakkliga  bogna  hagl  or 
Hlakkar  segli;  öpyrmir  hiörs  barg  varga  fiörvi. 

^  icli  gebe  die  texte  nach  Heimskringla  Uppsala  1870. 


CORPUS    POETICUM    ItOREALE  49 

Mart  Ala  el  vard  af  riki,  ddr  randar  lauks  roekilundr  of 
toeki  Austrlönd  at  mun  banda. 

Die  phrase  svafdi  bil  in  der  ersten  Strophe  erklärt  Egilssoo 
durch  fresiadi  ei  uud  verweist  auT  eiue  Strophe  Eyvinds  skal- 
daspillis  PMS  1,  42,  Corpus  p.  b.  n  35  str.  2,  wo  es  heifst  ver 
getnm  hili  at  hölva  'wir  hal)eü  keine  ruhe',  etjulund  puraphra- 
siert  Egilsson  als  kappgirni;  vgl.  etjnhundr  Jagdhund  ,  etjufoerr 
hestr  ein  kampfpferd,  tauglich  zum  hesta  at. 

V.  aber  schliefst :  weil  in  der  prosa  —  er  nennt  sie  oft  ge- 
radezu paraphrase —  gesagt  wird,  Hakon  habe  Tiirondheini  drei 
jähre  gehallen,  in  den  versen  aber  weder  Throndheim  noch  die 
drei  jähre  vorkommen ,  solche  einzelheiten  aber  überhaupt  nur 
durch  poesie  bis  zu  Ari  gelangen  konnten  ,  müssen  Throndheim 
und  die  drei  jähre  ursprünglich  allerdings  in  den  versen  ge- 
standen haben,  wenn  wir  sie  nicht  mehr  finden,  so  ist  das 
schuld  einer  Überarbeitung,  unter  dieser  tünche  ist  hier  das 
echte  noch  zu  erkennen,  man  lese  statt  svafdi  bil  in  der  ersten 
slr o\)hQ  Svaftiis  böl,  eine  kenuiug  für  winter,  und  unter  etjulund 
liege  cettlönd. 

Im  text  druckt  V.  die  zweite  hälfte  der  zweiten  zeile  also: 
gramr  "svafdi  bil"  hafdi,  als  anmerkung  dazu:  Read:  priü  Sväfnis 
hol.  trotz  der  ungenauen  ausdrucksweise  kann  man  doch  nicht 
zweifeln  dass  nach  ihm  der  halbvers  heifsen  soll:  gramr  priü 
Sväfnis  böl  hafdi,  nicht  [mii  Svafuis  böl  hafdi,  denn  gramr  ist 
nicht  zu  entbehren.  —  etjulund  at  setja  in  der  letzten  zeile  der 
ersten  Strophe  ist  aber  nur  mit  anführungszeichen,  diesmal  ein- 
fachen, versehen  ohne  conjectur  in  den  anmerkungen.  dafür  ist 
Austrlönd  in  der  dritten  Strophe  auch  als  fehlerhaft  bezeichnet, 
in  den  anmerkungen:    Read:  wttlönd. 

Aber  die  hypothese  V.s  leidet  an  dem  gebrechen ,  dass  sie 
nicht  die  einzige  ist,  welche  die  poetische  allgemeinheit  der  poesie 
gegenüber  den  concreten  dingen  der  prosa  erklären  kann,  sie 
wäre  die  einzige,  wenn  seine  behauptung  stich  hielte,  dass 
solche  tatsächliche  angaben  nur  in  der  poesie  und  zwar  im  texte 
der  citierlen  Strophen  hätten  bewahrt  werden  können,  aber  es 
heifst  im  prolog  der  Heimskringla  ausdrücklich,  dass  der  verf.  als 
quelle  auch  die  erzählungen  weiser  männer  benutzt  habe  svd 
sem  ek  ließ  heyrt  fröda  menn  segja.  wie  viel  einzelheiten  diese 
mündliche  tradition  bewahrt  oder  unbewust  erdichtet  hat,  kann 
niemand  sagen,  wol  aber  ist  es  bekannt  dass  die  mit  einer  fülle 
von  detail  versehene  prosaerzählung  auf  Island  schon  lange  vor 
ihrer  aufzeichnung  eine  gewisse  litterarische  befestigung  erlangt 
hat.  ich  brauche  nur  auf  V.s  prolegomena  zu  Sturlunga  s.  xxni.nx 
zu  verweisen,  die  Stoffe  der  kunslmäfsigen  mündlichen  erzählung 
waren  aber  sowol  königs-  als  Islendingasagas.  und  so  fehlt  es 
denn  auch  in  der  Heimskringla  durchaus  nicht  an  capiteln  mit 
einer  fülle  von  tatsächlichen  einzelheiten,    die    nicht  durch  eine 

A.  F.  D.  A.   XI.  i 


50  CORPUS    POETICUM    BOREALE 

Verweisung  anf  ein  gedieht  gestützt  werden,  s.  zb.  Sagan  Hä- 
konar  göita  c.  3.  4,  Olafs  saga  Tryggvasonar  c.  15.  56.  87.  wenn 
nun  der  verf.  unserer  stelle  aus  einer  historischen  königssaga 
wüste,  dass  Hakon  iarl  Throudheim  durch  drei  jähre  verteidigt 
bat,  so  konnte  er  sehr  wo!  dazu  ein  par  Strophen  Eyvinds  citieren, 
welche  natürlich  nicht  diese  einzelheiten,  sondern  die  dabei  be- 
wiesene tapferkeit  Hakons  illustrieren  sollen,  er  brauchte  nur 
zu  wissen  oder  zu  meinen  dass  Eyvindr  gerade  diesen  kämpf  Hakons 
mit  den  Gunnhildssöhnen  von  Throndheim  im  äuge  hatte. 

Trotzdem  bliebe  die  berechtigung  zur  emendation  vorhanden, 
wenn  die  worte  svafdi  hü,  etjulund  in  der  ersten,  Austrlötid  in 
der  dritten  Strophe  dem  sinne,  der  grammatik  oder  metrik  nach 
einen  erheblichen  anstofs  böten,  das  scheint  mir  nach  den  an- 
merkungen  Egilssons  zu  der  ersten  Strophe  nicht  der  fall  zu  sein, 
und  wie  vieles  singulare,  mit  keiner  parallele  sich  genau  deckende, 
kommt  in  dieser  art  poesie  vor.  Anstrlönd  in  der  dritten  Strophe 
für  Norwegen  ist  nicht  auffallender  als  Austrmenn  für  Norweger, 
s.  Egilssons  Lexicon  poeticum. 

Corp.  II  46  Str.  18,  Heimskringla ,  Olafs  saga  Tryggvasonar 
c.  18  (PMS  1,94): 

Häkon  inrl  band  lidi  üt,  pd  er  väradi,  alt  nordr  or  landi. 
Hann  hafdi  mikit  lid  af  Hälogalnndi  ok  Nanmndali ,  svd  at  alt 
frd  Byrdu  til  Stads  hafdi  hann  lid  af  Öllum  sidlöndum.  Homim 
dröst  herr  nm  oll  Prcendalög  svd  ok  um  Raumsdal.  Svd  er  atkve- 
dit,  at  hann  hefdi  her  af  4  fölklöndum.  Hönmn  fylgdu  7  iarlar 
ok  höfdu  peir  allir  ngrynni  hers.  Svd  segir  i  Velleklu: 
Hitt  var  ineirr  at  Maera  mordfikinn  let  nordan 

fölkverjandi  fyrva  för  til  Sogns  um  gurva. 

ytti  Freyr  af  ßörnni  fölklöndum  (sd  branda 

mir  stod  af  /wi)  allri  yrpiöd  Hedins  byrjar. 

Ok  til  möts  d  Meita  miükhnrdum  fram  Jmrdu 

med  svörgoeli  sörva  siau  landrekkar  landa. 

Glnmdi  allr,  pd  er  Ullar  eggpings  Hedins  ve.ggjar, 

gnött  flaut  nds  fyrir  nesjum,      Nöregr,  saman  förn. 

Egilsson  FMS  12,  34  construiert  die  erste  strophe:  Hitt  var 
meirr,  er  mordfikinn  Moera  fölkverjandi  let  nm  görva  för  fyrva 
nordan  til  Sogns.  Freyr  Hedins  byrjar  ytti  allri  yrpiöd  af  fiörnm 
fölklöndum.     Ullr  branda  sd  stod  af  pvi. 

Dann  wider  prosa.  —  V.  einleilung  lxxxv  und  u  46  str.  18 
sieht  in  stod  und  byrjar  der  letzten  zeile  der  ersten  strophe'  spuren 
der  alten  in  der  prosa  auftretenden  Ortsnamen  Slad  und  Byrdo. 
aber  hier  scheint  sogar  die  j)rosa  sich  nur  für  die  zahlen  vier 
und  sieben  auf  die  verse  zu  beziehen,  und  da  stehen  sie  auch, 
zugleich   lehren    die  Strophen  —  mit  unzähligen  anderen    s.  zb. 

'  Inder  kritischen  anmerkung  zu  n  40  wird  die  conjectnr  Ä///'?fir>  aller- 
dings auf  den  folgenden  ersten  vcis  der  zweiten  slroplie  bezogen,  das  ist 
aber  vielleicht  ein  druckfehler. 


CORPUS    POETICUM    BOREALE  51 

FMS6,  22  f.  2G.  40  t'.  66  —  dass  eine  abneigung  des  'Überarbeiters' 
gegen  solche  positive  angaben  nicht  angenommen  werden  kann. 
Corp.  II  45  Str.  12,  Heimskringla,  Olafs  saga  Tryggvasonar 
0.28  (FAIS  1,  131).  titel  des  capitels :  Häkon  iarl  kastar  trü 
sinni,  hlötar  ok  herjar  d  Gautland. 

En  er  hann  kom  austr  fyrir  Gautasker ,  pä  lagdi  kann  at 
landi;  gerdi  hann  pä  bUt  mikit.  Pd  könm  ^  par  fliugandi  hrafnar 
tveir  ok  gullu  hält,  pd  pykkist  iarl  vüa,  at  Ödinn  hefir  pegit  bUtit, 
ok  pd  mim  iarl  hafa  dagrdd  at  berjast.  und  in  der  tat  besiegt 
er  Ottar  und  geht  dann  nach  Norwegen.  Frd  pessu  segir  i 
Velleklu : 
Flötta  gekk  til  frettar  felliniördr  d  velli, 

draugr  gat  dölga  sägu  dagrdd  Hedins  vdda, 

ok  haldbodi  Eiklar  hrcegamma  sd  ramma, 

Tyr  vildi  sd  tyna  teinlautar  fiör  Gauta. 

dann  noch  zwei  Strophen ,  die  nur  von  Hakons  siegen  handeln. 
Egilsson  FMS  12,  37  liest  tyra^  des  reimes  wegen  statt  tyna  in  der 
letzten  zeile  und  construiert :  Felliniördr  flötta  gekk  til  frettar  d 
velli;  draugr  Hedins  vdda  gat  dagrdd  dölga  sngu ;  ok  Hildar  hald- 
bodi sd  ramma  hrcegamma,  sd  Tyr  tyra  teinlautar  vildi  fiör  Gauta 
und  erklärt  den  letzten  satz :  der  Tyrr  des  Schildes,  d.  i.  der  krie- 
ger,  Hakon,  strebte  nach  dem  leben  der  Gauten;  teinlaut  das  land 
der  Stäbe,  wenn  tyra  'der  schilde'  bedeuten  konnte,  so  wäre  alles 
in  Ordnung,  aber  das  können  wir  nicht  beweisen,  auch  wenn 
man  tyi^va  dafür  best  von  tyrr  m.  oder  tyrvi  n.  'pechbaum',  so 
erlaubt  die  analogie  von  lind  noch  nicht  in  diesem  baumuamen 
ein  poetisches  synonym  für  schild  zu  sehen,  vgl.  Hallfredhr 
vandrsedhaskald  (Corp.  ii  95  str.  9  Tyr  var  tiörva  dyra  tirar  giarn, 
wo  Tyrr  tiörva  dyra  auch  nicht  klar,  aber  deutlich  eine  krieger- 
kenning  ist.  die  ersten  drei  verse  unserer  Strophe  beziehen  sich 
auf  opfer  und  orakel,  die  vierte  leitet  auf  die  kriegerischen  taten 
über.  V.  aber  behauptet,  nicht  wegen  der  dunkeln  kenning  son- 
dern wegen  der  leerheit  des  Inhalts,  dass  die  letzte  zeile  ursprüng- 
lich den  gedanken  enthalten  haben  müsse:  At  the  mouth  of  the 
Gautskerries ,  he  cast  the  holy  lots,  und  druckt 
Flötta  gekk  til  frettar  felliniaordr  d  velli 

(draugr  gat  dölga  Sdgo  dagrdd)  'Hedins  vdda' 

ok  haldbodi  hildar  hrcegamma  tvd  ramma; 

tyr  valdi  sd  tirar  tein  hlautar  vid  sker  Gauta. 

ohne  ein  wort  über  die  sieben  unverschleifbaren  silben  des  letzten 
kurzverses.  Maut  als  femininum  ist  auch  sehr  zweifelhaft,  wenn 
man  die  citate  in  Cleasby- Vigfusson  nachschlägt,  im  dritten 
langverse  ist  im  anschluss  an  die  prosa  sd  in  tvd  verwandelt  und 
dadurch  der  zweite  satz  seines  verbums  ünitum  beraubt  worden, 
was  dann   zur  folge  hat   dass  Hedins  vdda  in  der  zweiten  zeile, 

'  der  volle  reim  an  dieser  versstelle  wäre  nicht  verboten,  s.  Gisiason 
Om  helrim  Kopenhagen  1877  s.  1. 

4* 


52  CORPUS    POETICüM    BOßEALE 

die  bekannte  kenniug  für  'brünne',  als  verderbt  erklärt  werden 
muss.  es  wird  also  in  der  letzten  zeile  gegen  überliefeniüg  und 
metrik  corrigiert,  um  eine  Übereinstimmung  mit  der  prosa  zu 
gewinnen,  die  nicht  notwendig  ist,  und  die  hier  überdies  in  den 
ersten  drei  Zeilen  schon  vorliegt. 

Corp.  n  45  str.  11,  Heimskriugla,  Olafs  saga  Tryggvasonar 
c.  26  (FMS  1,124).  kämpf  zwischen  kaiser  Otto  und  den  Dänen 
mit  Hakon  iarl  um  das  Danewirke.  Fell  par  mart  af  keisara 
lidi,  en  peir  fengu  ekki  at  nnnü  at  horginni.  Snyr  pä  keisari  i 
brolt  ok  leitadi  par  ekki  lengr  til.      Svd  segir  i   Vellekh: 

h'tjmi'  tmrd  logs  par  er  liigda       leikmidjnngar  Pridja, 

arngreddir  vard  odda  (FMS  oddum)        andvigr,  saman  rundir. 

Sundfaxa  kom  Söxum  soekipröttr  d  ßötla  usw. 
hier  könnte  man  am  ersten  geneigt  sein,  die  conjectur  V.s  0<i(ia 
statt  odda,  oddum  zu  billigen,  da  nach  dem  plural  midjungar  es  viel- 
leicht dem  hörer  nicht  deutlich  sein  konnte  dass  unter  arngreddir 
Hakon  gemeint  sei ,  obvvol  bei  einem  gedieht  auf  Hakon  dieser 
das  natürliche  subject  jedes  satzes  ist  und  sonst  die  form  Otla 
gebraucht  wird,  aber  zugegeben  dass  Odda  hier  statt  oddum  zu 
leseu,  so  ist  oddum  ein  gewöhnlicher  schreib-  oder  lesefehler 
und  weist  durch  nichts  auf  eine  absichtliche  änderung. 

Corp.  K  140  Str.  11,  Heimskringia,  Olafs  saga  helga  c.  260 
(FMS  5,  114,,  Olafs  saga  helga  edd.  Munch  und  Unger  1853  c.  248 
s.  232  f).  Olafr  konnngr  hinn  helgi  var  pä  hdlff'ertngr  at  aldri 
er  hann  feil,  at  sögu  Ära  presls  hius  fröda.  Ilann  hafdi  alt  20 
fölkorrostur.     Svd  segir  Sighvatr  skdld: 

Sumir  trndu  d  gnd  gumnar,       grein  vard  lids  d  midli. 

fölkorrostur  fylkir       framrddr  tiogn  hddi. 

froigr  bad  hann  d  lusgri        hönd  kristit  lid  standa. 

fedr  Magm'is  bid  ek  fagna  floltskiörrum  gud  dröttin. 
hier  ist  V.  ganz  unverständlich,  prosa  und  zweite  zeile  des  textes 
decken  sich  doch  ganz;  vgl.  Arnorr  iarlaskald  (Corp.  ii  193 
Str.  1).  er  aber  sagt  in  der  einleitung  —  s.  auch  n  584  — , 
der  vers  müsse  den  gedanken  enthalten  haben:  'He  bad  thirty 
bodies  of  forty  men'  —  weil  die  legeudarische  Olafs  saga  edd. 
Keyser  und  Unger  1849  c.  90  s.  67,  welche  unsere  Strophe  gar 
nicht  bringt,  dieses  strategische  detail  mitteilt — ,  und  bezeichnet 
ihn  in  der  ausgäbe  ebenso  wie  den  vierten  als  überarbeitet,  der 
zweite  vers  ist  allerdings  ohne  näheren  Zusammenhang  mit  deoi 
übrigen,  aber  wol  als  parenthese  gemeint. 

Corp.  H  140  Str.  10.12,  Heimskringia,  Olafs  saga  helga  c.  225 
(FMS  5,65,  Ungers  ausgäbe  1853  c.  210  s.  210).  die  prosa  be- 
schreibt Olafs  rüstung.  am  schluss:  Ilann  hafdi  hringabrynju. 
f^ess  getr  Sighvatr  skdld: 

Öld  vann  Olafr  felda,         üßgan  sigr,  hinn  digri 

gekk  sökuporrinn  s(vkja       sinjör  fram  i  brynju. 


COKPUS    l'UKTICUM    BüUEALE  53 

En  peir  er  austau  neuna,  öx  hildr  med  gram  mildum, 

mart  segi  tk  bert,  i  hiarta  blödröst  Sviar  udu. 
V.  behauptet,  die  letzte  zeile  abfjesehea  von  der  pareiitliese  mart 
segi  ek  bert  müsse  bedeuten:  'The  Swedes  from  ihe  East  stood 
ou  bis  lelt  haud.'  offeubar  um  einen  gegensalz  zu  der  früher 
besprocheneu  Strophe  zu  gewinnen,  welche  in  seiner  ausgäbe 
der  zweiten  hälfte  dieser  unmittelbar  vorhergeht,  aber  nichts 
kann  diese  ablolge  beweisen,  und  der  vers  stimmt,  wie  er  ist, 
ganz  gut  zur  prosa.  er  ist  nur  der  brünne  wegen  citiert.  —  V. 
allerdings  sagt,  die  erste  zeile  habe  einst  die  bedeutung  gehabt  'the 
slout  king  bore  a  golden  heim.'  warum ,  ist  nicht  zu  ersehen. 
Corp.  n  138  str.  10,  Heimskringla,  Olafs  saga  helga  c.  21 
(FMS  4,  69,  Olafs  saga  helga  edd.  Munch  und  Unger  1853  c.  30 
s.  27).  Erlingr  var  opt  d  sumrum  i  hernadi  ok  fekk  ser  fidr, 
[)vi  at  hann  hell  tekuum  hcetti  um  räum  ok  stör  mensku.  — 
Erlingr  var  allra  manna  fridastr  ok  mestr  ok  sterkastr ,  vigr  hver- 
jum  manni  betr  —  ok  hinn  mesti  hermadr.  Pess  getr  Sighvatr: 
Erlingi  var  engi  annarr  lendra  manna 

örr  sd  er  dtti  fleiri  orrostur  stodporrinn. 

prek  bar  seggr  til  söknar  sinn  pviat  fyrst  gekk  innan 

mildr  i  marga  hildi  mest  en  or  d  lesti. 

trotz  der  worte  der  prosa  an  unserer  stelle  und  c.  44  (Heims- 
kringla) behauptet  V.,  Erlingr  sei  ein  friedliebender  mann  ge- 
wesen, der  wahrscheinlich  nie  eine  schlacht  mitgemacht  habe, 
deshalb  seien  unsere  verse  Überarbeitung  einer  Strophe,  welche 
die  ausdehnung  seines  gebietes  zum  gegenstände  hatte,  in  den 
letzten  zwei  langversen  liege  frd  Sogni  sunnan  —  til  Rygjarbitz 
vestan  verborgen,  wenn  Erlingr  auch  nicht  die  Nesjaschlaclit  mit- 
gefochten  hat,  so  kann  der  dichter  doch  die  in  der  prosa  unseres 
capitels  angedeuteten  häudel  als  orrostur  und  söhnir  autlasseu. 
Für  ebenso  evident  scheint  V.  ii  28  folgendes  zu  halten: 
Corp. ,11  31  Str.  6,  Heimskringla,  Saga  Häkouar  göda  c.  20  (FMS 
1,  39).  Hdkon  konungr  för  til  skipa  sinna  ok  hell  austr  eptir 
Gunnhildar  sonum;  förn  pd  Iwdrir  iveggju  sem  mest  mdttu,  par 
til  er  peir  kömu  d  Austragdir.  Padan  sigldu  Eireks  synir  d  haf 
ok  jüdr  til  Jötlands.     Pess  getr  Guthormr  sindri: 

Almdrauga  vard  cegis  oylsinn,   en   ek  pess  minnumk, 

barma  öld  fyrir  Baldri  bensiks  vila  rikis. 

bödsoekir  helt  brikar  broedr  sins  ok  rak  flwdar 

undan  allar  kindir  d  haf  snekkjum. 

hier  soll  undan  aus  Jötlandz  hervorgegangen  sein ;  aber  die  Über- 
einstimmung mit  der  prosa  liegt  schon  in  rak  d  haf. 

Aber  ich  glaube  mit  V.  eiuleilung  lxxxvi  dass  weitere  bei- 
spiele  zu  häufen  nutzlos  wäre,  und  dass  wir  schon  aus  den  ge- 
wählten die  Überzeugung  schupfen  dürfen  dass  auf  diesem  wege 
die  Wahrheit  nicht  gewoüueü,  wenigstens  nicht  bewiesen  wer- 
den kann. 


54  CORPUS  POETICUM  BOREALE 

V.s  krilik  der  skal(len|?edichte  hat  eine  gewisse  iihnlichkeil 
mit  seiner  behandlung  derVöluspa,  dh.  mit  seinem  zweiten  text 
n  621  ff,  s.  dazu  die  anmerkungen  n  642  ff  und  einleitung  i 
s.  xcvii  ff.  seine  ansieht  ist:  Snorri  hatte  bei  abfassung  der  Gyl- 
faginning  den  verlornen  echten  text  der  Völuspa,  der  zwar  schon 
die  auch  von  V.  als  unecht  erkannte  episode  von  der  schOpfung 
der  zwerge  str.  9  — 15  (R)  enthielt,  aber  sich  in  anordnung 
der  Strophen  und  zeilen  sowie  in  den  lesarten  beträchtlich  von 
unserem  unterschied,  und  richtete  sich  in  seiner  erzählung  nach 
der  abfolge  der  begebenheiten  dieser  poetischen  vorläge,  ohne  sie 
selbst  zu  eitleren ,  —  wie  es  Ari  mit  den  skaldengedichlen  ge- 
macht haben  soll,  später  wurden  einzelne  Strophen  des  unter- 
dessen ganz  aus  dem  gefüge  gekommenen  und  im  einzelnen  ver- 
derbten, interpolierten  und  verslümmelten  gedichtes,  unserer  Vö- 
luspa der  hss.  R  und  H,  in  die  prosa  eingesetzt,  diese  Verderbnis 
und  Unordnung  ist  aber  auch  an  stellen ,  wo  uns  Snorri  im  stich 
lässt,  zu  erkennen. 

Und  so  erhält  V,  einen  text,  der  abgesehen  von  den  lesarten 
in  folgender  weise  dem  von  R  (s.  den  abdruck  bei  Bngge)  ent- 
spricht: 1.  —  2.  —  3.  —  5,5.6.9.  10.7.8.  —  4.-5,1—4.— 
6,  5—10.  —  16,  5—12.  —  7, 1.  2.  —  8, 1.  2.  —  7,  3.  4.  7.  8. 
5.  6.  —  8,  3—8.  —  18.  —  19.  —  20.  —  16.  —  29,  5—10. 
28,5—8.  1-4.-45,3.  4.-29,11.  12.-21,  1—4.—  32.— 
33,  1—4.  —  34,  5—8.  —  21,  1.  2  (s.  oben).  —  25,  5  —  8. 
1—4.  —  24.  —  27,  5  —  8.  —  26.  —  27,  1—4.  —  35.  das 
sei  das  lied  von  der  Vergangenheit,  welches  die  erste  Sibylle  er- 
zähle. —  es  folgt :  23.-21,5.6.  —  22.  — 30.  — 29,1— 4. —  43, 
5—8.  —  44, 1—10.  —  54,  1—4.  —  47,  3—8.  —  45,  5—8  usw. 
das  ist  das  lied  der  zweiten  Sibylle  Heidhr,  welche  den  Welt- 
untergang prophezeit,  und  in  einem  zweiten  teil  die  platze  der 
seeligen  und  verdammten  schildert:  61, 1 — 4.  36,9 — 12.  5 — 8.  — 
16,5  —  8.  —  37.  —  36,  1—4.  —  38.  —  62.  —  den  schluss 
bildet  das  lied  der  dritten  Sibylle  über  die  neuschöpfung  der  weit. 
56.  —  59.  —  60.  —  57  (nach  H).  —  58. 

Man  sieht  sofort  dass  nur  ein  kleiner  teil  dieser  änderungen 
in  der  abfolge  durch  Snorris  prosa  gestützt  wird,  die  wichtigsten 
Übereinstimmungen  liegen  in  lolgendcn  zwei  puucten.  1)  weder  bei 
V.  noch  bei  Snorri  c.  8  erscheint  der  Widersinn  wie  str.  4.5  derVö- 
luspa, dass  der  sonne  erst  eine  bestinunte  stelle  am  liimmcl  ange- 
wiesen ist  (smman),  während  sie  im  folgenden  noch  ratlos  heruni- 
irrt,  —  ebenso  wenig  die  mindestens  sehr  auffallende  Vorstellung, 
dass  di(!  gütter  auf  dem  Idhafelde  sich  ihr  goldenes  Zeitalter  einrich- 
ten Str. 7.8,  bevor  die  menschen  erschaffen  sind  str.  16.  —  2)  stimmt 
V.s  text  zuSnoriis  prosa  in  der  abfolge  der  begebenheiten  beim  Welt- 
untergang, in  der  Völuspa  ist  die  Ordnung:  Raldrs  tod  und  Lokis 
beslrafung  str.  32 — 35,  sitze  der  verdammten  und  seeligen  str.  36  bis 
38,  die  Wölfe  und  andere  Vorzeichen  str.  39 — 43,  sittliches  verderben 


CORPUS    l'UETICUM    liOREALE  55 

der  menscheo  str.  44,  die  aseo  rüsten  sich,  Heimdallr  bläst  str.  45, 
die  rieseu  ziehen  heran  str,  46 — 50,  die  kämpfe  str.  51 — 53,  ver- 
dunkhing der  sonne,  fallen  der  sterne,  versinkender  erde,  welt- 
brand  str.  54,  neue  weit  str.  56  —  60,  Gimle  als  sitz  des  guten 
Str.  61,  —  während  bei  Snorri  auf  Baldrs  tod  und  Lokis  bestrafung 
in  c.  50  das  sittliche  verderben  folgt,  dann  Vernichtung  von  sonne 
und  mond,  fallen  der  sterne  usw.,  anzug  der  riesen,  Vorbereitung 
der  äsen,  Heimdallr  bläst,  die  kämpfe,  weltbrand  c.  51,  —  neu- 
schöpfung,  Wohnungen  der  guten  und  bösen,  Gimle,  Brimir, 
Sindri,  IVäströnd  c.  52. 

Aber  von  keiner  dieser  beiden  reihenfolgen  bei  Snorri  lässt 
sich  beweisen  dass  sie  auch  der  ihm  vorliegenden  Völuspa  eigen 
war.  —  von  der  ersten  schon  deshalb  nicht,  weil  Snorri  bei  der 
geschichte  von  der  weltschöpfung  c.  8  neben  der  Völuspa  allem 
anscheine  nach  auch  eine  andere  quelle  benutzte,  —  die  tötung 
Ymis  und  die  Verwendung  der  teile  seines  Jeibes  kannte  oder  ver- 
wertete der  dichter  der  Völuspa  nicht,  ebenso  wenig  wusle  er 
dass  die  gestirne  funken  aus  Muspellsheim  seien,  und  jeder  an- 
stofs  verschwindet,  wenn  man  mit  MüUeuhoffi  Altertumskunde 
v  76  ff  die  Strophen  5  und  16  als  iuterpolationen  ansieht,  ebenso 
wie  die  Strophen  9 — 15  von  der  Schöpfung  der  zwerge. 

Auch  für  den  zweiten  fall  ist  eine  andere  erkläruug  der  in- 
congruenz  zwischen  unserer  Völuspa  und  Snorri  ebenso  gut  mög- 
lich als  die  V.sche,  die  annähme  nämlich,  dass  die  erzählung, 
wie  sie  im  gedieht  vorliegt,  von  Snorri  nach  den  forderungen 
pragmatischer  darsteliung  und  nach  analogie  der  christlichen  escha- 
tologie  umgeformt  worden  sei.  sittliches  verderben,  Verdunklung 
der  sonne  usw.  unter  den  fünfzehn  zeichen,  dann  jüngstes  ge- 
richt,  himmel  und  höhe,  ist  ja  eine  bekannte  reihenlolge,  s.  zb. 
Gleinker  anlichrist  und  frau  Ava.  —  dazu  kommt  dass  hier  wie 
oben  Snorri  durchaus  nicht  allein  die  Völuspa  vor  äugen  hat, 
sondern  auch  eine  darsteliung,  nach  welcher  Tyr  mit  dem  liunde 
Garmr  kämpft,  der  Völ.  str.  55  nach  dem  weltbrand  noch  bellt 
(ebenso  Heimdallr  mit  Loki),  und  die  sonne  von  dem  wolle  Sköll 
verschlungen  wird,  Sn.  Edda  c.  51  s.  190.  186f.  vgl.  c.  12,  — 
in  Völ.  Str.  54  dagegen  söl  ter  sortna.  —  schliefslich  darf  man 
wol  fragen,  wenn  die  sonne  verdunkelt,  die  erde  versunken,  die 
sterne  vom  himmel  gefallen  sind  str.  54,  vor  dem  kämpf  der 
götter  und  riesen,  wo  denkt  sich  der  dichter  diesen?  doch  nicht 
im  Weltraum,  nach  der  Völuspa  wie  z.  t.  auch  nach  Snorri  wohnen 
die  götter  auf  der  erde. 

Die  übrigen  teile  der  prosa-Edda  können  für  die  frage  nach 
der  Strophenfolge  der  Völuspa  nicht  wol  in  betracht  kommen,  da 
sie  keine  fortlaufende  erzählung  sind,  sondern  Schilderungen  und 
beschreibungen ,  welche  gelegentlich  auch  die  Völuspa  benutzen, 

*  MüUenhoffs  kritik  der  Völuspa  konnte  V.  natürlich  noch  nicht  be- 
kannt sein. 


56  CORPUS  POETICÜM  BOREALE 

SO  Str.  50  für  c.  4  (später  c.  51  wider),  oder  str.  37  für  c,  17 
(später  c.  52  wider). 

Aber  die  ganze  hypothese  V.s  gründet  sich  auf  die  an- 
nähme, dass  die  Strophen  der  Völuspa  erst  später  dem  Snorri- 
scheu  prosatexte  zugesetzt  worden  wären ,  dass  also  auch  die 
reihenfolge  —  wenn  mehrere  an  einer  stelle  citiert  werden  — 
nicht  jene  sein  müsse,  in  welcher  Snorri  sie  gekannt  habe,  dass 
sein  text  der  Vüluspa  nicht,  wie  die  im  wesentlichen  zu  der  Ord- 
nung in  R  stimmenden  zehn  Strophen  vom  Weltuntergang  in  c.  51, 
die  verlinsterung  der  sonne,  das  fallen  der  Sterne  usw.  nach  dem 
kämpf  der  götter  und  riesen  sondern  vorher  angesetzt  habe.  —  aber 
die  annähme  ist  nicht  gestattet.  —  die  composition  der  prosa-Edda 
zeigt  auch  abgesehen  von  deutlichen  Zusätzen,  s.  Mogk  Beiträge 
7,215.238,  eine  künstlerische  lockerheit.  ein  plan  ist  da,  aber 
die  Übergänge  sind  oder  scheinen  oft  ganz  zufällig,  c.  44,  es 
war  vom  schiff  Skidhbladhnir  die  rede,  sagt  Gylü:  gott  skip 
er  Skidbladnir,  en  allmikü  fiölkyngi  mun  vid  vera  höfd,  ddr  svd 
fdi  gert.  Hvdrt  hefir  Pörr  hvergi  svd  farit,  at  hann  haß  hitt 
fyrir  ser  svd  rikt  eda  ranit ,  at  hönum  hafi  ofreßi  i  verit  fyrir 
aßs  sakar  eda  fiölkyngi.  dieser  Übergang  von  Skidhbladhnir  zu 
Thorr  ist  doch  nur  durch  den  begriß'  'Zauberei'  vermittelt,  es  folgen 
ja  Thors  abenteuer  mit  riesen  und  Zauberern.  —  oder  weil  Loki 
til  ragnarökrs  gefesselt  bleiben  soll,  c.  50  ende,  begehrt  Gylü  c.  51 
aufschluss  über  den  Weltuntergang,  s.  Wilkens  Untersuchungen 
s.  174.1  —  oder  weil  die  äsen  über  Bifröst  'reiten',  folgt  eine 
angäbe  über  ihre  pferde  c.  15.  —  nun  wird  c.  41  zum  beweise 
dafür,  dass  Odhinn  der  höchste  gott  sei,  eine  Strophe  über  die 
besten  dinge  aus  Grimuismal  citiert,  in  der  auch  Sleipnir  als  das 
beste  ross,  Skidhbladhnir  als  das  beste  schilT  vorkommt,'-  c.  42 
fragt  nun  Gylü  nach  Sleipnir,  c.  43  nach  Skidhbladhnir.  die 
Strophe  in  c.  41  ist  also  ein  notwendiger  bestandteil  des  texles, 
nicht  erst  später  eingeschoben. 

Aber  wenn  auch  Snorri  die  Völuspa  nur  wie  wir  in  einer 
R  oder  H  ähnlichen  gestalt  gekannt  hat,  so  ist  es  immer  noch 
möglich  dass  dieser  text  weit  von  seiner  ursprünglichen  gestalt 
sowol  in  den  lesarten  als  in  der  strophenfolge  abgekommen  sei 
und  dass  V.s  kritik  dennoch  das  richtige  getrolTen  habe,  wenn 
wir  auch  die  zeugenschaft  Snorris,  welche  er  anruft,  ablehnen 
müssen,  es  müsle  nur  gezeigt  werden  dass  die  überlieferte  ge- 
stalt der  Völuspa  eine  unmögliche  sei  und  dass  auch  die  annähme 
von  Interpolationen,  der  ja  V.  nicht  abgeneigt  ist,  nicht  zur 
heilung  einiger  olfenbarer  schaden  ausreicht,  aber  eben  das  wird 
nach  dem  erscheinen  der  Müllenholfschen  recension  wol  niemand 

'  iit  U  felilt  die  wörüiche  responsioii.  anfang  c.  51  wird  nur  ßiiibul- 
vr.tr,  nicht  rag/iarökr  [genannt. 

^  s.  die  vier  besten  din|,'e  Norwegens  in  der  propiiezeiung  Mostrar- 
skeggis  FMS  2,  285. 


CORPUS    POETICÜM    BOnEALE  57 

behaupten,  selbst  wenn  es  geläuge,  durch  eine  andere  Ordnung 
einen  bessern  dh.  für  uns  leichter  versländlichen  Zusammenhang 
zu  gewinnen ,  so  müsten  wir  darauf  verzichten ,  wenn  wir  uns 
nicht  der  gefahr  aussetzen  wollen,  den  dichter  statt  der  Über- 
lieferung zu  corrigieren.  aber  der  text  V.s  zeigt  gar  nicht  jene 
verführerische  zugänglichkeit,    er  liest  zb.  v.  47  ff  seiner  Zählung: 

pndan  koma  nieyjar  margs  vitanäi 

priär  ör  peim  sal  es  und  polli  stendr; 

Urd  heto  eina,  adra  Verdandi, 

—  skdro  ä  skidi  —  Skuld  ena  pridjo : 

pcer  log  logdo,  pcer  lif  kuro, 

alda-bornom,  orlog  segja. 

unz  priär   koma  or  pvi  lidi 

iöd-disir  As-hmgar  .  .  .  at  hüsi. 

also  aus  der  schar  der  drjei  nornen,  virelche  den  menschen  (doch 
bei  der  gehurt,  wie  die  allgemeine  Vorstellung  ist)  das  Schicksal 
bestimmen,  kommen  drei,  welche  bei  der  gehurt  des  menschen 
eine  rolle  spielen!  oder  v,  64  ff  die  lötung  Baldrs,  der  krieg 
mit  den  Vanen,  die  auslieferung  Freyjas  au  die  riesen,  —  dann 
erst  die  bestrafung  Lokis,  die  räche  für  Baldrs  tod.  —  v.  94  ff 
wird  Heidhr  als  name  der  zweiten  Sibylle  gefasst  —  vgl.  Bugge 
Norrosn  fornkvaidi  s.  38  fl'  — ,  die  in  Odhins  halle  dreimal  ver- 
brannt wird  —  warum  ist  ganz  unverständlich.  —  dass  der  v.  113 
söl  nmn  sortna,  soekkr  fold  i  mar  vor  dem  götterkampf  bedenk- 
lich ist,  wurde  schon  oben  s.  55  bemerkt. 

Schlielslich  ist  eine  solche  Zertrümmerung,  ja  auflösuug  des 
gedichtes  in  seine  kleinsten  bestandteile,  wie  V.  sie  annimmt, 
selbst  wenn  es,  wie  er  meint,  unstrophisch  war,  unglaublich, 
sie  konnte  nur  unwillkürlich  geschehen  sein  und  nicht  im  un- 
getreuen gedächtnis  eines  einzelnen,  wer  die  echte  Ordnung  so 
vergessen  hätte,  der  würde  sich  auch  nicht  so  vieler  einzelner 
verse  und  verszeilen  erinnern,  vor  allem  müste  er  wissen  dass 
er  das  gedieht  nicht  inne  hat  und  es  nicht  vortragen  oder  auf- 
schreiben. ^  es  bliebe  übrig,  sich  vorzustellen  dass  durch  unzäh- 
lige vortrage  erst  ein  vers  au  eine  andere  stelle  kam,  dann  ein 
zweiter  und  so  fort,  das  wäre  allenfalls  begreitlich  bei  einem 
lustigen  trinklied,  einem  lügenmärchen  oder  lotterspruch  —  etwa 
auch  bei  einem  wallfahrtslied ,  aber  nicht  bei  einem  gedichte  wie 
Völuspa,  dessen  erhabene  gedanken  und  Vorstellungen  immer  nur 
einem  kleineu  erlesenen  kreise  zu  religiöser  und  ästhetischer  er- 
bauung  gedient  haben  können. 

Ich  muss  darauf  verzichten,  noch  weitere  texte  des  Corpus 
zu  besprechen,  so  stark  die  Versuchung  auch  ist  sowol  bei  den 
gedichten  der  Edda  —  ich  verweise  den  leser  besonders  auf  die 
Helgilieder  —  als  bei  den  werken  der  hofdichter,  —  und  wende 
mich  zu  den  excursen. 

^  s.  skipa  (kvaii)  in  Gieasby-Vigfussons  Diclionary. 


58  CORPUS   POETICÜBI    BOREALE 

I  401  ff  sucht  V.  zu  erweisen  dass  die  Skandinavier  keine 
liturgischen  götterhilder  gehaht  haben,  so  gern  mau  auch  zu- 
gibt dass  die  gegenteiUgen  berichte  in  den  königssagas  und  sonst 
jene  anschauungen  verraten,  welche  von  den  ersten  kirchenvätern 
über  das  römisch-griechische  heidentum  festgestellt  worden  waren, 
so  vermag  ich  doch  nicht  einzusehen ,  warum  in  der  von  V.  als 
classisches  Zeugnis  angerufenen  stelle  der  Eyrbyggja  c.  4  der  satz, 
der  von  den  götterbildern  zu  sprechen  scheint,  ei-ngeschoben 
sein  soll,  ein  grofser  tempelhof  wird  gebaut.  Innar  af  hofinu 
var  hns  i  pä  liking ,  sem  nü  er  sönghns  i  kirkjom ;  ok  stöd  par 
d  stalli  ä  midjo  gölßno  sem  altari.  nun  von  eidriug  und  opfer- 
kessel  auf  dem  stalli.  dann:  Umhverßs  stallann  var  godonum 
skipat  i  afhüsmo.  damit  ist  die  beschreibuug  des  tempels  zu 
ende,  das  heifst  doch,  der  tempel  war  ein  längliches  viereck 
und  hatte  an  einer  Schmalseite  eine  apsis  hüs,  afhns,  in  deren 
mitte  der  altar  stand,  in  einem  räum  um  den  altar  herum  waren 
die  götterhilder  aufgestellt,  dass  i  afhüsino  hinzugefügt  wird,  ist 
freilich  unnötig,  aber  doch  begreiflich,  wenn  es  dem  autor  sehr 
daran  lag,  dem  leser  eine  genaue  Vorstellung  zu  geben,  auch 
das  bekannte  zeugnis  Adams  von  Bremen  wird  zu  geringschätzig 
behandelt,  da  er,  wie  V.  selbst  anerkennt,  von  dingen  berichtet, 
die  in  römisch-griechischen  tempeln  keine  analogie  haben,  und 
unwahrscheinlich  kann  uns  die  existenz  liturgischer  bilder  gar 
nicht  vorkommen ,  wenn  wir  uns  der  gutbezeugten  schnitzwerke 
und  Zeichnungen  zu  ornamentalen  zwecken  erinnern;  s.  n  6.  14. 
22.  64  Str.  4,  alles  gedichte  des  10  jhs.  —  s.  auch  Cleasby-Vig- 
fusson  Dict.  307''. 

S.  426  beruft  sich  V.  auch  auf  die  abwesenheit  eines  alt- 
nordischen Wortes  für  götterbild  (idol).  aber  musten  sie  dafür 
ein  besonderes  wort  haben?  konnten  sie  sich  nicht  mit  dem 
Ukneski  begnügen,  dessen  begrilT  allerdings  weiter  ist.  dazu  ist 
es  altn.  Sprachgebrauch ,  wenn  von  der  statue  Thors  zb.  etwas 
erzählt  wird,  nicht  'bildnis  des  Thor'  sondern  'Thor'  selbst 
zu  sagen. 

Die  parallele  söu  und  skr.  soma  s.  405  ist  vvol  nicht  ernst 
gemeint. 

In  dem  abscimitt  über  divination  durch  rulen  vermisst  man 
den  biuweis  auf  die  notae  des  Tacitus.  V.  sagt  nur:  Tacitus  und 
Ammianus  erwähnen  die  divination  durch  ruten.  aber  Aminianus 
31,  2  (V.  citierl  natürlich  nicht)  spricht  von  Alanen  und  sagt 
nur:  rectiores  virgas  vimineus  colligentes,  easqne  cum  incantamentis 
quihnsdam  secretis  praestüuto  tempore  discernentes  aperte  quid  por- 
tendattir  norunt.  dass  die  Scandinavier  wie  andere  (iernianen 
diese  ruten  mit  runen  versahen,  ist  nicht  bezeugt,  man  möchte 
es  aber  wol  vernmten  ans  dem  gambanteinn  in  Skiinismal ,  auf 
den  nach  str.  36  runen  geritzt  werden,  also  zum  zauber;  \^\.kefli, 
rista  rünar  d  kcfli  in   Cleasby-Vigfussons  Dict. 


CORPUS  POETICUM  BOREALE  59 

Bei  dem  abschuilt  über  ahnencullus  s.  413  iX  erinnert  man 
sich  an  nr  25  des  Indiculus  paganiarum :  de  eo  qnod  sibi  sanctos 
ßngunt  qnoslibet  mortiios  Heyne  Kleinere  altniederdeulsche  deuk- 
mäler  1867  s.  87. 

In  dem  metrischen  exciirs  i  432  ff  vermisst  man  vor  allem 
berücksichtigung  der  litleralur,  sowol  der  des  13  als  19  jhs.,  ob- 
wol  V.  nicht  grundsätzlich  citate  meidet;  so  wird  Bugges  ge- 
setz  den  liodhahatt  betreffend  s.  439  erwähnt,  in  der  einleitung 
s.  cxix  auch  Edzardi  Paul -Braunes  Beiträge  5,  570.  aber  keine 
auseinandersetzung  weder  mit  Snorris  Hattatal  noch  mit  Sievers 
Beiträge  5,  449.  6,  265.  8,  54,  Gislason  Njala  ii,  Om  helrim  1877, 
Müllenhoff"  De  carmine  Wessot'ontano  1861  über  den  liodhahatt 
aufserhalb  des  nordischen,  Hildebrand  ergänzungsband  zur  Zs.  f. 
d.  ph.  1874  s.  74,  obvvol  dessen  Edda  gelobt  wird,  —  meist 
auch  keine  beziehung  auf  die  in  diesen  Schriften  besprochenen 
latsachen  und  erörterten  probleme,  nichts  über  den  malahatt,  das 
eigentümliche  versmafs  der  Hymiskvidha,  das  Verhältnis  unserer 
skaldischen  texte  zu  Snorris  regeln,  Edda  i  596,  — nichts  über 
hragarmdl,  verschleifung.  aus  der  behandluug  der  texte  sieht  man 
dass  V.  Sievers  grundgesetz  d.  i.  vielmehr  Snorris  ausspruch  hverju 
visuordi  fylgju  vi  samstOfur  mit  den  notwendigen  consequenzeu, 
welche  sich  aus  den  überlieferten  sieben-  und  mehrsilbigen  versen 
ergeben,  nicht  anerkennt,     hragarmdl  uä.  wird  kaum  angewendet. 

Über  den  begriff  des  altn.  verses  wird  kurz  entschieden,  es 
sei  darunter  die  langzeile  zu  verstehen,  und  so  hat  V.  auch  den 
text  gedruckt,  ohne  die  cäsur  zu  bezeichnen,  was  doch  Miilleu- 
hoff,  der  auch  dieser  ansieht  ist,  Altertumskunde  v279,  in  der 
ausgäbe  der  Völuspa  tut.  kein  wort  über  die  entgegenstehende 
terminologie  Snorris  im  Hattatal  Edda  i  596  und  der  Hallfredhar 
saga  Fornsögur  96,  29  (s.  Corp.  n  458) ,  nach  welcher  vimord 
der  kurzvers  ist,  der  langvers  aber  nur  durch  seine  beziehung  zur 
Strophe,  visa,  als  fiordiingr  bezeichnet  wird. 

Nicht  mitteilsamer  ist  V.  über  die  von  ihm  in  den  texten 
angenommenen  unstrophischen  compositionen.  wenn  man  auch 
mit  ihm  einen  diplomatischen  abdruck  von  B  als  sehr  wünschens- 
wert ansieht,  so  kann  man  doch  nicht  zweifeln  dass  die  Strophen, 
wie  Bugge  s.  ii  ua.  angeben,  würklich  durch  gröfsere  anfangs- 
buchstaben  ausgezeichnet  sind,  es  müste  nach  V.  zb.  die  ursprüng- 
lich unstrophische  Völuspa  erst  die  früher  erwähnten  Schicksale 
erfahren  haben,  und  dann  die  versprengten  verse  zu  Strophen 
zusammmeugefasst  worden  sein. 

Die  drottkv;ettliuie,  den  langvers,  teilt  V.  in  sechs  tacte.  aber 
er  verbietet  s.  448  diese  tacte  als  gleich  zwei  silben ,  also  über- 
haupt als  gleich,  zu  fassen,  wenn  dadurch  schwebende  betonung 
notwendig  würde,  das  visuord:  Alfifu  son  drifa  soll  also  abge- 
teilt werden  AI-  \  fifu  son  \  drifa  nicht  Alfi-  j  fu  son  \  drifa.  — 


60  CORPUS    PÜETICUM    IlOREALE 

denu  1)  würde  der  reim  sonst  auf  den  schlechten  tactteil  lallen, 
—  2)  würden  uuacceuluierte  silben  den  zweiten  tact  zu  füllen 
haben,  —  3)  würde  der  tactschluss  in  die  mitte  eines  wertes 
fallen,  der  erste  und  dritte  gruud  sind  offenbar  unrichtig,  gleich 
auf  der  folgenden  seite  sagt  V.  dass  der  erste  reim  zuweilen  ab- 
sichtlich in  die  Senkung  gedrückt  werde:  fleygjendr  \  at  gram\ 
rendo,  —  und  in  die  mitte  eines  wortes  fällt  tactschluss  auch 
bei  scansion  Äl~  \  fifu.  er  wird  w  ol  nur  unzusammengesetzte  worte 
gedacht  haben.  —  der  zweite  grund  bezieht  sich  auf  fälle  wie 
(jrams  erßngjom  hverfa,  wasY.  scand'ierl grams  \  erfingjom  \  hverfa. 
es  ist  von  vorn  herein  nicht  einzusehen,  warum  die  andere  scan- 
sion, nach  welcher  der  zweite  tact  -ingjom  wäre,  nicht  gestattet 
sein  sollte,  aber  gegen  V.s  scansion  spricht  vor  allem  der  um- 
stand, dass  im  gewöhnlichen  drottkvsett  nie  eine  silbe  einen  tact 
füllt,  aufser  wenn  die  folgende  drei  silben  hat,  nie:  -  |  -  w| 
-^.  das  heifst  doch  mit  anderen  worten:  der  tact  hat  zwei 
silben  und  die  worlbetonung  kann  in  der  versmitte  vernachlässigt 
werden,  es  genügt  auf  Sievers  Beiträge  5,  455  f  zu  verweisen. 
Aber  V.  fügt  noch  einen  vierten  grund  hinzu,  bei  dem  ich 
etwas  verweilen  möchte:  the  distribulion  of  sentences,  the  chief 
and  intercalary  one,  farther  tends  to  show  that  docked  first  and 
fourth  measure ,  especially  the  latter ,  foUowed  by  -  w  w  or  —  ^ 
were  favourites  with  the  old  poets.  —  V.  hat  fälle  im  äuge,  die 
Snorri  im  Hattatal  unter  hiästwlt,  ordskvichihättr ,  dlagshäUr  be- 
spricht, Sn.  Edda  i  618.  636,  Möbius  Hattatal  ii  s.  8.  13: 
Manndyrdir  fä  mcerdar,  mcet  old,  fira  givti 
hjtr  audgiafa  itrum  oll.    Stöd  scer   of  fiollum   usw. 

oder:  Fnss  hrytr  fylkir  eisu  fens;  —  hregdr  hnnd  d  venju; 

rdnhegnir  gefr  Rinar  rof;  —  spyrr  cettat  iofrnm;  usw. 

oder:  Iskalda  skar'k  oldu  eik,  var  süd  in  bleika 

reynd,  til  rcBsis  fundar        riks;  em'k  küdr  at  sliku. 
hriötr  pd  hersis  heiti  Mit,  dugir  samd  at  vdtta, 

auds  af  iarla  prydi  Urs;  vara  siglt  til  litils. 

S.  Corp.  II  33  z.  5 ff.  231.  oder  mit  verschlingung  zweier 
Sätze  II  125  z.  22: 

Rett  es  ^atsökn  in  setta:      snarr  penyill  band  Englom 
at  pars  Aläfr  sölli  Yfifis  Liinduna-bryggjur. 

d.  i.   snarr  pengill   haud   Englom    Yggs    at   (Odini    incitatiouem, 
pugnam),  pars  Äldfr  (=  pengill)  sötti  Lunduna-bryggjur. 

Für  V.s  these,  glaube  ich,  beweist,  diese  beobachtuug  nichts, 
warum  sollte  man  nicht  at  pars  \  Aldfr  \  sötti  und  Yggs  Lun\~ 
duna-pryggjur  scandieren ,  also  den  syntactischen  einschnitt  zwi- 
schen hebung  und  Senkung  des  ersten  fufses  fallen  lassen?  vgl. 
das  mhd.  oder  englische  enjanibement  Edolanz  sie  von  danne 
Dranc,  sie  muosten  entwichen  Zs.  25,  273  v.  24  f,  oder  Shakespeare 
Tempest:    You  (auglit  ine  language  and  my  yrofit  Is,  i  know  how 


CORPUS    POETICLM    BOIIEALE  61 

to  curse.  aber  sie  steht  in  Zusammenhang  mit  einer  regel  der  skal- 
dischen poesie,  welche  sich  so  formulieren  lässt.  wenn  im  2.4.6.8 
kurzvers  (visuord)  des  gewöhnlichen  dreitactigen  drottkvcctt  einem 
Worte  ein  besonderer  nachdruck  verliehen  werden  soll ,  entweder 
weil  es  einen  salz  schliefst  1),  —  oder  weil  es,  ohne  den  satz  zu 
schliefsen,  bei  verschränkung  der  sätze  vor  einem  Satzglied  eines  an- 
deren Satzes  steht  2),  —  oder  weil  es  mit  einem  entweder  unmittelbar 
vorhergehenden  3)  — oder  durch  andere  Satzglieder  getrennten  4)  — 
ausdruck  des  oder  eines  früheren  kurzverses  syntaclisch  zusammen 
gehört  (meist  attributivische  Verbindungen,  aber  auch  adjectiv  und 
regierter  casus,  verb  und  adverb),  —  oder  weil  es  eine  apostrophe 
ist  5),  —  so  geschieht  dies  dadurch,  dass  dieses  wort  träger  des 
ersten  oder  zweiten  reimes  ist.  fällt  es  auf  den  ersten  reim,  so 
kann  sich  ihm  noch  ein  attribut,  seltener  dem  verb  ein  adverb 
vorne  a)  —  oder  rückwärts  b)  —  anschliefsen  6),  —  fällt  es  auf 
den  zweiten  reim ,  so  kann  ihm  ein  solcher  ausdruck  voran- 
gehen 7).  —  sind  zwei  derartige  Wörter  vorhanden,  so  fallen  sie 
auf  den  ersten  und  zweiten  reim  8),  —  bei  dreien  muss  eines 
dieser  auszeichnung  entbehren  9).  —  es  darf  also  weder  vor 
dem  ersten  reim  noch  nach  demselben  vor  dem  zweiten  ein  wort 
stehen,  dem  der  oben  beschriebene  nachdruck  zukommt,  falls 
nicht,  nach  9),  die  reime  auch  auf  solche  Wörter  fallen. 
,  1)  erster  reim.  Sn.  Edda  i  278,  l.i  Corp.  ii  16  z.  53 
Ok  at  isarnleiki  lardar  sxiiir ,  en  dundi 

(mödr  svall  Meila  hrödur)         niana  imjr  und  hännm. 
Sn.  Edda  i  428,  4.  Corp.  ii  40  z.  41 

Heinpynntan  let  hvina  hryneld  at  pat  hrynju 

foldar  vördr,  sä  er  fyrdum,  fornhardan,  sik  vardi. 
s.  Sn.  Edda  i  232,  3.  326,  1.  430,  2.  446,  4.  450,  1.  454,  2. 
468,  3.  474,  4.  5.  476,  2.  504,  4.  512,  1.  514,  1.  526,  2.  528,  2. 
Für  den  zweiten  reim  ist  es  wol  nicht  nötig  beispiele  an- 
zugeben, da  satzschluss  oder  stärkere  iuterpunction  nach  dem 
vierten  und  achten  kurzvers  geboten,  aber  auch  nach  dem  zweiten 
und  sechsten  häutig  ist.     s.  Sn.  Edda  i  346,2.  526,1. 

Inhaltssätze  nach  hykk  und  ähnlichen  ausdrücken  gelten, 
scheint  es,  auch  wenn  sie  mit  at  eingeleitet  werden,  nicht  als 
selbständige  sätze. 

Sn.  Edda  i  458,  1.  Corp.  u  230  z.  22 
Fullaßi  beid  fyllar,  finn   ek  opt   at  drifr  minna, 

hilniis  stöls,  d  hwla  hüskarla  lid  iarli. 

2)  erster  reim.     Sn.  Edda  i  252,  2.  Corp.  vi  8  z.  47 
Vadr  Id  Vidris  arfa  vilgi  slakr,  er  raktist, 

d  Eyneßs  öndri,  iörmmigandr  at  sandi. 

Sn.  Edda  346,  3.  Corp.  u  271  z.  18 

Par  er  Mardallar  milli,  nie  ginhur  dar ,   liggr  skurda, 

Gauts   herum  galla  prültinn,     grätr,  dalreydar  Idlra. 

'  ich  zähle  nach  de»  anfangen  von  diottkvajltstiophen  jeder  seile. 


62  CORPUS    POETICÜM    BOREALE 

s.  Sn.  Edda  i  232,  2.  248,  3.  428,  2. 

Zweiter  reim.    s.  unter  'erstem  reim'  und  Sn.  Edda  i  248,  3. 

3)  attributivische  Verbindungen.      erster   reim.      Sn.    Edda 
I  232,  3.  Corp.  ii  75  z.  35 

Lattist  herr  med  höttu  Hangaty  s  at  ganga, 

(pöttit  peim  at  hcaita  pekkiligt)  fyrir  brekku. 

Sn.  Edda  i  242,  1.  Corp.  ii  33  z.  13 

Algildan  bid  ek  aldar  allvald  of  mer  halda 

ys  bifvangi  Yngva  nngr.    Für  llröptr  med  Gutigni. 

s.  232,  4.   238,  2.   246,  1.  2.  250,  1.    252,  1.  254,  2.   256,  1.  2 

(nach  Corp.  n  27  z.  8).  258,  2.  3.  260.  268  f.  278,  1.  2.  318,  1. 

3.4.  322,1.3.5.  328,3.  330,2.    338.    346,  1.   348,  1.   350,  1. 

372,  2.  398,  1.  400,  1. 

Zweiter  reim.    Sn.  Edda  i  326,  1.  Corp.  ii  167  z.  21 
foerir  biörn,  par  er  bära  brestr,  undinna  festa 

opt  i  Ymis  kiöpta  ürsvöl  Gymis  völva. 

Sn.  Edda  i  370,  1.  Corp.  ir  9  z.  55 

Fd  er  forns  Litar  flotna  d  fangbo da  öngli 

hrökkviäll  of  hrokkinn  hekk   Völsunga  drekku. 

gewöhnlich    trifft    dieser  fall    aber    mit   anderen   zusammen,    Sn. 

Edda  I  320,  2.  328,  2. 

Adjectiv  und  regierter  casus.    Sn.Eddai410,2.  Corp.  n  300  z.  8 
Ek  hefi  odar  lokri  Ölstafna  per  skafna, 

vcen  mörk  skdla,  verkt  vandr,  stefknarrar  branda. 

4)  attributivische   Verbindungen,     erster  reim.     Sn.   Edda  i 
232,  2.  Corp.  ii  76  (Havardhr  halti) 

Nu  er  iodraugum  ^Egis  arnar  ßaug  ok  banga, 

hygg  ek  at  heimbod  piggi        hangagod s,  of  vangi. 

Sn.  Edda  i  234,  1.    Corp.  n  40  z.  43 

Har  var,  prafna  byrjar  peim  styrdu  gud  beima, 

sidlfr  i  soekidlß  Sigtyr  Atals  dyra. 

Sn.  Edda  i  256,  1.  Corp.  ii  9  z.  49 

Hamri  forsk  i  hcegri  hönd  pd  er  allra  lau  da 

eygir  ößugbarda  endiskeids  of  kendi. 

s.  So.  Edda  240,  2.    256,  4.    316,  1.    322,5.   324,3.   330,2. 

332,  2.  338,  1.  346,  2.  348,  2.  370,  2.  514,  2. 

Zweiter  reim.    Sn.  Edda  i  320,  2.  Corp.  n  161  z.  1 
Knütr  verr  iörd  sem  itran       alls  dröttinn  sal  fialla. 

Sn.  Edda  i  326,  1.  Corp.  n  167  z.  21 

Fcerir  biÖrn,  par  er  bära        brestr,  undinna  festa 
opt  i  Ymis  kiöpta  ürsvöl  Gymis  völva. 

Sn.  Edda  i  406,  4.  Corp.  n  220  z.  43 

Ilir d  vidrgramr  medgerdnm      gullvörpudr  ser  holla. 

Sn,  Edda  i  512,  2.  Corp.  n  166  (Gizurr) 

Fylkir  gledr  i  fölki  flakk  ok  svan  Illakkar, 

Olafr  of  vidr  Hnm  Vgg^  g^gl  fegin  Sköglar. 

s.  oben  Sn.  Edda  i  234,  l. 


CORPUS  POETICUM  BOREALE  63 

Verb  und  adverb.    Sn.  Edda  i  248,  2.  Corp.  ii  48  z.  11 
Eisar    ,vdgr  fyrir  visa,  verk  Rögnis  mer  högna. 

Pytr  Odreris  alda  aldr  hafs  viel  fles  galdra. 

Sd.  Edda  i  474,  1.  Corp.  ii  270  z.  7 

Verja  haudr  med  hiörvi  hart  döglinga  biartir, 

hidlmr  spiitigr  opt  fyrir  ölmri     egghrid,  framir  seggir. 

Corp.  II  147  z.  59 

Ofigr  hafdi  svd  ungum  ddr  bragningi  rädit. 

5)  Sn.  Edda  i  332,  3 

Upp  skulnm  örnm  sverdum,      ulfs  tannlitudrl    glilra 
eigum  ddd  at  drygja  i  dal-mishinn  fiska. 

Sn.  Edda  i  506,  1.  Corp.  n  239,  v;  text  abweichend 

Swgs  mun  ek  sidr  en  eigi         (sd  er  illr  er  hrag  spillir) 
solar  sverri  mdlan,  slidrdls  reg  in!  nida. 

s.  Sn.  Edda  i  250,  2. 

Oder   mit  trennung   der  glieder  des   ausrufs.     erster  reim. 

Sn.  Edda  i  320, 1.  Corp.  ii  194  z.  19 

Sadr  stillir,  hidlppü sniöllnm,    söltialda!  Rögnvaldi. 

Sn.  Edda  i  496,  1.  Corp.  ii  161  z.  2 

Vestr  Uzt pü  iliaf,  hristir,      hardviggs,  svikulgiardar, 
umhands  allra  landa,  issl  framstafni  visat. 

Sn.  Edda  i  514,  3.  Corp.  ii  142  z.  101 

Ldt  auman  nu  niöta  Nöregs,  ok  gef  störnm, 

mal  halt,  svd  sem  scßlati,  sinnjör!  laga  [nnna. 

Sn.  Edda  i  526,  4.  Corp.  n  155  z.  69 

Engl  vard  d  iördu,  ögnbrddr,  ddr  per  nddi, 

austr  sd  er  eyjnm  vestan,  Ytiglingr!   und  sik  pryngvi. 

s.  Sn.  Edda  i  318,5  und  Corp.  n  140  z.  49. 

Zweiter  reim.     Sn.  Edda  i  432,  2.  Corp.  ii  36  z.  21 
Litt  kvödu  pik  Idta,  landvördr,  er  brast,  Hör  da! 

brynj'u  hagl  i  benjum  (bngust  dlmar)  ged  fdlma. 

Sn.  Edda  i  462,  2.  Corp.  ii  196  z.  45 

Bitu  sverd,  en  par  purdir,        jmnngiör  fyrir  Mön  sunnan 
Rögnvalds    kin  d ,    und 

randir,  ramlig  folk,  ens  gamla! 

6)  a)  s.  oben  die  beispiele  unter  2)  Sn.  Edda  i  252,  2,  unter 
5)  Sn.  Edda  i  332,  3.     dann  Sn.  Edda  i  318,  5.  Corp.  ii  197,  vu 

Hidlp  pü,   dyrr  konnngr, 

dyrnm  dags  grün  dar!   Hermnndi. 

Sn.  Edda  428,  2.  450,  1. 

6)  b)  s.  oben  die  beispiele  unter  1)  Sn.  Edda  i  278,  1,  unter 
5)  Sn.  Edda  i  506,  1.    dann  auch  Sn.  Edda  1 254, 2.  Corp.  ii20  z.40 

Reidr  stöd  Rösku  brödir.  Vd  gagn  fadir  Magna. 

Skelfra  pörs  ne  pidlfa  prbttar  steinn  vid  otta. 

Sn.  Edda  i  254,  4.  Corp.  ii  26  z.  4 

Sin  biö  Sifjar  rüni  snarla  fr  am  med  karli 

(hornstraum  getum  Hrimnis       hroera)  veidar  foeri. 


64  CORPUS  POETICDM  BOKEALE 

Sn.  Edda  i  254,  5.  Corp.  ii  20  z.  6 

Svd  brd  vidr,  at,  sijjur  seidr  renndi  fram  heidar 

iardar,  nt  d  hordi  Ulis  mdgar  hnefar  skullu. 

s.  Sn.  Edda  i  478,  1.  492,  3.  Corp.  ii  148  z.  71 
Rdn  mnn  seggr  hinn  er  sina     selr  üt  i  pvi  telja. 

s.  auch  Sn.  Edda  i  248,  1.  256,  2.  268.  346,  1.  372,2.  458,  1. 

460,  3.  478,  1.  492,  3. 

7)  s.  oben  unter  4}  Sn.  Edda  i  320,  2,  unter  3)  Sn.  Edda  i 
326,  1.  370,  1. 

8)  s.  oben  unter  1)  Sn.  Edda  i  278,  1.  428,  4;  unter  2)  Sn. 
Edda  I  252,  2.  346,  3;  unter  3)  Sn.  Edda  i  232,  3.  326,  1;  unter 
4)  Sn.  Edda  i  232,  2.  234,  1.  256,  1  usw. 

9)  Sn.  Edda  i  464,  1.  Corp.  ii  197  z.  70 
y^tlboeti  firr  Uran  allriks  (enn  ek  hid  likna 
Irüra  ti/ggja  dyrum)  Torf -Einars,  godl  meinom. 

Sn.  Edda  i  504,  4.  Corp.  ii  271  z.  16 

Nemi  hiodr,  hve  ek  fer  floidar     fiardbdh  of  hlyn  mdli. 
Sn.  Edda  i  526,  1.  Corp.  ii  192  z.  21 

Sikiinga  venr  snekkjur  sidlklar  konr  üti. 

s.  noch  Sn.  Edda  i  248,  2.  256,  6.  316,  3.  328,  5.  416,  3.  432,  2. 
474,  1.  526,  3.  Corp.  ii  134  z.  40.  139  z.  14.  145  z.  14. 
147  z.  59. 

Eine  ausnähme  können  machen  die  parenthesen ,  die  zu- 
weilen auch  relativsätze  sind.  Sn.  Edda  i  388,  3.  416,  3.  Corp. 
II  156  z.  41 

Ileltu  par  er  hrafn  ne  svalla,      (hvatrddr  erlu)  Iddi, 
ögnar  stafrl  fyr  iOfrum  ygr  tveimr  vid  kyn  heima. 

Sn.  Edda  i  500,  4.  Corp.  ii  155  z.  9 

Skdrut  sköfnu  slyri  (skaut)  sylghdr  bylgjur 

(lek  vid  htm  d  hreini  hlnnns  pat    er   drösir  spnunu). 

s.  Sn.  Edda  i  372,  1.  474,  2  und  Corp.  u  140  z.  49.  im  ersten 
heispiel  fällt  auf  den  zweiten  kurzvers  ein  wort,  welches  den 
oben  beschriebenen  nachdruck  hat ,  das  ist  ertu  als  schluss  eines 
Satzes,  s.  oben  1).  aber  nicht  dieses  sondern  hvatrddr  hat  den 
reim,  wozu  ertu  nicht  so  nahe  wie  eine  atlributivische  bestim- 
mung  gehört,  s.  oben  6).  —  im  zweiten  heispiel  fallen  auf  den 
zweiten  kurzvers  zwei  derartige  Wörter,  skaut  als  glied  eines  satzes 
vor  dem  glied  eines  anderen  satzes,  s.  oben  2),  bylgjur  als  schluss 
eines  satzes,  s.  oben  1).  letzteres  hat  zwar  reim,  ersteres  aber 
nicht,  also  der  schluss  der  parenthese  gilt  nicht  notwendig,  wie 
der  der  apostrophe,  als  ein  einschnitt,  der  durch  den  reim  be- 
zeichnet werden  muss.  ebenso  wenig  das  letzte  wort  des  nicht 
eingeklanuiierten  satzes  vor  dem  anfang  der  parenthese. 
Corp.  II  138  z.  41 
Eitm  vissa  ek  per  annan  Jdlks  briktöpud  glikan, 

(vilt  red  gumua  gwtir)  Gudbrandr  het  sd  (latida). 

s.  auch  Corp.  ii  132  z.  88.  134  z.  34.  Sn.  Edda  i  488,  3.    in  dem 


COnPLTS    POFTICUM    nOREAF.E  65 

vierteD  kurzvers  des  beispiels  sind  zwei  Wörter,  welche  sonst  den 
reim  tragen  müsten ,  sd  und  banda  als  satzschliisse;  aber  Godr- 
brandr  trägt  den  ersten  reim.  —  man  muss  sich  wo!  vorstellen 
dass  die  parenthese  wie  jetzt  mit  anderer  stimme  gesprochen 
wurde,  sie  war  ja  auch  als  besondere  salzgattung  bekannt,  wie 
der  name  stdl  zeigt.  —  doch  ist  diese  ausnahmsstellung  der  paren- 
thesen  facultativ,  dh.  die  in  den  ausgaben  eingeklammerten  sätze 
werden  sehr  häufig  wie  andere  sätze  nach  der  regel  behandelt. 
Ebenso  bilden  eine  ausnähme  versformen  wie  sextämncBlt; 
Sn.  Hattatal  str.  9.  Sn.  Edda  i  614,  Möbius  Hattatal  ii  7 
Vex  idn,  vellir  rodna,  verpi^  lind,  [mmu  snerpir, 

fcBsk  gagn,  fylkir  eignask,  fair  hUnar,  sedz  vitnir. 

s.  Sn.  Edda  i  506,  6.  verpr  lind,  primu  snerpir  versteifst  gegen 
die  regel,  da  von  den  zwei  satzschliissen  nur  einer  durch  den 
reim  ausgezeichnet  wird,  die  form  ist  selten  und  der  paren- 
these verwandt. 

Schwanken  herscht   auch   bezüglich   der  adverbien ,    indem 
ihre   nahe  beziehung  zum  verbum  gegen  den  oben  angegebenen 
gebrauch  mitunter  vernachlässigt  wird. 
Sn.  Edda  i  308,  2  (Corp.  ii  14  z.  20) 
En  af  hreidnm  biödi  bragdviss  at  pat  lagdi 

ösvifrandi  Äsa  upp  piörhlnti  pöra. 

So.  Edda  i  472,  1.  Corp.  ii  212  (xu) 

Örr  IcBtr  odda  skurar  opt  her  dir  giör  verda 

hrings,  ädr  hann  of  pryngvi,     liörd  et,  nnd  sik  iördu. 
in  beitlen  beispielen  sind,  wenn  man  die  beziehung  des  adverbs 
zu  dem  vorhergegangenen  verb  mitrechnet,  zwei  hervorzuhebende 
Wörter  (im  zweiten  keine  interpunction  nach  verda),  —  aber  das 
adverb  erhält  doch  keinen  reim. 

Es  werden  demnach  folgende  formen  von  langversen  vermieden 
—  ich  bezeichne  jedes  wort  mit  einem  buchstaben,  teile  attributivi- 
scher  und  anderer  naher  Verbindungen,  s.  oben  s.  61,  durch  den- 
selben, die  reime  durch  accente,  jede  art  interpunction  durch 
einen  punct  — :  a  b  c  d'  e.  f  oder  a  b  c  d.  e'  f,  oder  a  b  c  c  d'  e'  oder 
abc  d'be',  oder  abc  bd'e'.  beliebt  dagegen  sind:  abc  de'.f, 
a  b  c  d'.  e  f,  abc  c'  d  e',  abc  d  b'  e',  abc  b'  d  e'  usw. 

Es  ist  demnach  nicht  zu  billigen,  wenn  Sn.  Edda  i  250,  4 
(s.  Corp.  ir  23  z.  1)  nach  r  gedruckt  ist: 

Hoddmildum  ter  hildar  hugreifum  Oleifi, 

kann  vil  ek  at  gjöf  Grimnis,  ged,  Njardar  Id,  kvedja. 
wenn  man  den  satz  hann  vil  ek  at  giöf  Grimnis  kvedja  nicht  als 
parenthese  fasst,  so  sind  im  vierten  kurzvers  zwei  hervorzuhebende 
Worte,  zwei  satzschliisse.  das  zweite  hat  richtig  den  reim,  nicht 
so  das  erste  Id  oder  Niardarld  s.  6)  b).  es  ist  mit  ,den  übrigen 
hss.  zu  lesen  Hialdrgegnis  tel  ek  hildar  hugreifum  Oleifi,  hann 
vil  ek  at  giöf  Grimnis,  gedfiardar  Id,  kvedja,  der  beistrich  nach 
ged  ist  jedesfalls  unrichtig. 

A.  F.  D.  A.   XI.  5 


66  CORPUS  POETICUM  BOREALE 

Oder  Sn.  Edda  i  326,  1   (s.  Corp.  ii  167  z.  21) 
Fcerir  hiörn,  par  er  hära  brestr,  nndinna  festa, 

opt  i  u:Egis  kiopta  nt,  svöl  Gymis  völva. 

man  sollte  reim  auf «?  erwarten ,  obwol  er  nicht  unbedingt  nötig 
ist,  siehe  s.  65.    aber  es  ist  besser  mit  U  und  V.  ürsvöl  zu  lesen, 
auch  abgesehen  davon  wäre  der  beistrich  nach  nt  zu  tilgen. 
Sn.  Edda  i  326,  2  (s.  Corp.  n  167  z.  23) 
En  sjd  gnipu  sleipnir  slitr  ürdrifinn  hvitrar 

Ränar,  raudum  steint  runnit  brjöst,  or  innnni. 

1.  siägnipu  Sleipnir,  streiche  die  beistriche  in  der  zweiten  langzeile. 
in  der  zweiten  kurzzeile  ist  ein  hervorzuhebendes  wort  ürdrifinn, 
das  sleipnir  aufnimmt,  aber  slitr  und  hvitrar  haben  den  reim, 
1.  z.  t.  nach  U  und  757:  slitr  vindrifnum  hvitrar.  vindrifnum 
'durch  den  wind  aufgerissen'  ein  passendes  beiwort  zu  dem  nackten 
munni,  bei  Sleipnir  würkt  es  neben  siägnipu  tautologisch. 

Heimskriugla,  Olafs  saga  helga  c.  14  (s.  PMS  iv  52,  Corp.  ii 
126  z.  32) 

Sinn  mättut  hce  hanna,  borg  Kantara  ^sorgar 

mart  fekkst   prtuhmi  Partum     port,  greifar  Oleifi. 
Egilsson    construiert   zu    EMS  Greifar  mdtlot    banna  Oleifi   sinn 
bce,  Kantaraborg ;  priidum  Pörtnm  fekkst  mart  sorgar  port.    dann 
trüge  das  erste  hervorzuhebende  wort  des  vierten  kurzverses,  der 
satzschluss  por^,  keinen  reim,    lies  mit  EMS  und  Vigfusson  port- 
greifar  und  setze  komma  nach  Kantara  und  Pörtum. 
EMS  I  122  (Corp.  ii  45  z.  26) 
Hitt  var  auk  er  eykir  aurhordz  d  vit  nordan 

und  sigrunni  svinnoni  sunnr  Danmarkar  runno. 

das  adverb  sunnr  trägt  sehr  auffälliger  weise  den  ersten  reim, 
ohne  sich  auf  ein  vorhergegangenes  verb  zurückzubeziehen ,  und 
auch  dann  wäre  die  beziehung  keine  nahe,  während  Danmarkar, 
das  zu  d  vit  gehört,  ihn  entbehrt,  ich  vermute  Sunndanmarkar 
wie  Sunnmcßrr,  Sunnhördar. 

Die  bedeutung  der  parallelen  zwischen  erzählungen  der  helden- 
sage  und  der  isländischen  sagas  im  dritten  excurs  ii  501  ff 
(s.  I  565  f)  ist  verschieden,  höchstens  von  Grettir  und  Beowulf 
könnte  man  zugeben  dass  die  sage  von  dem  einen  auf  den  anderen 
übertragen  sei.  sonst  sind  es  nur  mehr  oder  minder  ähnliche 
motive,  die  in  deutscher  und  nordischer  Überlieferung  wider- 
kehren, und  selbst  das  nicht  immer,  die  parallelen  Thorsteinn 
in  der  VatnsdoL'la  und  Alboin  bei  Paulus  Diaconus  i  c.  2311,  Gunn- 
laugr  Schlangenzunge  und  Waltharius  werden  kaum  jemand  über- 
zeugen, die  ähnlichkeiten  liegen  inuiier  in  den  von  V.  ange- 
nommenen oder  wiirklichen  lücken  der  Überlieferung.  —  Guun- 
laugr  und  Ilrafn  kämpfen,  letzterer  ist  am  fufs  verwundet  und 
erschöpft  und  bittet  seinen  gegncr  ihm  einen  trunk  wasser  zu 
verschaffen,     aber  während    ihm  (iunnlaugr  den  mit  wasser   ge- 


CORPUS  POETICÜM  BOREALE  67 

füllten  heim  reicht,  schlagt  ihm  Hrafü  eine  tödliche  wunde,  nun 
berichtet  das  Chronicon  INovaliciense  ii  c.  9:  nach  dem  kämpf  mit 
Walther  sind  Günther  und  Hagen  sehr  ermüdet,  da  sehen  sie 
eine  Weinflasche  an  Wallhers  saumsattel.  hiermit  hi'icht  die  er- 
zählung  ab.  V.  vermutet  nun,  die  Walthersage  habe  hier  von 
einer  der  Hrafns  ähnlichen  hinterlist  Hagens  gewust.  aber  die 
sache  verhält  sich  wol  anders,  das  Chronicon  erzählt  bis  v.  577 
ziemlich  genau  und  mit  reichlichen  citaten  die  geschichle  Walthers 
nach  Eckeharts  gedieht,  von  da  ab  keine  citate  und  nur  ein 
auszug  der  erzählung,  wobei  es  nrcht  ohne  misverständnisse  und 
lücken  abgeht,  der  kämpf  Walthers  mit  Günther  und  Hagen  findet 
nicht  am  zweiten,  sondern  an  ersten  schlachttage  statt,  die  charac- 
teristischen  wunden  (v.  1364.  1382.  1393)  kommen  nicht  vor.  der 
schluss  ist  n  c.  9  s.  92:  Q^l^  (Günther  und  Hagen)  diu  multum- 
que  invicem  pugtiantes  ac  pre  nimia  lassüudine  et  siti  (Walther 
v.  1345)  deficientes  iam  nou  valebant  virorum  fortissimum  superare. 
Et  ecce  respicientes  viderunt  a  sagma  Waltharii  vasculum  vini  de- 
pendere.  das  nächste  capitel  benutzt  eine  andere  quelle  über 
Wallhers  leben.  —  aber  von  der  Weinflasche  an  Walthers  saum- 
sattel weifs  unser  Waltharius  nichts,  ich  vermute:  die  hs.  des 
Waltharius,  welche  der  chronist  vor  sich  hatte,  war  am  schluss 
verstümmelt  und  vorher  beschädigt  und  schwer  zu  lesen,  das 
letzte,  was  er  herausbrachte,  waren  die  verse  1401  — 1403: 
Postquam  finis  adest ,  insignia  quemque  notahant: 
lllic  Guntharii  regis  pes,  palma  iacebat 
Waltharii,  nee  non  tremnlus  Haganonis  ocellus. 
wenn  wir  uns  die  interpunclion  wegdenken  und  die  lesarten  von 
h  annehmen,  v.  1401  quaeque  statt  qnemque  (v.  1402  pes  regis 
statt  regis  pes),  v.  1403  hagononis  (oder  agononis)  statt  haganonis, 
so  konnte  ein  mehr  phantasievoller  als  gebildeter  beaibeiter  in- 
signia quaeque  notahant  Uli  lesen  und  verstehen  'sie  bemerkten  da 
alles  merkwürdige',  —  dann  salma  iacebat  Waltharii\h  lag  der  saum- 
sattel Walthers';  wenn  dann  folgte  nee  non  tremuV  agononis  ocel- 
lus, so  meinte  er  wol  noch  lagona  zu  erkennen,  eine  neben- 
form  für  lagena  wie  lagoena,  laguna.  wäre  das  folgende  in  seiner 
vorläge  noch  erhalten  gewesen,  so  hätte  er  die  flasche  wol  mit 
dem  fröhlichen  gelage  v.  1410  ff  in  Verbindung  gebracht. 

Zs.  17,  6  f  habe  ich  ein  par  beispiele  ähnlicher  benutzung 
von  misverständnissen  der  lateinischen  texte  zu  zwecken  poeti- 
scher ausführung  vermerkt,  ob  unser  chronist  bei  erwähnung 
der  Qasche  an  mehr  gedacht  hat  als  eben  an  die  flasche,  und  an 
was,  kann  niemand  sagen,  unmöglich  wäre  es  nicht  dass  er 
meinte,  es  solle  dadurch  eine  kriegslist  Günthers  und  Hagens  vor- 
bereitet werden,  jedesfalls  gehört  dann  dieser  unausgesprochene 
gedanke  ihm,  nicht  der  Walthersage  an. 

Wol  aber  zeigt  diese  beeinflussung  durch  die  erzählungen 
von  einem  anderen  nordischen  beiden,  durch  die  Starkadhssage. 

5* 


68  CORPUS    POETICUM    BORKALE 

schon  der  beiname  Wallhers  'niaaufortis'  bei  Eckehart  in  den  Casus 
SGalli  klingt  wie  eine  Übersetzung  von  Starhant;  vgl.  'forlis' 
in  den  versen  des  Chronicon,  die  der  zweiten  quelle  angehören, 
'wdaty',  'robustus'  bei  Boguphal.  —  ferner  Starkadhr  wie  Walther 
sind  berühmt  durch  ihre  grofsen  reisen,  Saxo  6.  8  buch,  — 
Waltharius,  die  reise  nach  und  von  dem  Hunnenland,  Chronicon 
II  c.  7  s.  85,  Thidhreks  saga  c.  242.  —  beide  kämpfen  siegreich 
gegen  viele,  Saxo  vi  s.  294,  —  Waltharius  v.  581  ff,  Thidhreks 
saga  c.  244.  —  beide  sind  unempfindlich  gegen  wunden,  Saxo  vi 
s.  294,  —  Waltharius  v.  1382  ff.  —  beide  werfen  mit  knochen 
nach  jenen,  die  sich  ihren  zorn  zugezogen  haben,  Saxo  vi  s.  302, 
—  Thidhreks  saga  c.  244.  ^  —  beide  hinterlassen  nach  einem  glück- 
lichen kämpf  den  abdruck  ihres  leibes  in  einem  stein,  Saxo  vi 
s.  294  (235),  —  Chronicon  ii  c.  12  s.  94  die  percussio  oder  ferita 
Walthari.  —  beide  brauchen  grobe  worte,  Saxo  vi  s.  287.  300. 
302  ff,  —  Chronicon  ii  c.  11  s.  94. 

Die  lästige  pädagogik  und  aufdringliche  barbarei  des  altnordi- 
schen turnvaters  linden  wir  allerdings  in  unserem  Waltharius  nicht, 
obwol  es  auffällt,  wenn  er  v.  282  die  geliebte  ermahnt:  Tu  tarnen 
interea  mediocriter  ntere  vino,  allerdings  in  bestimmter  absieht, 
deutlicher  ist  der  schlussvers,  welchen  die  hs.  h  hinzugesetzt  hat: 
Waltarius  clarus  virtutibus  at  vir  amarus.  das  weist  auf  eine 
andere  durch  Starkadhr  beeinflusste  Vorstellung,  die  im  Chronicon 
II  c.  7  s.  86  unverkennbar  ist:  die  gute  schul-  und  kirchen- 
zucht,  welche  er  nirgends  so  gefunden,  bestimmt  ihn  im  kloster 
Novalese  zu  bleiben. 

Vielleicht  darf  man  diese  daten  zu  folgender  Chronologie  ver- 
werten, das  gedieht  W^altbarius  aus  dem  10  jh.  zeigt  noch  keine 
beeinflussung  durch  die  dänische  sage  von  Starkadhr.  wol  aber  der 
beiname  'manufortis'  bei  Eckehart  iv  und  der  zusatz  der  hs.  h.  also 
im  beginn  des  lljhs.  wird  die  Starkadhssage  nach  Deutschland 
gekommen  sein  —  vgl.MüUenholf  Zs.  12,339,  Altertumskunde v  320 
— ,  mau  übertrug  züge  aus  ihr  auf  Waltharius,  der  mit  Starkadhr 
die  grofsen  reisen  und  den  siegreichen  kämpf  gegen  eine  mehrzahl 
von  gegnern  gemein  hatte,  schon  vor  1027  (s.  Bethmann  vor 
der  ausgäbe)  steht  die  neue  Vorstellung  von  Waltharius  im  Chro- 
nicon fest,  also  wahrscheinlich  auch  am  uordrande  der  alpen, 
während  die  sächsische  tradition  noch  im  12  jh.  die  alte  auffassung 
fast  unversehrt  erhalten  hat,  —  wol  nur  neben  der  uns  zufällig 
verlorenen  mit  dem  durch  das  Chronicon  vertretenen  typus.  dieses 
aber  hat  bekanntlich  die  person  und  geschichte  Walthers  auch 
mit  dementen  der  sage  vom  hl.  Wilhelm  ausgestattet,  das  mönchs- 
ieben Walthers  ist  einfach  aus  einer  chanson  de  geste  von  Guil- 
laume  au  court  nez  übertragen,  über  die  priorität  der  episode 
bei  diesem  s.  Jonckbloet  Guillaume  d'Orauge  2,  138  IT.  die  ver- 
anlassung   zu   dieser    Übertragung  liegt  otfenbar  in   der   beiden 

'  vgl.  den  l)attr  Thorsteins  uxafots  FMS  3,  105  ff. 


CORPUS    POKTICUM    BOREALE  69 

sagen  gemeinsamen  entführung  einer  princessin  aus  dem  heiden- 
lande  durch  einen  Aquitauier.i  ob  der  Moniage  Walters  iu 
Deutschland  oder  in  Italien  entstanden  ist,  bleibt  zweifelhaft. 
in  beiden  ländern  wäre  es  wol  die  älteste  einwürkung  franzö- 
sischer litteratur.  s.  meine  ausgäbe  Heinrichs  von  Melk  s.  vii, 
Rajna  Origini  dell'  epopea  francese  s.  456;  vgl.  Henning  Ni- 
belungenstudien s.  19  ff.  der  mönch  llsan,  Wolfdietrich  und 
Heime  (Thidhreks  saga  c.  429  ff)  im  kloster  zeigen  entferntere  Ver- 
wandtschaft mit  Waltharius  im  Chronicou  und  Guillaume  d'Orange. 

Der  vierte  excurs  ii  509  ff  ist  zum  teil  entstellt  durch 
Vorliebe  für  abenteuerliche  lesarten  und  gefährliche  etymologien, 
s.  510  mamninn  Ertham,  also  die  Holtzmannische  conjectur  statt 
in  commune  Nerthmn  Tacitus  Germ.  c.  40;  s.  Holtzmann  Altertümer 
1873  s.  254,  Mythologie  1874  s.  128, —  s.  511.514  Righ,  Rights 
bei  Jordanes,  also  Hoblers  genealogie:  Gmit,  Haimdal,  Rigis,  statt 
Gapt,  Hnlmnl,  Augis  Jord.  c.  14;  s.  MüUeuhoffs  index  zu  Mommsens 
ausgäbe,  —  s.  515  A7isis  für  Alcis  Tac.  Germ.  c.  43.2  —  vgl.  auch 
I  496  Tac.  Germ.  c.  46  scrita  gestant  von  den  Finnen,  statt  sciita 
gestant.  —  ganz  unglaublich  ist  auch  die  etymologie  von  Edda 
s.  514,  es  sei  erda,  ein  fremdwort  aus  dem  hochdeutschen,  kein 
wort  von  gotisch  aitkei  und  verwandtem. 

Doch  das  steht  nicht  in  näherem  Zusammenhang  mit  den 
eigentlichen  zielen  des  buchs. 

Wenn  mau  zusammenfasst,  so  muss  man  sagen,  V.  hat  durch 
seine  Sammlung  es  uns  erst  möglich  gemacht,  das  grofsartige 
und  reich  gegliederte  gebäude  der  altnordischen  poesie  zu  über- 
sehen, und  das  einzelne  in  seinem  Zusammenhang  mit  dem  vor- 
hergehenden und  nachfolgenden  zu  verstehen,  eine  fülle  von 
litterarhistorischen  problemen  bietet  sich  sofort  dar  mit  den  mittein 
zu  ihrer  lösung.  er  hat  aber  auch  selbst  die  erklärung  des  ganzen 
wie  des  einzelnen  durch  eindringende  Untersuchungen,  durch 
glückliche  besserungen  und  feinfühlige  Übersetzungen  mächtig 
gefördert,  ich  habe  ja  oben  fast  nur  von  dem  gesprochen,  was 
mir  verfehlt  schien,  das  schlimmste  ist  wol  dass  er  die  hand- 
schriftliche Überlieferung  nicht  vollständig  mitteilt,  so  bedeutet 
das  Corpus  poelicum  boreale  einen  gewaltigen  fortschritt  in  den 
Studien,  welche  die  altnordische  poesie  zum  gegenstände  haben, 
—  nur  leider  nicht,  was  man  erwarten  durfte,  deren  grundlage. 

*  schon  vor  jähren  hat  mir  ein  Student  diese  oder  eine  ähnliche  Ver- 
mutung mitgeteilt. 

2  eher  könnte  man  an  Jstis  (Mastis)  denken;  Ic  statt  st  verlesen? 
s.  MüUenhoff  Zs.  12,  347. 

Wien,  mai  1884.  Heinzel. 


70  LITZMANM    LISCOW 

Christian  Ludwig  Liscow  in  seiner  litterarischen  laufbahn  von  Berthold 
LiTZHANN.  Hamburg  und  Leipzig,  LVoss,  1883.  xii  und  155  ss. 
gr.  8".  —  4,50  m.* 

Litzmann  will  den  'lilterarischen  enlwicklungsgaog  L.s  so 
verfolgen  und  darstellen',  dass  er  dabei  'die  widerholung  von  be- 
kanntem vermeidet  wie  auch  alles  das  bei  seile  lässt,  was  mit 
L.s  beziehungen  zur  litteratur  nichts  zu  tun  hat.'  es  liefse  sich 
über  diese  propositio  rechten,  es  ist  mislich  dass  der  verf.  nicht 
den  ganzen  L.  zeigt;  für  seine  arbeit  mislich,  weil  er  doch  für 
die  Schilderung  des  Schriftstellers  L.  einige  lebensdaten  braucht, 
also  Stückwerk  gibt,  und  weil  er  zudem  biographische  einzel- 
heiten  aus  abgelegenen  und  zuvor  uueroffueten  quellen,  vorzüg- 
lich auch  aus  den  briefwechselu  Gottscheds  und  Hagedorns  neu 
erschliefst,  die  nun  beiwerk  sind;  mislich  aber  auch  für  die, 
weiche  sich  über  L.  unterrichten  lassen  wollen  und  nun  doch 
noch  die  zerstreuten  nachrichteu  aus  verschiedenen,  überdies  nicht 
leicht  zugänglichen  Schriften  zusammensuchen  müssen.  Litzmauns 
Selbstbeschränkung  ist  um  so  bedauerlicher,  als  man  nicht  wün- 
schen kann  dass  über  L.  noch  eiimial  ein  buch  geschrieben  werden 
soll,  der  verf.  selbst  warnt  bei  der  allgemeinen  characterislik  L.s 
in  der  vorrede  sehr  mit  recht  vor  Überschätzung  dieses  autors. 
wenn  er  trotzdem  im  verlaufe  seiner  schrift  da  und  dort  etwas 
zu  sehr  ins  loben  verfällt,  so  erklärt  sich  das  aus  dem  eifer,  den 
er  auf  die  Untersuchung  wendet,  gleich  der  erste  abschnitt,  noch 
mehr  der  zweite  gibt  Zeugnis  für  die  mühsame  gründlichkeit  der 
forschung. 

In  jenem  werden  hauptsächlich  L.s  Schriften  über  Manzels 
naturrechl  und  CULanges  pietismus  behandelt ,  ohne  zvveifel  die 
bedeutendsten  producte  L.s.  nach  des  verf.s  erneuter  Unter- 
suchung ist  die  Epistel  an  Lauge  sicher  eine  echte  schrift  L.s 
und  1730  entstanden,  er  stellt  sie  an  wert  noch  höher  als  die 
Anmerkungen  über  Manzels  abriss  eines  neuen  rechts  der  natur, 
während  ich  die  umgekehrte  rangordnung  für  richtiger  halte; 
jedesfalls  ist  L.  wenn  irgendwo  in  seinem  Anti-Manzel  mit  Les- 
sing vergleichbar,  nur  dass  er  auch  hier  wie  innuer  zu  spitz- 
ündig  ist  und  Lessings  kraft  vermissen  lässt.  die  eutslehungs- 
zeit  dieser  1735  erschieneneu  Streitschrift  setzt  L.  ins  jähr  1726; 
und  es  ist  glaubhaft  dass  er  damals  den  plan  dazu  gefasst.  ein 
ander  mal  sagt  L.  dass  er  seine  anmerkungen  zu  Manzels  natur- 
rechl 1729  aufgezeichnet  habe  und  Litzinann  hält  demnach  diese 
für  die  ersllingsschrift  L.s.  ich  habe  bedenken  dagegen,  in  der 
Epistel  an  Lange  (1730),  den  Anmerkungen  über  die  geschichte 
Jerusalems  (märz  1732),  der  Vitrea  fracta  (c.  april  1732),  dem 
Briontes  (ocL  1732),   der  Stand-    oder   antrittsrede   (märz  1733) 

[*  vgl.  Gott.  gel.  anz.  1884  nr  4  (JMinor).  —  Akadeni.  biälter  i  171  f 
(LGeiger).  —  Litt,  centralbl.  1884  nr  i;5.  —  DLZ  1884  nr23  (liSchniidl). — 
Arch.  f.  litleraturgesch.  xu  51)211' (FMuncker).] 


LiTZMAiMv  Lrsr.ow  71 

und  den  Sottises  champetres  (märz  1733)  werden  nur  citate  aus 
römischen  und  wenigen  griechischen  auloreu  eingemischt  (Bayle 
und  Boileau  werden  Sammlung  s.  13  und  77  nur  flüchtig  ge- 
nannt), in  dem  Sich  seihst  entdeckenden  XYZ  (zwar  sept.  1732 
geschrieben,  aber  erst  sept.  1733  gedruckt)  treten  französische 
schriftstellen  dazu;  und  diese  mischung  bleibt  in  allen  folgenden 
Schriften  aufser  im  Bericht  eines  arztes,  wo  die  maske  das  ei- 
tleren verbietet  (nur  in  die  vorrede  sind  zwei  lateinische  citate 
eingestreut),  in  der  Vortrefllichkeit  der  elenden  scribeuten  (1734) 
wird  zum  ersten  male,  wenn  ich  nichts  übersehen  habe,  Mon- 
taigne citiert;  derselbe  auch  im  Anti-Manzel;  hier  ist  zum  ersten 
male  Le  Pays  genannt,  den  auch  die  vorrede  der  Sammlung  (1739) 
erwähnt,  wäre  nun  die  schrift  gegen  Manzel  1729  verfasst,  so 
würde  die  auffallende,  bei  der  manier  L.s  aus  dem  Stoffe  der 
einzelnen  satiren  nicht  erklärbare  erscheinung  zu  tage  treten,  dass 
der  Verf.,  der  so  gerne  citiert,  in  den  sechs  zunächst  edierten 
stücken  3  jähre  lang  die  Franzosen  vergisst  und  erst  1733  auf 
sie  zurückkommt;  das  ist  nicht  unmöglich,  aber  auch  nicht  wahr- 
scheinlich, nehme  ich  dazu  die  für  L.  ungewöhnliche  kürze  und 
prägnanz  der  schrift  gegen  Manzel,  die  auch  Litzmauu  als  auf- 
fällig für  ein  erstlingswerk  bezeichnet,  so  möchte  ich  glauben 
dass  dies  1726  vorübergehend  geplante  werk  1729  zwar  ent- 
worfen, aber  erst  1735  so  ausgearbeitet  wurde,  wie  es  in  druck 
kam.  wer  zudem  das  ziemlich  stetige  wachsen  der  zahl  der  citate 
beobachtet,  findet  dass  die  Schriften  von  den  elenden  scribenteu 
und  gegen  Manzel  die  meisten  enthalten;  auch  dadurch  wird  ihre 
nachbarliche  abfassung  wahrscheinlich,  beide  Schriften  sind  theo- 
retische abhandlungen,  ohne  dass  ein  künstlerisches  motiv  zu 
gründe  liegt,  und  so  bin  ich  im  gegensatze  zu  Litzmann  der 
meinung,  dass  L.  als  parodist  begann  und  als  ernsthafter  Schrift- 
steller seine  laufbahn  beschloss.  die  ironischen  Wendungen  gegen 
das  ende  des  Anti-Manzel  wären  sonach  nicht  Vorläufer  seiner 
hauptmanier,  wie  Litzmann  annimmt,  sondern  nachklänge. 

Aus  dieser  ganzen  beobachtung  glaube  ich  ferner  auf  die 
historische  ausdehnung  der  lectüre  L.s  schliefsen  zu  dürfen,  dass 
er  die  ersten  verse  aus  Boileau  als  motto  zu  dem  Sich  selbst 
entdeckenden  XYZ  bringt  —  und  ich  vermute  dass  die  Boileau- 
citate  erst  im  sommer  1733  eingeflickt  sind  —  ist  der  beachtung 
nicht  unwert,  weil  Litzmann  s.  7311  die  bisher  nicht  genug  be- 
achtete beeinflussung  L.s  durch  Boileau  erörtert. 

Er  weist  diesem  geradezu  die  erste  stelle  unter  den  auf 
L.  würkenden  autoreu  an  und  bekämpft  die  verbreitete  ansieht, 
L.  sei  ein  nachahmer  des  Swift,  widerholt,  indem  er  grofses  ge- 
wicht darauf  legt  (s.  13),  dass  L.  den  englischen  Satiriker  nur 
einmal  angeführt  habe,  lediglich  den  einfluss  Swifts  auf  das 
kostüm  der  Vitrea  fracta  will  er  nicht  läugnen;  darüber  hinaus 
aber   erstrecke    sich   die   einwürkuug  Swifts  nicht;    der   grund- 


72  LITZMANN    LISCOW 

character  beider  und  die  ziele  ihrer  satire  seien  vielmehr  einander 
fast  entgegengesetzt  (s.  46).  wenn  auch  Litzmanu  au  anderer 
stelle  (s.  74)  allgemein  die  formale  beeiuÜussung  L.s  durch  Swift, 
Arbutbnot  und  Pope  zugesteht,  so  bleibt  doch  die  einschräukung 
derselben  viel  zu  eng. 

Von  Hagedorn  und  anderen  kritikern  der  L. sehen  schritten 
wurde  widerholt  die  iüinlichkeit  derselben  mit  Swiftischen  be- 
hauptet und  L.s  bruder  hatte  interesse  für  Swift  (Litzmann 
s.  151);  so  scheint  es  mir  unglaublich  dass  L.  sich  dem  gemein- 
samen hinweise  seiner  litterarischeu  freunde  sollte  entzogen  haben, 
ich  erwäge  dazu  dass  beide  Satiriker  von  der  theologie  ausgiengen, 
in  ihr  nicht  befriedigung  fanden  und  antikirchliche  Schriften  ver- 
fassten.  das  muste  bei  L.  das  gefühl  geistiger  Verwandtschaft 
hervorrufen,  und  in  der  tat  hat  L.  mancherlei  von  Swift  ent- 
nommen, die  Anmerkungen  über  die  geschichte  Jerusalems  er- 
innern an  den  Virgilius  restauratus  des  Martinus  Scriblerus  Swifts 
und  seiner  freunde,  von  eben  derselben  Narrative  of  dr  Robert 
Norris  concerning  the  frenzy  of  mr.  John  Dennis  konnte  L.  das 
motiv  des  besuches  eines  arztes  für  seinen  Glaubwürdigen  be- 
richt  eines  medici  lernen,  ebenso  die  idee,  den  lebenden  Phi- 
lippi  widerhoit  tot  zu  sagen,  aus  The  accomplishment  of  the 
first  of  mr.  ßickerstaffs  prediction  und  The  vindication  of  Isaak 
Bickerstaff.  lässt  L.  den  sterbenden  gegner  seine  Sünden  be- 
kennen, so  ist  das  vorbild  dazu  in  der  ersteren  dieser  Schriften 
und  ferner  in  An  account  of  the  revenge  by  poison  on  the  body 
of  mr.  Edmund  Curll.  sonderbar  ist  dass  nach  einer  anecdote 
L.  den  hier  erzählten  Vorgang  an  seinem  eigenen  leibe  erfahren 
haben  soll,  die  angriffe  L.s  auf  die  academie  erinnern  an  den 
besuch  Gullivers  in  der  grofsen  academie  zu  Lagado  (p.3  chap.  5  ff), 
schreibt  Swift:  'Squire  Bickerstaff  delecled,  so  bildet  L.  den 
titel  nach  in  dem  Sich  selbst  entdeckenden  XYZ  usf.  auch  all- 
gemeinere Züge  teilt  die  schriftstellerei  beider:  das  persönliche 
der  angriffe,  die  widerholung  der  Verfolgungen  desselben  gegners, 
die  form  des  briefes,  die  fiction,  man  schreibe  auf  den  wünsch 
eines  hohen  herrn,  die  vorauslellung  von  motti  usw.  um  eine 
erschöpfende  parallele  ist  es  mir  nicht  zu  tun;  so  viel  steht  fest 
dass  L.  von  dem  viel  bedeutenderen  und  gewis  auch  vielfach  ihm 
unähnlichen  Swift  nicht  nur  einmal  und  nicht  nur  im  formalen 
gelernt  hat.  in  dieser  anlehuung  an  Swift  liegt  so  ziemlich  alles, 
was  an  L.s  satiren  künstlerisch  ist.  nimmt  man  dazu  Litzmanns 
beobachtung  (s.  33f),  dass  L.  seine  eigentliche  mauier,  die  maske 
des  gegners  vorzunehmen  und  diesen  dabei  ad  absurdum  zu  führen, 
von  einer  englischen  schrift  absah,  so  zeigt  sich  dass  er  in  erster 
linic  ein  schüler  der  Engländer  ist. 

Boileau  dagegen  lehrte  ihn  nicht  sovvol  die  art  zu  satiri- 
sieren als  die  aufgäbe  der  satire,  ihre  berechligung  und  ihre 
gränzen.    an  dem  satze  Boileaus:    'La  satire  ne  sert  qu'h  rendre 


LITZMA>.\    LISCOW  73 

un  fat  illustre'  hält  er  ebenso  wie  BMencke  nur  zu  strenge  fest, 
aber  darum  zu  behaupten,  L.  stehe  seiner  ganzen  weltauffassung 
nach  vollständig  unter  der  herschaft  Boileaus,  sei  eine  copie 
desselben  (Litzmann  s.  74),  ist  eine  starke  Übertreibung,  die  ab- 
hängigkeit  von  Boileau  ist  nicht  viel  gröfser  als  die  von  Cicero. 
Litzmanu  selbst  macht  darauf  aufmerksam  dass  L.s  theorie  über 
die  materies  ridiculorum  mit  Cicero  übereinstimmt,  überhaupt 
ist  das  häufige  eitleren  Ciceros  auffällig;  nur  Horaz  wird  ähn- 
lich oft  erwähnt;  dann  in  minderer  zahl  Virgil  und  Seneca;  aber 
alle  diese  sind  häufiger  genannt  als  ßoileau  und  neben  ihnen 
noch  viele  andere  römische  dichter,  widerholt  zb.  Juvenal  und 
Persius.  es  verdient  diese  classische  bildung  wol  eine  erwähnung, 
weil  gerade  mit  diesen  classischen  citaten  eine  art  von  witz  er- 
zielt wird,  den  auch  die  humanisten  übten. 

Litzmanns  Untersuchungen  gelten  fast  ausschliefslich  dem 
Inhalte  und  der  allgemeinen  composition  der  stücke,  gründlich 
erörtert  er  die  Stellung  L.s  zu  seinen  Stoffen,  die  personeu, 
welche  verspottet  werden,  characterisiert  der  verf.  und  legt  den 
äufseren  anlass  und  die  art  der  angriffe  dar.  die  ausführungen 
in  dieser  richtung  scheinen  mir  durchaus  richtig  und  abschliefsend. 
die  anorduung  allerdings,  besonders  der  Streitschriften  gegen 
Philippi,  ist  nicht  sehr  übersichtlich  geraten  und  manches  wird 
nur  dem  völlig  verständlich  sein ,  der  L.s  Schriften  genau  kennt, 
auch  stellen  sich  die  zusammenfassenden  urteile  über  die  einzelnen 
Satiren  etwas  schematisch  und  superlativisch  ein.  s.  14  heifst 
es  von  der  Epistel  an  Lange,  sie  werde  an  lebendigkeit  der  dar- 
stellung,  schärfe  der  begrilTsentwicklung,  geschlosseuheit  der  com- 
position, witz  und  laune  von  keiner  anderen  schrift  L.s  über- 
troffeu.  s.  43  die  vorrede  zu  den  Anmerkungen  über  die  ge- 
schichte  Jerusalems  gehöre  nach  der  formalen  seite  mit  zu  dem 
besten,  was  L.  geschrieben,  man  bedauere  nur  dass  so  viel 
geist  und  witz  an  einen  so  nichtigen  gegenständ  verschwendet 
werde,  s.  58  die  Unparteiische  Untersuchung  gehöre  zwar  dem 
gedankengehalte  nach  zu  L.s  besten  Schriften,  dagegen  in  der 
composition  zu  den  schwächsten,  s.  69  f  diese  schrift  müsse, 
was  die  ästhetische  form  anbetrifft,  zu  L.s  schwächsten  pro- 
ducten  gezählt  werden ,  wenn  aber  der  inhalt  allein  in  frage 
komme,  so  sei  sie  geradezu  als  epochemachend  zu  bezeichnen. 
s.  82  f  der  zweite  teil  dieser  schrift  sei  ein  kleines  meisterstück 
feiner  Ironie,  wer  überhaupt  sinn  für  humor  habe,  könne  sich 
dem  reize  der  Situation  nicht  entziehen,  s.  65  sicher  gehöre  die 
Stand-  oder  antrittsrede  zu  dem  witzigsten,  was  L.  je  ge- 
schrieben habe;  ohne  die  breite  wäre  sie  ein  meisterstück  iro- 
nischer Satire,  über  den  meines  erachtens  rohen  Bericht  eines 
medici  sagt  Litzmann  s.  88  f,  es  zeichne  ihn  gedrängte  darstellung 
und  unwiderstehlich  packende  laune  vorteilhaft  vor  manchen 
früheren  Schriften  L.s  aus,  und  er  übe  von  allen  L. sehen  satiren 


74  LITZMANN    LISCOW 

noch  heute  wegen  der  drastik  der  Situation  den  unwidersteh- 
lichsten lachreiz  aus.  ich  verkenne  nicht  dass  die  eintönigkeit 
des  L.schen  witzes  die  gleichförmigkeit  der  urteile  veranlasst  hat; 
für  den  leser  des  huches  aber  hat  sie  etwas  verwirrendes  und  in 
ihrem  starken  lobe  auch  etwas  verwunderliches,  da  doch  Litz- 
maun  selbst  im  allgemeinen  gegen  eine  Überschätzung  L.s  ein- 
spräche erhebt. 

Am  schlechtesten  und  kürzesten  kommt  L.s  verbreitetste 
schrift  weg,  die  Weitschweifigkeit  der  abhandlung  Von  den  elen- 
den scribenteu  ist  unläugbar  und  wenn  man  ermüdet  von  L.s 
älteren  Spottschriften  an  diese  herantritt  und  im  ganzen  und  ein- 
zelnen keiner  neuen  auffassung  begegnet,  weil  hier  die  realisti- 
schen Züge  persönlicher  angriffe  fehlen,  so  wird  allerdings  kein 
besonderes  gefallen  erweckt,  aber  es  ist  doch  ein  fortschritt,  dass 
L.  hier  sich  des  persönlichen  fast  ganz  enthält;  'er  zieht  gewisser 
mafsen  die  summe  seiner  bisherigen  erfahruugen  auf  litterari- 
schem gebiete'  (Litzmann  s.  97)  und  schält  aus  dem,  was  er  ver- 
einzelt beobachtet  hat,  das  gemeingiltige  heraus,  so  entsteht  ein 
gesammtbild ,  dessen  striche  zwar  weniger  scharf  sind  als  die 
der  caricaturen,  aber  doch  den  Zeitgenossen  —  und  die  haben 
in  dem  falle  das  sicherste  urteil  —  tretfend  erschienen,  ist  also 
auch  diese  schrift  für  L.,  der  es  besser  verstand  sich  mit  6inem 
persönlichen  gegner  herum  zu  beifsen,  nicht  so  characteristisch 
wie  die  älteren,  so  steht  sie  doch  als  satire  höher  als  die  pamphlete. 
in  einem  betracht  ist  sie  aber  doch  auch  recht  bezeichnend  für 
ihren  verf.  ausführlich  behandelt  er  auf  50ss.  die  den  elenden  scri- 
benten  eigene  Unvernunft,  kurz  auf  9ss.  die  Unordnung,  noch  kürzer 
und  am  schwächsten  auf  5ss.  die  unzierlicbkeit  ihrer  Schreibart;  L.s 
kritik  geht  allemal  mehr  auf  den  geistigen  inhalt  als  auf  die  form. 

Am  Schlüsse  des  zweiten  abschnittes  und  im  dritten  erweist 
Litzmann  an  Streitschriften,  an  den  äufserst  seltenen  Neufränki- 
schen Zeitungen  aus  Gottscheds  lager  und  an  Hamburgischen  Jour- 
nalen —  Zeitschriften,  über  deren  äufsere  geschichte  und  innere 
richtung  lehrreicher  aufschluss  gegeben  wird  — ,  wie  eifrig  L.s 
manier  nachgeahmt  wurde,  es  wäre  lohnend,  diesen  weg  weiter 
zu  verfolgen,  nachdem  L.  selbst  seine  feder  in  den  dienst  der 
gegner  Gottscheds  gestellt  hatte,  worüber  die  quellenmäfsigeu 
mitteilungeu  Litzmaniis  über  sein  Verhältnis  zu  Gottsched,  König, 
Rost  (im  4  abschnitt,  im  anhang  und  sonst)  neues  licht  verbreiten, 
schreibt  Pyra,  mit  dem  L.  die  beschäftigung  mit  Virgil  und  die 
ablehnung  des  reimes  (Sammlung  s.  175)  teilt,  seinen  Erweis 
sicherlich  unter  L.s  einfluss.  Pyra  sagt  in  diesem  Sendschreiben 
s.  i :  ich  habe  Ihr  schriftchen  und  damit  das  recht,  Ihnen  meine 
gedanken  zu  sagen  gekauft,  weil  L.  ihm  vurgebetet  hat  (Samm- 
lung s.  238):  wann  ich  ein  buch  kaufe,  so  erkaufe  ich  zugleich 
das  recht,  davon  zu  sagen,  was  ich  will,  und  auf  L.,  nicht  auf 
Loheuslein,   wie  VVaniek  s.  9  meint,  geht  Pyras  stil  zurück,    über- 


LITZMANN    LISCOW  75 

haupt  wurde  der  ganze  streit  zwischen  Leipzig  und  Zürich  von 
beiden  seiten  vielfach  mit  L.schen  waffeu  geführt;  mit  bewuster 
absichllichkeit  wurde  eine  reihe  der  L.schen  motive  ausgenützt, 
darin  sehe  ich  den  grund,  warum  L.s  Schriften  selbst  eine  weitere 
rolle  nicht  spielten,  nicht  in  L.s  abhäugigkeit  von  ßoileau  (Litz- 
mann s.  74).  L.s  gegner  konnten  auf  die  dauer  nicht  interes- 
sieren und  seine  manier  fand  man  in  jüngeren  Schriften  wider, 
deren  gegenständ  der  herschenden  generation  wichtiger  war.  auch 
als  dieser  streit  endlich  sich  legte,  ward  L.  und  seine  kampfweise 
nicht  vergessen.  Riedel  hat  seine  satire  (zb.  Der  sich  selbst  ent- 
larvende schutzverwandte,  Briontes  der  dritte)  an  L.  geschult  und 
besafs  Verehrung  genug  für  seinen  meister,  eine  biographie  des- 
selben zu  planen  (Über  das  publikum  1768  s.  1211".  vgl.  163  f). 
wie  andere  streitlustige  Zeitgenossen  an  L.  anknüpfen ,  zeigt  die 
Bibliothek  elender  scribenten  von  1768.  Wieland  möchte  L.  von 
den  toten  auferwecken  (1772  Ausgew.  briefe  m  121  und  1773 
Allg.  Ztg.  1878  beil.  nr  211),  vielleicht  durch  das  2  stück  des  Unzer- 
Mauvillonschen  briefwechsels  Über  den  wert  einiger  deutscher 
dichter  1772  an  ihn  erinnert,  aus  den  80er  jähren  führt  Litz- 
mann (s.  ix)  einige  enthusiastische  äufserungen  über  L.  an.  vgl. 
auch  LMeister  in  den  Schriften  der  kfstl.  d.  gesellschaft  in 
Mannheim  1787  n  227  ff.  1795  bedauert  Herder  den  Verlust 
der  besten  Sachen  L.s  (Böttiger  Litt,  zustände  und  zeilgenossen 
I  119.  der  sachliche  inhalt  der  stelle  geht  vvol  auf  Schubarts 
Leben  und  gesinnungen  zurück),  ein  jähr  zuvor  erneuert  StoU 
L.s  Lob  der  schlechten  Schriftsteller.  1803  leitet  Pott  den 
druck  der  Epistel  an  Lange  mit  der  behauptung  ein,  jeder 
freund  der  deutschen  litleratur  kenne  den  namen  L.s.  1806 
folgt  Müchlers  ausgäbe  der  werke  L.s,  und  dass  sie  gelesen  wurde, 
mag  zb.  die  nennung  des  verf.s  im  Morgenblatt  1808  nr  57  be- 
weisen, so  lässt  sich  schon  an  diesen  gelegentlich  aufgerafl'ten 
wenigen  Zeugnissen  L.s  nachwürken  und  andenken  ohne  Unter- 
brechung durch  Jahrzehnte  verfolgen,  ins  volk  freilich  konnte  die 
hlterarische  klopffechterei  L.s  nicht  dringen ;  aber  die  gelehrte 
weit,  für  die  allein  L.  schrieb,  vergafs  den  scharfen  kämpen  nicht. 
Ob  man  ihm  heute  die  ehre  einer  kritischen  ausgäbe,  die 
Litzmann  plant,  erweisen  soll? es  gibt  deutsche  Schrift- 
steller genug,  die  einer  solchen  würdiger  wären,  jedesfalls 
wird  man  dankbar  die  nachweise  über  Veränderungen  in  L.s  stil 
und  über  dessen  beitrage  zu  Hamburgischen  Zeitungen  und  zu 
den  Dresdner  nachrichten ,  die  Litzmann  verheilst,  aufnehmen, 
allgemeines  Interesse  erregt  endlich  das  versprechen  der  heraus- 
gäbe von  Hagedorns  briefen.  ich  kann  den  wünsch  nicht  unter- 
drücken, dass  Litzmann  und  Hermann  Schuster,  der  in  seiner 
dissertation  über  Hagedorn  1882  gleichfalls  briefpublicationen  in 
nahe  aussieht  stellte,  sich  zu  gemeinsamer  arbeit  verbinden  mögen. 
Würzburi?.  Berinuakd  Seuffert. 


76  TOBLER    SCHWEIZERISCHE    VOLKSLIEDER 

Schweizerische  vollislieder.  mit  einleitunj  und  anmerkungen  herausgegeben 
von  dr  Ludwig  ToBLER.  Bibliothek  älterer  Schriftwerke  der  deutschen 
Schweiz  iv.    Frauenfeld,  JHuber,  1882.    cli  und  234  ss.    S".  —  5  m.* 

LTobler  bietet  uns  in  seinen  Schweizerischen  Volksliedern 
eine  auswahl  sowol  schon  gedruckter,  als  bisher  ungedruckter 
Volkslieder,  die  mehrzahl  der  schon  gedruckten  sind  solche,  die 
bisher  in  zahlreichen  zum  teil ,  besonders  aufserhalb  der  Schweiz, 
schwer  zugänglichen  büchern  und  Zeitschriften  zerstreut  und  des- 
halb wenig  bekannt  waren,  aus  bekannten,  jedermann  leicht  zu- 
gänglichen liedersammlungen  sind  nur  einige  lieder  hier  wider  ab- 
gedruckt, bei  denen  besondere  bemerkungen  oder  textänderungen 
anzubringen  waren,  die  mitgeteilten  bisher  ungedruckten  lieder 
sind  teils  älteren,  handschriftlichen  Sammlungen  entnommen,  teils 
erst  in  neuerer  zeit  aus  dem  volksmund  aufgezeichnet  worden, 
die  lieder  sind  in  'historische'  und  in  'allgemeine'  eingeteilt,  die 
'allgemeinen'  wider  in  'geistliche'  und  'weltliche',  und  letztere  in 
'epische'  und  'lyrische',  denen  sich  dann  noch  als  'anhang'  einige 
gebete,  alpsegen,  nachtwächterrufe  und  reimsprüche  anschliefsen. 
aufser  diesen  mit  sprachlichen  und  sachlichen  anmerkungen  reich 
ausgestatteten  'texten'  (s.  1 — 218)  enthält  das  buch  aber  noch 
eine  'eiuleitung'  (s.  i — cli),  die  in  folgende  abschnitte  zerfällt: 
'historische  Volkslieder,  begriff  und  quellen  derselben; 
grundsätze  der  auswahl  und  behandlung.  chronologisches  Ver- 
zeichnis, allgemeine  Volkslieder,  eiuleitung:  i.  alter  und 
Verbreitung,  ii.  sprachform.  ui.  metrische  formen,  iv.  quellen  und 
bisherige  Sammlungen,  v.  auswahl,  behandlung  und  anordnung 
der  texte,  übersieht:  i.  geistliche  lieder.  A.  epische.  B.  lyrische. 
II.  weltliche  lieder.  A.  epische.  B.  lyrische.  1.  liebe  und  kiltgang. 
2.  hausrat  und  hochzeit.  3.  stände.  4.  sitte  und  geselligkeit;  jahres- 
zeitfeste; tierleben,  anhang.  Verzeichnis  (1)  der  in  der  eiuleitung 
angeführten ,  aber  nicht  in  die  texte  aufgenommenen  allgemeinen 
Volkslieder,  welche  in  der  Schweiz  verbreitet,  aber  meistens  be- 
reits aus  anderen  Sammlungen  bekannt  sind.  Verzeichnis  (2) 
einiger  in  der  eiuleitung  vorkommender,  in  der  inhaltsübersicht 
nicht  angegebener  gegenstände  von  allgemein  lilterarhistorischer 
bedeutuug.'  diese  einleituug  ist  ebenso  wichtig  und  interessant 
als  es  die  texte  sind,  insbesondere  die  übersieht  der  lieder,  welche 
nicht  nur  die  in  der  Sammlung  gedruckten,  sondern  überhaupt 
alle  dem  verf.  bekannten  gedruckten  und  ungedruckten  umfasst. 
beim  lesen  dieser  übersieht  bedauert  man  dass  der  verf.  von 
den  ihm  bekannten,  —  anderwärts  gedruckten  oder  auch  noch 
ungedrucklen  —  liedern  nicht  noch  mehr  in  seine  Sammlung 
aufgenommen  hat.  er  sagt  selbst  s.  x  f:  'ich  bin  auf  den 
Vorwurf  gefasst,  dass  ich  mehr  oder  gar  alles  vorhandene  hätte 
geben    sollen,     sollte  das    begehren  danach  würklich    in  weitem 

[*  vgl.  AUg.  Zeitung  1882  nr  353  beilege.  —  DLZ  1883  nr  11  (MHeyne).] 


TOP.LER    SCHWEIZERISCHE    VOLKSIJEDER  77 

kreisen  laut  werden  und  sollte  —  was  ich  jetzt  noch  nicht  zu 
zu  hoffen  wage  —  trotz  der  uuvollstäudigkeit  des  jetzt  gegebenen 
eine  zweite  aufläge  nötig  werden,  so  könnte  jener  wünsch  er- 
füllung  finden,  indem  dann  die  einleitungen  weggelassen  oder 
verkürzt  und  dafür  mehr  texte  aufgenommen  würden.'  wir  wün- 
schen lebhaft  dass  eine  zweite  aufläge  nötig  werde  und  dass  dann 
die  texte  beträchtlich  vermehrt  werden  mögen,  wir  möchten  dem 
herrn  herausgeber  für  eine  zweite  aufläge  aber  auch  empfehlen, 
der  nachweisung  und  vergleichuug  der  nicht  schweizerischen  Va- 
rianten zu  seinen  texten  gröfsere  aufmerksamkeit  zuzuwenden 
und  deshalb  die  gesammte  deutsche  volksliederlitteratur  daraufhin 
gründlich  durchzugehen,  in  der  gegenwärtigen  aufläge  hat  er 
sich,  wie  er  selbst  s.  lxxxix  gesteht,  fast  nur  auf  vergleichung 
und  citierung  der  bekannten  Mittlerschen  Sammlung  l)eschränkt, 
'welche  ihrerseits  die  meisten  anderen  Sammlungen  citatweise  in 
sich  aufgenommen  hat.'  Mittlers  buch  ist  aber  1855  erschienen, 
und  sind  nicht  seitdem  zahlreiche  neue  und  wertvolle  liedertexte 
veröffentlicht  worden?  übrigens  hätte  herr  T.  Mittlers  Sammlung 
auch  noch  öfter  zur  vergleichung  heranziehen  können. 

Es  sei  mir  nun  gestattet,  zu  einer  anzahl  der  allgemeinen 
(dh.  nicht  historischen)  lieder  nachweise  anderer  texte  und  Varian- 
ten, die  jedoch  keinen  anspruch  auf  Vollständigkeit  machen,  und 
einige  andere  anmerkungen  hier  mitzuteilen. 

S.  74  nr  1.  in  mitten  der  nacht,  vgl.  HPfannenschmid, 
Weihnachts-,  neujahrs-  und  dreikönigslieder  aus  dem  Ober-Elsass, 
Colmar  1884,  s.  5  —  7,  und  WPailler,  Weihnachtslieder  und 
krippenspiele  aus  Oberösterreich  und  Tirol ,  1  bd.,  Innsbruck 
1881,   nr  145,  und  die  nachweise  in  der  anmerkung. 

S.  77  nr  3.  reich  und  arm  soll  fröhlich  sein.  vgl.  Pailler  i 
nr  84,  und  die  anmerkung. 

S.  81  nr  5.  ich  lag  in  einer  nacht  und  schlief,  vgl.  von  Dit- 
furth,  Fränkische  Volkslieder  i  nr  15,  Pailler  i  nr  308,  und  die 
nachweise  in  der  anmerkung,  Pfannenschmid  s.  20. 

S.  86  nr  8.  Lazarus  und  seine  schioestern.  vgl.  APaudler, 
Nordböhmische  Volkslieder,  B.-Leipa  1877,  nr  1,  und  APeter, 
Volkstümliches  aus  Österreichisch -Schlesien  i  353. 

S.  88  nr  9.  Regina,  vgl.  Meier,  Schwäbische  Volkslieder 
nr208  (Regina  ging  in  garten),  KJSchröer,  Wörterbuch  der  mund- 
art  von  Gottschee  s,  193  (Wan  dort  da  stet  oin  gartle,  mit  roasen 
ists  angesdn  —  str.  6:  Main  name  der  hoifset  Regina),  ASchlos- 
sar,  Deutsche  Volkslieder  aus  Steiermark  nr  308  (Eine  Jungfrau 
ging  in  garten)  und  CMündel,  Elsässische  Volkslieder  nr  22  (Chri- 
stina ging  im  garten).  Uhland  s.  1037  bemerkt  zu  dem  verwandten 
lied  von  der  Jungfrau  und  Jesus,  dem  'plümelmacher',  (nr  331): 
'vgl.  lied  "Von  der  h.  jungfrawen  Regina  usw."  fl.  bl.  München 
bei  Anna  Bergin  1619,  auch  in  (Auerbachers)  Anthologie  deutscher 
katholischer  gesänge  aus  älterer  zeit,  Laudshut  1831,  s.  219.' 


78  TOBLER    SCHWEIZERISCHE    VOLKSLIEDER 

S.90  nrlO.  die  heilige  Tnr'tiUa.  in  den  'nachtragen'  (s.  228) 
bemerkt  der  hg.  dazu:  'Turtilla  ist  mundartliche  entstelhing  von 
Ottilia.  mit  diesem  namen  ist  das  lied  in  Schwaben  bekannt. 
s.  Schwab.  Volkslieder,  Freiburg  i,  B.  1864,  s.  50.'  nicht  nur 
in  Schwaben,  sondern  auch  am  Rhein  und  in  Franken,  s.  die 
nachweise  bei  GScherer,  Jungbrunnen  zu  nr  53.  ich  erinnere 
auch  an  einen  segensspruch  bei  FWSchuster,  Siebenbürgisch- 
sächsische  Volkslieder  usw.  s.  311,  der  beginnt:  Duidelgh  die 
ward  blind  geboren. 

S.  92  nr  11.  's  will  eine  Jungfrau  reise,  vgl.  Meier  ur  199: 
Es  wolle  eine  Jungfrau  xcandern. 

S.  102  nr  10.  Tannhäuser,  vgl.  auch  ABaumgarten,  Aus 
der  volksmäfsigen  Überlieferung  der  beimat  ix  (Linzer  museal- 
jahrcsbericht  xxix)  150,  Pogatschnigg  und  EHerrmann,  Deutsche 
Volkslieder  aus  Kärnten  ii  nr  593  und  594,  Schlossar  nr  316  und 
dazu  die  anmerkung  s.  434.  —  interessant  ist  die  3  Strophe  der 
von  Tobler  gegebenen  version  des  Tannhäuser-liedes,  wonach  die 
drei  schönen  Jungfrauen  im  Frau-Vrenesberg  am  sonntag  Ottern 
und  schlangen  sind,  es  ist  dies  ein  neuer  beleg  für  den  glauben, 
dass  feen  oder  ähnliche  wesen  in  jeder  woche  an  einem  gewissen 
tage  oder  auch  an  mehreren  schlangen  sind,  die  belege,  die 
ich  dafür  beibringen  kann,  sind  folgende,  in  dem  italienischen 
roman  Guerino  Meschino  (cap.  145)  wird  die  Sibilla  Cumana  in 
der  höhle  von  Norcia  alle  Sonnabende  eine  schlänge  und  erhält 
erst  montag  menschliche  gestalt  wider;  mit  ihr  verwandelt  sich 
ihr  ganzer  hofstaat  in  verschiedene  hrxitti  vermi.  INiccolö  Euge- 
nico,  einer  der  alten  commentatoren  von  Ariostos  Orlando  furioso, 
bemerkt  zu  der  gleich  zu  erwähnenden  stelle  dieses  gedichtes: 
Nelle  montagne  di  Norsia  e  un'  enlrata,  dove  si  va,  dopo  molto 
travaglio,  nella  spelonca  abitata  della  Sibilla  Cumana  con  molte  sue 
donzelle,  le  quali  ogni  venerdi  si  cangiano  con  lei  in  serpenti 
(s.  Panizzis  ausgäbe  des  Orlando  furioso  vol.  iv  p.  305).  Ariosto 
lässt  nämlich  im  Orlando  furioso  (xliii  98)  die  fee  Manto  sagen, 
es  sei  allgemeines  loos  der  feen, 

Ch'  ogni  settimo  giorno  ognnna  e  certa 
Che  la  sua  forma  in  biscia  si  converta  — , 
in  den  Cinque  canti  aber  (ii  117)  erzählt  er  von  der  fee  Medea, 
die  in  einem  alten  wald  in  Böhmen  hauste, 

Dove  ogni  ottavo  di  sua  hella  forma 
In  Innttissima  serpe  avea  a  mularsi.^ 
Giuseppe  Parini  (1729 — 1799)  sagt  in  seinem  gedieht  II  mattioo 
gegen  das  ende  hin : 

Fama  e  cosi,  che  il  di  quinlo  le  fate 
Lora  salma  immortal  vedean  coprirsi 

*  auf  diese  stelle  der  Cinque  canti  bin  icii  durch  Pl^ajna,  Le  fonti 
df'li'  Orlando  furioso,  Firenze  tSTO,  s.  50!)  hingewicscti  wonlen. 


TOBLER    SCHWEIZERISCHK    VOLKSLIEDER  79 

Gtd  d'orribili  scaylie,  e  in  feda  serpe 
Volte  strisdar  sul  suolo  usw. 
allbekannt  ist  die  sage  von  der  fee  Melusine,  die  alle  Sonnabende 
zwar  nicht  ganz,  aber  doch  vom  nahel  an  zur  schlänge  wird  und 
welcher  graf  Raimund  vor  seiner  Vermählung  mit  ihr  das  versprechen 
geben  muss,  sie  nie  am  Sonnabend  sehen  zu  wollen,  mit  der  Me- 
lusinen-sage  stimmt  auffallend  ein  ehstnisches  märchen  (FKreutz- 
wald,  Ehstnische  märchen,  übers,  von  FLöwe,  Halle  1869,  nrl6), 
in  welchem  eine  meermaid  alle  donnerstage  vom  nabel  abwärts 
zu  einem  fisch  wird  und  in  dieser  gestalt  von  ihrem  sterblichen 
mann  nicht  gesehen  werden  darf  usw.'  ich  begnüge  mich  hier 
mit  dieser  blofsen,  meines  wissens  noch  nie  gemachten  Zu- 
sammenstellung. 2 

S.  118  nr  25.  vom  Schötzerschmied- Anneli.  früher  schon 
in  Lütolfs  Sagen  usw.  aus  den  fünf  orten  s.  70  f,  hier  aber  mit 
benutzung  einiger  nachträglich  von  Lütolf  dem  herausgeber  mit- 
geteilten Varianten.  der  herausgeber  sagt  s.  121,  er  habe  zu 
dem  lied  keine  parallele  Qnden  können,  ich  kann  aber  deren  vier 
nachweisen,  nämlich  Prühle,  Weltliche  und  geistliche  Volkslieder 
nr  10,  von  Ditfurth,  Fränkische  Volksliedern  nr  28,  Peter,  Volks- 
tümliches aus  Österreichisch-Schlesien  i  278,  und  ein  ostpreufsi- 
sches  lied  bei  ASchottmüUer,  Die  krügerin  von  Eichmedien  (Bericht 
über  das  königl.  gymnasium  zu  Bartenstein),  Bartenstein  1875, 
s.  18.  es  sind  diese,  so  viel  ich  weifs,  noch  nicht  zusammen- 
gestellten fünf  lieder^  sehr  verderbte  und  stark  von  einander  ab- 
weichende Varianten  eines  liedes,  welches  man  bezeichnen  kann 
als  das  lied  von  der  schmiedstochter,  die  der  teufel  in  ein  pferd 
verwandelt,  auf  dem  er  reitet,  und  die  er  von  ihrem  vater,  dem 
sie  sich  dabei  als  seine  tochter  zu  erkennen  gibt,  beschlagen 
lässt.  Lütolf  bringt  s.  468  eine  mit  seinem  lied  im  wesentlichen 
übereinstimmende  localsage:  lied  und  prosa  ergänzen  die  local- 
tradition.  s.  76  aber  hat  er  als  verwandt  mit  seinem  lied  eine 
sage  bei  Vernaleken ,  Mythen  und  brauche  aus  Osterreich  s.  46, 
und  die  ihm  nur  aus  Nork,  Mythologie  der  deutschen  volkssagen 

'  sowol  das  ehstnische  märchen  als  auch  die  stellen  über  die  Sibilla 
in  der  höhle  von  Norcia ,  die  aus  Ariosto  und  Parini  und  dem  Tannhäuser- 
lied sind  dem  verf.  der  neuesten  schrift  über  die  Melusinen-sage  unbekannt 
geblieben,  die  schrift,  die  recht  verdienstlich  ist,  auch  wenn  man  nicht 
alle  ansichten  des  verf.s  teilen  kann,  ist  betitelt:  Le  mythe  de  la  Mere 
Lusine  (Meurlusine,  Merlusine,  Mellusigue,  Mellusine,  Melusine,  Meleusine). 
Etüde  critique  et  bibliographique  par  le  dr  Leo  Desaivre.  Extrait  des 
Memoires  de  la  societe  de  statistique,  sciences,  lettres  et  arts  des  Deux- 
Sevres.  Saint -Maixent  1883. 

2  in  meiner  anmerkung  zu  Kreutzwald  s.  364  habe  ich  auf  Melusine, 
die  Manto  im  Orlando  furioso  und  die  Sibilla  im  Guerino  hingewiesen. 

3  bei  Chr.  Petersen ,  Hufeisen  und  rosstrappen  oder  die  hufeisensteine 
in  ihrer  mythologischen  bedeutung,  Kiel  1806,  s.  68  sind  nur  die  von  Pröhle 
und  Ditfurth  veröffentlichten  lieder  zusammengestellt,  und  Schottmüller  weifs 
nur  von  dem  schweizer  lied,  von  dem  er  jedoch  nur  die  Inhaltsangabe  bei 
Henne  am  Rhyn,  Deutsche  volkssage  s.  447  kennt. 


80  TOBLER    SCHWEIZERfSCHE    VOLKSLIEDER 

s.  88  bekannte,  seitdem  von  Scholtmiiller  aao.  ausführlich  be- 
handelte sage  von  der  krügerin  von  Eicbmedien  herangezogen. 
nach  der  österreichischen  sage  weckte  einst  in  einer  winternacht 
ein  unbekannter  mann  einen  schmied  und  forderte  ihn  auf,  sein 
ross  zu  beschlagen,  und  als  er  den  ersten  nagel  hineinschlug, 
sagte  das  ross:  'gevatter,  nicht  so  tiefl'  ob  das  teufelsross  früher 
ein  mann  oder  ein  weib  gewesen  und  weshalb  die  Verwandlung 
erfolgt  ist,  berichtet  die  sage  nicht,  nach  der  ostpreufsischen, 
in  mancherlei  Versionen  überlieferten  sage  holte  der  teufel  die 
betrügerische  schenkwirtin  von  Eiclimedien ,  als  sie  sich  eines 
abends  verschwor,  der  teufel  solle  sie  holen,  wenn  sie  die  zeche 
falsch  gemacht  habe,  verwandelte  sie  in  ein  ross  und  ritt  auf  ihm 
zum  schmied  in  Schwarzenstein,  den  er  weckte  und  aufforderte, 
sein  pferd  zu  beschlagen,  das  pferd  aber  sagte  zum  schmied: 
'nur  sachte,  gevatter,  ich  bin  die  krügerin  von  Eichmedien  1'  ehe 
der  erschrockene  schmied  sie  beschlagen  hatte,  krähten  die  bahne, 
und  sie  erhielt  ihre  menschliche  gestalt  wider.  —  viel  näher 
unserem  lied  von  der  schmiedstochter  steht  aber  eine  lateinische 
erzählung,  die  WJThoms  aus  einer  hs.  des  13  jhs.  in  den  Alt- 
deutschen blättern  n  76  herausgegeben  und  die  dann  ThWright 
in  seine  Selection  of  latin  stories  nr  xxxv  aufgenommen  hat.  sie 
lautet:  Contigit  in  Anglia,  quod  daemon  in  specie  hominis  seäens 
super  jumentum  nigrum  venit  nocte  ad  domuni  cnjnsdam  fahrt, 
excitans  enm,  nt  jumentum  sunm  ferraret;  et  cum  clovos  in  pedes 
feriret,  exdamavit  aninial  illud,  dicens:  'Leniter  age ,  fili,  qnia 
niultum  nie  gravas.'  Quo  stnpe facto  etdicente:  'Quis  es  tu?'  re- 
spondit:  'Ego  sum  mater  tua,  quae  quia  fueram  sacerdotis  forni- 
caria,  facta  sum  daemonis  vectura.'  Quo  dicto  disparuit  cum  ses- 
sore  suo.  Merito  enim  fuit  daemonis  jumentum  quae  ad  modnm 
vixit  jumentormn.  —  mit  dieser  erzählung  vergleicht  sich  wider 
ein  im  vergangenen  jähr  in  der  Romania  xii221 — 23  zum  ersten 
mal  herausgegebenes  fabliau,  welches  in  einer  hs.  aus  der  2  hälfte 
des  13  jhs.  steht  und  nach  dem  jähr  1239  gedichtet  sein  muss, 
da  es  ein  ereignis  dieses  Jahres  erwähnt,  nach  diesem  fabliau 
kommt  ein  teufel  eines  nachts  zu  einem  schmied  in  der  Nor- 
niandie  auf  einer  schwarzen  stute  geritten,  lässt  sich  von  ihm 
das  pferd  frisch  beschlagen  und  teilt  ihm  auf  sein  befragen  mit, 
er  sei  der  teufel  Maqiierel,  die  stute  aber  sei  früher  eine  priesters- 
frau  (prestresse)  gewesen  und  werde  nun  nach  ihrem  tod  zur 
strafe  von  ihm  als  pferd  geritten.  Nous  amon  mieus,  sagt  er, 
a  chevauchier  preslresses  et  plus  les  avon  chier  qne  destrier  a  roi 
ne  a  conte,  por  fere  leur  asez  de  honte.  —  die  lateinische  er- 
zählung und  das  fabliau'  —  sind  die  ältesten  mir  bekannten  be- 
lege für  den  in  katholischen  landen  bis  in  die  neuzeit  verbrei- 
teten glauben ,    dass  die  concubinen   von  geistlichen  nach  ihrem 

*  der  herausgeben  des  fabliaus,  GRaynaiul,  hat  s.  220  die  lateinische 
erzählung  zur  verglcichung  milgcteiU. 


TOllLER    SCHWEIZERfSCHE    VOLKSLIEIIER  81 

tod  des  teufels  rosse  werden.'  —  ferner  vergleiche  man  eine  sage 
in  den  von  MTscIieinen  und  PJRuppen  herausgegebenen  VVal- 
liser-sagen,  Sitten  1S72,  s.  255.  nach  ihr  kam  einst  ein  reiter 
zu  einem  schmied  und  forderte  ihn  auf,  sein  pferd  zu  beschlagen, 
während  er  im  dorfe  geschäfte  zu  besorgen  habe,  als  er  fort  ist, 
hebt  das  pferd  zu  sprechen  an  und  sagt,  es  sei  des  Schmiedes 
tochter,  die  er  verwünscht  habe  und  die  deshalb  der  teufel  reite, 
es  sei  heute  der  letzte  tag,  an  dem  sie  dem  teufel  entkommen 
könne,  wenn  sie  über  99  l'riedhöfe  setze,  der  schmied  lässt  sie 
natürlich  frei,  nach  3  tagen  kehrte  die  tochter  in  ihrer  wahren 
gestalt  wider  zurück  und  erzählte,  auf  dem  99  friedhof  sei  der 
teufel  ihr  nachgekommen  und  habe  sie  am  schweif  erfasst,  sie 
sei  aber,  den  schweif  in  seinen  bänden  lassend,  über  die  mauer 
gesetzt  und  so  entzaubert  und  frei  geworden.  —  endlich  habe 
ich  noch  eine  sage  anzuführen,  die  IVZingerle,  Sagen,  märchen 
und  gebrauche  aus  Tirol  s.  284  nr  505  aus  Ulten  mitteilt,  auf 
dem  Larcherberg  —  so  berichtet  diese  sage  —  wohnte  einst  eine 
durch  ihr  ausgelassenes  leben  berüchtigte  dirne.  da  kam  eines 
tages  der  teufel  in  gestalt  eines  Jägers  zu  ihr,  ergrifl"  sie,  führte 
sie  durch  die  luft  herab  zu  einem  schmied  und  befahl  diesem, 
ihr  eisen  aufzuschlagen,  als  dies  geschehen  war,  setzte  er  sich 
auf  sie  und  fuhr  so  durch  die  lüfte  von  dannen.  in  dieser  sage 
fehlt,  dass  die  dirne  in  ein  pferd  verwandelt  ist,  aber  es  ist  dies 
wol  nur  vom  erzähler  vergessen.  —  dies  sind  die  mir  bekannten 
erzählungen  von  dem  teufelsross,  das  ein  schmied  frisch  be- 
schlagen muss  und  das  vorher  ein  mädchen  oder  eine  frau  — 
und  zwar  in  den  meisten  erzählungen  des  schmieds  tochter  oder 
mutter  oder  gevatterin  —  gewesen  war.  ob  in  unserem,  wie 
schon  oben  bemerkt,  nur  in  entstellten  Varianten  überlieferten 
lied  die  schmiedstochter  ursprünglich  auch  als  sacerdotis  forni- 
caria  teufelsross  geworden,  muss  dahingestellt  bleiben. 

S.  121  nr  26.  der  schioanewirt  spnmg  zum  thor  hinaus. 
vgl.  Meier  nr  182. 

S.  137  nr  39.  untreue  (und  dass  der  loald  so  ßister  ist). 
vgl.  Simrock,  Deutsche  Volkslieder  s.  342  nr  v,  Pröhle  nr  42, 
Erk  nr  229. 

S.  145  nr  48.  kiltspruch.  vgl.  HSchuchardt ,  Ritornell  und 
terzine,  Halle  1874,  s.  62. 

S.  149  nr  54.    undjetz  fängt  das  früejahr  an.    vgl.  Scherer, 

1  man  vgl.  FLiebrechts  nacliweise  in  der  Germania  xviii  180  —  auch 
von  Tobler  ciliert  —  und  Petersen  aao.  s.  73.  nach  den  Evangiles  des 
quenouilles  (nouvelle  edition,  Paris,  AJannet  1855),  journee  vi  chap.  xi  — 
worauf  Liebrecht  hinweist  — soll  man  einem  pferd,  weiches  sich  nicht  be- 
steigen lassen  will,  folgende  worte  ins  ohr  sagen:  cheval,  aussi  vray  que 
meschine  de  prestre  est  cheval  au  dyable,  tu  vueilles  souffrir  que  je 
monte  sur  toy.  dieselbe  besprechung  deutsch  findet  sich  bei  KBartsch, 
Sagen,  märchen  und  gebrauche  aus  Meklenburg  u  447  nr2056:  pferd,  so 
wahrhaftig  als  des  pfaffen  magd  des  teufels  pferd  ist,  so  lass  dich  be- 
schreiten ! 

A.  F.  D.  A.    XI.  6 


82  TOBLEH    SCHWRIZF.UISCHF,    VOLKSIJF.IlF.rj 

Juiiglirimnen  nr  107  und  die  uachweise  dazu,  und  aufserdem 
vLeopiechting,  Aus  dem  Leclirain  s,  272,  und  C[hristop!i]  Weifs, 
Aus  dem  Volksleben,  Nürnberg  1863,  s.  9. 

S.  151  nr  56.  ei  du  mein  schöne  Margret!  hättest  du  mich. 
vgl.  die  von  mir  herausgegebenen  Alten  bergmannslieder  nr  xvi, 
bes.  Str.  10. 

S.  152.  wie-n-i  ag' fange  ha  huse.  vgl.  dazu  Rocidiolz, 
Alemannisches  kinderlied  und  Kinderspiel  s.  156  (T  (der  mutter 
hausbestand),  worauf  hr  Tobler  verweist,  und  aufserdem  noch 
Münsterische  geschichten,  sagen  und  legenden  s.  272,  LStra- 
ckerjan,  Aberglaube  und  sagen  aus  Oldenburg  ii  81,  PhWege- 
ner.  Volkstümliche  lieder  ans  Norddeutschland  nr  180  und  181, 
Fiedler,  Volksreime  und  Volkslieder  in  Anhalt-Dessau  s.  36  nr  39, 
Firmenich,  Germaniens  vülkerstimmen  m  65,  JDiermissen,  üt  de 
mulskist  nr  88  (vgl.  auch  nr  23  und  201),  Korrespondenzblatt 
des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprachforschung  ni  58,  iv  22,  vnr  20, 
Peter,  Volkstümliches  aus  Üsterreichisch-Schlesien  1 47,  Schleicher, 
Volkstümliches  aus  Sonneberg  s.  105,  ßirlinger.  Schwäbisch-augs- 
burgisches Wörterbuch  s.  453,  Schuster,  Siebeubürgisch-sächsische 
Volkslieder  s.  364  und  403,  Schroer,  Wörterbuch  der  mundart 
von  Gottschee  s.  67,  Hoflmann  von  Fallersleben,  Niederländische 
Volkslieder  nr  184,  JvVloten ,  Nederlandsche  baker-  en  kinder- 
rijmen ,  3  veel  verm.druk,  Leiden  1874,  s.  116  nr  24  und  s.  117 
nr  26,  WDykstra  en  TGvanderMeulen,  In  doaze  fol  aide  snypsna- 
ren,  oarde  en  folle  fermeardere  druk,  Frjentsjer  1882,  s.  13, 
Thiele,  Danske  folkesagn  ni(lS20)  s.  163,  Grundtvig,  Gamle  danske 
minder  i  folkemunde  ni  187,  JMadsen,  Folkeminder  fra  Hanved 
Sogn   ved  Flensborg,  Kjöbenhavn  1870,  s.  144. 

S.  154  nr59.  niedersingerlied  (wo  kommt  denn  au  der  ehstand 
her?),  vgl.  auch  JHSchmilz,  Sitten  und  sagen,  lieder  usw.  des 
Eifler  volkes  i  132,  und  RSztachovics,  ßraut-sprüche  und  braut- 
lieder  auf  dem  heideboden  in   Ungern  s,  42. 

S.  156  nr  61.  chan  i  nit  gar  ordeli  tänzele?  vgl.  Simrock, 
Kinderbuch,  2  verm.' aufl.  nr  950  =  3  verm.  auü.  nr  1043,  Pröhle 
nr  93,  Erk ,  Liederhort  nr  193,  Zingerle,  Sitten,  brauche  und 
meinungen  des  Tiroler  Volkes,  2  verm.  aufl.  s,  239,  HUunger, 
Kinderlieder    und    kinderspiele  aus  dem  Vogilande  nr9l  und  92. 

S.  163  nr  67.  rot,  rot  sind  alli  mini  chleideli.  vgl.  Peter 
I  220,  Pogatschnigg  und  Hermann  u  nr  598,  ELemke,  Volks- 
tümliches in  Ostpreufsen,  Mohrungen  1884,  i  147. 

S.  163  nr  68.  friscli  auf  lool  in  das  fehl,  nicht  nur  auf 
Mittler  nr  1442,  sondern  auch  auf  nr  1510  war  zu  verweisen, 
vgl.  auch  Zurmiihlen,  Niederrheinische  Volkslieder  nr  57. 

S.  172  nr  75.  (streit  zwischen  dem  ivasser  und  dem  wein.) 
vgl.  Schlossar  nr317  und  die  dazu  in  der  anmerkung  angeführten 
lieder  und  aufserdem  Sztachovics  s.  137.  140.  141.  Schuller, 
Das   todaustragen    und    der   muorlef,    Ilermannstadt  1861,  s.  10 


TOBLER    SCHWEIZERISCHE    VOLKSLIEDER  83 

verweist  auf  einen  von  Schüler  von  Lihloi  in  dem  von  Transchen- 
fels hg.  Magazin  für  geschichte,  litleratur  nnd  alle  denk-  und 
merkwfirdigkeiten  Siehenbürgens  i  1  s.  24  mitgeteilten  Wettstreit 
zwischen  wein  und  wasser. 

S.  174  nr  76.  o  tannehanm,  o  tannebaum.  vgl.  AReiffer- 
scheid,  Westfälische  Volkslieder  nr  24  und  die  anmerkung  s.  176 
dazu,  nebst  meinen  nachtragen  im  Anzeiger  vi  272. 

S.  176  nr  77.  ich  armes  hdsli  im  wite  feld.  vgl.  Mittler 
nr  610  und  Erk,  Liederhort  nr  57''^''  und  deren  nachweise  und 
aufserdem  noch  Pröhle  nr  58. 

S.  196  nr  8  (86).  iez  wei  mer  nidergö ,  achtzehn  engeli  mit 
is  16.  vgl.  meine  aufsätze  in  der  Germania  v  448  und  xi  435  und 
im  Jahrbuch  für  romanische  und  englische  litteratur  vni  409. 

S.  197  nr  10  (88).  heiliger  Andreas,  ich  hitt  di,  bettJaden, 
i  tritt  di.  vgl.  HHarrys,  Volkssagen  usw.  Niedersachsens  ii  26 
(bettspond,  ich  tret  dich,  Sand  Andres,  ich  bitt  dich),  AVVitzschel, 
Sagen,  sitten  und  gebrauche  aus  Thüringen  s.  156  (bettbret,  ich 
tritt  dich,  heiliger  Andreas,  ich  bitt  dich),  EKöhler,  Volksbrauch 
usw.  im  Voigtlande  s.  383  (bettbret,  ich  tret  dich,  heiliger  Andreas, 
dich  bitt  ich). 

S.  197  nr  11  (89).  alpsegen.  vgl.  JGrimm,  Myth.*  anhang 
s.  cxxxvH,  ^  s.  1189,  Zeitschrift  für  deutsche  mylhologie  iv26— 28, 
Germania  xx  437 — 39,  Mannhardt,  Der  baumkullus  der  Germanen 
und  ihrer  nachbarstämme  s.  274. 

S.  199.  jetzt  steh  ich  auf  der  abendwacht,  vgl.  DJäklin, 
Volkstümliches  aus  Graubünden  in  201. 

S.  200  nr  3.  losed,  was  ich  euch  will  sage:  die  glogg  hat 
zehn  uhr  gschlage!  lösched  für  und  Hecht,  dass  gott  alli  mensche 
wol  bihüetl  vgl.  Jäklin  aao.  in  Bartholomäus  Krügers  Spiel  von 
den  bäurischen  richlern  und  dem  landskuecht  (1580),  hg.  von 
JBolte,  Leipzig  1884,  ruft  der  Wächter  die  stunde  also  aus 
(v.  1634): 

^un  hört,  ihr  herren,  last  euch  sagen. 
Der  seiger  der  hat  zwölf  geschlagen, 
Bewahrt  das  feur  und  auch  das  Hecht, 
Damit  der  Stadt  kein  schad  geschieht. 
aus  meinen    kuabenjahren    erinnere    ich   mich  des  nachtwächter- 
spruches  in  folgender  fassung: 

Hört,  ihr  herrn,  und  last  euch  sagen: 

'S  hat  .  .  .  geschlageti. 

Bewahrt  das  feuer  und  auch  das  licht, 

Dass  kein  schade  geschieht. 

Lobet  gott  den  herrn! 

S.  200  nr  4.    stönd  uf  im  name  Jesu  Christi  vgl.  Jäklio  aao. 

S.  202  nr  8.  hört,  ihr  Christen,  und  lasst  euch  sagen:  unsre 
glock  hat  zehn  geschlagen!  zehn  geböte  schürft  gott  ein:  lasst  U7is 
ihm   gehorsam   sein!    usw.      vgl.    Erk,    Liederhort    nr   196    und 

6* 


84  TOBLER    SCHWEIZERISCHE    VOLKSLIEDER 

Scherer,  Jungbrunueii  nr  167  imd  deren  nachweise  und  aufser- 
dem  ABirüuger  und  WCrecelius,  Deutsche  heder,  Heilbronn  1876, 
s.  30,  und  Jäklin  aao. 

S.  208,  3.     wenn   ein   mit  chatze  z'acher  will,  so  spann  er 
d'mns  vorns.     vgl.  meine  nachweise  im  Anzeiger  vi  274. 

Weimar.  Reinhold  Köhler. 


Das  niederdeutsche  Schauspiel,  zum  kulturlehen  Hamburgs,  von  Karl 
Theodor  Gaedertz.  erster  band  :  das  niederdeutsche  drama  von  den 
anfangen  bis  zur  Franzosenzeit,  zweiter  band:  die  plattdeutsche 
komödie  im  neunzehnten  Jahrhundert.  Berlin,  AHofmann  &  comp., 
18S4.    XVI  und  253  ss.,  xvi  und  281  ss.     8**.  —  ä  4  m. 

Wir  haben  bisher  kein  anderes  die  geschichte  des  deut- 
schen drama  behandelndes  werk ,  welches  in  gleicher  weise  wie 
das  vorliegende  auf  genauer  kenntnis  und  erforschung  des  zu 
gründe  liegenden  stofl'es,  bis  auf  die  soufflierbücher  und  die  aus- 
geschriebenen rollen  der  Schauspieler,  beruhte,  ein  umfängliches 
und  nicht  leicht  zugängliches  material  hat  der  in  gelehrten  kreisen 
durch  seine  monographie  über  Rollenhagen  vorteilhaft  bekannte 
Verfasser  in  der  weise  zu  verwerten  gesucht,  dass  er  nicht  nur 
die  geschichte  des  niederdeutschen  Schauspiels,  sondern  dieses 
Schauspiel  selbst  in  ausgewählten  proben  dem  leser  vor  äugen 
führt,  ohne  die  richtigkeit  dieses  grundsatzes  anfechten  zu  wollen, 
kann  ich  doch  mein  bedenken  gegen  die  art,  wie  Gaedertz  den- 
selben durchzuführen  gesucht  hat,  nicht  zurückhalten,  ich  hätte 
mir  eine  organische  Verbindung  beider  aufgaben  gewünscht,  welche 
durch  eine  künstlerisch  abgerundete  characteristik  der  einzelnen 
dramen  wol  erreichbar  gewesen  wäre,  statt  dessen  finde  ich,  je 
länger  ich  in  den  beiden  bänden  fortlese  und  je  mehr  ich  mich 
der  modernen  zeit  nähere,  dass  die  geschichte  um  so  mehr 
zurücktritt,  die  characteristik  hinter  den  banalen  schlagwortern 
der  zeitungsrecensenteu  verschwindet  und  oft  recht  äufserliche 
inhaltsangaben  und  am  anfange  oder  am  ende  herausgehobene 
Stichproben  von  seitenlanger  ausdehnung  die  eigentliche  gelehrte 
arbeit  ersetzen,  die  historischen  gesichtspuncte  zumal  verliert 
der  Verf.,  je  näher  die  gegenstände  zeitlich  an  ihn  heranrücken, 
um  so  mehr  aus  den  äugen:  er  sieht  blofs  mehr  gipfel  und 
Schluchten;  als  gipfel  erscheinen  ihm  die  Zeiten,  wo  das  nieder- 
deutsche Schauspiel  gepflegt  wird,  als  Schluchten  die  zeiten,  wo 
es  von  den  theaterdirectoren  vernachlässigt  wird;  an  die  klage 
um  die  Vernachlässigung  und  den  verfall  schliefst  sich  das  refrain- 
artig widerkehrende  und  zuletzt  ermüdende  'herlicber  als  je  blühte' 
usw.  unvermittelt  an.  auch  das  ästhetische  moment  kommt  hierbei 
vielfach  zu  ktuz,  wie  denn  bei  dem  verf.  überhaupt  das  sprach- 
liche   und    kulturgeschichtliche    intcresse   im  Vordergründe  steht. 


GAEDEKTZ  DAS  MD.  SCHAUSl'IEL  85 

ohue  die  lobenswerte  begeisterung  des  vert.s  für  seine  aufgäbe  zu 
verkennen,  wird  man  doch  oft  das  gefübl  nicht  unterdrücken 
können,  dass  er  dem  plattdeutschen  drama,  was  das  ästhetische 
urteil  belriÖt,  kritiklos  gegenüber  steht;  dass  er  alles,  was  platt- 
deutsch ist,  einfach  auch  für  schön,  und  alles,  was  dem  volke 
gefällt,  auch  für  volkstümlich  im  edlen  sinne  des  wortes  hält, 
während  in  den  älteren  perioden  die  Übereinstimmung  dieser  be- 
griffe eine  gröfsere  ist  und  die  gefahr  eines  fehltrittes  deshalb 
ferner  liegt,  muss  in  den  neueren  zwischen  den  echten  volks- 
dichtern  und  volksstückeu  und  denen,  welche  dem  geschmacke 
des  Volkes  dienen ,  wol  unterschieden  werden  und  man  wird  sich 
kaum  entschliefseu  können ,  jeden  erfolg  einer  hamburgischen 
posse  als  einen  triumph  der  Volksdichtung  zu  betrachten  und  in 
den  annalen  der  litteraturgeschichte  zu  verzeichnen,  die  be- 
geisterung nun  gar,  wie  es  Gaedertz  i  21  Off  tut,  auf  die  im  platt- 
deutsch abgefassten  kinderstücke  zu  übertragen,  möchte  noch 
weniger  unseren  beifall  finden.  G.  bricht,  indem  er  eine  recht 
kindliche  scene  aus  einem  dieser  dramen  mitteilt,  in  welchem 
der  gesunde  bauernbursche  seinem  verzärtelten  stadtfreunde 
gegenüber  tüchtig  herausgestrichen  ist,  in  die  worte  aus:  'werde 
jeder  so  gesund  und  vergnügt  wie  der  kleine  bauer!'  —  sowie  er 
es  auch  sonst  an  rückblicken  auf  die  gute  alte  zeit  oder  an 
klagerufen  über  die  Verfeinerung  oder  die  teuerung  in  den 
modernen  städten  nicht  fehlen  lässt.  es  darf  aber  wol  kein 
zweifei  darüber  bleiben,  dass  die  teilnähme,  welche  er  durch 
solche  exclamationen  heraufbeschwört,  eine  rein  stoffliche  ist 
und  über  den  künstlerischen  wert  oder  unwert  des  niederdeut- 
schen Schauspiels  nichts  entscheidet,  auch  an  seiner  eigenen 
darstellung  und  ausdrucksweise  erkenne  ich  dass  ihm  nicht  der 
rechte  sinn  für  das  volkstümliche  und  populäre  iune  wohnt:  ich 
ziehe  den  ton  seiner  ersten  arbeit,  welche  sich  nur  oder  haupt- 
sächlich an  den  gelehrten  wendet,  dieser  gattung  von  populärer 
Schreibart  weit  vor,  wie  mich  G.  als  forscher  überhaupt  vorzüg- 
licher dünkt  denn  als  darsteiler,  mich  stört  nicht  blofs  die  ge- 
würzte zugäbe  aus  dem  theaterjargon ,  wie  wenn  der  verf.  die 
probe  aus  einem  drama  des  17  jhs.  mit  dem  ausrufe  'o  diese 
männer!'  unterbricht,  sondern  noch  mehr  das  schauspielerlatein, 
welches  im  zweiten  bände  so  auffallend  herschend  ist ;  beide  weifs 
ich  an  ihrem  orte  zu  schätzen,  halle  aber  ein  werk,  welches 
litteratur  behandelt  und  zur  litteratur  gehört,  nicht  für  den  ort, 
an  welchem  sie  zutritt  haben  sollten,  oder  findet  man  etwa  einen 
kalauer  wie  den  folgenden  etymologischen  eines  im  edlen  sinne 
populären  werkes  würdig:  'vor  allen  dingen  war  er  auf  eine 
äufsere  restaurierung,  erweiterung  und  Verschönerung  der  soge- 
nannten bühne  bedacht,  —  bedacht  im  vollen  sinne  des 
Wortes,  indem  er  auch  für  eine  bessere  schützende  bedachung 
sorgte'?    ebenso  trivial   niuten  uns  oft  die  kurzen  sätze  an,  mit 


86  GAEDERTZ    DAS    ND.  SCHAUSPIEL 

welchen  der  verf.  die  mitgeteilten  proben  unterbricht,  ind(Mn  er 
zugleich  die  niotivierung  deutlich  zu  machen  sucht;  zb.  i  106: 
'wie  kann  sie  das  ahnen,  geschweige  denn  wissen?';  .  .  , 
'und  mühsam  stottert  sie  ihren  glückwunsch';  .  .  .  'Severin  will 
nicht  allein  glücklich  sein,  auch  seine  schwesler  soll  wider 
imter  die  haube  kommen;  daher  die  diplomatische  frage 
an  Jan:';  .  .  .  'der  gibt  die  richtige  und  vernünftige  ant- 
wort:';  ...  'jetzt  fasst  Severin  den  handel  beim  rech- 
ten ende:';  .  .  .  'Jan  spricht  lachenden  mundes  die  grofse 
Wahrheit  aus';  .  .  .  'damit  ist  Severin  im  princip  ganz 
einverstanden'  usw.  kann  man  Volksdichtung  ärger  zerstören 
als  durch  eine  solche  richtige,  vernünftige,  diplomatische,  prin- 
cipielle  auslegung? 

An  wissenschaftlichem  werte  steht  der  erste  band  weil  über 
dem  zweiten,  welcher  eine  fleifsige,  aber  äufserliche  aneinander- 
reihung  der  in  unserem  Jahrhunderte  aufgeführten  plattdeutschen 
comödien,  mit  inhaltsangaben  und  reichlichen  proben  —  auch 
aus  ungedruckten  stücken  — ,  enthält,  dagegen  sind  die  capitel 
des  ersten  bandes  über  die  niederdeutschen  demente  in  Risls 
dramen  und  in  der  hamburgischen  oper  ausgezeichnete  litterar- 
historische  Untersuchungen ,  welche  manchen  dunkeln  punct  auf- 
hellen, namentlich  Rists  tätigkeit  auf  dem  gebiete  des  drama 
wird ,  nachdem  G.  seine  autorschaft  an  der  Irenaromachia  aufser 
zweifei  gesetzt  und  den  Perseus  wider  herangezogen  hat,  in 
unseren  litteraturgeschichten  eine  gröfsere  rolle  spielen,  man 
wird  ihn  als  verf.  von  Zwischenspielen  im  dialecte  vor  dem  verf. 
der  Geliebten  Dornrose  zu  nennen  haben  und  auch  bei  Weise 
auf  ihn  zurückgreifen,  sollten  die  sterbescenen,  in  denen  baupt- 
niann  Hans  Knapkäse  eine  mannschaft  von  lahmen  und  blinden 
anwirbt  (Gaedertz  i  50),  vielleicht  durch  Vermittlung  der  engli- 
schen comödianten  mit  den  entsprechenden  scenen  in  Shake- 
speares Heinrich  iv,  2  teil  in  Verbindung  stehen?  hoffentlich 
werden  uns  die  versprochenen  neudrucke  aus  dem  niederdeut- 
schen nicht  lange  auf  diejenigen  schaupiele  Rists  warten  lassen, 
welche  Schletterer  nicht  vorweggenommen  hat.  in  dem  capitel 
über  die  hamburgische  oper  vermisse  ich  die  bezugnahme  auf 
die  italienische  opera  bernesca  und  ihre  intermezzi.  ein  solcher 
hezug  ist  mir  zb.  bei  dem  'carneval  von  Venedig'  schon  dadurch 
deutlich,  dass  die  bandlung  nach  Venedig  verlegt  ist;  das  nieder- 
sächsische mädcheu  Trintje  ist,  wie  sich  i  s.  104  herausstellt, 
nur  eine  in  den  dialect  übersetzte  Vespetla ;  Prätorius,  der  verf. 
des  Hamburger  Jahrmarktes  und  der  Hamburger  schlachtzeit,  hat 
auch  italienische  intermezzi  übersetzt  (vgl.  meine  monographie 
über  Weifse  s.  135);  'die  amours  der  Vespetta  oder  der  galan 
in  der  kiste'  (i  161)  verweisen  deutlich  auf  ein  italienisches  Vor- 
bild, das  kammermädchen  Margo  ist  wie  Vespetta  (Weifse  135) 
die  vertraute  ihrer  berrin  in  deren  liebessachen  usw. 


GAEDEKTZ    DAS    ND.  SCHAUSPIEL  87 

Im  einzelnen  bemerke  ich  folgendes:  zu  i  116  Moni',  is  dat  so, 
so  sunt  er  goden  Dage  nht  (auch  ir  204  Dien  gooden  Daag  sünd  nn 
vorhi)  vgl.  Des  knal)en  wunderhorn  (Arnims  werke  xiv  14). —  1 1171: 
ähnliche  actiuneu  mit  dem  falleji  lassen  der  schüssel  usw.  schon 
in  Weifses  Mariinsgans.  —  i  138:  dass  sich  Gesche  als  haronesse 
aufspielt,  ist  ein  motiv,  welches  in  Weifses  Projektmacher  (meine 
mouügraphie  s.  114)  widerkehrt;  ebenso  findet  man  in  dessen 
Singspielen  widerholt  ein  loyales  lehehoch  auf  könig  und  künigin, 
wie  bei  Gaedertz  i  160.  —  ii  24  zeigt  ein  Bärmaunsches  stück 
den  einfluss  der  beliebten  schicksalstragödie.  —  ii  258:  da  die 
posse  'Hamburg  an  der  Aisler'  schon  einmal  so  ausführliche  be- 
rücksichtigung  gefunden  hat,  so  sei  auch  erwähnt  dass  die  epi- 
sode  von  der  durch  Antonius  mishandelten  leiche  Cäsars,  welche 
sich  nicht  enthalten  kann ,  lebenszeichen  von  sich  zu  geben ,  auf 
eine  würkliche  geschichte  zurückgeht,  welche  sich  bei  der  von 
Laube  bewerkstelligten  wideraufnahme  des  Julius  Cäsar  in  das 
repertorium  des  burglheaters  abspielte  und  deren  beiden  der  wol- 
beleibte  alte  Auschütz  und  der  feurige  junge  Dawison  waren  (vgl. 
Laube,  Das  burgthealer  s.  166). 

Vöslau,  ende  juli  1884.  Mi>or. 


LiTTERATÜRNOTIZEN. 

Johannes  Bolte,  Bartholomäus  Krügers  Spiel  von  den  bäurischen 
richtern  und  dem  landsknecht.  1580.  Leipzig,  Carl  Reifsner, 
1884.  XVI  und  136  ss.  kl.  8^.  2  m.  —  mit  dem  märkischen 
Stadischreiber  und  Organisten  Bartholomäus  Krüger  hat  sich  die 
litteraturgeschichte  in  der  letzten  zeit  vviderholt  beschäfligt.  einem 
hinweise  Goedekes  folgend  hat  Tittmann  die  Aclion  von  dem 
anfang  und  ende  der  well  in  den  Schauspielen  aus  dem  16  jh. 
verütfentlicbt;  Hans  Ciawerl  hat  in  den  Hallenser  neudrucken 
einen  sorgfältigen  abdruck  erfahren.  Scherers  artikel  in  der 
Allgemeinen  deutschen  biographie  gab  ein  wolabgeruudetes  ge- 
sammlbild  der  dichterischen  täligkeit  des  mannes.  der  vorliegende 
neudruck  macht  nun  auch  das  wellliclie  drama  Krügers  in  will- 
kommener weise  dem  leser  zugänglich,  die  einleitung  beschäftigt 
sich  kurz  mit  der  person  des  dichters;  stellt  die  quelle  richtig 
(nicht  Schieidanus,  sondern  Lauterbecks  Hegentenbucb);  berührt 
das  sprachliche  momeut  und  gibt  schätzenswerte  anmerkungen 
zum  Verständnis  des  einzelnen,  genaueres  eingehen  'auf  die 
innerlichen  gemeinsamkeilen'  der  beiden  Krügerscheu  spiele  ver- 
spart der  verf.  auf  eine  zusammenhängende  darstellung  des  märki- 
schen drama  im  16  und  17  jh.,  welche  unser  inleresse  schon  durch 
die  ankündigung  erregt  und  hoffentlich  bald  befriedigen  wird. 

J.  MmoR. 

Georg  Ellikger,  Das  Verhältnis  der  öffentlichen  meinung  zu 
wahrheil  und  lüge   im   10.  11    und  12 jh.     dissertation.      Berli», 


88  LITTERATÜKNOTIZEN 

WWeher,  1884.  112  ss.  8«.  2  m.  —  bei  benutzuug  millel- 
allerlicher  quellen  \\n\\  mau  oft  in  erstaunen  gesetzt  durch  die 
leichtigkeit,  mit  der  sonst  ehrenwerte  und  fromme  mäuuer  lüge, 
nieiueid  und  hiuterlist  jeder  art  begehen  oder  bei  ihren  lielden 
eutschuUligeu,  und  es  ist  ein  gliickUcher  griß",  dass  Elliuger  diese 
frage  einmal  im  zusammenhange  zu  untersuchen  unternommen 
hat.  ei'  entwickelt  dabei  eine  umfangreiche  belesenheit  in  der 
millelalterlichen  litteratur  und  erörtert  auch  die  einzelneu  fälle 
so,  dass  man  zwar  nicht  immer  aber  doch  meistens  einverstanden 
sein  wird,  dagegen  hätte  ich  die  auswahl  und  gruppieruug  in 
mancher  hinsieht  anders  gewünscht,  die  Urkundenfälschungen 
des  mittelalters  zb.  bilden  einen  so  bedeutsamen  bestandleil  der 
tatsachen,  um  die  es  sich  handelt,  dass  sie  eingehender  berück- 
sichtigt werden  musteu  als  hier  geschehen  ist.  es  war  zu  zeigen 
dass  die  menschen  damals,  namentlich  die  mönche  und  geistlichen, 
durch  die  Verhältnisse  oft  geradezu  gezwungen  wurden,  Urkunden 
zu  fälschen,  es  gab  oft  kein  anderes  mittel,  gutes  recht  vor 
brutaler  gewall  zu  schützen,  wie  ich  das  Allgemeine  zeitung  1884 
ur  14  s.  194  bei  gelegeuheit  der  Widerlegung  von  Graueits  theorie 
über  die  enlstehung  und  tendenz  der  Constantinischen  Schenkung 
kurz  angedeutet  habe,  es  fehlt  nicht  an  material  zu  einer  solchen 
ausführuug,  und  damit  wäre  ein  wichtiger  beilrag  für  die  ge- 
schichtliche Würdigung  der  frage  geliefert  gewesen.  E.  weist 
behufs  solcher  Würdigung  mit  recht  auf  die  gewöhnung  an  das 
spielen  mit  sittlichen  begrilfen  in  den  scholastischen  dispula- 
tionen  und  auf  die  gewissensverwirruug  hin ,  welche  der  streit 
zwischen  Staat  und  kirche  erzeugte,  weiter  gehorte  dahin  die 
Unsicherheit  und  unbestinmitheit  der  staatlichen  Ordnungen  im 
feudalslaat,  die  doppelten  und  nicht  auszugleichenden  verptlich- 
tungeu  gegen  verschiedene  lehnsherrn,  und  endlich  der  kriegeri- 
sche zustand  der  periode.  im  kriege  gilt  jede  list,  und  eine  zeit, 
die  so  beständig  im  kample  lebt ,  die  selbst  von  dem  rechtsgang 
die  Vorstellung  des  parteikampfes  —  sei  es  mit  eiden  sei  es  mit 
wallen  —  noch  nicht  gelrennt  hatte,  freute  sich  der  list  und 
billigte  sie  leichter  auch  da,  wo  ein  au  regelmäfsig  friedliche 
und  geregelte  Verhältnisse  gewöhntes  gewissen  nur  entrüstuug 
empfinden  kann,  indessen  zu  einer  eingehenden  geschichtlichen 
würtligung  wäre  der  rahmen  einer  dissertation  zu  eng,  E.  hätte 
deshalb  besser  ganz  davon  abstand  genommen,  dann  wäre  auch 
die  irrige  behauptung  unleiblieben,  dass  im  13  jh.  ein  um- 
s(;hvvung  in  der  öllentlichen  meinung  eingetreten  und  die  sitt- 
lichen begrill'e  strenger  geworden  seien,  was  zum  beweise  an- 
geführt wird,  reicht  entleinl  nicht  aus,  und  hier  scheint  mir  die 
methode  E.s  durch  den  ihm  nun  einmal  einleuchtenden  gedauken 
gefährdet  zu  werden.  eb(^nso  wenig  war  grund  vorhanden  ,  das 
8  und  9jh.  aiiszuschlielsen.  der  iuuweis  auf  Ilincmars  fälschungen, 
;mf  PstMulo-isiilor,  auf  Einharls  erzählung  von  der  erwerbung  der 


LITTERATÜRNOTIZEN  89 

gebeioe  der  heiligen  Marcellinus  und  Petrus  und  ähnliche  Vor- 
gänge aus  dem  8  jh.  hätten  genügt,  um  den  schein  zu  beseitigen, 
als  sei  diese  gleichgiltigkeit  im  10 — 12  jh.  besonders  stark,  da 
es  sich  um  eine  tüchtige  erstlingsarbeit  handelt,  so  schliefse  ich 
mit  der  waruuug,  dass  der  verf.  gefahr  läuft,  seine  sorgfältigen 
Sammlungen  und  scharfsinnigen  Untersuchungen  des  einzelnen 
durch  zu  früh  angestellte  vergleiche  und  allgemeine  urteile  zu 
gefährden.  -* 

Strafsburg.  G.  Kaufmann. 

Kerdinand  Khüll,  Beiträge  zum  mhd.  wörlerbuche.  Separatabdruck 
aus  dem  15  Jahresberichte  des  zweiten  staatsgymuasiums  in  Graz 
vom  jähre  1883/84.  40  ss.  gr.  8*^.  —  in  zwei  alphabetisch  ge- 
ordneten Verzeichnissen  legt  der  verf.  die  lexicalische  ausbeute 
vor,  welche  er  aus  der  durchsieht  der  Renner  hs.,  in  der  allein 
Heinrichs  von  Mügeln  Übersetzung  der  psalmenerklärung  des  Ni- 
colaus de  Lyra  auf  uns  gekommen  ist,  und  des  cgm.  12,  der 
eine  Umschrift  der  Notkerischen  psalmenversion  aus  dem  14  jh. 
(proben  bei  Docen  Mise.  l,32ft)  enthält,  gewonnen  hat.  aber 
wenn  es  nach  s.  4  seine  absieht  war,  blofs  solche  worte  nach- 
zuweisen ,  welche  in  Lexers  Handwb.  entweder  gänzlich  fehlen  — 
diese  wurden  mit  einem  stern  versehen  —  oder  die  dasselbe  nur 
spärUch  belegt,  so  hätten  gar  manche  von  den  angeführten,  zb. 
ebengetvaltic,  edele,  ersam,  gemihtsam,  die  hinlänglich  bekannt  und 
überall  verbreitet  sind ,  fortbleiben  dürfen,  auch  werden  mehr- 
fach worte  durch  den  stern  ausgezeichnet,  die  ihn  nicht  ver- 
dienen, zb.  geezzen  s.  9  vgl.  L.  1,1009;  geloubhaft  s.  9  vgl.  L. 
1,  823;  dtirchnehticUche  s.  26  vgl.  L.  1,496;  gebiurde  s.  27  vgl. 
L.  1,764;  raechaere  (sic^  s.  33  vgl.  L.  2,358;  rnotac  s.  33  vgl. 
L.  2,  553  (umgekehrt  entbehrt  des  slerns  zb.  bodendarm  s.  7). 
das  hängt  zum  teil  damit  zusammen  dass  K.  mundartliche  oder 
altertümliche  nebenformen,  zuweilen  auch  Schreibfehler  wie  haber- 
scherke  s.  11,  principiell  als  selbständige  und  bei  Lexer  mangelnde 
worte  auffasst.  die  bedeutung  der  einzelnen  beigebrachten  vo- 
cabeln  erhellt  zumeist  aus  dem  mitgeteilten  zusammenhange,  in 
welchem  sie  vorkommen,  oder  aus  der  beigefügten  lateinischen 
Übersetzung;  hin  und  wider  indes  reichen  diese  stützen  für  das 
Verständnis  nicht  aus  (ich  wenigstens  errate  nicht,  was  mit  Egelant 
s.  7  gemeint  ist;  noderwint  s.  32  soW  \\o\  norder loiiit  sein),  ganz 
falsch  ist  s.  10  der  ansatz:  '*gerere  st.  neutr.,  mugitus.  herre, 
refse  die  tyer  des  gerbrs  107'.'  aus  Ps.  67,  31  increpa  feras  arun- 
dinis  entnimmt  jeder  sofort  dass  das  bei  Lexer  1,  886  mehrfach 
belegte  geroere  an  der  stelle  vorliegt.  St. 

KoRREsporsDENZBLATT  des  Vereins  für  siebenbürgische  landeskunde. 
sechster  Jahrgang.  Hermannstadl  1883.  152  ss.  8^.  2  m.  — 
der  inbalt  dieses  bandes  ist  überwiegend  localgeschichtlicher  natur; 
nur  weniges  berührt  sich  mit  den  interessen,  welche  der  Anzeiger 
vertritt,      davon    nennen    wir    die    mitteilungen    über    neujahrs- 


90  LITTERATUKNOTIZEN 

brauche  s.  5,  al)erglauben  s,  JOO,  sagen  s.  133,  ferner  die  bei- 
trage verschiedener  zum  siebenbürgischen  wörterbuche  s.7  und  67, 
endlich  die  gesundheilsregeln  eines,  freilich  erst  dem  17jh.  an- 
gehörigen  kalenders  s.  1  11". 

Ernst  Naumann,  über  Herders  stil.  Jahresbericht  über  das  kgl. 
Friedrich -Wilhelms -gymnasium  zu  Berlin  (progr.  1884  nr  55). 
Berlin,  druck  von  AWHayns  erben,  1884.  32  ss.  4^.  Im.  — 
der  titel  kann  nur  in  so  ferne  gehen,  als  diese  scbrift  teilweise 
eine  Vorarbeit  zu  einer  Untersuchung  des  H. sehen  Stiles  ist.  die 
einleilung  stellt  dazu  richtige  allgemeine  gesichtspuncte  auf.  der 
kern  des  programms  s.  9  ff  ist  ausschliefslich  eine  darlegung 
der  stilistischen  Wandlungen  der  Ältesten  Urkunde  des  menschen- 
geschlechts.  die  textrevision  dieses  Werkes  in  Suphans  ausgäbe 
bd.  VI  und  vn  besorgte  der  verf. ;  was  er  hier  bringt ,  sind  wichtige 
ergänzungen  zu  dieser  ausgäbe,  die  in  bd.  vi  s.  xvi  f  gegebene 
characteristik  des  stilistischen  Verhältnisses  der  beiden  letzten 
redactionen  trilft  im  wesentlichen  auch  für  die  forlbildung  der 
älteren  entwürfe  zu,  wie  aus  N.s  wolgeordneter  beispielsammlung 
ersichtlich  wird.  s.  18 — 22  trägt  N.  zeitgenössische  urteile  über 
den  Stil  des  1  bandes  der  Urkunde  zusammen,  s.  23  folgt  die 
erörterung,  in  wie  weit  H.  bei  der  ausarbeitung  des  2  bandes 
den  ratschlagen  eines  censors  des  ms.  —  N.  macht  wahrschein- 
lich dass  es  Lavater  ist  —  folge  leistet;  neben  stilistischen 
änderungen  werden  auch  sachliche  aufgewiesen,  die  der  censor 
empfahl,  zum  Schlüsse  ist  ein  stück  der  in  den  Werken  vi  s.  xvii 
anni.  1  erwähnten  paraphrase  mitgeteilt,  die  ganze  schrift  ist  für 
die  entstehuug  der  Urkunde,  für  H.s  stil  und  den  der  sturni- 
und  drangzeit  überhaupt  äufserst  iehrrefch.  B,  Seüffert. 

Paul  Richter,  Rabener  und  Liscow.  ein  beitrag  zur  litteratur- 
geschichte.  Separatabdruck  aus  dem  programm  des  gymnasiums 
zum  heiligen  kreuz  in  Dresden.  Dresden,  vZahn  &  Jaensch  in 
comra.,  1884.  xxiv  ss.  4".  1  m.  —  der  verf.  zieht  scharf  gegen 
Gervinus,  Vilmar,  Kurz  ua.  zu  felde,  die  Rabener  zu  gunsten 
Liscows  herabgesetzt  haben,  und  beabsichtigt  eine  rettung  R.s. 
sie  ist  ihm  gelungen  und  musle  ihm  gelingen,  weil  er  R.  kennt 
und  weil  R.  unendlich  viel  feinsinniger,  abwechslungsreicher, 
fruchtbarer  an  ideen  und  motiven  ist  als  L.  der  verf.  hat  recht, 
dies  ergebnis  aus  seiner  betrachtung  der  gegenstände  und  der 
einkleidung  der  R. sehen  Satiren  zu  ziehen;  hat  recht,  das  all- 
gemein ethische  und  absichtlich  unpersönliche  in  diesen  Satiren 
als  einen  Vorzug  zu  bezeichnen,  wenn  er  auch  im  eifer  mit  L. 
etwas  allzu  strenge  ins  gericht  geht,  R.  ist  zwar  kein  vollendeter 
künstler  in  seiner  gattung,  doch  innner  mehr  künstler  als  L. 
irgendwo,  in  stolfen  —  vielleicht  weil  beiden  Swift  ein  muster 
ist  —  und  in  der  auffassung  der  satire  besteht  zwischen  R.  und 
L.  manche  Übereinstimmung,  wie  Richter  geschickt  nachweist,  für 
die  beurleilung  L.s  lernt  man  aus  d(!r  schrift  nichts  neues,  desto 


LITTERATURNOTIZEIS  91 

mehr  über  R.  sie  ist  eine  tüchtige  Vorarbeit  zu  einer  umfassen- 
den liehaudlung  R.s,  woran  es  noch  maugelt,  wer  sich  diese 
lohnende  aufgäbe  stellt,  darf  ESchuiidts  fiugerzeig  (Anz.  v  156) 
nicht  übersehen.  B.  Seüffert. 

WToiscHER,  Die  altdeutschen  bearbeitungen  der  pseudo  -  aristote- 
lischen Secrela-secretorum.  separat -abdruck  aus  dem  Jahres- 
berichte des  k.  k.  Staats -ober- gymnasiums  Prag -Neustadt.  Prag 
1884.  36  SS.  8^.  —  seiner  ausgäbe  von  Aristotilis  heim- 
lichkeit  (vgl.  Anz.  ix  231)  lässt  hier  Toischer  zwei  weitere  in 
mehreren  hss.  überlieferte  umreimungen  der  Secreta  folgen,  ihr 
ästhetischer  und  sprachlicher  wert  ist  gering;  dank  verdient  aber 
die  voraugeschickte  einleitung,  in  welcher  der  verf.  eine  Zusam- 
menstellung sämmtlicher  deutscheu  poetischen  und  prosaischen  be- 
arbeitungen des  pseudo-aristotelischeu  buches  zu  geben  versucht, 
freilich  beansprucht  dieselbe  keine  Vollständigkeit,  sie  kann  schon 
auf  grund  der  gedruckten  Münchner  cataloge  vermehrt  werden, 
die  codd.  latini  17188  und  26713  enthalten  mit  unerhebhchen 
abweichungen  eine  und  dieselbe  prosafassung;  ich  setze  den  an- 
fang  nach  der  erstgenannten  hs.  (f.  97^}  hierher :  Daz  ist  die 
potschaft  die  Aristotiles  saut  Alexandra  dem  mehligsten  vnd  dem 
hohsten  kvng  wie  er  moht  behalte  seinen  leip  vor  sichtvm  die  io- 
hannes  von  hyspanne  des  erst  vö  krichisch  in  arabicü  praht  vnd 
praht  ez  von  arahico  in  latein  vnd  sande  ez  der  k'vniginne  vö 
hyspanne  vnd  haizzet  daz  tavgen  d^  tangenn  Aristotilis  I  Alexander, 
seit  ff  menschleich  leip  sei  zeprechleich  vnd  seit  dev  selbe  zeprechunge 
gescheh  vö  dem  widersatzze  vn  von  der  widerwertikeit  der  vier 
veuhten  od^  der  vier  dvnst  so  dvnket  mich  an  disem  werk  daz  ich 
dir  wolle  schreiben  etleichev  nutzze  dinc  vnd  aller  dinge  nutzze 
von  haimleichen  kvnsten  der  ertznie  aber  ob  dv  an  sihest  daz 
ebenpilde  vnd  die  teuren  stellvnge  beheltest  so  darft  dv  kaines 
arcztes  on  ob  dir  geschehe  in  streiten  oder  in  and^n  leiden  daz  dv 
mohtest  v'^meide  mit  kaine  suche  usw.  dieser  Epistola  des  Aristo- 
teles schliefsen  sich  in  beiden  hss.  Vorschriften  über  aderlass, 
bemerkungen  über  den  nutzen  des  Wacholders,  über  urin,  monats- 
regeln,  wetterprophezeiungen,  lofsbüchlein  und  recepte,  nament- 
lich gegen  augenleiden,  an,  erst  dann  findet  sich  im  codex  17188 
die  Unterschrift  Expliciunt  secreta  secretorum  aristotilis  ad  alexan- 
drum ,  während  ohne  eine  solche  die  zweite  hs.  mit  den  recepten 
und  einem  deutschen  Macer  fortfährt,  ferner  bemerke  ich  dass 
die  s.  9f  erwähnte  vollständige  Übersetzung  der  Secreta  zum  ersten 
male  1530  im  verlage  Heinrich  Stayners  zu  Augsburg  erschien, 
vgl.  die  allerdings  mehrfach  fehlerhafte  beschreibung  von  Zapf, 
Augsburgs  buchdruckergeschichte  n  191.  bei  demselben  drucker 
kam  dann  im  nächsten  jähre  die  von  Toischer  angeführte  aber 
ungenau  beschriebene  ausgäbe  heraus  (bl.  48^:  Gedruckt  zu  Augs- 
purg  durch  Heynrich  Staynerj  Am  l.jltag  Martij  des  M.  D.  xxxi.  Jars), 


92  LITTERATDRNOXrZEN 

und  1532  eine  dritte,  deren  titel  sorgfältig  von  JFDegen,  Nach- 
trag zu  der  litteratur  der  deutschen  Übersetzungen  der  Griechen, 
Erlangen  1801,  s.  82  verzeichnet  ist,  während  JHaupts  notiz  VVSB 
Lxxi  515  anm.  und  die  Graesses  im  Trösor  i  220"*  verschiedene 
Unrichtigkeiten  enthalten.  St. 


Briefe  JGbimms  an  FWBergmann  in  Strassburg, 

MITGETEILT    VON    ErNST    MaRTIN. 
I 

Cassel  18jau.  1839. 
Hochgeehrter  herr  professor, 

Ihre  Zuschrift  aus  Paris  vom  26  oct.  ist  mir  über  Leipzig 
erst  am  ende  des  jahrs  zugekommen,  empfangen  Sie  für  die 
Übersendung  Ihrer  Edda  meinen  herzlichen  dank:  es  ist  die  erste 
gründh'che  arbeit,  die  in  einem  dort  so  wenig  angebauten  fach 
erscheint,  ich  finde  darin  gelehrsamkeit,  Scharfsinn  und  geschmack 
vereinigt.  Sie  legen  gefühl  für  die  poesie  des  alterthunis  oder 
der  sogenannten  barbarei  so  lebhaft  an  tag ,  dass  Sie  es  holfent- 
lich  auch  andern  einzuflüfsen  wissen  und  den  historisch -philo- 
logischen Studien  dadurch  beträchtlichen  Vorschub  leisten  werden. 
Bei  der  behandlung  des  textes  und  in  den  erläuterungen  haben 
Sie  ungemein  viel  feines  und  schönes  wahrgenommen.  Zu  einigen 
fehlem  hat  der  vorzugsweise  gebrauch  (den  ich  sonst  ganz  billige) 
der  Stockholmer  ausg.  verleitet,  p.  328  beruht  })ik  sigli  gaf  auf 
nichts  als  auf  einem  druckfehler  bei  Rask  statt  |3er;  die  copenh. 
ausg.  hat  das  richtige  und  nirgend  ist  ein  Variante  angegeben, 
folglich  kann  auch  Ihre  bemerkung  p.  316  nicht  gelten,  auf  der 
nemlichen  p.  328  lässt  sich  biorreisan  nicht  vertheidigen, 
hei  Rask  62''  steht  genau  zugesehn  auch  biö  r  rei  f  a  n  ,  der  millel- 
strich  in  dem  f  ist  zu  schwach  ausgefallen  und  liefs  es  Ihnen  wie 
ein  f  erscheinen,  p.  322  v.  12  halte  ich  das  en  wiederum  für 
blofsen  druckfehler,  die  copenh.  giebt  e  c. 

Sie  reden  eindringlich  von  dem  gehalt  der  Lokasenna,  doch 
hätte  ich  das  wesen  des  gedichts  nicht  einem  lucianischen  geistc 
verglichen  (wie  allerdings  nah  lag,  auch  fassen  es  die  meisten 
so),  noch  weniger  daraus  einen  schluss  gezogen  auf  die  zeit  der 
abfassung.  Ich  gestehe,  dass  mich  überhaupt  keiner  der  gründe 
befriedigt,  aus  welchen  Sie  den  Ursprung  dieser  lieder  dem  9  und 
10  jahrh.  zuweisen.  Freilich  ist  es  keine  kunst,  sie  weit  älter 
zu  machen  und  vor  die  Völkerwanderung  oder  gar  über  Christi 
geburt  hiuaufzurückeu,  und  wer  mag  so  unbestimmte  äufserungen 
billigen?  Aber  im  10  jahrh.  war  auch  schon  im  Norden  andere 
Sinnesart  und  poetische  neigung,  als  dass  so  einfache  dichtungen 
erst  damals  hätten  entspringen  sollen.  Derber  spott  herscht  nicht 
nur  in  Lokasenna,  sondern,  was  Sie  auch  anführen  in  Ilarbardsl. 
und  andern  liedern   und  sai^en  ,  aber  kein  sokliei'  der  den  glauben 


BRIEFE    JACOB    GRIMMS    AN    BERGMANN  93 

aufheben,  untergraben  will,  sondern  daneben  besteht,  etwa  wie 
das  kathol.  mittelalter  narren-  oder  osterspiele  verstattete.  So 
schelten  sich  im  Waltharius  die  beiden  bitter  aus,  ohne  dass  sie 
dadurch  an  würde  einbüfsen.  Verträgt  doch  auch  die  homerische 
einfalt  Vorstellungen  des  Hephästos,  oder  die  scene  von  Ares  und 
Aphrodite,  wobei  gelacht  und  gespottet  wird,  ohne  dass  es  auf 
eine  herabwürdigung  der  götter  hinausgeht,  wie  es  nach  unsern 
heutigen  oder  nach  Lucians  auslebten  der  fall  sein  müsste.  Ich 
für  mein  theil  halte  mich  überzeugt ,  dass  dem  urheber  der  Lo- 
kasenna  noch  keine  ahnung  von  Christeuthum  vorschwebte,  und 
sein  werk  kündigt  mir  noch  keinen  nahen  verfall  des  heidenthums 
an.  Ich  wage  nicht  ohne  äufsere  daten ,  die  uns  mangeln,  die 
abfassung  der  edd.  lieder  in  sichere  Jahrhunderte  zu  verlegen, 
aber  der  allgemeine  tact,  den  wir  uns  endlich  für  die  beurtheilung 
der  alten  poesie  erwerben  müssen ,  verlegt  sie  höher  hinauf  als 
das  10  und  9jahrh.  Ihnen  leuchtet  selbst  die  analogie  zwischen 
einer  stelle  der  edda  und  des  wessobrunuer  gebets  ein,  das  in 
Deutschland  dem  ausgestorbneu,  früher  vertilgten  heidenthum  zu- 
fällt, also  viel  weiter  zurück  weist.  Die  phasen  der  nord.  mythe 
und  poesie  verlaufen  weit  ruhiger  und  stetiger.  Zu  recensionen 
bin  ich  jetzt  unaufgelegt,  habe  auch  fast  alle  früheren  liter.  Ver- 
bindungen abgebrochen;  mit  freuden  werde  ich  aber  sonst  jede 
gelegenheit  ergreifen  Ihnen  auch  ofl'entl.  meine  aufrichtige  hoch- 
achtung  auszudrücken.  Jacob  Grimm. 

Ich  habe  kein  wort  über  Ihr  glossar  gesagt:  es  ist  sehr 
tüchtig  und  zeugt  von  Ihren  forschungen  auf  günstigste,  doch 
hätte  ich  manche  einwendung  wieder  die  mir  zu  weit  getriebne 
freiheit  Ihrer  etymologien. 

n 

Cassel  10  sept.  1839. 
Hochgeehrter  herr  und  freund, 

Sie  werden  natürlich  finden ,  dass  ich  in  einer  angelegenheit, 
derentwegen  ich  gerne  selbst  nach  dem  Elsass  reiste,  wenn  ich 
jetzt  könnte,  mich  zunächst  an  Sie  wende.  Der  gegenständ  muss 
Sie  selbst  fast  gleich  stark  reizen ,  und  wenn  Sie  etwas  dafür  zu 
thun  im  stände  sind,  so  bedarf  es  keines  weiteren  sporns. 

Im  alten  Benedictinerkloster  Murbach  bei  Gebweiler  im  Ober- 
elsass  stecken  noch  unbekannte  handschriften ,  unter  welchen 
möglicherweise  etwas  von  der  auf  Carl  des  Grofsen  antrieb  auf- 
gezeichneten altdeutschen  poesie  zu  entdecken  sein  könnte.  INem- 
lich  es  fand  sich  ehemals  daselbst  ein  band  betitelt:  de  carmi- 
nibus  theodiscae,  und  warum  sollte  er  sich  nicht  bis  auf  unsere 
tage  bewahrt  haben  ?  Der  jetzige  bibliotbekar  oder  Verwalter  dieses 
Schatzes  soll  darauf  wie  Fafnir  auf  dem  golde  liegen,  mitunter 
aber  pergamenten  an  Strafsburger  Juden  verkaufen.  Es  ist  daher 
vorsieht  nöthig  und  behutsamkeit.     Wer   zu  Colmar,   Gebweiler, 

^  wie  man  sagt,  ich  weifs  nicht  ob  ausgemacht. 


94  BRIEFE    JACOB    GRIMM?    AN    BERGMANN 

Miirbach  oder  sonst  in  der  nähe  Verbindungen  hätte,  und  ohne 
aufsehen  zutritt  zu  den  handschriften  erlangen  könnte,  würde 
der  Sache  leicht  auf  den  gruud  kommen ,  und  dann  wäre  wol 
geld  anzubieten.'  Auf  einer  kleinen  reise  würden  Sie  sich  bahl 
gewisheit  verschalTen.  Vorher  aber  bitte  ich  in  Strafsburg  hei 
andern  nichts  verlauten  zu  lassen.  Mir  wären  ein  paar  zeilen 
lieh,  in  welchen  Sie  mir  antworten,  ob  Sie  sich  damit  zu  be- 
fassen lust  tragen?  — 

Ich  ermittle  eben,  dass  nichts  mehr  zu  Murbach  selbst, 
sondern  alles  zu  Colmar  liegt,  wohin  seit  der  revolution  alle 
Murbacher  hss.  gebracht  worden  sind.  Auch  der  catalog  bei 
Montfaucon  bibl.  bibl.  2,  1176  redet  von  einem  prolixum  carmen 
heroicum  auonymum. 

Wie  herrlich,  wenn  endlich  noch  stücke  der  alten  epen  an 
den  tag  kämen! 

Ihnen,  der  Sie  die  altnord.  dichtung  kennen  und  lieben, 
gönnte  ich  die  freude  des  auffindens. 

Mit  aller  hochachtung  und  ergebenheit 

Jac.  Grimm. 
Aufser    dem  hibliothekar    sind    zu  Colmar  wohl   noch  andre 
employes,  von  denen  einige  auskunft  zu  erlangen  wäre,  die  Sie 
nicht  compromiltirt. 

Das  Nonnenkloster  Erstein  Heresteiu  bei  Benfelden  (zwischen 
Strafsburg  und  Schlettstadt)  ist  die  abtei,  welche  im  gedieht  von 
Reinhart  Fuchs,  der  Olbente  (dem  cameel)  verliehen  wird.  Gibt 
es  vielleicht  in  Strafsburg  Ersteiner  Urkunden,  ausweichen  sich 
der  grund  dieser  tiction  entnehmen  liefse?  Der  dichter  des  Rein- 
hart, Heinrich  der  Gliches.'ere,  war  ein  Elsässer  und  lebte  um 
1150.  ich  trachte  sehr  nach  näheren  umständen  und  wäre  dank- 
bar für  jede  noch  so  kleine  nachweisuug. 

Ich  lasse  gegenwärtig  auch  Elsässer  scheffenweislhümer 
drucken. 

in 

Cassel  31  dec.  1839. 
Indem  ich  Ihnen,  hochgeehrter  freund,  den  herzlichsten 
dank  erstatte  für  Ihre  bereitwilligkeit  mir  über  die  in  Colmar 
vermutete  alte  handschrift  auskunft  zu  geben  (und  Sie  werden 
die  Sache  nicht  aus  den  äugen  verlieren) ;  ergreife  ich  eine  ge- 
legenheit,  um  Ihnen  zwei  angelsächsische  gedichte  zu  übermachen. 
Dem  Inhalte  nach  sind  sie  freilich  weit  minder  anziehend  als  die 
eddischen  lieder,  aber  ihr  alter  (wenn  ich  mich  nicht  teusche) 
und  ihre  form  verleiht  ihnen  werth  genug. 

Ich  habe  nur  noch  zeit  die  Versicherung  meiner  aufrichtig- 
sten hochachtung  zu  wiederholen.  Jacob  Grimm. 

'  man  niösste  scheinbar  nacli  einem  Gregorius  turonensis  fragen,  der 
aucli  zu  Murbacli  war  und  nebenbei  nach  gedichten  oder  theol.  hss. 


EIN    RRIEF    JACOR    GRIMMS    AN    FRIFDRICH    HFJNRICH    VDHAGF.N  95 


Ein  BRIEF    Jacoh  Grimms    an  Friedrich  Heinrich  von  der  Hagen. 

Den  nachfolgenden  hrief  JGrimms  an  vdHagen  habe  ich  jüngst 
käuflich  von  der  buchhandlung  J AStar gardt  in  Berlin  erworben ; 
ich  werde  ihn  spüler  unserer  bibliothek  zur  außewahrung  über- 
geben, er  ist  mit  deutschen  huchstaben  geschrieben  und  füllt  einen 
grofsen  quarlbogen.  man  ersieht  daraus  dass  vdHagen  nach  den 
früheren  dijferenzen  noch  einmal  eine  anknüpfung  versuchte  und 
(kiss  Jacobs  hrief  vom  7  februar  ISll  nicht  der  letzte  zwischen 
beiden  gelehrten  gewechselte  war,  wie  man  bisher  vermuten  musle 
(Anz.  VII  461).  St, 

Cafsel   13  Nov.  1819 

Herzlichen  Dank  für  Ihren  Brief  vom  1  August;  es  sey 
ebenfalls  vergefsen  |  und  vergeben;  womit  wir  Sie  wifsenllich 
oder  unwifsentlich  beleidigt  haben  |  sollten ,  das  bitten  wir  Ihnen 
aufrichtig  ab.  Hätten  Sie  das  Schreiben  nicht  (  mit  der  lang- 
weiligen Buchhändlergelegenheit  gesandt,  so  wäre  es  nicht  erst) 
vorgestern  eingetrolTen,  folglich  die  Antwort  viel  früher  in  Ihren 
Händen  |  gewesen.  Wie  viel  leichter  wird  man  doch  Irrlhiimer 
los,  als  Fehler  1  jene  |  überwunden  und  gehegt  zu  haben,  kann 
einen  ordentlich  freuen,  |  während  diese  eine  herbe  Erinnerung 
nachlafsen.  Diese  vergüten  |  Sie  damit,  dafs  Sie  zuerst  den  Frieden 
wieder  angeboten  haben,  |  denn  ich  gestehe  offenherzig,  so  ver- 
söhnlich ich  von  Natur  bin ,  lag  mir  |  doch  der  Gedanke  an  eine 
Aussöhnung  nicht  nahe,  vielleicht  weil  ich  \  Sie  vorher  weder 
persönlich  noch  genau  gekannt  hatte,  blos  schrift-|stellerisch. 
Es  ist  mir  lieb,  dafs  alles  so  gekommen  ist.  Ihre  über-[sandte 
Abhandlung'  ist  schon  vor  mehrern  Monaten  von  mir  ge-|lesen 
worden,  die  hervorbrechende  milde  Stimmung  gefiel  mir  gleich | 
und  ich  sprach  damals  mit  Wilhelm  darüber.  Gegenstand  und 
Aus-|führung  der  Abhandlung  kann  ich  hier  nur  mit  wenigem 
beurtheilen,  |  noch  weniger  werden  Sie  Sich  durch  mich  in  Ihrem 
Wege  stören  lafsen;  |  auch  ist  mir  verschiedenes  einleuchtend 
und  recht,  anderes  nicht.  |  Kannes  Schriften  habe  ich  vor  fünf 
oder  sechs  Jahren  mit  Begierde  |  gelesen-  und  bin  seitdem  davon 
abgekommen.  Seinen  frommen  |  Ernst  ehre  ich  noch  höher  als 
seine  Gelehrsamkeit;  Schubart  (Alles  und  |  neues  pp)  ist  mir  aber 
viel  lieber  und  ansprechender  gewesen.  |  Die  Resultate  der  kan- 
nischen Methode  zu  etymologisiren  kann  |  und  will  ich  nicht 
leugnen  und  glaube  wohl,  dafs  sie  noch  halten  |  können,  wenn 
man  ihre  anscheinenden  Stützen  wegräumt,  |  denn  sie  haben  im 
Grund  andere,  sodafs  jene  nur  als  Noth-|  (^s.  2)  Nolhbehelf  (sie) 
betrachtet  werden  müfsen.     Dieses  Wegwerfen,  dieser  Nolhbehelf] 

'  üie  Nibelungen:  ihre  hedeutung  für  die  gegenwart  und  für 
immer,   Breslau  1819.  ^  vgl.  hrief  an   Gö/'res  vom    b  december  1811 

(ii  261  ^^,   auch  Freundesbriefe  212  und  Scherers  JGrimm  s.  Gl  f. 


96  EIN    BRfEF    JACOB    GRIMMS    AN    FRIEDRICH    HEINRICH    VDHAGEN 

hat  für  mich  aber  etwas  unbehagliches,  Kanne  arbeitet  mir  nicht | 
irdisch  genug,  zu  geschwind  und  unsicher;  ich  finde,  sobaUl  ich 
mein  |  eignes  Studium,  das  mir,  wenn  ich  es  mit  Treue  und 
Ernst  I  gelrieben  habe,  doch  etwas  werth  seyn  muf's,  in  sein 
Gerüste  ein-|tragen  will,  keinen  rechten  Platz;  ja  seine  Vorrich- 
tungen erschei-lnen  mir  dann  deutlich  im  Einzelnen  falsch.  Zu 
Gottes  Erkenntnifs  |  braucht  es  keiner  Wifsenschaft,  wir  spüren 
ihn  in  allen  Dingen  |  und  dem  Blinden  reichte  sein  Ohr,  dem 
Taubstummen  sein  Auge  |  hin,  um  ihn  zu  fühlen;  was  wir 
Menschen  Wifsen  u.  Gelehrtheit  nennen,  |  ist,  dafs  wir  uns,  jeder 
nach  seiner  Gabe  und  Weise,  eigenthümliche  |  Wege  bahnen,  auf 
denen  wir  ihn  auch  fühlen  können;  die  Mittel  dazu  |  sollen  wir 
aber  einschlagen  mit  gröfster  Wahrheit  und  Genauigkeit,  |  ohne 
welche  alle  menschliche  Untersuchung  werthlos  bleibt.  Um  auf  | 
Ihre  Betrachtung  der  Nibelungen  zu  kommen,  so  würde  mir, 
nach  dem  ]  jetzigen  Standpunct,  eine  beschränktere  und  genauere 
Erforschung  des  |  Einzelnen  auch  für  das  Ganze  mehr  beweisen; 
so  mufs  ich  manches  |  für  in  die  Luft  gebaut,  manches  für  par- 
teiisch halten;  die  Heraus-lhebung  eines  christl.  Princips  ist  zu 
weit  getrieben  und  ich  zweifle,  dafs  |  Schubarth  (defsen  vor- 
nehmer, Gothen  geschickt  nachgeahmter  Ausdruck  |  mir  noch 
mehr  misfällt,  als  seine  Ansicht  der  Sache)  oder  Güthe  |  dadurch 
zu  Ihnen  bekehrt  werden.  Doch  haben  Sie  Sich  der  Schrift | 
nicht  zu  schämen ,  sie  enthält  scharfsinnige  und  einzelne  |  über- 
zeugende Wahrnehmungen.  Einiges  hatte  ich  meinerseits  |  auch 
bemerkt,  zB.  die  merkw.  Einstimmmung  altdeutscher  Zahlen-| 
verhältnifse  zu  den  indischen. 

Der  Beifall,  den  Sie  über  meine  noch  sehr  mangelhafte | 
(s.  3)  Grammatik  äufsern ,  thut  mir  wohl  und  ist  mehr  als  ich 
aus  dem  |  Munde  eines  bisherigen  Gegners  je  erwartet  hätte. 
Meinerseits  |  gebe  ich  mir  alle  Mühe ,  das  etwas  (darauf  in  aus- 
gestrichen) geschmeidiger  gewordene  |  grammatische  Eisen  warm 
zu  halten  und  seit  dem  Jahr,  das  nach  |  Beendigung  des  ersten 
Theils  verflofsen ,  ist  kaum  eine  Woche  ver-|flofsen,  wo  ich  nicht 
umzuarbeiten  und  zu  befsern  vollauf  gefunden  |  hätte.  Bei  näherer 
Bekanntschaft  mit  dem  Buche  werden  Sie  schon  |  merken,  wie 
oft  und  wo  es  hapert.  Der  zweite  Theil  soll,  so  Gott  will,  |  das 
nächste  Jahr  folgen  und  denke  ich  etwas  heiser  werden.  Auch 
in  I  der  äufsern  Anordnung;  der  erste  mufste  bogenweise  ohne 
Concept  I  in  den  Druck  geschrieben  werden,  so  dafs  sich  befserer 
erlangter  |  Einsicht  ungeachtet  vieles  gar  nicht  ändern  liefs.  Ein 
Haui)tfehler  |  ist  das  VVegbleibeu  der  Buchstaben  und  Lautlehre, 
die  umständlieh  hätte  |  dargethan  und  überall  (wie  nicht  geschehn 
ist)  befolgt  werden  sollen ;  doch  |  holTe  ich  nun  viele  Begeln 
befser  entwickeln  zu  können.  Zum  Theil  |  gebrach  es  an  Typen. 
Mittlerweile  lerne  ich  aus  Rasks  a.  s.  Gram-|matik,  aus  der 
schwedisciien  Aufl.  seiner  isländischen  und  aus  seiner  1  Preisschrift 


EIN    BRIEF    JACOB    GRIMMS    AN    FRIEDRICH    HEINRICH    VDHAGEN       97 

vieles  zu ;  dieser  Rask  ist  in  einigen  Puncten  gelehrter  |  und  tüch- 
tiger, als  wir  alle.  Meine  Meinung  vorn  Irans,  und  intrans.  | 
Verbum  wird  Theil  2.  umständlich  vorgelegt,  in  der  VVortbil- 
dungs-|lehre  hat  dieser  Unterschied  Einflufs,  aber  keinen  in  der 
Formlehre  oder  |  eigentl.  Coujugation.  Viele  Transitiva  stammen 
allerdings  |  vom  Prät.  Intrans.,  andere  müfsen  aber  auch  aus  dem 
Präsens  |  abgeleitet  werden.  Meine  3  u.  4te  schwache  conj.  be- 
fafsen  |  gröfstentheils  wahre  Intransitive.  —  Glauben  Sie,  dafs 
sich  in  ]  einem  altdeutschen  Denkmale  beide  Formen  f'rug  und 
fragte  zusam-jmen  und  in  verschiedner  Bedeutung  vorfinden? 
ich  zweifle.  Aber  |  ich  hoffe  jetzt  selbst  Spuren  eines  Futurums 
nachweisen  zu  |  (s.4)  [können,]^  das  io  unsern  ältesten  deut- 
schen (über  der  zeile  nachgetragen)  Sprachen  so  unbegreiflich 
ausgegangen  |  zu  seyn  scheint.  —  Ein  blofses  Versehen  war  es, 
dafs  die  Part,  Prät.  |  gewizzen,  gegunnenpp  nicht  angegeben 
worden  sind,  Sie  werden  |  bemerkt  haben,  dafs  merkwürdiger- 
weise von  einigen  derselben  |  die  (consequentere)  schwache  Form 
daneben  im  13  Jahrb.  be-^standen  hat,  namentl.  gewist.  Es 
darf  heifsen:    ich  han  gewizzen  |  und  ich  han  gewist. 

Auf  den  vierten  Band  Ihrer  Reise,-  worin  S,  Galler  Excerpte| 
seyn  werden,  bin  ich  begierig.  Ihre  Recensionen  von  Arndt) 
und  Mone  in  den  Wiener  Jahrb. ^  habe  ich  zwar  gelesen  aberj 
zu  flüchtig  (und  ich  halte  die  Zeitschrift  nicht)  als  dafs  ich  |  dazu 
Bemerkungen  machen  dürfte,  wiewohl  ich  gegen  manche  |  Be- 
hauptungen etwas  auf  dem  Herzen  habe,  z.  B.  Ihre  Erläuterung] 
des  doppelten  u.  Es  ist  mir  erfreulich,  dafs  Ihre  grofse  Nib,  | 
Ausg,  sobald  fertig  wird;  Schlegel  hat  sie  wohl  für  immer  auf- 
gegeben. I  Wegen  der  Übersetzungen ,  ob  sie  heilsam  oder  nicht, 
wollen  wir  uns  |  nicht  unnülhig  bestreiten,  ich  leugne  unsrer  Zeit 
innern  Drang  |  dazu  ab  in  Fällen ,  wo  Sie  ihn  (ausgestr.  a)  an- 
nehmen. Gegen  den  deutschen  ]  Shakespeare  bleiben  mir  aller- 
dings Einwendungen  übrig  und  ]  Vofsens  neuer,  steifstelliger 
bietet  wohl  neue  Argumente  her;  )  der  deutsche  Calderon^  ist 
noch  weniger  zu  schützen,  und  die  Müllner,  |  Donna  Diana  p^ 
machen  jetzt  unsre  Bühne  noch  langweiliger,  Über-lsetzungen, 
wie  ich  sie  gelten  lafse,  müfsten  auch  nach  ihrem  ümdichterl 
(wozu  ein  wahrer  Dichter  gehört)  überschrieben  werden,  nicht 
mehr  nach  |  dem  alten  Autor,  Es  scheint  mir,  dafs  ich  in 
unserer  heutigen  Poesie  |  schnäupischerf-  bin,  als  Sie;  au  Fouque 
kann  ich  mit  dem  redlichsten  |  Willen  nichts,  was  mich  er- 
baute, finden, 

Seyn  Sie  aufrichtigst  gegrüfst.         Jacob  Grimm. 

'  fehlt.  2  Briefe   in  die    heimat,   Breslau  1S21 ;    enthält  indes 

nichts    über    oder    aus    SGallen.  ^    1  (1818)  s.  170,    5(1819)    *.  262. 

*  es  kann  sowol  die  iibersetzung  von  Gries  wie  die  von  vdMals- 
hurg  gemeint  sein.  ^  vgl.   Goedekes  Grundriss  iii  372.  574.  ^  Hil- 

mar Idiotikon  361. 

A.  F.  D.  A.    XI.  7 


98  NOTIZEN 

Zl-  Zs.  2S,  376. 

KBreiil  hat  aao.  deu  separatabdnick  des  Schillerscheu  auf- 
satzes  Über  den  moralischen  nutzen  ästhetischer  sitten  in  genauer 
Zusammenstellung  aller  abweichungen  mit  dem  Wortlaut  des  hetr, 
passus  in  den  briefeu  an  den  herzog  von  Augustenburg  verglichen, 
zu  dieser  höchst  dankenswerten  leistung  möchte  ich  nur  eines 
bemerken,  und  zwar  zu  dem  aufangssatze,  'schon  Urlichs'  habe 
darauf  hingewiesen,  dass  jener  aufsatz  diesen  briefeu  entnommen 
sei:  es  hat  nämlich  bereits  KTomaschek  (Schiller  in  seinem  Ver- 
hältnisse zur  Wissenschaft  1S62  s.  245  fj  vermutet  dass  der 
aufsatz  aus  den  briefeu  an  den  Augustenburger  stamme  (wie  die 
andern,  auch  von  ürlichs,  Rundschau  S,  381  f,  genannten  auf- 
sätze  Von  den  notwendigen  gränzen  des  schönen ,  Über  die  ge- 
fahr  ästhetischer  sitten  und  Über  das  erhabene),  diese  Vermutung, 
die  Tomaschek  aus  inneren  und  äufseren  gründen,  aber  ohne 
striugenten  beweis,  geschöpft  hatte ,  ist  durch  die  auffindung  der 
briefe  glänzend  bestätigt  worden.  Urlichs  und  Breul  haben  sie 
übersehen;  es  mag  aber  wol  am  platze  sein,  bei  dieser  gelegen- 
beit  dem  gehaltvollen,  den  grösten  in  der  Schillerforschung  ge- 
machten fortschritt  darstellenden  werk  Tomascheks  die  gebürende 
ehre  nachträglich  zu  geben. 

Stuttgart.  Hermann  Fischer. 

Schönbach  macht  darauf  aufmerksam  dass  die  soeben  in  der 
Germ.  29,  402  f  nach  einer  abschritt  des  hrn  AJeitteles  mitgeteilte 
reimerei  über  die  15  zeichen  des  jüngsten  gerichts  längst  aus 
der  gleichen  Grazer  hs.  in  der  anm.  zu  s.  283,  1  fl'  von  Diemers 
Deutschen  gedichten  gedruckt  steht. 


Der  in  Wagners  Archiv  i  332  ff  beschriebene  druck  der 
SDorotheenlegende,  welcher  später  (s.  Germ.  24, 3S2)  von  Albert 
Cohn  in  Berlin  ausgeboten  wurde,  befindet  sich  zur  zeit  im  be- 
sitze der  antiquariatsbuchhandlung  Gilhofer  &Ranschburg,  Wien  i, 
Bognergasse  2. 


Am  7  august  1884  ertrank  beim  baden  zu  Binz  auf  Rügen 
Franz  Lichtenstein  im  fast  vollendeten  32  lebensjahre.  seine 
lehrer  beklagen  den  tod  eines  dankbaren  und  treuen  schülers, 
seine  freunde  den  eines  jeder  zeit  zuverlässig  erfundenen  ge- 
nossen ;  die  Wissenschaft  hat  einen  ihrer  hoffnungsvollsten  jünger 
verloren. 

An  der  Universität  Göttingen  wurde  der  privatdocent  dr  Fried- 
rich Bechtel  zum  ao.  professor  ernannt. 


tXc  evA^^^  fU^venf  pCl^f^W^t^ 


^^^^Ä  rmSar««"«-'^**'  '^**^  '•**" 


Huodlieb'Fol.  26b  und   12b. 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LIHERATUR 

XI,    2    MÄRZ    1885 

Mittelhochdeutsche  giammatik   von  Hermann  Paul,    zweite  aufläge.     Halle, 
Niemeyer,  1884.    iv  und  1G2  ss.    8".  —  2,60  m. 

Die  erste  ausgäbe  erschien  1S81  und  ist  in  unserem  Anzeiger 
VII  305  von  Franck  kurz  characterisiert  worden,  ich  muss  mir 
vorwerfen  dass  ich  durch  eine  höse  einzelheit,  die  mir  gleich  ins 
äuge  fiel  und  die  meinen  lebhaften  Widerspruch  herausforderte 
(sie  soll  sofort  uäher  erörtert  werden),  den  geschmack  an  dem 
buch  überhaupt  verderben  liefs.  ich  habe  jetzt  beide  ausgaben 
gelesen  und  eine  menge  wertvoller  bemerkungen,  auch  den  Vor- 
trag im  allgemeinen  klar  und  vielleicht  nicht  für  anfänger  überall 
auf  das  zweckmäfsigste  eingerichtet,  aber  für  unser  einen  durch- 
weg anregend  gefunden,  die  beständige  rücksicht  auf  das  nlid.  ist 
nicht  nur  didactisch  sehr  richtig,  sondern  ergibt  immer  zugleich 
wissenschaftliche  beobachtungen  zur  characteristik  unserer  heu- 
ligen spräche,  wenn  ich  das  buch  so  im  ganzen  schätze,  so 
muss  ich  freilich  den  Widerspruch  im  einzelnen  um  so  schärfer 
geltend  macheu. 

Wir  waren  bisher  doch  in  der  läge,  mittelst  der  grammatik 
eine  elementare  tatsache,  die  jedem  in  der  mhd,  poesie  bald  ent- 
gegentritt, vollkommen  befriedigend  aufzufassen:  den  unterschied 
zwischen  einem  zweisilbigen  stumpfen  und  einem  klingenden  reim, 
wie  soll  man  dies  mit  Pauls  grammatik  in  der  band  bewerkstel- 
ligen? wir  durften  sonst  in  der  metrik  an  die  grammatische  Un- 
terscheidung zwischen  tonlosem  (nicht  unbetontem,  wie  Paul  s.  7 
schreibt;  Beitr.  8,  187  stand  noch  das  richtige)  und  stummem  e 
anknüpfen,  diese  aber  ist  hinfällig,  wie  Paul  s.  7  erklärt,  und 
wir  werden  auf  Beitr.  8,  187  verwiesen,  wo  derselbe  Paul  sie  für 
'nichtig'  erklärt,  einen  beweis  dieser  nichtigkeit  kann  ich  durch  die 
belehrungen,  die  wir  aao.  empfangen,  nicht  erbracht  finden.  Paul 
liebt  es  seine  gescheidheit  in  ein  glänzendes  licht  zu  setzen,  in- 
dem er  annimmt  dass  alle  anderen  leute  gedankenlos  wären  und 
von  den  meinungen  dieser  anderen  leute  ein  bild  entwirft,  wel- 
ches eine  solche  annähme  in  der  tat  rechtfertigen  würde. 

Ich  überwinde  mich  auf  dit;  betrachtungen  der  Beitr.  8,  181  ff 
noch  ein  w^nig  einzugehen,  obgleich  ich  auf  Roediger  DLZ  1881 
sp.  1699;  Anz,  ix  333  verweisen  könnte. 

Die  ofTenbarungen  auf  s.  181  f  fassen  sich  in  dem  satze  zu- 
sammen: 'wir  dürfen  den  mhd.  dichtem  keine  anderen  formen 
zutrauen  als  solche,  die  aus  der  Volkssprache  aufgenommen  sein 
A.  F.  D.  A.    XI.  8 


100  PAUL    MITTELHOCHDEUTSCHE    GRAMMATIK 

können',  es  handelt  sich  um  gekürzte  formen :  vgl.  Mhd.  gramm. 
§  62,  Zusatz  der  zweiten  aufläge,  man  sollte  nun  meinen,  Paul 
werde  eine  Sammlung  gekürzter  formen,  die  sich  in  handschriften 
und  reimen  finden,  angelegt  und  daraus  Schlüsse  gezogen  haben, 
das  fällt  ihm  aber  gar  nicht  ein.  wenn  er  Zs.  21,  481  f  auf- 
schlagen will,  so  wird  er  sich  überzeugen  dass  ich  die  erwägungen, 
die  er  Beitr.  8,  181  f  anstellt,  notwendig  auch  muss  angestellt  haben, 
dass  ich  aber  um  eben  dieser  erwägungen  willen  nach  beispielen 
von  starken  kürzungen  suchte  und  auf  solche  verwies,  auch  ich 
glaube  dass  die  kürzungen  der  dichter  auf  kürzungen  der  Volks- 
sprache beruhen;  kürzungen  sind  verhältnismäfsig  spärlich  über- 
liefert, weil  die  Schreiber  nicht  die  gesprochene  spräche  getreu- 
lich widergaben;  aber  die  kürzungen,  die  ihnen  entschlüpften, 
reichen  aus,  um  die  kürzungen,  die  Lachmann  annahm,  zu  recht- 
fertigen, wie  viel  ein  dichter  zuliefs  und  wann,  das  können  wir 
allerdings  nur  aus  dem  metrum  entnehmen,  wir  haben  also  nicht 
den  mindesten  grund,  hier  von  Lachmann  abzuweichen. 

S.  183  'sobald  ein  e  durch  die  lautentwicklung  verschwun- 
den ist,  kann  es  doch  für  den  dichter  ebenso  wenig  in  betracht 
kommen,  als  wenn  es  niemals  vorhanden  gewesen  wäre.'  ganz 
gewis!  und  Lachmann  war  so  dumm,  das  nicht  einzusehen?  er 
war  natürlich  der  ansieht  dass  ein  dichter,  der  ein  e  au  einer 
bestimmten  versstelle  nicht  schwinden  lassen  wollte,  die  form  mit 
e  nicht  blofs  noch  kannte,  sondern  auch  für  die  eigentlich  regel- 
mäfsige  hielt.  Lachmann  suchte  aus  der  metrik  die  feinere  eigen- 
heit  der  spräche  zu  lernen,  während  man  heute,  im  cultus  des 
buchstabens  befangen,  die  metrik  nach  der  zufällig  überlieferten 
Schreibung  beurteilt. 

S.  185  'jedenfalls  ist  silbenverschleifung  nichts  als  ein  wort, 
dessen  erfindung  und  anwendung  man  beklagen  muss,  wenn  es 
zu  der  meinung  verführt,  dass  es  nun  nicht  mehr  nötig  sei  sich 
die  Sache  selbst  klar  zu  machen.'  soll  doch  wol  heifsen  dass  sich 
noch  niemand  die  sache  recht  klar  gemacht  habe.  Paul  fragt, 
ob  das  e  in  einem  solchen  falle  ausgesprochen  werde  oder  nicht, 
er  entscheidet  sich  für  ausspräche  und  ist  dann  so  freundlich  zu 
erlauben  dass  man  auch  künftig  von  silbenverschleifung  spreche, 
'so  lange  man  damit  keine  andere  Vorstellung  verbinden  will,  als 
dass  in  einem  dreisilbigen  fufse  die  beiden  ersten  silben  nur  so 
viel  Zeitdauer  in  anspruch  nehmen  dürfen  als  in  einem  zweisil- 
bigen die  erste  allein.'  dies  alles  und  vieles  andere  in  einem  tone, 
als  wenn  es  noch  niemand  gewust  hätte,  da  es  wol  hauptsäch- 
lich wider  die  'Lachmannsche  schule'  sein  soll,  welche  sich,  in 
blinder  nachbetung  mit  einem  worte  zufrieden,  die  sache  nicht 
klar  gemacht  hat,  so  darf  ich  bitten,  nicht  ganz  übergangen  zu 
werden,  was  zGDS''  633  über  die  verschleifung  steht,  genügt  viel- 
leicht um  zu  beweisen  dass  ich  darüber  nicht  viel  anders  als  Paul 
denke  und  dass  ich  selbst  seinen  s.  190  geäufserten  ansichten  über 


PAUL    MITTFXHOCHDEÜTSCHE    GRAMMATIK  101 

die  verschleifung  in  der  Senkung  nicht  principiell  feindlich  gegen- 
über stehe;  aber  dass  man  Lachniann  so  kurzer  band  widerlegen 
könne,  wie  sich  Paul  das  denkt,  glaube  ich  allerdings  nicht,  in 
meinen  Vorlesungen  über  metrik  habe  ich  die  verschleifung  immer 
ähnlich  erklärt,  wie  es  Paul  s.  186  und  190  tut  (vgl.  auch  zGDS'  81). 
sehen  wir  die  hebung  als  eine  halbe,  die  Senkung  als  eine  Viertel- 
note an,  SO  wird  bei  verschleifung  auf  der  hebung  die  halbe  note 
durch  zwei  viertel,  bei  verschleifung  auf  der  Senkung  die  Viertel- 
note durch  zwei  achtel  ersetzt,  die  siiben,  welche  den  beiden 
achteln  entsprechen ,  müssen  von  besonders  leichter  nalur  sein, 
welche  Silben  leicht  genug  sind,  darüber  haben  möglicher  weise 
verschiedene  dichter  verschieden  gedacht,  umfassende  beobach- 
tungen  darüber  wären  erwünscht;  aber  ob  sie  ein  reines  resultat 
liefern  werden,  darf  man  bezweifeln,  es  werden  vermutlich  manche 
fälle  übrig  bleiben,  die  einer  doppelten  beurteilung  unterworfen 
sind,  da  mit  der  möglichkeit  starker  kürzuug  gerechnet  werden 
muss. 

Den  unterschied  zwischen  tonlosem  und  stummem  e  nun  (s.  187) 
hat  meines  wissens  nie  jemand  anders  aufgefasst  als  Paul  es  tut, 
dh.  man  hat  immer  den  hauptwert  auf  die  uatur  der  vorhergehen- 
den silbe  gelegt,  soll  die  lerminologie  getadelt  werden,  so  lägen 
berechtigte  bedenken  eher  gegen  die  bezeichnung  'tonlos'  als  gegen 
die  bezeichnung  'stumm'  vor.  denn  im  sinne  der  Lachmannschen 
betonungsregeln  entspricht  das  tonlose  e  einer  tieftonigen  silbe 
des  ahd.  und  trägt  noch  im  mhd.  einen  nebenaccent.  aber  ich 
halte  jede  terminologie  für  gut,  sobald  sie  unzweideutig  und  ein- 
gebürgert ist;  und  die  freude  an  neuen  terminologien,  welche  bei 
manchen  gelehrten  so  grofs  ist,  habe  ich  nie  begriffen,  dass  nun 
das  tonlose  und  das  stumme  e  auch  ihrer  eigenen  beschaffenheit 
nach  verschieden  sind,  darüber  hat  Roediger  hinlänglich  gespro- 
chen; und  die  neigung  zum  verstummen  rechtfertigt  den  namen 
des  'stummen'  e. 

Noch  weiter  als  Paul  scheint  hier  Wilmanns  im  Widerspruche 
gegen  Lachmann  und  im  cultus  des  buchstabens  zu  gehen,  indem 
er  (Walther^  s.  44)  versetzte  oder  schwebende  betonungen  wie 
sumer,  dise  annimmt  und  sie  auf  eine  linie  mit  bettet  singet  stellt. 

Indem  ich  auf  eine  weitere  discussion  des  zweiten  dem  ac- 
cent  gewidmeten  capitels  verzichte  und  mich  dem  übrigen  inhalte 
des  buches  zuwende,  lege  ich  Verwahrung  ein  gegen  das  jähr  1100 
als  gränze  zwischen  ahd.  und  mhd.  (s.  2)  und  gegen  die  äufse- 
rungen  auf  s.  3,  welche  des  verf.s  längst  widerlegte  ansieht  über 
die  mhd.  Schriftsprache  festhalten,  die  baierischen  diphthonge, 
wenigstens  ou  für  n,  sind  nicht  'schon  im  xnijh.'  (s.  42),  son- 
dern bereits  im  lljh.  vorhanden. 

In  bezug  auf  die  ausspräche  des  e  und  e  acceptiert  Paul  s.  5 
die  ansichten  von  Franck  Zs.  25,  218.  vgl.  dazu  §  43  anm.  (zu- 
satz  der  zweiten  aufläge). 

8* 


102  PAUL    MITTELHÜCHDELTSCHE    GRAMMATIK 

Die  sonstigen  abweichungeu  der  zweiten  von  der  ersten  auf- 
läge innerhalb  der  laut-  und  flexiouslehre  zu  erwähnen,  bietet 
kein  hinlängliches  interesse  dar.  dass  jetzt  von  o-släuimen  statt 
von  a-stämmeu  geredet  und  demgemäls  auch  die  urgernianischen 
grundfornien  angesetzt  werden,  kann  ich  durchaus  nicht  hilligen ; 
der  standpunct  des  germanischen  wird  damit  ganz  unnötig  ver- 
lassen (lies  §  132  'rf-stämme',  §  135  und  136  'a-dechnation';  §  133 
'wo  das  nhd.'). 

Die  hauptabweichung  der  zweiten  aufläge  von  der  ersten 
besteht  in  dem  versuch  einer  mhd.  syntax,  durch  welche  Paul 
das  buch  bereichert  hat.  Paul  gefällt  sich  zwar  in  einem  absicht- 
lich unsystematischen  Vortrag;  das  System  von  Miklobich  ist  für 
ihn  nicht  vorhanden,  obgleich  sich  leicht  zeigen  liefse  dass  seine 
eigene  betracbtungsweise  darauf  hindrängt,  aber  wenn  der  Vor- 
trag auch  noch  viel  unsystematischer  wäre ,  wenn  man  auf  we- 
sentliche liickeu  oder  arge  fehler  stiefse:  so  niiiste  jeder  gerechte 
beurteiler  sich  des  geleisteten  freuen  und  dem  verf.  dafür  danken, 
hier  ins  einzelne  zu  gehen,  ist  mir  zu  meinem  bedauern  unmög- 
lich, an  der  wunderlichen  ausdehnung,  die  im  §  183  dem  he- 
grilTe  der  adverbialen  bestimmungen  gegeben  wird,  muss  sich  nie- 
mand stofsen:  die  sache  hat  keine  schlimmen  folgen. 

Berlin,  11  november  1884.  W.  Scherer. 


Mittelhochdeutsche  grammatik  von  dr  Karl  Weinhold,    zweite  ausgäbe.    Pa- 
derborn, Schöningh,  1S83.    xii  und  604  ss.    S**.  —  8  m.* 

Wenn  ein  buch  von  der  anläge  des  vorliegenden  bereits  nach 
sechs  Jahren  eine  neue  aufläge  erlebt,  so  spricht  das  deutlich  für 
seinen  grofsen  wert,  wie  schon  in  seiner  früheren  ist  das  buch 
daher  auch  in  seiner  jetzigen,  äufserlich  und  innerlich  verbesser- 
ten gestalt  von  allen  Seiten  mit  beifälligstem  danke  aufgenommen 
worden. 

Jede  Seite  der  neuen  ausgäbe  lässt  die  nachbessernde  band 
erkennen;  die  beispiele,  die  den  hauptwert  des  Werkes  ausmachen, 
sind  teils  aus  früher  schon  benutzten,  teils  und  hauptsächlich  aus 
neu  zugänglich  gewordenen  (juellen  stark  bereichert  worden,  der 
umfang  des  buches  ist  von  523  auf  604  selten  gestiegen,  in  so 
fern  die  bcreicherung  besonders  dem  md.  und  fränkischen  zu 
gute  kommt,  legt  sie  zugleich  Zeugnis  ab  für  die  erfreuliche  tat- 
sache,  dass  das  interesse  sich  jetzt  mehr  diesen  dialecten  zuge- 
wandt hat.  in  sprachlicher  hinsieht  ist  zu  wünschen  dass  ihr 
Studium  sich  immer  selbständiger  vom  mhd.  mache,     namentlich 

[*  vgl.  Litt,  centralbl.  1881  nr  4.  —  Gott.  gel.  anz.  1884  nr  11  (MRoe- 
diger).  —  Litteraturbl.  für  gerni.  und  rouiaii.  philologie  1884  sp.  89  (üBe- 
hagl.el).] 


WEirSHOLD    MIII».    GRAMMATIK  103 

der  geschichte  der  diphthougieruug  des  t^,  u  und  in  uüd  den 
schicksaleu  der  diplilbouge  ie  und  uo  ist  jetzt  ein  grüfserer  räum 
gewidmet;  Bechs  arbeit  (Zeitzer  programm  18S2)  hat  zusätze  ver- 
anlasst in  §  373  und  401  (gegen  '356  und  384;  aber  Gregor  775 
ist  sicher  ellipse  anzuuebmeu) ;  einiges  neue  steht  auch  §  495  und 
§  509  im  letzten  absalz.  vgl.  ferner  zb.  die  belege  in  §  204  gegen 
M86,  §  236  gegen  '218,  §  394  s.  425  gegen  '§  377  s.  371.  eine 
nicht  zu  billigende  änderung  findet  sich  im  §  73;  die  erkläruug  von 
vennf  Vidi,  in  '§  119  war  richtiger,  sehr  zum  vorteil  des  buches  ist 
das  register  beinahe  aul  den  doppelten  umfang  gebracht,  nach  dem 
Vorgang  der  Kleinen  mhd.  grammatik  ist  in  einem  puncte  auch 
die  aoorduung  wesentlich  geändert  worden:  in  der  darstellung 
des  vocalismus  werden  jetzt  die  einzelnen  laute  unter  den  ihnen 
zu  gründe  liegenden  ahd.  oder  europ.  behandelt,  während  in  der 
ersten  aufläge  die  gleichartigkeit  der  resultate  das  einteiluugsprin- 
cip  bildete,  in  folge  dessen  behandeln  nun  die  §§  76 — S8  auch 
die  vocale  der  nebensilben  im  Zusammenhang;  freilich  finden  sich 
dieselben  merkwürdiger  weise  zwischen  den  kurzen  und  langen 
vocalen  mit  dem  nicht  passenden  titel  'irrationale  vocale'  eingefügt. 
Was  die  erste  aufläge  lehrte,  ist  also  in  seiteneu  fällen  mo- 
dificiert,  in  sehr  vielen  durch  weitere  belege  befestigt,  aber  man 
kann  nicht  sagen  dass  der  Verfasser  viel  seitdem  neu  gelerntes 
vortrage,  die  grammatischen  arbeiten  der  letzten  jähre,  welche 
von  ihrem  allgemeineren  staudpunct  aus  gerade  auch  die  erkennt- 
nis  der  germ.  sprachen  so  sehr  förderten,  sind  zwar  grofsenteils 
eingetragen,  aber  mau  merkt  nur  selten  dass  sie  befruchtend  ge- 
wüi'kt  haben,  sogar  ein  rückschritt  gegen  die  frühere  aufläge  ist 
zu  verzeichnen,  während  in  dieser  der  §  330  sich  dazu  verstand, 
die  reihe  a  6  von  den  e-reihen  zu  trennen,  nimmt  jetzt  §  346  die 
erstere  wider  als  vierte  a-reihe  auf.  also  ein  allseitig  anerkanntes 
resultat  der  Sprachwissenschaft,  die  lehre  von  dem  schon  in  der 
grundsprache  waltenden  unterschied  zwischen  a  und  A,  die  auch 
von  eminenter  practischer  bedeutung  ist,  indem  sie  dem  lernen- 
den da  harmonie  zeigt,  wo  er  sonst  durch  eine  lästige  dissonanz 
gestört  werden  würde,  ist  geopfert,  wozu,  muss  man  fragen,  an 
auslebten  festhallen,  die  endgiltig  von  der  Wissenschaft  zurück- 
gewiesen sind,  zb.  au  den  grundvocaleu  aiu,  an  den  §  17  be- 
sprochenen nebentönen  ?  warum  soll  durchaus  das  md.  mit  e  gegen- 
über hd.  i  einen  älteren  zustand  bewahrt  haben,  während  es  doch 
tatsache  bleibt  dass  i  bereits  gemeingermanisch  war?  wie  muss 
sich  W.  im  §  46,  und  doch  ohne  erfolg,  der  entgegengesetzten  an- 

*  gegenüber  dem  aus  der  seltentieit  der  bindung  von  neuem  mit  altem 
ei  gezogenen  Schlüsse,  dass  die  dichter  das  erstere  als  'nicht  Schriftdeutsch' 
gemieden  hätten,  ist  vorsieht  geboten,  es  hat  ja,  wie  W.  selbst  vermutet, 
Wahrscheinlichkeit  dass  die  laute  sich  nicht  ganz  deckten  (vgl.  s.  107);  mit- 
hin besteht  die  mögiichkeit  dass  die  reime  deshalb  gemieden  wurden,  die 
s.  102  (vgl.  §  118)  dargelegten  tatsachen  scheinen  mir  mehr  für  diese  auf- 
fassung  zu  sprechen. 


104  WEINHOLD    MHÜ.    GRAMMATIK 

sieht  ZU  liebe  wiudeu !  wenu  indog.  i  md.  zu  e  wird,  warum  dann 
nicht  auch  germ.  i?  in  6inera  lalle  dürfte  das  tränk,  e  allerdings 
älter  sein  als  hd.  i,  in  der  1  p.  sing.  ind.  praes.  der  verba  wie 
geben,  Stelen,  tcerfen.  aber  die  Zimmer-Paulsche  erklärung  wird 
nicht  etwa  angenommen,  ist  denn  diese  erklärung  des  nur  hd. 
und  Sachs,  i  gegenüber  dem  lautlich  gerechtfertigten  und  in  den 
anderen  germ.  sprachen  würklich  vorhandenen  e  in  der  tat  we- 
niger wahrscheinlich  und  gesichert  als  die  herleituug  der  partikela 
dd  und  sä  aus  tati^d  und  satrd  (§  24)  oder  vieles  andere  hier  ohne 
bedenken  vorgetragene?  dass  die  verbalabstracta  wie  trip,  grif, 
hiz  keine  «-stamme  sind  (§  54),  müssen  schon  die  analoga  hrnch, 
Spruch  und  guz,  ßuz,  zuc  lehren;  auf  ihre  eigeuschaft  als  «-stamme 
ist  oft  genug  hingewiesen  worden  (vgl.  Braune  im  Litter.  centralbl. 
1882  sp.  575;  Auz.  viii  318;  Sievers  Ags.  gramm.  §  263;  meine 
Mnl.  gr.  §  176).  das  richtige  über  das  b  in  zimbar  (aus  zimr-) 
(§  260)  lehrte  bereits  Holtzmann  Altd.  gr.  s.  314.  das  nicht  sehr 
schwierige  Verhältnis  von  quellen  und  queln  behandelt  im  Zusam- 
menhang Paul  Beiträge  7,  114 If;  hier  aber  heifst  es,  queln  sei 
'aus  dem  positiouslangen  quellen  in  der  regel  gekürzt',  meine  Un- 
tersuchung über  e  und  e  (Zs.  25,  218)  wird  zwar  erwähnt,  aber 
die  richtige  ansieht  (die,  nebenbei  bemerkt,  auch  Heyne  in  seiner 
Altgerm,  gramm.  deutlich  ausspricht)  zurückgewiesen;  ohne  rück- 
sicht  darauf  figuriert  loellan  weiter,  für  welches  Sievers  jetzt  (Bei- 
träge 9,  564)  in  allerdings  wol  unvermeidlicher  consequenz  loal- 
jan  als  grundform  ansetzt,  was  hat  man  denn  —  ich  erwarte  die 
antwort  auf  diese  frage  —  für  e  geltend  zu  machen?  bis  heute 
ist  auch  nicht  die  spur  eines  gm  u des  beigebracht  worden,  und 
die  annähme  von  xoellen  setzt,  ob  man  nun  e  richtig  als  ä,  oder 
falsch  als  e'  fasst,  in  den  talsachen  die  crassesten  Widersprüche 
voraus. 

Dass  der  referent  die  volle  anerkennung  der  resultale  der 
Sprachwissenschaft  bei  grammatischen  darstellungen  für  notwen- 
dig erachtet,  hat  er  früher  deutlich  genug  ausgesprochen;  vgl.  be- 
sonders die  recension  Anz.  viu  312  fl".  demgemäfs  muss  sich  auch 
sein  urteil  über  dieses  buch  gestalten,  wenu  Weinholds  werk 
vielleicht  auch  für  alle  zeit  genügend  bleiben  sollte  als  übersicht- 
lich angelegte  materialsammlung  zum  Studium  der  mhd.  und  md. 
litteratur,  so  ist  doch  das  problem  einer  mhd.  grammalik  in  dem- 
selben nicht  gelost,  weil  es  sich  aber  um  eine  trotzdem  wert- 
volle leistung  handelt,  fühlt  referent,  getragen  von  dem  wünsche, 
auch  die  mangelhaften  seilen  noch  einmal  ergänzt  zu  sehen,  sieh 
veranlasst,  auf  früher  gesagtes  zurückzukonnnen. 

Warum  will  man  mutwillig  die  schranken,  welche  in  folge 
der  ausbreitung  der  eiuzelnen  disciplinen  leider  schon  vorhanden 
sind,  noch  vermehren?  mau  hat  in  nnvcrblilmter  weise  von  einem 
unterschiede  gesprochen,  der  tatsächhch  nicht  besteht,  wenigstens 
nicht  so,  wie  man  ihn  darstellt,  einem  unterschiede  zwischen  philo- 


WEINHOLD    MHD.    GRAMMATIK  105 

logischer  und  sprachwisseüschal'tlicher  oder  liuguislischer  grain- 
matik.     wir  wollen  davon  absehen  dass  darin  eine  unberechtigte 
beschränkuDg  für  die  philologie  liegt,  der,   sobald  sie  sich  uni- 
versell fühlt,  die  spräche,  als  äufserung  des  menschlichen  geistes, 
auch  unmittelbares  object  sein  muss,    geben  wir  aber  einmal 
zu  dass    dem  philologen    die  spräche  nur  mittel  sei.     er  konnte 
sich  allerdings  mit  einer  kenntnis  des  jeweiligen  Sprachbestandes 
begnügen,   mit  einer  übersieht,  so  weit  sie  erforderlich  ist,  um 
eine  vorkommende  form  zu  rechtfertigen,     seine  grammatik  hätte 
sich  nicht  darum  zu  kümmern,  ob  ein  e  jemals  ein  a  war,  von 
der  lautverschiebung  würde  sie  nicht  berührt,    die  deutsche  gram- 
matik hat  sich  nie  in  diese  schranken  gebannt,  weil  mit  der  germ. 
philologie   zugleich  die   Sprachwissenschaft   geboren   wurde  und 
weil   bei    der  darstellung   sowol  wie  beim    lernen  die  genetische 
methode  unendliche  vorteile  bietet,    hat  man  nun  das  recht,  auf 
halbem  wege  stehen  zu  bleiben?   die   practische   grammatik  darf 
sich  beschränken,  soweit  sie  es  für  practisch  erachtet,  aber  sie 
darf  nichts  lehren,  was  den  resultaten  der  Sprachwissenschaft  wi- 
derspricht;   sie  hat  kein  recht,    dinge  als  gleichartig  zusammen- 
zustellen, von  denen  man  weifs  dass  sie  nichts  mit  einander  zu 
tun  haben,  oder  ein  e  als  epeuthetisch  zu  bezeichnen ,  von  dem 
nachgewiesen  ist  dass  es  schon  vor  tausenden  von  jähren  bestand, 
den  beweis,  dass  die  practische  grammatik  ihre  zwecke  bei  Ver- 
meidung solcher  fehler  nicht  ebenso  gut  erreichen  würde,  ist  man 
bisher    schuldig    geblieben,     wer    nach    anderen   richtungen    hin 
solche  leistungen  aufzuweisen  hat,  wie  W.,  dem  darf  man  es  nach- 
sehen, wenn  er  die  speciell  sprachwissenschaftliche  litteratur  nicht 
ganz  umfasst;  aber  nicht  ist  es  verzeihlich,  wenn  er  sich  mit  ab- 
sieht den  resultaten  anderer  verschliefst,    seine  gruppeu  von  bei- 
spielen  sind  häufig  keine  würklichen  belege  für  bestimmte  erschei- 
nungen,    sondern    zusammenfügungen    nur    äufserlich    ähnlicher 
dinge,  die  der  forschung  zu  entwirren  und  im  einzelnen  aufzu- 
klären bleiben,     dieses   äufserliche   zusammenfassen  verleitet  ge- 
rade dazu,  notwendige  Scheidungen  und  Untersuchungen  zu  un- 
terlassen, und  es  verschwimmen  dabei  sehr  leicht  die  perspectiven, 
die  durchaus  notwendig  sind,     so    steht  im  §  45  hrengen   unter 
sporadischem  e  für  i,  während  es  sich  tatsächlich  mit  ihm  ganz 
anders  verhält:  es  ist  in  gewissen  gebieten  regel,  wo  e  für  i  nur 
ganz  vereinzelt  oder  auch  gar  nicht  auftritt,  und  andere  schliefsen 
darum    mit  recht  auf   eine  grundform   brangjan  (alts,    brengian). 
unter  ä  für  a  §  24  hnden  sich  ganz  verschiedene  dinge  zusam- 
men ,   grofsenteils  sogar  echte  alte  längen,     unter  der  scheinbar 
erklärenden  rubrik  'umlaut,    nach  analogie'  vereinigt  §  28  fälle, 
die  nichts  mit  einander  zu  tun  haben,  zum  teil  noch  der  erklä- 
ruug  harren  (irrtümlich  darunter  auch  meiere  mit  e,  umlaut  von 
d).    im  §  33  verführt  diese  art  zu  einer  höchst  bequemen  erklä- 
rung  des  md.  mimen,  nomen  (nl.  noemen);  die  linguisten,  denen 


106  WEINHOLD    MHD.    GRAMMATIK 

diese  l'urm  begegnete,  haben  keinen  augeublick  gezweifelt  dass  das 
verbum,  nebst  chinomidm  Isid.  15,  21,  echten  alten  ablaut  6  von 
a  (iiamo)  bewalire.  §  90  bespricht  den  eintritt  von  ü  für  ä  in 
Wurzelsilben;  dabei  steht  auch  iü«n</fe  'worauf,  das  doch  sicher- 
lich nicht  aus  wdtaffe,  sondern  aus  in  der  ersten  silbe  unbetontem 
und  geschwächtem  w'ruffe  zu  erklären  ist.  ebenso  wenig  ist  in  be- 
schiiren  'schoren'  ä  zu  ii  geworden,  das  verbum  vielmehr  in  eine 
andere  coujugationsclasse  übergetreten  (vgl.  Mnl.  gramm.  §  149). 
§  114  wird  kölnisch  bunyarL  'baumgarien'  als  beispiel  von  «  für 
d  (ou)  gegeben,  während  es  die  ganz  gewöhnliche  kürzung  hon  - 
gart,  bongert  <^  bungart,  buugert  darstellt,  auch  bezüglich  der 
consonanlen  ist  dies  vvort  §  218  in  ein  falsches  licht  gerückt; 
es  hat  nicht  n  für  m,  sondern  in  begreiflicher  assimilatiou  gut- 
turalen nasal  für  labialen  (aus  mg  ng,  daraus  n).  lufer  in  §  114 
hat  gleichfalls  nicht  ü  für  ou,  sondern  alten  ablaut  u,  wie  das 
{»art.  geloffen  (vgl.  Kluge  Etym.  wb.  unter  laufen),  es  ist  jetzt  rhei- 
nisch In  ff  er ,  liffer.  auch  kuchzler  'gaukler'  hält  in  diesem  zu- 
sammenhange nicht  stich,  altes  ü  ist  durch  mnl.  gükeler  und  unl. 
guichekn  gerechtfertigt,  vage  ist  die  defmition  von  formen  wie 
suich  'vide'  §  50  (vgl.  §  53),  sie  haben  keinen  'schwebelaut'  — 
die  'schwebelaute'  sind  überhaupt  eine  böse  erfindung  — ,  sondern 
echtes  ü,  resp.  u.  sie  kommen  in  den  verbis  auf  -ehaii  bekannt- 
lich vielfach  vor  (auch  im  heuligen  nd.  und  nrh. :  koln.  hä  süt, 
imper.  sMc/i  (gekürzt));  die  erklärung,  dass  die  verba  in  folge  der 
Übereinstimmung  der  Infinitive  (sien :  zien,  resp.  sen :  ten)  in  die 
M-klasse  übergetreten  seien,  genügt  vollständig. 

Es  kommt  mir  nicht  darauf  an,  diese  liste  zu  vervollständigen. 
da  ich  aber  nun  doch  einmal  meine  aufgäbe,  über  das  Verhältnis 
der  zweiten  zur  ersten  aufläge  zu  berichten,  überschritten  habe, 
so  sei  es  mir  gestattet,  noch  diejenigen  ansichten  kurz  zu  be- 
sprechen ,  die  meines  erachtens  auch  von  Weinholds  standpunct 
aus  nicht  zu  halten  sind. 

Zunächst  wende  ich  mich  gegen  drei  puncle,  die  mit  Vorliebe 
falsch  dargestellt  werden,  dem  md.  und  nd.  schreibt  man  'sprOdig- 
keit  gegen  den  umlaut'  zu  (hier  §  2.  27).  ich  habe  das  für  das 
mnl.  in  meiner  granunatik,  für  das  mnd.  Anz.  vui  319  f  zurück- 
gewiesen und  muss  dasselbe  hier  für  das  md.  tun.  richtig  kann 
der  satz  höchstens  in  beziehung  auf  einzelne  längen  und  diph- 
thonge  heil'sen.  das  zeigen  die  heutigen  Verhältnisse,  die  den 
wichtigsten  mafsslab  für  die  beurteilung  abgeben  müssen ,  wäh- 
rend man  sich  allzu  sehr  an  die  älteren  sclu'eibungen  hält  und 
vergisst  dass,  vom  umlaut  e  abgesehen,  die  vocalnüancierungen  eben 
häufig  unbezeichnet  bleiben,  auch  ist  es  etwas  anderes  als  sprö- 
digkeit  gegen  den  undaut,  wenn  derselbe  durch  ausgleich,  durch 
neubihlungen  beseitigt,  wenn  also  zu  varen  eine  neue  3  person 
vart  gebildet  wiid.  die  am  Schlüsse  des  §  27,  in  §  28  und  am 
ende  von  §  383  angeführten  talsachen  sprechen    auch  gar  nicht 


WEINHOLD    MllÜ.    GRAJIMAliK  107 

für  die  spiödigkeit.  iu  diesem  zusaninieuliange  wäre  aucii  das  e 
für  0,  w  zu  ueuneü  (§  67),  welches  ein  iü  ganz  Milleldeutschlaud 
bekannter,  in  folge  des  r  statt  ü,  i  eingetretener  unilaut  ist: 
ferschi,  werscht,  scherz,  berscht,  verderschle,  derfe  usw.  (vgl.  Mnl. 
gr.  §  35).  —  zweitens  meine  ich  die  vocak|uantität  vor  cht.  die 
neueren  sprachen  zeigen  deutHch  genug  eine  neigung  zur  kür- 
zung;  dem  entsprechend  nimmt  denn  auch  W.  §  102  kürze  in 
brechte  usw.  an  (§  122).  dagegen  tritt  §  121  ein  fräuk.  dockte 
(dünkte)  (-.mochte!)  mit  unmöglichem  ö  für  ti  trotz  Behaghel  Eneide 
s.  XLH  auf,  und  §  90  sollen  im  Bresl.  Williram  gehrohta,  sogar  im 
Trierer  Floyris  brockte  uä.  beweise  für  6  statt  d  abgeben;  selbst  dem 
mnl.  werden  brockte  usw.  zugeschrieben,  obwol  dieselben  neben 
dem  regelmäfsigen  brockte  kaum  spurvveise  existieren  (Mnl.  gramm. 
§  41  l).  es  ist  überall  kürze  anzunehmen;  im  Litteraturbl.  für 
germ.  und  roman.  philologie  1S84  sp.  423  meint  Kögel  sogar 
für  rs'otker  kürze  coustatieren  zu  dürfen,  umgekehrt  geht  es  mit 
den  vücalen  vor  rt  und  rd.  ubwol  sich  eine  verkürzende  wür- 
kuug  dieser  Verbindungen  kaum  constatiereu  lassen  wird,  die  deh- 
nende dagegen  aus  den  neueren  sprachen  wider  sattsam  bezeugt 
ist,  nimmt  man  hartnäckig  reime  wie  gekart  (von  keren) :  vart, 
larte  (von  leren)  :  arte  (§  96.  97.  101),  anderwärts  auch  korde  (von 
hören)  :  ivorde  an ;  W.  lässt  sich  sogar  durch  seine  eigene  bemer- 
kung  am  ende  des  §  101   nicht  davon  abbringen. 

§  63  steht  unter  den  beispielen  fälschlich  beclummen.  —  §  99 
und  136.  es  muss  darauf  geachtet  werden,  ob  sich  nicht  für  den 
INiederrhein  eine  andere  lautliche  form  als  priester  (freister?) 
rechtfertigen  lässt.  schon  die  viermalige  bindung  priester  :  meister 
bei  Veideke,  der  sicher  nicht  so  viel  unreine  reime  brauchte,  wie 
Behaghel  ihm  zuschreibt,  macht  ihre  existeuz  wahrscheinlich;  auch 
im  mnl.  ist  preester  belegt.  —  wie  kommt  §  133  bongen,  böugen 
(*bangjan)  unter  die  beispiele  von  on  f^lr  iu?  auch  die  übrigen 
werden  wol  verschwinden,  der  reim  a""-^  dem  Pilatus  ist  zweimal 
(als  Zeile  9  und  7)  verwertet.  —  warum  §  151  die  äufserliche 
formulierung  'd  geht  nach  dem  kurzen  vocal  in  t  über',  die  ja 
bei  queden  und  werden  gar  nicht  stimmt?  —  ganz  rätselhaft  ist 
mir  die  fassuug  von  §  167;  im  1  und  2  absatz  ist  alles  dunkel 
und  teilweise  falsch  trotz  tatsächlich  klaren  Verhältnissen,  bei  dup- 
pinne  ist  §  164  vergessen;  ein  analogou  ist  mhd.  ivülpitme  'wöl- 
tin'.  die  Verwirrung  setzt  sich  fort  in  §  168.  170.  171,  und  die 
Veränderung  des  Wortlautes  gegen  §  154  der  1  ausgäbe  trägt  uur 
noch  mehr  dazu  bei.  so  viel  erkennt  man,  dass  der  Verfasser 
germ.  pp  und  p  zusammenwirft;  er  sagt  'nach  kurzen  vocalen 
wird  p  gewöhnlich  verdoppelt'  (appel  usw.),  daher  haben  ihm 
(§  170)  aphel  und  klaffen,  trophe  und  laufen  ursprünglich  den- 
selben wurzelcousonanten,  und  daher  schreibt  sich  vielleicht  auch 
der  satz  (§  169)  'ph  (pf)  ersetzt  hochdeutsch  die  tonlose  lippen- 
aspirala,  welche  durch  Verschiebung  des  gemeingerm.  p  entstehen 


108  WEINBOLD    MHD.    GRAMMATIK 

sollte  (pflegen  usw.)',  —  §  205.  das  heutige  urh.  heschen,  hiesch 
(heifseu)  beweist  dass  seh  nicht  schril'tzeichen  für  z  ist.  —  §  206 
werden  aleraan.  reime  wie  laste  (von  leschen) : glaste  gewis  richtig  als 
laschte :  glaschte  gefasst.  ich  möchte  daraufhinweisen  dass  auch  die 
st  für  sct  bei  Notker  wol  bereits  auf  gleiche  weise  zu  deuten  sind. 
—  im  capitel  von  der  Stammbildung,  wo  W.  sich  allerdings  reser- 
viert, steht  sehr  viel  unhaltbares,  aber  warum  die  inconsequenz, 
Verlust  mit  suftix  t  anzusetzen,  wenn  durst  und  ttirst  sufüx  st  haben 
sollen  ?  —  §  303.  es  ist  eine  Verwechslung  des  vers-  und  prosa- 
accentes,  wenn  die  richtige  tatsache  formuliert  wird,  das  praeüx  ge 
sei  im  partic.  der  Wörter  auf  -ieren  [und  anderer  participia  fremden 
Ursprungs  mit  dem  ton  auf  der  3  silhe]  'hochtouig';  hochtonig  ist 
nur  die  silbe  ie(rt).  —  im  letzten  satze  vom  §  312  stimmen  detini- 
lion  und  beispiele  nicht  zusammen.  —  $  323.  zehants  ist  sicher  aus 
zehant  entstanden,  hat  also  nur  adverbialisches  s.  —  §  351  und 
371.  die  angäbe,  dass  die  Zeitwörter  der  klasse  tragen  den  imper. 
auf  e  bildeten,  beruht  schwerlich  auf  vorurteilsloser  beobachtung. 
ist  dasselbe  Vorurteil  —  das  suftix  ja  sei  characteristisches  stamm- 
zeichen dieser  klasse  —  auch  schuld  an  der  ungerechtfertigten 
behauptung  (§  368),  die  reduplicierenden  verba  hätten  den  Um- 
lauf im  praes.  nur  nach  analogie  der  klasse  varen?  —  der  Wort- 
laut im  eiugaug  von  §  356  ist  unverständlich ,  jedesfalls  nicht 
alles  erschöpfend  (wo  bleibt  der  typus  sldffan?).  a  scheint  nicht 
druckfehler  zu  sein,  es  steht  auch  §  357  trotz  valdan,  hannan  usw.; 
warum?  weifs  ich  nicht.  —  §  383  werden  Wörter  wie  gerwen 
zu  den  kurzstämmigen  gerechnet:  auch  im  folgenden  §  ist  die 
Scheidung  nicht  überall  richtig.  —  §  425  steht  verglichen  unter 
den  St.  vbb.  mit  schw.  nebenformen,  glichen  unter  den  schw.  mit 
St.  nebenformen.  —  zu  §  504  ist  zu  erinnern  dass  die  neutrale 
adjectivendung  -et  nicht  nl.  ist.  auch  s.  128  ist  was  über  das 
mnl.  gesagt  wird  nicht  richtig;  vgl.  Mnl.  gramm.  §  64  IT.  —  ein 
merkwürdiger  lapsus  hat  sich  in  §  522  aus  der  1  aufläge  fort- 
geerbt: Gregor  1165  er  funten  dürftige  als  beispiel  für  'nomina- 
tive  form  auf  prädicativen  acc.  übertragen';  es  hatte  sich  wol  ein 
zu  §  517  oder  518  gehöriger  zeltel  verirrt. 

Einiges  wenige  habe  ich  in  der  sonst  durch  Vollständigkeit 
ausgezeichneten  darstellung  vermisst.  in  der  Übersicht  auf  s.  6 
ist  (las  ahd.  e,  welches  sich  diphthongiert,  nicht  berücksicbtigt, 
§  384  nicht  auf  die  'rückumlaute'  nach  analogie  lüchte,  stnrte, 
turte  hingewiesen  (Gramm,  l^  947.  950  f)  ^;  das  Gramm.-  967  und 

'  in  diesem  Zusammenhang  waren  dann  aucli  karte,  Idrle  aus  der  laut- 
lehre  zu  widerlioien,  denn  ihre  eiklärung  aus  'rückumlaut'  nach  analogie  ist 
die  einzige  i)is  jetzt  gegebene,  und  sie  ist  in  der  tat  so  wahischeinlicii,  dass 
schwerlich  aus  der  lösung  der  rätsei  im  wurzelvocal  von  kcren  die  organ. 
bcrechtigung  eines  d  und  damit  eine  bessere  deutung  zu  erwarten  stellt,  an 
der  construction:  md.  kärde  von  k('ren  nach  brsivdrdc,  verr/idrdc  von  //c- 
sweren,  uernioren  ist  niciils  auszusetzen,  wie  ja  am  besten  das  mit  erlaucht 
und   durclilauclU  bis  ins   nhd.   iiineinragende  mhd.    lüchte  zeigt.     Grimm 


WEINHOLD    MHD.    GRAMMATIK  109 

sonst  neben  hete  angenommene  Mte  (hete  könnte  in  der  minder- 
betouten  stelle  aus  hwte  entstehen,  wie  hete  aus  hete  oder  hette), 
sowie  das  ebeudort  statuierte,  schwer  begreitliche  tele  neben  tete 
bleiben  unberücksichtigt;  die  im  mhd.  gewöhnliche  l'orm  biten 
neben  bitten  tindet  keine  ervvähnung;  auch  beide  für  beidiu,  wie 
überhaupt  die  flexion  des  wortes  hätte  in  der  formenlehre  berück- 
sichtigung  verdient;  das  erstere  ist  viel  häufiger  als  andere  -c  lur 
-in  und  stammt  wol  aus  dem  unmittelbar  vor  dem  substantivum 
stehenden  beidiu  (nnde). 

Der  sorgsamen  correctur  ist  nur  ein  störender  druckfehler 
entgangen :  s.  142  z.  10  v.  o.  mhd.  st.  md.  aufserdem  1.  44  z.  2 
V.  0.  iet;  71  z.  3  v.  u.  vor-;  200  z.  3  v.  o.  2  wird  zu  s;  201  z.  23 
v.  0.  seht;  256  z.  1  v.  u.  wkleme;  490  z.  3  v.  u.  abne. 

Das  werk  hätte  sich  mancher  unklaren  definition  zu  ent- 
äufsern;  müsfe  es  vermeiden,  Vorgänge  der  lautgeschichte  und 
formenbildung  durch  symbolische  ausdrücke  und  nicht  zutreffende 
bilderzu  verschleiern;  bedürfte  überhaupt  einer  gründlicheren  Um- 
arbeitung, wenn  es  auch  ein  späteres  geschlecht  mit  derselben 
daukbarkeit  gebrauchen  soll,  mit  der  wir  es  bisher  benutzt  haben 
und  weiter  benutzen  werden,  ratsam  wäre  es  auch,  den  schwie- 
rigeren belegen  die  angäbe  der  bedeutung  oder  ein  erläuterndes 
wort  beizufügen,  so  verliert  manches  für  viele  seinen  wert  und 
nen,  gen  §  43  wird  überhaupt  niemand,  ohne  die  citate  nachzu- 
schlagen, begreifen;  in  der  1  aufläge  (§  64)  war  gesagt  dass  sie 
für  nemen,  geben  stehen. 

aao.  950  meint  auch  dass  dauern,  bedauern  auf  den  falschen  'rückunilaut' 
tiirte  von  tiuren  zuiückgelie.  das  ist  für  diesen  sonst  etwas  rätselhaften 
ablaut  sehr  zu  beachten,  in  düuckten  haben  wir  ja  auch  einen  fall,  in  wel- 
chem, wenigstens  nach  der  gewöhnlichen  annähme,  die  form  des  praet.  ins 
praesens  übertragen  ist.  freilich  müste  man  bei  tiiren  eine  viel  frühere 
Übertragung  und  ferner  die  neubildung  der  nomina  tür  und  iure  zugeben, 
auch  das  wäre  nicht  unglaublich,  wenn  wir  bedenken  dass  die  bedeutungs- 
entwickelung  das  vb.  früh  von  dem  grundworte  tiure  getrennt  haben  konnte, 
übrigens  wäre  auch  die  möglichkeit  in  erwagung  zu  ziehen,  dass  das  wort 
sich  in  md.  form,  mit  ü  für  tu,  verbreitet  und  gefestigt  habe. 

Bonn,  1  dezember  1884.  J.  Franck. 


König  f^other.  herausgegeben  von  KvBahi>er.  (Altdeutsche  textbibliothek 
herausgegeben  von  HPaul.  nr  6.)  Halle,  Niemeyer,  1884.  iv  und 
162  SS.  8«.  —  1,50  m. 

Diese  ausgäbe  weicht  von  den  übrigen  in  derselben  Samm- 
lung erschienenen  dadurch  ab,  dass  sie  keine  kritische  ist.  sie 
'will  nur  einen  lesbaren  abdruck  der  Heidelberger  hs.  geben', 
sagt  der  herausgeber  s.  ni,  'die  von  mir  nochmals  nachverglichen 
worden  ist. ...  sie  behält  namentlich  auch  die  sprachformen  der 
hs.,  so  bunt  zusammengewürfelt  dieselben  auch  sind,  unverändert 


110  KÖNIG  ROTHER  ED.  BAHDER 

bei.  ...  so  blieb  nicbts  anderes  übrig  als  diese  durcbgelieude 
bewahrung  der  Überlieferung,  die  zablreicben  fehler  der  hs.  habe 
ich  mich  zu  verbessern  bemüht  mit  Verwertung  der  schon  früher 
aufgestellten  Verbesserungsvorschläge.  . .  .  alle  worte  und  buch- 
staben,  die  in  der  hs.  nicht  stehn  .  .  .  sind  cursiv  gedruckt'  — 
der  hg.  hätte  noch  hinzufügen  können  dass  er  in  diesen  fällen 
die  la.  der  hs.  s.  160 — 162  angibt. 

So  weit  wäre  alles  gut.  wenn  hr  vBahder  keine  kritische  aus- 
gäbe machen  wollte  und  glaubte  für  einen  neuen,  verbesserten 
abdruck  der  hs.,  mit  accenten  und  interpunction  ausgestaltet,  ein 
publicum  zu  tindeu  —  warum  sollte  er  ihn  nicht  veranstaU'en  ? 
das  üble  ist  nur  dass  er  das  versprochene  nicht  geleistet  hat. 
denn  im  letztcitierten  satze  macht  er  eine  einschränkung.  alle 
änderuugen  sind  cursiv  gedruckt,  'von  der  regelung  der  Ortho- 
graphie und  besserung  von  schreibversehn  abgesehn'  [so,  zweimal 
sehn],  wo  bleibt  da  der  'abdruck  der  hs.'  und  die  'durchgehende 
bewahrung  der  Überlieferung'?  wer  kann  wissen,  ob  eine  abwei- 
chung  von  Mafsmanns  abdruck  auf  herrn  von  Bahders  neuer  col- 
lation  oder  auf  seinen  willkürlichen  correcturen  beruht?  dieser 
sogenannte  handschriftenabdruck  ist  also  unbrauchbar,  und  wer 
genau  wissen  will,  was  in  der  hs.  steht,  muss  diese  selbst  ein- 
sehen. 

Ebenso  unüberlegt  ist  der  hg.  bei  Verbesserung  der  fehler 
vorgegangen,  welche  seiner  ansieht  nach  nicht  auf  schreibver- 
sehen beruhen,  er  hat  dieselben  nämlich  nur  dann  corrigiert, 
wenn  sie  nicht  im  reime  stehen,  sollte  auch  nach  s.  m  'nicht 
versucht  werden,  das  gtulicht  in  die  dem  dichter  zukommenden 
sprachformen  umzuschreiben  (ein  unternehmen,  das  ich  für  un- 
ausführbar halte,  da  der  dichter  sich  keines  in  sich  geschlosseneu 
dialectes  bedient  hat)',  so  gibt  es  doch  reime  genug,  in  welche 
der  dialect  nicht  hiueinspielt  und  wo  durch  das  eine  reimworl  be- 
wiesen wird  dass  das  andere  vom  Schreiber  verderbt  ist.  bei 
herrn  vBahder  reimt  aber  ungestört  522  gut :  gebot  (für  got).  820 
Thiderkh  :  riclie  :  gelkhe,  als  ob  es  keinen  acc.  auf  -e  oder  auf  -en 
gäbe.  1537  lieb  (entsprechend  das  Ermlitzer  bruchstück  h'ep): 
einer  hocgezUe  (st.  höcgezd).  1832  alle  samen :  geivant,  während 
in  unmittelbarer  nähe  1874  und  1890  al  intsamt :  gewant  reimt. 
1959  ziodre :  intfdn  (st.  intfd(h)in).  1999  gdn  :  anne  (=^  an  oder 
ane).  2003  vile :  iville  (statt  wil  oder  noch  wile  =  ahd.  nuili). 
2029  acc.  sg.  Aspridn  :  qudmen.  2153  dat.  sg.  manne :  gun.  2451 
zeswellit :  göl  (für  zeswcllöt).  2457  umbe  ;  schonwende  (st.  schou- 
wunde).  2565  Babilöne :  kuninge  trotzdem  dass  30  verse  weiter 
(2595)  Babilonie :  hininge  und  so  noch  öi'ter  gereimt  wird,  neben- 
bei gesagt  macht  dieser  reim  walu'scheinlich  dass  nuui  Babilonie 
mit  kurzem  o  und  nicht  wie  hr  vBahder  mit  langem  anzusetzen 
hat.  2725  dat.  sg.  manne:  quam.  "211b  zage :  swie  her  um  here 
gewisit  hevel  (für  have,  welches  einzusetzen  doch  schon  die  bvulax 


KÖNIG    UOTHER    ED.    JJAHDER  111 

notigle).  2784  wider  dat.  sg.  manne  :  bestdn.  3586  Alse  die  he- 
lede  gtiote :  geherbegeten  (so !}.  dies  wort  soll  eiuen  ganzen  vers 
fülleu.  wie  ist  das  aber  möglich,  wenn  man  nicht  geherhergöten 
schreibt?  3100  gnote  :  schonwete  (&l.  schouwöte).  3910  knningin: 
inne  (für  knninginne).  3934  koningis :  heris  (für  herigis).  3957 
gienc  :hir.  wäre  es  zu  kühn  gte  :  hie  zu  schreiben?  3961  lif:  sint 
(st.  Sit).  4001  Röthete  van: he  woldin  sehe  hdn.  beide  verse 
haben  nur  3  hebungen,  mithin  wüv  väin  :  hdiji  zu  schreiben,  he 
im  zweiten  kann  keinen  ganzen  tact  lullen:  ich  halte  es  für  falsch, 
he  =  er,  wenn  es  im  satze  nicht  betont  ist,  als  lang  anzusetzen, 
hr  vBahder  schreibt  ebenso  durchgehend  he,  als  er  se  (=  sie)  du 
nü,  auch  zd  =  mhd.  ze  mit  dem  längezeichen  versieht  (zb.  58 
zö  samene,  683  dir  zö  helfe  unde  zö  vromen,  ja  selbst  das  präfix 
zo-  (zb.  1013  zöbreche).  in  Poderamns  hof  setzt  er  auf  der  ersten 
silbe  bald  kürze  (893.  1587),  bald  im  anschluss  an  Rückert  länge  an 
(4586),  zu  welcher  letzteren  nichts  nötigt.  Cotistantinopole  ist  auch 
bedenklich,  da  Constojiopole  464  nur  auf  Constinopok,  Constenopole 
mit  kurzem  i  zurückgehen  kann,  jedesfalls  ist  Constönopole,  wie 
hr  vBahder  schreibt,  unmöglich,  dass  der  reimvers  zu  4005  fehlt, 
hat  unser  hg,  so  wenig  gemerkt  als  Rückert.  4103  vast :  bresten 
(st.  veste).  4:21  \  dannenian  (für  dan).  4817  wez  got  (hr  vB. 
schreibt  das  in  ein  wovi) :  geUnei  (st.  gelönöt  oder  -ot).  4871  Po- 
len :  begdn  (st.  Pöldn).  gleich  der  quanlität  der  ersten  silbe  in 
Polen  ist  dem  hg.  auch  die  der  ersten  in  Beheim  unbekannt  — 
und  also  auch  wol  die  herkunft  des  Wortes  — ,  denn  im  ange- 
gebenen verse  liest  man  auch  Behein.  4968  keime :  weinite  (st. 
weinde).     5102  irbeiteireit  (für  irbeit). 

Hat  denn  aber  abgesehen  von  diesen  falschen  reimen  der 
hg.  'die  zahlreichen  fehler  der  hs.'  verbessert  oder  wenigstens 
immer  erkannt,  sodass  er  in  seiner  'scheu'  'vor  gewaltsamen  än- 
derungen'  wenigstens  'in  einer  anmerkung  auf  das  Verderbnis  im 
texte  hinzuweisen'  nicht  versäumte?  ich  will  nicht  alles  aufzäh- 
len, sondern  nur  durch  proben  belegen  dass  hr  vBahder  keines- 
wegs alle  fehler  erkannt,  ja  sogar  den  von  ihm  edierten  text  nicht 
einmal  immer  verstanden  hat. 

159  iz  quam  in  nie  nichein  laut,  natürlich  nie  in  nichein. 
wie  kann  man  sich  einbilden  dass  nie  zu  nichein  gehöre!  —  262 
sine  sint  der  antworte  nicht  gewone  die  du  tos  manigen  boten  vore. 
was  hier  steht,  kann  man  nur  begreifen,  wenn  einem  eine  ant- 
wort  vore  tuon  —  den  mischmasch  des  dialectes  lasse  ich  bei 
meinen  anführungen  auf  sich  beruhen  —  mhd.  ist.  bis  mir  diese 
formel  nachgewiesen  wird,  deute  ich  vore  als  früher  und  glaube 
dass  dann  das  praet.  twte  nicht  entbehrt  werden  kann.  —  264  ich 
loene  daz  nie  so  manic  man  schöne  in  diz  lant  nequam.  hr  vB. 
scheint  schöne  für  das  nachgestellte  adj.  zu  halten,  solch  eujam- 
bement  kommt  im  Rother  nicht  vor.  schöne  ist  also  adv.,  und 
dann  fehlt  so  oder  alse  dabei.  —  333  du  tdtes  wislkhe,  du  vur- 


112  KÖNIG  ROTHER  ED.  BAHDER 

reditis  nmbe  die  bodescap,  dune  bescöhetis  anderis  nimmer  mir  den 
tac.  dazu  folgende  anmerkung:  'du  hast  weislich  gehandelt,  dass 
du  vorher  um  die  botschaft  redetest  [eine  elegante  Übersetzung  IJ 
(dh.  batest,  dass  dir  gestattet  werden  möchte  sie  auszurichten), 
sonst  würdest  du  niemals  mehr  das  tageslicht  sehen  (dh.  sofort 
getötet  werden)',  hiernach  ist  tntes  i  n  d.  praet.  hr  vBahder  be- 
findet sich  bei  dieser  auffassung  in  Übereinstimmung  mit  Weinhold 
Mhd.  gr.=^  s.  380,  welcher  hier,  Roth.  1992  (=  2000  vB.)  und 
in  Buschs  Legendär  160  tdtes  thddis  dedes  für  ind.  erklärt,  die 
letzte  form  für  einen  ind.  'mit  conj.  umlaut'.  es  sind  aber  würk- 
lich  lauter  conj.  (die  bei  Weinhold  aufserdem  citierten  Trehnitzer 
psalmen  sind  mir  nicht  zur  band),  weiter  heifst  vnrreden  nim- 
mermehr dasselbe  wie  vore  7'eden.  würkliche  composition  von 
vore  mit  reden  ist  unmöglich,  es  müstc  lauten  du  reditis  vore  nmbe 
usw.  demnach  steht  vnrreden  für  verreden  uod  vur-  ist  die  ganz 
gewöhnliche  nebenform  von  ver-.  das  alles  sollte  doch  jemand 
wissen,  der  schon  seit  jähren  an  einer  Universität  andere  zu  be- 
lehren sucht,  der  satz  bedeutet  also:  'du  hättest  weise  ge- 
handelt, wenn  du  die  botschaft  ausgeschlagen  hättest,  unter  der 
Begründung  dass  du  sonst  (nämlich  wenn  du  sie  nicht  ausschlü- 
gest) das  tageslicht  nie  mehr  schauen  würdest'.  —  527  knninc, 
du7ie  mochtis  nimmer  so  göte  sinne  habe,  ichne  wolde  dir  gerne 
gevolgich  sin.  anmerkung:  'welche  guten  gedanken  du  auch  haben 
magst,  ich  will  dir  gerne  folgsam  sein,  die  gleiche  negativ-hypo- 
thetische ausdrucksweise  auch  765.'  dort  steht  deme  nitete  nie- 
man  einin  zorn,  er  nehette  den  Üb  virlorn,  ein  ganz  simples  gefüge, 
negierter  ind.  im  Vordersatz,  negierter  conj.  im  nachsatz;  an  unse- 
rer stelle  aber  doch  wol  zwei  conjunctivsätze,  von  denen  der  zweite 
positiv  sein  muss,  damit  sich  der  nötige  sinn  ergibt:  'wenn  du 
auch  nicht  so  einsichtig  wärest,  so  würde  ich  dir  doch  folgen', 
was  hr  vB.  herausinterpreliert,  setzt  Berthers  mut  und  ergeben- 
heit  in  ein  sonderbares  licht,  'ich  gehe  mit  dir  durch  dick  und 
dünn'  —  das  sagt  er.  —  die  anmerkung  zu  739  ist  auch  sehr 
tiefsinnig:  'warum  Berchter  befürchtet,  dass  seine  regentschaft  zur 
Verheerung  des  landes  veranlassen  werde,  ist  aus  dem  gedichte 
nicht  ersichtlich',  warum  verrät  uns  denn  der  hg.  nicht  dass 
Berther  sich  als  zu  alt  und  schwach  hinstellen  will?  —  1002  nnde 
vordirle  sin  wicgewete.  her  sprach  'mau  bütit  uns  M  vm echte,  an 
der  correctur  wicgewete  für  wicgewere  ist  kaum  zu  zweifeln,  der 
reim  aber  so  bedenklich  wie  die  formel  unrechte  (adv.)  bieten  mit 
dat.  der  person.  das  Badner  bruchstück  hat  tcit  gexoele  und  m. 
b.  u.  h.  unrede  stete,  es  bessert  die  reime  und  dadurch  wird  stete 
verdächtig.  Einrede  aber  passt,  denn  Constanlin  entschuldigt  sich 
nachher,  er  sei  trunken,  sodass  er  negeine  göte  rede  könne,  in 
der  vorläge  stand  vielleicht  unrethe.  dehnung  kurzer  Stammsilben 
mehrfach  in  den  reimen  des  Rother.  —  1146  eitien  leweu  vreissam, 
der  newolde  niemanne  vor  nicht  hdn  wird  durch  den  folgenden 


KÖNIG  ROTHER  ED.  BAHDER  113 

vers  her  nam  den  knechten  daz  hröt  verdächtig,  wol  Idn  statt  Arfn.  — 
1449  'daz  her  den  besten  hof  gewinne  den  man  m  der  stat  vinde'. 
'in  trouwen'  sprach  Aspridn  'her  sal  auch  minen  hdn,  dar  inne  wil 
ich  ime  usw.  statt  minen  hat  die  hs.  eineji,  das  Ermhtzer  bruch- 
stück  mine  stiure.  dies  nennt  hr  vB.  die  bessere  la,,  nimmt  sie 
(oder  das  gleichbedeutende  minen  rat)  aber  nicht  auf.  in  seinem 
text  kann  sich  auch  minen  doch  nur  auf  hof  1449  beziehen,  und 
einen  hof  schenkt  Asprian  dem  grafen  gerade  nicht.  —  1502  äne 
die  riken  herzogen  :  die  irldzis  daz  liet.  daz  liet  ist  die  poetische 
quelle,  sie  kann  aber  nicht  erst  gebeten  werden,  es  ihnen  zu 
erlassen,  sondern  sie  hat  es  ihnen  schon  erlassen :  die  irldzit  is, 
mit  sehr  erklärlicher  verschreibung.  vgl.  Erml.  hs.  als  uns  chun- 
det  daz  liet.  —  zu  1505  swaz  der  anderen  vrome  was  die  zugin 
usw.  bemerkt  der  hg.  vrome  'entweder  als  adj.  zu  nehmen  =  vrom 
oder  als  subst.  'vorteil  nutzen'  und  dann  zu  dem  vorausgehenden 
zu  ziehen :  'wie  viel  vorteil  auch  die  andern  davon  hatten',  vrome 
kann  nur  adj.  sein,  und  was  hr  vB.  sonst  noch  als  möglich  hin- 
stellt ist  ungrammatisch  und  unsinnig,  'wie  viel  vorteil  auch  die 
andern  davon  hatten'  heifst  swilch  der  anderen  vrome  was,  und 
wenn  das  da  stünde,  so  würden  die  andern  in  gegensatz  zu  die 
im  nächsten  verse  treten,  mit  die  könnten  nur  die  riken  herzogen 
gemeint  sein,  welche  hr  vB.  zu  Dietrich  ziehen  liefse,  obgleich 
eben  von  ihnen  erzählt  ist  dass  sie  das  nicht  taten.  —  virsenden 
1521  übersetzen  Rückert  und  der  hg.  mit  'fortschicken',  dass  es 
'verbannen'  bedeutet  ist  aus  der  anm.  zu  MSD^  xliv  1,  1  zu  er- 
sehen, vgl.  aufserdem  Rol.  49,  21.  Kaiserchr.  172,  16.  Alex.  3573. 
Greg.  567  (739).  —  1558  ich  wille  haven  geste,  daz  man  immer 
sagete  mere,  waz  hie  schalles  we're.  conj.  praet.  ist  unbrauchbar, 
sage  muss  es  heifsen,  und  so  liest  auch  das  Ermlitzer  bruchslück. 

—  1608  iz  trögen  elphande  wile  in  den  geheine,  wie  der  hg.  das 
wol  verstanden  hat?  soll  in  dat.  commodi  sein,  so  wäre  geheim 
masc. ;  soll  in  präpos.  sein,  so  hätten  die  elephanten  das  gestühl 
in  den  knochen  getragen,  ohne  änderung  kommt  man  also  nicht 
durch,  wilin  daz  liegt  am  nächsten,  und  wenn  dies  hrn  vB.  zu 
'gewaltsam'  war,  so  muste  er  doch  'in  einer  anmerkung  auf  das 
Verderbnis  im  texte  hinweisen'.  —  1787  hätte  der  hg.  nicht  stöle 
in  gestöle  zu  verwandeln  brauchen,  weil  das  md.  oft  das  collec- 
tive  ge-  spart.  —  1801  ist  das  part.  gevlogin  nicht  'entstellt  aus 
gevlohin',  sondern  dem  dialect  des  gedichtes  durchaus  gemäfs.  be- 
lege findet  der  hg.  in  Weinholds  Mhd.  gr.^  §  224.  —  1865  den 
düchtiz  schöne  also  ein  gras,  der  vergleich  grüene  als  ein  gras  er- 
scheint so  häufig,  dass  hr  vB.  wol  auf  gröne  hätte  fallen  können. 

—  1915  also  der  eine  inne  was  der  ander  vor  den  turin  was, 
wante  die  magit  so  vil  virnam,  daz  sie  den  tuginthaftin  man  . .  . 
hegunde  minnen.  der  andere  war  draufsen  weil  die  Jungfrau  so 
viel  hörte,  dass  sie  sich  verliebte?  ein  sonderbarer  grund!  ich 
setze  punct  nach  dem  zweiten  was  —  welches  ich  auch  nicht  mit 


114  KÖMG  ROTHER  ED.  BAHDER 

hrn  vB.  in  saz  ändern  möchte  —  und  vermute  van  de  für  wante: 
deshalb.  —  2125  ich  gescheffe  ein  gestille  von  der  kuninginne.  an- 
merkung:  'ich  mache,  dass  man  die  konigin  in  ruhe  lässt.  ge- 
stille ist  inf.'  es  ist  wol  eher  substantivum.  und  wäre  nicht  vor 
dem  von  vorzuziehen?  —  2454  nnde  newolde  doch  nicht  weinen 
vnibe  die  botin  lossam.  für  umbe  hat  die  hs.  nnde,  die  conjectur 
rührt  von  Rückert  her.  aber  sie  erregt  bedenken ,  weil  weinen 
umbe  =  uhd.  iiher  ungebräuchHch  scheint,  nnde  ist  nur  aus 
dem  anfang  der  vorigen  zeile  widerholt,  der  acc.  genügt.  —  zu 
2485  Die  eilenden  geste  lodrin  han(t) feste  bemerkt  hr  vB.:  'wol: 
Rother  in  die  band  gegeben  und  nur  so  gebunden',  diu  hant- 
veste  ist  eine  Sicherheit  oder  Versicherung,  die  jemand  in  die  band 
gegeben  wird,  meist  eine  schriftliche,  doch  darf  man  auch  eine 
Versicherung  unter  handschlag  so  nennen,  die  gefangenen  sind 
hantveste  (adj.),  weil  sie  auf  eine  Versicherung  unter  handsch'ag 
oder  allgemeiner  eine  bindende  Versicherung  hin  Dietrich  anver- 
traut sind.  —  2678  unde  Idzet  man  mi  die  hende  min  (:sin).  der 
hg.  'wol  vti  siall  miti.  wozu  denn?  'wenn  ich  meine  bände  be- 
halte'. —  2754  vor  zö  den  herbergin  in  allen  den  geberen  alsiz 
ime  nicht  gesehen  were.  hs.  aliz,  Rückert  als  iz.  das  pron.  mnss 
wegfallen.  —  2799  die  den  herren  dne  not  zö  verre  habin  gevals- 
cöt.  ich  schlage  vor  so  verre.  —  2822  her  bevalch  in  ime  unde 
sinin.  ohne  den  artikel  vor  sinin  kommt  man  nicht  aus,  und  wie 
leicht  konnte  den  nach  unde  weggelassen  werden.  —  2962  iz 
nequatn  van  eineme  [sinin]  kunne  also  manich  türe  wigant.  hier 
muss  man  eineme  betonen,  vermisst  dann  jedoch  eine  stärkere  ne- 
gation:  iz  nequam  nie.  allein  sinin  sieht  wie  correctur  von  eineme 
aus,  und  dann  muss  ne  fehlen:  iz  quam  van  sinin  kunne.  dies 
diinkl  mich  wahrscheinlicher.  —  2981  hat  die  hs.  die  riese  Wolf- 
rammen erwant,  unser  text  der  reise  Wolfrdt  enenoant.  ei  in  reise 
müste  cursiv  gedruckt  sein,  dem  überlieferten  liegt  näher  niene 
erwant.  —  2987  Sich  höf  der  Int  over  den  döz.  over  den  döz 
soll  nach  der  anm.  'nicht  genügend  erklärt'  sein,  over  beifst 
'über  hinaus':  der  Int  war  noch  lauter  als  der  döz,  der  döz  war 
überlnt  konnte  man  umgekehrt  sagen.  —  3103  dö  loas  .  .  .  liö- 
there  hine  zo  Riflande  mit  sinin  vianden.  welche  gefährliche  iie- 
gleitung!  warum  nahm  er  nicht  lieber  seine  wigande  mit?  —  3213 
%Dand  ich  loeinger  (lies  weiniger)  man  sin  da  michel  leit  hdn.  sin 
Rückert,  si  en  hs.  sin  bezieht  sich  auf  die  lange  krankheit  der 
kindcr,  welche  3211  genannt  sind,  den  gleichen  sinn  ergäbe  das 
der  Überlieferung  näher  liegende  bi  en  (^=  in),  die  präp.  der 
nähe  geht  hier  in  die  des  grundes  über.  —  3249  die  vronwe  ge- 
hdtin  sich  ovele.  hier  muss  nicht  vronwe  in  den  plur.  gesetzt, 
sondern  der  plur.  des  verbums  weggeschan't  werden,  denn  es 
handelt  sich  nur  um  Rothers  gemahlin.  —  3266  her  inachte  nf 
ire  sprechin  ni(e)t.  anm.:  'so  wahrscheinlich  mit  Bartsch  für  m- 
hatte,  da  tif  enlhahen  'aufhalten'  sonst  nicht  vorkommt',     aber  iif 


KÖMG  ROTHER  ED.  BAHDER  115 

haben,  in  ist  negation  und  hatte  steht  für  habete.  —  der  Vorschlag 
des  hgs.  für  die  folgende  zeile  ist  annehmhar,  der  für  326S  aber 
müfsig.  —  3403  so  hettich  och  einin  michelen  louf  verlorn  kann 
sprichwörtlich  (anm.),  aber  auch  ganz  eigentlich  gemeint  sein: 
'dann  hätte  ich  einen  weiten  marsch  oder  weg  umsonst  gemacht'. 

—  3666  ist  um  eine  hebung  zu  kurz.  —  3744  Röther  [der]  gerne 
virnain.  der  kann  bleiben:  es  ist  =  dar.  —  3756  arme  kint 
heiz  her  vazzin  Wide  baden,  vor  sich  nffe  den  tisc  tragin.  nicht 
vor  (=  für)  sie?  —  3788  fehlt  das  object  se,  3877  das  object 
iz.  —  3874  ff.  Rother  gibt  seiner  gemahlin  heimlich  einen  ring, 
auf  welchem  sein  name  geböchstavet  steht,  aisin  die  vrouwe  ge- 
las,  daz  Röther  in  deme  sah  was.  zum  ersten  vers  passt  der 
zweite  nicht:  es  fehlt  'und  bemerkte',  entweder  alse  die  vr.  ge- 
las  oder  eher  alse  die  vr.  gesach.  die  'buchstaben'  haben  mög- 
licher weise  die  änderung  veranlasst,  durch  welche  zugleich  der 
reim  besser  wurde.  —  3936  daz  her  nns  beide  behöde  .  .  .  von 
der  heidenschefle.  behileten  wird  mit  vor  verbunden.  —  Basilistium, 
Ymelots  söhn,  will  Rolher  ertränken  lassen,  dieser  bittet  aber, 
ihn  vor  allen  königen  zu  henken.  3991  daz  ist  dir  ere  getan, 
[dö  gieng  Ymelötis  (nicht  o)  man]  du  hast  dich  wol  gerochin'.  zu 
dem  eingeklammerten  verse  bemerkt  hr  vB.:  'passt  durchaus  nicht 
in  den  Zusammenhang  und  beruht  vielleicht  auf  einem  misgUick- 
len  versuch  des  Schreibers  ein  unvollständig  überliefertes  verspar 
zu  ergänzen',  gienc  ist  verlesen  aus  gient  ==  jehent,  und  dies  zog 
die  änderung  von  so  in  dö  nach  sich.  —  4043  fehlt  vor  gebiiwit 
das  subject  einer  oder  ein.  —  4350  slme  kunne  duz  tö  imer  vor- 
sten  namen  hat.  was  soll  tö  sein?  mhd.  dö?  mhd.  dar  dd?  mhd. 
zuo?  soll  tö  imer  so  viel  wie  nhd.  immerzu  bedeuten?  die  stelle 
wäre  einer  anmerkung  wert  gewesen,  jedesfalls  muss  in  daz  ein 
iz  stecken  oder  hinzugefügt  werden.  —  4395  virmissit  sin  der  helet 
göt,  wir  Idzen  immir  äne  not.  hr  vB.  mit  Rückert  Idzenz.  näher 
liegt,  Idzen  als  Idzen  en  (==  in)  zu  deuten  oder  so  zu  schreiben! 

—  4414  mit  sinin  mdnkrefte.  1.  sinir.  —  4488  hätte  daraufhin- 
gewiesen werden  können  dass  trndis  ••==  trndedis  ist.  —  4500 
Des  koningis  geköse  was  ime  valslöse  hr  vB.  mit  Edzardi.  hs.  dne 
valslöse,  dh.  dne  vals  löse.  —  4503  done  dorsten  se  vor  den  scan- 
den  gereden  nehein  helet  göder.  wie  kann  man  einen  so  hand- 
greiflichen fehler  stehen  lassen!  dorste  vor:  der  Schreiber  achtete 
nicht  auf  das  folgende.  —  4599  dar  lüchte  ein  karbnnkil  —  dar 
newart  nimmir  dunkil  —  ovene  üz  der  krönin.  den  zweiten  vers 
verwandle  ich  ohne  bedenken  in  einen  relativsatz.  das  dunkir 
der  hs.  aber  würde  ich  lieber  nicht  antasten.  —  4625  intgegin 
di :  Constantin.  nicht  gen.?  1328  her  sazte  sie  inebin  sin  (:  in) 
ist  sin  statt  in  notwendig,  weil  es  reflexiv  ist.  —  5104  das  com- 
positum rosfert  ist  zwar  durch  andere  stellen  gesichert,  hier  aber 
kann  ich  mich  des  verdachtes  doch  nicht  erwehren,  dass  der 
Schreiber  zuerst  ros  gesetzt,   es  dann  in  fert  corrigiert  und   ros 

A.  F.  D.  A.    XI.  9 


116  KÖNIG    BOTHER    ED.    lUHDER 

nicht  getilgt  habe.  —  für  5123  ff  fände  ich  gern  eine  erklärende 
anmerkung.  die  Rückertsche  hebt  die  Schwierigkeiten  (mit  göte 
virdiemn  ohne  object,  von  (User  werlde  endin)  nicht,  es  ist  frei- 
lich etwas  'gewaltsam',  wenn  man  schreibt  daz  sie  mit  gote  (cum 
deo)  virendin  (conj.  praes.  besser  als  conj.  praet.),  so  sie  von 
diser  werlde  wendin. 

Ich  fürchte  dass  ich  mich  schon  zu  tief  in  die  corrector  des 
vBahderschen  pensums  eingelassen  habe  und  übergehe  deshalb  die 
einleitung.  indes  wollte  ich  recht  deutlich  zeigen,  wie  wenig  es 
hrn  vBahder  gelungen  ist,  die  aufgäbe,  welche  er  sich  selbst  — 
unil  wahrhaftig  leicht  genug  —  gestellt  hatte,  nur  einiger  mafsen 
befriedigend  zu  lösen,  je  weiter  man  in  den  text  hinein  liest, 
desto  mehr  weicht  der  unmut  der  Verwunderung  über  die  arm- 
seligkeit  des  geleisteten,  was  uns  hier  geboten  wird,  erinnert  an 
die  anfange  der  deutschen  philologie. 

Schon  das  ziel  ist  zu  nahe  gesteckt,  lässt  sich  erkennen 
dass  'der  dichter  sich  keines  in  sich  geschlossenen  dialectes  be- 
dient hat'  (s.  in),  so  muss  man  diese  mischung  wenigstens  rein 
zum  ausdruck  bringen  und  vor  allem  einen  text  herstellen,  welcher 
den  leser  nicht  an  allen  ecken  und  enden  zwingt,  dem  hg.  bei- 
zuspringen, die  vorliegende  kritik  bat  mir  lust  gemacht,  dies 
auszuführen  oder  ausführen  zu  lassen,  was  uns  hr  vB.  spendete 
ist  nur  gut  zu  kritischen  Übungen,  in  welchen  die  Studenten  den 
herrn  privatdocenten  corrigiereu.  zu  solchem  zwecke  gebrauche 
ich  jetzt  diese  Rotherausgabe  mit  erfolg. 

Berlin.  Max  Roediger. 


Valentin  und  Namelo?.  die  niederdeutsche  dichtung-.  die  hochdeutsche  prosa. 
die  bruchstücke  der  niitlelniederiändischen  dichtung.  nebsl  einleitung, 
bibliographie  und  analyse  des  romans  Valentin  und  Orson.  von  WSeel- 
MANN.  auch  unter  dem  titei:  Niederdeutsche  denkniäler.  herausge- 
geben vom  verein  für  niederdeutsche  Sprachforschung,  bd.  4.  Norden 
und  Leipzig,  Soltau,  1SS4.    lx  und  13S  ss.    8".  —  5  ni.* 

Die  mit  Koppmanns  Seebuch  und  Seelmanns  'sogenanntem' 
Gerbard  von  Minden  schön  begonnene  reihe  der  Niederdeutschen 
deukmäler  ist  1880  mitten  in  der  ausgäbe  des  Flos  von  Wälzobit 
auf  den  sand  geraten,  jetzt  kommt  Seelmann,  einer  der  rührigsten 
auf  dem  gebiete  der  niederdeutschen  philologie,  und  macht  das 
schiff  wider  flott,  und  wir  freuen  uns  der  Weiterreise,  wenn  sie 
auch   nicht  immer  an  anmutige  gestade  führen  kann. 

Der  etwas  umfangreiciie  titel  des  neuen  bandes  soll  auch  die 
aufmerksamkeit  derjenigen  wecken,  die  sonst  der  nd.  litleralur  an 
sich  wenig  beacbtung  schenken,  in  der  tat  reicht  das  Interesse, 
welches  sich  an  die  vorliegende  publicalion  knüpft,  über  den 
engen  kreis  dieser  litleratur  weit  hinaus,  denn  einmal  ist  das 
allfraiizösische  gedicbt,  von  dem  das  mittelniederdeutsche  eine 
directe  Übertragung  gibt,  verloren,  und  dann  hat  das  mnd.  werk 

[*  vgl.  DLZ  18S4  nr  52  (JFranck).] 


SEELMANN  VALENTIN  UND  NAMELOS  117 

wider  mehrere  bearbeituugen  gefundeu,  eine  in  schwedischer  und 
zwei  in  milteldeutscher  spräche;  die  eine  von  diesen,  eine  prosaische, 
triil  hier  zum  ersten  male  ans  hcht  als  ein  beilrag  zur  geschichte 
des  ältesten  prosaromans  und  zugleich  nicht  ohne  wert  für  die 
kenntnis  der  schlesischen  mundart.  sodann  handeln  s.  xxv — xlvi 
der  einleitung  ausführlich  über  das  jüngere  französische  Volks- 
buch aus  dem  ende  des  15  jhs. ,  das  in  seinem  ersten  teile  auf 
die  verlorene  dichtung  zurückgeht,  eine  ausführliche  inhaltsangahe 
ersetzt  einiger  mafsen  die  lectüre  desselben,  und  an  der  band  einer 
sorgfältigen  und  überraschend  reichhaltigen  bibliographie  (die  ge- 
rade hier  sehr  notig  war)  können  wir  die  zweite  Wanderschaft  des 
wunderlichen  romans  durch  die  europäische  litteralur  verfolgen, 
die  Vollständigkeit  dieser  bibliographie  zu  prüfen ,  bin  ich  nicht 
im  Stande,  ich  hebe  aber  noch  hervor  dass  S.  auch  den  übrigen 
quellen  des  Volksbuchs  nachgegangen  ist,  und  dass  er  auch  den 
commenlaloren  des  Don  Quijote  mit  dem  nachweis  zweier  anspie- 
limgen  des  Cervantes  auf  dasselbe  zu  hilfe  kommt.  —  zu  den 
quellen  der  älteren  frz.dichlung  hier  nur  zwei  litlerarische  notizen: 
über  die  unserem  gedichte  und  dem  Roman  de  la  violette  gemein- 
same episode  (s.  lix)  hat  RKöhler  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom. 
phil.  1883  nr  7  p.  270  ff  aus  anlass  einer  kümmerlichen  disser- 
lation  von  Rochs  sehr  reichhaltige  nachweisungen  gegeben.  —  die 
treue  gattin  als  spielmann  verkleidet  (s.  lx)  findet  sich  auch  im 
Graf  im  pflüg  (Goedeke  Mittelalter  s.  .5680). 

Das  mittelniederdeutsche  gedieht  ist  uns  in  der  be- 
kannten Stockholmer  sammelhs.  (S)  und  im  Hartebok  (H)  erhal- 
ten;  mit  diesem  ist  es  1731  von  Staphorst,  nach  jener  1846  von 
Klemming  hinter  der  schwedischen  prosa  gedruckt  worden.  Seel- 
mann gibt  einen  kritischen  text,  bei  dessen  herstellung  er  auch 
die  mitteldeutschen  und  die  schwedische  bearbeitung  herangezogen 
hat.  die  aufgäbe  war  nicht  so  schwer  als  beim  Flos,  aber  sie  ist 
hier  auch  weit  besser  gelöst  als  dort,  mit  der  bevorzugung  von 
S  bin  ich  fast  durchweg  einverstanden,  nur  habe  ich  ein  par 
mal  nachlässigkeiten  in  der  angäbe  der  lesarten  von  H  gefunden, 
die  mich  zwangen  ,  den  geschmähten  Staphorst  doch  wider  her- 
vorzuholen:  nach  1169  hat  H  Mit  siner  roden  dwanck  he  dat  deer. 
—  s.  32  z.  4  V,  u.  ist  1204  zu  streichen,  da  dieser  vers  sich 
ebenso  in  H  findet  wie  im  texf.  —  v.  1230  stimmt  die  angeführte 
lesarl  von  H  mit  S  und  dem  text.  —  in  den  la.  zu  v.  1770  I. 
dre  H  st.  dre  S.  —  nach  v.  2334  schiebt  H  einen  vers  ein:  Suß- 
dane  rede  he  anvengh. 

Ich  schliefse    hier   gleich    ein  par   bemerkungen   zum    texte 
selbst  an.     nach  v.  85  tilge  den  punct.  — 
V.  430  fl'  dat  er  dat  blöt  al  gedichte 

to  neseu  nnde  to  munde  ntviöt  vil, 
dat  dnchte  Blandemere  nen  spiL 
der  überlange  v.  431   und  die  anstöfsige  tautologie  al  gedichte  — 

9* 


IIS  SEELMA>>    VALEMl.N    UND    NAMELOS 

vil  wird  leicht  beseitigt,  wenn  wir  vil  streichen  und  statt  spil 
spot  lesen,  der  reim  vlöt :  spot  ist  nicht  anstöfsig,  vgl.  got :  not 
V.  1595  f.  —  V.  565 — 568  (wo  übrigens  der  setzer  die  interpunc- 
tion  über  den  häufen  geworfen  hat)  möchte  ich  als  ursprüngliche 
Worte  des  erwachenden  Blandemcr  vermuten: 

Uco  is  mi  im  gesehen? 

edder  bin  ik  nu  nntse'n? 

edder  druckt  mi  de  alf? 

jo  bin  ik  dul  also  ein  kalf. 
st,  sldp  :  schilp.  —  v.  735.  736  ist  wie  sonst  vorwdr  :  ndr  (st.  vor- 
ivare :  nare)  zu  schreiben,  überhaupt  wäre  die  Schreibung  der  nur 
in  H  überlieferten  verse  etwas  an  die  bevorzugte  Schreibweise  von 
S  anzunähern  gewesen.  —  v.  976  heifsen  de  kristen  von  H  in 
S  de  kortyuere  und  dies  oder  etwas  ähnliches  muss  doch  wol  im 
text  gestanden  haben:  es  scheint  dass  die  spanischen  chrislen  als 
Cordobaner  bezeichnet  wurden.  —  v.  1205  würde  ich  den  subst. 
inf.  scherent  beider  hss.  nicht  durch  das  schermes  der  md.  bear- 
beitungen  ersetzen:  Valentin  dat  scherent  kos  'Val.  machte  sich 
ans  scheren',  jedesfalls  aber  wäre  doch  die  nd.  form  schermest 
einzuführen  gewesen.  —  v.  1207  hat  B  eine  besonders  interes- 
sante lesart:  notvar  gegenüber  not  H,  var  S.  —  v,  1406  würde 
ich  den  dreireim  (auf  welchen  auch  die  schwedische  Übersetzung 
führt)  nicht  durch  ausscheidung  von  Unde  de  harden  schylde  clouenS, 
sondern  durch  fortlassung  von  v.  1407  nnde  ere  swerde  se  bede  togen 
beseitigt  haben,  dann  ist  die  stelle  gleich  v.  467.  68,  und  unser 
dichter  widerstrebt  durchaus  nicht  wie  etwa  Ilartmann  der  ge- 
nauen wilerholung  zweier  verse.  —  v.  1770  indem  Seelmaun 
sclireibt  dar  vunden  se  twe  wegescheiden  st.  twe  wege  scheiden,  be- 
geht er  in  auffassung  der  stelle  die  gleiche  llüchtigkeit  wie  das 
Mnd.  wb. ;  zwei  wegscheiden?  doch  wol  nur  eine,  wie  es  auch  die 
prosa  92,  18  widergibf. 

v.  1799  ff  sin  nmnt  was  wit  also  eine  kanne 
sine  oren  beide  also  eine  icanne 
sine  ogen  swart  also  ein  pik .  . 
in  v.  1800  ist  natürlich  breit  zu  lesen.  —  v.  2076  ist  doch  wol  mit 
H  Sit  des  gemant  'verlasst  euch  drauf  zu  schreiben ;  ghenant  für 
ghemant  wio  hier  hat  S  auch  im  Verl.  söhn  v.  76S.   —  v.  2353 
schreibe   nnde  stnt  dar  na  mit  aller  macht  (II)    statt   jacht  (S); 
einmal  passt  jacht  'eile'  hier  gar  nicht,  und  dann  sagt  der  dichter, 
wo  er  es  anwendet,  in  groter  jacht,  so  v.  1553  und  v.  769,  wo 
mit  aller  macht:  in  groter  jacht  zusammen  stehen. 

Die  anmerkungen  zum  mnd.  text  sind  von  sehr  verschiede- 
nem werte,  ich  sehe  nicht  recht  ein,  an  was  für  ein  publicum 
S.  gedacht  hat,  als  er  sie  zusammenstellte,  bezweifele  aber  mit 
grund  dass  dies  gedieht  von  leuteu  gelesen  werden  wird,  die  es 
nötig  haben,  sich  einen  ausdruck  wie  bi  der  weden  (v.  1649)  er- 
klären zu  lassen,    durch  eine  bemerkun''  aber  wie  die  zu  v.  209 


SEELMANN    VALEMLN    UND    NAMELOS  119 

werden,  fürchte  ich,  aiicl»  die  nichtphilologischeü  leser  zur  heiter- 
keit  gereizt  werden.  Phila  wird  von  der  bösen  Schwiegermutter, 
die  sie  des  kiudesmordes  beschuldigt,  kurzweg  mit  einer  lowin 
verglichen :  dadurch  fühlt  sich  S.  zunächst  an  den  werwolfglauben 
erinnert,  spricht  dann  von  den  'erfahrungen  unserer  zoologischen 
gärten'  und  ciliert  schliefslich  Brehms  Tierleben  I  ebenso  unnütz 
ist  die  bemerkuug  zu  v.  1056,  wo  in  der  zwölfzahl  der  begleiter 
ein  anklang  an  die  zwölf  pairs  gefunden  wird,  diese  zwölfzahl 
ist  einfach  eine  der  formelhaften  zahlen,  die  in  jeder  Spielmanns- 
dichtung vorkommen,  vgl,  Vogt  Morolt  s,  clv,  Flos  v.  224,  Oren- 
del  v.  72,  Oswald  ed.  EttmüUer  v.  9.  2039  usw.  zum  eingang 
konnte  auf  Laurin  v.  1.  2  und  Müllenhoffs  anmerkung  verwiesen 
werden,  zu  v.  53  ist  mit  einem  citat  aus  RA  auch  ein  anstöfsiger 
druckfehler  frie  st.  frien  herübergenommen,  ein  grofser  teil  von 
S.s  anmerkungen  ist  würklich  am  platze,  einige  sprachliche  beob- 
achtungen  sind  recht  wertvoll  und  ergänzen  die  einleitung  in 
wesentlichen  puncten,  aber  dazwischen  stehen  eine  auzahl  'wort- 
und  Sacherklärungen',  die  uns  an  die  Deutschen  classiker  des 
mitlelalters  erinnern. 

Auf  s.  72.  73  ist  aus  dem  Deutschen  museum  1784  rVyerups 
kleines  bruchstück  einer  jämmerlichen  Umschrift  in  md.  spräche 
widerabgedruckt.  das  pergamentblatt  selbst  war  nicht  mehr 
aufzufinden.  es  war  aber  wol  nicht  nötig,  die  fehler  des 
vorigen  drucks  unangefochten  passieren  zu  lassen.  Nyerup  in 
Kopenhagen  hat  gewis  keine  correctur  bekommen  ,  sonst  würde 
das  war  st.  was  oder  waz  in  v.  1234.  35,  hone  st.  hone  v.  1239, 
stant  st.  stunt  v.  1261  nicht  zu  lesen  sein.  v.  1254  war  jedes- 
falls  im  texte  geselle  durchstrichen  und  dafür  hulfer  an  den  rand 
oder  übergeschrieben. 

Die  mitteldeutscheprosabearbeitung  s. 74 — 104  ist 
nur  in  einer  Rhedigerschen  hs.  zu  Breslau  erhalten  und  nach  dieser 
(was  S.  s.  XI  zu  sagen  vergisst)  im  Litterarischen  grundriss  von  vdHa- 
gen  undBüsching  s.  163  erwähnt  worden,  die  in  der  gleichen  hs. 
enthaltene  Ungarische  chronik  des  Heinrich  von  Mügeln  (so  ist  statt 
Megeln  zu  lesen)  ist  dasselbe  werk,  welches  Kovachich  bereits  1805 
herausgegeben  hat,  s.  Lorenz  Geschichtsquellen  i-  254  ff.  —  zum 
texte  hier  ein  par  kleinigkeiten  :  75,  24  1.  Jürrin  st.  horrin  (vgl.  74, 
12.  75,  3.  20.  30.  31).  —  78,  14  steht  hier  würklich  hustu  st.  hastu 
und  103, 14  vuste  st.vaste  in  der  hs.  ?  —  80, 38  1.  twaltrank  wie  88, 
18.  —  81,  20.  21  vnd  smüte  en  an  mit  hendin  vnd  mit  fussen 
vnde  mittene  yn  der  wüste.  S.  möchte  veste  bessern,  aber 
wir  müssen  doch  wol  den  sinn  haben  'mitten  um  den  leib',  also 
vermute  ich:  (wiihst,  md.)  wüst  eine  jüngere  bildung  neben  -wahst 
wie  nhd.  wuchs  neben  -icahs.  —  82,  14  1.  durch  logen  iDille.  — 
85,  36  1.  goldis.  —  92,  40  vnd  is  czwene  heivnen  dy  seyn  bruder 
ist  wol  nicht  nach  is  ein  seyn  zu  ergänzen,  sondern  vnd  dis  zu 
schreiben.  —  94,  39  darf  begenet  nicht  in  begegenet  geändert  wer- 


120  SEELMANN  VALE>T[>'  UND  KAMELOS 

den,  vgl.  95,  3  geseynete  st.  gesegenete  und  das  mehrfache  morne. 
—  98,  15  1.  weybe.  —  100,  7  1.  nohen.  —  100,  22  ist  nach  lyß 
das  verhum:  bloßen  ausgefallen.  —  101,  2  wird  durch  S.s  falsche 
interpunction  die  einschiehung  eines  noch  nötig;  ich  lese  viel- 
mehr: —  bekannte  uff  dy  kemmerynne,  dy  lebete  dannoch.  man 
brachte  sy  vor  recht. 

Es  folgen  nun  noch  auszüge  aus  der  schwedischen 
prosabearhei tung  (s.  105 — 108),  deren  naive  erzählungsweise 
mit  den  eingestreuten  z.  l.  neugereimten  versen  an  spätere  schwe- 
dische Volksbücher  erinnert,  und  in  neuer,  im  nachtrag  s.  133 
— 137  noch  wesentlich  verbesserter  lesung  die  mitt eluieder- 
ländischen  bruchstück  e.  nach  ihnen  zu  urteilen  scheint 
das  gedieht  der  zeit  des  Verfalles  der  mnl.  kunslepik  anzugehören. 

In  der  einleitung  sind  für  die  deutsche  litleralurgeschichte 
wichtig  besonders  die  abschnitte  v.  vi.  vii.  in  v  wird  nachgewie- 
sen dass  im  mnd.  gedichte  eiuwürkungen  des  mitteldeutschen  so- 
wol  wie  des  niederländischen  reimgebrauchs  hervortreten,  auch 
im  Innern  der  verse  ist  der  einfluss  mnl.  Sprachgebrauchs  deut- 
lich sichtbar:  das  lehren  S.s  anmerkungen.  diese  tatsachen  lassen 
sich  aber  nicht  aus  benntzung  der  mnl.  dichtung  von  Valentin 
und  Namelos  erklären,  denn  S.  zeigt  (abschnitt  vn)  dass  der  Nie- 
derdeutsche dies  werk,  wenn  er  es  auch  gekannt  haben  und  da- 
durch zu  seiner  arbeit  angeregt  sein  sollte,  nicht  übersetzt  hat, 
sondern  dass  er  höchst  wahrscheinlich  direct  nach  dem  frz.  ori- 
ginal arbeitete,  er  kommt  nun  des  weiteren  zu  der  Vermutung, 
diese  und  andere  nd.  dichtungen  seien  in  den  kreisen  hausischer 
kaufleute  in  den  Niederlanden  und  zwar  speciell  in  Brügge  entstan- 
den, die  Wahrscheinlichkeit,  dass  ein  Niederdeutscher  in  Brügge, 
wie  S.  meint:  für  seine  dort  ansässigen  landsleute,  die  doch  ge- 
wis  der  landessprache  kundig  waren,  in  der  heimischen  mundart 
poetische  Stoffe  der  niederländischen  litteratur  behandelte,  scheint 
mir  au  sich  nicht  sehr  grofs  zu  sein,  man  sollte  wenigstens 
denken,  er  würde  dabei  an  einen  andern  leserkreis,  an  die  lands- 
leute daheim  und  in  Skandinavien  gedacht  haben,  für  S.s  ansieht 
spricht  allerdings  eine  andere  hübsche  beobachtung,  die  er  ge- 
macht hat.  ähnliche  eigentümlicbkeiten  im  Sprachgebrauch  und  den 
reimen  finden  sich  nämlich  in  mehreren  anderen  niederdeutschen 
gedicliten,  zunächst  im  Dieb  von  Brügge,  im  Verlornen  söhn  und 
im  Flos,  die  mit  VN  zusammen  auch  in  der  Stockholmer  lis.  über- 
liefert sind,  diese  dichtungen  zeigen  ferner  unter  sich  mehrfach 
wörtliche  anklänge  und  beziehungen,  ohne  dass  es  möglich  wäre 
zwei  von  ihnen  dem  gleichen  Verfasser  zuzuweisen,  zu  S.s  paral- 
lelstellen füge  ich,  weil  er  gerade  für  Flos  keine  notiert,  hinzu: 

VN  V.  137  f  Dar  na  in  körten  tiden 
scolde  Phila  arbeit  liden. 

Flos  V.  87  f  Dar  na  in  körten  tiden 

de  vrouwen  mosten  arbeit  liden. 


SEELMANN    VALEMLN    U.ND    NAMELOS  1*21 

(beide  male  ist  von  den  wehen  vor  geburt  der  beiden  die  rede.) 
die  relative  Chronologie  dieser  dichtuugeu  wird  sich  wol  durch 
eine  gründliche  stilistische  Untersuchung  feststellen  lassen,  die 
jüngste  scheint  mir  der  Flos  zu  sein,  der  gegenüber  VIN  ungemein 
arm  ist  an  formein,  phraseu,  beiwörtern,  die  aus  der  höfischen 
oder  volkstümlichen  erzählungspoesie  der  bessern  zeit  stammen, 
auf  eine  stilistische  erscheinung,  die  für  VN  besonders  charac- 
teristisch  ist,  sich  sonst  nur  ganz  vereinzelt  findet,  möchte  ich 
hier  hinweisen;  ich  meine  die  häufige  anwendung  von  ktmt  und  be- 
kant  in  der  weise,  wie  wir  sie  aus  Wollram  von  Eschenbach  kennen: 
556  van  en  so  teert  uns  vrowede  kunt 

2434  des  wart  mengeme  vrowede  kunt 

2590  dar  van  so  wart  em  vrowede  kunt 
610  dar  so  wart  en  dröfnisse  kunt 

1549  dar  van  so  wart  er  pine  bekant 

178S  dar  wart  en  jamers  ivol  bekant 

2396  leve  loart  dar  gröt  bekant 

1892  dar  wart  en  wunder  gröt  bekant 
746  dock  worden  en  vele  siege  kunt 

1229  do  em  de  kolve  ums  bekant 

1505  doch  tcas  er  de  slnp  bekant  (vgl.  Verl.  söhn  v.  338) 

1527  dar  er  de  mort  is  mede  bekant 

2639  dar  na  xcart  de  döt  bekant 

Crisostomus  in  Ungerlant  (vgl.  Verl.  söhn  v.  247) 
ferner  2313  f /fr  schal  allohant 

de  sprdke  dön  eme  bekant. 
es  liegt  sehr  nahe,  anzunehmen  dass  der  Vermittler,  durch  wel- 
chen diese  eigentümlichkeit  in  die  niederdeutsche  poesie  aufnähme 
fand,  Wolframs  uiedersächsischer  nachahmer  Berthold  von 
Holle  war,  für  den  diese  Verwendung  von  bekant  von  Bartsch 
anm.  zu  Crane  1492  durch  eine  lange  liste  von  beispielen  belegt 
wird,  es  verdiente  überhaupt  einmal  untersucht  zu  werden,  wie- 
viel die  niederdeutsche  erzählende  poesie  des  14.  15  jhs.  von  Ber- 
thold von  Holle  gelernt  bat.  sie  verwendet  vielfach  ähnliche  Über- 
gänge wie  dieser  (so  besonders  durch  Zeitangaben),  bedient  sich 
der  gleichen  flickreime  (sunder  wdnl)  und  der  nämlichen  prädi- 
cate  für  rilter  und  frauen.  erst  kürzlich  hat  W'alther  Kd.  jahrb. 
6,  29  f  durch  den  uachweis,  dass  die  Lübecker  für  eines  ihrer 
fastnachtspiele  (im  jähre  1444}  den  stoß' aus  Bertholds  Crane  ent- 
nahmen, das  Interesse  der  niederdeutschen  litteraturgeschichte  an 
ihrem  einzigen  böfischen  epiker  gesteigert,  aber  erst  wenn  es  ihr 
gelingt,  den  oben  angedeuteten  beweis  zu  vervollständigen,  dass 
Berthold  auf  die  niederdeutschen  dichter  einen  stilistischen  ein- 
fluss  ausgeübt  bat,  der  ihm  für  Mittel-  und  Oberdeutschland  ver- 
sagt blieb,  wird  sie  ihn  entschieden  für  sich  in  anspruch  nehmen 
dürfen,  ebenso  wie  die  mhd.  litteralur  den  Mastrichter  Heinrich 
von  Veldeke. 


122  SF.ELMA^>    VALEMIN    UND    NA.MELOS 

Ich  glaube,  wir  köuneu  in  dem  wort-  und  pbrasenschalze 
der  niedersächsischen  poeten  zwei  fremde  bezugsquelleo  ziemlich 
deutlich  unterscheiden:  die  eine  ist  die  oberdeutsche  epik,  spe- 
ciell  Wolfram,  durch  Bertliold  von  Holle  erschlossen,  die  andere 
die  uiederrheinische  und  niederländische  poesie.  von  den  stehen- 
den beiwortern  der  frauen  zb.,  dar  und  fin,  stammt  das  erstere 
aus  Wolfram-Berthold,  das  letztere  vom  Niederrhein. 

Doch  ich  muss  es  diesmal  bei  andeutungen  und  Vermutungen 
l)ewenden  lassen.  —  gern  hätte  ich  mich  bei  dieser  gelegenheit 
auch  noch  über  einen  punct  geäufsert,  der  die  äufsere  herrichtung 
mnd.  texte  betrifft,  aber  ich  kann  heute  nur  mein  bekenutnis 
ablegen,  dass  ich  ein  entschiedener  gegner  der  circumflectierung 
mittelniederdeutscher  denkmäler  bin,  und  muss  die  begründung 
meiner  ansieht  auf  eine  andere  gelegenheit  aufsparen. 

Göttingen  im  november  1SS4.  Edward  Schröder. 


De  oude  en  de  jongere  bewerking  van  den  Reinaert.  bijdrage  tot  de  critiek 
der  beide  Reinaert-gedichten.  akademisch  proefschrift .  .  .  aan  de  rijks- 
universiteit  te  Leiden  door  Jacob  \Nijbra.nd  Muller.  Amsterdam,  Fre- 
derik Muller  et  CO.,  1SS4.    iv  und  209  ss.  8".  —  4,50  m. 

Willems  gedieht  Van  den  vos  Reinaerde  hat  auch  in  den  letz- 
ten Jahren  immer  von  neuem  die  kritik  angezogen,  den  Nieder- 
ländern de  Vries,  Verdam,  Beets  (s.  Tijdschrift  t,  1 — 29.  2,  21. 
77 — 80.  206.  3,  221)  trat  JFranck  rühmlich  zur  seile,  indem  er 
in  den  lesestücken  zu  seiner  Wnl.  grammatik  den  schluss  des  Rei- 
naert I  von  V.  3081  ab  kritisch  behandelte.  Franck  hat  auch  den 
Verfasser  der  oben  genannten  dissertation  beraten  und  ihm  eine 
stattliche,  auf  s.  iv  aufgezählte  reihe  von  Verbesserungsvorschlägen 
mitgeteilt,  die  freilich  grofsenteils  die  handschrifilich  überlieferten 
grammatischen  formen  gegen  die  von  Grimm  aufgebrachte,  in 
meiner  ausgäbe  durchgeführte  normalisierung  herstellen,  der  Un- 
terstützung durch  Franck  und  de  Vries  zeigt  sich  der  verf,  der 
obengenannten  dissertation  durchaus  würdig;  er  bringt  zahlreiche 
wolüberlegle  und  oft  sehr  scharfsinnige  emendationen  und  be- 
merkungen  vor.  seine  arbeit  gliedert  sich  in  4  capitel,  von  denen 
das  erste  die  kritik  von  Reinaerl  i  und  n,  soweit  der  erstere  reicht, 
enthält,  das  2  die  fortselzung  in  Reinaert  n  behandelt,  während 
das  3  und  4  die  beiden  recensionen  mit  einander  vom  litterar- 
historischen  gesichtspunct  aus  vergleichen,  das  3  soweit  sie  neben 
einander  stehen,  das  4  wider  die  fortsetzung.  dr  Muller  wendet 
dem  umarbeiler  und  fortsetzer  mehr  als  bisher  geschah  anerken- 
uung  zu.     ein  anhaiig  behandelt  die  eigennamen  im  Fleinaert. 

Neue  hilfsmillel  kommen  bei  diesen  uuttrsuchungen  nicht  in 
gebrauch,  nur  dass  dem  verf.  von  der  hs.  b  eine  abschrift  im  be- 


MULLER  DE  OUDE  EN  DE  JÜNGERE  BEWERKLNG  VAN  DE.N  RELNAERT     123 

sitz  von  de  Vries  zu  geböte  stand,  widerholt  und  vielleicht  etwas 
allzu  stark  setzt  er  dieser  abschrift  gegenüber  die  Varianten  meiner 
ausgäbe  in  zweifei.  dass  eine  abschritt  meist  genauer  ist  als  eine 
collation  wird  jeder  kundige  zugestehen:  immerhin  möchte  für  einen 
künftigen  herausgeber  doch  noch  eine  revision  der  hs.  an  den 
differenzpuncten  sich  empfehlen,  übrigens  ist  ein  guter  teil  der 
von  Muller  angeführten  fälle  auf  die  verschiedene  auffassung  eines 
einzigen  Zeichens,  ob  n  oder  u,  zurückzuführen,  und  wie  nahe  sich 
diese  in  hss.  des  15  jhs.  stehn,  ist  bekannt  genug,  völlig  unver- 
ständlich ist  mir,  wie  Muller  auch  den  Gräterschen  abdruck  der 
hs.  a  meiner  collation  entgegen  stellen  kann:  die  vergleichung, 
welche  ich  in  Stuttgart  1870  eintrug,  war  doch  hoffentlich  keine 
Verschlimmerung,  allerdings  habe  ich  s.  ix  meiner  einleitung  be- 
merkt dass  ich  gewisse  orthographische  abweichungen  nicht  ein- 
zeln angeben  würde:  hätte  ich  doch  sonst  meine  lesarten  über- 
häufen müssen  mit  Varianten,  deren  Verbesserung  selbstverständ- 
lich war.  und  freilich  gehören  hierher  die  von  Muller  s.  26  und 
94  angeführten  fälle,  in  denen  ich  dort  (v.  239  und  3468)  in 
daert  verändert  habe:  dazu  glaubte  ich  mich  damals  mit  Grimm 
berechtigt,  wenn  schon  inzwischen  durch  Franck  auf  die  Verschie- 
denheit hingewiesen  worden  ist,  die  zwischen  dem  auslaut  von  dar 
und  sal  besieht  und  welche  es  unwahrscheinlich  macht  dass  dar  bei 
inclination  ebenso  gedehnten  vocal  erhielt  wie  sal.  ähnlich  steht 
es  mit  dem  bei  v.  1640  bemerkten,  meinerseits  muss  ich  dem 
verf.  vorhalten  dass  er  öfters  versäumt  hat,  da  wo  er  meine  les- 
art  verwirft,  die  autorität  namhaft  zu  macheu,  der  ich  dabei  ge- 
folgt bin,  mit  unrecht  schiebt  er  mir  ferner  s,  75  unter  dass  ich 
I  2543  gheloofdic  als  'glaubte  ich'  aufgefasst  hätte:  wo  habe  ich 
etwas  derartiges  gesagt?  auch  dass  gheloveti  =  mhd.  gelouben  und 
gheloven  =  mhd.  geloben  verschiedenen  Ursprung  haben ,  wüste 
ich  schon  damals,  als  ich  noch  glaubte  die  beiden  mnl.  Wörter  der 
ausspräche  nach  einander  gleichsetzen  zu  dürfen,  besser  unter- 
blieben wäre  auch  die  bemerkung  auf  s.  65.  ich  hatte  in  der 
anmerkung  zu  v.  6028  smeken  ende  smeren  gesagt:  'smeren  wie 
Salven  vom  bestechen  gemeint?  oder  hängt  es  mit  mhd.  smieren 
zusammen  ?'  dazu  äufsert  sich  M.  aao.  'wat  Martin  t.  a,  p.  wil  met 
'oder',  is  niet  duidelijk.  En  sahen  en  smieren  is  volgens  kern  =  om- 
koopen.'  mhd.  smieren,  (smiren,  wie  Muller  auch  schreibt,  kommt 
nicht  vor)  ist  durchaus  nicht  =  nhd.  schmieren,  sondern  eine 
nebenform  des  mhd.  smielen  'lächeln':  wie  dies  jedes  mhd.  Wör- 
terbuch ausweist,  endlich,  um  mit  meiner  abweisung  unverdien- 
ten tadeis  aufzuhören,  macht  mir  dr  M.  s.  68  folgenden  Vor- 
wurf: 'Waarom  M.  echter  hier  (v.  2239)  Hermeline,  2566.  2615 
Ermelinc  schrijft,  vat  ik  niet:  verwijdert  men  de  Vlaamsche  aspi- 
ratie  overal  consequent,  waarom  dan  ook  niet  in  eigennamen?  Dat 
de  uitspraak  van  den  naam  toen  waarschijnlijk  ook  geweifelt  heeft 
en  de  beteekenis  natuurlijk  onbekend  was  geworden,   doet  niets  ter 


124     MULLEn  DE  OUDE  EN  DE  JONGERE  BEWERKING  VAN  DEN  REINAERT 

zake:  ook  bij  de  appellatieven  zal  de  h  nu  eens  icel,  dan  eena  niet 
zijn  nitgesproketi,  maar  bij  critische  nitgaven  Jioiidt  men  zieh  aan  den 
regel.'  der  grund  meines  Verfahrens  ist  doch  wol  nicht  schwer 
zu  finden,  wielMuller  auf  der  vorhergehenden  seile  ausführt,  hahen 
im  V.  2239  die  hss.  a  und  h  fehler,  welche  mit  notwendigkeit  ein 
//  in  ihrer  vorläge  voraussetzen;  dagegen  an  den  heiden  anderen 
steilen  geben  sie  den  eigennamen  ohne  H.  dieselbe  inoonsequenz 
zeigen  die  hss.  und  ausgaben  beim  namen  [H]  Ermeline,  wogegen 
Muller  s.  196  nichts  einwendet,  vgl.  auch  das  schwanken  in  Her- 
sini;  bei  welchem  namen  übrigens  Muller  s.  197  vergisst,  auch  die 
nebenform  Herses  (gen.)  aus  1   112  anzuführen. 

In  bezug  auf  Hermeline  übt  Muller  eine  kritik,  deren  er- 
wägung  uns  weiter  führen  wird,  er  will  Hermeline  gegen  das  in 
der  hs.  b  einmal  und  in  der  prosa  durcliweg  überlieferte  Ermerijc 
vertauschen,  welches  zu  Ermericus  in  der  lateinischen  Übersetzung 
stimme,  er  fragt,  ob  selbst  ein  clerc  damals  auf  wissenschaft- 
lichem wege  etwas  von  Ermenrich  hätte  wissen  können,  ich  ant- 
worte, warum  nicht?  haben  doch  Gotfried  von  Viterbo  und  an- 
dere historische  quellen  den  alten  namen  des  Gotenkönigs  be- 
wahrt, hat  aber  der  bearbeiter  (n)  diesen  einmal  an  die  stelle  des 
sonst  mit  Willem  gemeinsamen  Ermeline  eingesetzt,  so  haben  wir 
einen  fall  vor  uns,  in  welchem  er  teils  mit  a,  teils  mit  1  stimmt, 
möglicher  weise  also  beide  neben  einander  benutzte,  eben  dies  Ver- 
hältnis ist  auch  sonst  anzunehmen,  damit  ist  aber  das  fuudament 
erschüttert,  auf  welchem  eine  reihe  von  conjecturen  Mullers  ua. 
beruht:  der  satz  nämlich,  dass,  wo  b  und  1  gegen  a  übereinstim- 
men ,  sie  auf  eine  gemeinsame  grundlage  zurückgehen ,  w  eiche 
besser  als  a  sei.  ein  solcher  fall  ist  gleich  zu  anfang  der  erzäh- 
lung  vorhanden:  gegenüber  der  einfachen  Schilderung  des  frühlings 
in  a  stehen  b  und  1  mit  ausführlicheren  darstellungen,  welche  ein- 
zelne Züge  gemeinsam  haben,  aber  die  ausführlichkeil  ist  so  wenig 
am  j)latze,  dass  auch  Muller  s.  20  hier  bl  nicht  für  ursprünglicher 
halten  will  als  a.  ebenso  urteilt  Muller  s.  59  über  eine  aufzählung 
von  tiernamen.  vgl.  auch  s.  61  anm.  2.  Muller  construiert  s.  9.  11 
einen  Stammbaum,  in  welchem  a  auf  der  einen,  1  und  die  grund- 
lage von  b  usw.  auf  der  anderen  seile  vom  original  ausgehen,  den 
fall,  dass  der  verf.  der  Umarbeitung  neben  der  grundlage  auch 
die  lat.  Übersetzung  hat  benutzen  können,  zieht  er  nicht  einmal 
in  hetracht.  wie  es  aber  auch  mit  den  Übereinstimmungen  zwi- 
schen b  und  1  steht,  so  viel  ist  gewis,  dass  überall,  wo  beide 
quellen  a  gegenüber  stehen,  nur  das  in  den  text  aufzunehmen  ist, 
was  durch  inhalt,  spräche,  vers  und  reim  sich  als  ursprünglicher 
ausweist,  in  zweifelhaften  fällen  würde  ich  auch  jetzt  noch  ein- 
fach bei  a  verharren,  ohne  die  strenge  dieses  grundsatzes  würde 
meine  ausgäbe  schwerlich  die  anerkennung  verdient  haben,  welclie 
Miillcr  s.  4  ihr  zu  teil  werden  lässt,  dass  sie  nämlich  eine  recht 
siclicre  grundlage  (viij  stevige  grondslag)  für   den  weilerbau  ge- 


MULLER  DE  OÜDE  EN  DE  JOINGERE  BEWERRfNC  VAN  DEN  REINAERT     125 

Währe,  was  ich  seitdem  für  emendation  und  wol  noch  mehr  für 
Interpretation  des  gedichtes  habe  tun  können,  gedenke  ich  ein 
ander  mal  für  sich  vorzulegen. 

Strafsburg  18  sept.  1884.  E.  Martin. 


Altwestsächsische   grammatik  vo»  PJCosijn.     erste  hälfte.     Haag,    Nijhoff, 
1S83.    VIII  und  116  ss.     gr.  8°.  —  3,  25  m. 

Ich  habe  bereits  DLZ  1884  nr43  auf  diese  verdienstliche  arbeit 
hingewiesen  und  an  einigen  beispielen,  die  mir  das  Wörterbuch 
zu  meinem  Übungsbuch  au  die  band  gab,  gezeigt,  wie,  trotzdem 
unsere  bisherige  keuntnis  von  dem  altwestsächsischen  vocalismus 
in  betonten  silben ,  welchen  die  erste  hälfte  behandelt,  durch 
dieselbe  im  wesentlichen  nicht  verändert  wird,  doch  so  manche 
einzelbeit  aus  den  sorgfältigen  Zusammenstellungen  des  Verfassers 
zu  lernen  ist.  ich  beschränke  mich  daher  hier  auf  die  dort  eben- 
falls in  aussieht  gestellten  bemerkungen    zu    einzelnen    puncten. 

S.  1  fuhrt  C.  unter  den  fremdwörtern  mit  kurzem  a  in  be- 
tonter silbe  auch  papa  an:  allein  das  erste  a  in  lat.  papa  war 
lang,  und  dass  es  beim  eintritt  des  w-orles  ins  englische  nicht 
gekürzt  wurde,  beweist  die  ne.  form  desselben  pope,  die  nur 
aus  pdpa  zu  erklären  ist,  während  sie  bei  kurzem  a  im  alteng- 
lischen  jetzt  2)ape  lauten  würde,  langes  a  ist  ferner  gewis  auch 
in  der  ersten  silbe  von  hwara  und  data  anzusetzen,  sodass  diese 
Wörter  zu  s.  83  (§  58,  4)  gehören ;  vgl.  me.  liwore,  pore.  nicht 
ganz  sicher  bin  ich  rücksicbtiich  der  quantität  des  stammvocals 
in  dem  s.  2  angeführten  arafad.  C.  nimmt  in  Übereinstimmung 
mit  Sievers  Beitr.  9,  280  denselben  als  kurz  an.  ich  glaubte 
dagegen  Zs.  21,  44  anm.  zu  1165  dräfian  schreiben  zu  müssen 
wegen  altn.  reifa  (B  bei  Vigfusson)  7o  rip  np,  disdose.'  auch 
bei  Bosworth-Toller  wird  langer  vocal  in  der  Stammsilbe  ange- 
nommen und  das  wort  jetzt,  wie  schon  im  alten  Bosvvorlh,  ua. 
durch  to  unrove  erklärt,  to  rove  bedeutet  (nach  Lucas)  'einen 
faden,  strick,  ein  seil  oder  eine  schnür  durch  eine  Öffnung 
ziehen',  vgl,  rove  als  sb.  'eine  ausgezogene  und  lose  gefloch- 
tene wollrolle',  ich  finde  weder  bei  Müller  noch  bei  Skeat  eine 
elymologie  dieser  Wörter:  sie  könnten  auf  ae.  *rdfian  und  *rdf 
(oder  *m/e  oder  *rdfa)  zurfickgehen  und  würden  dann  eben- 
falls für  d  in  arafian  angeführt  werden  können. 

Langes  cb  setze  ich  an  in  strcec  (s.  4.  5),  da  ce  in  allen 
formen  bleibt  (s.  s.  6).  vielleicht  ist  altn.  strdkr  'a  landlouper, 
vagabond'  zu  vergleichen,  auch  me.  strek,  strik  spricht  eher  für 
langen  vocal  im  ae.,  bei  kurzem  ce  würde  strak  die  gewöhnliche 
me.  form  sein,  dagegen  ist  es  sicher  dass  ce  in  slced  kurz  ist 
und  also  aus  urgerm.  a  entstanden  ist,  obwol  C.  s.  5  zweifel- 
haft zu   sein   scheint,    da    er   dem    citat  ein  'hier?'   hinzufügt. 


126  COglJN    ALTWESTSÄCHSISCHE    GRAMMATIK 

sl(Bd  gab  me.  iiud  ne,  poet.  und  dial.  slade,  das  sich  zu  jenem 
verhält,  wie  zb.  blade  zu  bloBd.  den  phiral  mwgon  neben  magon 
will  C.  s.  6  als  mcegon  nehmen,  das  zu  mceg  gebildet  wäre  nach 
analogie  von  Iceg  loegon.  liegt  es  nicht  näher  das  ce  aus  dem 
ce  des  conjunctivs  zu  erklären?  man  vgl.  namentlich  scylim  in 
der  nordhumbrischen  aufzeichnung  des  hymnus  Cädmons  gegen- 
über dem  sculan  in  der  westsächsischen  und  mhd,  niegen  und 
mügen  usw. 

Ich  sehe  ferner  keinen  grund ,  weord  'carus'  von  weord 
'dignus  zu  trennen  und  bei  dem  letzteren,  sowie  bei  den  com- 
positis  mit  ar-,  gelte-  und  steor-,  zu  fragen,  ob  nicht  als  nom. 
weorde  anzusetzen  sei,  wie  C.  s.  40  tut,  da  bei  den  sicher  dem 
ya-stamm  angehörenden  formen  die  behandelten  denkmäler  stets 
t'e,  i  oder  ^  zeigen  (s.  61.  65).  auch  ist  das  citat  bei  gelkweord 
zu  berichtigen :  statt  der  fetten  zitier  ist  eine  gewöhnliche  zu 
schreiben  und  statt  der  kleinen  21  vielmehr  19.  wenn  sodann 
C.  s.  41  meint,  dass  feoh ,  pleoh,  geseoh  vielleicht  lauge  vocale 
aus  den  syncopierten  formen  angenommen  haben,  so  ist  dagegen 
geltend  zu  machen  dass  die  Schreibung  bei  Orm  fehh  kurzes  eo 
zur  Voraussetzung  hat.  was  hat  ferner  C.  bestimmt,  das  prät. 
gesceop  in  §  26  (s.  44)  zu  erwähnen  ?  warum  soll  dieses  prät. 
ein  unorganisches  eö  (dh.  eo  nach  meiner  bezeichuung)  haben? 
das  me.  schoop  setzt  sceöp  voraus. 

Langes  o  und  nicht  kurzes,  das  C.  s.  69  ansetzt,  haben 
kok  (trotz  des  hd.  koch)  wegen  ne.  cook  und,  wie  Kluge  gesehen 
hat  (Beitr.  8,  537  ff),  gecöp  und  cöpenere  wegen  ce'pan.  geJioltan 
aber  hätte  wegen  me.  haben,  ne.  hale  und  ahd.  halÖ7i  neben 
holön  usw.  (C.  erwähnt  selbst  nl.  heilen)  nicht  s.  70,  sondern 
s.  22  f  §  8  behandelt  werden  sollen,  s.  70  schwankt  C.  ferner, 
ob  icrenc  oder  wrence  als  nom.  sing,  anzusetzen  sei  (es  handelt 
sich  um  lotwrenc),  während  er  s.  29  wrenc  angenommen  hat. 
ich  bin  der  ansieht,  dass  wrenc  richtig  ist,  da  in  me.  denkmälern, 
die  noch  kein  stummes  e  kennen,  als  nom.  oder  acc.  bisher  nur 
u-rench  nachgewiesen  ist.  dazu  kommt  dass  wir  auch  nach  dem 
mild,  rojic,  renke  im  ae.  einen  /-stamm,  nicht  einen  ya-stamm 
erwarten,  langes  o  gebührt  weiterhin  zwei  ebenfalls  s.  70  be- 
handelten Wörtern,  zunächst  verlangt  ne.  school  trotz  des  nom. 
Str.  scolu  (Chronik  816;  vgl.  scolu  aus  scol  in  einer  hs.,  während 
alle  andern  scol  haben,  Ällr.  Gr.  304,  12}  ein  langes  o,  das  ja 
auch  unser  schule  voraussetzt,  ebenso  inuss  man  töltan  schrei- 
ben wegen  des  ne.  to  toot  'to  pry  or  search' ;  vgl.  Nares  s.  v. 
und  Skeat  s.  v.  toiit,  das  einer  allgemein  gewordenen,  ursprüng- 
lich aber  nur  dialectischen  ausspräche  von  toot  seine  form 
verdankt. 

Mit  unrecht  wird  s.  75  byrel  als  nom.  sing,  angesetzt,  wie 
zb.  auch  Grimm  Zs.  6,  191  getan  hat:  schon  Grein  hat  byrele 
als  nom.  nachgewiesen,     auf  derselben  seite  führt  C.  cylle,  kylle 


COSIJX    ALTWESTSÄCHSISCHE    GRAMMATIK  127 

an,  sieht  also  in  y  umlaut  aus  w.  das  wird  vvol  richtig  sein ; 
denn  dieses  m.  cylle  ist  wol  =  altn.  kyllir  'sack'  und  aus  dem 
lat.  culens  oder  vielmehr  adleus  entlehnt,  es  mischt  sich  aber 
(vgl.  Kluge  s.  V.  kelle)  damit  das  fem.  altwests.  a'elle.  mit  dieser 
Schreibung  liegt  dieses  wort  vor  in  der  Oxforder  hs.  der  Dialoge 
Gregors  fol.  14':  pa  gefyllde  he  mid  xoöBtere  ealle  pcBve  cyrcean 
ctellan.  aus  dieser  stelle  stammt  das  angebliche  schw.  m.  ciella 
in  den  Wörterbüchern ;  vgl.  aber  aufser  den  belegen  (für  cille, 
cylle)  bei  Bosworth-Toller  und  in  Wright-Wülckers  Glossen  die 
bei  Wright-Wiilcker  fehlende  glosse  der  Cambridger  Sammlung 
lancola  cellae  (Academy  vom  3  mai  1884  s.  317'').  neben  dem 
schwachen  fem.  kommt  aber  auch  ein  starkes  cyll  vor  und  dieses 
entspricht  genau  nhd.  kelle,  ahd.  chella.  —  dagegen  scheint  es 
mir  nicht  richtig  auch  bei  ryft  s.  76  y  als  umlaut  von  u  zu  fassen, 
das  Epinaler  glossar  20  B  5  bat  palla  rift,  das  Cambridger  29, 
28  laena  rift  und  37,  29  falla  rift;  bei  Layamon  steht  rift 
{mch\.  ruft),  dazu  kommen  alto.  ript ,  ahd.  peinrefta  und  Isidors 
replus. 

S.  80  steht  aus  versehen  zweimal  strcete  st.  strwt  als  nom. 
sg.  ebenda  fragt  C,  nachdem  er  her  'hie'  angeführt:  'hieher  das 
her  (hoc  anno)  in  der  Cbron.?'  mir  scheint  das  ganz  unzweifel- 
haft; denn  auch  bei  annalislischen  aufzeichnungen  in  lateinischer 
spräche  finden  wir  hie  neben  hoc  anno:  so  in  den  von  Lieber- 
mann (Ungedruckle  anglonormanniscbe  geschichtsquellen,  Strafs- 
burg 1878,  s,  1 — 8}  herausgegebenen  teils  englischen,  teils  la- 
teinischen annalen: 

McxiHi.  Hic  Radulfus  rofensis  episcopus  snscepit  archiepi- 
scopatnm  cantuariae.  vi.  A  Mai.  _ 

McxxFi.  Bic  radulfus  archiepiscopus  ohiit.  xni.  kl  Nov. 
Mcxxxv.  Hic  ohiit  Henricus  rex  anglorum  usw. 
sehr  wolbegründet  ist  aber  C.s  s.  81  aufgeworfene  frage,  ob  nicht 
celenge  und  nicht  wleng  als  nom.  sg.  anzusetzen  sei,  dass  celenge 
die  richtige  form  ist,  wird,  um  andere  gründe  nicht  erst  anzu- 
führen, durch  me.  elenge,  elinge  bewiesen,  wie  schon  Stratmanu^ 
18*  gesehen  hat.  celengness  fastidium  usw.  (Wright- Wülcker 
235,  14)  verhält  sich  zu  celenge,  wie  zb.  swetness  zu  swete. 

S.  87  führt  C.  grin  unter  den  Wörtern  mit  langem  i  auf. 
aber  der  accent  in  der  Hattonhs.  317'^  ist  nicht  beweisend,  da 
die  handschrift  öfter  kurze  vocale  accentuierl.  dass  ferner  auch 
aus  dem  nom.  grin,  der  n,  sein  kann,  nicht  länge  folgt,  wie 
Sievers  Beilr.  1,  490  und  494  geschlossen  hat,  ist  mit  recht 
von  Zimmer  Nominalsuff.  a  und  d  s.  302  bemerkt  worden,  für 
kürze  des  vocals  spricht  aufser  dem  von  Zimmer  geltend  ge- 
machten pl.  ntr.  grynu  der  umstand ,  dass  das  wort  im  me. 
nicht  blofs  als  grin  und  gryn,  wie  es  allein  lauten  könnte,  wenn 
der  vocal  lang  gewesen  wäre,  sondern  auch  als  gren,  grün,  gron, 
gran  usw.  (Mätzner  VVb.  ii  318'')  vorliegt. 


128  COSIJN    ALT  WESTSÄCHSISCHE    GRAMMATIK 

S.  101  nimmt  C.  in  drafian  uud  dem  davon  abgeleiteten 
drafinuj  langes  a  au,  wie  dies  seit  Grein,  der  auf  alln.  p reif a  hin- 
wies, wol  ziemlich  allgemein  geschieht,  ich  glaube  aber  zunächst 
dass  das  ae.  und  das  altn,  wort  in  den  bedeutungen  zu  ver- 
schieden sind,  als  dass  ihre  identität  unzweifelhaft  wäre.  altn. 
preifa  bedeutet  'mit  der  band  berühren,  tasten',  das  ae.  prafian 
aber  'autreiben,  zu  etwas  anhalten';  vgl.  aufser  den  belegen 
in  den  lexx.  auch  Bl.  hom.  45  se  bisceop  sceal  .  .  .  prafian  pa 
mcessepreostas  mid  lufe  ge  mid  lape,  pCBt  hie  healdan  godes  cewe 
on  riht.  ich  halte  das  a  in  dem  englischen  worte  für  kurz, 
dafür  scheint  mir  schon  der  umstand  zu  sprechen ,  dass  es  im 
dialect  von  Lincolnshire  nach  Skinner  to  thrave  wurde  (vgl.  Halli- 
well  s.  V.  und  die  6  publication  der  Dialect  society:  John  Ray's 
collection  of  euglish  words  ed.  Skeat,  1S74,  s.  69)  und  nicht  zu 
to  throve.  aufserdem  glaube  ich  dass  es  unser  traben,  mhd. 
draben,  draven  ist.  die  entwicklung  der  bedeutung  ist  ganz  ana- 
log, wenn  aus  ae.  prician  'stechen'  (Älfr.  Gr.  180,  10)  me.  prikien, 
ne.  dicht,  prick  'rasch  reiten'  wird:  zuerst  sagte  man  transitiv 
ein  ros  draben  und  Iwrs  (mid  pdm  spiiran  oder  spnrum)  prician 
(vgl.  he'ow  poet  Jwrs  mid  pdm  spuran  Alfr.  De  n.  test.  ed.  Grein 
18,  21),  dann  mit  ellipse  des  acc.  iutr.  draben,  prikien.  —  langes 
a  hat  natürlich  drag:  aber,  wie  will  es  C.  rechtfertigen  dass  er 
das  wort  unter  denen  anführt  (s.  101),  deren  d  aus  ai  entstan- 
den ist?  man  kann  drdg  doch  nicht  von  prwgan  und  dieses  von 
got.  pragjan  trennen :  drdg  gehört  also  auf  s.  83  (§  58,  4).  — 
dass  geddl  und  gemdna  ohne  umlaut  sind  (C.  fragt  s.  101  'warum 
ohne  umlaut?'),  erklärt  sich  aus  dem  abfall  des  Stammesauslauts 
i  vor  dem  suffix  o,  resp.  an.  —  dass  das  cb  in  hhene  auf  ai  und 
nicht  auf  w  zurückgeht  (C.  scheiut  nach  der  frage  s.  103  zu 
schwanken),  dafür  spricht  ne.  lean  und  die  ausspräche  mit  e-laut 
im  16  jh.  (EUis  895). 

Möge  der  verehrte  verf.  an  diesen  anspruchlosen  bemer- 
kungen  wenigstens  erkennen,  mit  welchem  Interesse  ich  sein 
buch  gelesen  habe. 

Berlin,  den  29  august  1884.  Jclius  Züpitza. 


Fornsögur  suilrlanda.  Magus  saga  jarls,  Konrads  saga,  Boxrings  saga,  Flo- 
vcnts  saga,  Bevers  saga  med  inledning  utgifna  af  Gustav  CEDERscniöLD. 
Lund,  FrBerlings  boktryckeri  och  sülgjuteii,  1884  (i  kommission  hos 
FABiockhaus,  Leipzig,  Berlin,  Wien;  CWKGleerup,  Lund).  cclii  und 
273  ss.    4°.  —  17,50  kr.* 

Den  freunden  altnordischer  litteratur  sind  wol  die  in  den 
Jahrbüchern  der  Lunder  Universität  band  xiii  —  xix  erschienenen 
ausgaben  der  fünf  auf  dem  titel  angegebenen  romantischen  sagas 

1*  vgl.  Litt,  centralblatt  1884  nr  47.] 


CEDERSCHIÖLD  FORNSÖGUR  SUBRLANDA  129 

bekannt,  aber  erst  in  diesem  jabre  sind  sie  von  dem  herausgeber 
zu  einem  stattlichen  bände  zusammengefasst  und  mit  einer  um- 
fänglichen einleitung  versehen  worden,  welche  über  die  principien 
der  ausgäbe  rechenschaft  gibt  und  die  litterarische  Stellung  und 
geschichte  dieser  denkmäler  bespricht,  weniger  die  geschichtc 
der  in  ihnen  behandelten  Stoffe  und  somit  der  mittelbaren  oder 
unmittelbaren  quellen,  zum  teil  weil  hierüber  bereits  von  andern 
gehandelt  worden  ist,  so  besonders  über  die  Magus  saga  von  Wulff, 
GParis,  Suchier  (Germ.  20,  273),  Köhler  (Germ.  21,  IS),  Kölbing 
(Germ.  21,  354),  zum  teil  weil  dem  herausgeber  die  französischen 
originale  nicht  zugänglich  waren,  so  nicht  einmal  die  ausgäbe 
des  Renaud  de  Montauban  s.  lxxxii,  aber  wol  hauptsächlich  weil 
ihm  andre  probleme  wichtiger  schienen,  es  soll  damit  durchaus 
kein  Vorwurf  gegen  die  treffliche  einleitung  ausgesprochen,  nur 
das  germanistische  und  romanislische  publicum  auf  ein  noch  un- 
angebautes  arbeitsfeld  aufmerksam  gemacht  werden,  welche  ge- 
stalt  der  geschichte  von  den  vier  Haimonskindern  der  Verfasser 
der  Magus  saga,  welche  von  Loher  und  Maller  der  der  Konrads 
saga  gekannt  habe,  wie  die  originale  der  eigentlichen  Übersetzungen, 
d.  i.  der  Bsrings,  Flovents,  Bevers  saga  beschaffen  gewesen  seien, 
wie  das  der  beiden  letzleren  sich  zu  den  bekannten  dichtungen 
von  Floovent  und  Beuves  de  Hanstone  verhalte,  kann  noch  den 
gegenständ  mancher  Untersuchung  bilden,  für  welche  die  von  Ge- 
ring in  deutscher  spräche  beigesteuerten  ausführlichen  analysen 
der  Konrads,  Baerings,  Bevers  saga  eine  willkommene  erleichte- 
rung  bieten,  ich  will  nur  auf  eine  auffallende  Übereinstimmung 
der  Bevers  saga  —  ob  auch  einer  der  französischen,  italienischen 
oder  englischen  Beuves  de  Haustone,  ist  mir  im  augenblick  nicht 
möglich  festzustellen  i  —  mit  unserm  Grafen  Rudolf  hinweisen,  cap. 
v — XVII :  Bevers  wird  ritter  eines  orientalischen  und  heidnischen 
fürsten,  in  dessen  dienst  er  grofse  waffentaten  vollbringt,  zum 
lohn  erhält  er  ein  ausgezeichnetes  pferd,  dessen  Schicksale  neben 
denen  des  beiden  bis  zu  beider  lebensende  erzählt  werden,  in 
folge  eines  liebesverhältnisses  mit  der  tochter  seines  herrn  gerät 
er  in  harte  gefangenschaft,  in  welcher  er  besonders  von  hunger 
zu  leiden  hat,  sodass  er  auch,  nachdem  die  flucht  aus  dem  kerker 
gelungen,  gefahr  läuft  zu  verschmachten,  er  kommt  nach  Jeru- 
salem, von  da  zu  seiner  geliebten,  die  unterdes  gezwungen  worden 
war  einen  andern  zu  heiraten,  mit  hilfe  von  deren  treuem  diener 
Bonifrey  gelingt  es  ihm  sie  zu  entführen,  sie  lagern  in  einem 
waldversteck,  während  Bevers  ein  wild  zu  erlegen  trachtet,  wer- 
den Bonifrey  und  seine  herrin  von  zwei  löwen  angegriffen,  welche 
Bonifrey  töten,  dieser  letzte  zug  so  wie  der  name  Bonifrey  er- 
lauben auch  die  vorhergehenden  allgemeineren  Übereinstimmungen 
als  mehr  denn  zufall  aufzufassen.  —  cap.  xxiv  bis  xxvi  bietet  eine 

*  die  Histoire  litteraire  18,  700.  74S,  Ra.jna  Oiigini  s.  382  und  Warion 
ed.  Hazlitt  2,  142  ergeben  niclits. 


130  CEDERSCHIÖLD  FORNSÖGÜR  SÜBRLANDA 

Variation  der  Eustachiuslegeode.  —  auf  eiue  zusanimeogesetzte 
vorläge  weist  cap.  xiii  und  xx.  wälirend  an  der  ersten  stelle  Jo- 
svena,  Beyers  geliebte,  im  besitze  eines  gürteis  ist,  der  jeden  an- 
griff auf  ihre  jungfrauschaft  vereitelt  —  sie  verwertet  ihn  gegen 
den  ihr  aufgenötigten  gemahl  — ,  benutzt  sie  an  der  anderen  stelle 
ihren  gürtel  um  einen  bedränger  ihrer  ehre  zu  erdrosseln,  dazu 
brauchte  ein  gürtel  doch  keine  zauberhaften  eigenschaften  zu 
haben,  man  beachte  dass  nur  cap.  xiii  innerhalb  der  mit  dem 
Grafen  Rudolf  übereinstimmenden  parlie  fällt. 

Aber  ein  herausgeber  hat  in  der  tat  näher  liegende  aufgaben, 
die  gestaltung  der  texte  und  die  eiustellung  der  ganzen  werke 
wie  der  einzelnen  redactionen  in  die  reihe  sonst  bekannter  litte- 
rarhislorischer  tatsachen.  nach  beiden  richtungen  erscheinen  die 
Forusögur  sudrianda  als  eine  sorgfältige ,  umsichtige  und  resul- 
tatreiche arbeit. 

Das  princip  der  ausgäbe  wird  von  Cederschiöld  s,  lxui  an- 
gegeben und  gerechtfertigt,  da  die  handschriften  zum  grofsen  teil 
bearbeilungen,  und  zwar  mitunter  sehr  weitgehende  sind,  so  wäre 
es  aus  practischen  gründen  untunlich  gewesen,  neben  dem  text  die 
abweichungen  der  handschriften  von  demselben  in  form  von  les- 
arten  mitzuteilen.  Cederschiöld  veröffentlicht  also  nur  die  ihm  die 
älteste  scheinende  redaction,  welche  durch  eine  oder  mehrere 
hss.  repräsentiert  sein  kann,  mit  den  lesarlen  dieser  redaction  un- 
ter dem  text,  während  über  die  anderen  redactionen  und  hss.  in 
der  einleiiung  gehandelt  und  eine  auswahl  der  wichtigeren  lesarten 
derselben  nach  verschiedenen  gesichtspuncten  mitgeteilt  wird,  wo 
die  redactionen  allzu  weil  auseinandergehen,  müssen  die  jüngeren 
allmählich  auch  selbständig  ediert  werden  wie  dies  zb.  mit  der 
gröfseren  Magus  saga  durch  l*ordarson,  Kopenhagen  1S58,  schon 
geschehen  ist.  das  princip,  das  wir  auch  bei  gedichten  der  helden- 
sage  anwenden,  ist  mit  einigen  wolbegreiflichen  modificierungen 
—  s.  darüber  s.  lxiv*  —  streng  durchgeführt  bis  auf  die  capitel- 
einteilung,  die  in  der  ausgäbe  mitunter  einer  anderen  als  der  ge- 
wählten redaction  entnommen  und  deren  inhallsangaben  durch 
zilfern  ersetzt  sind,  die  wie  es  scheint  nicht  in  den  hss.  stehen, 
s.  s.  Lxvni.  ich  sehe  den  grund  dieser  ausnähme  nicht  ein.  die 
capitelüberschriften  gehören  ebenso  zum  toxi  einer  redaction  als 
zb.  die  aventiurentilel  in  unseren  Nibelungen  oder  die  inhalts- 
angaben  in  den  werken  mancher  didacliker.  abgesehen  davon 
und  von  der  durchgefiihrten  modernen  interpunction  und  Ver- 
wendung grofser  buchstaben  erscheint  der  text  der  gewählten  re- 
daction ,  wie  er  von  dem  Schreiber  der  ältesten  oder  besten  hs. 
derselben  dargestellt  worden  wäre,  wenn  dieser  ihn  mit  gleichmüfsig 
gespannter  aufmerksamkeit  corrigiert  hätte,  die  absichtlichen  feh- 
ler, d.  i.  abweichungen  vom  ursprünglichen,  wo  es  erschlossen 
werden  kann,  sind  beibehallen  worden,  s.  einleitung  zur  Magus 
saga  s.  cxxx  und  die  lesarten  zu  22,  40.  25,  35.  35,  11. 


CEDERSCHIÜLD    FOR^SÖGUR    SüftRLANDA  131 

Nicht  iü  gleichem  mafse  einverstanden  kann  mau  sich  mit 
der  methode  erklären,  nach  welcher  die  Verwandtschaftsverhält- 
nisse der  redactionen  und  hss.  in  der  einleitung  erörtert  werden. 
es  scheint  zwar  dass  die  gruppierungen  richtig  sind  —  Stamm- 
bäume aufzustellen  war  nicht  immer  möglich  s.  s.  cv  — ,  aber  die 
als  beweisend  angeführten  stellen  sind  es  zum  grolsen  teile  nicht, 
so  zur  Magus  saga  s.  cxxivff.  die  hss.  A,B,  C,  D,  G,  AM  gehören 
zu  einer  redaction,  A  aber  soll  den  besten  text  enthalten,  dies 
wird  bewiesen  durch  anführuug  von  'läsarter,  som  med  tämlig 
visshet  kunna  betecknas  som  mindre  ursprungliga  an  de  motsva- 
rande  i  A'.  aber  in  der  nun  folgenden  Sammlung  von  Varianten 
der  hs.  B  sind  kaum  zwei,  die  man  als  abweichungen  vom  ur- 
sprünglichen, hier  A,  ansehen  kann,  s.  9,  58.  59.  27,  34.  35. 
eiieuso  s.  cxxx  eine  Sammlung  von  stellen,  aus  denen  hervorgehen 
soll  dass  auch  A  mitunter  geändert,  das  ursprüngliche  sich  in 
den  übrigen  hss.  der  redaction  erhalten  habe,  neben  fällen  wie 
s.  5,  35.  33,  16  ua.  eine  menge  anderer,  in  denen  das  echte  ebenso 
gut  von  A  als  von  den  anderen  hss.  geboten  werden  kann,  be- 
sonders wenn  diese  unter  sich  auseinandergehen,  in  einigen 
dieser  fälle  möchte  man  geradezu  einen  beweis  für  die  ursprüng- 
lichkeit der  lesart  in  A  erblicken,  so  wenn  es  s.  12,  10  dort 
heifst:  Keisari  reidir  iipp  taflininginn  oc  ä  nasar  Rögnvalldi,  wäh- 
rend B  vor  d  nasar  ein  reAr  einschiebt,  CO  setr,  und  die  zu  der 
längeren  redaction  gehörige  hs.  F  sker. 

Sehr  gut  wider  sind  die  lilterarhistorischen  characterisliken  der 
verschiedenen  redactionen,  wie  die  erzählungsweise,  welche  in  den 
ältesten  fassungen  jener  der  Islendinga  sögur  noch  ziemlich  nahe 
steht,  allmählich  durch  die  ausführlichere  aber  die  phantasie  we- 
niger anregende,  dabei  von  den  empfindungen  des  bearbeiters  ge- 
färbte darstellungsart  der  romantischen  sagas  ersetzt  wird,  s. 
s.  cxvnif,  wie  unbestimmte  reminiscenzen  aus  der  Thidreks  saga 
dem  späteren  bearbeiter  anlass  geben,  diese  aufzuschlagen  und 
auszuschreiben,  sogar  mit  beibehaltung  eines  falschen  tempus  s. 
xci.  cix'. 

Mit  Scharfsinn  und  besonnenheit  behandelt  Cederschiöld  die 
Vorgeschichte  der  uns  erhaltenen  Überlieferung  und  weist  zb.  in 
der  Magus  saga,  nachdem  er  die  entstehung  der  jüngeren  redac- 
tionen der  saga  durch  hinzufügung  von  pcettir  in  der  mitte  wie 
am  ende  des  ursprünglichen  textes  beschrieben  hat,  s.  s.  cif,  auf 
deutliche  spuren  hin,  welche  auch  die  älteste  durch  A  repräsen- 
tierte redaction  als  Verbindung  zweier  ursprünglich  selbständigen 
sagas  erscheinen  lassen,  s.  cxv  f. 

Nicht  das  geringste  verdienst  der  einleitung  ist  schliefslich 
der  dem  Verfasser  durch  seine  reiche  belesenheit  in  der  altnordi- 
schen litteratur  ermöglichte  nachweis,  dass  die  Übersetzer  und 
bearbeiter  dieser  südeuropäischen  stotfe  mit  ihrer  nationalen  lit- 
teratur vielfach  sehr  vertraut  waren  und  durch  benulzung  schon 
A.  F.  D.  A.    XI.  10 


132  CEDEUSCHIÜLD    FORNSÜGÜR    SU-frRLANDA 

vorhandeuer  litlerarischer  typen  ihren  fremden  Stoffen  ein  natio- 
nales gepräge  zu  geben  wüsten;  so  über  Magus  als  skeljakarl 
s.  xciv,  über  Magus  als  Vidföndl,  d.  i.  der  ISornagesttypus  s.  xcii 
— xcv.  cxxxvm. 

Traunkirchen,  august  1884.  Heinzel. 


Goethes  briefe.  Verzeichnis  derselben  unter  angalie  von  cjuelle,  ort,  datnm 
und  anfangsworten.  darstellung  der  beziehungen  zu  den  empfängern. 
inhailsangaben  der  briefe.  mitleilung  von  vielen  bisher  ungedrucklen 
briefen.  herausgegeben  von  Fr.Sxr.EHLKE.  Berlin,  Gustav  Hempel  (Bern- 
stein und  Frank),  18S2-1884.  drei  teile.  496,  543,  247  ss.  S".  —  27  m.* 

Es  ist  gewis  ein  lobenswertes  iinternebnien,  die  arg  verzet- 
telte litteralur  der  Goelliebriefe  unter  einem  rahmen  zu  einem 
ganzen  zusammenzufassen,  über  die  nolwendigkeil  und  nützlich- 
keil desselben  wird  kaum  jemand  einen  zweitel  laut  werden  las- 
sen, der  herausgeber  hat  ileifs  und  mühe  nicht  gespart,  um  die 
schier  endlose  und  nicht  immer  anregende  arbeit  in  verhältnis- 
mälsig  kurzer  frist  zu  bewältigen,  dass  berichligungen  (vgl.  be- 
sonders Biedermann  im  Archiv  für  litleraturgeschichte  xi  307  ff. 
425  if.  599  f.  XII  154  IT.  455  f.  612  If)  und  nachtrage  notwendig 
wurden,  wäre  für  jeden  anderen  ebenso  unvermeidlich  gewesen : 
genug  dass  die  lücken  dem  nachprüfenden  nicht  öfter  entgegen- 
gähnen und  die  fehler  meistens  die  biographischen  angaben  be- 
treffen, welche  ohnedies  nicht  zur  eigentlichen  aufgäbe  des  heraus- 
gebers  gehören,  hier  fragt  es  sich  blofs,  auf  welchem  wege  der 
herausgeber  seine  aufgäbe  gelöst  hat  und  ob  dieser  weg  der  rich- 
tige war. 

Die  einrichtung  des  Verzeichnisses  ist  die  folgende:  voran 
steht  eine  einleilung,  welche  in  allzu  gedrängter  kürze  eine  chro- 
nologische Übersicht  der  lideiatur  des  Goelheschen  briefwechsels 
gibt,  ohne  sich  zu  freier  übersieht  oder  allgemeinen  gesichts- 
puncten  zu  erheben,  darauf  folgt  das  Verzeichnis  der  öfters  ci- 
tierlen  quellen,  in  welchem  die  widergabe  des  litels  der  aus  anli- 
qua  gedruckten  Schriften  mit  letteru  derselben  gaUung  doch  wol 
eine  unnötige  typographische  erschwerung  war.  endlich  als  kern 
des  ganzen  werkes  das  Verzeichnis  der  briefe,  nach  den  adrcs- 
saten  geordnet,  wobei  incousequent  der  Frankfurier  senat  unter  F, 
der  magislrat  von  ISürnberg  unter  M,  und  der  ausschuss  zur  er- 
richlung  eines  Blücherdenkmals  unter  A  zu  finden  ist.  jeder  adres- 
sat  erhält  einen  besonderen  arlikel  mit  eigener  Überschrift,  bio- 
graphischen nolizen,  kürzeren  oder  längeren  angaben  über  sein 
Verhältnis  oder  seine  beziehungen  zu  Goethe,  einem  speciellen 
quelleuverzeichnis  für  die  an  ihn  gerichleteu  Goelheschen  Iniefe, 
worauf  dann  in  chronologischer  reiheidbige  diese  selbsl  nach  da- 
lum,  brielanfang  und  druckorl  angegeben  werden,    in  seilenden 

(*  vgl.  DLZ  1&84  nr  39  (R.\l Werner).] 


STREHLKE    GOETHES    BRIEFE  133 

fällen,  wo  es  gestattet  wurde  oder  ntilzlich  schien,  findet  auch 
abdruck  der  hriefe  nach  dem  manuscriple  oder  nach  einem  schwer 
zugänslichen  ersten  druck  statt:  ein  billigeuswcrles  vorgehen, 
welches  sowie  überhaupt  das  sorgtäUige  aufspüren  und  benutzen 
der  originale  der  briele  lob  verdient,  dem  sammelfleirse  StrehlUes 
wird  die  schuldige  anerkcnnung  in  den  äugen  aller  billig  den- 
kenden dadurch  nicht  entzogen,  dass  man  hie  und  da  zu  den 
quellen  einen  früheren  oder  späteren  druck ,  vielleicht  wol  gar 
eine  eigene  publicalion  anmerken  kann,  und  bei  dem  kurzen  brief- 
wechsel  zwischen  Goethe  und  Klopstock  (i  347)  wird  uiemand 
Schraidliu  und  die  übrige  abgeleitete  Klopstocklitteratur  vermis- 
sen, eher  möchte  man  vielleicht  die  angaben  über  die  adressalen 
überhaupt  für  entbehrlich  halten:  sie  sind  oll  unzureichend  (dass 
Hammer-Purgslall  anfangs  der  90er  jähre  in  Jena  studierte  i  236, 
wäre  aus  der  Schillerlitteralur  leicht  zu  belegen  gewesen),  mit- 
unter falsch,  meistens  weitläutig  und  selten  für  den,  welcher  über- 
haupt ein  solches  Verzeichnis  zu  benutzen  versteht,  unentbehrlich, 
am  Schlüsse  endlich  (band  2,  525  ff)  wird  eine  gruppierung  der 
hriefe  'nach  bestimmten  gesichtspuncten'  dh.  nach  den  gesichts- 
puncten,  von  denen  aus  die  adressaten  für  Goethe  von  bedeutung 
sind,  versucht,  warum  hier  die  briele  an  Knebel,  Schiller,  frau 
von  Stein  und  Zelter  weggelassen  sind,  da  sie  doch  unter  die 
rubrik  'persönlicher  oder  freundschaftlicher  verkehr'  mit  män- 
nern  und  frauen  ungescheut  hätten  aufnähme  finden  können, 
wird  niemand  begreifen,  auch  die  'gesammtresultate,  welche  aus 
Goethes  briefen  hervorgehen',  sind  nicht  viel  mehr  als  bekannte 
gemeinplätze,  welche  wenig  tief  greifen  und  besser  entbehrt  wor- 
den wären. 

Damit  hat  Strehlke,  welcher  alle  zwei  jähre  einen  nachtrag 
zu  geiien  verspricht,  der  uns  willkommen  sein  wird,  seine  arbeit 
geschlossen,  auf  grund  derselben  liefert  die  veiiagshandlung  im 
dritten  bände  ein  chronologisches  Verzeichnis  von  Goethes  briefen ; 
also  das,  was  am  meisten  not  tut  und  bedürfnis  ist.  es  ist  kein 
zweilel  dass  Strehlke  geschickter  zu  werke  gegangen  wäre,  wenn 
er  die  chronologische  anordnung  gewählt  und  sich  an  das  musler 
Redlichs  in  dessen  ausgäbe  der  Lessiugschen  hriefe  gehalten  hätte, 
denn  erstlich  hätte  er  die  haltte  des  ziemlich  mafslos  in  anspruch 
genommenen  raumes  erspart,  dann  hätte  er  auf  diese  weise  auch 
die  antworten  in  seine  arbeit  einbeziehen  können,  und  endlich 
wäre  durch  nummerierung  der  chronologisch  auf  einander  folgen- 
den hriefe  und  anführung  der  nummern  in  einem  Personenregister 
der  briefwechsel  Goethes  mit  einzelnen  jiersonen  ebenso  leicht  zu 
übersehen  gewesen,  während  das  umgekehrte  nicht  der  fall  ist. 
man  wird  doch  auch  weit  öfter  in  die  läge  gesetzt  sein,  Goethes 
briefe  aus  einem  bestimmten  Zeitraum  nachschlagen  zu  müssen, 
als  über  den  fortgang  seiner  beziehungen  zu  dieser  oder  jener 
persönlichkeit    bclehrung    zu    suchen,     ein    chronologisches    ver- 

10* 


134  ÖTREHLKE    GOETHES    BRIEFE 

zeichnis  zu  Goethes  briefen  stellt  eine  fortlaufende  selbstbiograpliie 
des  dichters  dar,  während  die  Slrehlkesche  anordnung  uns  nur 
untergeordnete  tragen  zu  lüseu  erlaubt. 

Möchten  auch  Schillers  briefe  mit  gleichem  fleifse  gesammelt 
und  verzeichnet  werden,  aber  in  chronologischer  reihenfolge. 

Zum  Schlüsse  ein  kleiner  nachtrag.  das  germanische  museum 
in  Nürnberg  besitzt  (aus  Böttigers  nachlass,  dessen  autographen- 
sammlung  sich  dort  befindet)  eine  Sammlung  von  Goethebriefen, 
welche  mir  aut  mein  ansuchen  von  der  direction  bereitwilligst 
zur  einsichtnahme  an  die  hiesige  Universitätsbibliothek  zugeschickt 
wurden,  es  sind  die  folgenden,  grostenteils  bereits  gedruckten 
briefe : 

1)  Rom  den  17  november  [1786]  an  Wieland:  Ich  vinfs 
dir  doch  mich;  gedruckt  in  Litterarische  zustände  und  Zeitgenossen, 
in  Schilderungen  aus  KABöttigers  handschriftlichem  nachlasse,  hg. 
von  RWBöttiger  (Leipzig,  Brockhaus)  n  148  ff;  Italienische  reise 
(Hempel)  xxiv  687  f;  vgl.  Strehlke  n  385.  —  2)  [etwa  juli  1788] 
an  Wieland:  Indem  du  heschäfligt  List;  gedr.  Lit.  zust.  ii  151  f; 
vgl.  Strehlke  ii  385.  —  3)  d.  26  sept.  93  [an  Wielnndj:  bey- 
h'egende  drey  Gesänge  Reinkkes;  gedr.  Lit.  zust.  ii  152  und  bei 
Strehlke  ii  386  (nicht  nach  der  handschritt).  —  4)  Weimar  den 
12  august  1796  [an  Böttiger,  abschritt]:  Etc.  Wohlgeh.  ist  be- 
kannt; gedr.  Lit.  zust.  n  141  f  und  (mir  unzugänglich)  in  den 
Grenzboten  1857  nr  5,  Berliner  Sammlung  n;  vgl.  Strehlke  i  81. 
—  5)  W^eimar  den  12  august  [an  KABöttiger]:  Beykommendes  Blatt 
haben  Sie  wohl;  gedr.  Lit.  zust.  ii  141;  vgl.  Streldke  i  81.  — 
6)  Weimar  d.  16  jan.  1797  [an  KABöttiger]:  Für  das  epische 
Gedicht;  gedr.  Lit.  zust.  ii  142;  vgl.  Strehlke  i  81.  —  7)  Wei- 
mar d.  28  jan.  97  [an  KABöttiger]:  Für  die  Mittheilung  der 
Gott.  Anzeigen;  gedr.  Lit.  zust.  ii  142  f;  vgl.  Strehlke  i  82.  — 
8)  Weimar  d.  10  april  97  [an  KAHöttiger]:  Hier  kommen  end- 
lich die  vier  ersten  Musen;  gedr.  Lit.  zust.  ii  143;  vgl.  Strehlke 
I  81.  —  9)  Jena  am  26  mai  1797  an  herrn  oberconsistorialrat 
Böttiger:  Es  ist  mir  sehr  angenehm  zu  hören;  gedr.  in  den  Zeit- 
genossen, dritte  reihe,  vi  band,  3  und  4  lieft  s.  99;  vgl.  Strehlke 
I  82.  —  10)  Jena  am  3  juni  1797  [an  KABöttiger]:  Den  letzten 
Gesang  schicke  ich  Morgen;  gedr.  Lit.  zust.  ii  144  f;  vgl.  Strehlke 
I  82.  — -  11)  Weimar  d.  26  juli  97  an  KABöttiger:  Vom  Vie- 
ivegischen  Almanach;  bisher  ungedriickt,  folgt  unten.  —  12)  Wei- 
mar am  16  juli  1797  an  KABöttiger:  Die  Griechen  haben  ein  Spiich- 
wort;  gedr.  Lit.  zust.  ii  146;  vgl.  Strehlke  i  82.  —  13)  Weimar 
den  19  juli  1797  [au  KABöttiger]:  Für  den  übersendeten  Mar.\i/as; 
gedr.  Lit.  zust.  ii  146  f;  vgl.  Strehlke  i  82.  —  14)  den  20  juli 
1797  an  KABöttiger:  Ilierhey  übersende  das  Käfighaus;  gedr.  Lil. 
zust.  II  147;  vgl.  Strehlke  i  82.  —  15)  fehlt.  —  16)  ein  exemplar 
des  einzeldruckes  des  in  den  Nachgelassenen  werken  1833  unter 
dem  litel  den  Freunden  gedruckten  gedichtes  (Hempel  iii'  348),  wel- 


STREHLKE    GOETHES    BRIEFE  ISS 

ches  im  einzeklrucke  Am  achtundzwanzigsten  August  1826  über- 
schrieben isl.  darunter  von  Goethes  band  links  Weimar,  rechts 
Goethe.  —  17)  Weimar  d.  15  oclbr.  1803  an  KABottiger:  Auf 
Ew.  Wohlgeb.  gefällige  Anfrage;  gedr.  Lit.  zust.  n  147  f;  vgl. 
Strehlke  i  82.  —  18)  Weimar  den  27  febr.  1830  [an  Knebel], 
blofs  in  abschrift  vorhanden:  Du  hast  mir,  mein  alter;  gedr.  bei 
Döring  Goethes  briefe,  Leipzig  1837,  s.  456  f,  bei  Guhrauer  ii 
394  ff,  und  (mir  augenblicklich  unzugänglich)  in  der  Berliner 
Sammlung  und  in  Knebels  Übersetzung  des  Lukrez  (2  aufl.) 
s.  XXII ;  vgl.  Strehlke  i  361.  —  19)  [ohne  datum  an  KABottiger]: 
Die  auf  den  Berliner  Almanach  bezüglichen;  gedr.  Lit.  zust.  ii  141 ; 
vgl.  Strehlke  ii  81,  welcher  dec.  1796  vermutet.  —  20)  [ohne 
datum  und  adresse]:  Viel  Dank  für  die  Communication  der  Ode; 
bisher  ungedruckt,  folgt  unten.  —  21)  ein  brietcouvert,  auf  wel- 
chem die  Worte  stehen:  Herr  Oberconsistorialrath  Böttiger  wird 
ersucht  gegenwärtiges  bis  zur  bestimmten  Epoche  bey  sich  uner- 
öffnet  liegen  zu  lafsen.  Goethe;  gedr.  Lit.  zust.  ii  142.  —  22)  ein 
Zettel  von  fremder  band ;  nur  ein  teil  gedruckt  in  den  Zeitge- 
nossen, dritte  reihe,  vi  band,  3  und  4  heft  s.  40. 

Zu  den  einzelnen  stücken  ist  folgendes  zu  bemerken:  1)  ein 
octavbogen,  ganz  von  Goethes  eigner  band  beschrieben.  Lit.  zust. 
s.  149  z.  1  ist  Mercken,  wie  ganz  deutlich  steht,  statt  Mencken  (?) 
zu  schreiben ;  z.  5 :  Er  ist  in  Werden,  ein  trockner,  treuer  fleifsige 
Deutscher;  z.  9:  qualificiren  anstatt  bilden;  z.  14:  statt  zur 
Kenntnifs:  der  Kenntnifs;  z,  16:  das  statt  dies;  z.  17:  Er  kann 
sich  und  wird  sich.  2)  ein  bogen  in  grofsquart,  von  welchem 
nur  die  zwei  ersten  selten  von  Goethes  band  beschrieben  sind, 
auf  der  vierten  steht  die  adresse  Herrn  Hofrath  Wieland;  unten 
rechenübungen  mit  schwarzer  tinte  und  rotem  stilt,  wol  von 
Wieland  mit  den  kiudern  vorgenommen.  Lit.  zust.  s.  151  z.  7 
muss  es  hierher  und  unzähliche  heifsen;  s.  152  z.  1  Gold  oder 
Silber.  3)  ein  folioblalt,  von  dem  nur  die  vordere  seile  von 
Goethes  band  beschrieben  ist.  Lit.  zust.  s.  152  z.  19  ist  das 
zweite  auf  zu  streichen.  4)  ein  bogen  in  kleinoctav,  nur  die 
erste  seile  vom  abschreiber  beschrieben.  Lit.  zust.  s.  142  z.  3 
ist  Verbindungen  statt  Bedingungen  zu  lesen.  5)  ein  bogen  in 
kleinoctav,  nur  die  erste  seile  ist  beschrieben  und  nur  die  Unter- 
schrift von  Goethe.  6)  ein  bogen  in  grofsquart,  von  welchem 
blofs  die  erste  seile  beschrieben  ist.  auf  der  vierten  seile  Goethes 
Siegel  mit  dem  Amor,  die  scbrift  von  Goethes  band,  der  heraus- 
geber  der  Lit.  zust.  bringt  diese  nummer  wol  mit  recht  mit  nr  21 
in  Verbindung,  diese  besteht  aus  einem  couvert,  auf  welches  ein 
Schreiber  die  oben  (z.  15 — 17)  citierten  worte,  Goethe  aber  nur 
seinen  namen  geschrieben  hat.  vielleicht  hat  der  herausgeber 
der  Lit.  zust.  unsere  nummer  noch  in  dem  couvert  liegen  ge- 
funden; sie  passt  genau  in  dasselbe,  das  couvert  ist  gleichfalls 
mit  dem  Amor  gesiegelt.     7)  ein  bogen  in  quart,  nur  die  erste 


136  STREHLKR    GOETHES    BRIEFE 

Seite  beschrieben.  8)  ein  qiiartblatt,  nur  die  Vorderseite  be- 
schrieben und  nur  das  G.  von  Goethes  band.  Lit.  zust.  s.  143 
z.  14  muss  es  conferiren  können  heifsen.  9)  ein  bogen  in  grols- 
quart,  nur  die  erste  seite  ist  beschrieben,  auf  der  vierten  die 
adresse  Des  Herrn  Oberconsistorialrath  Böttiger  Wohlgeh.  Weimar, 
von  Goethes  band  nur  die  nachschril't  und  Unterschrift.  10)  ein 
bogen  in  quart,  nur  zwei  Seiten  sind  beschrieben,  und  blofs  die 
unterschritt  von  Goethes  band,  zu  Lit.  zust.  s.  144  z.  10:  Goethe 
dictierte  zuerst  schicke  ich  sogleich  durch  einen  Boten,  strich  es 
aus  und  schrieb  mit  eigner  band  darüber:  schicke  ich  Morgen 
durch  einen  Boten;  s.  145  z.  4  lebhaftes  nnd  der;  z.  9  und  ein 
Specimen;  z.  10  os  intermaxilare.  11)  ein  bogen  in  octav,  nur 
die  erste  seite  ist  von  Goethe  eigenhändig  beschrieben ,  auf  der 
vierten  von  der  band  eines  Schreibers  die  adresse  Herrn  Ober- 
consistorialrath Böttigers  Wohlgeb.     der  brief  lautet: 

Vom  Viewegischen  Ahnanach  wünschte  ich  folgende  Exemplare 
abgegeben: 

An  die  drey  Fürstl.  Personen,  jeder  ein  Ex.     3 

Herder 1 

Wieland 1 

Schiller 2 

Voigt 1 

In  mein  Haus 2 

Nach  Frankfurt  an  meine  Mutter      ...     2 

~Ex.  12 
Die  allenfalls  übrigen  bitte  mir  aufzuheben. 
W.  d.  26.  Juli  97.  G. 

12)  ein  bogen  in  quart,  nur  die  erste  seite  beschrieben,  auf 
der  vierten  die  adresse  Herrn  Oberconsistorialrath  Böttichers  Wohl- 
geb. nur  die  adresse  und  Unterschrift  von  Goethes  band.  Lit. 
zust.  s.  146  z.  10  Schillerischen.  13)  ein  bogen  in  grofsquart; 
nur  die  erste  seite  beschrieben,  und  nur  das  G.  von  Goethes 
band.  Lit.  zust.  s.  147  z.  1  ist  ihn  durchgestrichen  und  den 
Freund  an  die  stelle  gesetzt.  14)  ein  bogen  in  kleinoctav;  nur 
die  erste  seite  beschrieben,  und  nur  das  G.  von  Goethes  band, 
auf  der  vierten  seite  die  gewöhnliche  adresse.  Lit.  zust.  s.  147 
z.  7  hatte  der  Schreiber  Bocco  geschrieben;  Goethe  streicht  das 
wort  aus  und  setzt  das  richtige  darüber.  16)  bietet  aufsor  der 
Überschrift  gegenüber  dem  drucke  bei  Hempel  keine  anderen 
abweichungen  als  in  der  Orthographie  und  interpuuction.  17)  ein 
bogen  in  folio,  nur  die  erste  seite  beschrieben,  auf  der  vierten 
die  gewöhnliche  adresse.  von  Goethes  band  nur  die  Unterschrift 
von  mit  besondrer  an.  Lit.  zust.  s.  147  z.  13  f  ist  zu  lesen  vor- 
läufig auf  das  aufmerksam  zu  machen,  was.  18)  weist  gegen- 
(d)er  Guhrauer  (anders  bei  Döring)  keine  bemerkenswerten  Va- 
rianten auf;  das  datum  steht  am  Schlüsse.     19)  ein  kleines  blatt 


STREHLKE    GOETHES   BRIEFE  137 

in  quart,  nur  die  erste  seite  beschrieben  und  nur  das  G.  von 
Goethe.  Lit.  zust.  s.  141  z.  9  ist  indessen  recht  wohl  zu  lesen. 
20)  ein  blatt  in  octav,  nur  die  erste  seite  ist  von  Goethes  band 
beschrieben  und  lautet: 

Viel  Dank  für  die  Communication  der  Ode,  sowie  für  die 
Erlaubnifs  dass  Schiller  die  Oden  mit  nach  Jena  nehmen  könne. 
Sie  wollen  einzeln  gelesen  und  genossen  seyn.  G. 

Das  billet  lässt  sich  genau  und  sicher  datieren ;  es  muss 
am  19  oder  20  juli  1797  geschrieben  sein.  Schiller  kam  am 
11  nach  Weimar,  um  von  Goethe,  der  nach  Italien  reisen 
wollte,  abschied  zu  nehmen;  und  er  blieb  bis  zum  10.  am 
tage  der  abreise  Schillers  oder  einen  tag  später  wird  das  billet 
geschrieben  sein.  Schiller  schreibt  am  23  juli  97  an  Goethe: 
An  Böttigern  schicke  ich  heut  die  Klopstockiana  und  hob'  auch  ein 
paar  Zeilen  dazu  geschrieben  (vgl.  Briefw.  zwischen  Goethe  und 
Schiller  i^  274.  277).  wir  erfahren  daraus  auch  dass  ßultiger 
der  adressat  ist  uud  unter  den  öden  die  Klopstocks  zu  verstehen 
sind,  wol  nach  der  ausgäbe  von  179S,  welche  sich  ßottiger  in 
aushängebogen  oder  abschritt  so  früh  zu  verschaffen  wüste.  21)  vgl. 
zu  6.  22)  ist  ein  octavblatt  und  nur  auf  der  ersten  seite  von 
fremder  band  beschrieben  mit  den  folgenden  lateinischen  und 
deutschen  versen : 

Seh  Hier  an  Goethe. 
Schiller  der  Reuige  spricht: 
Freund,  wir  gewönnen  unendlich, 
Wären  die  Hören  verstündlich 
Aber  die  Xenien  nicht! 
Epitaph  ium. 
Sit  tibi  terra  levis!  Dux  fuit  ante  gravis. 
Ad  Boettigerum. 
Bcettigerum  Te  lauriferum  Fama  atque  Camoence 

Collaudant.     Satibus  Colloquioque  places. 
Uno  \it  qucBso!  edas  tandem   Tua  Carmina  libro, 
Lectores  Optant  Haugiadesque  simul. 
Das   auf  die  Xenien   bezügliche   xenion    hat  KWBötliger   in 
der  biographischen    skizze  seines  vaters  (Zeitgenossen  aao.)  mit- 
geteilt,   indem   er  (s.  40  anm.)   fragt:    Von   wem   mag   wol  das 
Xenio7i  sein,  welches  ich  handschriftlich  fand,  wo  Schiller  zu  Goethe 
sagt  usw. 

Aufserdem  findet  sich  unter  den  besprochenen  papieren  noch 
eine  quittung  Flerders,  welche  lautet: 

Einhundert  Thaler  Besoldungs-Quartal  auf  Ostern  17S5.  fällig, 
sind  mir  von  Fürstl.  Kammer  ausgezahlet  worden,  worüber  hier- 
mit quittire 

Weimar,  den  16.  Febr.  1785.  G.  G.  Herder. 

Goethe. 


138  STREHLKE    GOETHES    BRIEFE 

die  Unterschrift  Goethes  ist  eigeuhäudig.  JPraetorius  liat  die  amt- 
liche bemerkuDg  darunter  geschrieben :  100  rthl. — .  — .  aufgerechnet. 
Icli  habe  oben  bei  angäbe  der  Varianten  blofs  sinnentstellende 
oder  den  sprachlichen  ausdruck  verändernde  abvveichungen  der 
drucke  berücksichtigt.  Orthographie,  interpunclion,  abkürzungen 
wurden  nicht  beachtet.  und  doch  hätten  diese  nebensachen, 
wenn  man  sich  einmal  auf  den  wörtlichen  abdruck  von  briefen 
einliefs,  alle  beachtung  verdient,  namentlich  die  interpunction 
des  vorigen  Jahrhunderts,  welche  man  aus  drucken  weniger  als 
aus  handschriften  kennen  lernt,  hätte  bewahrt  werden  sollen. 
Goethe  interpuugiert  weit  vernünftiger  und  sparsamer  als  wir 
es  im  19  Jahrhundert  gewohnt  sind,  man  schelte  das  nicht 
kleinigkeitskrämerei:  eben  weil  kein  grund  zur  Veränderung  da 
ist,  hätte  man  die  kleinigkeiten  nicht  anrühren  sollen.  Lit.  zust. 
und  zeitg.  n  145  z.  18  heifst  es  lese  ich,  s.  149  z.  9  tverde  ich; 
im  original  ^teht  kfs  ich,  tverd  ich;  Goethe  vermeidet  den  hiatus 
auch  in  der  prosa.  s.  161  z.  21  heifst  es  Luftperspective ,  im 
original  steht  Lußperspektio ,  was  im  vorigen  Jahrhundert  die 
durchgehende  form  ist,  weil  man  das  wort  französisch  sprach. 
s.  151  z.  7  heifst  es  unzählige,  im  original  nnzähliche,  und  Goethe 
schreibt  auch  Bölticher  statt  Böttiger;  gerade  so  wie  er  im  Faust 
steigen:  reichen:  zeigen  reimt,  wer  die  spräche  Goethes  studieren 
will,  wird  auf  die  älteren  drucke  wenig  bauen  dürfen  und  gut 
tun,  manuscripte  aus  verschiedenen  Zeiten  seines  lebens  zu 
rate  zu  ziehen ;  wenigstens  als  regulativ  und  zur  correctur. 
deswegen  habe  ich  auch  auf  diese  manuscripte  aufmerksam  machen 
wollen,  [nachträglich  bemerke  ich  noch  dass  die  in  Schröers 
Deutscher  dichlung  des  19  Jahrhunderts  s.  438  angeführten  Goelhe- 
schen  manuscripte  der  Wiener  hotbibliothek  von  Strehlke  nicht 
berücksichtigt  worden  sind.] 

Vöslau  26  sept.  1884.  Mlnor. 


Salonion  Hirzels  Verzeichnis  einer  Goelhe-bibliothek  mit  nachtragen  und  fort- 
setzung  herausgegeben  von  Ludwig  Hirzel.  Leipzig,  verleg  von  SHirzel, 
1884.    VI  und  215  ss.  8".  —  3  m. 

Auch  wer  zu  den  glücklichen  besitzern  der  früheren ,  als 
manuscript  für  freunde  gedruckten  auflagen  dieses  Verzeichnisses 
gehört,  wird  nur  mit  Unwillen  gesehen  haben,  wie  sehr  der  an- 
kauf  desselben  minder  glücklichen  erschwert  wurde,  ein  so  unent- 
behrliches handwerkszeug  sollte  niemanden  vorenthalten  werden 
und  die  Goethegemeinde  hat  keinen  grund  mehr  sich  als  stille 
gemeinde  zu  betrachten,  im  namen  der  Wissenschaft  also  muss 
jeder  wolmeinende  denen  dank  wissen,  welche  das  Ilirzelsche  Ver- 
zeichnis im  eigentlichen  sinne  zum  gemeingute  gemacht  und  trotz 
vollständiger  bewahrung  des  characters,  den  ihm  der  erste  Verfasser 
gegeben,  durch  verständige  Zusätze   und   nachfrage  auf  dem  lau- 


HIRZEL    VERZEICHNIS  139 

fenden  erhallen  haben,  war  doch  Hirzel,  seitdem  Biedermann  im 
Archiv  für  liüeraturgeschichte  Qeifsig  aber  ungeschickt  seine  'nach- 
trage' veroffenlhcht,  widerholt  in  gefahr  in  den  'fehlt  bei  Hirzel' 
zu  ertrinken,  wer  das  vorwort  des  neuen  herausgebers  (s.  v)  be- 
rücksichtigt, wird  behutsamer  zu  werke  gehen,  ich  halte  mich 
an  dasselbe  und  will  bei  leibe  kein  'fehlt  bei  Hirzel'  ausgespielt 
haben,  wenn  ich  hier  beiläufig  anmerke  dass  Goethes  gedieht  an 
den  kuchenbäcker  Händel  nach  der  anzeige  Wilhelm  Schlegels 
(Jenaer  litteraturzeitung  1797;  Sämmtliche  werke  hg.  von  Böcking 
X  197  f)  auch  in  'Carolinens  blumenkranz  zur  bildung  des  her- 
zens'  (Berhn  1796)  abgedruckt  ist. 

Minor. 


Goethes  Torquato  Tasse,  beitrage  zur  erklärung  des  dramas  von  Frasz  Kern. 
Berlin,  Xicolalsche  Verlagsbuchhandlung  (RStricker),  1SS4.  vii  und 
160  SS.  S".  —  3  m.* 

Kern  behandelt  in  ähnlicher  weise  wie  den  Faust  (vgl.  Auz. 
IX  395  ff)  jetzt  auch  den  Tasso.  für  denselben  reicht  seine  me- 
ihode  noch  weniger  aus,  was  er  selbst  gefühlt  haben  muss,  da 
er  einen  abschnitt  (s.  1 — 25)  'Die  handlung  des  dramas'  vor- 
anstellt, er  will  darin  die  ansieht  widerlegen,  dass  der  Tasso 
wenig  'handlung'  enthalte  und  führt  nun  in  kleinlicher  weise  das 
an,  was  man  äufseres  geschehen  oder  theatralische  handlung  nen- 
nen kann,  wer  das  drama  auch  nur  in  der  überaus  mangelhaften 
darstellung  des  Berliner  Schauspielhauses  im  jähre  1SS3  gesehen 
hat,  wie  der  vf.  (s.  159)  und  der  referent,  wird  darüber  kein  w'ort 
weiter  verlieren,  dass  die  theatralische  würkung  des  Stückes  eine 
sehr  bedeutende  ist,  und  sollte  wol  darüber  klar  geworden  sein, 
dass  zb.  in  der  conÜictsscene  zwischen  Tasso  und  Antonio  von 
jedermann  nicht  das  ziehen  des  degens  als  die  handlung  ange- 
sehen wird,  mir  macht  der  ganze  abschnitt  in  Kerns  buch  den 
eindruck,  als  kämpfe  der  \f.  mit  windmühlflügeln;  denn  bedarf  es 
würklich  einer  längeren  au^führung  dafür,  dass  handlung  und 
bantierung  verschiedene  begriffe  seien  (s.  6),  und  dass  Lessing 
unter  handlung  nicht  das  agieren  mit  bänden  und  lüfsen  verstehe? 
wer  verlangt  denn  'dolchstüfse  oder  dergleichen'  (s.  8)  von  einem 
dichter?  und  brauchen  wir  würklich  eine  liste  der  hantierungen 
act  für  act?  werden  sich  dadurch  diejenigen,  welche  im  Tasso 
eine  reibe  fehlerloser  verse,  aber  kein  drama  sehen,  würklich  von 
ihrem  Irrtum  zurückbringen  lassen? 

Interessanter,  aber  auch  nicht  immer  zutreffend  sind  Kerns 
vergleiche  zwischen  dem  Tasso  und  der  lyrik  Schillers  (s.  11  ffj; 
sogleich  aber  wider  der  frühere  gedanke  nur  auf  kunstwerke  im  all- 
gemeinen ausgedehnt.  Kern  unterscheidet  zwei  klassen  von  men- 
schen, eine,  welche  von  der  dichtung  'ein  widergeben  der  würk- 

[*  vgl.  DLZ  1S84  nr  25  (ASauer).] 


140  KER^    GOETHES    TASSO 

lichkeit  bis  zu  völliger  teuschung',  gleichsam  'die  würkliclikeit  in 
tluplo'  verlangen  (s.  161),  und  eine  zweite,  welche  von  der  poesie 
das  gegenteil,  nämlich  das  seltsame  und  ungeheuerliche,  wo  mög- 
lich grässliche  erwarten  (s.  18  f).  steht  es  in  der  tat  so  schlimm 
um  die  menschen,  besonders  um  die  Deutschen,  gibt  es  denn  nur 
so  gar  wenige,  welche  'die  rechte  mitte  zwischen  der  hausbackenen 
und  pausbackenen'  poesie  iialten?  Kern  zieht  fortwährend  ganz 
ungehöriges  mit  herein. 

Die  gedanken  über  das  wesentliche  des  Tasso  (s,  20  ff)  sind 
zu  wenig  scharf  gefasst.  Tasso  schätzt  vor  allem  das,  was  seiner 
kraft  versagt  ist,  und  achtet  das  gering,  was  ihm  zu  teil  ward, 
er  möchte  einen  practischen  erfolg  seiner  tätigkeit  sehen,  und 
vergisst  bei  der  betrachtung  des  Vertrauens,  welches  der  gewandte 
diplomal  Antonio  geniefst,  dass  die  poesie  gewinn  für  die  ganze 
menschheit  enthält.  Antonio  seinerseits  verkennt  in  momentaner 
Verstimmung,  was  er  sonst  selbst  lebhaft  zu  preisen  versteht,  und 
nennt  den  dichter  einen  nichlsluer,  einen  müfsiggänger.  der  poet 
trägt  allzu  leicht  die  gebilde  seiner  phantasie  in  die  äufsere  weit, 
verkennt  die  würklichkeit  und  fordert  von  ihr,  was  sie  nicht  ge- 
währen kann,  und  beschwört  einen  schmerzlichen  zusammenstofs 
herauf  (Scherer  LG  539);  während  der  praclische  mann,  der  mann 
der  tat,  durch  äufseren  erfolg  verblendet,  die  kunst  wol  für  eine 
nutzlosigkeit  halten  kann.  Scherer  tat  sehr  recht  daran,  parallelen 
aus  dem  leben  und  der  erfahrung  Goethes  (s.  540)  für  den  Tasso 
herbeizuziehen;  ich  glaube,  der  hinweis  auf  Lenz  allein  erklärt 
manches  in  dem  drama  viel  besser  als  seitenlanges  gerede,  und 
Kerns  auslassungen  (s.  69)  gegen  die  historische  methode  der  lit- 
teraturbetrachlung  beweisen  geringes  Verständnis  für  die  aufgaben 
der  litteraturgeschichte. 

Es  folgen  dann  hinter  einander  characterbilder  der  'prinzes- 
sin'  (s.  26 — 68),  der  'gräfin  Leonore'  (s.  68 — 96),  des  herzogs 
'Alphons'  (s.  96 — 105),  'Antonios'  (s.  105 — 126)  und  'Tassos' 
(s.  126 — 142).  auch  hier  nur  einzelnes  zutreffende,  widerholt  aber 
bemerkungen,  welche  ganz  überflüssig  oder  verfehlt  sind,  was 
soll  s.  51  die  ganze  Widerlegung  einer  kleinlichen  auftassung  tom 
schluss  der  letzten  scenc  zwischen  Tasso  und  der  prinzessin?  wer 
in  aller  weit  könnte  das  hinweg!  für  ein  nur  durch  den  'unge- 
schickt und  unvorsichtig  gewählten  zeit]»unct'  hervorgerulenes  zu- 
rückweisen der  liebeserklärung  halten!  immer  und  immer  wider 
überkommt  uns  das  gefühl,  mit  Kern  sei  gar  nicht  zu  streiten, 
weil  wir  ihn  erst  über  seinen  verfehlten  standpunct  aufklären  und 
dabei  widerholen  müsten,  was  längst  allgemein  von  der  wissen- 
pchalt  anerkannt  ist.  Kern  teilt  uns  mit  (s.  in)  dass  ihn  wider- 
holte lectüre  und  die  aufgäbe,  das  drama  vor  primanern  zu  inter- 
pretieren,  zu  dem  buche  angeregt  habe,  mir  scheint  d.iss  dies 
seiner  arbeit  noch  anhaftet  und  nicht  gerade  zum  vorteile  gereicht, 
er  zieht  in  den  'anmerkungen'  (s.  143 — 160)  parallelen  aus  alten 


KERN    GOETHES    TASSO  141 

und  modernen  Schriften  herbei  und  schiefst  damit  weit  über  sein 
ziel,  hätte  er  doch  Heber  auf  Tasso  mehr  riicksicht  genommen, 
er  behauptet  gar  keine  beziehung  Goethes  auf  die  verse  Tassos 
entdeckt  zu  haben;  Scherer,  der  in  seiner  LG  keinen  satz  ohne 
die  sorgfäUigste  Untersuchung  niederschrieb,  sagt  jedoch  ausdrück- 
lich s.  541 :  'zahlreiche  tatsachen  aus  Tassos  leben  und  motive 
aus  seinen  gedichteu  hat  er  (Goethe)  darin  fein  benutzt,  verändert, 
combiniert  und  in  andeutungen  aufbehalten'.  Kern  scheint  also 
nicht  sehr  sorgfältig  gelesen  zu  haben,  s.  148  anm.  28  wird  eine 
Strophe  aus  Günther  (u.  z.  nach  Roquette!)  citiert,  welche  mit 
Tasso  nichts  zu  tun  hat.  ich  hebe  dies  ausdrücklich  hervor,  da- 
mit nicht  irgend  ein  späterer  aufsatz  über  Goethes  Verhältnis  zu 
Güniher  sich  auf  diese  stelle  berufe,  s.  156  f  anm.  58  die  worte 
Antonios  vergib  Dir  mir,  dem  Ort  vergibst  Du  nichts  werden  ge- 
wis  falsch  gedeutet;  es  liegt  nahe  zu  ergänzen:  'vergib  dir  nur 
(etwas),  dem  ort  vergibst  du  nichts'. 

Bekanntlich  hat  vor  Goethe  schon  Goldoni  das  leben  Tassos 
zu  einem  drama  benutzt:  II  Torquato  Tasso  (Commedie  di  Carlo 
Goldoni,  Venezia  1826,  vol.  38)  und  ein  anonymer  epigrammen- 
dichter  (Wiener  moden-zeitung  und  Zeitschrift  für  kunst,  schöne 
litteratur  und  theater.  erster  Jahrgang  1816  s.  615)  behauptet 
in  einem  epigramme  An  Gohloni's  Schatten.  Nach  der  Vorstellung 
des  Torquato  Tasso: 

Wiss'   Carll  Dein  Tasso  hat  in  fremder  Tracht 

Ein  nngehenres  Glück  gemacht. 

Der  deutsche  Shakespear  hat  deutsch  ihn  austaffirt, 

Und  —  ganz  geheim  —  zum  Sohn  ihn  adoptirt! 

Und  7iun  steht  ihm  so  gut  die  deutsche  Kleidung  an, 

Dass  viele  Leute,   die  darin  ihn  sah'n, 

Und  Goethe's  Kinder  alle  kennen, 

Das  schönste  diefs  von  allen  nennen.* 

*  s.  die  Bibl.  d.  r.  u.  b.  Künste.  —   d.  Jonim.  d.  Moden  etc.     Venedig, 
im  Jahr  1808.  E.  S. 

Eine  vergleichung  der  beiden  stücke  zeigt  das  grundlose  der 
behauptung,  dass  Goethe  sich  mit  fremden  federn  geschmückt  habe; 
die  vorkommenden  ähnlichkeiten  sind  durch  die  gemeinsame  quelle 
hervorgerufen  oder  liegen  im  Stoffe,  vielleicht  ergibt  sich  näch- 
stens gelegeuheit,  näher  darauf  einzugehen. 

Lemberg,  21  juü  1884.  R.  M.  Wer>er. 


Mythologische  forschungen  aus  dem  nachlasse  von  Wilhelm  Maxnhardt 
herausgegeben  von  HPatzig  mit  vorreden  von  K.Müllenhoff  und 
WScnERER.  Quellen  und  forschungen  51.  Strafsburg,  KJTrübner, 
1884.     XL  und  382  ss.     8°.  —  9  m. 

Über  das  werk  eines  unlängst  verstorbenen  eingehender  zu 
handeln  als  über  das  eines  noch  lebenden  wird  besonders  dann 


142  JIAN.NHAP.DT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHU.NGE.N' 

geboten  erscheineD,  wenn  jenem  während  seiner  lebenszeit  das- 
jenige mafs  von  anerkennung,  welches  seiner  bedeutung  ent- 
sproclien  hätte,  keineswegs  zu  teil  geworden  ist.  auch  pflegen 
in  den  nachgelassenen  arbeiten  eines  rastlos  vorwärtsstrebenden 
gelehrten  die  ziele  seiner  Forschung  deutlicher  sichtbar  zn  wer- 
den, die,  wenn  auch  nicht  erreicht,  doch  klar  erkannt,  zu  einem 
rückblick  auf  den  von  ihm  zurückgelegten  weg  auffordern,  zwar 
haben  dem  bediirfnis,  Manuhardts  wiirken  zu  ei klären  und  an- 
zuerkennen, bereits  die  teilnahmsvollen  vorreden  iVliillenhoirs  und 
Scherers  rechnung  getragen,  und  wie  hätte  sich  Mannhardt  einen 
ehrenvolleren  nachruf  wünschen  können  als  die  letzten  nieder- 
geschriebenen Worte  seines  grofsen  freundes  und  landsmannes, 
der  ein  volles  menschenalter  hindurch  mit  ihm  verbunden  war, 
und  auf  sein  geistiges  wie  leibliches  dasein  einen  so  woltätigen 
einfluss  geübt  hatte!  dort  aber,  wo  der  totkranke  Müllenhoff  den 
laden  seiner  betrachtung  fallen  lässt,  beim  j.  1860,  nimmt  ihn 
Scherer,  der  in  eben  diesem  jähre  mit  Maiinhardl  persönlich 
bekannt  wurde,  wider  auf  und  verfolgt  ihn  bis  zu  Mannhardts 
tode  1880,  indem  er  aus  eignem  verkehr,  namentlich  aber  aus 
dem  briefwechsel  Mannhardts  mit  Müllenhoff  manche  wertvolle 
mitteilungen  macht,  welche  auf  das  vvesen  der  beiden  briefsteller 
wie  auf  den  entwicklungsgang  der  mythologischen  Wissenschaft 
ein  helles  licht  werfen,  hr  dr  Patzig  hat  dann,  wie  es  scheint, 
mit  umsieht  die  herausgäbe  des  nachlasses  besorgt. 

Als  Mannhardt  1851  die  Berliner  Universität  bezog,  war 
soeben  in  diesem  centralpunct  deutsch-mythologischen  Studiums 
die  zweite  periode  desselben  erölTnet  worden,  die  erste  hatte 
die  Deutsche  mylhologie  JGrimms  beherscht.  ihm  galt  die  mythen- 
weit für  ein  erzeugnis  des  dichtenden  volksgeistes.  aus  den  spär- 
lichen alten  nachrichteu  über  unser  deutsches,  den  reicheren 
Urkunden  des  nordischen  heidentums  und  den  heimischen  volks- 
überlieferungen  suchte  er  sie  widerherzustellen,  volkstümliche 
dichtung  und  individuelle  erfindung  schied  er  oft  nicht  genau, 
die  gegenwärtige  volksübcrlieferung  erschien  ihm  durchweg  als 
eine  abschwächuug  und  enistellung  des  alten  höheren  edleren 
götterglaubens.  der  schwache  anlauf  zu  einer  geschichtlichen 
darstellung  der  mythen  wurde  eigentlich  nur  in  diesem  sinne 
und  ganz  gelegentlich  gemacht,  eine  ausKihrlichere  deutung  der- 
selben noch  seltener  versucht,  aber  neben  JC.rimm  waren  WGrimm 
und  Lachmann  bemüht,  die  historischen  und  mythischen  demente 
unserer  heldensage  durch  streng  historische  kritik  zu  sondern, 
um  von  der  Völkerwanderung  aus,  wo  deren  Verschmelzung  be- 
gonnen hatte,  zu  dem  stand  der  mythischen  Vorstellungen  zu 
gelangen,  den  Tacitus  wenigstens  angedeutet  hatte,  der  haupt- 
vertretcr  dieser  richtung  blieb  bis  auf  unsere  tage  Müllenhoff. 
die  beiden  mythologenschulen  hatten  also  einen  verschiedenartigen 
stoif  und  eine  verschiedene  methode.     JGrinun   und  seine  nach- 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  143 

folger  schöpften  vorzugsweise  aus  der  volUsüberlieferung  in  sage, 
märcheo,  brauch  und  glauben,  und  die  vergleichung  deut- 
scher und  nordischer  iraditionen  wurde  immer  mehr  hauptsache, 
auch  drängte  sich  die  lust  zur  deutung  immer  stärker  hervor, 
die  andere  schule  drang  mit  allen  mittein  historischer  und 
philologischer  kritik  in  den  geist  der  heldendichtung  ein,  die 
herkunft  und  art  des  epos  wurde  immer  mehr  die  hauptfrage 
und  die  geschichte  des  in  ihm  verborgenen  mylhus  galt  für 
wichtiger  als  die  deutung.  dort  überwog  die  combination ,  hier 
die  kritik. 

Seit  dem  jähre  1850  aber  änderte  sich  dieser  stand  der 
dinge  wesentlich,  schon  durch  den  mächtigen  anstofs,  den 
JGrimm  mit  seiner  Mythologie  weithin  dem  eifer  der  volkssagen- 
sammler  gab,  war  seine  ricbtung  zunächst  fruchtbarer  geworden, 
in  ihr  fand  das  bediirfnis  nach  poetischer  anregung  bequemeres 
geniige,  während  von  der  anderen  die  strenge  mühsame  kritik 
abschreckte,  nun  aber  wurde  jene  bedeutend  verstärkt  durch 
Schwartz,  der  in  seinem  buch  von  dem  heutigen  Volksglauben 
1850  die  Volksüberlieferung  noch  weit  höher  stellte  als  JGrimm. 
in  dieser  niederen  mythologie  glaubte  er  die  ältere  form  des 
götterglaubens,  den  keim  der  höheren  mythologie  zu  erkennen, 
bald  darauf  begann  Kuhn ,  gestützt  auf  die  wachsenden  fort- 
schritte  der  vergleichenden  Sprachwissenschaft,  die  andere  tendenz 
JGrimms,  die  zur  vergleichung,  über  die  mylhen  aller  indoger- 
manischen Völker  auszudehnen,  beide  aber  stellten  die  deutung 
des  mythus  in  den  Vordergrund  und  holten  dieselbe  meistens 
von  den  wölken  und  winden  des  himmels  herab,  während  sich 
so  der  horizont  dieser  mylhologengruppe  unabsehbar  erweiterte, 
engten  sich  umgekehrt  die  bestrcbungen  der  andern  zu  der  einen 
hauplaction,  der  Verteidigung  der  Lachmannschen  Nibelungen- 
liedertheorie gegen  die  im  jähre  1854  anfangenden  angriffe  Holtz- 
manns  und  seiner  anhänger  zusammen,  und  nur  der  eine  weiter- 
blickende Müllenhoff  setzte  zugleich  die  Sagenuntersuchung  un- 
beirrt und  wenig  verstanden  fort. 

Um  diese  zeit  begann  Mannhardts  wissenschaftliches  denken, 
schon  während  der  Schulzeit  von  Grimms  Mythologie  genährt, 
von  den  neuen  entdeckungen  der  beiden  schwäger  Kuhn  und 
Schwartz  bezaubert,  der  leitung  Lachmanns  nicht  mehr  teil- 
haftig geworden,  gesellte  er  sich  begeistert  der  mythologen- 
schule  zu,  welche  die  Sammlung  und  ausbeutung  der  volksüber- 
lieferung,  die  vergleichung,  die  deutung  zu  ihren  hauptaufgaben 
machte,  dies  sind  auch  immer  die  drei  grofsen  ziele  seiner 
forschung  geblieben,  aber  wenn  er  Kuhn  und  Schwartz  nicht 
an  glänz  und  fruchtbarkeit  der  ideen  gleichkam,  so  fleug  er  doch 
schon  früh  an,  eine  gröfsere  kritische  vorsieht  als  sie  zu  üben, 
die  von  jähr  zu  jähr  langsam  sich  schärfte,  nicht  aber,  wie 
Scherer  s.  xv  meint,  durch  einen  Umschlag  in  ihm  geweckt  wurde. 


144  MANNHAP.DT  MYTHOLOGISCHE  FOnSCHUNGEN 

wie  freut  er  sich  schon  1S52  iiher  den  einhhck,  den  Müllenhoff 
ihm  bei    einem    besuch  in   Kiel    in    die    art   der  Lachmannschen 
schule  und  methodik  erölTnet  (s.  xvii).     bereits  1853  beginnt   er 
die  heimischen  volksiiherlieferungen  durch  ausländische    zu  con- 
irolieren  (s.  vii).     mit  JWWolfs  methode  ist  er  sehr  unzufrieden, 
und  er  dringt  ua.  schon  1855  vor  Benfeys  Pantschatantra  darauf, 
zwisciien  den  entsteluingszeiten  der  deutschen  marchen  genau  zu 
scheiden,    ihre   ahstannnung    uud    die   art    und   weise    ihrer  ver- 
l)reilung  im  einzelnen  genau  zu  erforschen,     wie  Müllenhoff  er- 
kannte auch  er  1858  in  seinen  Germauischen  mythen  s.  v  einen 
hauptirrtum  des  hergebrachten  Verfahrens,  jede  Volksüberlieferung 
ohne   weiteres    für   mythisch   zu    erklären,     doch    bemerkt   man 
leicht  dass  er  in  der  praxis  der  Untersuchung,    zb.   in  der  Ver- 
wendung der  kiuderlieder,    sehr  oft  von  diesem    grundsatze   ab- 
wich,   und   dass  er  unter  Volksüberlieferung  etwas  anderes  ver- 
stand  als   MüUenhoH'.     so   war   ihm    die   Edda    im   wesentlichen 
ein  kunstproduct  (GM  s.  vin),  während  Müllenhoff  von  einem  der- 
artigen inneren   gegensatz   zwischen    dieser   und   der  volksüber- 
lieferung   nichts    wissen  wollte    und  nur  einen  formellen  unter- 
schied   anerkannte,     daher    blieb  M.    der    deutschen    heldensage 
fern,  aus  der  Müllenhoff  die  kernkraft  seiner  Untersuchung  zog. 
In   einem  colleg  über  vergleichende  mythologie,  das  ich  im 
Sommer  1860  bei  Mannhardt  horte,  schritt  er  auf  der  l»abn  der 
kriiik    weiter   fort,     zwar   bestand    der  hauplinhalt  seiner  Vorle- 
sung in  dem  nachweis  der  entstehung  der  mythen  aus  den  apper- 
ceptionen  himmlischer  naturerscheiuungen  nach  dem  'bahnbrechen- 
den' Vorgang  von  Schwarlz.     aber  dessen  Untersuchung  über  die 
schlangengollbeilen    gieng    ihm    doch    oft   zu  weit,    auch  Kuhns 
aufsätze  über  die  Teichinen  und  Gandliarveu-Keulauren  schienen 
ihm   bedenklich    und  er  erkannte  an  seinen  eignen  GM  manche 
fehler  (vgl.  Zs.  f.  mythol.  4,  418),  ob  er  auch  ihr  grundprincip 
für  richtig   hielt,      die    benennungen    des    regenbogens    bei    den 
verschiedenartigsten  Völkern  stellte  er  zusammen,   um  zu  zeigen 
dass  verwandte  anschauungen  auch  nicht  einmal  verwandter  volker 
keineswegs  immer  aus  historischer  gemeinschaft  zu  erklären  seien, 
als  notwendige  bedingungen  der  annähme  einer  solchen  lorderle  er 
1)  dass  die  mythen  mehreren  indogermanischen  stammen   gemein- 
sam seien  und  2)  ihr  aller  nachweisbar  sei,  3)  dass  sie  specielle 
Züge  enthielten,  die  eine  zufällige,  selbständige  entstehung  aus- 
schlössen und  im  engen    Zusammenhang    mit   dem  ganzen    stän- 
den, 4)  dass  etymologische  Übereinstimmung  vorhanden  sei.     an 
den  vorletzten  punct  knüpfte  er  eine  erörterung  der  entlehnungs- 
fragc,    der  Wanderung  der  mythen   und    sagen,    namentlich    der 
märchen,  wie  sie  Benfey  kürzlich  im  ['antscbalanlra  nachgewiesen 
iiatle,    und    er   war    geneigt,    die   märchen    aus    dem    urkunden- 
buche  der  deutschen    niylhologie    auszuscheiden,     ja  wenn  er  in 
den  GM  s.  241   bewiesen    zu    haben    meinte,    Indra  und  Thunar 


MANNHARDT  MYTHOLOGISCHE  FORSCHUNGEN  145 

giengen  auf  eine  vor  der  spraclitrennung  vorhandene  grundgesialt 
zurück,  die  bereits  eimen  grofsen  teil  der  von  Indra  wie  Thunar 
geglaubten  wesensseiten  und  ihrer  mythen  vereinten,  so  sprach 
er  in  seiner  Vorlesung  die  ansieht  aus,  dass  nur  die  ersten  und 
rohsten  naturauschauungen  und  die  allgemeinen  ansichten  der 
götter  den  Indogermanen  in  ganz  flüssiger  form  gemeinsam  gewesen 
sein  könnten  und  die  gottheilen  des  Veda,  obgleich  sie  im  all- 
gemeinen noch  jenen  character  hätten ,  doch  schon  einen  spe- 
cifisch  indischen  typus  an  sich  trügen. 

Trotzdem  blieben  die  ausgangs-  und  die  zielpuncte  seiner 
forschung  wesentlich  dieselben,  aber  auf  seinen  späteren  gäugen 
von  den  einen  zu  den  andern  gewann  die  historische  krilik  immer 
mehr  gewalt  über  ihn.  früher  hatte  er  bereits  dem  hauplvertreter 
derselben  auf  dem  gebiete  der  deutschen  niylhologie  die  Verwer- 
tung eines  hilfsmitlels  des  systematischen  Studiums  abgesehen, 
denn  Scherers  Vermutung  (s.  xvi),  die  von  MüUenholf  am  schluss 
seiner  Schlesw.-Holsteinschen  sagen  1845  gestellten  fragen,  welche 
die  Sammeltätigkeit  auf  die  entscheidenden  puncte  lenken  sollten, 
halten  Mannhardl  zum  Vorbild  gedient,  ist  gewis  richtig,  schon 
1853  wandte  er  sich  mit  frageschreiben  an  das  ausländ  (s.  o.), 
1855  forderte  er  in  einem  fliigblatt  zur  beisteuer  für  einen 
kinderliederschatz  auf  (s.  xvi),  1S60  schlug  er  der  Münchner 
historischen  commission  vor,  die  Sammlung  der  mythischen  und 
magischen  lieder  zu  veranlassen,  als  er  erst  nach  ostern  1862 
(nicht  früher,  wie  Scherer  s.  xix  meint)  diesen  von  ihm  ins  äuge 
gefassten  arbeitsstoff  mit  den  mythischen  gebrauchen  beim  acker- 
bau  verlauscht  (AWF  s.  xxxiv)  und  1864  die  unterslützung  der 
Berliner  academie  erlangt  halle  (s.  xix),  entfaltete  er  ein  grofs- 
artiges  schriftliches  und  mündliches  fragesystem,  das  er  selber 
(A^^F  aao.)  geschildert  hat. 

Der  auf  diese  weise  gewonnene  quellenschalz  ruht  in  der 
Berliner  bibliothek,  aber  über  seinen  umfang,  seine  anordnung 
und  fernere  bestimmung  erfahren  wir  leider  nichts,  jedoch  hat 
M.  durch  zwei  kleinere  und  drei  gröfsere  Untersuchungen 
(1.  Roggenwolf  1865.  1866.  2.  Korndämonen  1868.  3.  Baum- 
kultus 1875.  4.  Antike  wald-  und  feldkulte  1877.  5.  das  vor- 
liegende werk  (MF)  1880  (1884),  die  er  alle  nur  als  vorarbeiten 
für  die  herausgäbe  jenes  grofsen  urkundenbuchs  betrachtete), 
dessen  wissenschaftlichen  wert  genügend  bezeugt,  in  der  vorr. 
der  MF  vermissen  wir  die  erwähnung  der  zweiten  kleineren 
abhandlung  über  die  Korndämonen,  die  der  philologenversamm- 
lung  zu  Halle  1867  zum  vorlrag  übersandt  wurde,  diese  gibt 
aber  das  programm  für  die  drei  späteren  hauplbücher  und  fixiert 
zugleich  das  eintreten  eines  neuen  moments  in  seine  wissen- 
schaflliche  entwicklung,  die  berücksichligung  der  antiken  acker- 
knlte,  genauer  als  es  Scherer  s.  xxi  getan  hat.  nicht  um  1870 
oder  1871,  sondern  spätestens  1867,  wahrscheinlich  aber  schon 


146  MAKNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

etwas  früher  zog  er  sie  heran,  denn  in  diesem  Vortrag  (s.  36) 
bringt  er  bereits  uiclit  nur  die  bockgestaltigen  Satyrn,  Pane  und 
Faune  mit  unsern  tiergestaltigen  korndämonen  in  gleichung,  die 
er  nachher  weiter  ausgeführt  hat,  sondern  es  werden  hier 
s.  33 — 36  auch  schon  die  in  den  MF  genauer  untersuchten 
Lityerses,  die  Chthonien,  die  LilhohoHen  und  die  Demetersage 
ebenso  oder  ähnlich  wie  später  gedeutet,  auch  das  galHsche 
Jahresfeuer,  dem  er  BK  s.  5*25  die  deutschen  oster-  und  johannis- 
i'euer  vergleicht,  fasst  er  schon  KD  s.  xi  f  in  demselben  sinne  auf. 
was  aber  das  wichtigste  ist,  wir  sehen  hier  schon  einen  grofsen 
teil  all  der  eigentümlichen  und  bunten  ackerbräuche  und  ihrer 
zahlreichen  lier-  und  menschengestaltigen  träger  vor  uns  hin- 
gestellt, deren  sinn,  Ursprung  und  entwicklung  der  verf.  aufzu- 
klären unternimmt. 

M.  machte  über  JGrimm,  Schwartz  und  Kuhn  hinaus  einen 
bedeutenden  fortschrilt,  wenn  er  in  seinen  drei  gröfseren  werken 
jene  bunte  masse  von  figuren  und  actionen  in  ihrer  historischen 
entwicklung  darzustellen  und  dabei  das  altarische  gemeineigen, 
das  sondereigen  des  einzelvolkes  und  das  lehngut  auseinanderzu- 
halten wenigstens  versuchte,  andrerseits  hat  er  freilich,  worauf 
schon  Scherer  Auz.  lu  185  mit  recht  hindeutet,  den  unterschied 
der  epochen  der  jagd,  Viehzucht  und  des  ackerbaues,  deren  reihen- 
folge  man  auch  trotz  Gerlands  einspräche  (Anthropolog.  beitr.  1, 
141  f)  als  durchweg  sichere  ansehen  darf,  nicht  genug  vor  äugen 
gehabt,  von  gröfserem  gewicht  aber  ist  ein  anderer  allgemeiner 
Vorwurf,  den  ich  im  Widerspruch  mit  Scherer  gegen  die  gesammt- 
auffassung  erheben  muss.  M.  nahm  im  Roggenwolf  als  grund- 
begriff  der  felddämonen  die  windnatur  an.  in  den  Korndäm. 
denkt  er  sich  dann  all  die  tier-  und  menschenartigen  geister, 
welche  seelen  verstorbener  sind  und  sowol  in  den  himmelser- 
scheinungen  (wölken,  gewitter,  wind  und  Sonnenschein),  als  auch 
im  erdleben  walten  und  zugleich  büter  der  familie,  des  Iiauses, 
des  dorfes  sind,  aus  einem  einheitlichen  gedanken  entsprungen, 
den  unsere  sagen  grofsenteils  aufgelöst  hätten,  die  felddämonen 
sind  auch  ihm  in  der  hauptsache  wesensgleich  mit  den  personi- 
ficationen  von  wind-  und  Wettererscheinungen,  aber  wesentlich 
anders  gestaltet  sich  seine  auffassung  in  den  drei  grofsen  spä- 
teren werken,  die  wabrnebmung,  dass  die  feldgeister  ihre  meisten 
eigenschaften  mit  den  waldgeistern  teilten,  führte  ihn  mehr  und 
mehr  zu  der  annähme  der  Vorstellung  von  besonderen  pflanzen-, 
Vegetationsdämonen  und  weiter  hinauf  zu  der  idee  einer  baum- 
seele.  diese  neue  terrestrische,  vegetarianische  theorie  drängte 
die  ältere  cülestische,  meteorische  immer  mehr  in  den  hinter- 
grund.  darnach  schloss  der  urmensch  aus  der  beobacbtung  des 
wacbstimis  der  jjflanzen  auf  wesensgleichheit  zwischen  sich  und 
der  pllanze  und  schrieb  ihr  deshalb  eine  seele  zu.  die  baum- 
seele  ist  die  erste,  die  grundvorstellung  dieses  mythischen  kreises. 


I 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  147 

aus  der  mehrheit  der  baumseelen  im  wakle  entstehen  dann  die 
Waldgeister,  die  nicht  mehr  als  immanente  psychen  der  baum- 
leiber,  sondern  als  selbständig  frei  waltende,  aber  mit  ihrem  leben 
ans  leben  der  bäume  gebundene  persönlichkeiten  gedacht  wer- 
den, in  ruhigen  momenlen  erscheinen  sie  in  waldbäumen  ver- 
körpert, ihre  bewegung,  ihr  leben  äufsern  sie  im  Wirbelwind, 
Sturm  und  gewitter,  und  erweitern  ihr  wesen  von  baumgeistern 
zu  genien  der  gesammten  Vegetation,  für  M.  ist  also  jetzt  die 
Wachstumsidee,  die  zuerst  dem  bäum  beigemessen,  dann  auf  den 
wald  und  endlich  auf  den  gesammten  pflanzenwuchs  übertragen 
wird,  die  keimidee,  die  auch  die  späteren  entwicklungsstufen 
beherscht,  dagegen  gilt  ihm  nun  die  Verbindung  der  wind-  und 
Wettergeister  mit  den  pflanzengeistern  für  eine  jüngere,  jene  sind 
als  eine  andere  mythische  Vorstellung  in  den  kreis  dieser  ein- 
gedrungen, aber  offenbar  hat  diese  ansieht  den  verf.  keineswegs 
ganz  befriedigt,  wie  sein  lebhaftes  schwanken  zwischen  seiner 
früheren  und  späteren  auffassung  besonders  AWF  s.  204.205  verrät. 

Unseres  erachtens  konnte  sich  M.  auch  nicht  durch  dies  er- 
gebnis  befriedigt  fühlen,  denn  er  war  von  seiner  früheren  rich- 
tigen, freilich  noch  unklaren  grundauschauung  zu  einer  unrich- 
tigen ,  wenn  auch  bestimmter  formulierten  auffassung  abgeirrt, 
und  zwar  aus  mir  durchaus  begreiflichen  gründen,  ein  gefühl 
der  Übersättigung  durch  die  fast  ausschliefsliche  deutung  der 
mythen  aus  den  himmelserscheinungen,  wie  sie  von  Schwartz, 
Kuhn,  MMüUer  und  Gubernalis  und  von  ihm  selber  geübt  wor- 
den war,  überkam  ihn,  je  tiefer  er  in  die  derb  irdischen  vor- 
stellungskreise  nordeuropäischer  ackerbräuche  eindrang,  die  ver- 
gleichung  der  antiken  feldkulte  machte  ihn  mit  einer  zum  teil 
bereits  künstlerisch  stilisierten  gestaltenschar  bekannt,  in  der  doch 
auch  die  irdisch-realen  und  die  menschlichen  beziehungen  mafs- 
gebend  waren.  dazu  näherte  ihn  dies  Studium  und  die  Ver- 
legung seines  Wohnsitzes  nach  Danzig  der  Konigsberger  philo- 
logenschule,  die  vorzugsweise  auf  kritische,  feinsinnige  auffassung 
der  nationalen  litterarischen  einzelformen  des  mythus,  weniger 
auf  die  einreihung  derselben  in  den  grofsen  Zusammenhang  der 
arischen  geistesentwicklung  bedacht  war. 

So  beschränkte  sich  M.  mehr  und  mehr  darauf,  die  feld- 
und  waldmythen  aus  ihrem  engeren  Schauplatz  heraus,  aus  den 
erscheinungen  des  erdenlebens ,  dem  Wachstum  der  bäume  und 
des  getreides  zu  erklären,  er  sah  wol  ein  dass  er  dabei  zunächst 
die  pflanzengeister  aus  einer  noch  nicht  mit  körn  besäten  erde 
deuten  müsse,  daher  sein  richtiges  zurückgehen  auf  die  wald- 
geister.  aber  er  erwog  nicht  genug  dass  bäume  und  Wälder 
seit  ihrer  Schöpfung  mit  winden  und  wölken  in  innigstem  sicht- 
barem Zusammenhang  standen,  ja  erst  durch  diese  Verbindung 
dem  menschen  activ,  lebendig,  beseelt  und  also  mytheobildnerisch 
erscheinen    konnten,     wie  mit  den  wölken  am  himmel  und  den 

A.  F.  D.  A.  XI.  11 


148  MANNHAßDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

wassern  auf  erden,  so  sind  die  winde  auch  mit  den  bäumen  in 
der  einbildungskraft  ältester  Zeiten  verschmolzen,  es  gibt  daher 
wolkenwinddämonen,  wasserwiuddämonen,  haumwinddämonen,  alle 
durch  ihre  windnalur  innig  verwandt,  aber  in  folge  ihrer  beson- 
deren Verbindungen  verschieden  ausgebildet. 

Die  klarstellung  des  Verhältnisses  dieser  drei  hauptsippen  zu 
einander  und  zu  einer  andern  wahrscheinlich  noch  älteren  sippe 
der  in  wind  und  wölken  und  ebenfalls  in  bäumen  hausenden 
Seelen  der  verstorbenen,  muste  den  ausgangspunct  der  Unter- 
suchung bilden,  dann  wäre  erstens  eine  bedeutende  lücke  in 
der  Untersuchung  vermieden,  wir  wären  aufgeklärt  über  die  zabl- 
reichen  höchst  interessanten  und  zum  teil  sehr  alten  und  alter- 
tümlichen Vorstellungen  von  den  bäumen  und  fehlem  als  Wohn- 
sitzen der  Seelen  verstorbener,  von  deren  widerkehr  und  abschied 
im  frühling  und  herbst,  von  den  totenopfein  bei  den  saat-  und 
erntefesten,  wie  sie  die  verschiedensten  Völker  der  erde,  nament- 
lich auch  die  Griechen,  Römer  und  Germauen,  auf  die  M.  doch 
sein  hauptaugenmerk  richtete,  hegten  (Waitz  Anthrop.  2,  194. 
202.  208.  210.  410.  419.  3,  234.  4,  176.  5,  i  194.  u  141. 
6,  377.  672.  Tylor  Anfänge  der  cultur  2,  28.  366.  Müller  Gesch. 
der  amerik.  urrel.  59.  Peschel  Völkerk.''  272.  Welcker  Gr. 
g.  2,  525.  AMommsen  Heortologie  s.  58.  Preller  Gr.  myth.  1, 
315.  Rom.  myth.^  2,67.  Pfannenschmid  Germ,  ernlefeste  118. 
165.  436.  BSchmidt  Volksleben  d.  Neugriecheu  s.  55  f).  wie 
ungenügend  ist  doch  der  flüchtige  hinweis  s.  307  auf  die  Vor- 
stellung des  kornfeldes  als  ursprungsort  der  seelen,  die  kurzer 
band  aus  dem  parallelismus  von  kind  und  körn  erklärt  wird, 
zweitens  wäre  M.  nach  reiflicher  Überlegung  dieser  vorstellungs- 
gruppe ,  wonach  die  seelen  verstorbener  gern  in  pflanzen  ihren 
Wohnsitz  nehmen,  sich  auch  wol  in  j)flanzen  verwandeln,  davor 
bewahrt  geblieben,  die  auffassuug  des  baumes  als  eines  bewusten, 
menschlich  denkenden  und  empfindenden  wesens,  den  glauben 
an  die  geschlossene  einheit  des  baums  und  des  ihm  innewohnen- 
den geistes,  die  idee  der  'baumseele',  als  uralt  und  noch  dazu 
als  die  keimidee  aller  der  wähl-  und  feldgeistervorstellungen  hin- 
zustellen, ehe  der  mensch  zu  dieser  ahstraction  gelangte,  die 
einem  späteren  Zeitalter  angehört  und  wol  kaum  über  die  gel- 
tung  eines  poetischen  gleichnisses  oder  voiübergehenden  mis- 
verständnisses  hinauskam,  bedurfte  es  jener  älteren,  dazu  überlei- 
tenden Vorstellungen  von  der  bewohnung  der  bäume  durch  seelen 
verstorbener  oder  durch  winde,  die  nalurgegenstände  wurden 
ihrer  erscheinung  nach  in  sehr  verschiedenem  grade  und  nach 
und  nach  beseelt,  wind  und  seele  sind,  wie  last  alle  sprachen 
bezeugen,  fast  identische  begriffe,  die  winde  sind  die  aui  frühesten 
und  völligsten  beseelt  gedachten,  die  zur  mythenzeugung  be- 
fähigtsten uaturerscbeinungen,  weil  sie  die  activsteu  sind,  durch 
alle  drei  höheren    sinne   auf   die   phautasic   eindringen    und    das 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  149 

dasein  des  menschen,  auch  des  Urmenschen,  aufs  manigfaltigste 
bedingen,  von  ähnhcher,  aber  nicht  gleich  eindrucksvoller  vvürk- 
samkeit  sind  die  schon  nicht  mehr  so  acliven  wölken,  und  früh 
bereits  nahmen  die  überwiegend  männlich  vorgestellten  winde 
und  die  in  der  natur  mit  ihnen  so  eng  verbundenen,  weiblich 
vorgestellten  wölken  zuerst  besondere  gestalten  und  eigenschaften 
an,  deren  viele  bestimmend  auf  die  langsamere  entwicklung  der 
verwandten  dämonen  einwürkten.  aus  der  geschichte  des  Varuna, 
des  Okeanos  nach  Bergks  nachweis,  weifs  man,  wie  zb.  die 
weiten  Wasserflächen  der  erde  erst  später  in  den  gesichtskreis 
der  Arier  traten,  dann  aber  eine  neue  eigenartige  mythische 
beseelung  nicht  mehr  hervorriefen,  sondern  einfach  den  alten 
wolkengöltern  unterstellt  wurden,  auch  Poseidon,  ein  echter 
gott  der  wölken  und  winde,  wird  später  auch  meergott,  aber 
schon  in  jener  eigenschaft  und  nicht  in  dieser,  wie  M.  s.  262 
meint,  der  befürderer  der  Vegetation,  die  beseelung  dieser  weiten 
wasser  ist  darnach  viel  unvollkommener,  unzutreffender,  mecha- 
nischer, als  die  der  wölken  oder  gar  der  winde  vollzogen  wor- 
den, und  schon  in  der  Ilias  ist  von  einer  geschlossenen  einheit 
des  meers  und  seines  gottes,  der  zu  wagen  über  die  wogen  hin- 
eilt, dem  die  wogen  freudig  nachdonnern,  als  er  das  ufer  er- 
reicht, keine  rede,  noch  viel  schwieriger  war  es  für  die  bäume, 
mochten  sie  durch  wachsen  und  verdorren,  grünen  und  blühen 
noch  so  viel  andeutungen  einer  inneren  lebenskraft  geben,  zum 
ränge  würklich  lebendiger  und  beseelter  wesen  erhoben  zu  wer- 
den ,  weil  ihre  Standfestigkeit  allzu  sehr  allen  volkstümlichen 
Vorstellungen  von  würklichem  leben  widersprach,  so  konnten 
denn  in  alter  zeit  keine  baumseelen  entstehen,  sondern  die  mit 
den  bäumen  verbundenen  naturerscheinungen ,  die  wind-  und 
Wolkenseelen,  gaben  den  baumdämonen  ihr  hauptgepräge.  nicht 
aus  der  beobachtung  der  stillen,  bescheidenen  lebensvorgänge  ver- 
einzelter bäume,  sondern  aus  der  anschauung  im  winde  säuseln- 
der und  sausender,  wölken  anziehender  und  wider  ausstofsender 
Wälder  ist  die  grofse  gallerie  der  mythischen  waldphautasiebilder 
hervorgegangen,  wie  die  wolkenwinddämonen  bei  erreichung 
des  meers  zu  meerdämonen  wurden ,  bildeten  sich  die  baum- 
windgeister  mit  dem  beginn  des  feldbaues,  wie  M.  widerholt  dar- 
tut, zu  feldgeistern  um.  dabei  ist  es  bezeichnend  für  die  er- 
staunliche Zähigkeit  der  mythenbildenden  kraft  des  windes  und 
der  wölken  dass  diese  immer  wider  nicht  nur  vermittelst  der 
vorbildlichen  waldgeister,  sondern  auch  direct  den  würkungskreis 
der  feldgeister  beherschen  und  gleichsam  neu  beleben,  in  den  küm- 
merlichsten gehetzten  roggenmühmchen,  wie  in  den  erhabensten 
erntegöttern  bricht  immer  wider  der  alte  kern ,  die  windnalur, 
durch,  denn  die  haupterntegottheiten  Zeus  und  Poseidon,  Here 
und  Demeter,  Mars  und  seine  Nerio  oder  Bona  dea,  Wodan 
und   seine   frau,    sind  alte  wind-  und  wettergottheiten ,    wie  M. 

11* 


450  BIANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

auch  teilweise  s.  262.  157 — 201  angibt,  um  so  befremdlicher 
ist  es  dass  die  bedeutsame  Übereinstimmung,  dass  in  Schweden 
für  den  Oden ,  in  JNorddeutschland  für  den  Woden  die  letzte 
garbe  auf  dem  felde  stehen  blieb,  die  einst  den  anstofs  zu  M.s 
Untersuchung  der  ackergebräuche  gab  (AWFxxxiv),  im  laufe  seiner 
forschung  immer  mehr  die  bedeutung  eines  leitsterns  eingebüfst 
hat.  und  doch  wird  noch  angesichts  der  dreschmaschiuen  und 
dampfpflüge  unserer  tage  unserm  landmann  der  glaube  an  die 
feldgeister  hauptsächlich  durch  die  durch  das  körn  wogenden, 
bald  befruchtenden,  bald  verheerenden  winde  wach  gehalten. 

In  dem  ungeheuren  material,  das  M.  in  seinen  drei  büchern 
uns  so  schön  und  klar  geordnet  darbietet,  habe  ich  kein  Zeugnis 
gefunden,  das  dieser  allgemein  gehaltenen  und  der  einzelbelege 
ermangelnden  darlegung  widerspräche,  jedoch  würde  dieselbe 
höchst  unbillig  gegen  M.  sein,  wenn  sie  nicht  zugäbe  dass  eine 
reihe  eigenartiger  brauche  und  figuren  dieses  kreises  sich  nicht 
aus  der  wind-  und  wetternatur,  sondern  nur  aus  der  vegetatious- 
tätigkeit  der  feldgeister  erklärte,  je  mehr  nach  einführung  des 
ackerbaus  der  Wechsel  der  Jahreszeilen  und  des  sonnen-  und 
Saatenstandes  in  alle  lebensverhältnisse  eingriff,  desto  mehr  er- 
weiterte und  vertiefte  nun  auch  die  wachstumsidee,  deren  be- 
deutung M.  so  stark  hervorhebt,  den  alten  vorstellungskreis.  auch 
die  älteren  mythischen  gebilde  hatten  vielfach  zb.  in  gestalt  von 
gelegentlichen  opfern  und  beschwörungen  dramatische  brauche 
veranlasst,  aber  diese  jüngeren,  welche  das  werden  der  saaten,  das 
werkeltagsleben  des  landsmanns  durch  das  jähr  hin  immer  sich 
wandelnd  begleiteten,  führten  nun  zu  viel  manigfaltigeren  und 
umfassenderen  inscenierungen.  aus  den  ländlichen  Dionysien 
Attikas  entstand  das  drama,  aus  den  ländlichen  Eleusinien  scheint 
sich  eine  art  ernster  zauberoper  entwickelt  zu  haben  (vgl.  s.  206). 
M.  liihrt  uns  in  seinem  buch,  dessen  6  capitel  der  reihe  nach 
Lityerses,  Chthonien  und  Buphonien,  Luperealien,  Octoberross, 
Demeter  und  Kind  und  körn  betitelt  sind,  eine  ganze  reihe  kleiner 
antiker  und  germanischer  dramen  vor,  die  uns  den  unterschied 
der  drei  beteiligten  nationen  und  ihrer  entwicklung,  namentlich 
auch  den  veredelnden,  stilisierenden  einfluss  der  grofsen  slädte 
Athen  und  Rom  stark  empfinden  lassen,  diesen  zutritt  des  neuen 
städtischen  elements  zu  den  alten  ackerbräuchen  hat  M.  durchaus 
nicht  genugsam  hervorgehoben,  obgleich  ihm  doch  AMommsens 
Heortologie  1864  wol  bekannt  war.  den  inhalt  dieser  kultur- 
dratnen  bilden  sehr  manigfache,  teils  sinnige  und  zarte,  teils 
höchst  rohe  und  derbe  und  sehr  oft  höchst  seltsame  und  be- 
fremdliche gebrauche  beim  säen,  pflügen,  ernten,  dreschen  usw. 
die  korndämonen  werden  gescholten ,  geschlagen  und  gejagt, 
gerollt  und  gewälzt,  gefesselt  und  ins  vvasser  geworfen,  ver- 
stümmelt und  getötet,  aber  auch  widerbelebt  und  geschmückt, 
festlich  eingeholt  und  vermählt  und  mit   nachkommenschaft   ge- 


MA>NUARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  151 

segnet,  gerade  die  Seltsamkeit  mehrerer  dieser  brauche  reizt 
zur  deutung  durch  einen  erdichteten  verfall,  die  auf  den  stop- 
peln der  älteren  mythen  neue  mythen,  die  ätiologischen,  empor- 
grünen lässt ,  wie  die  sage  vom  gedroschenen  pfarrer  (s.  61), 
vom  Ursprung  des  passah  (s.  177),  man  vergleiche  noch  die 
fabel  von  Damia  und  Auxesia  (Welcker  Gr.  g.  3,  130  f).  in  der 
deutung  dieser  brauche  zeigt  nun  M,  die  ganze  eigentümlich- 
keit  seiner  kunst,  die  sich  hier  oft  der  meisterschaft  nähert, 
obgleich  die  aus  einzelabhandlungen  zusammengesetzten  MF 
nicht  den  vornehmeren  zug  der  BK  haben,  in  denen  ja  doch 
die  enthüllung  eines  durchgreifenden  psychischen  entwicklungs- 
gesetzes  versucht  wird,  und  obgleich  die  in  vieler  beziehung 
wichtigste  Untersuchung  der  Demeter  nicht  zum  abschluss  ge- 
langt ist,  müssen  wir  doch  dem  vorliegenden  buch  vor  allen 
übrigen  werken  des  verf.s  die  palme  zusprechen.  M.  hat  in 
keinem  andern  die  reife  mythologischen  Urteils  erreicht,  die 
trotzdem  wahrnehmbaren  mängel  fallen  zum  teil  nicht  ihm,  son- 
dern dem  dermaligen  stände  unserer  Wissenschaft,  zum  teil  seiner 
in  den  früheren  bänden  von  ihm  ausgesprochenen  nicht  ganz 
richtigen  gesammtauffassung,  zum  teil  aber  auch  dem  umstände 
zur  last,  dass  M.  selbst  nicht  mehr  die  letzte  band  anlegen  konnte, 
überall  waltet  eine  ruhige,  sorgsame,  vorsichtige  methode  der 
Untersuchung,  die  zunächst  die  quellen  kritisiert,  und  mehrmals 
auch  ein  tieferes  eingehen  auf  die  litterarische  und  sprachliche 
Seite  der  frage  nicht  scheut,  dagegen  wird  die  mythologische 
litteratur  vielleicht  zu  wenig  und  nur  in  dem  üemetercapilel  — 
hier  allerdings  gründlich  —  berücksichtigt,  der  sachliche  Inhalt 
der  Überlieferung  wird  stets  sehr  sorgfältig  und  klar  zergliedert 
und  darnach  ganz  vortrefflich  die  antike  sitte  aus  der  heimischen 
erläutert  und  deren  alte  form  und  bedeutung  ans  licht  gestellt. 
in  dieser  vergleichung,  die  auf  der  kenntnis  aller  einzelheiten 
eines  in  vieljähriger  Sammlung  zusammengebrachten  materials 
ruht,  liegt  das  eigenartige  unvergleichliche  hauptverdienst  des 
verf.s,  der  nach  schwerer  ackerarbeit  in  der  Untersuchung  der 
zahlreichen  europäischen  erntefeste  gleichsam  selbst  ein  schönes 
erntefest  feiert. 

Im  1  cap.  erschliefst  M.  eine  gruppe  phrygischer  acker- 
bräuche  und  weist  deren  entsprechungen  in  überraschender  weise 
in  Deutschland  nach,  auch  dem  Verständnis  der  Lityersessage 
und  der  seltsamen  erntesitten,  die  ihr  den  Ursprung  gaben,  werden 
wir  um  ein  gutes  stück  näher  gerückt,  doch  rächt  sich  hier 
und  in  den  anderen  aufsätzen  mehrfach  die  von  uns  oben  ge- 
rügte verkennung  der  Stufenfolge  der  dämonenentwicklung.  um 
die  wind-  und  wetterdämonen  kümmert  M.  sich  nun  fast  gar 
nicht  mehr,  was  ihm  gestaltet  war,  wenn  er  sich  auf  die  fest- 
stellung  und  vergleichung  der  tatsachen  beschränkte,  was  aber 
unerlaubt  war,  sobald  er  darüber  hinaus  auch  die  deutung  der- 


152  MANISHARDT    MYTHOLOGISCHE    FOBSCHU^GE^■ 

selben  unternahm,  dass  alle  die  mishandlungen ,  die  bei  der 
ernte  bald  ein  tier,  bald  einen  das  feld  betretenden  fremdling, 
bald  eine  puppe,  bald  einen  Schnitter  oder  binder  trefl'en,  ur- 
sprünglich immer  nur  einem  dämon  galten,  hat  M.  richtig  er- 
kannt (s.  46),  aber  das  wesen  desselben  und  darum  auch  den 
eigentlichen  sinn  mehrerer  jeuer  brauche  nicht  immer  richtig 
erfasst.  denn  wen  kann  die  erklärung  befriedigen,  dieselben 
hätten  sich  ursprünglich  auf  unbekannte  fremde  bezogen,  die 
unvermutet  am  erntefelde  vorbeikommend  den  eindruck  des  leib- 
haftig aus  seiner  unsichtbarkeit  auftauchenden  dämons  des  acker- 
fehles gemacht,  deu  man  als  dämon  der  fruchtbarkeit  mit  allerlei 
auf  derbe  liebeslust  anspielenden  beiworten  angerufen  hätte  (s.  45. 
46)?  wer  kann  es  natürlich  finden  dass  diesem  dämon,  dem  man 
doch  die  feldfrüchte  verdankte,  so  übel  mitgespielt  und  sogar 
der  tod  bereitet  wurde?  aber  sofort  werden  die  einzelnen  sonder- 
baren Vorstellungen  in  ihrer  eiuzelheit  und  in  ihrem  Zusammen- 
hang verständlich,  wenn  man  in  der  hauplfigur  jener  sage  und 
brauche  nicht  einen  segnenden  Wachstumsgenius,  sondern  den 
verderblichen  wind-,  zumal  den  wirbelwinddämon  erkennt,  um 
dies  zu  beweisen ,  hebe  ich  von  den  tiergestalten ,  die  der  dämon 
annimmt,  nur  eine  einzige  hervor,  an  die  sich  eine  besonders 
altertümliche  form  des  erntebrauchs  knüpft,  das  schwein.  eher 
uud  sau,  diese  wühlenden,  grunzenden,  trotzigen  tiere,  spielen 
im  leid-,  wie  im  wind-  und  wolkendämonenkreis  eine  wichtige  und 
überraschend  ähnliche  rolle.  1)  der  sturmgott  Rudra  und  seine 
Maruts  werden  eher  genannt,  der  sturmgott  Wodan  jagt  eher, 
der  Wirbelwind  heifst  sau  oder  auch  saustert,  -zagel,  -wedel, 
-arsch,  -dreck,  -kegel.  nun  findet  bei  der  ernte  in  Tirol 
das  hären  (d.  i.  eber)  schiefsen,  -treiben,  -jagen  oder  sau- 
Ireiben  statt  (vHürmann  Der  heber  gät  in  lilun  s.  15f.  26  f). 
wer  bei  der  ernte  den  letzten  schnitt  oder  beim  dreschen  den 
letzten  schlag  tut,  schlägt  oder  haut  den  zagel,  zAl,  zoll  ab  (s.  185. 
vHürmann  aao.  s.  34  f)  oder  macht  die  sau  oder  saufud  (aao. 
s.  35 f.  Mannhardt  s.  186)  und  bekommt  den  sau-  oder  zollkrapfen 
(aao.  s.  36).  in  Kurland  wird  bei  der  ersten  aussaat  ein  schweiue- 
schwanz  in  den  feldrain  gesteckt  (s.  187),  um  nach  der  uralten 
heilmethode,  gleiches  durch  gleiches  zu  verjagen  (s.  89.  OJahn 
Vom  bösen  blick  s.  61,  meine  Indog.  mythen  1,  169),  den  acker 
zu  schützen,  denn  dass  dies  tier  als  ein  feindliches  wesen  gilt, 
zeigt  nicht  nur  die  schlimme  behandlung  seitens  der  Schnitter, 
sondern  auch  ein  westflämischcr  segen,  der  zugleich  eine  me- 
teorische bedeutung  dieses  kornschvveins  wahrscheinlich  macht, 
denn  er  wendet  sich  gegen  {\t;n  blitz  und  'dat  duivels  zwynlje', 
das  so  schwer  zu  packen  sei  (Zs.  7,  532).  der  teufel  erregt  aber 
als  sauzagel,  saurüssel,  possessor  porcorum  (JGrimnis  Mylh.)  den 
Wirbelwind,  wie  die  hexen  und  maren,  bei  deu  Heanzen  auch 
der  'schrädl'  (Frommann   Mundarten  6,  343).     entscheidend    ins 


MANNHAF.DT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHO'GEJJ  153 

gewicht  fällt  nun  2)  dass  man  nach  dem  Wirbelwind  in  Deutsch- 
land ein  messer  wirft,  um  ihn  zu  löten  (JGrimm  Myth.^  1,  526. 
3,  181.  453.  Kuhn  Westf.  sagen  2,  93.  Mannhardt  BK  s.  132). 
so  wirft  man  auch  bei  der  ernte  in  den  heuschober  ein  messer, 
wenn  der  dämonische  'hund',  der  liier  statt  des  sclnveius  steht, 
ihn  uiuwirfl  (s.  107).  mit  sensen  wehren  die  schwedischen  bauern 
bei  gewitter  die  in  knäuelform  herunterrollenden  bergtrolle  ab 
(AWF  157).  in  Herefordshire  wirft  man  mit  den  sicheln  nach 
dem  letzten  garbengebunde  mit  dem  ruf  'ich  habe  die  mare'  (Kuhn 
und  Schwartz  Nordd.  sagen  s.  515),  in  der  Picardie  wird  1401 
ein  jetter  au  pourcel  d'uue  faucille  und  1382  ein  jetter  ä 
un  boeuf  bei  der  ernte  gemeldet  (KD  s.  5.  36).  dies  werfen  mit 
einem  scharfen  iustrument  passt  offenbar  für  einen  verhasslen, 
schwer  zu  packenden  dämon  wie  oben  für  den  die  felder  und 
wiesen  verheerenden,  und  noch  schliefslich  die  ernte  zerführenden 
Wirbelwind,  aber  nicht  für  einen  segnenden,  in  den  ähren  ver- 
borgenen fruchtbarkeitsgeuius.  3)  die  sitte,  die  Wirbelwinde  mit 
unflätigen  Schimpfwörtern  zu  überhäufen  (JGrimm  Myth.  1,236. 
3,  91),  ein  rest  alter  gegen  die  für  besonders  zudringlich  und  geil 
gehaltenen  winddämouen  ausgeslofsener  beschwörungen  (s.  meine 
Indogerm.  mythen  1,  90  f.  169),  erklärt  nun  auch  den  ernlebrauch, 
die  vorübergehenden  mit  demselben  obscönen  schelten  zu  be- 
lästigen (s.  44).  hure  und  hurbock  sind  solche  ausdrücke,  hure 
und  braut  bezeichnen  die  letzten  den  dämon  bergenden  garben 
und  den  Wirbelwind,  man  erinnere  sich  der  windgelle  (Zs.  6,  291) 
und  der  Windsbraut.  4)  das  gleichnis  des  Simplic.  2,  62  'wie 
eine  Windsbraut  durchs  land  fahren'  führt  uns  nun  zu  dem  Ver- 
ständnis des  bei  der  ernte  erscheinenden  fremdlings,  des  land- 
fahrers.  denn  als  umläufer  und  landstreicher  wird  der  wind,  be- 
sonders der  Wirbelwind,  schon  in  alter  zeit  betrachtet,  darum 
hiefs  er  skr.  pa7ijman  =  neiQl^oog  um\äüier,  TrolvTiXay/.Tog  IL 
11,303,  neugr.  negidgo/uog  und  7T).avrjTrjg  (meine  Indog.  mythen 
1,  190).  Vegtamr,  Vidförull,  Gangrädr  und  Gdngleri  waren 
Odins  beinamen,  die  Wirbelwinde  hiefsen  fahrende  trauen  (Ki- 
lian  693).  so  dringt  der  Wirbelwind  wie  ein  dreister  landfahrer 
plötzlich  in  den  frieden  der  wiesen  und  felder.  ein  'unbekannter 
mann'  schreitet  bei  der  heuernte  scheinbar  in  die  sense  des 
mähers  hinein,  worauf  ein  heftiges  gewitter  folgt  (AWF  s.  156). 
das  gangerle,  dessen  name  mit  jenem  Gdngleri  zusammenklingt, 
wenn  auch  nicht  übereinstimmt,  das  als  'fremder'  gleich  dem 
bocksfülsigen  teufel  oder  einem  Ziegenbock  auf  der  wiese  lüstern 
die  mädchen  überfällt,  erweist  sich  durch  namen  und  character, 
wie  auch  besonders  dadurch  als  zudringlicher  wiuddämon,  dass 
es  wie  dieser  durch  dieselben  stark  riechenden  kräuter  verscheucht 
wird  (AWF  s.  157  und  meine  lodog.  mythen  1,  91).  auch  hier 
schwankt  das  geschlecht  des  dämons.  das  die  saaten  auf  der 
jagd  verheerende  edelfräulein  wird  in  eine  Windsbraut  verwünscht 


154  MANMIARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

(Kuhn  Mark,  sagen  nr  167).  den  alten,  den  man  vvol  bei  der  ernte 
statt  eines  tiers  oder  des  fremden  zu  greifen  und  zu  binden  sich 
bemüht,  bin  ich  geneigt  mit  M.  als  einen  specifischeren  wachstums- 
genius  im  Stadium  seines  herbstlichen  erliegens  aufzufassen,  doch 
heifst  im  rheinischen  Westfalen  auch  ein  plötzlicher  windstofs 
de  aul  von  terjoliren  (JGrimms  Myth.*  2,  835).  5)  wir  gehen 
noch  einen  schritt  weiter,  im  saalfeldischen  heifst  es:  Mährt  ein 
Wirbelwind  ins  grummet,  so  glaubt  man,  der  böse  wolle  es  seinen 
dienern  zuführen,  man  schreie  ihm  schimpfworte  zu';  und  eben- 
daselbst: 'der  hase  schneidet  oft  mit  seinen  vorderzähnen  durch 
ganze  getreidefelder  einen  weg.  man  nennt  es  pilsenschneidea 
und  wähnt,  der  teufel  schneide  das  körn  seinen  guten  freunden 
ab  und  führe  es  ihnen  zu'  (JGrimm  Myth.  3,  452).  man  sieht 
hier  in  wiese  und  feld  ein  teuflisches  wesen  auf  ernteraub  be- 
dacht (auf  aranscarti,  wie  die  Lex  Bajuv.  12,  8  es  nennt),  es  wird 
einmal  Wirbelwind,  das  andere  mal  pilsenschueider  genannt,  die 
Vermutung  liegt  nahe  dass  wie  jener  auch  dieser,  der  niemand 
anders  als  der  pilwiz  ist,  welcher  in  die  glieder  schiefst,  die 
haare  verwirrt,  verfilzt  wie  ein  eibischer  wind-  und  wettergeist, 
und  das  getreide  mit  an  die  füfse  gebundenen  sicheln  oder  woi  auch 
auf  einem  bock  reitend  durchschneidet  (JGrimm  Myth.^  1,  391  f), 
ein  lähmung,  Verwirrung  und  getreideschadeu  anrichtender  wind- 
dämon  ist.  der  wind  tritt  also  endlich  auch  als  gefürchleter  Schnit- 
ter auf,  und  in  erhabener  form  finden  wir  denn  auch  den  windgott 
Odin  als  ßölverkr  um  Suttungs  kostbaren  met  die  arbeit  von  neun 
mähern  verrichten,  nachdem  diese  sich  im  streit  um  seineu  Wetz- 
stein mit  ihren  sicheln  die  halse  abgeschnitten  hatten  (Sn.  Edda 
84 — 86).  1  in  den  coelestischen  kampt  Odins  mit  dem  Sturmriesen 
Suttungr  um  Odhrffirir  (meine  ludog.  mythen  1,222)  ist  hier  ein 
später  erfundener  terrestrischer  kämpf,  das  wettmähen  des  sturm- 
gotts  mit  Suttungs  knechten  eingefügt,  als  dessen  preis  jener  trank 
gesetzt  wird,  damit  in  Zusammenhang  steht  der  brauch  bairischer 
und  schwäbischer  Schnitter,  den  Oswald,  in  welchem  VVuotan  steckt, 
um  hilfe  gegen  die  windsau  (wiudsbraut)  zu  bitten  und  ihm  zu 
danken,  dass  sie  sich  nicht  geschnitten  haben  (UJahn  Die  deutschen 
Opfergebräuche  s.  176).  auch  die  mit  der  umfassenderen  Midas- 
sage  verknüpfte  Lityersessage  kennt  einen  fremden  (Herakles),  der 
zu  einem  gewalttätigen  Schnitter  aufs  feld  kommt,  ihn  im  mähen 
übertrilft  und  ihm  den  hals  abschneidet,  eine  bewirtung  erscheint 
auch  hier  als  entgelt  der  arbeit,    diese  deutung  wird  unterstützt 

•  Odinn  zieht  einen  Wetzstein  aus  dem  gürtel,  um  die  sichel  zu  schärfen, 
über  diesen  von  ihm  in  die  luft  geworfenen  Wetzstein  entsteht  dann  die 
verderbliche  balgerei  der  Schnitter,  dieser  zug  ist  zwar  phantastisch  über- 
trieben, doch  mitten  aus  dem  ernteleben  gegrifFcn.  im  Pustertal  preist  der 
wetzende  mälier  seinen  Wetzstein,  den  ihm  aber  später  eine  dirne  hinter- 
rücks entwendet,  unter  allgemeinem  hailoh  der  mäher  von  ihr  verspoltet 
sucht  er  ihn  ihr  wider  zu  entreifsen.  dann  entsteht  häufig  eine  hitzige 
balgerei  (vHörmann  Der  lieber  s.  •10).  auch  im  Schwarzwald  wird  der  mäher 
mit  zerbrechen  seines  Wetzsteins  bedroht  (Frommann  Mundarten  3,  404). 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE   FORSCHUNGEN  155 

durch  den  noch  heute  tortlebenden  littauischen  glauben,  dass  Per- 
kunas  im  gewitter  menschen  und  tieren  auf  dem  telde  den  köpf  ab- 
schneide (Veckenstedt  Mythen  derZaniaiten  1, 123).  ich  ziehe  hier- 
her auch  noch  den  von  M.  146f,  wie  mir  scheint,  höchst  künstlich 
gedeuteten  seltsamen  oldenburgischen  brauch  vom  jähre  1661, 
demgemäfs  der  seinen  Vordermann  überholende,  ihm  'ins  schvvad 
mähende'  Schnitter  berechtigt  ist,  dessen  zeugungsglied  mit  einem 
Strauch  zu  schlagen,  auf  den  unterlegenen  wird  die  strafe  des  dä- 
mons  übertragen,  der  sich  zu  seinem  Unglück  in  die  erntearbeit  ge- 
mischt hat;  und  nach  den  oben  erwähnten  beschwörungen  richtet 
sich  dieselbe  gerade  gegen  die  geschlechtsteile  der  winddämonen. 
Die  erwähnten  züge  und  brauche,  die  einerseits  die  grund- 
lage  der  Lityersessage,  andererseits  den  kern  der  herangezoge- 
nen erntesitten  bilden,  sind  also  aus  der  mythischen  auffas- 
sung  nicht  eines  besonderen  vegetationsdämons,  sondern  eines 
auch  dem  getreide  schädlichen  windgeistes,  und  vorzugsweise  des 
wirbelwindgeistes  von  bald  weiblichem  bald  männlichem  geschlecht 
zu  erklären,  sie  sind  älter  als  der  getreidebau  und  daher  haben 
die  dämonen  auch  eine  überwiegende  unmittelbare  beziehung  zu 
dem  menschen  selber,  wie  sie  der  älteste  schätz  unserer  mythi- 
schen Überlieferungen,  die  vielen  segen,  beschwörungen  usw. 
deutlich  darlegen,  nach  der  Zähmung  verschiedener  tiere  werden 
sie  auch  zu  diesen  in  beziehung  gesetzt,  erst  nach  dem  auf- 
kommen des  ackerbaus  auch  zum  getreide.  so  erst  verstehen 
wir  die  besonderen  uamen,  tier-  und  meuschengestalten ,  in  die 
der  dämon  sich  kleidet,  die  sichelwürfe,  die  schimpfreden  und  die 
eigentümlichen  sagen  von  dem  grausamen  wettmähen,  anderer- 
seits bestreiten  wir  nicht  dass  andere  figuren  und  sitten ,  wie  das 
begiefsen  mit  wasser,  das  einbinden  in  die  garbe,  erst  später  aus 
dem  eigentümlichen  feldbaukreise  hinzugekommen  sind,  müssen 
sie  aber  für  die  jüngeren  und  minder  bedeutsamen  erklären,  end- 
lich gibt  es  einzelne,  die  vorläufig  weder  der  einen,  noch  der 
anderen  gruppe  mit  bestimmtheit  zugewiesen  werden  können,  da- 
hin rechne  ich  die  sitte,  die  zur  ernte  kommenden  fremden  in 
die  höhe  zu  heben ,  das  osnabrückische  upböre7i  (s.  42),  das  sim- 
mernsche  wandeln  (s.  43).  sie  bedarf  einer  eingehenderen  Unter- 
suchung, zu  der  hier  nur  einiges  material  beigesteuert  sein  möge, 
nämüch  das  stumpen  bei  der  weinlese  bei  Oppenheim  (Arch.  f. 
hess.  gesch.  und  altert.  13,  272),  das  fries.  hoeghen  bei  der  heu- 
ernte  (Wiarda  Altfries,  wb.  s.  166)  und  der  oldeuburgischen  raps- 
ernte (mündl.),  das  hiimping  am  Gangingday  in  Herefordshire 
(Brand-Ellis  1,208,  wo  ähnliche,  aber  mit  anderen  festen  ver- 
knüpfte sitten,  heave  or  lift  und  der  hokedaie  1,  106 f  besprochen 
werden),  aus  dieser  behandlung  der  fremden  auf  dem  lande  bei 
der  ernte  scheint  sich  die  hier  und  da  nachweisbare  gleichartige 
behandlung  der  fremden  oder  nichtbürger  in  der  Stadt  bei  der 
aufnähme  ins  bürgerrecht  entwickelt  zu  haben,   wie  das  stutzen 


i56  MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

in  Weisenheim  bei  Diirkheim  an  der  Haardt  (Zs.  für  deutsche 
kulliirgeschichte  n.  f.  3,  63),  das  bovpmg,  dem  die  pförtuer 
von  Billingsgate  den  vorübergehenden  unterwarfen  (Brand -EUis 
1,  114). 

In  dem  ernte-  und  dreschfest  der  Chthonien  und  Euphonien 
(s.  58  f)  scheint  der  Zusammenhang  mit  den  älteren  vorslellungs- 
kreisen  sehr  gelockert,  die  alte  auffassung  des  rindes  als  furcht- 
baren wind-  und  welken wesens,  die  bekanntlich  im  Rigveda  eine 
so  hervorragende  rolle  spielt,  scliimmert  hier  nur  noch  undeut- 
lich durch,  das  auf  dem  erntefelde  von  der  sichel  getroffene  tier 
ist  hier  allerdings  das  bild  der  reichen  im  hochsommer  hin- 
sterbenden Vegetation  geworden,  und  Schwartzs  meteorische  deu- 
tung  ist  der  M.s  gegenüber  höchst  gesucht  und  phantastisch  (s.68). 
auffallender  weise  führt  M.  als  nordeuropäische  analogien  des 
antiken  dreschfestes  nur  zwei  würkliche  rinderopfer  aus  Frank- 
reich an  (s.  60.  62) ,  da  doch  Deutschland  eine  ganze  reihe  von 
dreschfesten  mit  rinderopfern  bewahrt  hat,  die  besonders  durch 
die  hervorragende  rolle  bemerkenswert  sind,  welche  die  geschlechts- 
teile  der  opfertiere  dabei  spielen,  zu  den  manigfachen  belegen,  die 
UJahn  Die  deutschen  Opfergebräuche  s.  101  f.  1 90  f.  223  f  dafür 
beibringt,  wird  auch  noch  der  gemeindestier  im  Drömliug  zu 
rechnen  sein,  der  am  sog.  bullenfest  in  der  schenke  unter  eifriger 
beihilfe  der  weilier  geschlachtet  und  verzehrt  und  dessen  geni- 
talien  daselbst  aufgehängt  wurden  (Kuhn  Mark,  sagen  s.  368). 

Das  3  capilel  bespricht  die  Luperealien,  welche  nach  M.  die 
rückkehr  der  wachstumsgeuien  im  frühling  darstellen,  die  ritzung 
der  stirnhaut  zweier  Jünglinge,  die  diese  genien  vertreten,  be- 
deutet deren  vorangegangenen  tod,  die  abwischung  der  blutigen 
Stirn  mit  milch  und  das  lachen  deren  widergeburt,  der  umlauf 
und  das  schlagen  der  begegnenden  mit  bockshautstreifen  deren 
neue  befruchtende  tätigkeit.  dies  ist  alles  vortrelTlich  dargetan, 
auch  die  schwierige  zurückführung  des  bald  schlagenden,  bald 
geschlagenen,  bald  miswachs  und  seuche,  bald  fruchtbarkeit  und 
gesundheit  verleihenden  genius  auf  eine  einzige  figur  ist  im 
ganzen  wol  gelungen,  wenn  auch  nicht  frei  von  künsteleieu.  Pan 
zb.,  der  mit  meerzwiebeln,  die  für  ein  mittel  galten,  unreine  und 
schädliche  mächte  zu  vertreiben ,  gepeitscht  wird ,  erscheint  dem 
Verf.  als  ein  gleichsam  besessener  gott,  der  sonst  nahrungsfülle 
aller  art  an  weide  und  wild  spendet,  nun  aber  durch  die  schlage 
von  den  schädlichen  mächten  der  Unfruchtbarkeit  befreit  und 
wider  in  den  stand  gesetzt  wird  ,  künftig  mehr  und  besser  zu 
producieren  (s.  124.  132).  wird  der  Pharmakos  zur  ernte-  oder 
j)estzeit  hinausgejagt  und  ebenfalls  mit  meerzwiebeln  auf  sein 
TiFog  geschlagen  und  gesteinigt,  so  glaubt  M.  in  der  Steinigung 
einen  zauber,  um  die  schwere  der  künftigen  halmfrüchte  zu  be- 
weikstelligeu,  und  in  der  austreibung  die  umdeutung  des  Um- 
zugs des   in  der  ernte  hervorkommenden  Wachstumsgeistes,    der 


MAMNHABDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  157 

eo  ipso  die  mächte  der  Unfruchtbarkeit  und  krankheit  verscheuche, 
zu  erkennen  (s.  133).  allerdings  ist  hier  wie  dort  umdeutung 
im  spiel  gewesen  und  teilweise  auch  in  M.s  sinne,  aber  der 
grundgedanke  war  doch  ein  ganz  anderer,  als  ihn  M.  im  äuge 
hat.     vielleicht  wird  er  aus  folgendem  deutlicher. 

M.  kannte  noch  nicht  die  neueren  deutungen  des  Wortes 
luperciis.  Unger  (Rhein,  museum  1880  s.  50)  leitet  es  von  lu- 
percus,  d.  i.  qni  luem  parcit ,  als  ob  parcere  abwehren  heifsen 
könnte,  wie  schon  Jordan  in  Prellers  Rom.  mytli.^  1,380  richtig 
einwendet.  Jordan  selbst  (Krit.  beitr.  164.  207)  sieht  darin  ein 
zwiefach  erweitertes  Inpiis  und  übersetzt  es  durch  'wölfling'  und 
deutet  sogar  das  oppidum  Palatinum  gregibus  Immanis  cinctum 
bei  Varro  6,  34  auf  die  scharen  der  luperci  als  'wülfe'  (Preller 
Rom.  mylh.^  1,  390),  sowie  auch  Mommsen  von  wolfsgilden  spricht. 
M.  fasst  das  wort  als  ein  aus  lupl-erci  oder  Inpl-erd  d.  i,  wölfe 
und  bücke  oder  woifsböcke  zusammengeschmolzenes  compositum 
und  schöpft  daraus  die  weitere  Vermutung,  dass  dadurch  das  com- 
promiss  der  zwei  bei  diesem  fest  rivalisierenden  geschlechter,  der 
Fabier  und  Quinlilier  ausgedrückt  sei,  deren  eines  beim  umlauf 
Wölfe,  das  andere  bocke  dargestellt  hätte,  aber  gegen  Jordan 
wie  M.  ist  zu  bemerken  dass  keine  spur  wölfischen  wesens 
während  des  ganzen  festes  sichtbar  wird,  nur  von  bocksopfer. 
bocksfelikleiduug  und  bockshautpeitschen  ist  die  rede,  nirgend 
von  woll'sopfer  und  wolfshäuten.  in  Ovids  Fast.  2,  429  f  heifst 
Lnpercus  einfach  sacer  hircns,  das  gemeine  volk  nannte  die  luperci 
gleichfalls  kurzweg  creppi  d.  i.  bocke,  wenn  nun  trotzdem  in 
dem  ersten  teil  des  compositums  der  stamm  lup  nicht  zu  ver- 
kennen ist,  so  fragt  man  sich,  ob  ihm  nicht  beim  mangel  aller 
wölfischen  züge  der  übertragene  sinn  \on  lupa  undlupari,  buhlerin 
und  buhlen,  inne  wohne,  in  dem  auf  die  nährende  iruchtbarkeit 
zielenden  sinne,  der  auch  der  wölfischen  amme  des  Romulus  und 
Remus  anhaftet,  ein  solches  compositum  fiele  genau  mit  dem 
deutschen  horbuck  zusammen ,  womit  der  zum  erntefeld  herzu- 
kommende, als  geiler  felddämon  zu  betrachtende  fremdiing  (s.  o.) 
in  Schleswig-Holstein  begrüfst  wird  (vgl.  AWF  170),  wobei  zu  er- 
wägen dass  auch  in  Tirol  noch  heuligen  tages  ein  frauenzimmer 
ganz  unanstöfsig  als  hure  angeredet  wird  (Frommann  Mundarten 
6,  156).  es  liegt  im  Lupercus  also  im  wesentlichen  der  begriff 
des  Inuus,  mit  dem  er  ja  auch  für  identisch  eiklärt  wird  (vgl. 
Preller  Rom.  myth.^  1,380.387.390),  und  deshalb  wird  er  als 
sacer  hircus  aufgefordert  matres  inire.  als  bocke,  in  deren  gestalt 
so  oft  die  winde  erscheinen  (AWF  s.  156  f),  und  als  Vertreter  der 
faune,  wie  man  die  luperci  mit  M.  auffassen  muss,  sind  aber 
auch  sie  Vertreter  der  winddämonen,  hier  nicht  jener  verderb- 
lichen gefürcbteten,  die  fruchi  zerstörenden,  die  wir  oben  kennen 
lernten,  nicht  jener  fauni  ficarii  und  incubi,  gegen  welche  die 
Römerin  sich    mit  der  wurzel    der  waldpaeonie  schützte  (Preller 


158  MA?«ISHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

Rom.  mytb.^  1,  381),*  nicht  jenes  Pan  und  Pharmakos,  gegen 
deren  glied  pflanzen  von  eigenliimlichem  geruch  und  sonderbarer 
form  geschwungen  werden,  wie  gegen  das  anderer  winddämonen 
(s.  meine  Indogerm.  mylhen  1,  90).  die  luperci  sind  die  gütigen, 
befruchtenden  und  reinigenden  windgeister  des  ersten  frühlings, 
deren  schlagen  sich  die  frauen  hoffnungsvoll  darbieten,  zur  erklä- 
rung  der  doppeiseitigkeit  dieser  dänionen  bedarf  es  also  nicht  jener 
interpretationskünste,  die  M.  für  nötig  hält,  sie  liegt  in  der  natür- 
lichen und  daher  auch  mythologischen  doppelseitigkeit  aller  winde. 
M.  hält  im  4  cap.  das  römische  octoherfest  für  ein  uraltes 
erntefest  und  das  dabei  geopferte  ross  für  einen  getreidedämon. 
diesem  entspricht  nach  ihm  in  Deutschland  am  genauesten  die 
erntepuppe  mit  dem  pferdekopf,  oder  auch  der  von  den  mäliern 
verfertigte  Schimmel,  in  welchem  er  deshalb  nicht  nach  Kuhns 
Vorgang  eine  darstellung  Wodans  sehen  kann,  es  ist  zu  bedauern 
dass  M.  diese  behauptuug,  der  das  anerkannte  Verhältnis  Wodans 
und  seines  rosses  zur  ernte  und  der  kentische  name  des  auch 
nach  M.  mit  diesem  erntepterde  gleichzusetzenden  adventpferdes 
hooden  or  wooden  horse  (Zs.  5,475  f)  entgegenzustehen  scheinen, 
nicht  weiter  begründet.  M.  verhält  sich  auch  hier  ablehnend 
gegen  alle  deutung  aus  meteorischen  erscbeinungen ,  obwol  er 
die  beziehung  der  rossgestalt  zum  winde  ein  par  mal  flüchtig  be- 
rührt (s.  163.  167).  allerdings  entspricht  das  anheften  des  mit 
broden  bekränzten  pferdehauptes  an  der  regia  genau  der  auf- 
hängung  des  kranzes  an  der  tür  des  Cerestempels,  der  autrichtung 
der  nach  dem  getreidetier  benannten  erntepuppen,  baumzweige 
usw.  auf  dem  giebel  der  scheuer  oder  neben  der  tür  des  hauses 
(s.  182)  und  hier  ist  das  pferd  ohne  frage  der  vegetationsdämon. 
aber  wenn  das  octoberross,  wie  es  nach  Timäus  scheint  (s.  156. 
169),  mit  einem  wurfspiefs  erlegt  wird,  so  kommen  einem  wider 
die  gegen  die  winde  gerichteten  würfe  (s.  o.)  in  den  sinn,  und 
der  fruchtbar  machende  schwänz  des  rosses  scheint,  wie  man 
aus  den  von  M.  angeführten  analogien  des  phallus  des  Liber, 
des  'rehschwanzes',  des  hochzeitlichen  Schweineschwanzes  (s.  183f. 
186.  191)  vermuten  möchte,  wider  auf  den  ursprünglich  auf  die 
befruchtung  der  menschen,  nicht  auf  die  der  fehler  bezogenen 
phallischen  wind-  und  wetterdämon  zurückzuführen.-  die  hin- 
tragung des  Schwanzes  nach  dem  herd  der  regia,  damit  noch 
das  warme    blut  darauf   tropfe,    und   die  Überführung   des  bluts 

'  15  kölner  der  paeonie,  mit  rosenhonig  getrunken,  schützen  gegea 
den  incubus  und,  am  hals  gelragen,  vor  krankheit.  Vinc.  Bell.  9,116. 
Megenberg  415.  kinder  schützt  man  durch  eine  in  die  wiege  gesteckte  pae- 
onienwurzel  ,    s.  Lanimert  Volksmedicin  in  Bayern  s.  123. 

-  vgl.  mit  Feslus  s.  230  penem  antiqui  codam  vocabant  und  der  offa 
penlla  das  deutsche  ziemer,  das  beim  hirsche  das  iendenstück,  beim  ochsen 
aber  das  genitale  bedeutet,  ist  es  zufall  dass  mit  dem  Ochsenziemer  oder 
-fisel  in  zwei  Volksliedern,  einem  Nürnberger  und  einem  südböhmischen, 
verbotene  iiebeleien   bedroht  werden    (Frommann  Mundarten   G,  268.416)? 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  159 

in  den  aDstofsenden  penus  derVesta,  kann  diese  bezieluing  auf 
den  phallus  nur  unterstützen,  gerade  Vestas  liebiingstier  war  der 
üppige  esel  (Preuuer  Hestia  s.  336f.  441.  50S),  der  allerdings 
auch  anders  gedeutet  werden  kann  (Preller  Rom.  myth.^  2,164. 
168).  aber  jedestalls  hüteten  die  Vestalinnen  nach  Plin.  Hist. 
nat.  XXXVIII  §  39  in  jenem  pemis  ein  fascinum,  und  so  lange 
dieser  räum  geöffnet  und  gereinigt  war,  durfte  nicht  hochzeit 
und  geschlechtlicher  verkehr  der  ehegatten  stattfinden,  bei  dem 
grofsen  indischen  pferdeopfer,  das  sich  wie  das  römische  auf  die 
befruchtung  bezog,  wurde  das  zeugungsglied  des  geopferten  rosses 
zur  königin  getragen,  die  mit  demselben  übernachten  muste,  wo- 
bei sie  Amba  und  Ambalika  anrief,  die  wolkenmutter,  die  mutter 
der  Maruts  und  Schwester  des  windgottes  Indra  (Ind.  stud.  1,183. 
10,339.  Lassen  Ind.  alterlumskunde  1,  632). 

Den,  obgleich  unvollendeten,  doch  nach  form  und  Inhalt 
unstreitig  bedeutendsten  aufsatz  enthalten  die  beiden  letzten 
Demelercapitel.  der  edlere  und  von  vielen  mythologischen  gröfsen 
behandelte  stoff  erhebt  den  verf.  widerholt  zu  musterhafter  dar- 
stellung  und  zu  höheren  gesichlspuncten.  wenn  er  auch  sich 
vielfach  von  Prellers  Demeter-Perse])hone,  Wegeners  analyse  des 
Demeterhymnus  und  Rosenbergs  Erinyen  leiten  lässt,  so  berück- 
sichtigt er  doch  auch  die  übrige  einschlägige  reiche  litteratur 
sorgsam,  mag  sie  sich  auf  den  hymnus,  oder  den  mythus,  oder 
den  kultus,  oder  die  nameudeutung  beziehen,  er  entwirft  ein 
fein  ausgeführtes  characterbild  seiner  göttin.  er  wendet  hier  all 
seinen  Scharfsinn  auf,  die  berühmte  ansieht  Kuhns  von  der  De- 
meter-Erinys-Saranyü  zu  zerstören  und  darüber  hinaus  gegen 
die  allgemeingiUigkeit  der  sätze  zu  protestieren,  dass  so  zu  sagen 
alle  mythen  arischer  Völker  in  den  Veden  ihre  prototypen  fän- 
den und  dass  mit  geringen  ausnahmen  die  gesammte  mythologie 
in  ein  auf  die  erde  übertragenes  Spiegelbild  des  gegenseitigen 
Verhaltens  coelestischer  naturmächte  sich  auflöse  (s.  280).  so 
sehr  ich  bereit  bin,  mich  diesem  proteste  anzuschliefsen  und  M.s 
hohe  Verdienste  um  die  klärung  der  auf  diese  fragen  bezüg- 
lichen ansichten  anzuerkennen,  die  er  in  seiner  schönen  Demeter- 
abhandlung um  ein  bedeutendes  vermehrt  hat,  so  sehr  habe  ich 
andererseits  die  Überzeugung  gewonnen,  dass  der  verf.  in  seiner 
reaction  stellenweise  zu  weit  geht  und  nunmehr  den  einfluss  der 
himmelserscheinungen  auf  die  mythenbildung  unterschätzt,  da 
meine  kritik  sich  schon  so  sehr  in  die  länge  gezogen  hat,  mag 
ich  nur  ein  par  von  den  puncten  hervorheben,  in  denen  ich 
ihm  nicht  beistimmen  kann,  die  ableitung  des  namens  der  göttin 
aus  (.iritr^Q  und  einem  zu  ö)]  contrahierten  öm,  die  er  als  neben- 
form  von  Leä  speit  ansetzt  (s.  292),  wird  wegen  der  synkre- 
tistischen  Verwertung  der  dialecte  schwerlich  den  Sprachforschern 
gefallen  und  Baunacks  deiitung  des  worts  aus  Jr^uof-a^tr^Q  (Rhein, 
mus.  37,  474.   Studia   nicolait.  s.  50),    wird  wol    den   sieg   über 


160  MAiNNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

M.s  kornmulterdeutung  davontragen,  dagegen  hat  M.  im  verein 
mit  Roseoberg,  übrigens  nach  Welckers  Vorgang,  sehr  wahr- 
scheinlich gemacht  dass  Poseidon  als  vater  des  Areion  aus  Boe- 
otien  nach  Arkadien  gelangt  sei  und  sich  dort  mit  dem  Poseidon 
Hippios,  dem  vater  der  Despoina,  verschmolzen  habe,  ob  aber 
erst  dadurch  die  identiticierung  der  göttinuen  Demeter  und  Erinys 
und  die  geschwislerschaft  jener  kinder  bewürkt  worden  sei, 
muss  ich  dahingestellt  sein  lassen,  in  Poseidon,  dem  gatten  der 
Demeter ,  statt  dessen  auch  aufser  Zeus  noch  Zephyros  genannt 
wird,  ist  M.  wol  geneigt  einen  windgott  zu  erkennen,  in  so  fern 
als  der  meergott  der  herr  der  wogen  und  winde  ist  (s.  262),  aber 
die  Demeter  will  er  weder  als  göttin  der  erdtiel'e,  noch  mit  Kuhn 
als  personification  der  gewitterwolke  oder  sonst  einer  meteo- 
rischen erscheinung  gelten  lassen,  zumal  nachdem  sich  ihm  die 
Saranyusmythe  und  die  sage  von  Demeter-Erinys  als  incongruent 
herausgestellt  hat.  mit  recht  bekämpft  er  den  groben  misbrauch, 
der  auf  diesem  gebiete  der  mythologie  mit  den  verschiedenen 
naturerscheinungen  gelrieben  worden  ist.  Demeter  ist  ihm  zu- 
mal nach  dem  Demeterhymnus,  nach  der  bedeutung  ihres  namens 
und  den  hier  in  besonders  reicher  fülle  dargebotenen  analogen 
erntebräuchen  Nordeuropas  einfach  eine  getreidegütlin,  die  auf 
der  oberweit  waltet,  eine  erzeugerin  der  kornfrucht.  aber  meines 
erachtens  erschliefst  diese  definition  denn  doch  nicht  das  wesen 
der  göttin  vollständig,  viele  ihrer  züge  bleiben  rätselhaft  und 
sie  tritt  überhaupt  ganz  unvermittelt  und  unerklärt  in  die  er- 
scheinung. der  mythologischen  kritik  bietet  die  Überlieferung  sehr 
selten  eine  klar  und  rein  ausgedrückte  Vorstellung  dar,  in  der 
sich  inhalt  und  form  so  genau  entsprächen,  wie  in  einem  klas- 
sischen kunstwerk.  abgesehen  von  der  so  oft  zu  beklagenden 
unVollständigkeit  der  Überlieferung  ist  die  idee  meist  unvoll- 
kommen widergegeben  oder  doch  durch  spätere  zutaten  verdunkelt, 
ja  oft  gänzlich  umgedeutet  worden,  oft  besteht  das  phantasie- 
gebilde  aus  einem  complex  beständig  in  einander  übergleitender 
Vorstellungen,  oft  aus  einer  Verschmelzung  ursprünglich  gar  nicht 
zusammengehöriger.  die  kritik  hat  die  einzelnen  bestandteile 
möglichst  klar  auseinanderzulegen ,  muss  aber  auch  dessen  ein- 
gedenk bleiben,  dass  sie  es  mit  historischen,  flüssig  gewesenen 
und  selten  je  völlig  erstarrenden  gebilden  zu  tun  hat,  die  man 
nicht  in  eine  feste  formel  bannen  kann,  so  steht  es  mit  Demeter, 
ist  sie  würklich,  wie  M.  will,  ursprünglich  nur  korngoltin?  war 
sie  auf  der  Vorstufe  ihrer  geschichtlichen  entwicklung  würklich 
nur  die  immanente  psycho  des  halmenvolks?  hat  sie  nichts  von 
einer  luft-,  von  einer  erdgöttin  mehr  an  sich?  war  ihre  ursprüng- 
liche bestimmung  würklich  die,  das  lebensprincip,  die  causa  el(i- 
ciens,  der  cerealischen  Vegetation  auszudrücken  (s.  238.  243)? 
nach  meiner  ansieht  verhält  sich  Demeter  zur  Ge  wie  die  acker- 
erde  zur  erde  überhaupt,     die  schon  vor  dem  ackerbau  der  erde 


MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  161 

beigelegten  eigenschaften,  insbesondere  auch  die  der  keimenden, 
treibenden,  nährenden  kraft,  die  ja  doch  auch  schon  die  hirten 
dankbar  erkannten,  giengen  von  der  alten  weidegöttin  auf  die 
jüngere  korngöltin  über  und  selbst  die  eigenschafteu  einer  noch 
älteren  mütterlichen  goltheit,  der  des  wolkenwassers ,  die  wol 
schon  vor  der  hirtenzeit  insbesondere  als  wasserspenderiu  Ver- 
ehrung genoss,  wie  sie  in  der  erdgöttin  überall  erkennbar  sind, 
haben  sich  auch  noch  vereinzelt  in  deren  jüngerem  abbild,  der 
ackergöttin,  erhalten,  die  nahe  berührung  und  Verschmelzung 
dieser  teilweise  so  weit  aus  einander  liegenden  gebiete  ist  nicht 
nur  aus  der  vedischen  poesie  durch  manche  beispiele  zb.  den 
hymnus  an  Prithivi  (Rigv,  5,  84),  die  wolkenreiche  erdgöttin,  zu 
erweisen,  sie  erhellt  auch  aus  manchen  griechischen  und  deut- 
schen Zeugnissen,  in  Hesiods  Opp.  549  zb.  streckt  sich  die  rjioog 
ariQ  TivQoqiOQog  über  die  felder  und  Geopon.  ii  26,  1  heifst  es: 
Ttenaivofxevov  rov  -/.agnov  vao  re  töjv  avt^iov  xal  tr^g  ülXrjg 
Tov  ccfQog  svxgaolag.  so  wird  Demeter  nigocpögog  (Eur.  Phoen. 
694)  genannt,  ruht  nach  Homer  und  Hesiod  auf  dem  Saatfeld 
und  ihr  gälte  ist  der  wind-  und  wettergott  Zeus  oder  Poseidon 
oder  Zephyros.  aber  gleich  nach  jener  hesiodischen  stelle,  näm- 
lich Opp.  563  heilst  es  wider:  da6y.ev  avvig  yrj  nävxiov  ,u^- 
xriQ  xagnov  ovi^ifiiKTOv  evei/.j]  und  ähnlich  vielläch.  /"JJ  xovqo- 
TQÖcpog  und  ^t]ui^Tr^Q  x^-o»;  hatten  einen  gemeinsamen  tempel 
bei  der  athenischen  bürg  (AMommsen  Heortol.  s.  9),  wie  denn 
auch  Demeter  gleich  Ge  xovQOTgöqjog  (Hesych.),  xagTiocpogog 
(s.  227)  und  fAsyäh]  genannt  wird,  vater  Dyaus  und  mutler 
Prithivi,  die  erde  (s.  242),  und  statt  deren  auch  der  donnergott 
und  die  furchengottin  Rigv.  4,  57,  8  werden  um  ihren  beistand 
angerufen,  und  zwar  der  donnergott  vom  pflüger,  damit  er  milch 
und  honig  herabstrome.  die  opfergabe  wird  allerdings  nicht  aus- 
drücklich genannt,  bestand  aber  ohne  zweifei  aus  dem,  was  man 
erflehte,  dem  entsprechend  wurde  beim  beginn  des  saafpflügens 
in  Griechenland  zu  Zeus  und  Demeter  gebetet  (Hesiod.  Opp.  465), 
damit  die  reifen  ähren  schwer  würden.  Demeter  hiefs  deshalb 
auch  Proerosia  neben  Zeus  Ombrios  und  Poseidon  Phytalmios 
(Plut.  Conv.  7  sap.  p.  158")  und  in  Athen  wurden  ihr  die  Pro- 
erosien dargebracht  (VVelcker  Gr.  g.  2,  468),  die  nach  AMommsens 
Vermutung  (Heortol.  219)  wahrscheinlich  aus  weizen  und  gersten- 
körnern  und  juelty.gazov  d.  i.  milchhonig  (Röscher  Nektar  s.  37) 
bestanden,  einen  ähnlichen  brauch  kannten  die  Angelsachsen  nach 
der  stark  christianisierten  'ackerbufse',  die  ursprünglich  offen- 
bar nur  das  erste  pflügen  feierlichst  einleitete  (JGrimm  Myth."* 
2,  1033f).  ele,  hunig,  beorman,  von  alles  viehes  milch,i  alles 
*  die  wähl  von  milch  und  iioni^  zum  deutschen  (Weist.  2,  547)  und 
griechischen  pfliigeopfer  erklärt  oben  Rigv.  4,  57,8.  sonst  kommt  auch  brot 
an  der  achse,  aus  alter  frucht  gebacken  (JGrimms  Myth."  2,  1036),  brot  und 
ei  im  acker  (BK  s.  158)  vor.  das  eieropfer  bezieht  Ulrich  Jahn  Die  deutschen 
Opfergebräuche  s.  75  mit  recht  auf  Thunar. 


162  MANNHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

baumes  art,  allem  namhaften  kraut  wird  auf  die  erde  gestreut, 
nachdem  die  erste  furche  gepflügt  ist,  wird  ein  aus  allerlei  mehl 
gekneteter  laib  unter  dieselbe  gelegt,  bevor  der  mann  aber  den 
pflüg  ergreift,  ruft  er  Erce,  erce,  erce,  eorrtan  mödor  und  den 
alhvaltenden  ewigen  herrn  um  gedeihen  und  Wachstum  an,  und 
nachdem  die  erste  furche  gerissen,  erschallt  der  grufs:  hdl 
ves^  ßu  folde  fira  mödor!  wir  finden  also  mutter  Prilhivi  zu 
Djaus  (bez.  Süä  zu  Parjanya),  Demeter  zu  Zeus  und  eordan  mödor 
zu  dem  wahrsclieinlich  einen  heidnischen  gott  (Thunar?)  ver- 
tretemlen  christengolt  gepart  und  diese  pare  bei  demselben  an- 
lass  des  ersten  pflügens  um  ihre  gnade  angerufen  und  mit  den- 
selben opfergaben  geehrt,  nimmt  man  hinzu  den  alten  beinamen 
der  Demeter  xai^ivvr],  welcher  widerum  genau  der  littauischen  erd- 
göltin  Zemyna  entspricht,  der  man  auch  gern  und  wol  ursprüng- 
lich hauptsächlich  bei  agrarischen  festen  hier  oder  brantwein  auf 
die  erde  goss  (Zs.  24,161),  so  wird  man  zugeben  dass  schon 
diese  wenigen  entsprechuugen  bei  verwandten  Völkern  auch  in 
Demeter  eine  würkliche  erdgottheit  vermuten  lassen,  mit  der 
erdgöttin  steht  aber  auch  in  Littauen  der  donnergott  Perkunas 
in  ehelichem  bunde,  und  wird  bei  dürre,  wie  bei  gewitter  vom 
opfernden  bauern  angefleht,  entweder  trau  Erde  nicht  weiter 
zu  bedrohen,  oder  ihr  sein  kühles  gesiebt  wider  zu  zeigen 
(Veckenstedt  Mythen  der  Zamaiten  1,  126  ff),  also  auch  hier 
walten  die  goitheiten  des  donners  und  der  erde  vereint  über 
das  gedeihen  des  ackers  (vgl.  JGrimm  Myth."*  1,  146).  noch  von 
einer  anderen  seite  her  wird  die  erdualur  der  Demeter  klar.  M. 
hat  mit  glück  die  buhlschaft  der  Demeter  mit  Jasion  in  der  furche 
mit  dem  nordeuropäischen  symbolischen  vermählungsbrauch  auf 
dem  fehle  verglichen,  aber  in  dem  tode  Jasions  durch  den  blitz 
des  Zeus  sieht  er  nur  ein  weiterspinnen  der  fabel  von  jenem 
dämon  seitens  Homers,  aber  liegt  nicht  in  dem  zur  erde  ge- 
schleuderten befruchtenden  blitz  jedesfalls  ein  uraltes  motiv  vor? 
führt  M.  nicht  selbst  späterhin  (s.  242)  den  donnerer  Indra  an, 
wie  er  im  Kigv.  in  die  göttin  ackerfurche  eingretfi?  hat  er  nicht 
selbst  früher  (BK  485)  erwähnt  dass  die  Inselschweden  ins  külmit, 
woraus  sie  säen,  bei  der  aussaat  einen  donnerkeil  legen?  in 
Oberösterreich  wie  in  Skandinavien  wälzt  sich  der  bauer,  wenn 
er  es  im  frühjahr  aum  ersten  mal  donnern  hört,  auf  der  erde, 
damit  in  jeder  furche  körn  entstehe  (BK482f).  man  schwankt, 
ob  man  die  Jasionssage  für  einen  nachwüchsigen  ätiologischen 
mythus,  erfunden,  um  den  beim  donner  sich  in  den  furchen 
wälzenden  landmann  zu  erklären,  oder  für  einen  allen  urwüchsi- 
gen mythus  halten  solle,  dem  liKauischen  vergleichbar,  in  welchem 
Perkunas  auf  seine  frau  Zamaite  feurige  schlangen  schleudert,  als 
er  sie  bei  ihrer  untreue  überrascht  (Veckenstedt  Mythen  der  Za- 

^  beim  wassailin^  in  Glocestersliire  wird  dein  pflugoclisen  ein  kuclien 
aufs  liorii  gespiefil  (BK  s.  538). 


MANINHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN  163 

malten  1,  131).  jedesfalls  erhellt  aus  diesen  Übereinstimmungen 
die  erduatur  der  Demeter,  wenn  sie  auch,  wie  die  mehrzahl  der 
griechischen  götler,  die  erinnerung  an  die  alte  naturhedeutung  von 
ihrer  person  möglichst  abgestreift  hat;  die  beziehungen  zur  toten- 
weit bringe  ich  hier  gar  nicht  einmal  in  anschlag.  aber  nun  gibt 
es  endlich  noch  verschiedene  andere  wichtige  züge,  die  sich  weder 
aus  dem  würkungskreis  einer  kornmulter  noch  dem  einer  erd- 
mutter  denken  lassen,  die  aber  ohne  frage  alt  sind,  sie  scheinen 
noch  von  der  prototypischen  wolkenmutter  herzustammen,  deren 
eigenheiten  sich  in  der  vielfach  verwandten  göttiu  und  auch  wol 
statt  der  Demeter  verehrten  anderen  Zeusgemahlin  Hera,  in  der 
später  auch  die  erdnatur  sich  geltend  macht,  weit  besser  erhalten 
haben,  schon  im  altertum  deutete  man  Hera  bald  auf  die  untere 
]uft,  bald  auf  die  erde  (Welcker  Gr.  g.  l,377f).  auch  der 
Demeter  haften  noch  einige  eigenheiten  meteorischer  art  an.  so 
ist  die  "Verfolgung  der  in  ein  ross  verwandelten  Demeter  durch 
Poseidon  Hippios  und  die  damit  zusammenhängende  trauer  der 
schwarzen  pferdeköpfigen  Demeter  in  der  höhle  denn  doch  wol 
nur  aus  dem  treiben  von  wind  und  wölken  zu  verstehen,  um 
volkssage  weniger  bekümmert  als  um  volksbrauch,  hat  M.  für 
diesen  mythus  keine  deutschen  analogien  beigebracht,  obgleich 
sie  nicht  fehlen,  vorläufig  sei  hingewiesen  auf  die  mir  gerade 
gegenwärtigen  höhlenkulte  und  mythen  der  'burgfrau',  des  'hirse- 
frauchens',  der  'kitzkammer'  (Rochholz  Naturm.  s.  99.  De  la 
Fontaine  Luxemburg,  sagen  s.  56.  Grimm  Myth.M,47f.  3,88). 
soweit  meine  kenntnis  der  mythensprache  reicht,  vermag  ich  ferner 
die  Irrsinn  oder  durch  anhauch  tod  bringende  Demeter,  bez.  korn- 
mutter,  die  die  kinder  stehlende  oder  auch  in  einem  eisernen 
fass  zerstampfende  roggenmutter,  die  den  Demophoon  ins  feuer 
haltende  Demeter,  falls  dieser  zug  nicht  aus  der  Achilleussage 
entlehnt  ist  (vgl,  AWF  s.  69),  die  ungeheuren  brüste  der  korn- 
weiber,  nur  aus  meteorischen  Vorgängen  zu  erklären,  wahrschein- 
lich ist  auch  der  zorn  der  deutschen ,  wie  griechischen  gottheit 
diesem  naturgebiel  entnommen.  Demeter  und  die  deutsche  korn- 
mutter  hatten  also  nach  diesen  andeutungen  eine  vvechselvolle 
Vergangenheit  hinter  sich,  bevor  sie  den  schütz  des  getreidebaues 
übernahmen,  die  höhere  kultur  erhob  dann  die  Giiechin  zu  einer 
der  edelsten,  sinnigsten  und  weihevollsten  göltinneu.  die  ganze 
andere  hälfte  ihres  wesens,  das  Verhältnis  zu  ihrem  kinde,  dürfen 
wir  hier  nicht  näher  beleuchten,  da  das  darauf  bezügliche  letzte 
capitel  unvollendet  von  M.  hinterlassen  ist. 

M.s  buch  liegt  so  ziemlich  in  der  diagonale  des  parallelo- 
gramms  der  beiden  hauptrichtungen  der  mythologischen  Wissen- 
schaft, die  wir  oben  characterisiert  haben,  in  bezug  auf  Stoff, 
methode  und  ziel,  neben  der  Volksüberlieferung  wird  auch  die 
heldensage  und  die  kunstdichlung  herangezogen,  wenn  auch  immer 
noch  mit  geringerer  kraft,     die  vergleichende  methode  wird  ge- 

A.  F.  D.  A.   XI.  12 


164  MA.N.NHARDT    MYTHOLOGISCHE    FORSCHUNGEN 

mäfsigt  und  kritisch  geläutert,  deutung  und  historische  entwick- 
luüg  des  mythus  und  des  mythischen  brauchs  werden  gleich- 
mäfsig  ins  äuge  gefasst.  M.s  mühevollem  gange  war  mehrfaches 
schwanken  und  straucheln  nicht  erspart,  aber  den  rühm  hat  er 
sich  erworben,  unserer  Wissenschaft  ein  neues  Stadium,  das  dritte, 
eröffnet  zu  haben. 

Freiburg,  17  november  18S4.  E.  H.  Meyer. 


Wahlsprüche  devisen  und  Sinnsprüche  deutscher  fürstengeschlechter  des  xvi 
und  XVII  Jahrhunderts  von  dr  Max  Lobe,  professor  an  der  herzoglichen 
realschule  in  Altenburg,  bibliothekar  seiner  hoheit  des  regierenden 
herzogs  von  Sachsen -Altenburg.  Leipzig,  Joh.  Anibr.  Barth,  1883. 
XVI  und  267  SS.    8°.  —  10  m. 

Die  wähl-  und  denksprüche,  feldgeschreie,  losungen,  schlacht-  und  volksrufe 
besonders  des  niittelalters  und  der  neuzeit,  gesammelt,  alphabetisch 
geordnet  und  erläutert  von  JDielitz,  königlich  preufsischem  geheimen 
regierungsrat  und  generalsekretär  der  königlichen  museen.  Frankfurt 
a/M.,  Wilhelm  Rommel,  1S84.     vin  und  476  ss.    4^.  —  24  m. 

Beide  werke  verfolgen  ähnliche  zwecke  und  haben  dazu  in 
der  vorzüglichen  ausstattung  und  in  folge  dessen  auch  in  der  höhe 
des  preises  ähnlichkeit.  dagegen  weichen  sie  in  der  ausdehnung 
ihrer  gränzen  und  in  der  einrichtung  gänzlich  von  einander  ab. 
während  Lobe  nur  Wahlsprüche  weniger  deutscher  fürstengeschlech- 
ter  und  nur  innerhalb  zweier  Jahrhunderte  gesammelt  hat  und  seine 
Sammlung  unter  die  einzelnen  familienweise  und  chronologisch 
geordneten  fürstengeschlechter  subsumiert,  stellt  Dielitz  sich  die 
weite  aufgäbe,  alle  denksprüche  und  mottos,  seien  sie  von  per- 
sonen  oder  vereinen  geführt,  von  allen  in  betracht  kommenden 
kullurvölkern,  ferner  auch  die  aufschriften  auf  Wurfgeschossen 
uud  die  volksrufe  zu  verzeichnen,  und  führt  zu  diesem  zwecke 
dieselben  in  genauer  alphabetischer  folge  auf,  indem  er  hinter  je- 
dem Spruche  sämmtliche  träger  desselben  namhaft  macht,  ein 
alphabetisches  namenverzeichnis  sämmtlicher  spruchträger  ist  dazu 
da,  dass  man  die  sprüche  einzelner  personen  und  familien  mit 
leichtigkeit  finden  kann ,  und  macht  das  ganze  werk  erst  recht 
nutzbar,  dass  Lobe  weder  ein  solches  namenregister  noch  ein 
Spruchregister  seinem  werke  mitgegeben  hat,  gereicht  diesem  sehr 
zum  nachteil.  das  nicht  allzu  grofse  opfer  an  zeit  und  mühe  würde 
reichlich  aufgewogen  sein  durch  den  dank,  den  ihm  der  benutzer 
des  buches  für  die  erleichterung  seiner  arbeit  gewust  liätte. 

Für  seine  Sammlung  hat  Lobe  eine  grofse  anzahl  von  Stamm- 
büchern excerpiert,  die  eine  reiche  ausbeute  gewährt  haben,  wir 
können  uns  nur  freuen  dass  er  uns  damit  eine  grofse  urkundliche 
lilter.ilur  zur  näheren  kenntnis  bringt,  die  in  ihrem  ungedruckten 
zu.slande  nur  wenigen  zur  Verfügung  steht,  wenn  er  aber  be- 
hauptet dass  diese  Stammbücher  'ergibiger   als  die   münzen  sind 


LOBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    UiND    SIISJNSPRLCHE  165 

und,  wenn  es  sich  um  Wahlsprüche  nichtregiereuder  fiirsten  han- 
delt, oft  als  einzige  quelle  erscheinen',  so  muss  ich  dem  ent- 
schieden widersprechen,  gerade  münzen  und  medaillen  liefern 
eine  grofse  fülle  von  material,  auch  für  uichtregierende  fürsten, 
für  deren  grofse  mehrzahl  ebenfalls  denkmüuzen  geprägt  wurden, 
leider  hat  Lobe  der  durcharbeitung  der  münz-  und  medaillen- 
werke,  die  ihm  als  bibliothekar  doch  leicht  zugänglich  gewesen 
wären,  nicht  den  gehörigen  eifer  gewidmet,  was  der  Vollständig- 
keit seiner  Sammlung  bedeutend  eintrag  getan  hat. 

Lobe  verzeichnet  in  seinem  werke  die  Sprüche  folgender 
fürstengeschlechter:  Anhalt,  Baden,  Bayern,  Brandenburg,  Braun- 
schweig, Hessen,  Lippe,  Mansfeld,  Nassau,  Oldenburg,  Österreich, 
Pfalz,  Pommern,  Beufs,  Sachsen,  Schlesien,  Schleswig-Holstein, 
Schwarzburg,  Waldeck,  Würtemberg.  warum  er  diese  auswahl 
getroffen,  ist  mir  nicht  ganz  klar  geworden,  doch  mag  ich  darüber 
mit  ihm  nicht  rechten,  von  den  angeführten  bilden  die  sprüche 
der  sächsischen  fürsten  die  weitaus  stattlichste  reihe,  sie  füllen 
genau  den  vierten  teil  des  ganzen  buches;  man  darf  wol  anneh- 
men dass  der  Verfasser  hier  auf  einem  gebiete,  das  er  schon  vor 
Jahren  bearbeitet  hat  (vgl.  seine  Wahlsprüche  devisen  und  Sinn- 
sprüche der  kurfürsten  und  herzöge  von  Sachsen  ernestinischer 
linie,  Leipzig  1878),  möglichste  Vollständigkeit  erzielt  hat.  auch 
die  Wahlsprüche  der  Brandenburger  bilden  dank  der  vorhandenen 
litteralur  eine  stattliche  Sammlung,  recht  auffallend  aber  ist  es 
dass  Lobe  ein  darauf  bezügliches  werk  völlig  unbekannt  geblieben 
ist,  trotzdem  der  sonst  so  ausgibig  benutzte  ESchulze  in  Herrigs 
Archiv  1856  s.  68  dasselbe  in  seinem  quellenverzeichnis  anführt, 
nämlich  Job.  Jac.  Spiefsens  Braudenburgische  historische  münz- 
belustigungen,  Anspach  1772 — 74,  5  bde.  es  ist  daraus  nachzu- 
tragen: könig  Friedrich  Wilhelm  i  (Lobe  s.  39):  Nee  soli  cedit 
III  137.  Gehe  in  ein  Land,  das  ich  Dir  zeigen  werde  i  217.  Ca- 
simir (Lobe  s.  39):  In  manchen  Krieg  gab  mir  Gott  Sieg  i  65. 
Fidelis  domus  Aiistr:  assertor  i  193.  Susanne,  wilwe  Casimirs 
(fehlt  Lobe):  Salvuni  nie  fac  domine  ii  353.  Albrecbt  Alcibiades 
(Lobe  s.  39):  Fax  multa  diligentibus  tuam  Domine  iv  217.  Georg 
Wilhelm  (Lobe  s.  46):  Pour  le  plaisir  in  329.  Georg  Friedrich 
Karl  (Lobe  s.  46):  Pietatis  et  justüiae  honos  ii  377.  Candor  illae- 
sus  I  89.  Karl  Wilhelm  Friedrich  (Lobe  s.  50):  Nova  lumina  spar- 
git  I  49.  Recte  faciendo  neminem  timeas  i  73.  Uberante  numine, 
favente  principe  i  121.  Befiehl  dem  Herrn  Deine  Wege  i  209.  £n 
spem  snrgentis  luli  m  273. 

Nicht  minder  ignoriert  hat  Lobe  folgendes  ebenfalls  bei 
Schulze  erwähnte  werk:  JGFvHagen  Münzbeschreibung  des  gräf- 
lich und  fürstlichen  hauses  Mansfeld,  Nürnberg  1778.  ich  ent- 
nehme daraus  zur  ergänzung  von  Lobes  Sammlung  der  sprüche 
dieses  hauses  folgende:  Ora  pro  nobis  (auf  einem  gemeinschaftl. 
thaler)  s.  6.    Johann  Georg  ii  (Lobe  s.  107):  Dennoch  s.  91.    Peter 

12* 


166  LOBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    Ü>D    SINNSPRÜCHE 

Erusl  III  (fehlt  bei  Lobe):  Force  ni'est  trop  s.  119.  Quo  sors  et 
summns  enndum  s.  120.  Christoph  (fehlt  bei  Lobe):  Dens  vivit 
et  juvat  s.  170.  Heinrich  ii  (fehlt  bei  Lobe):  Commisi  Domino 
et  ipse  faciet  s.  173.  Albrecht  vii  (fehlt  bei  Lobe):  Beatus  qni  spe- 
ravit  in  dominum  s.  182.  Vollrath  v  und  Karl  (fehlen  bei  Lobe): 
Jnstns  non  derelinquitnr  s.  186.  David  (Leihe  s.  104):  Fata  viam 
invenient  s.  208. 

Dasselbe  Unglück  des  uichtkennens  hat  Lobe  bei  dem  gleich- 
falls von  Schulze  angeführten  Guldenkabinet  von  Weise,  ich  teile 
daraus  mit:  Reufs  ä.  1.  Heinrich  der  ältere:  Omnia  cum  deo  W. 
1730.  j.  1.  Gera.  Heinrich  posthumus:  Vivit  post  fmiera  virtiis 
W.  1738.  Redde  cnique  snum  VV.  1739.  Quiescit  ad  gloriam  sur- 
rectura  W.  1740  (begräbnisgulden  auf  Heinrichs  gem.  Maximiliana). 
Schlesien.  Christian  von  Wohlau  (Lobe  s.  236):  Constanter  et 
sincere  W,  1527  (sterbegulden).  Würtemberg.  Johann  Friedrich 
(Lobe  s.  266):  Ego  siim  via  veritas  et  vita  VV.  1563.  Eberhard  iii: 
Yeritas  premitur,  non  opprimetnr  W.  1565.  Karl  Friedrich,  Vor- 
mund Eberhards:  Dura placent  fortibus  W.  1569.  Eberhard  Ludwig 
(Lobe  s.262):  ferendum  et  sperandum  W,  1571.  Georg  (Lobe 
s.  264):    Concordia  res  parvae  crescinit  W.  1577. 

Unangenehmer  für  den  Verfasser  als  solche]  Unkenntnis  ist  es, 
wenn  er  ein  werk  benutzt,  aber  unvollständig,  so  ist  es  ihm 
mit  Beckmanns  Historie  des  fürstenlums  Anhalt  ergangen,  dem 
er  verschiedene  sprüche  entnommen  hat,  leider  aber  nur  aus  dem 
teil,  welcher  von  den  münzen  dieser  fürsten  handelt,  halte  er 
sich  in  dem  buche  näher  orientiert,  so  würde  er  v  337  f  von 
dem  orden  des  goldnen  palmbanms  gelesen  haben,  den  Anna, 
Christians  i  gemahiin,  stiftete,  und  dessen  mitglieder,  zum  grofsen 
teil  aus  anhaltischen  prinzessinuen  bestehend,  dort  mit  ihren  in 
dem  orden  gebrauchten  devisen  aufgezählt  werden,  ferner  hätte 
er  V  436  noch  eine  tafel  mit  medaillen  gefunden,  die  ihm  Karl 
Wilhelms  von  Anhalt-Zerbst  spruch  Dabit  Dens  bis  quoqne  ßnem 
eingetragen  hätte,  und  schliel'slich  würde  er  aus  v  208  f  seine 
denksprücbe  der  söhne  von  Joachim  Ernst  (Lobe  s.  2.  5.  10.  13) 
um  folgende  haben  vermehren  können:  Johann  Georg:  Dum  spiro, 
spero.  Auxilium  meum  sit  adjutorinm  domini.  Gaudel  patientia 
duris.  Christian:  Christo  et  patriae.  Ex  hoc  in  hoc.  lludolf  vii: 
Etiamsi  occiderit  me,  sperabo  in  eum.  Disce  mori.  Johann  Ernst: 
Portio  mea  Christus.  Christi  Blut  ist  mein  Erbgut.  Ludwig:  Vita 
mihi  Christus ;  mors  lucrtim.  Christus  ist  mein  Leben,  sterben  mein 
Gewinn.     Malum  consilium  est,  quod  mutari  non  potest. 

Wenn  schon  das  ignorieren  ganz  bekannter  oder  leicht  zu- 
gänglicher quellen,  oder  deren  flüchtige  benutzung  tadel  verdient, 
so  ist  m.  e.  mehr  noch  zu  rügen  dass  Lobe  bei  einigen  ganz 
besonders  für  ihn  in  betracbt  kommenden  werken  dem  lescr  deren 
Verwertung  glaubhaft  zu  machen  sucht,  während  er  die  betreffen- 
den bücher  nicht  einmal  an-resehen  hat.    ich  meine:  vPraun  Voll- 


LOBE    WAHLSPUÜCHE    DEVISEN    U.ND    SINNSPRÜCHE  167 

ständiges  Biaunschvveig- Lüneburgisches  münz-  und  medaillen- 
cabinet  und  Hoflmeister  Beschreibung  der  hessischen  münzen, 
ersteren  führt  er  auf  s.  55.  56.  57  viermal,  letzteren  s.  97  drei- 
mal an,  in  beiden  fällen  für  deutsche  spräche,  welche  er  Schulzes 
Sammlung  zugleich  mit  den  citaten  entlehnt  hat.  diese  Sünde  hat 
sich  bitler  gerächt,  wenn  Lobe  ganz  allein  auf  beide  werke  sich 
beschränkt  hätte,  so  würden  sehr  wenige  der  von  ihm  aufgezählten 
denksprüche  fehlen ,  aber  er  würde  eine  bedeutende  anzahl  ihm 
ganz  entgangener  darin  gefunden  haben,  die  folgenden  auszüge 
werden  dieses  urteil  bestätigen. 

I  Praun.  erzbischof  Christoph  von  Bremen  (fehlt  bei  Lobe): 
Hoc  mare  vite  tulit  15.  Eh'ge  cui  dicas  16.  Erich  der  ältere: 
Maria  mater  gratiae  32.  Besser  gntloss  dann  ehrloss  anm.  zu  35. 
Erichs  i  gemahlin  Elisabeth:  In  ern  kau  niemand  wehrn  anm. 
zu  36.  Julius  (Lobe  54):  Si  deus  pro  nohis,  qnis  contra  nos  104. 
Was  helfen  lichter  vnd  hril  wen  man  mit  vleis  nicht  sehen  wil  107. 
A  deo  pro  imperio.  Herr  in  mir  zind  an  des  Glaubens  licht,  ohn 
icelchs  der  mensch  blind  gar  nichts  gsicht  106.  Heinrich  Julius: 
Rede  facienda  neminem  timeas  131.  Insperata  floruit  143.  Non 
nisi  contusus  154.  Depressa  resnrgit  155.  Nee  caesnscedam  156. 
His  ducibus  158.  Manns  Domini  protegat  me.  Ecce  non  est  ab- 
breviata  manns  Jehovae,  nt  salvare  non  possit  159.  Usu  diverso. 
Wozue  man  will  gebraucht  man  mich,  ein  jeden  tvillig  diene  ich  162. 
Licet  ossa  arescant,  virtus  verescit  et  viget  164.  Elisabeth  (Lobe  57): 
Dens  adjuva  nos  167.  Dominus  providebit  174.  töchter  von  Hein- 
rich Julius:  1)  Hedwig:  Vol  guter  Wercke  stirbt  vnd  wird  dvrch 
Frömmigkeit  avch  vnter  vns  ericeckt  Tabea  vnser  Zeit  181  (fehlt 
Lobe  s.  161).  2)  Dorothea:  Honore  et  virtute  182  (fehlt  Lobe 
s.  34).  Joachim  Karl  (Lobe  s.  58):  Soli  deo  gloria  115.  Julius 
August  (Lobe  s.  59):  vigilando  et  agendo  116.  Friedrich  Ulrich 
(Lobe  s.  59):  In  te  domine  sperantes  non  confundentnr  in  eo  203. 
Pro  patria  200.  Sapienter  et  constanter  205.  Recte  faciendo  ne- 
minem timeas  206.  Sit  nomen  Domini  benedictum  207.  Con- 
serva  me  Domine  208.  In  Deo  virtutem  faciemus  209.  Legibus 
et  armis  211.  Pro  lege  et  grege  212.  Sub  umbra  alarum  tua- 
rum  214.  Sine  deo  nihil  feliciter  succedit  234.  Oceani  fructus 
conchae  sunt  atque  metalla,  ut  conchas  äuge  nostra  nietalla  deus  237. 
Prospiciente  deo  240.  Non  nisi  contusus.  Wan  mans  stockfischs 
geniefsen  sol,  mus  man  ihn  zvvor  klopfen  wol.  So  findt  man  viel 
levt,  die  nichts  thun  wan  man  sie  nicht  bleuwt  241.  Flecteris  an 
frangeris?  242.  Alacritatis  calcar  liberalitas.  Caute  243.  Ut 
incensnm  ita  oratio  246.  Ultro  se  volvere  capi.  Wilt  leben  wol, 
flevch  die  Begierd,  sonst  gleich  dem  Fisch  dir  dein  lohn  wird  249. 
Tntus  snb  umbra  manus  tuae  250.  Anna  Sophie  (Lobe  s.  61): 
En  dien  mon  esperance  en  tonte  adversite  253.  Christian  (Lobe 
s.  61)  ist  nicht,  wie  Lobe  angibt,  1612  sondern  1626  gestorben. 
Animosior  irretatus  185.    His  orbis  domitur  186.    Gottes  frevndt 


1G8  LÜBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    U>D    SINNSPRÜCHE 

der  pfaffen  feindt.  Tovt  avec  diev  188.  Mors  vltima  linea  rervm. 
Tili  mors  paranwr  192.  Erich  ii  d.  j.  (Lobe  s,  61):  neben  spei'O 
invidiam  war  zu  erwähnen  sperno  invidiam  (38.  42),  das  auch  bei 
Köhler  viii209  belegt  ist.  Maria  mal  er  Domini  57.  Sic  ad  astra  59. 
Virtutis  praemium  60.  Otto  d.  jüngere  (Lobe  s.  62):  In  domino 
fulucia  nostra  261.  Ernst  (Lobe  s.  65):  Bey  Gottes  Wort  ich 
bleibe  275.  Julius  Ernst  (Lobe  s.  66):  Recte  faciendo  neminem 
timeas  280.  August  d.  j.  (Lobe  s.  68):  Augnsti  wternam  (augu- 
stam)  coronam  fama  coronat  382.  399.  Jacta  est  alea  383.  Uti 
sie  nisi  389.  W.  Ä.  L  D.  R.=  Wolferbylmn  ab  injustis  detenloribus 
restituetnr  oder  restitutum  391.  Prudenter  et  vigilanter  397.  Pru- 
dentia  et  vigilantia  403.  Fauslum  justitiae  et  pacis  consortiiim 
398.  Mobile  stat  fixum  fidei  405.  Quae  lata  fronde  virebam, 
nunc  rigni.  Sic  transit  gloria  miindi.  Omnia  non  nisi  provido 
et  vegeto  consilio  406.  die  buchstabeu  T.  S.  G.  E.  B.  werden  noch 
erklärt:  Tandem  seqnetur  gloria  eventum  bonum  oder  Tandem 
significabit  gloriosum  exitum  Brunsvicensem  oder  Tandem  sortien- 
tur  consilia  eventum  bonum  386.  387.  Clara  Maria,  1  gemahlin 
Augusts  (fehlt  bei  Lobe):  Rerum  vicissitudo  407.  ipse  fecit  et  fa- 
ciet  408.  contraria  juvant  410.  Sibylla  Ursula,  tochter  Augusts 
(fehlt  bei  Lobe):  Qui  vicebit  sie  vestietur  vestimentis  albis  414. 
Maria  Elisabeth,  2  tochter  Augusts  (fehlt  bei  Lobe):  Qui  craint 
dien  sort  du  tont  415.  Rudolf  August  (Lobe  s.  70):  Tu  tandem 
abjeclam  redde  deus  alme  sonoram  461.  J'ure  et  armis  465.  Sicut 
dies  juventutis  ita  senectus  Zwa  466.  Anton  Ulrich  (Lobe  s.  71): 
Labore  et  constantia  423.  Durabo  479.  Immotus  480.  Aliorum 
absumor  in  usus  481.  Ibo  quo  vertas  482.  Moderalo  splendeat 
usu  483.  Semper  memor  485.  Natura  semel  memoria  semper  487. 
Finis  coronat  opus  488.  Nee  terrae  sidera  desunt  494.  Felicitas 
terrae  Brunsvicens.  adaucta  495.  Dat  praemia  digna  laborum  496. 
Ardentibus  volis.  Augentur  vita  diesque  497.  Fructibus  et  flore 
perennat  499.  Astra  velut  radiis  splendet  sol  unicus  intra.  prin- 
cipibus  doctis  sol  ita  solus  eris  500.  Elisabeth  Juliane,  gemahlin 
Anton  Ulrichs  (fehlt  bei  Lobe):  Deservisse  juvat  518.  August 
Wilhelm  (Luhe  72):  Viani  tendit  avilam  544.  Tramitem  sequitur 
rectum  546.  Sahis  populi.  Melae  productus  amore  550.  Ludwig 
Rudolf  (Lobe  72):  Vii^tus  fortis  vera,  non  fera  588.  Dant  ad- 
versa  decus  591.  Pro  libertate  conscientiae  609.  liier  freuet  sich 
ein  jeder  stand,  weil  ihm  sein  Schuzgotl  zugewandt  611.  Erui  po- 
tuit,  non  frangi  637.  Elisabeth  Christine,  tochter  von  Ludwig 
Rudolf,  gemahlin  Kaiser  Karls  vi  (fehlt  bei  Lobe):  Tocat  auster 
in  altum  644.  Coelum  non  numina  mutat  445.  Non  sceptra  sed 
astra  646.  Redde  diem  653.  Ad  nutum  dei  662.  Aeternilas  au- 
gusta  666.  Charlotte  Chrisliane,  2  tochter  von  Ludwig  Rudolf 
(l'ehlt  bei  Luhe) :  Non  usquam  junxit  nobiliora  fides  682.  Stirpe 
vel  ex  una  coalescunt  surculi  in  nnum  683.  Ferdinand  Albert 
(Lobe  s.  72) :  Mediis  tranquillns  in  undis  688.    Homo  ut  ßos  ori- 


LOBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    UND    SliNNSPRÜCHE  169 

tiir,  moritnr  flos  691.  Dant  arma  trophaeum  castra  rogum  693. 
Ferdiüand  Albert  d.  j.  (Lobe  s.  73):  Ex  adverso  decus  698.  Forti- 
que  cadendum  712.  Antoinette.Amalie,  des  letzteren  gattio  (fehlt 
bei  Lübe):  In  motu  immota  714.  Karl  (Lobe  s.  73):  Candidns 
haec  profert  montanns  praemia  cygnus  725.  Tu  qnondam  abjec- 
tam  reddis  deus  atme  sonoram  l'll.  Non  marcescet  728.  Lobe 
den  der  ihn  gemacht  hat  (Syr.  43)  729.  Ex  ungue  leonem.  Por- 
tes creantur  fortibus  et  bonis  760.  Ernst  (Lübe  s.  74):  In  deo 
spes  mea  296.  Christian  (Lobe  s.  74) :  In  spe  et  silentio  298. 
Dante  deo,  virtute  duce  303.  Gott  gibt,  Gott  nimt  308.  Gott  gibt 
wem  er  wil  310.  August  der  ältere  (Lobe  s.  75):  Patriis  virtu- 
tibns  336.  von  Friedrich  (Lobe  s.  77)  bietet  Praun  einige  längere 
deutsche  und  lateinische  Sprüche  366 — 368,  die  ich  der  raum- 
ersparnis  wegen  nur  erwähne.  Sophie  Amalia,  tochter  Georgs 
(fehlt  bei  Lobe):  Dominus  providebit.  Spes  mea  in  Domino  IIA. 
Georg  Wilhelm  (Lobe  s.  80):  Omnia  cum  deo  et  nihil  sine  eo  804. 
Favent  constantibus  astra  824.  Meta  quies  mercesque  laborum  826. 
Fortitudinis  praemium  immortalitas  827.  Deus  dat  finibus  tuis  pa- 
cem  (Psalm  147)  829.  Nee  finis  cursibus  impar  835.  Johann 
Friedrich  (Lobe  s.  80):  Ornat  et  revelat  871.  Hie  ima  et  summa 
882.  Aequat  883.  Prudentia  gloriae  custos  884.  Non  nisi  cogor 
885.  Pacem  virumque  cano  886.  Certum  iter  fata  parant  893. 
Charlotte  Felicitas,  1  tochter  von  Johann  Friedrich  (fehlt  bei 
Lobe):  Commercia  reddit  894.  Wilhelmine  Amalie,  2  tochter  (fehlt 
bei  Lobe) :  Ornat  me  regis  amor  899.  Amore  consilio  900.  Ho- 
noror  non  onervr  904.  Rede  et  constanter  906.  Ernst  August 
(Lobe  s.  81):  Agricolam  segetis  spes,  nos  alit  haecce  metalli  919. 
Candidus  hos  nummos  sonipes  cultoribus  offert  920.  Ernesti  Au- 
gusti  ducis  haec  scrobs  praemia  reddit  921.  Ernesti  Augusti  ducis 
haec  sunt  munera  venae  922.  Hos  Herzberga  sui  fruclus  cultori- 
bus offert  924.  Durch  Gottes  Glück  und  Seegen,  Haus  Hertz- 
berg diss  lässt  praegen  925.  Talia  te  Sophiae  recreabunt  dona 
fodinae  926.  Aes  hoc  Margretae  dives  tibi  vena  remittit  927. 
Änn-Eleonora  tuos  his  donis  ditat  amicos  928.  Pro  vigili  cura 
grus  munera  gyrata  repandit  929.  Andremontani  Ludovici  haec  mu- 
nera venae  930.  En  labor  en  praemium  936.  Tu  tandem  ab- 
jectam  redde  Deus  alme  sonoram  967.  Umis  amor  palmae  972. 
Haurit  et  distribnat.  mediocri  sorte  refundo  974.  Meritis  et  for- 
tibus ausis  982.  Est  gloria  funeris  exors  987.  fama  superstes 
988.  Sophie  (Lobe  s.  82):  Senz-a  turbarmi  al  fin  m'accosto  991. 
Sophie  Charlotte  (Lobe  s.  38):  In  una  sede  morantur  majestas  et 
amor  998.  begräbnismcdaillen  auf  Ernst  Augusts  söhn  Karl  Phi- 
lipp: geminat  lucem  ftammamque  cadendo  1013.  Quis  fuerit  mors 
ipsa  docet  1014.  Ernst  August  d.  j.  (fehlt  bei  Lobe):  Pro  lege 
et  grege  1019.  Georg  i  (Lobe  s.  82):  Nee  aspera  terrent  1058. 
Regia  crede  mihi  res  est  succurrere  lapsis  1060.  Extensae  gaudent 
agnoscere  metae  statuis  1061.    Fidium  dulcedine  mites  1067.    Unus 


170  LOBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    UND    SLNNSPRÜCHE 

7ion  sufßcit  orbis  1068.  Fidei  defensor  et  aequi  1071.  dessen 
tochter  Sophie  Dorothee,  künigin  von  Preiifseu  (fehlt  bei  Lobe): 
Äuget  flamma  decus  1086.  Georg  ii  (Lobe  s.  82):  Praestat  com- 
ponere  1142.  Temperat  aestus  1144.  In  publica  commoda  1148. 
Musarnm  juugit  amores  1150.  Ut  capiant  fruclus  1151.  Dien 
et  nion  droit  1152.  aufserdem  zahlreiche  spräche  auf  ausbeute- 
thalern. 

II  Hoffmeister.  VViliielm  ui  1483— 1509  (fehlt  bei  Lobe):  Gloria 
reipublicae  193.  Deum  solum  adoraMs  230.  Philipp  der  grols- 
mütige  (Lobe  s.  83) :  Victoria  nostra  a  solo  deo  est  325.  Justus 
non  relinquitnr  346.  Der  Herr  erhelt  mich  364.  Wilhelm  vi  (Lobe 
s.  89):  Jehova  volente  hmiilis  levabor  1189.  Divino  foedere  tutus 
1365.  Karl  (Lobe  s.  90):  Justitia  et  pietas  cinctura  et  principis 
arcta  1548.  Vigilo  pro  patria  1751.  Vigilo  pro  fide  Uli.  Mo- 
derata  durant  1538.  Ibo  quo  me  vertes  1861.  Tnetur  et  äuget 
1876.  Insultantem  deplumo  41 61 .  Cantat  nou  puguat  41Q8.  Sa- 
lus deus  fortis  6271.  Georg  i  (Lobe  s.  91):  sit  nomen  Domini 
benedictum  in  aeternum  3260.  Ludwig  v  (Lobe  s.  92):  Vias  tuas 
doce  me  domine  3307.  Ludwig  vi  (Lobe  s.  95):  Opportune  luce- 
bit  3423.  Fata  viam  invenient  3424.  Quiete  sollicitus  3425.  In 
te  domine  speravi  3439.  Ernst  Ludwig  (Lobe  s,  97):  Speravi, 
non  confundas  in  aeternum  3486.  Gott  baue  das  Haus  Ilessen- 
Darmstadt  3493.  Spante  tua  feror  aura  3503.  Pietate  et  justitia 
3516.  Protegere  praestat  quam  rapere  3524.  Occnlta  patebunt 
3637.  Nil  terrent  3663.  Fortiter  juste  et  constanter  3664.  Me- 
diis  tranquillus  in  undis  3667.  Non  est  mortale  quod  opto  3668. 
Gott  hat  sein  geliebtes  Hessen  bis  hieher  noch  nicht  vergessen  5409. 
Ludwig  vni  (Lobe  s.  97) :  Ibo  quo  vertas  3679.  Pro  patria  3687. 
Timore  et  amore  3701.  Deo  Caesari  et  imperio  3709.  Nee  con- 
stellatio  laetior  nlla  3710.  Sincere  et  constanter  3724.  Mortua 
reviviscit  venatio  3758.  Concorditer  et  constanter  3842.  Generis 
virtute  tuebor  3583.  Sub  umbra  alarum  tuarum  3869.  Muneri- 
bus  ornat  3873.  Josua  non  Moses  nee  Aaron  3874.  Redde  per- 
fide abrepta  subito  illicite  fortioribus  3875.  Deus  protector  mens 
3877.  Deum  timere,  honeste  vivere,  neminem  laedere,  smim  cuique 
tribuere  3878.  Quo  altior  et  lucidior  3882.  Aliis  inserviendo 
consumor  3883.  Patria  quid  luges,  vivit  deus  et  Ludovicus  3884. 
Durch  die  Ducaten  ward  ich  verrathen  3921.  Alles  in  der  Welt 
thut  man  vor  das  Geld  3923.  Regiminis  levamen  3924.  Plutöt 
mourir  que  d ahandonner  la  vertu  3948. 

Diese  zusälze  hätten  leicht  noch  reichlicher  ausfallen  können: 
denn  wenn  ich  gleich  mich  im  allgemeinen  hierbei  nach  Lobe 
gerichtet  habe,  der  gar  manches  aufgenommen  hat,  was  weder 
Wahlspruch,  noch  devise,  noch  Sinnspruch  genannt  zu  werden 
verdient,  so  habe  ich  doch  verschiedene  aufschriften,  die  mir  der 
rahmen  des  buches  auszuschliefsen  schien,  weggelassen. 

Zum    Schlüsse    möchte    ich    noch  auf   einiL'e   andere  mäugel 


LOBE    WAHLSPRÜCHE    DEVISEN    UND    SINNSPRÜCHE  171 

aufmerksam  machen.  Lobe  stellt  die  sprüche  auf  Sterbemedaillen 
unter  die  personen,  zu  deren  gedächtnis  sie  geprägt  sind,  nun 
ist  aber  blofs  in  einzelnen  fällen  der  sprucli  der  Sterbemedaille 
auch  devise  oder  motto  des  verstorbenen  gewesen ,  in  der  regel 
ist  er  eine  art  kurzen  nachrufs.  so  zb.  der  spruch  auf  der 
Sterbemedaille  von  Anna  Margaretha  (s.  94):  Wer  durch  des  lambs 
blut  vberwindt,  die  cron  des  ewgen  Lebens  findt,  welcher  mit  mehr 
recht  als  ein  Sinnspruch  ihres  gemahls  Philipp  von  Hessen-Bntz- 
bach  anzusehen  ist.  so  ist  auch  Pietate  auf  den  sterbethalern 
Wilhelms  vi  (s.  89)  nur  ein  zusatz  zu  seinem  motto  fide  et  justi- 
tia,  mit  welchem  zusammen  es  die  kurze  characteristik  des  ver- 
storbenen geben  soll,  ein  ähnlicher  zusatz  ist  auf  den  sterbe- 
thalern des  landgrafen  Moriz  (s.  85).  hinter  dem  motto:  Consilio 
et  virtute  steht  Mauriti  meniento  moril  sowol  HofFmeister  als  auch 
Lilienthal  und  Köhler,  die  Lobe  beide  (falsch)  citiert  (Lilientlial 
1246.  Kühler  xvi  169),  kennen  diese  aufschrift  nur  auf  begräb- 
nislhalern  von  1632.  worauf  beruht  Lobes  angäbe  'thaler  von 
1594  ff'?  falsch  gibt  Lobe  an  Heinrichs  ii  von  Braunschweig 
(s.  52)  Wahlspruch:  Justus  non  derelinquetur.  es  heifst  dereltn- 
qiiitnr,  wie  auch  bei  Köhler  i  288  (nicht  281)  zu  lesen  steht, 
ferner  den  spruch  Friedrichs  u  von  Hessen-Homburg  (s.  94):  Ad 
eandem  virtutem  tendo.  es  muss  virtute  heifsen ,  da  zu  eandem 
coronam  zu  ergänzen  ist,  wie  aus  dem  symbole  hervorgeht,  statt 
Si  deo  placuit  in  tribulationibus  (spruch  Ernst  Ludwigs  von  Hessen- 
Darmsladt  s.  97)  heifst  es  Sic.  so  hat  auch  Lilienlhal,  den  Lobe 
hier  ausschreibt,  ohne  ihn  wie  sonst  zu  eitleren,  in  Ludwigs  vni 
spruch  (s.  97)  muss  es  natürlich  lauten:  0  toir  armen  Hürner- 
träger  Haben  wider  Willen  Schwäger  statt  gaben,  falsch  übersetzt 
ist  die  devise  von  Hedwig  Sophie  (s.  90):  Dissolvor:  Ich  werde 
getrennt,     es  bedeutet:  Ich  werde  erlöst. 

Das  buch  von  Dielitz  hat  sich,  wie  schon  der  titel  besagt, 
ein  viel  weiteres  ziel  gesteckt,  als  das  von  Lobe,  bei  dem  massen- 
haften material,  welches  hier  bewältigt  werden  muste,  versteht 
es  sich  von  selbst  dass  ein  andrer  mafsstab  anzuwenden  ist.  ganz 
erschöpfen  lässt  sich  der  brunnen  gar  nicht,  schon  aus  dem 
umstände,  weil  immer  neue  quellen  zufliefsen.  aber  je  breiter 
ein  werk  angelegt  ist,  desto  sorgfältiger  muss  bei  den  vorarbeiten 
dazu  verfahren  werden,  damit  nicht  etwa  das  nächstliegende  über- 
sehen werde,  ich  kann  leider  Dielitz  nicht  das  Zeugnis  ausstellen, 
dass  er  die  nötige  Sorgfalt  in  der  heranziehung  und  bearbeitung 
des  Stoffes  angewandt  bat,  was  bei  dem  grofsen  fleifse,  den  das 
buch  sonst  bekundet,  sehr  zu  bedauern  ist. 

Ein  vergleichender  blick  in  das  werk  und  seinen  nachtrag 
lässt  uns  die  etwas  befremdende  Wahrnehmung  machen,  dass  das 
fundament  des  werkes  auf  den  spruchschatz  des  auslands,  haupt- 
sächlich Englands,  gegründet  ist,  und  dass  eigentlich  erst  im 
nachtrage  Deutschland  mehr  berücksichtigung  gefunden  hat.    nun 


172  DIELITZ    DIE    WAHL-    Ui>D    DENKSPRÜCHE 

ist  es  ja  gewis  dass  die  führimg  von  Wahlsprüchen  in  England 
und  auch  in  Frankreich  eine  weiter  verbreitete  sitte  ist  als  in 
Deutschland,  und  dass  deshalb  das  ausländ  die  absolute  niehrzahl 
derselben  liefert,  allein  dadurch  kann  nicht  entschuldigt  werden 
dass  die  mehrheit  der  deutschen  sprüclie  in  dem  nachtrage  nach- 
geschleppt wird,  während  sie  doch  sicherlich  dem  deutschen 
herausgeber  zunächst  lagen  und  in  einem  deutschen  buche  ohne 
zweifei  zuerst  hätten  berücksichtigt  werden  müssen,  abgesehen 
davon,  dass  fast  sämmtliche  erwähnten  deutschen  slädte  nur  im 
nachtrage  sich  finden,  sind  auch  die  Sprüche  der  deutschen  forsten 
zu  einem  ganz  erheblichen  teile  erst  in  diesen  aufgenommen,  die 
folgenden  zahlen  geben  an,  wie  viele  sprüche  von  den  betreffen- 
den fürstenhäusern  im  hauptwerk,  wie  viele  im  nachtrage  stehen. 
Anhaltl7:14.  Baiern  12:7.  Bentheim2:3.  Brandenburg  113 :  39. 
Braunschweig  39:59.  Hanau  4:5.  Hessen  13:20  (2  sprüche  s. 
417  und  421  sind  im  register  weggelassen).  Hohenlohe  32:80. 
Holstein  3:4.  deutsche  kaiser  41 : 34.  Lippe  2:11.  Mainz  3:8. 
Mansfeld  15:7.  Mecklenburg  9: 13.  Preufsen  11:28.  Sachsen 
81:91.  Sayn3:5.  Schleswig  11 : 8.  Schwarzburg  10: 10.  Stol- 
berg 11:18.    Würtemberg  12  :  13. 

Dies  offenbare  misverhältnis  erklärt  sich  daraus,  dass  Dielitz 
hinsichtlich  der  auswahl  seiner  quellen  wo  möglich  noch  unglück- 
licher war  als  Lobe,  die  vielen  emblemata-  und  symbola-werke, 
die  er  ausgezogen  hat,  bieten  im  ganzen  viel  weniger,  als  die 
münz-  und  medaillensammlungen,  von  deren  einsichtnabme  keine 
angäbe  im  quellenverzeichnis  zeugt,  es  mag  noch  hingehn  dass 
Dielitz  speciahverke  übersehen  hat,  wie  das  von  Praun  übfer  die 
braunschweigischen,  von  HofTmeister  über  die  hessischen  münzen ; 
bös  aber  ist  es  dass  er  werke  nicht  ausnutzt,  wie  Weises  Gulden- 
kabinet,  Madais  und  Lilienthals  Thalerkabinete;  noch  erstaunlicher 
dass  er  Köhlers  Müuzbelustigungen  gänzlich  ignoriert.  Unkennt- 
nis dieser  bücher  kann  man  doch  bei  einem  manne  wie  Dielitz 
nicht  annehmen ;  wie  aber  soll  man  sich  die  tatsache  erklären, 
dass  er  dieselben  unbeachtet  gelassen  hat,  zumal  in  ihnen  (mit 
ausnähme  Madais)  die  auf  den  besprochenen  münzen  vorkommen- 
den Sprüche  in  einem  besonderen  register  alphabetisch  geordnet 
zusammengestellt  sind,  ich  unterlasse  es,  nachtrage  aus  diesen 
werken  beizubringen,  die  den  umfang  meiner  besprechung  zu 
sehr  anschwellen  würden ;  schon  aus  den  für  Lobe  gegebenen 
lässt  sich  die  lückenhaftigkeit  der  Sammlung  erkennen. 

Die  anderweitige  litteratur  über  münzen  und  medaillen,  die 
hier  in  betracht  gezogen  werden  muss,  ist  eine  aufserordentlich 
grofse.  da  es  meine  absieht  nicht  sein  kann,  hier  eine  biblio- 
graphie  derselben  zu  liefern,  will  ich  nur  einige  wenige  werke 
nennen,  welche  Dielitz  eine  ansehnliche  ausbeute  würden  gewährt 
haben.  Jacques  de  Bie,  Les  familles  de  la  France  illuströes  par 
les  monumens  des  medailles  ancienncs  et  modernes,    a  Paris  1636. 


DIELITZ    DFE    WAHL-    UND    DENKSPRÜCHE  173 

—  derselbe,  La  France  metallique  contenant  les  actions  c6lebres 
tant  publiques  que  priv6es  des  rois  et  reynes.  ä  Paris  1G36.  — 
Histoire  metallique  des  xvii  proviuces  des  Pays-Bas  depiiis  l'abdi- 
cation  de  Charles-quiut  jusqu'ä  la  paix  de  Bade  en  mdccxvi.  tra- 
duite  du  lioUaudois  de  Monsieur  Gerard  van  Loon,  ä  la  Haye 
1732 — 37.  5  bde.  —  Tbesaurus  numismatum  modernorum  buius 
seculi,  sive  nuraismata  mnemonica  et  iconica  quibus  praecipui 
eventus  et  res  gestae  ab  anno  mdcc.  illustrantur,  figuris  aeueis 
expressa ,  addita  latiua  et  germanica  explicatione.  Norimbergae, 
sumptibus  &  typis  Job.  And,  Endteri  p.  m.  filii  &  baeredum.  2  bde. 
(enthält  die  jähre  1700 — 1710).  —  Ricaud  de  Tiregale,  Medail- 
les  sur  les  principaux  6veuements  de  l'empire  de  Russe  depuis 
le  regne  de  Pierre  le  grand  jusqu'ä  celui  de  Catherine  ii.  ä  Pots- 
dam 1772. 

Eine  andere  gattung  von  werken,  welche  schätzbares  mate- 
rial  liefern,  sind  die  älteren  bistorien,  welche  porträts  enthalten, 
ebenso  porträtsamralungen.  man  findet  häufig  als  Umschrift  der 
bildnisse  oder  in  besonders  dazu  angebrachten  bäudern  innerhalb 
derselben  das  motto  des  dargestellten,  so  in  dem  dickleibigen 
werke  Hortleders:  Der  röm.  keyser-  und  königl.  majesteten  etc. 
haudlungen  und  ausschreibungen.  von  den  Ursachen  des  teut- 
schen  kriegs  kaiser  Carls  dess  v  wider  die  schmalkaldische  bunds- 
oberste etc.  Gota  1645.  ich  ziehe  aus  demselben  nachzutragen- 
des aus  und  setze  hier  wie  später  vor  die  überhaupt  bei  Dielitz 
fehlenden  sprüche  ein  Sternchen,  während  ich  die  andern,  welche 
blofs  für  schon  vorhandene  sprüche  neue  träger  nachweisen,  un- 
bezeichnet  lasse. 

*Hoffmmg  lässt  nicht  zu  Schanden  xoerden.  Philipp  der  grofs- 
mülige  H.  i  43.  Justus  ex  fide  vivet.  Albrecht  erzbischof  von 
Magdeburg  64.  Confirma  hoc  deus  quod  operatns  es  in  honis.  papst 
Paul  HI  87.  *Wer  sich  auf  Gott  verlassen  thut,  empfehet  zeitlichs 
und  ewigs  gut.  Heinrich  i  von  Sachsen  380.  Fried  ernehret,  Un- 
fried  verzehret.  Heinrich  der  friedfertige  von  Mecklenburg  386. 
Christus  spes  una  salutis.  Wolfgang  von  Anhall-Bernburg  386. 
Auxilinm  meum  a  domino.  Jobannes  iv  von  Anhalt-Bernburg  386. 
Thue  Recht,  scheu  niemand.  Johann  Ernst  i  von  Sachsen  386. 
*Utraque  virtute,  togala  et  militari.  Malthaeus  erzbischof  von 
Salzburg  792.  *Si  deus  a  nobis,  contra  nos  esse  quis  ausit  ?  Quis 
contra  nos?  Wilhelm  iv  von  Ober-  und  Niederbayern  918.  *Se- 
cunduni  volnntatem  tnam  Domine.  Georg  von  Hessen  n  1.  *Wies 
Gott  gefällt,  so  gefällt  mirs  auch,  kurfürst  Johann  Friedrich  i 
von  Sachsen  ii  585.  *Sudpte  simul  et  virtute  avita.  herzog  von 
Alba  II  656. 

Aus  den  reiterporträts  des  frankfurter  kupferstechers  Eber- 
hard Kieser  (anfang  des  17  jbs.)  lässt  sich  Dielitz  um  folgende 
Sprüche  vermehren :  *Solamen  spes  patientia.  Job.  Schweickbardus 
erzbischof  von  Mainz.    *Constante  aequitate.   Lothar  erzbischof  von 


174  DIELITZ    DIE    WAHL-    UND    DEiSKSPRÜCHE 

Trier.  *Rege  me  Domine  secundnm  verbum  tuum.  Friedrich  v 
von  der  Pfalz.  *Exnrgat  Dens  et  dissipentur  inimici  eins.  Maxi- 
milian kurfiirst  von  Baiern.  Scopus  vitae  meae  Christus.  Johann 
Georg  von  Sachsen.  Pro  lege  et  grege.  Georg  Wilhelm  von  Bran- 
denhurg.  *Una  fdes.  Philipp  iv  von  Spanien.  ^Schlecht  und 
7'echt.  Johann  Friedrich  von  Würtemherg.  ^Regina  firmat  pietas. 
Christian  iv  von  Dänemark.  *FIecteris  an  frangen's.  Friedrich 
Ulrich  von  Braunschvveig.  Consilio  et  virtute.  Moriz  von  Hessen. 
*Alia  non  ex  arbore  palmas.  Karl  Emanuel  von  Savoyen.  Pietas 
ad  omnia  ntilis,  Leopold  erzherzog  von  Österreich.  Tandem  fit 
surcidus  ar^bor.  Moriz  von  Oranien.  *Ex  ntraque  gloria.  Karl 
von  Longueval,  graf  von  Buqnoy.  *Invidos  virtute  torquebo.  Jo- 
hann Jacoh  graf  von  Bronckhorst.  *Mas  onra  que  uida.  Fried- 
rich graf  von  Solms.  Tandem  bona  causa  triumphat.  Johann 
Theodor  graf  von  Löwenstein-Werlheim.  *Pacem  cum  hominibus, 
bellum  cum  bestiis.  Jan  Eitel  Brendel  von  Houmpurg.  *Nunc  nun- 
quam.  Ambrosius  Spinola.  Aut  mors  aut  vita  decora.  Christian 
von  Braunschweig,  bischof  von  Halberstadt.  *Jehova  tibi  soli. 
Friedrich  freiherr  von  Teuffenbach.  *Haud  inferiora  sequor.  Don 
Balthasar  Marradas.  *Litiga  domine  cum  litigantibus  meis,  et  pugna 
cum  pugnantibus  meis.  Johann  Jacob  von  Wallhausen.  Consilio 
firmata  dei.  Gabriel  Bethlen.  Yivit  post  funera  virtus.  Georg 
Tliurzo  de  Bethlemfalva,  graf  von  Arwa.  Dens  providebit.  Sieg- 
fried von  Kolonitsch. 

Trotz  der  grofsen  menge  mottos  von  englischen  familien, 
welche  Dielilz  verzeichnet,  ist  auch  dieser  feil  nicht  lückenlos, 
die  Sprüche  des  hohen  englischen  adels  sind  vvol  nahezu  vollstän- 
dig, dagegen  fehlen  sehr  viele  vom  niedern  adel.  aus  Bernard 
Burkes  Genealogical  and  heraldic  dictionary  of  the  landed  gentry 
of  Great  Britain  &  Ireland  for  1851  habe  ich  die  buchstaben  ABC 
verglichen  und  führe  die  fehlenden  mottos  auf.  *Pro  fide  ablectus. 
Ablett.  Adjuvante  deo.  .4cton.  *Cerlior  in  coelo  domus.  Adams. 
Fortiter  et  recte.  Anderson.  *Multa  tuli  fecique.  Arkwright.  *Frac- 
tum  non  abicis  ensem.  Armitage.  Inrictus  maneo.  Armstrong. 
Nil  desperandum.  Arnold.  *Impelle  ohstantia.  Arthur.  *Aegis 
fordssima  virtus.  Aspinall.  Pret  d'accomplir.  Aston.  Deo  et  regt 
fidelis.  Atkinson.  *Famus  quo  ducit  fortuna.  Atty.  Nil  sine  deo. 
Awdry.  ^Verus  et  fidelis  semper.  Aylward.  Foy  est  tout.  Babing- 
lou.  Fordward.  Baitour.  Virlus  tutissima  cassis.  Barker.  Au- 
dnces  fortuna  juvat.  Barron.  Non  frustra.  Barrow.  Mature.  Bart- 
telot.  Fide  et  fortitudine.  Barton.  Gwell  angau  na  chjwihjdd. 
Basset.  *Ante  honorem  humilitas.  Battersby.  Auspicium  melioris 
aevi.  Beauclerk,  *Praenuntia  pacis.  Bell.  Aut  nunquam  tentes, 
aut  perfice.  Bennet.  *Bene  tenax.  ßennet.  *Haud  facile  emer- 
gunt.  Bennet.  Vi7icam  vel  moriar.  Benyon  de  Beauvoir.  Virtus 
probata  florescit.  Beruard.  *Del  fugo  I  avola.  Berners.  *IIand 
nomine  tantum.    Best.    Deniqne  coelum.    Best.     *In  veritate  trium- 


DIELITZ    DIE    WAHL-    UND    DEKKSPRÜCHE  175 

pJio.  Biddiilph,  Spes  lahor  levis.  Bigland.  Fideliter.  Bird.  *Pro 
Marte  et  arte.  Blagrave.  *Pro  deo,  pro  rege,  pro  patria  et  lege. 
Blakemore.  *Eloqiientia  sagiita.  Bland.  *7  rest  to  rise.  Blayoey. 
Audaces  foituna  juvat.  Blewiit.  In  deo  omnia.  Bluell.  Justus 
et  fidelis.  Bomford.  *Do  not  for  to  repent.  Boteler.  In  cruce 
Salus.  Bourke.  *Vanus  est  honor.  Bowdoii.  Esse  quam  videri. 
Bower.  Vincit  verilas.  Bren)er.  *Opilulante  deo.  Breretou.  T7- 
rescit  vulnere  virtus.  Brock.  Nee  timeo  nee  sperno.  Bi'owm^ 
*Do  well,  doubt  nought.  Bruce.  *Clariora  sequor.  Buchauan. 
Propositi  tenax.  Buüny.  Tace  aut  face.  Burges.  Un  roy;  une 
foy,  une  loy.  Burke.  *IIuic  habeo  non  tibi.  Burroughes.  Yic- 
trix  fortunae  sapientia.  Callhrop.  *Campi  fero  praemia  belli. 
Campbell.  *\Visdo)ns  beginning  is  God's  fear.  Campbell.  *Sic  vita 
humana.  Capel.  En  tonte  loyale.  Carne.  Fy  Ngobaith  Syddyn 
Nuw.  Carne.  L'esperance  nie  console.  Carr.  Sub  libertate  quie- 
tem.  Carter.  *Mors  potior  macula.  Chamberlayue.  Soyez  content. 
Charuock.  *Omnia  fert  aetas.  Cheese.  *Firme  en  foy.  Chichester. 
Salus  per  Christum.  Christian.  *Post  est  occasio  calva.  Clapham. 
Noli  altum  sapere.  Clarke.  Carpe  diem.  Clarke.  In  cruce  fides. 
Clendinning.  Dulcis  amor  patriae.  Clifford.  *Nec  metuas  nee  optes. 
Coddiuglon.  Nil  desperandum.  Coddington.  Nemo  sibi  nascitur. 
Coles.  Persevere.  Colville.  Inter  utrumque.  Connellan.  Sape  et 
tace.  Connellan.  *Fructus  virtutis.  Conyers.  Tu  ne  cede  malis 
sed  contra  audentior  ito.  Cooke.  *Qui  semina  vertu  raccoglia  fama. 
Coore.  Royal  au  mort.  Cramlington.  *ThourniV  creve'lh==  I  give 
you  the  bush.  Creagh.  Virttite  et  numine.  Creagh.  Fortuna  au- 
daces juvat  timidosque  repellit.  Cregoe.  Aut  numquam  tentes  aut 
perfice.  Creswell.  *Heart  love.  Crigan.  Virtute  et  fidelitate.  Crolfs. 
Sub  cruce  salus.  Crosse.  Carpe  diem.  CuUen.  Fais  que  dois, 
arrive  qui  pourra.    Cure. 

Nimmt  man  für  die  übrigen  buchstaben  des  alpbabets  ein 
ähnliches  Verhältnis  an,  so  kommt  ein  ganz  erklecklicher  Zuwachs 
an  Sprüchen  heraus. 

Ich  breche  ab  mit  weiterer  anlührung  von  litteratur.  sie  ist 
zu  reich,  als  dass  mau  sie  so  kurz  aufzählen  und  abtun  könnte, 
so  sind  die  heraldischen  und  numismatischen  Zeitschriften  zu 
durchforschen;  aus  dem  Deutschen  herold  ist  manches  motto  nach- 
zutragen, namentlich  von  den  in  jüngster  zeit  neubegründeten 
Staaten,  was  ich  angfeührt  habe,  wird  genügen  um  darzutun,  wie 
viel  dem  werke  von  Dielitz  an  der  wünschenswerten  Vollständig- 
keit fehlt,  eine  neue  aufläge  ist  bei  dem  hohen  preise  des  buches 
und  dem  engen  kreise,  für  den  es  bestimmt  ist,  so  bald  nicht  zu 
erwarten,  doch  wird  ein  nachtrag  geliefert  werden  können,  zu 
dem  gewis  manche,  die  für  das  werk  interesse  haben,  dem  Ver- 
fasser ihr  material  zur  Verfügung  stellen  werden. 

Zu  guter  letzt  will  ich  noch  erwähnen  dass  die  namen  der 
englischen  familien  in  der  von  Dielitz  gegebenen  Schreibung  häufig 


176  DIELITZ    DIE    WAHL-    UISD    DEJiKSPRüCHE 

nicht  übereiustimnien  mit  der  in  Burkes  Dictionary,  dem  hierin 
ohne  zweifei  die  gröfsere  glaubwürdigkeit  beizumessen  ist. 

Rassel  25  juni  1884.  Karl  KocheiNdürffer. 


Die  erste  gesanimtausgabe  der  Nibelungren.  von  Johannes  Crueger.  Frankfurt 
a  Main,  literarisciie  anstalt  (RüUen  &  Loening),  1884.  2  bll.,  in  und 
144  SS.    8°.  —  3  m.* 

Der  Verfasser,  welcher  Bodmers  nachiass  in  Zürich  mit 
rücksicht  auf  dessen  altdeutsche  Studien  durchmustert  hat,  liefert 
hier  einige  ergebnisse  seines  emsigen  fleifses.  leider  kann  man 
nicht  sagen:  das  ergebnis.  anstatt  die  bemühungen  Bodmers 
für  die  'altschwäbischen'  dichter  auf  grund  des  ihm  zu  geböte 
stehenden  reichen  materials  im  Zusammenhang  darzustellen ,  hat 
Crueger  es  vorgezogen,  brockenweis,  nach  und  nach,  an  verschie- 
denen stellen  mitteilungen  über  seine  funde  zu  machen. ^  das 
bedenkliche,  was  in  einer  solchen  art  der  Veröffentlichung  Hegt, 
die  gefahr,  welche  daraus  allmählich  für  den  Verfasser  selbst  er- 
wächst, tritt  gerade  in  der  jetzt  vorliegenden  schrift  besonders 
scharf  hervor,  in  welcher  der  versuch  gemacht  wird,  eine  umfang- 
reichere Stoffmasse  zu  bewältigen  und  übersichtlich  zu  gruppieren. 

3Ian  beachte  die  einteilung  des  buches:  einleitung,  und  drei 
capitel,  mit  den  Überschriften :  ßodmer  und  die  Nibelungen,  Chri- 
stoph Heinrich  Müller,  Die  Nibelungenpublication.  dagegen  ist 
nichts  einzuwenden,  aber  nun  folgt  noch  auf  einigen  40  selten 
ein  'anhang',  welcher  nach  des  verf.s  eigenen  Worten  'einige  zu 
seinem  thema  in  engerer  oder  loserer  beziehung  stehende  notizen 
bietet.'  sieht  man  näher  zu,  so  findet  man  dass  dieser  anhang 
wider  aus  sechs  unter  einander  so  gut  wie  gar  nicht  zusammen- 
hängenden anhängen  besteht  (1.  Bodmers  Verhältnis  zu  Boie; 
2.  der  (sehr  dankenswerte)  abdruck  von  Breitingers  aufsatz  Von 
dem  alten  heldengedichte  von  der  räche  aus  den  Freymüthigen 
nachrichten;  3.  notizen  Bodmers  über  die  Nibelungen,  besonders 
deren  möglichen  Zusammenhang  mit  nordischen  sagen;  4.  ein  sa- 
tirisches gedieht  Bodmers  Das  verschmähte  gedieht  Chriemhildens 
räche;  5.  Mülleriana;  6.  briefe  etc.  von  VV.JCGCasparson).  auf 
diese  sechs  anhänge  folgt  dann  noch  ein  siebenter,  'excurs'  be- 
titelt, und  dieser  enthält  merkwürdiger  weise  vielleicht  die  interes- 
santeste und  wichtigste  mitteilung  des  ganzen  buches  1 

Von  einer  vvürklichen  Verarbeitung  des  Stoffes  kann  unter 
diesen  umständen  nicht  die  rede  sein,    und  das  ist  um  so  mehr 

[*  Vgl.  DLZ  1884  nr32  (ESteinmeyci).  —  Litt,  centralbl.  1884  nr  48.] 

»  Der    enldecker    der  Nibelungen  1883.      Das    erste    neuiioclideutsche 

minneiied,  Zs.  f.  d.  ptiil.  xvi  (1884)  s.  85  ff.     Bodmer,  stadtvogt  Renner  in 

Bremen,  Wiedeburg  in  Jena,  ebenda  s.  197  iL    vgl.  auch  die  bemerkung  des 

verf.s  8.  20  unserer  schrift. 


CRÜEGER    ERSTE    GESAMMT AUSGABE    DER    MBB-  177 

ZU  bedauern,  als  im  übrigen  die  schrift  von  wissenschaftlicbem 
sinn,  Sachkenntnis,  hingebendem  fleifs,  und  einer  woltuendeu 
begeisterung  des  Verfassers  für  sein  thema  zeugnis  ablegt,  über- 
haupt eine  durch  und  durch  solide  arbeit  ist.  aber  den  mafsstab 
für  das,  was  aus  der  masse  des  ihm  zu  geböte  stehenden  mate- 
rials  sich  zur  mitteilung  eignet,  und  was  nicht,  hat  er  leider 
verloren,  allen  schuldigen  respect  vor  Bodmers  und  seiner  mit- 
helfer  Verdiensten  um  unsere  ältere  litteratur,  jedoch  weder  ihnen 
selbst  noch  der  Wissenschaft  wird  ein  dienst  erwiesen,  wenn  man 
ihr  treiben  so  unter  der  lupe  betrachtet,  wie  dies  Crueger  tut. 
es  wird  wenige  von  uns  jüngeren  litterarhistorikern  geben,  die 
nicht  aus  eigener  erfahrung  wissen,  wie  schwer  es  unter  umstän- 
den fällt,  hier  den  'falschen  weg  zu  meiden',  in  jeder  grofsen 
briefsammlung  liegt  'verborgnes  gifl',  das  von  der  arznei  ott 
kaum  zu  unterscheiden  ist,  und  für  den  anfänger  ist  es  fast  ein 
Unglück  zu  nennen,  wenn  ihn  der  zufall  frühe  einer  solchen 
briefsammlung  in  den  weg  führt;  in  den  meisten  fällen  wird 
sie  seiner  herr,  statt  er  ihrer,  aber  gerade  je  mehr  man  sich 
dieser  gefahr  bewust  ist,  desto  schärfer  heifst  es  aufpassen  bei 
sich  und  anderen,  es  möchte  sonst  später  einmal  ein  boshafter 
kritiker  über  derartige  Veröffentlichungen  dasselbe  harte  urteil  fäl- 
len, welches  Crueger  über  Bodmers  'alldeutsche  auslassungen  aus 
der  letzten  zeit'  gesprochen  hat:  'sie  ergeben  den  mitunter  lang- 
weilenden eindruck  von  lauter  einzelheiten,  die,  durch  ein  höheres 
band  unverbunden,  äufserlich  neben  einander  gestellt  sind.' 

Soviel  vom  principiellen  standpunct  aus.  im  einzelnen  bietet, 
wie  schon  erwähnt,  die  schrift  mancherlei  dankenswertes. 

Die  einleitung  (s,  1 — 20),  welche  'Bodmers  Verhältnis  zu  der 
jungen  generation  in  Deutschland,  wie  es  sich  etwa  seit  1776, 
besonders  unter  einfluss  der  beiderseitigen  altdeutschen  neigungen 
gestaltete'  behandelt,  wird  jeder  mit  Interesse  lesen,  namentlich 
was  dort  über  Bodmers  Verhältnis  zum  Deutschen  museum  gesagt 
wird,  nur  scheinen  mir  die  ausführungen  s.  1  und  s.  17,  über 
die  würkung  von  B.s  tod,  mit  einander  in  Widerspruch  zu  stehen; 
und  was  mit  dem  'mehr  internationalen  standpunct'  Bodmers,  'der 
für  seine  litterarische  eiuvvürkung  dem  engen  und  einseitigen  ge- 
sichtskreis  Gottscheds  gegenüber  so  segensreich  geworden'  ge- 
meint ist,  verstehe  ich  nicht,    jedesfalls  trifft  es  die  sache  nicht. 

Das  erste  capitel :  Bodmer  und  die  Nibelungen  (s.  21 — 63)  gibt 
in  breitester  ausführung  eine  Schilderung  von  Bodmers  tätigkeit 
seit  seinem  ersten  bekanntwerden  mit  der  dichtung  aus  der  hs.  C. 
dankenswert  sind  darin  vor  allem  die  mitteilungen  aus  den  Frey- 
müthigen  nachrichten,  sowie,  was  wir  über  die  einwürkung  Bod- 
mers auf  Meisters  Beyträge  zur  geschichte  der  teutschen  spräche 
und  nationallitteratur  erfahren,  wenn  übrigens  Crueger  (s.  45  und 
anhang  s.  117)  die  erste  benutzuug  der  hs.  B  durch  Bodmer  ins 
jähr  1769  setzt,  so  bin  ich  vielmehr  der  meinung,  dass  Bodmer  den 


178         CRUEGER  ERSTE  GESAMMTAÜSGABE  DER  MBB. 

codex  in  bänden  gehabt  bat,  ehe  derselbe  nach  SGallen  kam. 
darauf  deutet  die  angezogene  briefstelle:  'der  abt  Beda  bat  es  mit 
andern  handschriften  aus  dem  nachlasse  Aegid.  Tschudj  gekauft, 
als  wir  im  begriff  waren,  dies  stück  für  die  stadt- 
bibliolbek  zu  kaufen,  ich  habe  die  bandschrift  bey 
der  stelle  gehabt',  jenes  ms.,  welches  Bodmer  im  frübjahr 
1769  so  bereitwillig  'auf  eine  beliebige  zeit'  aus  SGallen  erhielt 
(s.  45  n.  3),  kann  nicht  wol  'der  grofse  codex'  gewesen  sein,  sonst 
W'ürde  Bodmer  nicht  1778  'hoher  empfeblungen'  zu  bedüifen  ge- 
meint haben,  um  denselben  aufs  neue  zu  erlangen,  auch  die 
Schwierigkeiten,  die  ihm  tatsächlich  bereitet  wurden,  ehe  er  in 
den  besitz  der  hs.  gelangte,  sprechen  dafür,  dass  dieselbe  seit 
1768,  dh.  seit  sie  im  besitz  der  SGaller  bibliotbek  war,  nicht  aus- 
geliehen worden,  dem  widerspricht  nicht,  wenn  Bodmer  in  seiner 
beschreibung  der  hs.  (s,  117)  bemerkt:  'der  codex  ligt  izt  in  der 
abtei  St.  Gallen',  da  diese  aufzeichnung  undatiert  ist,  und  zudem 
sehr  wol  erst  auf  grund  früherer  angesichts  der  hs.  gemachter 
notizen  zusammengestellt  sein  kann. 

Das  2  capitel:  Christoph  Heinrich  Müller  (s,  64 — 83)  behan- 
delt wider  in  breitester  ausfübrung  leben  und  character  des  ersten 
herausgebers  der  Nibelungen,  wir  gewinnen  daraus  kein  sehr  er- 
freuliches bild,  und  ob  der  Verfasser  gut  daran  getan,  uns  alle 
schwächen  dieses  halben  und  unfertigen  characters  so  redselig  zu 
zergliedern,  scheint  mir  zweifelhaft,  um  so  angenehmer  ist  man 
überrascht,  den  s.  65  n.  3  für  den  fünften  anhang  versprochenen 
abdruck  einer  Müllerschen  schrift  im  auszug  an  der  betreffenden 
stelle  nicht  zu  finden,  bezeichnend  für  den  mann  ist  übrigens 
auch,  dass  er,  soweit  ich  sehe,  sich  der,  der  Bodmerscheu  Ortho- 
graphie angepassten,  Schreibung  seines  namens  mit  y  nur  in  der 
vorrede  zu  den  Nibelungen  bedient,  dagegen  nach  Bodmers  tode 
sofort  wider  sich  'Müller'  unterzeichnet!  (vgl.  vorrede  zur  Encidt 
vom  25  april  1783,  Got  Amur  22  april  1783;  die  nachriebt  am 
schluss  des  ersten  bandes  der  Sammlung  datiert  vom  15may  1783.) 

Capitel  3:  Die  Nibelungenpublication  (s.  84  — 102)  schildert 
den  verkehr  Müllers  mit  Bodmer,  der  sich  aus  des  ersteren  ab- 
sieht, die  vom  letzterem  gesammelten  mhd.  texte  zu  edieren, 
ergibt,  und  führt  bis  in  den  herbst  1780,  dh.  bis  zu  dem  zeit- 
punct,  wo  das  'liet  der  Nibelungen'  im  druck  vollendet  ist.  es  ist 
nicht  zu  läugnen  dass  auch  dieser  letzte  abschnitt,  ebenso  wie 
die  vorhergebenden,  allerlei  neues  bringt,  aber  fragen  wir,  ob  der 
umfang  dieser  ausrührliclien  Vorgeschichte  der  ersten  Nibelungen- 
publication  zu  dem  gchalt  der  dadurch  für  die  Wissenschaft  ge- 
wonnenen ergebnisse  in  angemessenem  Verhältnis  steht,  so  kann 
die  antwort,  trotz  dem  eifer  und  der  hingebung,  womit  Crueger 
sich  in  sein  thema  vertieft  hat,  nur  verneinend  ausfallen,  das 
wichtigste  ergebnis  der  ganzen  arbeit  findet  sich,  wie  schon  be- 
merkt,   in  einem  als    'excurs'  bezeichneten  (7!)  anbang  (s.  142 


CRUEGER    ERSTE    GESAMMTAOSGABE    DER    NlBß.  179 

bis  144).  bisher  war  man  der  meinung,  Müller  sei  durch  Bodmer 
davon  unterrichtet  gewesen,  dass  das  ms.,  welches  er  seiner  aus- 
gäbe zu  gründe  legte,  zwei  hss.  (Ä  und  C)  entnommen  sei,  und 
dass  daher  die  bemerkung  Müllers  s.  152  seiner  ausgäbe,  welche 
nur  von  einer  hs.  spricht  und  die  in  der  folge  so  grofse  Ver- 
wirrung angerichtet  hat,  auf  einer  groben  Unachtsamkeit  Mül- 
lers beruhe.  Crueger  weist  überzeugend  nach  dass  jener  brief 
Bodmers  vom  1  mai  1781,  der  deutlich  von  zwei  hss.  spricht, 
allerdings  geschrieben  worden,  aber  nicht  abgeschickt  istl 
die  schuld  an  der  Verwirrung  trägt  also  nicht  Müller,  sondern 
allein  Bodmer. 

Die  'anhänge'  sollen  in  'engerer  oder  loserer  beziehung  zum 
thema  stehen',  das  mag  von  den  fünf  ersten  gelten,  der  sechste 
über  Casparson  passt  jedesfalls  in  den  nun  einmal  vom  Verfasser 
gewählten  rahmen  'die  erste  gesammtausgabe  der  Nibelungen'  nicht 
hinein. 

Es  ist  schade  dass  es  dem  fleifsigen  und  von  so  hingeben- 
der begeisterung  für  seine  aufgäbe  erfüllten  Verfasser  nicht  besser 
gelang,  seines  Stoffes  herr  zu  werden;  hoffentlich  zeigt  er  in 
späteren  publicalionen  dass  er  der  gefahr,  die  in  seiner  bisherigen 
art  die  ergebnisse  seiner  Studien  zu  veröffentlichen  liegt,  sich 
selbst  bewust  geworden,  und  entäufsert  sich  auch  bis  dahin  ge- 
wisser stilistischer  uuarten,  die  beim  lesen  des  sonst  fliefsend  ge- 
schriebenen buches  stören,  eine  phrase  wie  'die  keusche  Wellen- 
linie derNibeluugenstrophe'  (s.  57)  sollte  einem  ernsthaften  Schrift- 
steller nie  iu  die  feder  kommen. 

Jena.  Berthold  Litzmann. 


MiSCELLEN    ZUR    GESCHICHTE    DER    DEUTSCHEN    PHILOLOGIE. 

5.  ZU  Gottfried  Bruns  brief  (Anz.  x277)  habe  ich  zu  notieren 
unterlassen  dass  noch  in  demselben  jähre  1728  als  frucht  seiner 
altdeutschen  Studien  iu  Dauzig  erschien :  Versuch  einer  geschichte 
der  deutschen  dichlkuust,  dichter  und  dichtwerke  von  ihrem  Ur- 
sprung bis  auf  Bodmer  und  Breitiuger,  eine  ganz  trockene  und 
nüchterne  Statistik  alles  dessen,  was  er  von  deutschen  dicht- 
werken  kannte,  für  die  ältere  zeit  durchaus  den  Inhalt  und  mit- 
unter auch  die  worte  den  schweizerischen  publicalionen  entleh- 
nend, wo  die  minnesinger  zu  grofsem  teile  einzeln  aufgeführt, 
andere  wichtigere  dinge,  zb.  Wolfram,  kurz  abgetan  und  die  Nibe- 
lungen nicht  einmal  erwähnt  werden,  über  Gottsched  spricht 
Brun  sehr  vernünftig  und  unparteiisch. 

6.  die  hs.  A  des  Bonerschen  Edelsteins,  die  man  für  die 
beste  und  zuverlässigste  von  allen  Bonerhss.  hält,  hat  ein  sonder- 
bares  Schicksal   betroffen,     zur   texlesherstellung   seiner  Fabeln 

A.  F.  D.  A.   XI.  13 


180        MISCELLEN    ZUR    GESCHICHTE    DER    DEUTSCHE^    PHILOLOGIE 

aus  den  zelten  der  minnesinger,  Zürich  1757,  hat  sie  Breitinger 
in  erster  linie  benutzt;  aber  bis  auf  den  heutigen  tag  ist  un- 
gevvis,  wie  und  wann  er  in  ihren  besitz  gekommen,  ungewis, 
wo  sie  nach  Breilingers  tode  verbHeben.  Pfeifler  hat  ihr  1840 
in  Zürich  vergebens  nachgespürt,  meine  nachforschungen  daselbst 
haben  in  beiden  richtungen  einen  kleinen  schritt  vorwärts  er- 
gehen. 

Zwar  das  woher  bleibt  dunkel,  aber  auf  das  wann  fällt 
einiges  licht,  am  30  sept.  1753  schreibt  Bodmer  an  Zellweger: 
Hr.  Can.  Breitinger  hat  einen  handgeschriebenen  Codicem  auf  Per- 
gament vom  13'e/j  Saeculo  gefunden,  der  ganz  wolgemachte  Fabeln 
und  Erzählungen  in  sich  enthält,  ist  schön  geschrieben  und  ganz 
correct.  Doch  am  Anfang  und  Ende  defectuos.  und  am  11  nov.  53 
an  denselben :  Hr.  Beitinger  hat  ein  Glossarium  und  syntaktische 
Anmerkungen  zu  den  alten  Fabeln  gemacht,  welche  izo  der  Presse 
sollen  übergeben  werden,  das  ist  alles;  aber  da  das  einzelne 
stimmt,  so  liegt  die  Vermutung  nahe,  ja,  sie  ist,  alles  erwogen, 
so  gut  wie  sicher,  dass  damit  die  fragliche  hs.  A  des  ßoner  ge- 
meint sei. 

Über  den  verbleib  der  hs.  findet  sich  vorn  in  Bodmers  hand- 
exemplar  der  Fabeln  (auf  der  Zürcher  Stadtbibliothek)  von  seiner 
schwerfälligen,  oft  unleserlichen  band  die  notiz:  Woher  Breitinger 
die  membrana  bekommen,  hat  er  mir  nicht  gesagt;  itzt  besitzt 
ihn  (sie !)  Herr  Gefsner,  französischer  Prediger,  Breitingers  Tochter- 
mann, die  hs.  ist  also  in  der  lamilie  fortgeerbt,  von  den  vier 
kindern  des  hier  gemeinten  Hans  Caspar  Gessner  (1744 — 179G) 
hat  nur  ein  söhn  nachkommenschaft  gehabt,  Hans  Jacob  (1779 
— 1837),  der  nach  Bergzabern  auswanderte  und  dort  sich  ver- 
mählte, von  seinen  sieben  kindern  lebten  1879  noch:  1.  Char- 
lotte Luise  Karoline,  1832  vermählt  mit  prof.  Heinrich  Mäiker  in 
Grünstadt.  2.  Friederike  Wilhelmine,  vermählt  1S38  mit  pfarrer 
Georg  Seiler  in  Langenvvandel.  3.  Emilie,  vermählt  1838  mit 
pfarrer  Heinrich  Matthias  in  Homburg.  4.  Karoline  Amalie,  geb. 
1818,  anscheinend  unvermäblt,  wol  in  Zweibrücken,  es  wäre 
wünschenswert  dass  ein  für  germanistik  interessierter  in  dortiger 
gegend  die  nacbforschung  aufnähme  und  etwa  bei  den  einzelnen 
familien  persönlich  herumfragte. 

Johannes  Crueger. 


LlTTERATÜRISOTIZEN. 

Hermann  Brunnhofer,  Über  den  ursitz  der  Indogermanen  (Öflenl- 
liche  vortrage  gebalten  in  der  Schweiz  viii5).  Basel,  Bruno 
Schwabe,  1884.  28  ss.  8o.  0,80  m.  —  für  den  ursitz  der 
Indogermanen  hält  der  verf.  Armenien,  er  führt  argumente  an, 
welclie  erwogen  zu  werden  verdienen,    aber  den  deutschen  Irmin 


LITTERATÜRNOTIZEN  181 

und  Arminius  halte  er  nicht  zu  den  erinnerungen  an  Armenien 
zählen  sollen,  auch  über  die  nationalität  der  Sarmaten  befindet 
er  sich  im  unklaren,  s.  10  singt  er  das  lob  der  gänzlich  halt- 
losen ethnographischen  Untersuchungen  von  Wilhelm  Arnold,  über 
welche,  wenn  es  der  autorität  bedarf,  Müllenhoff  schonungslos 
aburteilte:  meine  verwerfende  recension  in  der  Jenaer  lilteratur- 
zeitung  1876  art.  418  war  ihm  viel  zu  milde.  —  über  die  frage 
nach  dem  ursitze  der  Indogermauen  vgl,  auch  Eduard  Meyer  Ge- 
schichte des  allertums  1,514:  'von  wo,  wie  und  wann  die  Arier 
in  ihre  Wohnsitze  gekommen  sind,  darüber  gestattet  höchstens 
der  umstand  eine  Vermutung,  dass  noch  in  historischer  zeit  ein 
teil  der  Iranier  (die  Saken  und  Skythen)  aus  nomadischen  wander- 
stämmeu  besieht,  ein  anderer  sesshafl  ist.  da  wir  nun  wol  einen 
Übergang  von  unsteter  zu  sesshafter  lebensweise  uns  vorstellen 
und  geschichtlich  nachweisen  können ,  nicht  aber  in  gleichem 
umfang  das  umgekehrte,  so  wird  anzunehmen  sein  dass  die 
sesshaften  Arier  aus  der  turanisch- südrussischen  steppe  in  ihre 
späteren  Wohnsitze  gelangt  und  hier  zu  einer  höher  entwickelten 
cultur  übergegangen  sind,  dass  sich  also  ihre  ansiedlung  ähnlich 
vollzogen  hat,  wie  jetzt  die  türkischer  stamme  in  denselben  ge- 
bieten oder  wie  die  der  Semiten    in  Syrien   und    im  Tigrisland.' 

VV.  Scherer. 
Das  Lob  der  torheit  (Encomion  Moriae)  aus  dem  lateinischen  des 
Erasmus  von  Rotterdam  verdeutscht  von  Sebastian  Frank,  be- 
vorwortet  und  mit  anmerkungen  versehen  von  Er^st  Goetziisger. 
Leipzig,  Wolderaar  Crban,  1884.  xxiv  und  163  ss.  8«.  4  m.  — 
eine  ausgäbe  in  zum  teil  normalisierter  Schreibung:  ein  ge- 
nauer neudruck  wäre  uns  lieber  gewesen,  es  scheint  eine  ge- 
wisse populäre  würkung  beabsichtigt,  worauf  auch  die  einleitung 
hindeutet,  welche  mehr  gemeinfasslich  orientiert,  als  wissen- 
schaftlich fördert  oder  erschöpft,  nicht  einmal  die  litterarische 
gattung  der  ironischen  lobschrift  wird  streng  umgränzt,  wozu 
doch  schon  5,  5  ff  anlass  geben  konnte,  und  bei  Lucian  aufge- 
sucht, von  dessen  einfluss  auf  Erasmus  doch  die  rede  ist.  auf 
s.  XXIV  fallen  dem  herausgeber  'unregelmäfsige  adjectivflexionen' 
auf,  die  zum  teil  allerdings  auffallend,  obgleich  nicht  beispiellos, 
zum  teil  wahrscheinlich  druckfehler,  zum  teil  aber  nach  alt- 
deutscher regel  ganz  in  der  Ordnung  sind:  denn  was  wäre  gegen 
einen  schwachen  acc.  sing.  fem.  auf  -en,  wie  er  9,  17.  45,  2. 
66,33  steht,  einzuwenden?  auch  die  anmerkungen  sind  populär 
gehalten;  was  die  richligkeit  anlangt,  zuweilen  bestreitbar;  und 
übrigens  doch  nicht  vollständig  genug,  dass  Isocrates  ein  griechi- 
scher reduer  war,  wird  s.  5  anm.  4  erklärt;  aber  was  das  testa- 
ment  der  sau  Grunii  Cotocotte  5,  13.21  sei,  darüber  schweigen 
die  noten;  und  man  kann  sich  des  verdachtes  nicht  erwehren 
dass  dem  herausgeber  selbst  eine  Verweisung  auf  Moriz  Haupt 
Opusc.  2,  175  recht  angenehm  sein  wird. 


182  LITTERATÜRWOTIZEN 

Alois  Hruschka,  Zur  angelsächsischen  namensforschung.  separat- 
abdruck  aus  dem  xxui  programme  der  ersten  deutschen  staats- 
oberrealschule.  Prag,  Selbstverlag,  1884.  48  ss.  gr.  8^.  — 
Hruschka 'behandelt  eine  reihe  von  namen ,  die  zum  grofsen  teil 
aus  Kembles  Codex  diplomaticus  aevi  saxonici  geschupft  sind; 
doch  sind  auch  andere  quellen  [nämlich  die  Sachsenchronik  und 
noch  ein  par  historische  werke]  herangezogen.'  aber  keine  dieser 
quellen  ist  erschöpft,  Vollständigkeit  ist  auch  gar  nicht  angestrebt, 
nnd  doch  wird  nicht  etwa  eine  bestimmte  namengruppe  heraus- 
gegriffen oder  ein  einzelnes  problem  aus  diesem  gebiete  der 
Wissenschaft  (warum  braucht  ein  germanist  die  uuform  'namens- 
forschuug'?J  behandelt,  sondern  H.  beginnt  einfach  das  zufällige 
ergebnis  seiner  Sammlungen  alphabetisch  nach  dem  ersten  com- 
positionsteil  geordnet  vorzulegen,  im  vorliegenden  hefte  ist  er 
bis  zu  den  bildungen  mit  Grim  gelangt;  ob  er  diesen  teil  der 
arbeit  fortsetzen  will  sagt  er  nicht,  er  spricht  nur  von  einer 
'späteren  fortsetzung,  in  der  auch  dem  zweiten  compositionsleile 
die  erforderliche  aufmerksamkeit  zugewendet  werden  soll.'  hätte 
er  doch  wenigstens  vorläufig  wie  Förstemann  bei  den  einzelnen 
Stämmen  kurz  angegeben ,  ob  und  in  welchen  Verbindungen  sie 
sich  als  zweiter  compositionsteil  finden,  denn  das  zu  wissen  ist 
immer  wichtig. 

Es  ist  schwer  über  diese  fragmentarische  arbeit  zu  urteilen, 
zumal  der  Verfasser  ungemein  anspruchslos  auftritt.  Förstemann 
erscheint  ihm  als  eine  autorilät,  der  gegenüber  er  nur  ganz  ge- 
legentlich sehr  vorsichtig  seinen  zweifei  äufsert,  so  s.  22  s.  v. 
Bil,  wo  er  gewis  recht  damit  hat.  ein  par  durchaus  dilet- 
tantische Schriften ,  so  das  buch  über  familiennamen  von  Heintze, 
der  seine  ganze  alldeutsche  Weisheit  aus  Förstemann  hat,  werden 
Seite  für  seite  citiert.  Weinholds  Altnordisches  leben  wird  an- 
gezogen statt  JGrimms  Deutscher  mythologie.  keltischen  einfluss 
zu  vermuten  wird  H.  mehrfach  durch  Stark  geleitet,  aber  die 
nordischen  namen  als  solche  anzusprechen  und  das  auftreten  und 
die  Verbreitung  nordischer  nameuformen  festzustellen  scheint  ihm 
gar  nicht  in  den  sinn  gekommen  zu  sein.  Gamelson  und  Grim- 
kelson,  die  in  der  Urkunde  nr  1051  bei  Kemble  mit  einem  Doiol- 
(his  und  einem  Turstaims  zusammenstehen,  hält  H.  offenbar  für 
gut  angelsächsisch. 

Man  kann  aus  dem  hefte  nichts  lernen,  als  dass  die  namen- 
forschung  auf  englischem  boden  dieselben  Schwierigkeiten  zu 
überwinden  hat,  wie  bei  uns.  namentlich  sind  für  die  früh- 
zeitige vertauschung  und  Vermischung  ähnlich  klingender  com- 
positionsteile  eine  reihe  urkundlicher  belege  gegeben. 

Edward  Scuröder. 


ANZEIGER 


FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LIÜERATUR 

XI,    3    JUNI  1885 

Otfrids  Evangelienbuch,  mit  einleitung,  erklärenden  anmerkungen,  ausführ- 
lichem glossar  und  einem  abriss  der  grammatik  herausgegeben  von 
Paul  Piper,  ii  teil:  glossar  und  abriss  der  grammatik.  Freiburg 
i/B.  und  Tübingen,  JCBMohr  (Paul  Siebeck),  1884.  ix  und  696  ss.  8°.  — 
18  m* 

Keiles  Otfridvvb.  konnte  und  muste  seiner  zeit  als  ein  wesent- 
licher fortschritt  bezeichnet  und  als  eine  dankenswerte  bereicherung 
unseres  lexicalischen  apparates  willkommen  geheifsen  werden,  führte 
es  doch  zum  ersten  male  den  worlvorrat  des  sprachlich  wichtigsten 
ahd.  denkmals  in  übersichtlicher  Vollständigkeit  und  mit  dem 
streben  nach  allseitigem  Verständnis  vor  äugen,  allerdings  litt  es 
an  mehreren  und  nicht  unerheblichen  principiellen  mangeln,  welche 
ich  gleich  nach  erscheinen  der  ersten  lielerung  Anz.  vi  143  ff  dar- 
zulegen suchte,  ob  dieselben  indes  so  schwer  in  die  wagschale 
fielen,  dass  sie  die  widerholung  der  ganzen  arbeit  durch  einen 
andern  zu  rechtfertigen  vermöchten,  erschien  mir  schon  früher 
zweifelhaft  und  erscheint  mir  jetzt,  wo  Pipers  glossar  vorliegt, 
noch  zweifelhafter,  denn  das  material,  welches  Kelle  und  Piper 
beibringen,  ist  naturgemäfs  das  gleiche:  fehlt  nun  auch  hin  und 
wider  bei  dem  ersleren  ein  irrelevantes  beispiel,  so  ist  das  nicht 
minder  bei  dem  letzteren  der  fall  (vgl.  offonön  in  15,23;  öra  iv 
22,  32;  sanct  H  112  usw.);  begegnen  bei  Kelle  zahlreiche  laische 
citate,  so  mangeln  solche  auch  bei  Piper  nicht  (zb.  adalerbi  i  18,  70 
statt  17;  bein  v  26,  41  statt  iv  26,  41;  bigo)ioto  v  12,  19  statt 
19,  12;  btscof  n  10,  4  statt  14;  firinnizzi  entbehrt  des  beleges 
V  18,  4,  desgl.  opphar  ii  9,  59;  lönön  v  20,  172  statt  72;  ötmuati 
I  22,  4  statt  I  7,  7 ;  giquetten  i  9,  18  statt  8 ;  redü  iii  19,  1  statt  4 ; 
riuuen  iv  20,  36  statt  30,  36;  sabo  v  11,  14  statt  v  5,  14;  salbön 
IV  2,  27  statt  17 ;  sambazdag  iii  22,  62  statt  20,  62  und  in  5,  41 
statt  16,  41  usw.),  wie  denn  überhaupt  an  seinem  buche  die  in- 
correctheit  des  druckes  auffällt,  dass  beide  werke  den  Wortschatz 
in  verschiedener  weise  ordnen,  sowol  was  die  einreihung  der 
composita  als  was  die  folge  der  citate  innerhalb  der  einzelnen 
Stichworte  anlangt,  dass  Piper  die  eigennamen  in  einen  beson- 
deren abschnitt  verwies,  während  sie  Kelle  au  der  alphabetischen 
stelle  verzeichnete,  verschlägt  wenig  zu  gunsteu  des  einen  oder 
des   andern,      gerne   erkenne  ich  zwar  an   dass  die  bedeutungs- 

[*  vgl.  DLZ  1SS5  nr  4  (JSeemüUer).] 
A.  F.  D.  A.    XI.  14 


184  PIPER    GLOSSAR    ZU    OTFRID 

angaben  Pipers  den  vorzug  vor  denen  Keiles,  welche  grofsen  teils 
nur  den  gerade  behandelten  stellen  angepasste  Übersetzungen 
waren,  verdienen,  auch  dass  er  die  einzelnen  artikel  von  dem 
aus  Graff  geschöpften  glossenballast  befreit  hat:  dagegen  ziehe 
ich  die  auslührliche  milteilung  der  Otlridverse  in  Keiles  glossar, 
welche  fast  immer  ohne  nachschlagen  des  textbandes  ein  urteil 
über  die  richtigkeit  oder  Unrichtigkeit  der  auffassung  erlaubt, 
den  knappen  und  verstümmelten  citaten  Pipers  entschieden  vor. 
alles  in  allem  gerechnet  muss  ich  sagen :  wenn  Pipers  arbeit  vor 
derjenigen  Keiles  an  das  licht  getreten  wäre,  würden  wir  sie  mit 
uneingeschränktem  danke  entgegengenommen  haben ;  nachdem  je- 
doch Kelle  —  und  ihm  gebürte  auch  diese  priorität  auf  grund 
seiner  hohen  Verdienste  um  Otfrid  —  sein  Wörterbuch  hatte  er- 
scheinen lassen,  war  für  ihre  Veröffentlichung  ein  durchschlagen- 
der objectiver  grund  nicht  mehr  vorhanden,  subjectiv  freilich 
lässt  es  sich  wol  begreifen  dass  Piper  die  grofse  mühe,  die  er 
auf  die  Sammlung  des  Stoffes  verwandt,  nicht  vergeblich  ver- 
schwendet haben  wollte,  in  diesem  falle  würde  er  seinem  buche 
dadurch  einen  eigenen  reiz  und  wert  haben  sichern  können  und 
sollen,  dass  er,  zum  nutzen  der  Otfridinterpretation,  seine  von 
seinen  Vorgängern  abweichenden  erklärungen  von  worten,  phrasen, 
versen  ausführlich  begründet  hätte,  das  geschieht  aber  nur  äufserst 
selten  und  ich  finde  zahlreiche  stellen,  an  denen  die  auffassung 
Keiles  oder  Erdmanns  gegenüber  der  von  Piper  vertretenen  mich 
richtiger  dünkt,  ohne  dass  der  letztere  die  gelegenheit  zu  einer 
auseinandersetzung  ergriffe,  ich  nenne  einizen  in  22,  12  (Uiito 
lango  so  firdragen  wir,  Ihaz  thu  unsih  spenis  sns  zi  thir,  sus  ni- 
mis  einizm):  Kelle  und  Piper  erklären  nach  der  gl.  gradatim 
ainacem  Pa.  162,  7  das  wort  durch  'allmählich';  Erilmaim  aber 
hat  s.  433  meines  erachtens  mit  recht  die  deutung  'einzeln'  ver- 
teidigt, ich  verstehe  übrigens  nicht,  wie  die  s.  80''  gegebene 
Übersetzung  'so  allmählich  vorwärts  führst'  sich  vereinigt  mit 
s.  32 r,  wo  für  neman  an  dieser  stelle  angesetzt  wird  'mit,  zu 
sich  nehmen,  als  begleitung.'  einkunni  (i  4,4  nuanta  uuanm 
thanne  thie  biscofa  einkunne)  wird  im  gegensatz  zu  Kelle  und 
Erdmann  als  'geschlechtsvereint,  verheiratet'  erklärt,  wenn  s.  290'' 
firmeinen  an  den  stellen  i  1,  82  in  eignn  sie  iz  ßrmeinit,  mit 
nuafanon  gizeinit  und  iv  27,  6  mit  ihen  uuiti  onh  firmeinit,  so 
alt  giscrip  uns  zeinit  'darlegen ,  beweisen'  bedeuten  soll ,  so  be- 
dauere ich  dass  meine  erörterung  Anz.  ix  4  keine  berücksich- 
tigiing  fand,  die  iür  utitarmuari  s.  549*  gegebene  erklärung  dürfte 
wenigen  einleuchten,  eine  auseinandersetzung  mit  Erdmanns  deu- 
lungsversuch  findet  nicht  statt,  in  der  ausgäbe  war  derselbe  kurzer 
band  abgelehnt.  Piper  vergröfsert  die  zahl  der  composita  erheb- 
lich dadurch,  dass  er  eine  menge  von  zufälligen  Verbindungen 
zwischen  verbis  und  adverbien  ihnen  beirechnet,  so  entnimmt 
er  dem  v.  H  57  Hina  tmard  thiu  uuorolt  funs ,  theist  allen  kund 


PIPER    GLOSSAR    ZD    OTFRID  185 

h'ar  tmter  uns,  in  siinton  nnard  sin  missilih  ein  verbum  hina- 
nuerdan,  dahingehen,  vergehen,  aber  hina  gehört  nicht  zu  uuard, 
sondern  zu  fnns  (sonst  hätte  dies  wort  gar  keinen  zweck  im 
satze)  und  Erdmann  übersetzt  ganz  richtig:  'ward  bereit  zum 
hingange,  hintällig  zum  untergange.'  ebenso  falsch  ist  der  ausatz 
von  hera-uuerdan,  herkommen :  sowol  n  2,  32  (nicht  22)  iz  uuard 
hera  in  uuorolt  funs  wie  v  8,  28  nuio  er  uuard  hera  funs  hat 
man  hera  mit  dem  adjectiv,  nicht  mit  dem  verb  zu  verbinden, 
ähnlich  steht  es  mit  hina-uuesan,  weg  sein:  i  21,  3  Thar  Joseph 
imas  in  lante  hina  in  elilente  quam  imbot  imo  in  droume  ist  zu 
construieren :  thar  hina,  thar  Joseph  uuas  in  lante,  in  elilente, 
quam  imbot  imo.  ehanlih  v  23,240  (Uuaz  scolt  ih  thanne  —  biti 
sunta  untar  manne  — ,  tho  ebanlih  ni  mohta,  gizellen  thaz  dohta) 
iasst  Piper  als  neutralen  praedicalsacc.  und  schlägt  iolgende 
Übersetzung  vor:  'wie  sollte  ich  es  denn,  ich  sündiger  mensch, 
da  ich  doch  nicht  was  nützlich  war,  in  entsprechender,  würdiger 
weise  schildern  konnte.'  aber  dann  wäre  das  praeteritum  mohta 
neben  den  praesentibus  bin  239  und  mag  235  sonderbar;  lerner 
würde  die  durch  bin  sunta  untar  manne  angezeigte  Steigerung 
dieser  beiden  Zeilen  gegenüber  den  vier  vorangehenden  verloren 
gehen,  ebanlih  halte  ich  daher  für  einen  nom.  sg.,  aber  nicht 
masc.  iüv  ebanliher,  sondern  neutr. :  'in  wie  lern  sollte  ich  sün- 
diger mensch  die  herlichkeit  schildern,  nachdem  ein  ebenbürtiges 
Wesen  es  nicht  vermocht  hat.'  tho  ebanlih  ni  mohta  steht  parallel 
dem  halbverse  236  thaz  uuorolt  al  ni  mohta.  —  warum  salzan 
und  gisalzan  s.  385  intransitiva  genannt  werden,  während  doch 
die  objecte  dabei  stehen ,  blieb  mir  unverständlich. 

Der  dem  glossar  folgende  abriss  der  grammatik  enthält  nur 
eine  knappe  übersieht  der  formenlehre,  nicht  auch  der  laullehre; 
aber  die  alphabetische  aufzählung  sämmtlicher  nach  jedem  para- 
digma  flectierenden  worte  ist  recht  bequem  und  brauchbar,  den 
schluss  des  ganzen  bildet  eine  fortführung  der  Otfridbibliographie 
bis  zum  jähre  1884.  St. 


Thomas  Abbt.  ein  beitrag  zu  seiner  biographie.  inaugural-dissertation  zur 
erlangung  der  philosophischen  doklorwürde  an  der  Universität  zu 
Giefsen  von  Edmund  Pentzhorn  aus  Berlin.  Berlin,  ARose  (nunmehr: 
W&SLoewenthal),  1884.     2  bll.  und  102  ss.    8°.  —  2  m. 

Thiele  betont  im  eingange  seiner  Studie  über  Abbts  anteil 
an  den  Briefen ,  die  neueste  lilteratur  betreffend  die  notwendig- 
keit,  über  männer  zweiten  oder  dritten  ranges  lilterarhistorische 
forschungen  anzustellen,  und  erinnert  dabei  an  HLWagner;  mit 
dem  gleichen  gedanken  hebt  P.  seine  dissertalion  an  und  bezieht 
sich  ebenfalls  auf  ESchmidts  HLW.    Thiele  lehnt  es  ab,  eine  'wis- 

14* 


186  PENTZHORK  THOMAS  ABBT 

senschaltliche  biographie',  welche  A.  in  seiner  bedeutung  tür 
seine  zeit  würdigen,  sein  Verhältnis  zu  Lessing  und  Herder  be- 
trachten und  endlich  A.s  'eigene  leistungen'  schildern  müste,  zu 
schreiben,  und  will  nur  eine  Vorarbeit  tür  jene  weitere  arbeit 
geben,  nachdem  das  Interesse  lür  A.  durch  Suphans  Herderaus- 
gabe von  neuem  geweckt  sei.  auch  P.s  darstellung  'soll  keine 
umfassende  biographie  dieses  der  wissenschalt  zu  trüb  entrissenen 
mannes  bilden',  der  durch  Suphans  Herderausgabe  wider  ans  licht 
gezogen  sei;  sie  'soll  nur  seine  eigenen  [!]  leistungen  und  lebens- 
umstände  mit  gelegentlicher  berücksichtigung  der  ihn  umgebenden 
geistesheroen  vom  litterarhistorischen  standpuncle  aus  schildern 
und  so  einen  bescheidenen  beitrag  zu  einer  eingehenden ,  ihn 
nach  allen  selten  hin  würdigenden  wissenschattlichen  biographie 
lielern,'  dass  der  beitrag  P.s  bescheiden  ist,  dass  er  keine  wissen- 
schaftliche biographie  gibt,  gestehe  ich  ohne  Widerrede  zu;  aber 
wie  sich  der  litterarhislorische  standpunct  mit  gelegentlicher 
berücksichtigung  der  umgebenden  geistesheroen  verträgt,  ver- 
stehe ich  nicht,  da  die  arbeit  erweist  dass  P.  nicht  meint:  so 
oft  sich  gelegenheit  bietet,  sondern :  so  selten  er  eine  gelegenheit 
wahrnimmt,  ich  glaube,  die  phrase  vom  litterarhistorischen  stand- 
punct kam  nur  dadurch  in  den  text  P.s,  dass  Prutz  geschrieben 
hat:  er  wolle  A.  'nach  dem  mafsstabe  der  heutigen  Wissenschaft 
darstellen  und  damit  jene  pflicht  der  gerechtigkeit  erfüllen,  welche 
die  Wissenschaft  den  Irüh  verstorbenen  [s.  o. !]  überhaupt  schuldig 
sei.'  in  ähnlicher  weise  wie  die  kurze  einleitung  ist  fast  die 
ganze  schrift  P.s  compiliert. 

In  P.s  hericht  über  A.s  Jugendzeit  zeigt  sich  in  so  lern  ein 
fortschritt  gegenüber  den  älteren  darstelluugen,  als  er  mitteilungen 
über  die  einrichtung  des  Ulmer  gymuasiums  gibt,  dessen  Zög- 
ling A.  war.  unter  den  Schularbeiten  A.s  führt  er  dessen  rede 
von  der  dem  Drusus  geschehenen  erscheinung  nicht  auf,  obwol 
er  Weyermanns  Nachrichten  von  gelehrten  ....  aus  Ulm ,  die 
sich  auf  die  hs.  dieser  rede  berufen,  widerholt  citierl.  bei  der 
Schilderung  der  Übersiedelung  A.s  nach  Halle  ist  P.  abhängig  von 
Prutz,  nicht  blofs  in  den  stellen,  die  er  mit  anlührungszeichen 
als  dessen  eigentum  kenntlich  macht,  sondern  auch  in  den  meisten 
anderen  wenig  veränderten  Sätzen,  und  so  öfter,  trotzdem  bleibt 
er  hinler  Prutz  widerholt  zurück;  zb.  die  anregungen,  die  A. 
in  Halle  empfieng,  stellt  dieser  viel  tiefer  und  klarer  dar.  aus 
der  ersten  schrillstellerischeu  tätigkeit  A.s  wäre  die  magister- 
disputalion  über  die  babylonische  Sprachverwirrung  herauszuheben 
wegen  ihrer  äufserungen  über  die  entstehung  der  spräche;  andere 
zeitgenössische  theorien  üiier  dieselbe  frage  und  wenigstens  Her- 
ders preisschrift  musten  verglichen  werden,  auch  bei  A.s  Ge- 
danken von  der  einrichtung  der  ersten  Studien  eines  jungen  herrn 
von  Stande  wäre  'gelegentliche  berücksichtigung  der  umgebenden 
geistesheroen',    Wielands,    Herders  oder  wenigstens    der   von  A. 


PENTZHORN  THOMAS  ABBT  187 

citierten  Schriftsteller  am  platze  gewesen,  auch  wünscht  man 
autklärung,  wie  der  erste  druck  dieser  kleinen  schrill  sich  von 
dem  späteren  durch  A.s  und  Nicolais  zusätze  vermehrten  unter- 
scheidet, doch  die  vergleichung  von  verschiedenen  auliagen  hat 
P.  immer  unterlassen;  selbst  dann  wenn  die  erste  ausgäbe  allein, 
wie  die  der  Baunigartenbiographie  in  den  Rintelschen  anzeigen, 
einen  mafsstab  tiir  A.s  stil  gab,  indem  die  späteren  drucke  von 
freunden  corrigiert  wurden,  er  verschmäht  es  sogar  anzuzeigen 
dass  Nicolai  oder  Mendelssohn  zusätze  gemacht  haben  wie  bei 
dem  pädagogischen  autsatze  und  der  schritt  Vom  Verdienste;  er 
betont  nur  oft  dass  A.  nichts  ohne  die  kritik  seiner  freunde  habe 
drucken  lassen,  was  er  übrigens  auf  die  biographie  Baumgartens 
mit  unrecht  ausdehnt. 

Die  in  den  Gedanken  von  der  Studieneinrichtung  nieder- 
gelegten Vorschriften  sind  nach  P.  in  die  Bückeburger  Schul- 
ordnung übergegangen;  den  beweis  bleibt  P.  schuldig;  ist  dies 
der  fall  und  sind  die  Gedanken  so  bedeutend  als  P.  —  mit  un- 
recht —  sagt,  so  durfte  er  der  Schulordnung  nicht  alles  'lit- 
terarische interesse'  absprechen,  zu  A.s  Beweis,  dass  die  freund- 
schaften  unter  den  meisten  damen  viel  sublimer  seien  ,  als  die 
freundschafteu  unter  den  meisten  personen  des  anderen  ge- 
schlechts,  einem  nach  s.  14  geistreichen,  von  sprudelndem  witze 
übervollen  aufsalz,  der  aber  nach  s.  17  von  geringem  werte  ist, 
böten  die  moralischen  Wochenschriften  vergleichungsobjecte  ähn- 
lichen inhaltes. 

Über  die  anstellung  A.s  in  Frankfurt  a/0.  hat  P,  aus  acten 
genauere  daten  beigebracht;  neu  und  dankenswert  sind  auch  die 
in  anmerkungen  verwiesenen  milteilungen  über  A.s  Vorlesungen 
in  Halle  und  Frankfurt,  an  die  Vorlesung  von  1759  über  bered- 
samkeit  möchte  ich  den  abschnitt  des  Rinlelner  collegienheftes 
Über  körperliche  beredsamkeit  anknüpfen,  ein  thema,  das  be- 
kanntlich auch  Lessing  zu  bearbeiten  versprochen  hatte  (Hempel 
11,1,331);  A.  scheint  sichaufQuintilianl.il  zu  stützen,  dass 
A.  zwei  Semester  über  das  genie  der  englischen  spräche  (was  er 
unter  genie  einer  spräche  versteht,  sagt  er  Verm.  ww.  6,  99) 
liest  und  englische  poetische  stücke  kritisch  durchgehl,  verdient 
beachtung;  Pope  führt  er  oft  und  immer  voll  anerkennung  im 
munde.  1760  trägt  A.  logik  vor  und  erläutert  die  ersten  be- 
griffe der  schönen  Wissenschaften;  die  49  von  Prutz  und  P, 
verschwiegenen  bogen  über  logik  und  ästhetik,  die  Nicolai  ganz 
herausgeben  wollte,  während  Biester  nur  wenige  fragmenle  daraus 
des  druckes  wert  fand ,  schliefsen  sich  gewis  hier  an.  vorsich- 
tiger muss  man  in  der  beantwortung  der  frage  sein,  ob  A.  schon 
in  Halle  sich  mit  eigentlich  geschichtlichen  Studien  befasste.  auf 
die  Ulmer  schulrede  De  historia  vitae  magistra  und  die  halb- 
historische behandlung  zweier  theologischen  Schriften  der  ersten 
Halleschen  zeit  möchte  ich  nicht  so  viel  gewicht  legen  wie  Prutz. 


ISS  PEMZHORiS"    THOMAS    ABBT 

<lieser  benützt  auch  'unbedenklich'  die  Anmerkungen  zur  ge- 
schichte  Europas  nach  Joachims  grundlage  als  Zeugnis  tiir  diese 
periode,  da  sie  in  die  triihesle  zeit  der  academischen  tätigkeit 
A.s  fielen;  nach  Biesters  angäbe  dagegen  sind  die  Anmerkungen 
erst  in  Rinteln  niedergeschrieben,  und  P.s  uacbloischungen  er- 
gaben dass  A.  weder  in  Halle  noch  in  Frankturt  historische  Vor- 
lesungen gehalten  hat.  trotzdem  folgt  P.  der  Prutzschen  anord- 
nung,  noch  dazu  ohne  die  begründung  seines  gewährsmannes 
herüberzunehmen,  er  hätte  an  Jördens  ihm  unbekannter  angäbe 
(5, 697),  die  Hallischen  anzeigen  1760  ur  12  enthielten  einen 
aufsatz  A.s  Von  dem  verschiedenen  gebrauche  der  alten  geschichte, 
vielleicht  einen  festen  anhält  finden  können;  vielleicht;  ich  kenne 
nur  den  titel  der  schritt,  wie  aber  P.  zu  der  behauptung  kommt, 
die  genannten  Anmerkungen  zu  Joachim  (etwa  im  anschluss  an 
dessen  Einleitung  zur  reichshistorie?  P.  geht  der  quelle  nicht 
nach)  seien  gewisser  mafsen  in  gröster  kürze  eine  philosophie 
der  geschichte,  begreife  ich  nicht;  Biesters  inhaltsangabe  lässt 
nichts  erwarten  als  eine  historische  Propädeutik. 

Die  freude  A.s  über  seine  anstellung  in  Frankfurt  a,0.  er- 
innert P.  mit  grund  daran,  dass  auch  andere  Süddeutsche  da- 
mals ihr  äuge  nach  dem  norden  gerichtet  hielten,  so  gut  wie 
Wekhrlin  muste  er  Schubart  nennen,  mit  Wieland  freilich  ist 
es  eine  andere  sache;  als  er  den  Cyrus  dichtete,  wünschte  er 
allerdings  sich  damit  in  Preufseu  zu  empfehlen;  wenn  aber  P. 
schreibt:  Cyrus  sollte  Wieland  zu  einer  anstellung  in  Preufsen 
verhelfen;  später  kam  ja  auch  Wieland,  nachdem  er  professor 
in  Erfurt  gewesen,  in  das  land,  nach  dem  er  sich  sehnte;  er 
erhielt  einen  ruf  nach  Weimar:  so  ist  das  erstens  so  schlecht 
ausgedrückt,  dass  man  das  damalige  Erfurt  oder  Weimar  in 
Preufsen  suchen  möchte,  und  zweitens  falsch;  denn  Wieland 
sehnte  sich  gar  nicht  mehr  nach  Norddeutschland  und  hegte  lauge 
jähre  den  plan ,  nach  Schwaben  zurückzukehren.  P.  hat  die 
einzelnen  Sätze  dieses  excurses  aus  Scherers  Litteraturgeschichte 
so  unglücklich  zusammengestellt,  dass  was  hier  völlig  richtig  ist, 
bei  ihm  durchaus  verkehrt  wurde. 

Bekanntlich  hängt  mit  A.s  Übersiedelung  nach  Frankfurt  seine 
erste  bedeutende  schritt  Vom  tode  fürs  vaterland  zusammen.  Prutz 
sagt,  es  sei  überaus  neu  gewesen,  dass  ein  mann  von  gelehr- 
samkeit  in  einer  allgemeinen,  einer  politischen  angelegenheit 
seine  stimme  erhoben  habe,  und  P.  püichtet  ihm  getreuhch  bei. 
o  die  gewalt  des  nachbeteus,  würde  A.  auch  hier  ausgerufen 
haben,  wie  unumschränkt  beherschl  sie  nicht  die  Schriftsteller! 
P.  straft  seine  Zustimmung  selbst  lügen ,  da  er  die  abhängigkeit 
A.s  von  Zimmermanns  schrift  Vom  nationalstolze  erweist,  die 
s.  25,  auf  der  das  geschieht,  muss  ausgezeichnet  werden;  sie  ist 
die  einzige,  auf  welcher  P.  eine  eigene  Untersuchung  vorträgt, 
er  durfte  weiter  gehen,  aulser  den  wörtlichen  entlehnungen  die 


PENTZHORN    THOMAS   ABBT  189 

ähnlichkeit  der  beideo  schriltsteller  verlolgen,  durfte  im  einzelnen 
nachweisen,  dass  der  'gedankengaug  und  inhalt  von  A.s  erstem 
hauptstück  und  zum  teil  auch  der  lolgenden  sich  genau  ebenso 
im  12  capitel  der  Zimmermannschen  abhandlung  flndet';  nur  da- 
durch würde  es  verständlich,  warum  A.  fragt,  ob  Patriotismus 
auch  in  monarchien  möglich  ist.  er  durfte  auch  auf  Wielands 
Gedanken  über  den  patriotischen  träum  von  einem  mittel  die 
eidgenossschaft  wider  zu  verjüogern  hinweisen,  wo  zu  lesen  steht, 
man  könne  unter  einem  könige  frei  und  in  einer  republik  ein 
sclave  sein,  für  die  ganze  politische  richtung  der  aufklärer  durfte 
€r  auf  Iselins  Philosophische  und  patriotische  träume  eines  men- 
schenfreundes  aufmerksam  machen;  er  durfte  sogar  bis  auf  Haller 
zurückgehen,  dessen  politisches  Interesse  Hirzel  so  hell  beleuchtet 
hat.  allerdings  darin  war  A.s  schrift  die  erste,  dass  sie  im 
wahren  sinne  zeitgemäfs  war,  sich  an  eine  besondere,  augen- 
blickliche und  hervorragende  politische  läge  anschloss  und  darum 
leidenschaftlicheren  Patriotismus  atmete  und  anfachte,  darum 
lassen  sich  die  blätter  heute  noch  lesen,  obwol  sie  mit  pomp- 
haften rhetorischen  perioden  anheben  und  schwerfällig  die  materie 
zergliedern,  nach  Zimmermanns  vorbild  das  für  und  wider  pedan- 
tisch erörtern  und  sich  mit  beispielen  allzu  sehr  belasten. 

Über  A.s  anteil  an  den  Litteraturbriefen  geht  P.  schnell 
hinweg,  weil  Thiele  und  Prutz  dieselben  bereits  erschöpfend  dar- 
gelegt hätten,  er  flickt  nur  in  der  eile  die  bemerkung  ein,  Les- 
sing sei  anfangs  der  einzige  gewesen ,  der  an  den  Briefen  ge- 
arbeitet hätte;  darnach  scheint  P.  das  zweite  stück,  zu  dem  Ni- 
colai einen  brief  beisteuerte,  nicht  mehr  zum  anfang  zu  rechnen; 
oder  hat  er  ESchmidts  'glanzvolle  darstelluug',  auf  die  er  sich 
beruft,  etwas  zu  flüchtig  gelesen?  es  heifst  da:  die  ersten  sechs 
teile  sind  im  wesentlichen  Lessings  werk,  ein  von  ihm  allein 
geschriebenes  organ.  Thieles  forderung,  es  müste  in  einer  bio- 
graphie  A.s  sein  Verhältnis  zu  Lessing  behandelt  werden,  weist 
P.  ab:  es  sei  kaum  eine  stelle  zu  finden,  die  auf  eine  unmittel- 
bare anlehnung  A.s  an  Lessing  schliefsen  lasse  (als  ob  das  allein 
auhaltspuncte  gäbe!),  A.s  Vorbilder  seien  vielmehr  die  Franzosen 
und  Engländer;  leider  sagt  P.  nicht  welche,  ich  glaube,  wer 
zb.  A.s  brief  vom  9  n  1762  liest,  wird  allerdings  an  Lessing 
erinnert  werden,  aber  den  stil  der  A. sehen  briefe  hat  ja  P.  gar 
keines  blickes  gewürdigt,  obwol  sie  teilweise  so  gut  geschrieben 
sind,  dass  man  bedauert,  die  von  A.  handschriftlich  hinterlassene 
Anweisung  zum  briefschreiben  —  P.  schweigt  von  dieser  nach- 
richt  Nicolais  —  nicht  gedruckt  zu  besitzen.  Thiele  hat  aber 
auch  verlangt  dass  A.s  Stellung  zu  Herder  erörtert  werde ;  darüber 
verliert  P.  kein  vvort,  ja  er  verweist  für  die  anknüpfung  der  Frag- 
mente an  A.  nicht  einmal  auf  Haym. 

P.  führt  A.  nach  Berlin,  wo  dieser  nach  s.  36  bis  in  den 
november  blieb,  während  er  nach  s.  38  schon  am  10  october  in 


190  PENTZHORN    THOMAS    ABBT 

Rinteln  anlangte,  die  freundschaften ,  die  A.  hier  und  ander- 
wärts schloss,  sind  mit  keiner  silbe  characterisiert,  obgleich  A.s 
briefwechsel  doch  Stoff  genug  hierfür  gibt,  auch  ob  die  urteile  A.s 
über  die  auT  der  Schweizer  reise  besuchten  personen  richtig  sind, 
ob  und  wie  die  neuen  bekanntschafteu  und  die  reisen  überhaupt 
aut  A.  würklen  oder  würken  konnten,  all  das  ist  P.  gleichgiltig. 
er  begnügt  sich  mit  äufserlicher  berichterstattung. 

Ebenso  wenig  dringt  er  in  die  Schriften  A.s  ein.  wie  sich 
die  beiden  geschichtlichen  werke  A.s  zu  den  büchern  verhalten, 
aus  denen  sie  excerpiert  sind,  untersucht  er  nicht,  von  der 
Portugiesischen  geschichte  sagt  er  s.  53 :  der  schrift  fehle  es  an 
allem,  sie  sei  fast  werllos,  s.  54  aber  tadelt  er  Prutzs  urteil, 
die  arbeit  sei  ziemlich  leichtfertig,  als  zu  scharf,  dass  Lessing 
im  litteraturbrief  52  f  Gebauers  Portugiesische  geschichte ,  A.s 
vorläge,  bespricht,  verdiente  wol  bemerkt  zu  werden;  Lessing 
klagt:  wenn  Gebauer  nur  ein  klein  wenig  besser  zu  schreiben 
wüste  und  nicht  überall  den  dociereuden  professor  so  sehr  hören 
liefse;  A.  schreibt  am  10  wintermonat  1762,  er  halte  Gebauers  ge- 
schichte für  das  manuscripl  eines  gelehrten  forschers,  der  nicht 
schreiben  kann,  die  andere  historische  arbeit  A.s  ist  nach  P.s 
angäbe  1767  erschienen;  Jordens  1,  10  gibt  das  jähr  1766  an, 
1767  sei  eine  zweite  ausgäbe  mit  verändertem  titelblatle  veran- 
staltet worden ;  Jordens  angäbe  ist  nach  A.s  briefwechsel  (Verm.  ww. 
5,  128.  167.3  (1771),  397)  richtig,  obwol  weder  Kayser  noch 
Heinsius  den  druck  von  1766  verzeichnen,  den  sehr  belang- 
reichen briefwechsel  Mosers  und  Nicolais  über  dies  werk  (Moser, 
Verm.  Schriften  2,  139  ff)  hat  P.  nicht  benutzt,  übrigens  'nicht 
geschichtschreiber,  aber  ein  grofser  politischer  Schriftsteller  wäre 
A.  geworden!'    (Almanach  d.  d.  musen  1773  s.  7). 

Die  philosophischen  Schriften  A.s  musten  zuvörderst  mit 
Shaftesburys  und  Mendelssohns  werken  zusammengehalten  wer- 
den. A.s  Anmerkungen  über  Mendelssohns  briefe  Über  die  empftn- 
dungen  und  seine  Zweitel  über  die  bestimmung  des  menschen 
haben  Prutz  und  P.  gar  nicht  genannt  (Verm.  ww.  3  (1771),  14. 
179.  207).  für  die  schrill  Vom  Verdienste  verweisen  Nicolai  und 
Herder  und  nach  ihnen  Prutz  und  P.  auf  Tacitus  und  Sallust; 
der  beweis  der  ähnlichkeit  dürfte  schwer  zu  erbringen  sein. 
Herders  recension  des  Werkes  von  1765  erwähnt  P.  nicht;  da- 
gegen hebt  er  wider  wie  auch  sonst  ein  par  beliebige  urleile 
von  Zeitgenossen  aus.  Gellerts  worte  hierüber  hätten  ihn  zu  der 
Untersuchung,  wie  sich  A.  zu  Montesquieu  und  Rousseau  stellt, 
veranlassen  sollen,  doch  er  schildert  ja  auch  nicht  A.s  Verhältnis 
zu  den  deutschen  litteraturströmungen,  A.s  urteile  über  die  Kar- 
schin,  Gleim,  Geliert,  die  Gottschedianer,  Klopstock,  Hamann  sind 
überraschend  richtig  oder  characteristisch  (vgl.  Verm.  ww.  5,  139. 
142.  144  ff.  6,  5  f.  54  I.  Vom  Verdienste  hptsl.  3  arlikel  3  uam.). 
alles  bemisst   er   nach  dem  werte  fürs  volk  und  die  aulklärung. 


PENTZHORN    THOMAS    ABBT  191 

'prosa,  schreie  ich,  gebt  mir  gesunde  prosa,  untl  geht  mit  eiiern 
Versen,  wenn  nicht  ebenso  viel  bon  sens  darin  ist,  als  in  der 
prosa ,  etwa  so  wie  in  Horazens  und  Popens  brieten ,  geht  wohin 
ihr  wollt,  mit  eurem  tändelnden  geleier.  schauspielstiicke  nehm 
ich  aus,  aber  alle  heldengedichte,  wenn  ich  einige  der  besten 
stellen  herausgenommen,  mögen  meinetwegen  morgen  verbrennen' 
(Verm.  ww.  3  (1771),  266).  so  muste  der  schreiben,  nach  dessen 
meinung  es  'nicht  nur  das  brauchbarste  an  der  philosophie  ist, 
sie  zur  berichtigung  der  urteile  über  Sachen  im  täglichen  leben 
anzuwenden  und  ihr  dadurch  das  ansehen  des  natürlichen  men- 
schenverstandes  zu  geben,  sondern  dieser  schlichte  aber  gute  ver- 
stand (piain  good  seuse)  auch  wol  das  nationalzeichen  ist,  welches 
den  deutschen  köpf  vornemlich  von  andern  unterscheidet'  (Vom 
Verdienste,  vorbericht).  aber  den  popularphilosophen  A.  hat  P. 
so  wenig  characterisiert,  wie  den  theologen.  und  doch  gab  die 
mit  Liscows  satiren  zu  vergleichende  Erfreuliche  nachricht  von 
einem  auto  da  te  anlass,  die  zerstreuten  äufserungen  A.s  über 
seine  religiöse  Stellung  zu  sammeln,  gegenschriften  gegen  dies 
Auto  da  l'e  nennt  Jördens  1,9  zwei,  die  P.  nicht  anführt,  doch 
ich  darf  mich  auf  berichtigungen  und  das  ausfüllen  von  lücken 
(vgl.  RMWerner  DLZ  1884  nr  46)  nicht  einlassen,  wenn  ich 
ein  ende  finden  will. 

Nur  über  A.s  beitrage  zu  der  Allgemeinen  deutschen  bibliothek 
noch  ein  parworte.  A.s  chiffre  ist  nicht  H.  —  so  zeichnete  vWöU- 
ner  —  sondern  ^.  die  recension  über  Meiers  Kaiser  Julian  soll 
'im  allgemeinen  nichts  weiter  als  eine  trockene  Inhaltsangabe' 
sein,  mit  'nur  sehr  wenigen  und  unbedeutenden' betrachtungen : 
tatsächlich  geben  von  den  19 V2  ss.,  welche  die  anzeige  füllt, 
2V2  den  Inhalt  der  schritt  und  17  ss.  kritische  bemerkungen  und 
den  'entwurf  einer  abhandlung  über  Julianen.'  auf  die  anzeige 
von  Wielands  Romischen  erzählungen  hat  bekanntlich  Goethe  in 
DW  2,  55  bezug  genommen;  man  hätte  um  so  mehr  erwarten 
dürfen  dass  P.  dies  berücksichtigt,  als  er  seine  dissertation  mit 
den  Worten  anhebt:  'Goethes  berühmte  Selbstbiographie'  usf.  und 
doch  hat  er  weder  diese  wichtige  äufserung  Goethes  noch  die 
flüchtige  erwähnung  3,  67  berührt,  sodass  der  verdacht  aufsteigt, 
er  habe  seine  schrift  nur  deswegen  mit  jenen  Worten  eröffnet, 
weil  Waniek  seine  'treffliche  monographie'  über  Pyra  (s.  5  anm.  2; 
vgl.  Scherers  LG  757  'vortreffliche  monographie')  beginnt:  'die 
berühmte  Schilderung,  welche  Goethe  im  7  buch  seiner  Selbst- 
biographie' usw.  s.  87  weist  P.  richtig  die  Prutz  entgangene  re- 
cension Allg.  d.  bibl.  II  2,  36  A.  zu. 

Zum  Schlüsse  der  schrift  P.s  steuerten  RMWerner  und  Wohl- 
will etwas  brauchbares  bei;  jener  einen  brief  Cramers  über  A. 
in  Bückeburg,  dieser  die  auch  von  Hauff  nicht  gefundene  ode 
Schubarts  auf  A.  dies  und  das  wenige  neue,  was  ich  oben 
sorgfältig  bezeichnet  habe,  wird  ein  künftiger  biograph  A.s  nützen 


192  PEISTZÜORN    THOMAS    ABBT 

können ;  im  sonstigen  aber  tlarl  ihm  diese  dissertation  nichts  als 
ein  warnendes  exempel  sein. 

Würzburo;.  Bernhard  Seuffert. 


Schuldrama  und  theater.  ein  beitrag  zur  theatergescbichte  von  Emil  Riedel. 
Hamburg  und  Leipzig,  Leopold  Voss,  1885.  75  ss.  gr.  8"  [separat- 
abdrucii  aus  Koppmann,  Aus  Hamburgs  Vergangenheit,  s.  181  ff]. 
—  2  m.* 

Es  wird  in  der  vorliegenden  schritt  mehr  vorausgesetzt  als  be- 
wiesen dass  sich  das  gesammte  deutsche  theaterwesen  aus  den  schul- 
auttiihruugen  entwickelt  habe  (s.  8),  welche  nicht  erst  nach  der 
widerbelebung  der  klassischen  Studien  in  Deutschland,  sondern  un- 
mittelbar nach  der  aufnähme  römischer  bildung  und  gelehrsamkeit 
in  den  kloster-  und  domschulen  eingeführt  worden  seien  (s.  10). 
gegen  die  herschende  ansieht,  dass  die  anfange  des  drama  in  der 
litnrgie  zu  suchen  sind,  wendet  der  verf.  zunächst  ein  dass  'dieser 
mysteriösen  abstammung  des  mittelalterlichen  drama  die  i'rilh- 
zeitigen  angriffe  und  Verfolgungen  des  gesammten  schauspielwesens 
durch  die  kirchenväter  widersprechen':  allein,  ganz  abgesehen 
davon  dass  sich  diese  angriffe  der  kirchenväter  leicht  durch  den 
bezug  auf  den  als  scurra  fortlebenden  römischen  mimus  erklären, 
sieht  man  sofort  ein  dass  die  Riedeische  hypothese  nichts  besser 
macht,  indem  dramatische  schulübungen  unter  geistlicher  aufsieht 
nicht  gefährlicher  sein  konnten  als  dramatische  auffuhrungen  in 
der  kirche.  zweitens  aber  ist  der  verf.  der  meinung,  dass  'die 
ursprüngliche  anwendung  der  lateinischen  spräche  in  den  ältesten 
christlichen  Schauspielen  viel  mehr  auf  den  zweck  einer  gelehrten, 
als  auf  den  einer  volkstümlichen,  religiösen  bildung  der  zuhörer 
hinweise'  (s.  5);  dass  die  dramen  der  Hrosvitha  'aus  kirchlich- 
pädagogischen  gründen  gedichtete  lehrmittel  zum  Unterricht  in 
der  lateinischen  spräche'  seien,  das  letztere  ist  unwahrscheinlich 
genug:  denn  wir  wissen  dass  glossen  und  interlinearversionen 
denselben  zweck  practischer  verfolgten;  der  gebrauch  der  latei- 
nischen spräche  aber  ergibt  sich  ebenso  ungezwungen  denen, 
welche  die  dramatische  dichtung  aus  der  sequenzform  ableiten, 
und  wenn  Riedel  diese  dramatischen  schulübungen  bis  ins  10  jh. 
zurück  rücken  will,  dann  war  es  unpassend,  zwischen  einer  ge- 
lehrt lateinischen  und  volkstümlich  religiösen  bildung  der  zuhörer 
zu  unterscheiden,  denn  damals  verstanden  auch  laien  latein.  so 
wenig  uns  die  argumentc  Riedels  gegen  die  bestehende  meinung 
überzeugen,  so  sind  die  gründe,  welche  er  für  die  seinige  gel- 
tend macht,  noch  weit  schwächer,  auf  die  entstehungszeit  der 
dramatischen  dichtung  wird  hierbei  überhaupt  gar  keine  rücksicht 

[*  vgl.  DLZ1884  sp.  1879  (WScherer).] 


BIEDEL    SCHULDBAMA    OD    THEATER  193 

genommen :  die  dramatischen  schulübungen  werden  seit  dem  9  und 
10 jh.  einlach  decretiert.  was  s.  8  t  gesagt  wird,  bezielit  sich  auf 
eine  spätere  zeit  und  beweist  in  bezug  aut  die  entstehungsart 
des  drama  nichts:  denn  dass  die  ersten  berulschauspieier  und  die 
ersten  mitgUeder  der  Hamburger  oper  studeuten  waren,  hat  mit 
dieser  so  wenig  zu  schaffen,  als  die  erscheiuuug  der  kleriker 
unter  den  vaganten  des  mittelalters  mit  der  entstehung  der  lyrik, 
welche  niemand  in  den  klöstern  sucht. 

Von  diesem  falschen  grundgedanken  abgesehen ,  enthält  die 
kleine  schrill  viel  belehrendes,  sie  gibt  im  wesentlichen  einen 
grundriss  der  Hamburger  theatergeschichte  bis  zum  jähre  1781 
unter  besonderer  berücksichtigung  des  schuldrama  :  man  wünschte 
mehr  von  dem  inhalte  der  texte  zu  erfahren,  es  wird  nur  über 
den  inhalt  der  Ristschen  Irenaromachia  fs.  31ffj,  einiger  gespräch- 
spiele (s.  47  ff)  und  redeübungen,  über  ein  Oratorium  von  Richey 
(32 1)  und  ein  weihnachtsspiel  (65  ff)  genaueres  mitgeteilt,  über 
Rist  sind  wir  nun  gleichzeitig  von  mehreren  selten  {vgl.  oben 
s.  86;  Gaedertz  im  Jahrbuch  des  Vereins  für  niederdeutsche  Sprach- 
forschung VII  und  viii,  sowie  im  Correspondenzblatt  des  Vereins 
für  niederdeutsche  Sprachforschung  vii  69  und  in  den  Akademi- 
schen blättern  i  385  ff.  411  ff;  Bolte  ebenda  viii  1,3)  genügend 
orientiert  worden. 

Der  versuch ,  die  entstehung  des  deutschen  drama  überhaupt 
aus  dem  schuldrama  ableiten  zu  wollen,  muss  vor  der  band 
wenigstens  zurückgewiesen  werden,  damit  wird  die  bedeutung 
desselben  für  die  fortentwicklung  unseres  drama  natürlich  nicht 
geläugnet.  es  ist  keine  frage,  dass  ein  eingehendes  Studium  des 
schuldrama  noch  manchen  dunklen  punct  aufbellen  könnte  ;  nur 
müsten  die  texte  selbst  eine  gröfsere  berücksichtigung  finden  als 
die  äufseren  Zeugnisse  über  die  aufführungen.  von  diesem  ge- 
sichtspuncte  aus  wird  man  das  vorliegende  heft  zu  schätzen  wissen. 

Prag.  J.  Minor. 


Kleist -LiTTERATUR. 

1.  Heinrich    von  Kleists   briefe  an    seine   braut,      zum    ersten    male   voll- 

ständig nach  den  oiiginalhandschriften  herausgegeben  von  Karl  Bieder- 
mann, mit  den  bildnissen  Kleists  und  seiner  braut.  Breslau  und 
Leipzig,  SSchottländer,  1884.     xxvi  und  250  ss.     kl.  S".  —  4  m.* 

2.  Heinrich  von  Kleist,     von  Otto  Brahm.     gekrönt  mit  dem  ersten  preise 

des  Vereins  für  deutsche  litteratur.  Berlin,  allgemeiner  verein  für 
deutsche  litteratur,  1884.     (iv  und)  391  ss.    8".  —  7  m.** 

Die  beiden  oben  angezeigten  erscheinungen  auf  dem  gebiete 
der  Rleistlilteratur  dürften  wol  einen  vorläufigen  abschluss  be- 
deuten,   vereinzeltes  von  und  über  Kleist  kommt  zwar  noch  immer 

[*  vgLDLZ  1884  nr25  (OBrahm).  —  **  vgl.  DLZ  1S55  nr  9  (BSeuffert).] 


1 94  KLEIST  -  LITTERATÜR 

an  den  tag  und  wird  auch  vielleicht  noch  später  an  den  tag  kom- 
men :  aber  eine  bedeutende  nachlese  steht  kaum  zu  erwarten, 
sind  wir  doch  auch  in  den  letzten  zwanzig  jähren  trotz  zahl- 
reichen publicationen  nicht  bis  zur  lösuug  der  vielen  rätsei  vor- 
gedrungen ,  welche  Kleists  leben  nach  wie  vor  dem  belrachter 
darbietet,  man  braucht  nur  die  biographie  Brahms  mit  der  von 
Wilbrandt  zu  vergleichen,  um  einzusehen  dass  die  conjectur  heute 
noch  ebenso  wie  damals  und  genau  an  denselben  stellen  weiter 
hellen  muss. 

Unter  dem  handschriftlichen  malerial,  weiches  seit  Wilbrandts 
monographie  an  den  tag  gefordert  worden  ist,  nehmen  die  von 
Biedermann  herausgegebenen  briefe  entschieden  den  obersten  rang 
ein:  sie  sind  für  die  erkenntnis  von  Kleists  entwickelung  wich- 
tiger als  der  von  Lindau  verötfentlichte  aufsatz  Über  die  allmäh- 
liche Verfertigung  der  gedanken  beim  reden,  die  nicht  schon 
von  Bülow  verölTentlichten  briefe  hat  Biedermann  zuerst  unter 
auslassungen  und  abkürzungen  in  der  Zeitschrift  Nord  und  siid 
von  Paul  Lindau  (october  18S1,  September  und  october  1882) 
mitgeteilt:  jetzt  findet  man  in  einem  gelällig  ausgestatteten  büch- 
lein  alle  briefe  bequem  vereinigt  und  nach  den  hss.  abgedruckt, 
der  text  derselben  gibt,  soweit  man  allein  aus  dem  inhalte  und 
ohne  einsieht  in  die  hss.  urteilen  kann,  zu  bedenken  keinen  an- 
lass :  höchstens  s.  82  z.  3  von  oben  möchte  mau  Übereinstimmung 
mit  s.  80  z.  1  von  oben,  also  erreichung  der  Vollkommenheit 
statt  des  unpassenden  erziehung  der  Vollkommenheit  erwarten, 
und  die  vielen  versehen,  welche  dem  leser  das  aufsuchen  der  be- 
richtigungen  und  zusätze  erschweren ,  sind  hoffentlich  bei  der 
lesung  der  hss.  fern  geblieben,  nachtrage  und  berichligungen 
zu  den  angaben  der  vorrede  über  die  familie  Zeuge  hat  neuer- 
dings Karl  Siegen  in  den  Akademischen  blättern  i  363  ff  veröffent- 
licht; über  Wilhelminens  späteres  leben  in  Leipzig  als  professorin 
Krug  vgl.  Erinnerungen  an  Friedrich  von  Üchtritz  und  seine 
zeit,  in  brieten  von  ihm  und  an  ihn,  mit  einem  voiwort  von 
Heinrich  von  Sybel  (Leipzig  1884)  s.  3.  10.  13.  15.  19.  20.  23  f. 
71;  ein  fräulein  Zeuge  aao.  6.  8  f.  19.  71.  das  s.  240  ff  abge- 
druckte und  in  der  anmerkung  besprochene  gedieht  (vgl.  Hempel 
V  11  ff,  Brahm  28)  ist  zuerst  gedruckt  im  Wendtischcn  musen- 
almanach  1830  unter  dem  titel  Nachgelassene  Sprüche  von  Hein- 
rich von  Kleist;  jede  Strophe  wird  als  selbständiger  spruch  ge- 
geben und  nummeriert.  s.  241  z.  2  lautet,  die  dem  gedichte  bei- 
gefügte anmerkung  (s.  241  anm.2)  in  den  text  aufnehmend:  tiicht 
mit  dem  zauberstab  des  Hermes  öffnen;  s.  242  z.  7  entreis'tem; 
z.  11  [eisen;  z.  12  abgrund;  z.  13  dickster;  z.  14  seiner;  z.  18 
thront;  z.  21  nnsers;  z.  25  perlemntter;  s.  243  z.  18  keim  an- 
statt stein,  mit  Brahm  bin  ich  (trotz  Biedermann  s.  31)  der  meiuung, 
dass  das  gedieht  Kleist  gehört:  es  erinnert  an  alles,  was  wir  von 
Kleist  aus  der  zeit  der  bilderjagd  wissen  und  sucht  widerholt  die 


KLEIST -UTTERATLR  195 

genaue,  fast  peioliche  Übereinstimmung  in  allen  teilen  zweier  mit 
einander  verglichener  gegenstände,  welche  Kleist  damals  verlangte 
(vgl.  s.  133  1). 

Das  buch  von  Brahm  ist  besonders  nach  der  künstlerischen 
Seite  hin  eine  wertvolle  hereicherung  der  monographischen  lit- 
teratur  in  Deutschland,  man  wird  die  bedingungen  einer  künst- 
lerisch abgerundeten  darstellung  nicht  leicht  in  einem  anderen 
werke  aul  dieselbe  art  erfüllt  finden  als  bei  Brahm.  schon  äufser- 
lich,  in  der  gruppierung  und  anordiiung,  tritt  dieser  Vorzug  wol- 
gelällig  hervor,  tünt  bücher  bilden  den  inhalt:  das  mittlere  buch, 
welches  den  dichter  'im  amt'  schildert,  ist  das  kürzeste;  das  erste 
('Jugend')  und  vierte  ('einsames  dichten')  stehen  wie  an  bedeu- 
tung  so  auch  an  umlang  hinter  dem  zweiten  ('der  dichter  des 
Robert  Guiscard')  und  dem  lüntten  ('patriot  und  romantiker')  zu- 
rück, zu  welchen  sie  die  Vorbereitung  bilden,  schwieriger  musteu 
die  Unterabteilungen  jener  biographischen  abschnitte  gelingen,  in 
welchen  Kleists  ziemlich  zerfahrenes  und  jeder  Ordnung  und  an- 
ordnung  widerstrebendes  leben  den  inhalt  bildet,  hier  verstand 
es  Brahm,  die  reisen  Kleists  zum  mittelpunct  zu  machen,  und  so 
finden  wir  die  kunstmäfsig  correspondierenden  titel:  'die  reise 
nach  dem  glück',  'die  reise  nach  dem  beruf,  'die  reise  nach  dem 
ideal.'  auch  innerhalb  der  einzelnen  capitel  herscht  kunstvoller 
sinn :  namentlich  eingang  und  schluss  sind  wol  überlegt  und  nur 
den  schluss  des  ganzen  ('am  18  october  ward  die  Völkerschlacht 
bei  Leipzig  geschlagen.  ...  es  war  Kleists  geburtstag;  hätte  er 
ihn  erlebt,  er  wäre  damals  sechsunddreifsig  jähre  alt 
geworden')  kann  ich  ebenso  wenig  geschmackvoll  finden  als 
das  spielen  Herman  Grimms  mit  bedeutenden  und  vielsagenden 
zahlen,  es  galt  ferner  die  erzählenden  biographischen  teile  und 
die  ästhetisch-kritischen  in  ein  gewisses  gleichgewicht  zu  bringen: 
durch  eine  in  dem  ersten  buche,  wo  die  quellen  reicher  fliefsen, 
knappe  und  gedrängte,  nirgends  aber  beengte  darstellung  hat 
Brahm  hier  die  nötige  kürze,  gegen  den  schluss  aber,  wo  die 
quellen  sparsamer  fliefsen,  das  leben  hinter  den  dichtungen  fast 
zu  verschwinden  droht  und  aufser  dem  abreifsen  des  biographi- 
schen fadens  ein  abfallender  schluss  zu  befürchten  stand,  durch 
retardierende  und  breitere  erzählung  die  nötige  ausdehnung  er- 
reicht, im  ersten  buch  wird  dem  entsprechend  material  über  bord 
geworfen:  aber  auch  das  ausgeschiedene  ist  lür  Brahm  nicht  ver- 
loren :  so  wenig  er  uns  hier  über  Kleists  soldatenleben  berichtet, 
so  viel  weifs  er  bei  der  besprechung  des  Prinzen  von  Homburg, 
an  der  stelle  wo  diese  soldatenzeit  für  Kleists  dichtung  fruchtbar 
wird,  darüber  zu  sagen,  an  einer  stelle  muss  ich  indessen  diese 
weise  Verteilung  des  Stoffes  tadeln :  s.  48  ff  wird  Kleists  zweiter 
reiseplan  erzählt;  wir  erfahren  kein  wort,  dass  Kleist  diesen  für 
Wilhelmine  so  schmerzlichen  entschluss  bald  als  ein  blofses  spiel 
des  Verhängnisses  betrachtete  und  nur  gieng,  um  nicht  als  wankel- 


196  .  KLEIST -LITTERATLR 

mutig  vor  den  leuten  zu  gelten,  die  ganze,  für  Kleists  character 
und  tür  sein  Verhältnis  zu  Wilhelmine  so  bezeichnende  briefstelle 
wird  erst  s.  75  f,  gelegentlich  der  Familie  Schroffenstein,  nach- 
getragen, wo  dieses  erlebnis  als  der  keim  zu  dem  drama  hinter- 
her Verwendung  findet,  nachdem  schon  der  bruch  mit  Wilhelmine 
und  Kleists  leben  in  der  Schweiz  erzählt  worden  ist.  hier  hätte 
mir  eine  frühere  erzählung  und  spätere  berufung  um  so  mehr 
natürlich  geschienen,  als  ich  in  den  s.  76  hervorgehobenen  worten 
Kleists:  mir  ist  diese  periode  in  meinem  leben  und  dieses  gewalt- 
same fortziehen  der  Verhältnisse  zu  einer  handhmg ,  mit  deren  ge- 
danken  man  sich  Mos  zu  spielen  erlaubt  hatte,  äufserst  merkwürdig 
eine  reminiscenz  an  den  kurz  vorher  gelesenen  Wallenstein  (den 
grofsen  monolog  in  Wallensteins  tod  i  4)  zu  erkennen  glaube. 
Auch  von  der  wissenschaftlichen  seite  betrachtet  ist  Brahms 
monographie  eine  tüchtige  leistung.  freilich  ein  besonders  umfang- 
reiches material  war  hier  nicht  zu  sammeln  oder  zu  beherschen. 
die  von  Wilbrandt  sorgfältig  benutzten  quellen  sind  in  den  letzten 
zwanzig  jähren  nur  durch  etliche  aufsätze  und  einige  briefe  be- 
reichert worden,  welche  Brahm  ebenso  sorgfältig  ausgenutzt  hat. 
er  hat  auch  neue  quellen  erschlossen :  aus  Wien  ist  ihm  ein 
interessanter  brief  Kleists  von  HvCollin  mitgeteilt  worden,  welchen 
er  s.  307  ff  verwertet;  die  mündlichen  erzählungen  ihrer  excel- 
lenz der  frau  von  Oliers,  der  tochler  Stägemanns,  haben  seine 
erzählung  der  letzten  tage  Kleists  unterstützt;  er  zum  ersten  male 
hat  die  lebensgeschichfe  von  Fouque,  eine  noch  in  anderer  hin- 
sieht ergibige  quelle,  herangezogen,  auch  die  Sammlung  von 
Fouques  kleineren  prosaischen  Schriften :  Gefühle  bilder  und  an- 
sichten  (Leipzig  1819)  enthält  i  116  ff  ein  Gespräch  über  Heinrich 
von  Kleist,  aus  welchem  für  Brahm  indessen  kaum  etwas  zu  holen 
war.  in  der  Schilderung  zeillicher  und  örtlicher  zustände,  lit- 
terarischer und  persönlicher  veibindungen  hat  sich  der  verf.  eine 
Zurückhaltung  auferlegt,  welche  seinem  Vorgänger  Zolling  leider 
ganz  und  gar  gefehlt  hat,  es  wird  nicht  mehr  aus  der  äufseren 
weit  hereingezogen  als  die  erzählung  und  eutwickelung  erfordert, 
und  es  wird  alles  nur  dort  berührt  wo  es  zu  demselben  zwecke 
notwendig  und  unentbehrlich  ist.  von  seinem  beiden  Kleist  hat 
Brahm  gelernt,  nur  die  dinge  selbst  reden  zu  lassen  und  Schil- 
derungen zu  vermeiden,  der  gebildete  verf.  wird  gleichwol  nir- 
gends verkannt  und  nur  an  wenigen  stellen  wüste  ich  seine  Zu- 
rückhaltung zu  tadeln,  s.  16  zb.  hätte  Kleists  neigung  zur  physik 
wol  einen  seilenblick  auf  Novalis,  Amin)  und  andere  dicbtcr  und 
physiker  der  zeit  nahe  gelegt,  auch  die  persönlichen  Verbin- 
dungen Kleists  werden,  recht  im  Widerspruche  mit  dem  centri- 
fugalen  Zolling,  in  der  richtigen  erkenntnis  ihrer  geringen  be- 
deutung  für  die  eutwickelung  des  dichters  kurz  abgetan,  allein 
Adam  Müller,  der  ihm  viel  nutzen  und  schaden  gebracht,  wird 
näher  ausgeJÜhrt.    ich  wünschte  auch  Ludwig  Wieland,  etwa  mit 


KLErST-LITTERATL'R  197 

Zuhilfenahme  der  bei  Pröhle  (Lessiog,  Wieland ,  Heinse  s.  251) 
gedruckten  hrietstelle,  mit  einigen  strichen  angedeutet  zu  sehen: 
denn  wenn  Zschokke  in  seiner  Selbstschau  den  dichter  einen  ge- 
nauen kenner  Goethes  und  der  romantiker,  Tiecks  und  der 
Schlegel,  nennt,  dann  muss  er  mit  Ludwig  Wieland  in  dieser 
hinsieht  ankniipl'ung  gehabt  haben,  keineswegs  aber  hätte  der 
alte  Wieland  s.  13  f  unter  Kleists  jugendlehrern  ungenannt  bleiben 
sollen;  Kleist  selbst  sagt  (Biedermann  s.  164),  er  habe  sich  durch 
eine  schrill  von  Wieland  den  gedanken  angeeignet,  dass  die  ver- 
vollkommung  der  zweck  der  Schöpfung  wäre;  er  citiert  (s.  48) 
aus  Wielands  Musarion  die  stelle  von  dem  schleier,  welcher  mehr 
erwarten  lässt  als  versteckt;  er  fragt,  als  er  in  Würzburg  in  eine 
lesebibliothek  tritt  (s.  76),  zuerst  nach  den  werken  Wielands,  dann 
nach  Schiller  und  Goethe,  bei  der  geringen  belesenheit  und  bei 
der  noch  geringeren  Vorliebe  für  citate,  welche  Kleist  auszeichnet, 
sind  solche  stellen  beachtenswert,  wenn  dann  Fouque  (Brahm  104) 
Kleist  der  Wielandschen  schule  zurechnet,  was  uns  freilich  son- 
derbar genug  vorkommt,  dürfen  wir  vielleicht  zur  erklärung  auch 
an  jene  frühe  neigung  Kleists  zu  Wieland  erinnern.  Kleist  war 
wie  Schiller  ursprünglich  ein  anhänger  der  Wielandschen  glück- 
seligkeitslehre. 

Den  hauptaccent  legt  Brahm  deutlich  auf  die  dichtungen 
Kleists,  deren  analyse  und  characteristik  entschieden  den  bedeu- 
tendsten teil  der  monographie  ausmachen,  wir  sehen  die  dich- 
tungen widerholt  vor  uns  entstehen,  denn  Brahm  benutzt  manu- 
scripte  und  ältere  fassungen  aus  der  Berliner  kgl.  bibliothek.  die 
quellen  werden  aufgezeigt,  erlebtes  und  erlerntes  aufgespürt,  die 
charactere,  welche  den  angelpunct  des  Kleistschen  drama  bilden, 
nachdichtend  entwickelt,  stil  und  technik  untersucht,  an  aus- 
blicken auf  die  neuere  zeit,  auf  spätere  bearbeitungen  und  büh- 
nenbearbeitungen  der  Kleistschen  dramen  und  ihr  Schicksal  auf 
den  brettern  fehlt  es  nicht  (dass  ALSchenk  den  Kohlhaas  als 
'romantisches  trauerspiel'  in  4  acten  frei  nach  Kleist  bearbeitet 
hat  [Esslingen  1866],  war  für  Brahm  entbehrlich).  ...  ich  darf 
hier  das  bekenntnis  nicht  zurückhalten,  dass  ich  den  früheren 
arbeiten  Brahms  bei  aller  auerkennung  ihres  wertes  nicht  immer 
willig  gefolgt  bin.  ich  glaubte  überall  einen  leisen  zwang  zu  füh- 
len, und  besonders  in  den  stilistischen  Untersuchungen  schienen 
mir  <lie  belege  oft  mehr  gesucht  als  durch  den  gegenständ  freiwillig 
dargeboten,  mehr  klugheit  als  feingefühl  und  mehr  die  gäbe,  aus 
allem  etwas  zu  machen,  als  vollgiltiger  gehalt  sprach  mir  aus 
ihnen  entgegen,  auf  die  letzten  arbeiten  des  verf.s  und  besonders 
auf  die  vorliegende  darf  dieses  urteil ,  welches  vielleicht  teuschung 
war,  keine  anwendung  finden,  es  macht  sich  hier  im  gegenteil 
eine  vornehme  discretion  geltend,  welche  in  den  arbeiten  über 
neuere  litteraturgeschichte  vielleicht  einzig,  jedesfalls  selten  ist. 
kein  prunken  mit  belesenheit;    keine   sucht  in  anspielungen    zu 


198  KLEIST -LITTERATUR 

reden  und  wenn  mau  sagen  will  dass  A  weifs  sei,  den  umweg  zu 
machen:  dass  er  nicht  wie  B  schwarz  gewesen  sei;  keine  selbstge- 
lälligkeit  in  entlegenen  citaten,  kein  herausstreichen  des  selbst  ge- 
iündenen  und  zurückdrängen  des  bereits  von  anderen  bemerkten, 
auch  wo  das  letztere  das  wichtigere  und  bedeutendere  ist;  keine 
pause  der  erschöptung,  wenn  man  nach  endlosen  Untersuchungen 
endlich  der  quelle  des  dichters  auf  die  spur  gekommen  ist  oder 
sein  urbild  oder  seine  erlebnisse  in  der  dichtung  gefunden  hat: 
—  sondern,  von  wenigen  fällen  abgesehen,  nimmt  hier  kein  ding 
eine  gröfsere  bedeutung  in  anspruch ,  als  ihm  im  Zusammenhang 
des  ganzen  gebiirt,  und  der  verf.  sucht  augenscheinlich  seinen 
rühm  nicht  in  diesem  oder  jenem  detail,  noch  weniger  in  der 
stillosen  häufuug  von  details  und  resultaten  der  detailunter- 
suchungen,  sondern  in  der  bedeutung  des  ganzen,  wer  die  ge- 
schmacklosigkeiten  und  den  misbrauch  kennt,  welche  in  der 
neueren  litteratur  mit  detailartikeln  wie  quellennachweiseu ,  auf- 
suchen von  Vorbildern,  aufspüren  von  erlebnissen,  Untersuchungen 
in  bezug  auf  stil  und  technik  getrieben  werden,  der  wird  diese 
tugend  dem  verf.  hoch  anschlagen ;  am  höchsten  vielleicht  in  dem, 
was  er  in  bezug  auf  stil  und  technik  des  dichters  zu  sagen  weifs. 
dieser  von  Wilhrandt  vernachlässigten  seite  hat  er  offenbar  die 
gröste  aulmerksamkeit  gewidmet,  aber  trotz  dem  intimen  ein- 
verständnisse,  mit  welchem  er  sich  darüber  äufsert,  nirgends 
die  gränze  dessen  überschritten,  was  sich  in  geschmackvoller  dar- 
stellung  darüber  sagen  lässt.  seine  beobachtungen  in  dieser  hin- 
sieht sind  gesättigt,  wo  nicht  erschöpfend;  ich  wüste  blofs  ein 
technisches  mittel  hervorzuheben,  welches  Brahm  übersehen  hat. 
es  sind  die  sogenannten  toten  momente  (dh.  absichtlich  herbei- 
geführtes stillschweigen),  welche  Kleist  zb.  in  der  dritten  scene 
des  zweiten  actes  der  Schroffensteiner  zu  so  grofsartiger  würkuug 
zu  benutzen  weifs:  die  rede  stockt;  sie  wird  wider  aufgenommen, 
aber  schon  nach  wenig  Sätzen  steht  sie  an  demselben  punct  stille 
und  der  dichter  hilft  nicht  darüber  hinaus,  sondern  er  beginnt 
zum  dritten  male  und  stockt  von  neuem,  von  so  verschiedenen 
Seiten  der  dialog  angefasst  wird,  immer  wider  führt  er  auf  den 
einen  punct  zurück. 

INeue  quellen  hat  Brahm  nachgewiesen  zunächst  in  einer 
anecdote  iMontaignes  (s.  163f)  für  die  Marquise  von  0.  schon 
Bülow  halle  auf  eine  französische  novelle  der  Madame  de  Gomez 
aufmerksam  gemacht,  war  aber  von  Köpke  und  Wilbrandl  (s.  226 
anm.)  mit  der  notiz ,  die  sich  im  inhaltsverzeichnis  des  IMiöbus 
Jiudel  ('nach  einer  wahren  begebenheit,  deren  Schauplatz  vom  nor- 
den nach  dem  Süden  verlegt  worden'),  abgewiesen  worden,  mit 
unrecht  in  so  fern,  als  man  Kleist  eine  erdichtung  dieser  angäbe 
wol  hätte  zuschreiben  können;  mit  recht  in  so  lern,  als  er  diese 
erdichtung  besser  unter  dem  titel  als  im  inhallsverzeichnis  an- 
gebracht hätte,    neuerdings  hat  man  in  einem  briefe  des  jüngeren 


KLEIST -LITTERATUR  199 

Voss,  welcher  im  Goethe-jahrbuch  v61  veröffentlicht  wurde,  eine 
würkliche  geschichte  gelesen,  welche  wol  jeden  sofort  an  die 
Kleistsche  erzählung  erinnert  hat  und  den  Stoff  zu  derselben  ab- 
geben konnte:  Muncker  in  der  Allg.  ztg.  1884  nr  153  beilege 
und  Bartsch  in  den  Grenzboten  1884  i  464  haben  sofort  öffent- 
lich auf  die  ähnlichkeit  aufmerksam  gemacht,  und  da  man  auf 
diese  weise  sich  mit  der  Kleistschen  angäbe  in  Übereinstimmung 
findet,  dürfte  damit  wol  die  richtige  quelle  gefunden  und  eine 
Verweisung  auf  Montaigne  entbehrlich  sein,  für  den  Robert 
Guiscard,  der  ausgezeichnet  analysiert  und  weitergedichtet  wird, 
hat  sich  Brahm  die  geschichtliche  darstellung  von  Funck  in  den 
Hören  Schillers  nicht  entgehen  lassen;  Die  grafen  Guiscardi,  ein 
trauerspiel  in  fünf  acten  von  J.  A.  e.  v.  Ehrenberg  1791  (Wien) 
haben  mit  dem  Stoffe  nichts  zu  tun.  in  betreff  der  Penlhesilea 
hatte  bereits  ESchmidt  (Österr.  rundschau  1883  2  heft)  auf  He- 
derichs Mythologisches  lexikon  aufmerksam  gemacht;  über  die 
blofse  Vermutung  kommt  auch  Brahm  nicht  hinaus,  es  bliebe 
ferner  noch  Böttiger  und  Majer  (Allgemeines  mythologisches  lexi- 
kon, 2  bde,  Weimar  1803  f)  nachzuschlagen,  die  Geschichte  derer 
Amazonen  mit  kupfern  (Berlin,  Stettin  und  Leipzig  bei  Johann 
Heinrich  Rüdiger  1763),  von  Krünitz  aus  dem  französischen  in  das 
schlechteste  deutsch  übersetzt,  welches  man  lesen  kann  ,  erzählt 
die  geschichte  der  Penthesilea  im  anschluss  an  Quintus  und  beruft 
sich  auf  Drelincourts  Achilles  homericus,  welcher  die  Wahrheit 
dieser  geschichte  durch  mühselig  gesammelte  citate  dargetan  habe, 
für  Kleist  konnte  sie  also  die  quelle  nicht  abgeben;  doch  ist  der 
erste  satz  des  ersten  capitels  (s.  1)  nicht  ohne  Interesse:  'die  ab- 
stammung  des  Wortes  Amazonen  schliefst  zugleich  den  kurzen  be- 
griff ihrer  geschichte  in  sich,  bei  den  Scythen ,  von  denen  sie 
ursprünglich  abstammten ,  nannte  man  selbige  Aeorpaten ,  das 
heifst:  nach  mannes-blut  dürstende  feindinnen  [von  Aeor ,  ein 
mann,  und  pata ,  töten;  also  soviel  als  männer  umbringende 
weiber.  Herodotus,  im  iv  buch.  n.  110].'  auch  auf  das  balladen- 
motiv,  welches  dem  Kätchen  zu  gründe  liegt,  hat  ESchmidt  schon 
hingewiesen:  ebenso  die  mystischen  demente  aus  Schuberts 
Ansichten  von  der  nachtseite  der  naturwissenschaften  gedeutet, 
welche  Kleist  vielleicht  aus  Schuberts  Dresdner  Vorlesungen  kannte. 
Die  markantesten  Übereinstimmungen ,  welche  sich  zwischen 
Kleists  leben  und  dichten  aufdrängen,  hatte  schon  Wilbrandt  be- 
merkt und  hervorgehoben:  Brahm,  welcher  mitunter  weit  über 
ihn  hinausgeht,  scheint  mir  auch  mitunter  zu  weit  zu  gehen. 
ich  finde  hier  allein  das  gesuchte,  welches  mich  bei  seinen  früheren 
arbeiten  gestört  hat,  wider,  wenn  Wetter  graf  von  Strahl,  den 
seine  ahnen  abhalten  das  kleine  Kätchen  zu  heiraten,  in  dem 
märkischen  Heinrich  Kleist  widergefunden  wird,  welcher  Julie 
Kunze  heiraten  will,  auch  in  bezug  auf  das  erlernte  kann  ich 
den  Vorwurf  nicht  zurückhalten,  dass  Brahm  den  einfluss  Schillers 
A.  F.  D.  A.   XI.  15 


200  KLEIST -LITTERATUK 

auf  Kleist  zu  wenig  hervorgehoben  hat,  ja  dass  er  Schiller  ge- 
flissentlich nur  zu  citieren  scheint,  um  ihn  gegenüber  Kleist  in 
den  nachleil  zu  setzen,  einige  mal  fällt  Schiller  ganz  unerwartet 
herein;  die  ähnlichkeit  zwischen  Penthesilea  und  der  Jungfrau  von 
Orleans  (s.  213),  welche  wie  ich  wol  weifs  Scherer  in  seinen  Vor- 
lesungen zuerst  hervorgehoben  hat,  finde  ich  gesucht  und  ein 
hinweis  auf  die  Amazonengestalten  der  romanliker  in  drama, 
roman  und  novelle*  hätte  mir  hier  näher  liegend  geschienen;  auch 
wenn  Homburg  an  eine  litterarische  tradition,  welche  ihren  aus- 
gangspunct  im  Kampf  mit  dem  drachen  und  in  Max  Piccolomini 
haben  soll,  angeknüpft  wird,  finde  ich  das  so  vag,  dass  man 
besser  an  Schillers  philosophische  aufsätze,  seine  gedanken  von 
pflicht  und  neigung  überhaupt,  ebenso  gut  aber  an  lfi"Iands 
Dienstpflicht  anknüpfen  könnte,  viel  nähere  auknüpfungspuncte 
sind  daneben  übersehen  worden:  bei  der  Alraune  in  der  Hermanns- 
schlacht liegt  es  nahe  an  den  schwarzen  ritter  in  der  Jungfrau 
von  Orleans,  bei  dem  monologe  des  Varus  an  Talbot  zu  denken 
usw.  auch  was  andere  bereits  vor  ihm  aufgezeigt  haben ,  hat 
Brahm ,  deutlich  in  der  absieht  die  Originalität  Kleists  noch  ori- 
gineller zu  gestalten  ,  verschwiegen,  die  abhängigkeit  Kleists  von 
Schiller  im  ausdrucke  ist  stärker  als  man  nach  ßrahm  glauben 
möchte,  ich  wähle  die  folgenden  beispiele  allein  aus  den  bei 
Brahm  citierten  stellen ,  also  aus  einem  minimalen  procentsatze 
und  aus  stellen,  welche  nicht  ausgehoben  worden  wären,  wenn 
sich  Kleist  nicht  entschieden  in  ihnen  ausspräche:  s.  39:   hinten 

starb  die  sonne wie  ein  held  (dasselbe  bild  in  Kleists  briefen 

unmittelbar  nach  einander  dreimal  Biedermann  104.106.117);  vgl. 
Schiller  (übrigens  nach  Klopslock)  ii  116,  1:  wie  herlich  die  sonne 
dort  untergeht!  ...  so  stirbt  ein  held!  anbetungswürdig!  i  27:  die 
sonne  zeigt,  vollendend  gleich  dem  helden.  .  .  .  Kleist  (Brahm  90): 
denn  etwas  gibts,  das  über  alles  wähnen  und  wissen  hoch  erhaben 
—  das  gefühl  ist  es  der  seelengute  anderer;  Schiller  (v  2,  321, 
3332  ff):  und  etwas  lebt  noch  in  des  weibes  seele,  das  über  allem 
schein  erhaben  ist  und  über  aller  lästerung  —  es  heifst  weibliche 
tngend  —  der  inhalt  der  reflexion  ist  verschieden,  der  ausdruck 
ganz  derselbe;  Brahms  beobachtung,  dass  Kleist  ungern  und  ohne 
geschick  Sentenzen  prägt,  wird  durch  diesen  formellen  anschluss 
an  Schiller  bestätigt,  denselben  lonfall  zeigt  (Brahm  s.  91)  Kleist: 
denn  über  alles  siegt  das  rechtsgefühl  usw. ;  und  Schillers  Wallen- 
stein (xn  375,  3453):  denn  über  alles  glück  gehl  doch  der  freund. 
an  den  Wallenstein,  welchen  er  in  seiner  Jugend  so  aufmerksam 
las,  finden  wir  uns  auch  bei  Brahm  s.  198  f  gemahnt  (vgl.  Schiller 
xn231,  531  fl): 

Kleist:    Nein,   eh'   ich,   loas  so      Schiller:    Doch  eh'  ich  sinke  in 
herlich  mir  begonnen  die  nichtigkeit, 

'  vgl,  AWSchlegel  an  Ticck  20.  9.  1802  (Holtei  Briefe  an  Tieck  in  276): 
mit  den  Amazonen  bin  ick  noch  nicht  loeiler. 


KLEIST -LITTERATÜR 


201 


So  klein  aufhöre,   der  so  gro/s 

begonnen, 
Eh'    mich    die    weit    mit  jenen 

elenden 
Verwechselt,  die  der  tag  erschafft 

und  stürzt. 
Eh'  spreche  weit    und  nachweit 

meinen  nanieti 
Mit  absehen  aus  und  Friedland 

sei  die  losung 
Für  jede  ßuchensiverte  tat; 


So   grofs  nicht   endige,    eh   ich 

nicht  völlig 
Den  kränz,   der  mir   die  stirn 

umrauscht',  erfasse. 
Eh'  ich  Mars  töchter  nicht,  wie 

ich  versprach, 
Jetzt  auf  des  glückes  gip  fei  jauch- 
zend führe, 
Eh'  möge  seine  pyramide  schmet- 
ternd 
Z\isammenbrechen  über  mich  und 

sie! 
Verflucht  das  herz,  das  sich  noch 

mdfsigen  kann! 
so  knüpft  Kleist  selbst  hier,  wo  er  sein  eigenstes  innere  erschliefst, 
im  ausdruck  ganz  an  Schiller  an;  und  sogar  der  letzte  vers  bei 
Kleist  mit  dem  losbrechenden  verflucht  hat  seine  parallele  bei 
Schiller  (xii  213,  114):  verflucht,  wer  mit  dem  teufel  spielt!  dass 
auch  die  fatalistischen  ideen ,  welche  Kleists  bei  Brahm  s.  75  f 
cilierter  brief  ausspricht,  durch  die  lectiire  des  VVallenstein  an- 
geregt sind  und  dann  wider  von  Kleist  in  die  Schroffensteiner 
übertragen  wurden ,  unterliegt  nach  dem  Wortlaute  des  briefes, 
welcher  allenthalben  an  Wallenstein  anklingt,  keinem  zweifei.  ein 
ander  mal,  wo  Brahm  (s.  330)  ein  lieblingsbild  des  dichters  und 
die  individualisierende  anschaulichkeit  Kleists  recht  deutlich  er- 
kennen will,  sehe  ich  anklang  an  Shakespeare  (Romeo  und 
Julie  n  2) ; 


Kleist:    So  zieht  ein  cherub  mit 

gespreizten  flügeln 
Zur    nachtzeit    durch   die    luft, 

und  auf  den  rücken 
Geworfen,  staunen  ihn,  von  glänz 

geblendet, 
Der  weit  betroffene  geschlechter  an. 


Shakespeare :  Denn  über  meinem 

haupt  erscheinest  du 
Der  nacht  so  glorreich,  wie  ein 

flügelbote 
Des    himmels    dem    erstaunten, 

über  sich 
Gekehrten    aug'   der   menschen- 

söhne,  die 
Sich  rücklings  werfen,  um  ihm 

nachzuschaun, 
Wenn   er  dahin  fährt   auf  den 

trägen  wölken. 

Und    auf    der    luft    gewölbtem 

busen  schwebt. 

Ausgezeichnet    gelungen    und  sehr    aufschlussreich    ist   die 

characteristik  der  von  Kleist   herausgegebenen  Zeitschriften:   des 

Phöbus  und  der  Abendblätter,    der  gedanke,  welchen  AMüller  in 

der  erstgenannten  ausspricht  (Brahm  247)  und  welcher  für  Kleist 

(306)   von  bedeutung  geworden  ist,   dass  Spanier  und  Deutsche 

verwandte  nationen  sind,  war  aber  nicht  sein  eigentum;  sondern 

15* 


202  KLEIST -LITTERATLR 

er  gehört  Friedrich  Schlegel  an,  welcher  ihn  in  der  Europa  auf- 
gestellt und  ausgetührt  hat.  s.  320  wäre  die  eigentümliche  form 
des  'katechismus'  doch  durch  einen  Seitenblick  auf  den  Schleier- 
macherschen  Katechismus  für  edle  frauen  in  litterarische  tra- 
dition  zu  stellen  gewesen:  die  form  seihst  erklärt  sich  wider  aus 
dem  bestreben  der  romantiker,  alle  ihre  tendenzen  als  religion 
zu  betreiben  und  zu  lehren. 

Von  einem  plane  Kleists  aus  seiner  letzten  zeit,  in  welcher 
er  (Brahm  372  f)  viel  mit  Ludwig  Rohert  verkehrte  und  aus 
welcher  wir  sonst  nur  von  einem  zweibändigen  romane  unbe- 
stimmte und  unsichere  kenntnis  durch  einen  brief  des  dichters 
an  Reimer  haben  (Brahm  375),  gibt  die  vorrede  des  romantikers 
Friedrich  von  Üchtritz  zu  seiner  dreibändigen  erzählung  Eleazar 
(Jena,  Costenoble,  1867)  nachricht.  dieselbe  lautet:  'an  einem 
jener  dienstabende  im  hause  des  professors  Friedrich  von  Raumer 
zu  Berlin ,  an  denen  sich  ein  ausgewählter  freundeskreis  — 
darunter  Loebell ,  von  der  Hagen,  der  bildhauer  Tieck,  Waagen, 
Haering  und  wol  auch  Ludwig  Robert,  der  bruder  Raheis,  in  be- 
gleitung  seiner  schönen  frau  —  zu  versammeln  pflegte,  und  wo 
ich  selbst  immer  pünctlich  auf  meinem  platze  war,  erzählte  Ludwig 
Robert,  dass  Heinrich  von  Kleist  einmal  zu  ihm  von  der  belagerung 
und  Zerstörung  Jerusalems  durch  Titus  als  von  dem  gegenstände 
eines  trauerspiels,  womit  er  sich  trage,  gesprochen  habe,  die  art, 
wie  dieser  gegenständ  von  dem  dichter  nach  dessen  damaligen  mit- 
teilungen  aufgefasst  worden,  der  sinn  und  gedanke,  der  als  grund- 
idee  der  dichtuug  zu  tragischem  ausdrucke  habe  kommen  sollen, 
sei  ihm  ausnehmend  grofs  und  bedeutungsvoll  erschienen ,  und 
er  habe,  als  Kleist  einige  zeit  darauf  aus  den  lebenden  geschieden, 
eine  lockung  empfunden,  diesem  gedanken  selber  gesfalt  zu  geben 
und  den  plan  als  ein  ihm  zugefallenes  erbe  zur  ausführung  zu 
bringen,  doch  sei  ihm,  trotz  allen  nachsinnens,  nicht  gelungen, 
die  erinnerung  in  sich  aufzufrischen  und  zu  verdeutlichen,  sodass 
er,  nachdem  er  sich  umsonst  um  hebung  des  sich  ihm  entziehen- 
den Schatzes  bemüht,  sein  grübeln  als  fruchtlos  habe  aufgeben 
müssen,  die  erzählung  machte  einen  lebhaften  eindruck  auf  mich, 
der  durch  das  geheimnisvolle,  verhüllte  und  verborgene  des  un- 
auffindbaren, mit  dem  dichter  hinvveggeschwundenen  gedaukens 
nur  zu  schärferem  reize  erhöht  wurde,  ich  fühlte  mich  ange- 
zogen ,  die  geschichte  des  Unterganges  Jerusalems  in  Stolbergs 
Kirchengeschichte,  wie  auch  meinerseits  nach  jenem  verlorenen 
gedanken  spürend,  zu  lesen,  doch  wollte  es  mir  nicht  glücken, 
mich  des  Stoffes  zu  bemächtigen,  er  stellte  sich  mir  als  völlig  un- 
handlich und  spröde,  ja  selbst  niedrig  dar,  und  die  empfangene 
anregung  erhielt  erst  nach  verlauf  einiger  jähre  dadurch  eine 
surrogatartige  befriedigung,  dass  ich  mich  auf  die  frühere  Zer- 
störung durch  Nebucadnezar  hinwandte,  es  entstand  daraus  mein 
dramatisches  gedieht  Die  Babylonier  in  Jerusalem  [1836J.     doch 


KLEIST -LITTERATÜR  205 

sollte  (las,  wonach  ich  zunächst  gestrebt,  für  mich  in  weit  späterer 
zeit  noch  in  erfüUung  gehen  und  sich  der  stofl",  der  sich  mir 
als  so  ungefügig  und  unerquicklich  gezeigt  hatte,  für  mein  (ich 
weifs  nicht,  ob  blofs  geteuschtes)  äuge  als  einer  der  ergibigsten 
an  tiefe  des  gehaltes  und  der  gewaltigsten  von  grofsartiger  be- 
deutsamkeit,  sowie  unerwartet  eines  tages  auch  als  günstig  und 
bildsam  zu  dichterischer  behandlung  darstellen,  über  die  Zer- 
störung Jerusalems  hinaus,  bis  zu  der  ebenso  aufserordentlichen 
wie  schauerlichen  letzten  begebenheit  jenes  furchtbaren  krieges, 
der  blutigen  opfertat  von  Masada,  erfasst,  sollte  er  unverhofft  seinen 
haupt-  und  Schlussmoment,  seine  hauptgestalt,  seine  contrastie- 
renden entfaltungen  finden,  sich  gruppieren  und  gliedern,  es 
ist  nur  die  schlichte,  anspruchslose  form  der  erzählung,  in  der 
ich  ihn  vorlege ,  doch  habe  ich  so  viel  mut ,  da«  volle  gewicht 
der  bedeutung  einer  tragödie  dafür  in  anspruch  zu  nehmen  und 
auf  eine  der  tragischen  poesie  verwandte  würkung  zu  hoffen.^ 
auf  diese  vorrede,  welche  durch  die  von  Robert  und  Üchtritz  an 
dem  Kleistschen  plane  gefundenen  Schwierigkeiten  doppelt  interes- 
sant wird,  hat  ThPaur  in  seiner  scizze  von  Üchtritzs  leben  wider 
aufmerksam  gemacht,  welche  zuerst  im  Neuen  Lausitzischen  ma- 
gazin  erschienen  und  als  einleitung  zu  dem  oben  citierten  brief- 
wechsel  nochmals  abgedruckt  ist  (vgl,  s.  xxx).  Üchtritz  in  seinen 
briefen  an  Röpke  äufsert  sich  (s.  340  ff.  343  f.  357)  überein- 
stimmend mit  der  vorrede. 

Seit  dem  abschlusse  und  dem  erscheinen  von  Brahms  buch 
sind  weitere  mitteilungen  von  Kleist  gemacht  worden :  zwei  pro- 
saische aufsätze  sind  in  der  Gegenwart  veröffentlicht  worden 
(xxvi  bd.  nr  36  s.  157:  Unwahrscheinliche  Wahrhaftigkeiten; 
nr  44  s.  283  :    Sonderbare  geschichte). 

Schliefslich  sei  noch  einer  einzeichnung  Heinrichs  von  Kleist 
in  das  Stammbuch  einer  künstlerin  erwähnung  getan  (Blumen- 
lese aus  dem  stammbuche  der  deutschen  mimischen  künstlerin,. 
frauen  Henriette  Hendel-Schütz  geb.  Schüler:  Leipzig  und  Alten- 
burg,  FABrockhaus ,  1815   s.  62).     Kleist  schreibt: 

An'on  spricht:  —  ein  wandernd  leben 

Gefällt  der  freien  kiinstlerbrust, 

Die  kunst,  die  dir  ein  gott  gegeben, 

Sie  sei  noch  vielen  tausend  Inst! 

An  wolerworbenen  gaben 

Magst  du  dich  fröhlich  laben, 

Des  weiten  ruhmes  du  beruhst] 
Berlin.  Heinrich  von  Kleist. 

Natürlich  kein  gedieht  von  Kleist:  sondern  die  dritte  Strophe 
von  Schlegels  Arion,  an  den  besonderen  zweck  accommodiert. 
Prag  29.  12.  84.  Minor. 


204  HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLLN 


Dichtungen  von  Friedrich  Hölderlin,  mit  biographischer  einleitung  heraus- 
gegeben von  KKösTLiN.  mit  2  abbildungen.  Tübingen,  Franz  Fues, 
1884.     M,  Lxii,  184  und  188  ss.     8°.  —  3,20  m.* 

Die  vorliegende  ausgäbe  der  gedichte  Hölderlins  'hat  den 
zweck,  diejenigen  seiner  kleineren  und  gröl'seren  werke  voll- 
ständig zusammenzufassen,  welche  von  ihm  in  guter  zeit  be- 
gonnen und  wenigstens  gröstenteils  auch  vollendet  wurden'  (ein- 
leitung s.  ii). 

Verglichen  mit  der  grofsen  Scbvvabschen  ausgäbe  (Stuttgart 
und  Tübingen  1846,  2  bde)  fehlen  die  folgenden  lyrischen  ge- 
dichte: Schwab  I  112  Andenken;  i  117  Der  Rhein,  fragraent; 
II 222  Patmos  —  über  deren  hinweglassung  äufsert  sich  der  heraus- 
geber  s.  xxvii,  wo  aus  demselben  gründe  ein  gedieht  Dichterberuf 
citiert  wird,  welches  in  der  Schwabschen  ausgäbe  nicht  enthalten 
ist.  von  den  Jugendgedichten  hat  der  herausgeber  alle  diejenigen 
ausgewählt,  welche  ihm  'der  durchfeilung  und  kürzung  am  wenig- 
sten bedürftig  schienen ,  desgleichen  solche,  die  für  Hölderlin  zu 
<;haracteristisch  sind,  als  dass  sie  hier  fehlen  dürften'  (s.  xxxiii). 
€S  fielen  nach  diesem  grundsatze  hinweg:  Schwab  n  166  Gustav 
Adolph,  n  180  An  die  stille,  n  195  Hymne  an  die  menschheit, 
11  202  Hymne  an  die  freundschaft,  ii  210  Hymne  an  die  freiheit, 
und  u  173  Hymne  an  die  liebe  (vgl.  Köstlin  s.  xxxvi  f).  fortge- 
blieben sind  ferner  alle  gedichte  aus  der  zeit  des  irrsinns  (Schwab 
n  337  ff  und  die  in  die  biographie  eingestreuten);  Hyperions  schick- 
salslied  (i  122);  die  fragmente  des  Empedokles  (i  124  und  ii  253); 
das  fragment  Der  homerische  Achill  (ii  351  ff);  der  briefwechsel. 
die  biographie  Schwabs  hat  Köstlin  durch  eine  kürzer  gefasste 
ersetzt,  welche  auch  neuerdings  bekannt  gewordenes  verwertet. 
in  den  litteraturangaben  s.  xxxif  vermisse  ich  Scherers  artikel  in 
den  Vorträgen  und  aufsätzen  s.  346  ff  neben  weniger  wichtigem 
wie  AWellmers  aufsatz  in  Fürs  deutsche  reich  1873  i  s.  76  ff  ua. 

Mit  diesem  programm  kann  man  sich  in  so  weit  zufrieden 
geben,  als  die  gedichte  aus  der  zeit  des  irrsinns  ausgeschlossen 
wurden,  welche  in  einer  auf  ein  gröfseres  publikum  berechneten 
ausgäbe  allerdings  besser  fortbleiben,  in  der  Sammlung  der  ge- 
dichte aus  früherer  zeit  dagegen  hätte  man  gewis  Vollständigkeit 
vorgezogen:  denn  erstlich  ist  das  weggelassene  so  wenig,  dass 
es  kaum  die  mühe  der  auswahl  lohnte;  zweitens  sind  die  gründe 
der  auswahl  so  wenig  sicher  aufrechtzuhalten,  dass  der  heraus- 
geber auch  bei  vielen  der  aufgenommenen  gedichte  über  'nicht 
ganz  klare'  haltung  (s.  xlv.  xlviii.  l  uö.)  klagen  muss,  ja  in 
einem  derselben  'schon  eine  geistesumnachtung'  finden  will,    wo 

[*  vgl.  DLZ  1884  nr49  (WScherer)  und   1885  nr  15  (KKöstlin).] 
'    der  ungeheftet    ausgegebene    band    enthält    eine  vierfache    seiten- 
zählung:    zuerst  die  vorrede  mit  A....M  bezeichnet;   dann  die  einleitung 
mit  römischen  zifTern  gezählt;  endlich  die  erste  (lyrik)  und  zweite  (Hyperion) 
abteilung  mit  arabischen  Ziffern  selbständig  paginiert. 


HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLIN  205 

sich  die  gränzlioien  so  verwirren,  bleibt  die  entscheidung  über  wert 
oder  unwert,  aufnähme  oder  nichtaufnahme  immer  eine  subjective, 
und  wenn  nicht  äufsere  gründe  widersprechen,  wenn  nicht  der  räum 
fehlt  oder  das  junge  unkraut  den  weizen  zu  ersticken  droht,  tut 
man  wol  am  besten,  Vollständigkeit  anzustreben,  mit  einem  wei- 
teren druckbogen  wäre  dieselbe  hier  zu  erreichen  gewesen,  dass 
vollends  die  fragmente  des  Empedokles  in  dieser  neuesten  aus- 
gäbe fehlen,  dürfte  manchem  leser  noch  empfindlicher  sein. 

Hingegen  weist  die  neue  aufläge  der  alten  gegenüber  auch 
Zusätze  auf;  dieselben  bestehen  in  den  gedichten  An  die  nachtigall 
(Köstlin  s.  7),  An  meinen  B.  (7),  Die  stille  (S),  Die  ehrsucht  (14), 
Burg  Tübingen  (42),  An  eine  braut  (101),  Heimkunft,  an  die 
verwandten  (131).  das  letztere  ist  zuerst  in  der  Flora  von  1802 
gedruckt  (s.  xlvh,  vgl.  s.  F);  über  das  vorletzte  vgl.  Schwab  in 
Westermanns  Monatsheften  September  1871  s.662  (Köstlin  s.  xlh); 
die  übrigen  von  Schwab  im  Stuttgarter  Morgenblatt  1863  nr  34  f 
mitgeteilt  (Köstlin  s.  xxxiu). 

Eine  vollständige  Sammlung  der  gedichle  Hölderlins  besitzen 
wir  also  weder  bei  Schwab  noch  bei  Köstlin.  von  mir  bekannten 
gedichten  fehlen  in  beiden  ausgaben:  1)  die  verse,  welche  als 
motto  über  der  Einsiedlerzeitung  vom  20  april  1808  stehen  und 
welche  sich  nach  Pfaffs  aussage  bei  Schwab  nicht  finden  lassen 
(s.  42  des  ersten  drucks;  s.  49  bei  Pfaff);  2)  die  von  Schwab 
im  Stuttgarter  Morgenblatt  1863  nr  34  nur  teilweise  veröffent- 
lichten gedichte  Die  meinigen  und  Der  kämpf  der  leidenschaft 
(Köstlin  s.  xxxui);  3)  die  Hymne  an  die  Unsterblichkeit  der  seele 
(ebenda,  Köstlin  s.  xxxni);  sie  ist  nicht  identisch  mit  der  in  Arthur 
Muellers  Modernen  reliquien^  (Berlin  1845)  i  311  ff  wider  abge- 
druckten Hymne  an  die  Unsterblichkeit,  welche  von  Schwab  viel- 
leicht nur  deshalb  fortgelassen  wurde,  weil  sie  mit  der  späteren 
Hymne  an  die  göttin  der  harmonie  (Schwab  n  190  ff  und  Köstlin 
33  ff)  denselben  eingang  hat.  4)  von  den  gedichten  aus  der  zeit 
des  irrsinns  die  beiden  letzten,  welche  Bettina  Arnim  in  Ilius 
Pamphilius  und  die  Ambrosia  (Berlin  1848)  ii  383  f  mitgeteilt  hat. 
5)  einige  verse,  Der  Zeitgeist  betitelt  (vgl.  denselben  titel  bei  Schwab 

I  31  f,  Köstlin  105),  welche  Hölderlin  im  mai  1843  JGFischer  über- 
reichte und  welche  dieser  anlässlich  der  enthüllung  des  Hölderlin- 
denkmals am  1  juli  1881  im  Schwäbischen  merkur  veröffentlichte, 
den  namen  Scardanelli,  den  sich  Hölderlin  hier  im  Wahnsinn  bei- 
legt, hat  er  auch  unter  die  Höhere  menschheit  überschriebenen 
verse  gesetzt,  welche  Schwab  ii  34  f  zwar  mit  weglassung  der 
Unterschrift   abgedruckt   hat,    die   sich   aber  in  Ilius  Pamphilius 

II  383  findet,  aufzusuchen  wäre  das  gedieht  An  die  klugen  rat- 
geber,  welchem  schon  Schwab  (i  s.  viii)  vergeblich  nachspürte, 
ob  der  aufsatz  von  Achim  von  Arnim  im  Berliner  Conversations- 

•  daselbst  s.  315ff  auch  die  bei  Schwab  ii  175  —  228  gedruckten  ge- 
dichte in  derselben  reihenfolge,  Patmos  aber  in  rhythmischer  prosa  gedruckt. 


206  HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLIN 

blatt  1828  (Ausflüge  mit  Hölderlin)  die  titel  unbekannter  gedichte 
enthält,  wie  ich  nach  Arthur  Mueller  i  s.  x  allerdings  vermuten 
muss,  und  ob  der  abdruck  von  Hölderlins  Jugenddichtungen  iu 
der  Zeitung  liir  die  elegante  weit,  welchen  Schwab  kannte  (s.  x), 
vollständig  berücksichtigt  ist,  kann  ich  augenbhcklich  nicht  durch 
eigene  einsieht  erkennen,  ebenso  wenig  vvird  aus  dem  vorwort 
Köstlins  (s.  F)  klar,  ob  das  taschenbuch  Flora  vom  jähre  1802 
aufser  dem  einen  von  Köstlin  mitgeteilten  gedichte  noch  andere 
ungedruckte    enthält  oder    ob  die  übrigen    schon  gedruckt    sind. 

Überhaupt  hat  der  herausgeber  den  leser  weder  in  hezug 
auf  den  inhalt  seiner  Sammlung  noch  in  bezug  auf  die  textbehand- 
lung  genügend  orientiert,  zwar  glaubt  er  über  die  gesichtspuncte, 
von  welchen  er  bei  seiner  ausgäbe  ausgieng,  die  'hauptsache'  in 
der  einleitung  angegeben  zu  haben,  aber  'der  klarheit  wegen' 
hält  er  es  doch  für  geraten  oder  geboten  in  dem  vorwort  fol- 
gendes beizufügen:  'der  text  der  gedichte  ist  zunächst  gegeben 
nach  den  ausgaben  und  sonstigen  mitleilungen  [dh.  im  Morgen- 
blatt 1863  und  bei  Westermann  1871]  von  ChSchwab.  zur  ver- 
gleichung  wurden  herbeigezogen  teils  die  von  Schwab  in  seiner 
grofsen  ausgäbe  von  1846  angeführten  ersten  drucke  in  Zeit- 
schriften und  taschenbüchern,  so  weit  ich  solcher  habhaft 
werden  konnte,  teils  hss.  des  dichlers  selbst,  gar  vieles  wäre, 
aufser  den  in  der  einleitung  stehenden  bemerkungen,  hier  zu 
sagen  über  die  auf  grund  dieser  quellen  und  hilfsmittel  gemachten 
Verbesserungen  und  Vervollständigungen,  über  die  wähl  unter  den 
vielfach  sehr  verschiedenen  lesarten ;  aber  es  wäre  hierzu  der  ge- 
eignete ort  nur  eine  gelehrt  kritische  edition.'  wir  erfahren 
weiter  dass  dr  Vollmer  dem  herausgeber  zahlreiche  nachweisungen 
von  lesarten  aus  den  ältesten  drucken  vieler  lyrischen  gedichte 
gegeben  und  dass  prof.  dr  HFischer  ihn  bei  der  benutzung 
der   autographen    Hölderlins    auf  der   öffentlichen    bibliothek   in 

Stuttgart  mit  seinem  rate  unterstützt  habe allgemeine 

grundsätze  werden  nicht  aufgestellt;  da  aber  der  recensent  un- 
möglich wissen  kann,  in  wie  weit  der  herausgeber  der  ersten 
drucke  in  Zeitschriften  und  taschenbüchern,  welche  Schwab  ver- 
zeichnet, habhaft  werden  konnte,  und  in  wie  weit  hss.  benützt 
werden ,  so  muss  er  entweder  die  von  Köstlin  gemachten  'Ver- 
besserungen und  Vervollständigungen',  welche  zum  teil  erst  im 
druckfehlerverzeichnis  als  'Varianten,  conjecturen  und  Verbes- 
serungen' aufgeführt  sind,  unterschreiben  oder  sich  selber  aus- 
kunft  holen,  ich  ziehe  das  lelztere  vor,  beschränke  mich  aber 
auf  eine  auswahl.^ 

In  dem  gedieht  Männerjubel  (seile)  12,  (zeile)  13  steht  im 
text   und  wir  —  o  tönet,    tönet  dem  jnbel  nach;   unter  den  Va- 

'  ausstattung  und  einrichtungr  sind  so  primitiv  als  möglich,  da  auch 
zeilenzähiung  fehlt,  setze  ich  dieselbe  stillschweigend  von  seile  zu  seile 
ein,  wobei  nur  die  verse  gezählt,  Überschriften  und  titel  ignoriert  werden. 


HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLLN  207 

rianteu,  coDJecturen  und  Verbesserungen  (ii  ableilung  s.  188): 
'12,  13  ist  wol  zu  lesen:  den'.  —  genau  derselbe  text  bei  Schwab 
II  165,  13;  und  im  drucklehler-verzeichnis  (ii  353)  die  be- 
richtigung.  Köstlins  conjectur  beruht  also  aut  Schwabs 
druckfehlerverzeichnis.  gleichwol  halte  Schwab  im  Morgenblatt 
1863  den  schluss  des  gedichtes  nach  einer  hs.  mitgeteilt,  welche 
die  richtige  lesart  enthält. 

16,  15  f  und  lacht,  wenn  ich  geschmiegt  an  seinem  hügel  die 
lebenden  wangen  trockne;  ebenso  bei  Schwab  ii  169,  3  nach  der 
hs.  (i  s.  ix).  Köstlin  schlägt  unter  den  Varianten  vor,  seinen  zu 
lesen,  was  richtig  und  ein  bei  Schwab  nicht  verbesserter  druck- 
fehler  sein  kann,  aber  nicht  unumgänglich  nötig  ist,  weil  ge- 
schmiegt für  hingeschmiegt  stehen  und  an  seinem  hügel  von  trockne 
abhängen  dart. 

45  hymne  an  den  genins  der  tugend  lautet  der  titel  richtig 
bei  Köstlin;  lälsch  ist  jngend  bei  Schwab  ii  206,  der  das  richtige 
im  inhaltsverzeichnis  und  unter  den  druckfehlern  hat. 

49,  7  dem  scheidenden;  Varianten  'ist  wol  zu  lesen:  den 
scheidenden';  man  verlangt  zu  wissen,  wie  sich  der  erste  druck 
(Stäudhus  Almanach  1793)  zu  dieser  conjectur  verhält,  welche 
notwendig  in  den  text  hätte  aufgenommen  werden  müssen. 

54,  1  ff  hat  schon  Schwab  (i  8  ff)  etliche  arge  fehler  des 
ersten  druckes  in  Schillers  Thalia  iv  6, 334  ff  getilgt,  unnötig  war 
die  änderung  54,  12  voll  übermuths,  wie  es  in  der  Thaha  heifst, 
in:  voll  übermuth.  55,30  ist  lange  thale  lediglich  ein  druckfehler 
bei  Schwab  und  Köstlin,  welcher  die  ältere  und  allein  richtige  lesart 
bange  thale  unter  den  Varianten  anführt,  ohne  sich  auf  die  auto- 
rität  des  ersten  druckes  zu  berufen;  er  hätte  sie  in  den  text  ein- 
setzen müssen. 

56,  23  ist  der  druckfehler  bei  Schwab  (i  3,  7)  übermüthigen 
statt  übermächtigen ,  w  ie  es  im  ersten  drucke  in  der  Thalia  heifst, 
mit  recht  beseitigt  worden,  dagegen  haben  in  dem  gedieht  Der 
Wanderer  (s.  67  ff)  die  älteren  lesarten  aus  Schillers  Hören  1797, 
6  stück  s.  69  ff  keine  beachtung  gefunden:  dort  heifst  es  67,  8 
blickt' ;  67,  9  schattende  wald;  2b  hülse  von  schnee;  69,  5  empfängt. 
dagegen  ist  67,  29  ihm  für  ihr,  und  69,  1  sich  für  sitzt  druck- 
fehler in  den  Hören,  in  dem  folgenden  gedichte  Die  eichbäume 
lautet  der  vers  70,  1  wie  im  ersten  drucke  in  den  Hören  1797, 
10  St.  s.  101:  keiner  von  euch  ist  noch  in  die  schule  der  men- 
schen gegangen  (bei  Schwab  ilOl:  keiner  von  euch  ist  noch  in 
der  menschen  schule  gegangen),  der  unmittelbar  darauf  folgende 
aber  mit  Schwab:  und  ihr  drängt  euch  fröhlich  und  frei  aus  kräf- 
tiger Wurzel,  während  der  erste  druck  auch  hier  den  besseren 
versschluss  hat:  und  ihr  drängt  euch  fröhlich  und  frei  aus  der 
kräftigen  wurzel.  An  den  aether:  71,  10  schreibt  Köstlin  mit 
dem  ersten  drucke  in  Schillers  Almanach  auf  1798  haupte  gegen 


208  HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLIN 

Schwab  I  102  kaupt  und  auch  das  einrücken  der  Zeilen  am  be- 
ginne der  abschnitte  zeigt  dass  ihm  der  erste  druck  bekannt  ist ; 
dennoch  behält  er  die  fehlerhaften  lesarten  Schwabs  in  der  mehr- 
zahl  der  fälle  bei:  70,  18  ist  kein  grund,  nährst  in  nährest  zu 
verändern;  70,30  war  ebenso  wenig  die  lesart  toiege  des  Alma- 
nachs  mit  Schwab  in  iooge  zu  verändern ,  denn  das  wort  ver- 
langend im  vorausgehenden  verse  zeigt  an  dass  die  fische  mit 
Wiegenkindern  verglichen  werden,  welche  nach  der  multer  be- 
gehren; 71,5  gibt  gar  keinen  richtigen  sinn,  wenn  man  nicht 
die  lesart  des  ersten  druckes  hin  und  wieder  und  schioeift  bei- 
behält; 71,  28  hat  im  Almanach  den  besseren  versschluss  mit  der 
bläulichen  woge,  die  in  den  Varianten  zu  dem  gedichte  Die  hei- 
malh  vorgetragene  conjectur  74,  5  Strand  für  ström  hätte  nicht 
früher  gemacht  werden  sollen,  ehe  nicht  der  erste  druck  ver- 
glichen war;  sie  ist  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach  falsch: 
denn  Schwab,  welcher  ii  298  eine  frühere  fassung  desselben  ge- 
dichtes  mitteilt,  hat  auch  hier  ström,  so  wenig  das  wort  in  den 
Zusammenhang  zu  passen  scheint,  zu  dem  gedichte  Die  Schlacht 
oder  der  tod  fürs  Vaterland  (vgl.  Schwab  i  32  f)  hat  Köstlin  s.  106 
die  anfangsstrophe  aus  Hölderlins  hs.,  die  schlussstrophe  aus  dem 
ersten  drucke  hinzugefügt  (s.  xliii). 

Über  das  manuscript  des  gedichtes  Heidelberg  (Köstlin  1 14  f 
und  Schwab  i  46  f)  vgl.  FVischer  im  Goethe-jahrb.  iv  5  f.  125,  18 
ist  Köstlins  conjectur  frohe  für  fromme  zu  berücksichtigen ;  Schwab 
druckt  nach  dem  manuscript:  hat  der  herausgeber  in  Schwaben 
keine  künde  erhalten  können,  wo  sich  die  von  Schwab  benutzten 
hss.  derzeit  befinden?  127, 14  verlangt  das  versmafs  vieler fahreneti 
anstatt  des  vielerfahrnen  im  ersten  druck  im  Vermehrenschen  Alma- 
nach. das  gedieht  Der  winter  (Köstlin  129,  Schwab  i  40)  steht 
im  Taschenbuch  für  das  jähr  1805,  der  liebe  und  freundschaft  ge- 
widmet (s.  81  f)  unter  der  Überschrift  Vulkan;  die  Varianten  sind: 
129,  1  hi'dle,  freundlicher  feuergeist;  13  Mauren;  21  frömmer; 
Tl  f  gehöret  der  /  auch  eigner  sich,  in  demselben  Taschenbuch 
s.  80  f  das  gedieht  An  die  holTnung  (Köstlin  136  f,  Schwab  i  37 fj; 
Varianten:  136,  24  schaudernde;  137,  3  herbsttag;  137,  8  die 
blühenden  sterne,  glänzen;  137,  lOff  nicht,  j  ein  geist  der  erde, 
kommen,  schröck',  o  /  schröcke  mit  anderen  nur  das  herz  mir.  die 
lesarten  des  Taschenbuches  zu  den  vier  ersten  Strophen  sind  ent- 
schieden vorzuziehen;  aber  der  letzte  und  vorletzte  vers  geben 
keinen  sinn,  eine  entscheidung  über  die  lesarten  ist  unmöglich, 
so  lange  man  unsicher  bleibt,  ob  dem  texte  in  den  Gedichten 
ein  manuscript  des  dichters  zu  gründe  liegt  oder  ob  Schwab  und 
Uhland  an  den  letzten  versen  anstofs  nahmen  und  auf  eigene 
faust  änderten,  unmöglich  kann  der  dichter  das  schöne  epilheton 
die  blühenden  Sterne  in  die  sicheren  sterne  verändert  und  ebenso 
unmöglich  den  in  den  Gedichten  verständlichen  schluss  unverständ- 
lich gemacht  haben,    es  ist  also  nicht  einmal  eine  entscheidung 


HÖLDERLIN    ED.    KÖSTLIN  209 

erlaubt,  welche  fassung  die  ältere  und  welche  die  jüngere  ist.  in 
dem  gedichte  Gesang  des  Deutschen  (Köstlin  143)  hat  der  heraus- 
geber  die  5  letzten  der  bei  Schwab  (t  35)  abgedruckten  Strophen 
weggelassen,  welche  nach  Schwabs  späterem  nachweis  nicht  zu 
diesem  gedichte  gehören  (s.  xlix).  das  gedieht,  welches  beginnt 
«MS  stillem  hause  senden  die  götter  oft  (Schwab  i  64  f,  Kösllin 
145  1)  ist  bei  Schwab  An  die  prinzessin  Auguste,  bei  KöstHn 
An  die  prinzessin  Amalia  überschrieben :  vgl.  darüber  einleitung 
s.  L.  zu  der  späteren  lorm  des  gedichtes  Diotima  conjiciert 
Köstlin  152,  10  freude  lür  freundscliaft,  und  diese  conjectur  wird 
durch  die  frühere  fassung  149,  2  unterstützt,  dagegen  scheint 
<lie  änderung  von  alters  152,  11  in  alterns  überflüssig,  149,  3  in 
daseins  ein  lesefehler  vorzuliegen,  wie  sich  dazu  der  erste  druck 
in  Neuffers  Taschenbuch  1800  verhält,  der  Köstlin  in  Tübingen 
(loch  gewis  zugänglich  gewesen  wäre,  und  der  von  Schwab  s.  x 
citierte  abdruck  von  Hölderlins  Jugenddichtungen  in  der  Zeitung 
für  die  elegante  weit  1829,  wünscht  man  vergebens  zu  hören, 
ohne  handschriftlichen  rückhalt  oder  einsieht  in  den  ersten 
druck  entbehrt  auch  die  conjectur  zu  155,  17  fröhlichen  statt 
fürstlichen  jeder  Sicherheit.  Köstlin  s.  161  ist  der  titel  (wie  bei 
Schwab  I  91)  unrichtig;  es  muss  heifsen:  Menons  klagen  um 
Diotima;  das  richtige  hat  Schwab  im  inhaltsverzeichnis  s.  xiv  und 
unter  demselben  titel  stehen  die  vier  ersten  klagen  in  Vermehrens 
Musenalmanach  für  das  jähr  1802  s.  33  ff,  wo  es  im  inhaltsver- 
zeichnis s.  281  heifst:  die  folgenden  elegien  werden  im  nächsten 
jahrgange  erscheinen,  bekanntlich  ist  kein  folgender  Jahrgang  er- 
schienen, aber  noch  derselbe  Jahrgang  enthält  s.  163  unter  der 
Überschrift  Elegie  die  6  klage  (sonst  mir  anders  bekannt]).  Va- 
rianten: 162,  18  die  mir  damals  so  oft;  21  f  (ihr  vertrauten  .  .  . 
gesehn)  fehlen;  163,  26  an  seeligem;  28  Uiste  (druckfehler);  31  f 
fehlen;  164,  3  dass  für  wenn.  Schwab  bietet  hier  den  besseren 
und  vollständigeren  text  nach  der  ersten  aufläge  der  Gedichte, 
von  welcher  er  s.  viii  sagt:  'die  erweiterungen  dieser  gedichte  .  .  . 
sind  .  .  .  aus  den  manuscripten  geschöpft.'  ebenso  ist  es  mit 
Griechenland  bestellt  (Köstlin  s.  166  ff,  Schwab  i  6  f);  der  druck 
in  der  Schillerschen  Neuen  Thalia  iv  bd,,  6  stück,  s.  331  ff  weist 
zahlreiche  Varianten  auf,  auch  wurde  später  eine  Strophe  in  der 
mitte  hinzugefügt.  Köstlins  text  hält  sich  in  der  ersten  hälfte 
an  die  Thalia:  6,  2  Cephisus  für  Ilissus'  in  der  späteren  Um- 
arbeitung, welche  Schwab  zu  gründe  legt;  166,  10  ströme  für 
fluthen;  166,  22  und  dein  haupt  für  deinen  geist ;  166,  23  drückte 
nicht  für  fühlte  nicht;  167,  8  stolze  für  süfse;  nur  die  druckfehler 
der  Thalia  166,  18  sangst  und  166,  23  stumpfe  schwüle  sind  mit 
recht  beseitigt  worden,  es  folgt  167,  9  ff  die  in  der  Thalia  fehlende 
Strophe  und  von  167,  17  ab  schliefst  sich  Köstlin  ganz  an  Schwab 
an,  welcher  von  der  Thalia  nicht  blofs  in  druckfehlern  (167,21 
nur  für  nun)  abweicht:  167,  19  heifst  es  in  der  Thalia  für  das 


210  HÖLDERLIN     ED.    KÜSTLLN 

Volk;  20  gern  der  freude  zähre;  25  Attika,  die  heldin;  28  steht 
der  kranich  einsam  trauetnd  nun;  29  lächelnd  kehrt  der  holde 
frühling  loieder;  32  \mter  schult  und  dornen  schlummern  sie; 
168,  6  dem  lieben  Griechenlande,  das  gedieht  Sokrates  und  Alci- 
biades  (s.  168)  weicht  beträchtlich  vom  ersten  druck  in  Schillers 
Musenalmanach  1799  (s.  47)  und  dem  damit  übereinstimmenden 
texte  hei  Schwah  (s.  44;  nur  z.  2  gröfsers,  z.  8  zu  schönen  im 
Almanach)  ab,  ohne  dass  die  einleitung  sich  auf  eine  andere 
quelle  oder  ein  manuscript  bezöge,  liegt  dem  Köstlinschen  texte 
ein  manuscript  zu  gründe,  so  hat  er  jedesfalls  168,  14  jugend 
aus  tagend  verlesen,  wie  in  den  früheren  drucken  steht.  169,3 
in  dem  gedieht  An  unsre  dichter  (so  im  ersten  druck)  hat  Köstlin 
die  richtige  lesart  siegt  aus  dem  Schillerscben  Almanach  vom  j. 
1799  s.  209  widerhergestellt,  welche  Schwab  in  singt  verschlimm- 
bessert hatte;  aber  169,  1  ist  die  falsche  conjeetur  auf  gegen- 
über der  richtigen  älteren  lesart  auch  aus  Schwab  beibehalten 
worden.  182,  1  ff  bietet  Köstlin  die  erweiterung  des  gedichtes 
Stimme  des  Volkes  in  einer  neuen  fassung,  welche  der  Flora  von 
1802  entnommen  ist  und  von  der  bei  Schwab  i  28  ff  gedruckten 
bedeutend  abweicht  (s.  lh). 

Den  Hyperion  gibt  der  herausgeber  mit  recht  in  den  beiden 
erhaltenen  fassungen:  er  schickt  (zweite  abteilung  s.  3  ff)  das 
fragment  aus  Schillers  Thalia  voraus;  auch  hier  verhält  er  sich 
dem  ersten  drucke  gegenüber  eclectisch  und  nimmt  die  lesart  des- 
selben nach  gutdünken  oder  belieben  in  seinen  text  auf  oder 
nicht,  dieselben  formen  werden  einmal  mit  dem  älteren  drucke 
syncopiert,  dann  wider  (auch  wo  die  Thalia  dieselbe  syncopierte 
form  hat)  zerdebnt  gedruckt;  sonst  bieten  die  Varianten  wenig 
interesse.  der  roman  selbst  ist  s.  27  ff  nach  der  Originalausgabe 
von  1797  und  1799  abgedruckt,  von  welchem  der  herausgeber 
das  von  Hölderlin  seiner  Diotima  gewidmete  exemplar  mit  eigen- 
händigen Verbesserungen  des  diehters  benutzen  konnte  (s.  F). 

Nach  dem  gesagten  können  wir  dem  herausgeber  freilich 
nicht  streitig  machen ,  dass  er  den  text  Hölderlins  an  manchen 
stellen  verbessert  hat.  wir  dürfen  ihm  aber  auch  den  Vorwurf 
nicht  ersparen ,  dass  er  dabei  unmethodisch  und  willkürlich  zu 
werke  gegangen  ist  und  mehr  fehler  stehen  gelassen  oder  in  den 
text  hineingebracht  hat,  als  er  aus  demselben  ausgemerzt  hat. 
dem  Zufall  hat  er  sich  in  bezug  auf  das  zu  berücksichtigende 
material  überlassen;  dem  zufall  in  bezug  auf  die  auswahl  der 
lesarten.  die  methodelosigkeit  oder  uumethode  zeigt  sich  be- 
sonders in  dem  texte  solcher  gedichle,  bei  welchen  ältere  les- 
arten einmal  beachtet  werden  und  dann  wider  nicht;  und  sie 
feiert  ihren  höchsten  triumph  in  dem  gedichte  Griechenland, 
welches  aus  zwei  verschiedenen  redactiouen  zusammengeslückt 
ist.  ohne  umfangreiche  recherchen  nach  den  ersten  drucken  und 
sorgfältige   benutzung   der   noch   vorhandenen   manuscripte,   vor 


HÜLDERLI.V   ED,    KOSTLIN  211 

allem  aber  ohne  philologische  melhode  und  genauigkeit  wird  der 
text  der  Hölderlinschen  gedichte  nicht  eingereniit  werden ,  so 
sehr  er  eine  solche  Behandlung  nötig  hätte,  denn  die  schlechte 
hs.  des  dichters  und  sein  nicht  immer  leicht  verständlicher  ge- 
dankengang  haben  vielen  schaden  gestiltet.  eine  kritische  aus- 
gäbe, welche  ein  schüler  Sauers,  Emil  Petzold  aus  Lemberg,  vor- 
bereitet, wird  nach  dem  gesagten  jedermann  willkommen  sein, 
von  Sauer  selbst  wird  das  Archiv  für  litteraturgesch.  in  hoffentlich 
nicht  zu  lerner  zeit  un gedruckte  gedichte  Hölderlins  bringen. 

Leicht  das  gröste  verdienst  der  vorliegenden  ausgäbe  möchte 
in  der  hier  zum  ersten  male  durchgetiihrten  chronologischen  an- 
ordnung  der  gedichte  liegen,  da  Hölderlin  selbst  seine  gedichte 
nie  gesammelt  und  angeordnet  hat,  war  die  chronologische  reihen- 
iolge  allerdings  die  wünschenswerteste,  viele  gedichte  tragen  bei 
Schwab  das  jähr  ihrer  entstehung  vor  sich;  bei  anderen  gibt 
der  nachweis  der  ersten  drucke  einen  terminus  ad  quem;  wider 
andere  sind  durch  den  brietwechsel  Hölderlins  sicher  zu  datieren 
oder  werden  durch  die  beziehung  aut  die  lebensverhältnisse  des 
dichters  fixiert:  mit  berücksichtigung  dieser  umstände  scheint  mir 
Köstlin  die  chronologische  anordnung  richtig  und  zuverlässig 
durchgeführt  zu  haben,  auch  dass  die  auf  Diotima  bezüglichen 
gedichte  aus  der  zeitlichen  reihenfolge  herausgenommen  und  als 
gruppe  zusammengestellt  wurden,  möchte  ich  nicht  tadeln:  nur 
hätte  meines  erachtens  diese  gruppe  nicht  hinten  nachgestellt, 
sondern  etwa  unter  dem  jähre  1798  eingeschoben  werden  sollen, 
die  unter  der  Überschrift  Hellas  vereinigten  und  den  schluss  bil- 
denden gedichte  dagegen ,  welche  keine  abgeschlossene  gruppe 
bilden  und  mit  den  früheren  gedichten  oft  im  Inhalt  zusammen- 
treffen, wären  wol  besser  der  chronologischen  folge  an  ort  und 
stelle  eingefügt  worden. 

Prag  18.  12.   84.  Mlnor. 

Ysengrimus.      herausgegeben    und   erklärt    von  Ernst  Voigt.      Halle  a/S., 
buchhandlung  des  Waisenhauses,  18S4.    cxlvi  und  470  ss.  8°.  —  8  m.* 

Als  vor  mehr  denn  fünfzig  jähren  Mone  das  wichtige  ge- 
dieht von  den  abenteuern  des  wolies  unter  dem  unpassenden 
titel  Reinardus  vulpes  herausgab,  kannte  er  nur  drei  hss.,  die 
beiden  Lütticher  (bei  Voigt  A  und  E)  und  die  Pariser  (bei  Voigt  B) ; 
die  letztere  hatte  er  nicht  selbst  eingesehen,  sondern  benützte  die 
ziemlich  flüchtige  abschrift,  welche  JGrimm  im  frühjahr  1814  in 
wenig  mehr  als  drei  wochen  genommen  hatte,  die  beigegebenen 
anmerkungen  enthielten  wol  manches  zur  erklärung  des  schwie- 
rigen gedichtes  dienliche,  aber  der  grundirrtum  seiner  historischen 
deutung  drängte  sich  überall  störend  hervor,  wer  die  jetzige 
ausgäbe   mit  der  früheren  vergleicht,   dem  fällt   alsbald  der  ge- 

[*  vgl.  DLZ  1884  nr  40  (FSeiler).  —  Litteraturblatt  für  germ.  und 
rom.  Philologie  1884  nr  12  (KWeiuhold).] 


212  VOIGT    YSENGRIMLS 

waltige  unterschied  in  die  äugen:  schon  äufserlich,  denn  Mones 
buch  urafasst  blofs  vin  und  336  seilen,  und  jeder  blick]]  ins 
innere  zeigt,  wie  nötig  eine  neue  bearbeituug  war  und  wie  treu- 
lich gelungen  die  vorliegende  ist. 

Das  buch  hätte  keinen  berufeneren  herausgeber  finden  kön- 
nen, als  EVoigt,  der  sich  durch  seine  beschäftigung  mit  der  Ec- 
basis  und  mit  anderen  denkmälern  der  tiersage  in  dies  gebiet  ein- 
gelebt hat  wie  kaum  ein  anderer,  die  echte  philologennatur, 
die  sich  schon  in  den  früheren,  kleineren  publicationen  kund- 
gab, fand  hier  ein  arbeitsfeld  voll  der  nianigfaltigsten  aufgaben, 
sie  ist  an  ihnen  gewachsen  in  einer  rastlosen,  zehnjährigen  arbeit, 
gewachsen  an  Sicherheit,  an  Scharfblick ,  an  melhode,  an  unver- 
drossenheit  in  Überwindung  von  Schwierigkeiten,  schon  das  Ver- 
hältnis der  alten  und  der  inzwischen  entdeckten  hss.  zu  be- 
stimmen war  eine  lockende  editorenaufgabe,  die  sich  überdies 
verflocht  mit  der  frage  nach  den  beziehungen  zwischen  unserem 
gedieht  und  der  kürzeren,  von  JGrimm  herausgegebenen  fassuug. 
hatte  Grimm  diese  letztere  für  die  grundlage  gehalten,  auf  und 
aus  welcher  der  Reinardus  vulpes  oder  Ysengrimus  erwuchs,  so 
wird  jetzt  mit  überzeugenden  gründen  nachgewiesen  dass  sie  viel- 
mehr nichts  anderes  sei  als  ein  Ysengrimus  abbreviatus.  Grimm 
hat  gröfsere  irrtümer  begangen  als  diesen;  der  starke  zusatz  von 
phanlasie  in  seiner  gründlichen  gelehrtennatur  machte  ihn  eben 
zu  dem  bahnbrechenden  genius,  der  im  einzelnen  fehlgreifen 
durfte,  weil  er  weite  unbebaute  gebiete  erschloss,  ungeahnte 
entdeckte,  der  herbe  ton,  in  welchem  die  polemik  gegen  ihn 
geführt  wird,  berührt  daher  nicht  angenehm;  und  ein  seitenhieb 
wie  s.  cxxxv,  wo  von  dem  'freilich  nicht  im  flug  zu  erhaschenden' 
sinn  einer  stelle  die  rede  ist,  oder  in  anderem  Zusammenhang 
(s.  243  1)  der  ausdruck  'Grimm ,  der  eine  selbständige  fabel  da- 
hinter wittert',  liefert,  je  weniger  Grimms  gröfse  davon  berührt 
wird,   nur  einen  beweis  für   die   selbstschätzung  des  Verfassers. 

Das  wichtigste  und  dankenswerteste,  was  die  neue  ausgäbe 
bietet,  ist  der  von  grofser  belesenheit  und  unermüdlichem  Spür- 
sinn zeugende  commenlar,  der  zugleich  einen  überblick  gewährt 
über  alles  das,  was  an  falschen  und  richtigen  erkläningsversuchen 
für  das  schwierige  gedieht  bisher  geleistet  worden  ist,  angefangen 
von  den  glossen  in  der  hs.  D  bis  zum  jüngsten  gymnasialprogramm. 
auf  eine  der  angaben  im  glossar  zu  D  sei  gestattet  hier  aufmerksam 
zu  machen:  effestucare  wird  'flaminge'  übersetzt  mit  hahnen  et 
plocken.  das  letztere  scheint  gleichbedeutend  mit  dem  frz.  rompre 
(RA  s.  127),  das  erstere  drückt  gleichsam  festitcare  aus.  in  einem 
aufsatz  über  das  haberfeldlreibon  (Allg.  zeitung  1882  nr  205) 
halle  ich  auf  ein  deutsches  dhalmen,  effestncare  geraten:  hier 
also  wäre  wenigstens  das  einfache  halmen  bezeugt. 

Das  meiste  freilich  blieb  dem  herausgeber  selbst  zu  tun, 
und  er  hat  sich  durch  beibringung  zahlreicher,  oft  weit  entlegener 


VOIGT   ISENGRIMUS  213 

belege  das  verdienst  erworben,  zum  ersten  mal  ein  volles  Ver- 
ständnis des  gedichtes  ermöglicht  zu  haben,  dass  er  mitunter 
eine  auseinandersetzung  mit  einem  tion  liquet  schliefsen  muss, 
das  liegt  in  der  natur  der  sache:  ein  satirisches  werk,  das  von 
anspielungen  verschiedenster  art  wimmelt,  muss  notwendig  stellen 
enthalten,  deren  beziehung  uns  dunkel  bleibt,  um  so  mehr,  da 
unsere  kenntnis  des  mittelalters  noch  immer  weit  mangelhafter 
ist  als  die  des  altertums.  so  einleuchtend  zb.  die  deutung  des 
dominus  Blitero  v  1 100  auf  den  klagedichter  Blitero  von  Utrecht 
ist,  so  fehlt  doch  noch  zu  völliger  Sicherheit  eine  anderweitige 
bestätigung;  und  da  die  endung  ero  in  den  selbstgeschaffeuen 
namen  Gutero,  Gvulfero  widerkehrt,  so  bleibt  man  versucht,  auch 
hier  an  eine  ähnliche  entstehung  zu  denken ,  etwa  aus  hlictor, 
lictor,  litor  (s.  Diefenbach  s.  v.  pollinctor) :  der  tod  a!s  dürrer 
träger  des  grabscheites  ist  allerdings  erst  später  bezeugt,  aber 
bei  solchen  Zeugnissen  spielt  oft  der  zufall.  in  der  erklärung 
eines  anderen  namens,  Rearidus  (s.  lxxvi  f),  hat  ohne  zweifei 
Grimm  richtiger  gesehen  als  der  herausgeber,  der  ihn  von  frz. 
raire  ableitet,  dass  das  infinitiv-r  mit  in  die  bildung  sollte  hin- 
eingezogen worden  sein,  ist  einem  so  guten  lateiner  wie  unserem 
dichter  nicht  zuzutrauen;  und  wie  eine  ableitung  von  raire  oder 
reer  etwa  aussehen  müste,  kann  die  lesart  Reandus  in  der  hs. 
B  zeigen  (vgl.  den  namen  des  Stiers  Bruiant,  RF  s.  ccxxxui; 
sollte  aus  Reandus  der  deutsche  name  des  hirsches,  Randolt, 
stammen?),  wenn  Diez  einen  Zusammenhang  zwischen  raire 
und  ahd.  reran  bestreitet,  so  ist  dadurch  ein  solcher  zwischen 
ndl.  reer en  und  Rearidtis  nicht  ausgeschlossen:  m  scheint,  unter 
benutzung  der  vor  r  leicht  sich  einstellenden  Zweigipfligkeit  des 
accents,  aus  e,  ee  erwachsen,  idus  ist  lateinische  endung. 

Auch  graece  allec  loquitur  iv  355  scheint  einer  anderen  er- 
klärung zu  bedürfen,  als  zu  der  stelle  versucht  wird,  graece 
loqui  ist  'welschen,  kaudern'  (vgl.  DWB  5,  309  f  und  RF  s.  clvii). 
dies  undeutliche  reden  ist  im  schwäbischen  benannt  nach  dem 
brodeln  des  wassers,  dem  brotzeln  des  fleisches  (Schmid  Schwab, 
wb.  s.  91.  101;  Tobler  s.  79;  vgl.  DWB  2,396;  ten  Doorukaat- 
Roolman  s.  v.  prötjeti,  prötteln  usw.  und  die  vorhergehenden 
spalten),  und  ein  solches  brotzeln  des  (schmorenden)  herings 
scheint  hier  gemeint;  vgl.  das  'singen'  der  pfannen  und  kochenden 
speisen  (Grimm  Kl.  sehr.  5,  364)  und  den  darauf  beruhenden 
aberglauben  (Wolf  Beitr.  z.  d.  myth.  1,  207  nr29).  Frisch  erwähnt 
das  singen  der  spiefsruten  und  kugeln,  bei  Kiliaen  steht  pro- 
telen  murmurare  und  bullire;  singhen  canere,  singheln  f  sengheln 
uslulare  (hochd.  singen  und  sengen),  gebratener  bering  ist  dem 
Sprichwort  geläufig  (s.  Wander)  und  dient  zum  vergleiche  (Zs. 
4,  21);  auch  an  den  schwank  darf  erinnert  werden  vom  quecken 
hering,  der  Ä'icdcA*  schreit ,  nachdem  er  das  feuer  gesehen  (Germ. 
13,76;  vgl.  Slrackerjan  Oldenb.  sag.  2,295).     der  sinn  möchte 


214  VOIGT    YSE>GBIMUS 

demnach  sein:  so  wenig  das  brotzeln  des  herings  ein  singen  ist 
(wiewol  das  volk  es  so  nennt),  so  wenig und  ganz  ent- 
sprechend bei  dem  parallelen  biga  fritinnit;  man  sagt  'singen 
wie  ein  spulrad,  ein  brunnenschwengel'  (Wander  s.  v.  singen). 
Die  deutung  von  vi  337  ist  schwierig,  das  sieb,  für  welches 
der  bauer  geboren  wird,  erinnert  an  dasjenige,  worein  man  die 
neugeborenen  Schwaben  setzt:  Qnando  Snevus  nascüur  Vel  cnm 
in  cribro  ponitnr,  Dkü  ei  mater  Simul  atqne  fater:  Foramina  quot 
cribro  Hoc  ordine  snnt  miro,  Tot  terras  circuire  Bebes,  sie  vitam  finire 
(Stalin  Wirt,  gesch.  2,781  anm.  7;  Germ.  6,  109).  wie  hier  ein 
alter  gebrauch,  über  dessen  sinn  und  Verbreitung  uns  Mannhardt 
Mythologische  torschungen  s.  366  ff  aufschluss  gegeben  hat, 
scherzhalt  ausgedeutet  wird,  so  könnte  es  an  unserer  stelle  sein, 
das  sieb  (vgl.  auch  den  calathns  v  697  mit  dem  säekorb  bei 
Mannhardt  aao.),  worein  das  bauernkind  gelegt  wird,  ist  als 
ominös  autgelasst:  der  bauer  ist  tür  ein  leben  mit  dem  sieb,  dh. 
mit  ländhcher  arbeit  (deren  segen  ihm  immer  wider  unter  den 
bänden  zerrinnt?)  bestimmt,  auch  in  galastra  ist  irgend  welches 
Sinnbild  eines  harten  lebens  zu  vermuten ,  sei  es  dass  der  dichter 
es  aus  dem  nämlichen  anschauungsgebiet  entlehnte  wie  das  sieb, 
sei  es  dass  er  über  den  bereich  des  Volksglaubens  hinausgriff: 
bei  so  weiten  gränzbestimmungen  aber  ist  mit  einem  ärra^  Xe- 
yö(.ievov,  dessen  anklang  an  yäla  ebenso  wol  zulällig  als  wesent- 
lich sein  und  im  letzteren  lall  auf  der  wähl  des  dichters  wie 
aul  der  Interpretation  des  Schreibers  von  x  beruhen  kann,  wenig 
genug  anzufangen,  auf  ein  nahrungsmittel  (Diefenb.  caleslra  unter 
caleptra  und  cnhjptra  genus  frugum,  genus  frugis)  könnte  der 
gegensatz  des  folgenden  pentameters  weisen ,  und  bei  der  sieb- 
setzung  spielen  in  der  tat  fruchte  und  backwerk  eine  symbolische 
rolle  (womit  ferner  zu  vgl.,  was  Ploss  Das  kind  1,  64;  65  ff;  75; 
215 ff  anführt);  das  süfse  'kindsfoot'  Wolf  Beitr.  1,  206;  Bartsch 
Meklenb.  sag.  2,  50;  Germ.  18,  1;  Ploss  1,  216;  Mnd.  wb. 
2,  464;  Dähnert  227;  Schütze  2,  256  liefse  sich,  in  den  beschei- 
denen Verhältnissen  des  altertums  gedacht,  heranziehen  als  hin- 
deutung auf  die  pQanzenkost,  welche  das  leben  des  l»auern  zu 
einem  beständigen  fasten  macht,  auch  an  die  anmiete  (Ploss 
1,  107)  könnte  mau  denken;  da  nun  calestra  unter  anderm  auch 
'Wespennest'  heifst,  das  Wespennest  aber  im  aberglauben  neben 
der  glückshaube  genannt  wird  (Wuttke-  §  548),  so  wäre  möglich 
dass  ein  Wespennest  zur  wiegenausstattung  gehörte  und  vom 
dichter  als  Sinnbild  des  geplagten  bauernlebens  verwendet  wäre, 
sollte  galastra,  wie  Voigt  will,  'milcheimer'  bedeuten,  so  stünde 
es  vielleicht  als  Sinnbild  der  frauenarbeit  neben  cribruni  als  dem 
der  männlichen,  da  aus  der  form  des  Wortes  über  die  des  ge- 
läfses  nichts  zu  entnehmen  ist,  so  könnte  galastra  auch  einen 
weilling,  eine  milchschüssel  meinen  und  wäre,  mythologisch  an- 
geschen, nur  ein  anderer  ausdruck  iüvoibrnm,  denn  in  Frank- 


VOIGT    YSENGRIMUS  215 

reich  ist  das  sieb  durch  die  schiissel  vertreleu  (MaoDhardt  aao. 
s.  363).  auszugehen  aber  hätten  wir  immer  von  dem  sieb  des 
kindbeltgebrauchs;  denn  wollte  der  dichter  aus  eigener  erfindung 
Symbole  harter  arbeit  und  enlbehrung  nennen,  so  wäre  er  wol 
auf  schlagendere  verfallen  als  sieb  und  milchgeschirr. 

Ein  anderes  dunkles  wort  ist  culica  v  27.  mau  könnte  es 
als  eine  an  cuIex  gelehnte  improvisation  für  aculeus,  dorn,  hechel 
hallen,  wahrscheinhcher  ist  mir  eine  schon  auf  die  älteste  ab- 
schritt zurückgehende  Verlesung  aus  c^r',  cult\  d.i.cultra,  scher- 
messer.  ein  stumpfes  schermesser  als  höUisches  folterinstrument 
scheint  ganz  in  das  vorslellungsgebiet  eines  mönchischen  poeten 
zu  fallen;  dass  es  zum  Zähneausziehen  nicht  passt,  ist  eine 
empfehlung,  denn  die  zahne  sollen  ja  martervoll  herausgebohrt 
werden  —  also  mit  einem  Werkzeug,  das  weder  für  die  zahne 
noch  als  bohrer  sich  eignet. 

Die  dextera  naris  v  1097  ist  wol  aus  einer  volksmeinung 
zu  deuten,  mit  dem  herausgeber  nehmen  wir  an,  es  sei  auf  die 
trinklust  der  spielleute  angespielt,  ein  englisches  Sprichwort 
sagt ,  that  when  a  man's  nose  itcheth ,  it  is  a  signe  he  shall  drink 
tc/ne  (Wolf  Beitr.  1,  247),  und  im  holländischen  heilst  es:  als  de 
neus  jeukt ,  zal  men  drek  ruiken  of  wijn  drinken  (Wander  3,950 
nr  86).  in  Tirol:  wem  die  nase  heilst,  trinkt  gern  (Zingerle 
Sitten  usw.  s.  27).  des  wolfes  nase  juckt  von  den  prügeln ,  die 
er  gekriegt  hat ,  sie  ist  geschwollen  (vgl.  aspectu  1098),  und  dies 
jucken  wird  mit  dem  Sprichwort  als  Vorahnung  des  prickelnden 
weinduftes  gefasst,  wie  sonst  das  jucken  der  haut  auf  schlage 
deutet,  das  specialisierende  dextera  braucht  nicht  blofs  poetischer 
Zierat  zu  sein ,  sondern  könnte  das  angenehme  der  erwartung 
ausdrücken,  ähnlich  wie  es  in  einer  anderen  interpretation  des 
nasenomens  heifst:  krabbelt  es  dich  an  der  rechten  seite  der 
nase,  so  bedeutet  dies  eine  angenehme  neuigkeit;  an  der  linken, 
so  ist  das  gegenteil  der  fall  (Witzschel  Thür.  sagen  2,  282;  vgl. 
in  bezug   auf  band   und  ohr   Liebrecht  Zur  Volkskunde  s.  327). 

Die  stelle  v  862  libros,  vasa  crucesque  rotant  mit  der  anm. 
'als  Schutzmittel  gegen  die  bösen  geister,  die  etwa  bei  dem  stürme 
die  band  im  spiele  haben'  erinnert  an  den  sturmgeist  Beatrik, 
der  durch  umstürzen  der  hausgeräte  abgewehrt  wird  (Schneller 
Märchen  und  sagen  aus  VVälschlirol  s.  207),  und  an  den  brauch 
der  bauern  bei  Kremsmünster,  welche  während  eines  gewitters 
Stühle  und  tische  in  den  hofraum  warfen,  dass  die  füfse  auf- 
wärts stunden  (Baumgarten  Aus  der  volksmäfsigen  Überlieferung 
1,  65).  rotare  bedeutet  nicht  blofs  'schwingen',  sondern  auch 
'werfen'  und  'kugeln,  vmmekeren'. 

Über  den  heiligen  Celebrant  n  69  gibt  die  anm.  ungenügende 
auskunft.  der  wesentliche  punct  ist  in  der  einleitung  s.  xcu 
hervorgehoben,  erwünscht  wäre  eine  angäbe  der  litteratur,  nament- 
lich der  einschlägigen  aufsätze  Köhlers  in  der  Germ.  13,  399;  28, 
A.  F.  D.  A.   XI.  16 


216  VOIGT    YSENGRIMÜS 

9.512  gewesen.  he'\  übt  omnes  defuerant  testes  liefse  sich  iii  652 
da  sine  teste  libens  anziehen,  vielleicht  ist  aber  est  data  Roma 
Petro  einfach  aui  Mattb.  16,  16 ff  zu  deuten,  und  die  mangelnden 
testes  erläutern  sich  aus  caro  et  sanguis  non  revelavit  tibi,  er- 
wägenswert scheint,  ob  nicht  bei  der  combination  des  Celebrant 
mit  Petrus  die  anrede  Jesu  an  diesen,  'Jonas  söhn',  mitgespielt 
habe;  denn  Celebrant,  Cetegrant  ist  der  Jonasüsch,  der  sunder 
alle  mdsen  in  sich  verslant  Jondsen. 

Crumera  v  905  scheint  eine  (vielleicht  dem  Schreiber  von  x 
zur  last  fallende)  Vermischung  von  cumera  mit  crurnena,  crumenta. 
wie  cellarinm,  die  Vorratskammer,  im  ma.  sowol  speisekaslea 
als  keller  ausdrückt,  so  konnte  cnmera,  der  kornkasten,  das 
'kornhüfshn'  den  sinn  von  keller  annehmen. 

Über  -ve  in  579  ist  s.  xliii  in  Übereinstimmung  mit  Moue 
gesagt,  es  abundiere  versfüllend,  das  ist  doch  bedenklich,  und 
ich  möchte  lieber  das  vorhergehende  et  im  sinne  von  etiam 
nehmen ,  also  et  .  .  .  -ve  =  vel  etiam :  vera  favore  metuve  tacens 
et  falsa  loquensve,  wer  aus  gunst  oder  furcht  schweigt  oder  gar 
lügt,     schwerlich  ve  =  vae:   wer  schweigt  und  (wehe!)  lügt. 

Die  einleitung  behandelt  in  acht  abschnitten  folgende  gegen- 
stände :  beschreibung  der  hss. ;  Verhältnis  der  hss. ;  prosodie  und 
metrik;  grammatik;  stil ;  der  Inhalt;  der  dichter;  Ysengrimus 
abbreviatus.  darauf  folgt  die  in  der  jüngsten  handschriftengruppe 
überlieferte  inhaltsangabe  und  auf  einem  besonderen  blatte  eine 
schematische  darstellung  des  handschriftenverhältnisses. 

Dass  der  herausgeber  in  der  mittelalterlichen  tiersage  ledig- 
lich ein  erzeiignis  mönchischen  witzes  sieht,  der  antike  fabeln 
ausÄsop,  Pbysiologus  und  Petrus  Alphonsi  mit  einem  in  christ- 
licher Symbolik  geschulten  äuge  auffasste,  ist  nach  dem  gang, 
den  unsere  wissenschaftliche  erkenntnis  genommen  hat,  ganz 
natürlich,  doch  scheint  mir  in  dieser  frage  das  letzte  wort  noch 
nicht  gesprochen.  Otto  Keller,  der  eigentliche  urheber  der  neuen 
ansieht,  hat  in  seiner  gehaltvollen  und  besonnenen  abhandlung 
über  die  geschichte  der  griechischen  fabel  (Fleckeisens  Jahrbücher, 
suppl.  4)  einen  satz  ausgesprochen  (s.  322),  an  welchen  zu  erin- 
nern gegenüber  jener  Zuspitzung  auf  rein  gelehrten,  klosterlichen 
Ursprung  erlaubt  sein  mag:  'der  heerdienst  und  das  lagerleben 
muste  die  Deutschen  im  byzantinischen  reich  gerade  am  meisten 
mit  denjenigen  Volksschichten  in  verkehr  setzen ,  welche  märchen 
und  fabeln  fortzupflanzen  am  geeignetsten  waren:  ihr  gesunder 
sinn  verschmähte  nun  zwar  das  unheimliche  und  gespenstige 
dement,  welches  den  östlichen  wundergeschichten  anhaftet;  desto 
begieriger  aber  mochten  sie  die  ihrer  natur  verwandten  Stoffe 
der  fabel  sich  aneignen,  zumal  da  sie  sicherlich  schon  einen 
heimischen  schätz  von  märchenhaften  tierfabeln  besafsen,  in 
welchen  sich  die  entgegenkommende  erzählung  bequem  und  ge- 
fällig wie  von   selber   einreihte.'     der   eigentliche  uährboden  für 


VOIGT   YSENGRIMUS  217 

die  fremden  fabeln  war  die  heimische  märchenfreude;  und  das 
epische  behagen ,  das  die  ma.lichen  tiergedichte  atmen ,  erklärt 
sich  nur  aus  der  zuvor  schon  herschenden  lust  zu  fabulieren,  die 
gewöhnt  war,  tiere  als  beiden  der  erzählung  auftreten  zu  lassen. 
und  wenn  etwa  gar  unter  den  fremden  gasten  solche  waren, 
deren  gegenbilder  man  aus  der  heimischen  Überlieferung  kannte, 
so  bot  die  litterarische  weihe,  welche  diesen  hieraus  zufloss, 
einen  anreiz  mehr,  den  munteren  ankömmlingen  besondere  auf- 
merksamkeit  zu  schenken. 

Wenn  freilich  Benfey  recht  hätte,  dass  unsere  Volksmärchen 
nichts  als  ein  orientalischer  iraport  seien ,  dann  würde  uns  die 
berufung  auf  das  märchen  nichts  hellen,  allein  in  diese  theorie 
ist  schon  durch  Mannhardt  eine  gefährliche  bresche  gelegt;  und 
wenn  erst,  was  nicht  mehr  lang  anstehen  dürfte,  der  nachweis 
erbracht  ist,  dass  gerade  die  schönsten  und  wichtigsten  märchen, 
deren  tierverwandlungen  den  keim  für  die  eigentlichen  tiermärchen 
und  fabeln  abgeben  mochten,  aus  der  heimischen  voikssage  er- 
wachsen sind ,  diese  aber  aus  heimischen  anschauungen  sich  er- 
klärt, dann  wird  die  geilung  jener  ansieht  so  weit  eingeschränkt 
sein ,  dass  auch  für  das  tiermärchen  der  mangel  schriftlicher  auf- 
zeichnung  in  den  ma.lichen  litteraturen  kein  beweis  des  nichtvor- 
handenseins  mehr  ist.  jetzt  schon  scheint  mir  der  satz,  dass  spe- 
ciell  die  tierfabel  ein  ursprünglich  indisches  product  sei,  nicht  über 
alle  anfechtung  erhaben,  derselbe  stützt  sich  bekannter  mafsen 
vornehmlich  auf  den  umstand,  dass  das  Verhältnis  des  fuchses 
zum  löwen  in  der  läbel  sich  nur  erklärt  aus  dem  naturgeschicht- 
lichen Verhältnis  zwischen  schakal  und  löwen.  schakale  und 
löwen  gab  es  aber  auch  in  Griechenland,  und  der  Ursprung  von 
sagen,  in  welchen  diese  beiden  auftreten,  kann  auf  irgend  einem 
puncte  der  strecke  zwischen  Indien  und  Hellas  stattgefunden 
haben,  auf  welcher  beide  tiere  neben  einander  vorkommen; 
dieser  puuct  wird  alsdann  der  nämliche  gewesen  sein,  wo  Inder 
und  Griechen  noch  ungetrennt  beisammen  safsen ,  die  entstehung 
der  tierfabel  kann  in  die  Zeiten  der  Urgemeinschaft  hinaufreichen, 
dass  später,  als  die  getrennten  Völker  durch  handelsverbindungen 
wider  in  berührung  zu  einander  traten,  ein  austausch  der  aus 
gemeinsamem  stolf  entwickelten  selbständigen  gestaltungen  statt- 
fand, ist  dadurch  nicht  ausgeschlossen. 

Bedeutsam  scheint  dass  fast  nur  die  von  Keller  sogenannten 
märchenfabeln  zum  beweise  der  indischen  enllehnung  taugen 
(aao.  s.  348).  die  griechische  fabel  knüpft  demnach  genau  da 
an,  wo  die  indische,  am  tiermärchen  (s.  313.  323.  350),  und 
wenn  Keller  die  tiermärchen  'in  sehr  früher  zeit  auf  indischem 
boden'  entstehen  lässt,  so  wird,  je  höher  wir  das  alter  ansetzen, 
desto  dringender  der  beweis  nötig,  dass  gerade  der  indische  boden 
die  heimat  der  märchen  sei.  löwen  und  schakale  lernte  der  Inder 
nicht  erst  in  Hindostan  kennen ,  im  gegenteil  liegt  dieses  an  der 

16* 


218  VOIGT   YSEiNGRIMCS 

gränze  des  Verbreitungsgebietes  beider  tiere.  dazu  halte  man  dass 
nicht  sowol  die  iabel,  als  vielmehr  das  tiermärchen  seinen  weg 
von  Indien  ins  abendland  soll  genommen  haben  (s.  335),  und 
andererseits  dass  s.  377  die  äsopische  fabel  das  natürliche  pro- 
duct  und  eigentum  der  niederen  volksclassen  genannt  wird,  denen 
Äsop  sie  ablausclite:  hiernach  scheint  es  doch  dass  wir  für  die 
entstehung  der  griechischen  t'abel  die  indische  Iabel  nicht  nötig 
haben,  und  der  kern  der  frage  bleibt,  ob  das  tiermärchen  etwas 
specifisch  indisches  war  oder  nicht,  ist  aber  die  möglichkeit 
nicht  zu  läugnen  dass  dieses  aus  der  zeit  stamme,  da  Griechen 
und  Inder  beisammen  wohnten ,  so  mögen  auch  die  Germanen 
einen  ursprünglichen  anteil  daran  gehabt  haben,  und  als  die  äso- 
pische tabel  zu  ihnen  drang,  fanden  sie  darin  nicht  etwas  neues, 
sondern  ihrem  eigenen  besitze  verwandtes,  der  umstand,  dass 
die  tiergeschichten  lilterarische  hoffähigkeit  zeigten,  gab  die  losung, 
die  kinder-  und  volksgeschichten ,  welche  sich  vor  den  klassikern 
verkrochen  halten,  wider  hervorzuholen,  von  dem  zusammen- 
treffen eines  litterarischen  Vorbildes  und  eines  mündlich  umge- 
tragenen märchenschatzes  gieng  der  anstofs  aus  zur  entwickelung 
eines  schritttums,  das  wir  unter  örtlichen  bedingungen  entstehen 
sehen,  welche  statt  einer  übermannung  des  deutschen  wesens 
durch  die  lateinische  bildung  einen  langsameren  durchdringungs- 
process  begünstigten,  das  werden  und  wachsen  desselben  liegt 
uns  vor  äugen  und  lässt  keinen  zweifei,  dass  wir  es  mit  einer 
neuschöpfung  zu  tun  haben,  deren  klösterlicher  character  durch- 
aus nicht  in  abrede  zu  stellen  ist;  spricht  sich  derselbe  doch 
deutlich  genug  in  der  Ecbasis  aus,  schon  in  der  wähl  der  tier- 
maske  für  den  beiden  (vgl.  Germ.  18,  333:  in  monaslerio  fratrum 
pueiis  bene  legentihus  et  cantantibus  inponitur  jugum  pro  Jus  qiii 
ita  non  possunt ;  ntiles  vocamus  vitnlos,  minus  capaces  asellos; 
obgleich  der  Verfasser  als  asellns  eingesperrt  ist,  erhebt  er  den 
anspruch  vitulus  d.  i.  utilis  zu  sein). 

Auf  dem  titelblatt  von  Mones  Reinardus  vulpes  steht  'editio 
princeps,  erster  druck';  in  anderem  sinne,  als  erste  würkliche, 
vollgenügende  ausgäbe,  ist  die  vorliegende  eine  editio  princeps. 
ungern  haben  wir  in  derselben  neben  der  neuen  Zählung  die  an- 
gäbe der  Moneschen  vermisst,  auf  welche  sich  doch  seit  einem 
halben  Jahrhundert  die  citate  beziehen,  es  ist  dadurch  nur  erreicht, 
dass  man  auch  ferner  genötigt  ist,  die  alte  neben  der  neuen  aus- 
gäbe forlzulüliren ,  und  der  Übergang  zum  citieren  nach  Voigts 
Zählung  erschwert  wird ;  dass  aber  die  letztere  adoptiert  werden 
muss,  ist  bei  den  Vorzügen  des  Ysengrimus  vor  dem  Reinardus 
selbstverständlich. 

München,   december  1884.  Ludwig  Laistiner. 


TRÖLTSCH    FUNDSTATISTIK  219 


Fundstatistik  der  vorröniischen  metallzeit  im  Rheingebiete.  von  E.  fieiherr 
vTröltsch,  königl.  wQrttemb.  major  a.  d.  mit  zahlreichen  abbil- 
dungen  und  6  karten  in  farbendruck.  Stuttgart,  Ferdinand  Enke, 
1884.    VI  und  119  ss.    4«.  —  15  m. 

Das  werk  greift  geographisch  weiter  aus  als  der  titel  ver- 
muten lässt,  denn  es  bezieht  auch  die  obere  Donau,  die  Rhone 
und  den  Po  herein,  und  die  beigegebenen  karten  umlassen  das 
land  zwischen  den  mündungen  der  Elbe,  des  Rheins,  der  Rhone, 
des  Arno  und  Inn,  Frankreich  und  Italien  bilden  eine  stehende 
rubrik  der  übersichtstaleln.  im  osten  ist,  wenigstens  bezüglich 
der  bronceperiode,  die  Weserlinie  als  gränze  eingehalten,  die- 
selbe linie  also,  die  MüllenhofT  als  westgränze  der  germanischen 
ursitze  und  der  alten  bronce  bezeichnet  (Anz.  vii  209).  von  den 
drei  prähistorischen  altern  sind  die  zwei  jüngeren,  das  erz  -  und 
eisenalter  in  betracht  gezogen  und  geschieden  in  eine  reine 
broncezeit,  eine  ältere  eisenzeit  mit  überwiegen  der  bronce  (nach 
den  funden  von  Hallstatt  im  Salzkammergut  Hallstatlperiode  ge- 
nannt) und  eine  jüngere  eisenzeit  (La-Teneperiode  nach  La  Tene 
am  Neuenburger  see);  in  nicht  ganz  deutlicher  augliederung  läuft 
daneben  eine  altitalische  broncezeit  her.  die  typischen  formen 
der  beiden  eisenzeiten  überschreiten  jene  durch  die  Weser,  den 
Thüringer  und  Böhmer  wald  gebildete  gränze,  und  soweit  die 
karten  nicht  ausreichen,  ist  diese  östliche  und  nördliche  er- 
streckung aus  einer  tabellarischen  übersieht  zu  ersehen,  die 
hauptmasse  des  werkes  bildet  eine  statistische  Zusammenstellung 
der  fundorte  bestimmter  typen,  durch  eine  anzahl  columnen, 
deren  kopl  die  namen  der  landschaflen  vom  Ursprung  bis  zur 
mündung  des  Rheins  und  zum  schluss  noch  Frankreichs  und 
Italiens  enthält,  während  in  den  spalten  selbst  die  Ortsnamen 
stehen,  ist  die  Verbreitung  jedes  einzelnen  typus  anschaulich  ge- 
macht, den  aufang  machen  die  fibulae  in  17  typen  (darunter  ein 
aus  dem  norden  versprengter  einzeliund  der  broncezeit),  dann 
folgen  verschiedene  ringe,  schmuck,  gerate,  waffen.  die  bronce- 
und  eisensachen  sind  durch  abbildungen  versinulicht,  welche  die 
nomenclatur,  so  weit  sie  mangelt,  ersetzen  müssen,  ein  äufserst 
zweckmäfsiges  verfahren,  welches  misverständnisse  ausschliefst 
und  das  buch  auch  zur  ersten  einführung  in  die  altertumskunde 
eignet,  wenigstens  für  solche,  welche  die  einsilbige  spräche  eines 
tabellenwerkes  sich  vernehmlich  zu  macheu  wissen,  in  dieser 
hinsieht  wäre  die  brauchbarkeil  des  buches  durch  einige  bogen 
lext  beträchtlich  zu  erhöhen,  die  abbildungen  sind  sauber  aus- 
geführt; hier  und  da  möchte  man  die  angäbe  der  natürlichen 
gröfse  wünschen,  die  Schmucksachen  aus  gold,  silber,  glas, 
bernstein,  die  thonwaren  und  münzen  sind  summarischer  und 
ohne  bilder  behandelt,  die  sechs  karten  lassen  die  verkehrsbe- 
ziehungen    des   Rheingebieles   erkennen;   vier  davon   stellen   die 


220  TRÖLTSCH    FÜNDSTATISTIK 

Verbreitung  der  fundstücke  aus  den  erwähnten  vier  perioden  dar, 
eine  liinlte,  besonders  lehrreiche  die  der  gussstätten  und  massen- 
fuude  (nebst  angäbe  der  vorrömischen  Verkehrswege)  und  eine 
sechste  die  der  vorrömischen  münzen,  die  Statistik  umfasst  weit 
über  4000  fundorte.  über  sein  verfahren  lassen  wir  den  verf. 
selber  reden,  'die  fundangaben  beruhen  teils  auf  den  eintragen 
der  vorstände  von  über  SO  Sammlungen  in  versandte  Iragebogen 
mit  den  hier  enthaltenen  abbilduugen,  teils  auf  den  angaben 
mehrerer  zuverlässiger  werke  (s.  litteratur  s.  vi),  sowie  auf  den 
eigenen  Studien  des  verf.s  bei  dem  besuche  von  ca.  50  nuiseen 
des  deutschen  und  aufserdeutschen  Rheingebiets.'  an  autopsie 
fehlt  es  ihm  also  nicht:  absolute  Vollständigkeit  ist  nicht  ange- 
strebt und  war  auch  nicht  zu  verbürgen,  da  die  brauchbarkeit 
der  iragebogen  von  der  mufse  und  dem  entgegenkommen  der 
beantworter  allzu  sehr  abhängig  ist.  an  lücken  wird  es  mithin 
nicht  fehlen,  und  zu  ihrer  ergänzung  ladet  die  typographische  au- 
ordnung  ein,  auch  scheint  die  papierausstattung  daraul  berechnet, 
das  buch  für  handschriftliche  eintrage  tauglich  zu  machen,  aber 
als  erster  versuch  einer  antiquarischen  geographie  ist  die  augen- 
scheinlich mit  liebe  und  Sorgfalt  unternommene  arbeit  willkommen 
zu  heifsen.  ihren  vollen  wert  können  jedoch  die  gewonnenen 
ergebnisse  erst  dann  haben,  wenn  durch  die  mitarbeit  anderer 
länder  erstlich  der  gesammte  Verbreitungsbezirk  der  hier  nach- 
gewiesenen typen  festgestellt  wird  und  zweitens  in  ähnlicher  be- 
handlung  das  gebiet  der  nordischen  formensprache  daneben  ge- 
halten werden  kann. 

Ludwig  Laistner. 


Die  Verwaltungslehre,  die  innere  Verwaltung,  zweites  liauptgebiet.  das 
bildungswesen.  dritter  teil,  erstes  lieft,  die  zeit  bis  zum  neun- 
zehnten Jahrhundert,  von  Lorenz  von  Stein.  Stuttgart,  Cotta,  1884. 
XI  und  530  ss.    8°.  —  10  m. 

Dies  buch  bildet  den  dritten  abschnitt  der  darstellung  des 
bildungswesens,  welches  seinerseits  nur  eine  abteilung  von  Steins 
vielbändigem  System  der  Verwaltungslehre  ausmacht,  schon  zwei 
frühere  bände  handelten  über  das  bildungswesen.  der  erste 
(teil  V  des  Werkes)  über  das  elementar-  und  berufsbildungswesen, 
der  zweite  (teil  vij  über  das  bildungswesen  des  mittelalters,  Scho- 
lastik, Universitäten,  humanisinus.  beide  sind  schon  in  zweiter 
aufläge  erschienen,  der  vorliegende  teil  umfasst  die  zeit  von  der 
reformation  bis  zur  gegen  wart.  s.  3  —  34  werden  die  geistigen 
factoren  der  neueren  geschichte  erörtert;  s.  34—245  enthalten 
den  ersten  abschnitt  der  pcriode,  den  St.  bis  zum  dreifsigjährigen 
kriege  reichen  lässt,  s.  245  bis  zum  schluss  die  zweite  hallte  des 
17  jhs.    und  das  achtzehnte,     in   jedem  dieser  beiden  abschnitte 


STEIN    DAS    BILDUNGSWESEN  221 

wird  erst  die  entwickelung  der  europäischen  bildung  und  dann 
das  bildungswesen  und  seine  entwickelung  geschildert,  die  glie- 
derung  des  Stoffes  erfolgt  nach  ländern  und  nach  Sachen,  s.  81  bis 
147  bespricht  St.  die  Universitäten  und  zwar  der  reihe  nach  die 
von  Italien,  Frankreich,  England  und  Deutschland,  dann  s.  147  bis 
227  das  vorbildungswesen  (gymnasien),  hierauf  s.  227 — 245  das 
Volksbildungswesen,  ähnlich  ist  die  folgende  periode  eingeteilt. 
Deutschland  wird  dabei  mit  gröfserer  ausführlichkeit  behandelt, 
welche  aber  St.  für  sachlich  begründet  erachtet. 

Ich  könnte  mir  vorstellen  dass  jemand  dies  buch  über- 
schwenglich lobt,  dass  er  sich  schlechtweg  der  bewundern ng  hin- 
gibt über  die  fülle  der  darin  enthaltenen  anregenden  gedanken. 
ich  könnte  mir  aber  noch  leichter  das  gegenteil  denken,  dass 
nämlich  jemand  es  rücksichtslos  tadelt  und  blofs  tadelt,  gar  nichts 
gutes  darin  finden  mag.  denn  es  wird  vielen  geradezu  unerträg- 
lich sein ,  mehr  reflexionen  über  die  Sachen  als  die  sachen  selbst 
zu  erhalten,  der  verf.  hat  mit  seinen  werken  diese  erfahrung 
schon  öfter  gemacht,  und  mit  beziehung  auf  solche  recensenten 
sagt  er  s.  176:  'es  ist  für  unsere  gegenwart  im  höchsten  grade 
bezeichnend  dass,  wenn  jemand  in  den  würklichen  tatsachen  der 
geschichte  einen  logisch  nachweisbaren ,  aber  freilich  nur  durch 
klares  denken  versländlichen  causalzusammenhang  sieht,  man  das 
ganze  mit  der  bemerkung  abzutuu  weifs,  es  sei  das  'Hegeische 
Philosophie.'  wann  werden  unsere  kritiker  aufhören,  sich  durch 
solche  kategorien  ein  armutszeugnis  über  ihr  Verständnis  der  ge- 
schichte der  Philosophie  auszustellen,  oder  vielmehr  wann  werden 
sie,  wie  es  uns  unsere  wahrhaft  grofsen  philosophen  Kant,  Fichte 
und  Hegel  gelehrt  haben,  wider  auf  dem  gebiete  der  mensch- 
lichen geschichte  nachdenken,  statt  sich  mit  der  bequemen  be- 
obachtung  und  den  einfachen  tatsachen  zu  begnügen.'  es  wäre 
gewis  falsch,  wollte  man  St.s  buch  mit  einer  solchen  phrase  ab- 
tun, der  verf.  hat  sich  eine  bedeutende  aufgäbe  gestellt  und 
hat  sie  mit  viel  geist  und  echt  humaner  gesinnung  behandelt,  er 
schildert  den  gang  der  europäischen  bildung  von  1500  — 1800, 
er  characterisiert  die  bildungsanstalten,  welche  dieselbe  hervor- 
gerufen hat;  jede  tatsache,  die  er  aus  dieser  entwickelung  her- 
aushebt, vveifs  er  in  das  licht  eines  grofsen  geschichtlichen  zu- 
sam.menhangs  und  allgemeiner  erwägung  zu  stellen,  darin  liegt 
die  stärke,  aber  darin  auch  die  schwäche  des  buchs.  es  ist  würk- 
lich  gefahr  vorhanden,  dass  mancher  sachverständige  und  gar  nicht 
denkfaule  leser  es  nach  der  lectüre  einiger  seilen  als  'Hegelei' 
bei  seile  legt.  St.  hält  kein  mafs  in  dem  streben,  die  treibenden 
gedanken  der  entwickelung  aufzudecken,  das  geschehene  wird 
als  das  beabsichtigte  dargestellt  und  die  Ursache  einer  richtung  in 
einem  oder  einigen  momenten  gesucht,  die  wol  mitwürklen,  neben 
denen  aber  auch  andere  würksam  waren,  dadurch  wird  St.  ferner 
in  der  beobachtung  des  tatsächlichen  gestört  und  seine  allgemeinen 


222  STEIN    DAS    BILDUNGSWESEN 

urteile  sind  keineswegs  immer  das  ergebnis  der  Sammlung  und 
Sichtung  des  vollständigen  materials,  sondern  oll  nur  gedanken, 
welche  dem  geistreichen  vert.  bei  der  erwägung  von  einzelheiten 
zuströmen,  endlich  sind  die  talsachen  selbst,  welche  das  System 
tragen,  nicht  so  ausgewählt,  dass  man  der  übrigen  entraten  könnte, 
sind  vielmehr  nicht  einmal  alle  tatsächlich,  so  heifst  es  s.  4  'in 
der  zeit  der  antike  tritt  uns  ein  absolut  freies  lehrwesen  ent- 
gegen'; 'im  tielen  unterschiede  von  der  gesammten  alten  weit  be- 
ginnt sie  (die  Karolingische  monarchie)  damit,  die  bildung  aller 
Völker  als  eine  wesentliche  aufgäbe  des  Staates  hinzustellen.'  Cur- 
tius  Griechische  geschichte  i  409  zeigt  dagegen  dass  in  Griechen- 
land die  ausbildung  der  Jugend  'nicht  der  willkür  der  einzelnen 
häuser  anheimgestellt  war,  sondern  vom  Staate  geordnet  und  ge- 
fördert wurde.'  für  das  republikanische  Rom  genügt  die  erin- 
nerung  an  die  ausweisung  der  griechischen  philosophen  im  jähre 
161  vor  Chr.,  für  die  kaiserzeit  der  hinweis  auf  den  erlass  kaiser 
Julians,  welcher  den  christlichen  professoren  untersagte,  die  alten 
classiker  zu  erklären,  und  auf  die  Verordnungen  der  titel  de  me- 
dicis  et  professoribus  und  de  studiis  liberalibus  Urbis  Romae  im 
Codex  Theodosianus. 

Ähnlich  steht  es  mit  behauptungen  anderer  categorie.  so 
wenn  s.  52  gesagt  wird,  Amerika  habe  zwar  baumwolle  und  brod, 
aber  keinen  einzigen  gedanken  nach  Europa  zurückzubringen  ver- 
mocht, schon  die  zahlreichen  erfindungen,  die  kühne  anwendung 
der  electricität  usw.  sollte  vor  solchem  Europäerhochmut  warneu. 
vor  allem  aber  die  erinnerung  an  die  Vollendung  und  erste  durch- 
jührung  der  vollkommenen  religionsfreiheit,  an  geister  und  herzen 
wie  Washington  und  Benjamin  PVanklin,  an  die  litterarischen  er- 
folge von  Schriftstellern  wie  Bret  Hart,  der  nationalöconom  Carey, 
der  reisende  Stanley. 

Weiterhin  (s.  415  ff)  redet  St.  auslührlich  von  dem  grofsen 
verdienst  des  staatsrechtslehrers  Christof  Besold.  'er  ist  der  erste, 
der  hier  (in  der  citierten  schrifl)  das  bildungswesen  wissenschaft- 
lich behandelte :  Edncatio  nt  cnrae  sit  imperanti  cum  primis  ne- 
cessarium  esse  videtur.  wie  tief  ist  der  unterschied  dieser  auf- 
fassung  von  der  des  katholicismus!'  zunächst  ist  das  citat  un- 
geschickt, aus  diesem  satz  ergibt  sich  gar  nichts,  was  den  Besold 
auszeichnet,  das  gleiche  haben  viele  vor  ihm  gesagt,  sodann 
aber,  wenn  mit  diesem  satz  der  gegensatz  evangelischer  staatsauf- 
lassung  gegenüber  der  katholischen  gekennzeichnet  werden  soll, 
so  übersieht  St.  dass  Besold  zwar  von  geburt  Protestant  war, 
später  aber  zum  katholicismus  übertrat  und  ein  gefährlicher  gegner 
des  Protestantismus  wurde. 

Nicht  besser  ist  die  behauptung  s.  98,  die  deutschen  reichs- 
tagsabschiede  seien  'das  vorbild  der  grofsen  systematischen  Ver- 
waltungsgesetzgebung' der  französischen  monarchie  seit  1550,  oder 
dass  es  in  England   während  des  18jhs.   'so  gut  wie  gar  keine 


STEIN   DAS  BILDUNGSWESEN  223 

regieruDg'  gegeben  habe  s.  368  und  noch  einmal  s.  371.  schon 
die  erinnerung  an  die  herschalt  der  testacte  oder  an  die  gesetz- 
gebung  über  die  gewerkvereine  hätte  einen  solchen  aussprach  ver- 
bieten müssen,  aber  St.  will  die  Zurückhaltung  des  englischen 
Staats  gegenüber  den  bilduugsanstalten  erklären  und  stellt  des- 
wegen die  umfassendere  characteristik  auf,  der  englische  Staat 
habe  sich  jeder  tätigkeit  in  inneren  angelegenheiten  entschlagen. 

Sehr  glücklich  weifs  St.  die  wechselwürkung  der  euro- 
päischen bildung  und  der  nationalen  factoren  zu  schildern  und 
mit  besonderer  energie  betont  er  den  einfluss  der  reformation. 
so  s.  522 :  'es  ist  nicht  zu  bezweifeln  dass  alle  diejenigen  länder, 
in  welchen  das  römische  kirchentum  noch  in  seiner  mittelalter- 
lichen ganzen  kraft  besteht,  das  ist  die  ganze  romanische  hälfte 
von  Europa,  auch  mit  dem  18  jh.  zu  dem  begriff  eines  der  staat- 
lichen regierung  eingefügten  Unterrichtswesens  überhaupt  nicht 
gelangen  kann.  Frankreich,  Italien,  Spanien,  Portugal  behalten 
auch  am  ende  dieses  jhs.  mit  ihrer  alleinherschenden  römischen 
kirche  das  bildungswesen  des  mittelalters.'  die  formulierung  des 
Satzes  zeigt  jedoch  wider  den  wunden  punct  des  buchs.  ob  das 
Unterrichtswesen  Frankreichs  usw.  im  18  jh.  noch  die  form  des 
mittelalters  hatte,  ist  eine  tatsache,  die  objectiv  festgestellt  oder 
verneint  werden  kann  und  nicht  in  form  eines  Schlusses  hinge- 
stellt werden  sollte,  diese  form  verleitet  aber  auch  sofort,  jene  be- 
Lauptung  zu  umfassend  zu  gestalten,  denn  Frankreich  besafs,  wie 
in  dem  buche  s.  95  fr  selbst  ausgeführt  ist,  ansehnliche  anfange 
eines  staatlichen  Unterrichtswesens,  s.  100  heifst  es:  'während 
die  Deutschen  kaum  noch  eine  Vorstellung  von  dem  regale  majus 
eines  katholischen  laudesherrn  haben,  eine  Universität  zu  errichten 
ohne  eine  päpstüche  bulle,  und  die  evangelischen  landesherrn  es 
tun,  ohne  es  als  ein  formelles  recht  zu  fordern,'  ist  in  Frankreich 
'jede  Universität  rechtlich  eine  königliche  ansialt  geworden.'  diese 
anschauung  soll  von  Frankreich  nach  Deutschland  gedrungen  und 
'von  mafsgebendem  einfluss  namentlich  auf  das  deutsche  univer- 
sitätsrecht des  17  und  18  jhs.  geworden'  sein. 

Am  besten  wird  man  das  buch  benutzen ,  wenn  man  von 
zeit  zu  zeit  den  einen  oder  anderen  abschnitt  liest  und  sich  zwar 
durch  denselben  anregen  lässt  aber  zugleich  dessen  behaup- 
tungen  prüft. 

Strafsburg.  *  G.  Kaufmann. 


224  PAÜLSEN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UNTERRICHTS 

Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  auf  den  deutschen  schulen  und  Univer- 
sitäten vom  ausgange  des  mittelalters  bis  zur  gegenwart.  mit  be- 
sonderer rücksicht  auf  den  klassischen  Unterricht,  von  Fbiedrich 
Paulsen,  Leipzig,  Veit  &  comp.,  18S5.  xvi  und  811  ss.  8**.  — 
16  m.* 

Paulsens  Geschichte  des  gelehrten  Unterrichts  ruht  auf  aus- 
gebreiteten, wenn  auch  nicht  gleichmäfsig  tief  eindringenden 
forschlingen ,  ist  mit  geist  geschrieben  und  weifs  eine  fülle 
disparaten  Stoffes  übersichtlich  zu  bewältigen,  wer  das  buch 
nicht  blofs  flüchtig  in  die  band  nimmt  und  sich  auch  nicht  ab- 
stofsen  lässt,  wenn  er  auf  abschnitte  trifft,  in  denen  er  selbst 
besser  unterrichtet  ist  als  der  autor,  oder  solche,  in  denen  die 
schwächen  der  methode  des  autors  zu  tage  treten  —  der  wird 
sich  gefördert  fühlen,  auch  wenn  er  wie  referent  gegner  der 
forderungen  ist,  mit  denen  P.  schliefst,  und  der  auffassungen  be- 
deutender personen  und  richtungen,  durch  welche  P.  diese 
forderungen  stützt. 

P.  will  keine  geschichte  der  höheren  schulen  und  Univer- 
sitäten geben,  sondern  nur  die  des  gelehrten  Unterrichts  an  den- 
selben, er  bringt  allerdings  mancherlei  material  über  methoden, 
Stellung  der  lehrer,  einvvürkung  der  controlierenden  behörden 
usw.  —  aber  es  sind  doch  mehr  nur  gelegentliche  mitteilungen. 
die  unvollständige  ausbildung  des  beamtencharacters  der  lehrer, 
namentlich  der  attribute,  welche  die  lehrer  ähnlich  wie  die  richter 
zu  einer  eigenen  kategorie  unter  den  beamten  gestalten,  das  ver- 
Ordnungswesen,  die  Instructionen,  welche  das  Verhältnis  des  direc- 
tors  zu  der  behörde,  der  lehrer  zu  dem  director  regeln,  dies  und 
was  dem  verwandt  ist  wird  nicht  oder  nur  gelegentlich  berührt, 
diese  dinge  beherschen  aber  den  weg  des  Vollzugs,  der  in  der 
Verwaltung  mindestens  ebenso  wichtig  ist,  als  die  allgemeinen 
normen  und  principien ,  die  oftmals  nur  um  so  lauter  verkündet 
werden  je  weniger  sie  herschen.  und  was  noch  wichtiger  ist: 
von  diesen  Ordnungen  hängt  es  vorzugsweise  ab,  in  welchem 
geiste,  mit  welcher  frische  und  Zuversicht  die  lehrer  unterrichten, 
auch  die  geschichte  der  methode  und  der  disciplin  kann  man  bei 
P.  nicht  verfolgen,  weder  der  kämpf  der  grammaliken,  noch  der 
Wechsel  der  methode,  die  bald  den  Unterricht  auf  das  'Übungs- 
buch' basieren,  bald  jedes  Übungsbuch  verwerfen  will,  wird  ge- 
schildert, noch  die  Veränderung  in  der  zucht,  der  allmähliche 
sieg  einer  doctrinären  pedanterie,  welche  möglichen  misbrauch 
verhindern  wollte  und  das  notwendige  beseitigte,  davon  hängt 
aber  die  geistige  kraft  der  Jugend  wesentlich  ab. 

Auch  bezüglich  des  inhalts  des  Unterrichts  findet  noch  eine 
beschränkung  statt:  nicht  alle  zweige  des  Unterrichts  werden  be- 
handelt, sondern  im  wesentlichen  nur  der  Unterricht  in  den  clas- 

[*  vgl.  DLZ18S5  nrT)  (GVoigt).  —  Litt,  centralbi.  1885  nr  6.  —  All- 
gemeine zeilung  1885  nrTT  beil.  (ThZiegler),  dagegen  nr  100  beil.  (FPaulsen).] 


PAL'LSEN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UNTERRICHTS  225 

sischen  sprachen,  aber  was  in  dieser  bescbränkiing  begriffen 
wird,  ist  etwas  sebr  wichtiges,  die  classischen  Studien  haben  von 
je  her  den  mafsgebenden  teil  des  höheren  Unterrichts  gebildet,  und 
das  abwechselnde  vordringen  und  zurückweichen  der  humanisti- 
schen teodenzen  unserer  bildung  ist  in  so  energischer  weise  wol 
noch  niemals  zur  anschauung  gebracht  worden,  dadurch  wird 
aber  auf  alle  seilen  der  entwickelung  unseres  Schulwesens  oft 
überraschendes  licht  verbreitet. 

P.  gliedert  den  stoff  in  drei  bücher  1)  1500—1600,  das  Zeit- 
alter des  humanismus  und  der  kirchenreformation.  2)  1600 — 1805, 
die  Stellung  der  classischen  Studien  im  Zeitalter  des  rationalismus 
und  pietismus,  s.  300—513.  3)  die  zeit  des  neuen  humanismus, 
s.  513 — 782,  dieser  letzte  abschnitt  behandelt  die  auffassung  des 
classischen  altertums,  welche  in  der  zeit  unserer  classischen  dichter 
herschend  wurde  und  ihre  glänzende  Vertretung  durch  die  grofsen 
Philologen  fand,  vor  allem  durch  FAWolf,  sodann  die  neugestaltung 
tles  höheren  Schulwesens  auf  grundlage  dieser  anschauungen  und 
die  angriffe,  welche  etwa  seit  1840  teils  von  kirchlichen  eiferern, 
teils  von  Seiten  der  bedürfnisse  des  modernen  lebens  gegen  diese 
Ordnung  gemacht  worden  sind,  dieses  letzte  buch  ist  das  wich- 
tigste, nicht  blofs  deshalb,  weil  der  gegenständ  unmittelbar  prac- 
tisches  interesse  hat,  sondern  weil  die  beiden  früheren  bücher 
von  anderem  abgesehen  nicht  mit  derjenigen  objectivität  ge- 
schrieben sind,  die  aus  der  allseitigen  beherschung  des  stofFs 
hervorgehen  muss.  bezeichnend  ist  dass  P.  nicht  zu  einem  festen 
urteil  darüber  gelangt  ist,  ob  er  in  dem  auftreten  des  humanismus 
und  seinem  siege  über  die  Scholastik  einen  fortschritt  begrüfsen 
oder  einen  rückschritt  beklagen  soll.  P.  ist  ein  Vertreter  der  ireien 
forschung  —  da  scheint  es  selbstverständlich  dass  er  die  be- 
strebungen  anerkenne,  welche  die  Studien  von  dem  zwange  der 
kirche  befreiten  —  aber  seine  moderne  geringschätzung  der  be- 
strebungen  der  humanisten  macht  ihn  geneigt,  auch  ihre  histo- 
rische bedeutung  zu  unterschätzen  und  der  reaction  zu  folgen,  die 
in  der  beurteilung  dieser  zeiten  platz  zu  greifen  begonnen  und 
in  Janssens  Deutscher  geschichte  ihren  radicalsten  ausdruck  ge- 
funden hat.  dieser  schildert  die  zeit  um  die  wende  des  15  und 
16jhs.  als  die  blute  der  Wissenschaft  und  der  kirche,  obwol  da- 
mals die  verweltlichten  päpste  ,  cardinäle  und  bischöfe  die  innere 
fäulnis  der  kirche  aller  weit  offenbar  machten.  VVimpfling,  Conrad 
Celtes,  selbst  Reuchlin  bis  zu  dem  Cölner  streit  erhalten  noch 
lob.  das  verderben  beginnt  ihm  dann  mit  Erasmus  und  seiner 
scharfen  kritik  kirchlicher  personen  und  zustände.  P.  dagegen 
will  Erasmus  noch  preisen  und  erst  die  Hütten  und  genossen 
verwerfen,  da  ist  Janssens  position,  so  unhaltbar  sie  ist,  noch 
leichter  zu  verteidigen  als  die  von  P.  P.  entwirft  in  folge  dessen 
von  dem  humanismus  nur  ein  verzerrtes  bild.  die  schwächen 
sind   einseitig  hervorgekehrt,     freilich   waren   unter   den   huma- 


226  PAULSEN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UNTERRICHTS 

nisten  viel  fahrende  gesellen  und  die  lasten  der  zeit,  welche  sogar 
am  hofe  des  papstes  blühten,  blieben  diesen  leuten  nicht  fremd, 
dazu  die  ewige  geldnot,  die  bettelei,  die  sich  hinter  grofsen 
phrasen  schlecht  verbirgt  —  aber  unter  all  dem  erdenjammer  be- 
wahrten sie  die  begeisterung  für  ihre  ideale  oder  besser  gesagt 
für  ihren  idealen  träum,  als  könnten  sie  die  spräche  und  die 
poesie  der  alteo  inmitten  der  neuen  zeit  und  der  barbarischen 
weit  wider  aufleben  lassen,  und  diese  begeisterung  war  so  nach- 
haltig, dass  sie  zuletzt  siegte,  in  weit  umfassenderem  mafse  siegte, 
als  man  hätte  erwarten  können,  es  ist  jetzt  mode,  die  Scholastik 
zu  preisen,  und  es  ist  richtig  dass  sie  lange  genug  von  der  Un- 
kenntnis geschmäht  worden  ist.  aber  man  soll  ihre  Verdienste 
anerkennen  und  den  geist  ihrer  hervorragenden  männer  bewun- 
dern, ohne  die  tatsache  zu  verkennen,  dass  sie  der  masse  der 
sich  zu  den  Wissenschaften  drängenden  knaben  und  Jünglinge 
schlechtweg  unverdauliche  nahrung  bot.  diese  klage  hat  Johannes 
von  Salesbury  im  12  jh.  und  manch  frommer  mann  wie  Wimpfling 
um  1500  erhoben,  hiermit  muste  aufgeräumt  werden,  und  das 
hat  der  humanismus  getan  im  bunde  mit  der  reformation.  die 
erfolge  dieser  reform  liegen  zu  tage,  um  1500  verstanden  in 
Deutschland  nur  einzelne  gelehrte  griechisch  —  in  den  seit  1524 
eingerichteten  protestantischen  gymnasien  bildete  es  einen  regel- 
mäfsigen  unterrichlsgegeustand.  mit  der  gründung  dieser  an- 
stalten  gieng  gleichzeitig  die  andere  forderung  der  von  Janssen 
und  Paulsen  verherlichten  älteren  humanisten  in  erfüUung,  die 
ausscheidung  des  knabenunterrichts  aus  der  Universität,  statt 
diese  grofsen  erfolge  in  den  mittelpunct  der  darstellung  zu  rücken, 
zählt  P.  auf,  wie  die  Universitäten  in  der  zeit  der  reformatori- 
schen bewegung  zurückgegangen  seien:  das  sind  sie,  aber  nach 
wenigen  jähren  erhoben  sie  sich  in  verbesserter  gestalt.  der  zeit- 
weilige rürkgang  ist  doch  leicht  erklärlich  bei  so  furchtbarer  er- 
schütterung  aller  Ordnung  in  Staat,  kirche  und  gesellschaft.  man 
vergesse  doch  nicht  dass  neben  der  wissenschaftlichen  und  kirch- 
lichen revolution  auch  eine  revolution  auf  dem  gebiet  des  rechts 
und  der  gesellschalt  und  endlich  eine  grofse  politische  revolution 
durchgekämpft  wurde,  das  wird  von  P.  nicht  zur  anschauung 
gebracht,  dagegen  belegt  er  seine  ansieht  mit  den  klagen  Me- 
lanchthons  über  den  rückgang  der  Studien,  dann  kann  man  aus 
der  vorrede  Jacob  Grimms  zur  Geschichte  der  deutschen  spräche 
auch  schliefsen  dass  die  germanistischen  Studien  im  niedergang 
waren,  als  Lachmann,  Haupt,  Müllenhoff,  Waitz  usw.  sie  anfallen 
gebieten  bereicherten.  P.  kann  auch  nicht  begreifen,  was  Hütten 
und  Luther  zusammenführte,  äufserliclie  tactik  soll  es  gewesen 
sein,  das  ist  eine  starke  verkennung.  so  verschieden  diese  män- 
ner waren,  sie  waren  träger  einer  und  derselben  gewaltigen  zeit- 
strömung.  —  protest  hätte  ich  ferner  zu  erheben  gegen  die  urteile, 
die  über  mittelalterliche  Verhältnisse  fallen,    diese  liegen  P.  offen- 


PAÜLSEN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UiNTEURICHTS  227 

bar  lern.  s.  9  heifst  es  zb.,  die  Italiener  hätten  bis  zum  14  jb. 
vergessen,  dass  sie  nachkommen  der  Römer  seien  und  nicht  der 
Juden,  bekannte  lalsachen  wie  die  briete  der  römischen  gemeinde 
an  Konrad  in,  die  nationale  färbung  des  kamples  gegen  die 
Stauler,  die  gedichte,  in  denen  der  kämpf  Gregors  vii  mit  dem 
siege  des  Marius  und  Caesar  über  die  barbaren  verglichen  ward 
—  sollten  vor  so  paradoxen  aussprüchen  warnen,  man  muss 
mit  kritischem  geiste  lesen,  sonst  wird  die  geistreiche  darstellung 
und  die  bisweilen  mit  gelährlichem  geschick  getroffene  auswahl 
des  Stoffs  und  der  citate  irre  führen. 

Das  letzte  buch  zeigt  das  bild  einer  gährung,  die  darum 
nicht  weniger  trübe  ist,  wenn  redegewandte  männer  die  jeweilig 
bestehenden  einrichtungen  durch  bestechende  theorien  zu  recht- 
fertigen verstanden,  eine  richlung  hat  doch  die  andere  scharf 
genug  zu  kritisieren  gewust.  man  lese  die  klagen  des  alten  Ilgen 
über  Portas  Vergewaltigung  durch  die  reformen  unter  Job.  Schulze, 
dann  das  selbstbewustsein  dieser  richtung,  dann  die  angriffe  der 
Rumpel  und  Eilers,  dann  die  neuesten  Wechsel.  6ine  lehre  aber 
bricht  durch  diese  gescbichte  aller  orten  durch:  dass  der  ärgste 
feind  einer  gesunden  enlwickelung  die  bUreaukratische  gewalt- 
tätigkeit  ist.  nicht  ohne  beschämung  wird  man  die  mishandlung 
eines  mannes  wie  Ludw.  Giesebrecht  lesen  —  würde  es  nur  zur 
Warnung  gelesen,  aber  energische  naturen  werden  immer  dem 
wahne  verfallen,  als  könnten  sie  andere  menschen  schlechtweg 
zu  Werkzeugen  ihrer  meinungen  und  absiebten  benutzen,  auf 
dem  gebiete  des  Unterrichts  ist  das  unmöglich,  und  der  versuch 
schädigt  gerade  die  wichtigsten  aufgaben  der  schule  am  stärksten. 

Der  historischen  darstellung  folgt  s.  745  ein  capilel  über 
die  entWickelung  der  realschule  in  Preufsen,  welches  die  unklare 
und  schwankende  haltung  der  öffentlichen  meinung  wie  der  be- 
hörden  dieser  Schöpfung  gegenüber  nachweist,  und  endlich  s.  755  bis 
784  eine  Schlussbetrachtung,  in  welcher  der  autor  seine  idee  von 
der  notwendigen  reform  der  höheren  schulen  entwickelt,  die 
forderungen,  die  er  hier  aufstellt,  sind  durch  die  historische  dar- 
stellung nicht  begründet,  geben  sich  auch  nicht  dafür  aus  —  nur 
das  glaubt  P.  bewiesen  zu  haben,  dass  das  gelühl  des  Unbehagens 
mit  dem  zustande  der  gymnasien  nicht  wegzuläugnen  sei,  und 
die  quelle  davon  findet  er  in  dem  vergeblichen  bemühen,  die 
hauptkraft  auf  die  beschäfligung  mit  den  alten  sprachen  zu  ver- 
wenden, seine  darstellung  erweckt  diesen  eindruck  entschieden, 
aber  nicht  mit  der  kraft  einer  objectiven  darstellung.  die  ge- 
danken  der  scblussbetrachtung  werden  deshalb  nur  durch  ihr 
eigenes  gewicht  würken.  es  sind  darunter  nun  sehr  beachtens- 
werte gedanken,  die  auch  dadurch  nichts  verlieren,  dass  sie  hier 
nicht  zum  ersten  male  auftreten,  sie  sind  doch  ergebnisse  selbstän- 
digen denkens  und  in  glücklicher  form.  P.  stellt  keinen  ausge- 
arbeiteten lehrplan  auf,  aber  er  gibt  die  grundzüge  seiner  ideal- 


228  PAULSEiN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UNTERRICHTS 

schule,  (las  griechische  soll  facultativ  werden,  die  frei  werdende 
krall  soll  aber  nicht  ulililaristischen  richtungen  dienen,  sondern 
einer  erweiteruug  des  deutschen  und  der  philosophischen  Pro- 
pädeutik zugewiesen  werden,  die  nolwendigkeit  einer  solchen 
Propädeutik  wird  unzweüelhaft  mit  jedem  jähre  ein  dringenderes 
bedürfnis.  hunderte  von  abiturienten  eilen  zu  ihren  fachsludien, 
ohne  von  der  philosophie  nur  irgend  etwas  kennen  zu  lernen, 
es  sei  denn  eine  gelegentliche  notiz  etwa  über  eine  lächerliche 
behauptung  der  einst  herschenden  nalurphilosophie,  mit  der  in 
irgend  einer  exaclen  Vorlesung  der  stoll'  pikant  gemacht  wird. 
es  ist  gewis  ein  sehr  nutzloses  beginnen,  den  grofsartigen  unter- 
bau der  classischen  bildung  aufzulühren,  um  eine  so  banausische 
spitze  daraul  zu  setzen,  aber  das  banausische  treiben  würde  durch 
beseitigung  des  griechischen  noch  ganz  anders  zur  herschatt 
kommen,  die  griechisch-römische  kultur  bildet  die  eine  grofse 
quelle  unserer  modernen  kultur,  wer  wissenschaftlich  arbeiten 
will,  kann  der  bekanntschaft  mit  ihr  nicht  entraten.  wol  haben 
bedeutende  männer  ohne  solche  kenntnis  ungemeines  geleistet  — 
aber  die  schule  wird  ja  nicht  für  einzelne  hervorragende  geister 
eingerichtet,  sie  zeigt  den  weg,  der  die  regel  bilden  muss. 

Auch  laboriert  unser  gymnasium  gar  nicht  am  griechischen 
—  sondern  der  grund  der  überbürdung  einerseits  und  der  mangel- 
haften, den  grofsen  anstrengungen  nicht  entsprechenden  leistungen 
andererseits  ist  in  umständen  zu  suchen,  die  mit  der  geschicht- 
lichen entwickelung  unserer  gymuasien  zusammenhängen  und  die 
über  kurz  oder  lang  beseitigt  werden  müssen,  vor  allem  :  wir  trei- 
ben neben  einander,  was  nach  einander  gelrieben  werden  muss. 
das  lernen  der  allen  sprachen  beginnt,  ehe  die  elementaren  kennt- 
nisse  und  ferligkeiten  fest  sitzen,  in  den  mittleren  und  oberen 
classen  hängen  diese  mängel  den  schülern  das  bleigewicht  an, 
nötigen  den  lehrer,  wider  und  wider  zurückzugreifen,  und  stellen 
die  schule  blofs,  sobald  schüler  der  mittleren  gymnasialclassen 
bei  aufnähme  in  präparaudenanslalten  usw.  mit  Zöglingen  guter 
Volksschulen  zusammen  geprüft  werden.  zu  den  gyranasien 
sollten  nur  diejenigen  zugelassen  werden,  welche  eine  bürger- 
schule  mit  gutem  erfolge  durchlaufen  haben  und  im  deutschen, 
rechnen,  in  religion,  geschichte  und  geographie  den  nötigen  Vor- 
rat von  kenntnissen  und  ferligkeiten  besilzen.  wer  das  bis  zum 
zwölften  jähre  nicht  erreicht,  der  bleibe  bis  zum  dreizehnten  und 
vierzehnten,  besinnt  er  sich  unterdessen,  dass  er  besser  tue,  mit 
den  allen  sprachen  nicht  mehr  anzufangen,  sondern  eine  fach- 
schule  zu  besuchen,  so  ist  das  in  den  meisten  fällen  ein  gewinn 
für  ihn  selbst  und  für  das  gymnasium. 

So  vorbereitete  schüler  werden  auf  dem  gymnasium  in  7  jähren 
eine  gründliche  durchbildung  erfahren  ohne  jede  überbürdung, 
wenn ,  was  bei  Sicherheit  in  den  elementaren  kenntnissen  mög- 
lich ist,  die  hauptkraft   den  drei  fächern  lalein,   griechisch  und 


PAÜLSEN    GESCHICHTE    DES    GELEHRTEN    UNTERRICHTS  229 

mathemalik  zugewendet  wird,  dazu  sind  zwei  änderungen  des 
bisherigen  lehrplans  nötig.  l)die  neueren  sprachen  dürlen  nicht 
in  der  dem  lateinischen  Unterricht  nachgebildeten  grammalischen 
methode  behandelt,  sondern  müssen  als  lertigkeiten  gelehrt  wer- 
den. 2)  es  muss  ausgesprochen  werden  dass  deutsch,  religion  und 
geschichte  überwiegend  der  anregung  dienen,  nicht  dem  examen- 
lertigen  wissen,  der  stoff  wird  in  der  classe  durchgearbeitet, 
bildet  den  gegenständ  der  iibung  im  begreilen  und  (mündlichen 
oder  schriftlichen)  reproducieren.  zu  lernen  ist  nur  ein  kleiner 
eiserner  bestand ;  es  ist  eine  blofse  teuschung,  wenn  man  glaubt, 
die  reiche  fülle  des  malerials,  welche  in  einem  gediegenen  Unter- 
richt im  deutscheu,  in  der  geschichte  und  in  der  religion  dem 
Schüler  zugeführt  und  mit  ihm  geistig  verarbeitet  wird ,  könnte 
von  ihm  auch  nur  annähernd  so  präsent  gehalten  werden,  wie 
das  von  dem  im  Unterricht  der  alten  sprachen  und  der  malhe- 
matik  gebotenen  mit  recht  gefordert  wird,  man  beseitige  den 
druck,  der  durch  diesen  falschen  schein  und  die  damit  zusammen- 
hängenden anforderungen  erzeugt  wird,  der  gewinn  dieser  stunden 
wird  nicht  geringer  sein  —  hängt  er  ja  doch  fast  ausschliefslich 
davon  ab,  ob  der  lehrer  mit  geist  unterrichtet  —  und  die  häus- 
liche arbeit  unserer  schüler  kann  sich  auf  die  drei  fächer  latein, 
griechisch  und  mathemalik  in  einer  weise  concentrieren,  die  allen 
bedürfnissen  entspricht. 

Es  ist  hier  nicht  der  ort,  alles  dies  näher  auszuführen,  ich 
habe  es  an  anderer  stelle  getan,  nur  soviel  noch  einmal:  man  kann 
die  übelstände  und  das  hin-  und  herschwanken  unserer  höheren 
schulen  anerkennen  —  man  mag  es,  wie  referent,  als  eine  Vergeu- 
dung grofser  mittel  und  eine  gefährdung  vieler  Jünglinge  betrachten, 
dass  jetzt  so  mancher  bis  zum  21  und  22  jähre  die  Schulbank 
drückt,  der  niemals  etwas  in  freierer  wissenschaftlicher  weise  be- 
handeln wird:  aber  nicht  in  dem  griechischen  liegt  die  quelle 
des  Übels,  sondern  —  abgesehen  von  dem  berechtigungsunwesen 
—  darin,  dass  wir  so  vielerlei  gleichzeitig  und  mit  dem  gleichen 
zielpunct  betreiben,  darin  vor  allem,  dass  an  allen  sprachen  'for- 
male bildung'  gewonnen  werden  soll,  statt  uns  damit  zu  begnügen 
dass  das  latein  den  grammatischen  knecht  in  völlig  ausreichender 
weise  stellt. 

Strafsburg  i.  E.  .  G.  Käüfmanis. 


Litterat  CRNOTiZEN. 


gp- 


KGAndresen,    Konkurrenzen   in   der   erklärung   der   deutschen    ge 
schlechtsnamen.    Heilbronn,  gebrüder  Henninger,   1883.    144  ss. 
8^.    3  m.  —  an  dieser  ebenso  sorgfältig,  wie  es  in  A.s  früheren 


230  LITTERATÜRNOTIZEN 

büchern  geschah,  abwägenden  arbeit  sind  insbesondere  wertvoll 
die  beiden  ersten  capitel:  'concurrenzen  innerhalb  der  einzel- 
namen'  und  'concurrenzen  zwischen  einzelnamen  und  beinamen.' 
denn  hier  sucht  der  vert.  durch  eine  reihe  methodischer  salze, 
welche  er  autstellt,  für  die  entscheidung  zwischen  verschiedenen 
möglichen  deutungen  namentlich  zwei  gesichtspuncte  Zugewinnen: 
den  grad  der  geläufigkeit,  den  die  namen  im  altertum  besafsen, 
und  die  frage  nach  der  entsprechenderen  erklärung.  auch  die 
lautliche  seite  wird  nicht  vernachlässigt,  die  angenommenen  Ver- 
änderungen werden  durch  möglichst  reichliche  beispiele  gestützt 
und  die  Verschiedenheit  des  lautwandels  in  den  verschiedenen 
dialecten  wird  gebürend  berücksichtigt,  dass  man  au  einzelnen 
aufstellungen  noch  zweifeln  kann,  tut  nichts  zur  sache,  die  grund- 
sätze  sind  richtig  und  wir  werden  auf  dem  wege  weiter  kommen, 
wenn  unser  material  reicher  geworden,  wenn  namentlich  die 
jüngeren  Urkunden  ausgebeutet  werden  und  uns  namenbücher 
nicht  blofs  von  slädten  sondern  auch  von  dorfschaften  vorliegen, 
natürlich  denke  ich  hier  nur  an  Stoffsammlungen,  nicht  an  jene 
vom  verf.  richtig  characterisierten  arbeilen,  welche  rasch  mit  den 
abgeschmacktesten  deutungen  zur  band  sind,  für  eine  etwaige 
zweite  aufläge  wünschte  ich  eine  durchsichtigere  anordnung.  der 
verf.  scheint  diesen  mangel  selbst  gefühlt  zu  haben,  indem  er  das  iu- 
haltsverzeichnis  detaillierter  gliederte,  aber  das  genügt  nicht,  man 
niuss  jetzt,  um  das  buch  mit  nutzen  zu  lesen,  den  gang  der  dar- 
stellung  erst  auf  einem  blatte  sich  selbst  versinnlichen,  die  mühe 
sollte  uns  der  verf.  in  zukunft  ersparen,  er  würde  zugleich  dabei 
finden  dass,  um  einen  parallelismus  in  den  abhandlungen  hervor- 
zubringen,  einige  Umstellungen  notwendig  sein  dürften,  auch 
möchte  ich  bei  der  aulstellung  von  stammen  und  Zuweisung  alter 
namen  an  diese  noch  etwas  vorsichtiger  zu  w^erke  gehen. 

Jos.  Strobl. 
Die  gotische  l)ibel  des  Vulfila  nebst  der  Skeireins,  dem  kaleuder  und 
den  Urkunden  herausgegeben  von  EBernhardt.  textabdruck  mit 
angäbe  der  handschriftlichen  lesarten  nebst  glossar  (Sammlung 
germanistischer  hillsmitlel  für  den  practischen  Studienzweck  iii). 
Halle  a/S.,  Waisenhaus,  1S84.  vi  und  334  ss.  8"^.  3  m.  —  der 
text  weicht  von  dem  in  des  verf.s  gröfserer  ausgäbe  nur  an 
wenigen  stellen  ab,  die  in  der  vorrede  verzeichnet  sind  (lies  dort 
daga  statt  dagis).  dem  glossar  (s.  219 — 334)  darf  mau  das  lob 
einer  schätzenswerten  arbeil  nicht  vorenlhallen:  die  bcdeutungen 
werden  knapp  und  geschickt  angegeben,  bei  zweifelhaften  und  be- 
lehrenden dingen  auclulie  citate  nicht  gespart;  die  Vorgänger  wer- 
den besonders  nach  der  seile  überboten,  dass  ein  gut  teil  der  syntax 
hinein  gearbeitet  isl,  man  vergleiche  zb.  den  arlikel  ei.  nicht  für 
glücklich  halte  ich  es  dass  die  composila  von  unbeleglcn  simplicibus 
unter  dem  alphabetisch  ersten  compositum  behandelt  werden,  man 
verlässl  die  rein  alphabetische  Ordnung  doch  nur,  um  das  etymo- 


LITTERATÜRNOTIZEN  231 

logisch  zusammengehörige  auch  möglichst  beisammen  zu  haben; 
dieser  zweck  wird  aber  hier  teilweise  vereitelt,  warum  soll  *lairan 
in  D  (bei  distairan)  stehen?  *gildayi  ist  unter  fragildan  in  F 
von  gild  in  G  getrennt;  gahveilan  findet  sich  in  H,  die  ahleitung 
gahveüains  aber  in  G;  warum  ufargudja  nicht  bei  gudja?  die  an 
sich  berechtigte  vorsieht  betrefis  unbelegter  oder  zweideutiger 
formen  wird  etwas  weit  getrieben,  wenn  zb.  der  nomiu.  bloma 
nur  zweifelnd  angesetzt,  wenn  noch  immer  die  möglichkeit  eines 
genit.  gups  eingeräumt,  gaitein  nur  fragend  als  deminutiv  von 
gaüs  bezeichnet,  oder  wenn,  skeptisch  in  einem  anderen  sinne, 
für  raihts  'gerecht'  garaihts,  für  slauhts  slahts  conjiciert  wird,  bei 
dieser  Skepsis  muss  man  sich  wundern,  ohne  jedes  bedenken 
baitrs  (nicht  haitrs)  und  den  infin.  von  faiflokun  als  flekan  (nicht 
flokan)  angesetzt  zu  finden,  den  etymologischen  andeutungen 
wird  man  nicht  überall  zustimmen,  bei  disvinpjan  ist  das  sonst 
befolgte  princip  der  bedeutungsangabe  verlassen ,  es  heifst  doch 
'auseinanderworfeln'  und  hat  den  sinn  von  'zermalmen,  vernichten' 
nur  wie  gr.  li>if.iäv  an  der  betretlenden  stelle,  skaftjan  sik  wird 
illustriert  durch  mhd.  schaffen,  mnl.  scheppen  in  Verbindungen, 
wie  sich  schaffen  an  die  vart,  hem  te  stride  scheppen.  bei  gredon 
und  ingardja  sind  die  bedeutungen  vergessen,  sonst  bemerkte  ich 
druckfehler  unter  ei  (z.  14  \.  pishvah),  plapja,  saivs,  skapuls,  viko. 

Das  buch,   in   der  bekannten   hübschen   ausstattung   dieser 
Sammlung,    darf  mit  bestem  rechte  in  die  concurrenz  eintreten. 

J.  Franck. 
Litterarische  korrespondenz  des  paedagogen  Friedrich  Eberhard  von 
Rochow  mit  seinen  freunden,  neu  herausgegeben  und  vermehrt 
von  dr  FJoNAS.  Berlin,  LOehmigkes  verlag  (RAppelius),  1884. 
XXX  und  274  ss.  S'^.  4  m.  —  die  briefe  dieser  correspondenz 
sind  nicht  blofs  für  die  geschichte  der  pädagogik  von  wert,  ins- 
besondere für  die  geschichte  der  entwickelung  des  Schulwesens 
in  Preufsen,  sie  interessieren,  da  Rochow  mit  männern  wie  Gel- 
iert ,  Gleim ,  Basedow  ua.  im  briefwechsel  stand ,  auch  den  lit- 
terarhistoriker,  dem  sie  manchen  aufschluss  über  den  character 
der  aufklärungsperiode  gewähren.  R.  selbst  präsentiert  sich  in 
ihnen  mit  seinen  grofsen  Vorzügen  und  kleinen  schwächen  als 
ein  wahrhaft  typischer  Vertreter  dieser  epoche. 

Die  neue  ausgäbe  unterscheidet  sich. von  der  durch  R.  selbst 
besorgten  —  abgesehen  von  der  chronologischen  anordnung  der 
briefe  gegenüber  der  früheren  alphabetischen  —  durch  einen  Zu- 
wachs von  beinahe  100  briefen,  von  denen  viele,  wie  die  an  und 
von  Gleim ,  die  an  Nicolai ,  bisher  ungedruckt  waren,  von  den 
letzteren  sind  einige  nur  unbedeutende  billets,  andere  aber  für 
uns  bemerkenswert,  so  diejenigen,  welche  R.s  urteil  über  den 
Sebaldus  Nothanker  (br.  25.  46.  62)  und  über  die  Freuden  des 
jungen  Werthers  enthalten  (br.  38).  R.  steht  ganz  auf  selten 
Nicolais,  unsere  Jünglinge ,  schreibt  er,  sind  alle  vergoethet ,  ver- 
A.  F.  n.  A.    XI.  17 


232  LITTERATÜRNOTIZEN 

herdert,  verwielandet  etc.  noch  ehe  sie  bärtig  werden,     wohl  dem, 
der  die  kur  übernimmt. 

Eine  biographische  einleituog   gibt  über  das  leben  R.s  unil 
den  character  seiner  pädagogischen  würksamkeit  auskunlt.    dann 
folgt  ein  Verzeichnis  seiner  zahlreichen  und  sehr  verstreuten  schrit- 
ten,   etwas  dürftige  anmerkungen  erläutern  den  Inhalt  der  briefe. 
Berlin.  0.  Piviower. 

Thomas  Sergeant  Prrry,  From  Opitz  to  Lessing:  a  study  of  pseudo- 
classicism  in  literature.  Boston,  JROsgood  and  Company,  1885. 
VI  und  207  ss.  8^'.  —  man  wird  dies  buch,  wenn  es  auch  keine 
einzige  tatsächliche  bereicherung  unserer  kenntnisse  bietet,  nicht 
ohne  nutzen  aus  der  band  legen,  denn  es  berücksichtigt  stärker 
als  das  bei  uns  zu  geschehen  pflegt  die  analoge  entwickeluug  der 
ausländischen,  namentlich  der  englischen  litteratur,  zieht  manche 
frappante  parallele  und  unterhält  durch  seine  vielen  drastischen 
vergleiche,  die  behandlung  Lessings,  der  als  der  letzte  Vertreter 
des  pseudoclassicism  im  gegensatz  zu  dem  mit  Herder  beginnenden 
romanticism  betrachtet  wird,  nimmt  fast  die  hälfte  der  schrift  ein; 
dem  gegenüber  kommt  die  frühere  entwickelung  entschieden  zu 
kurz,     in  den  deutschen  citaten  stören  häufige  druckfehler. 

Hubert  Roetteken,  Der  zusammengesetzte  satz  bei  Berthold  von 
Regensburg,  ein  beitrag  zur  mittelhochdeutschen  synlax,  Quellen 
und  forschungen  liii.  Strafsburg,  Trübner,  1884.  xi  und  124  ss. 
8^.  2,50  m,  —  wir  haben  hier  eine  recht  tüchtige  erstlings- 
arbeit  vor  uns.  die  vielfachen  Schwierigkeiten,  mit  denen  heute 
noch  syntactische  Untersuchungen  zu  kämpfen  haben,  hinderten 
den  verf.  nicht,  ein  anschauliches  bild  von  der  syntax  des  zu- 
sammengesetzten Satzes  bei  Berthold  zu  entwerfen,  und  ich  meine 
dass  man  unter  Zugrundelegung  der  anordnung  Erdmanns  (die 
der  verf.  freilich  an  einigen  puncten  glücklich  abgeändert  hat) 
nicht  viel  mehr  wird  gewinnen  können,  nur  gröfsere  Vollstän- 
digkeit hätte  ich  gewünscht,  zwar  alle  fälle  verzeichnet  zu  finden 
wird  kein  einsichtiger  verlangen;  aber  R.  operiert  doch  zu  viel 
mit  'häufig'  und  'selten',  er  hätte,  da  seine  Sammlungen  gewis 
vollständig  waren,  wenigstens  angeben  sollen,  wie  oft  sich  der 
eine  oder  der  andere  fall  vorfindet,  wenn  wir  auch  zur  zeit 
noch  zufrieden  sind  zu  erfahren ,  was  'häufig'  und  was  'selten' 
ist,  später  einmal  wird  doch  die  syutax  statistisches  material 
brauchen,  gleichzeitig  würde  dann  R.  einen  dankenswerten  bei- 
trag zur  kenntnis  des  Bertholdischen  Stiles  geliefert  haben,  syntax 
und  Stilistik  sind  freilich  verschiedene  dinge:  aber  wenn  wir  er- 
fahren, welcher  syntactisch  möglichen  fälle  sich  ein  Schriftsteller 
bedient  und  wie  oft  er  die  einzelnen  anwendet,  haben  wir  be- 
reits eine  frage  des  Stils  gelöst.  —  der  verf.  verabsäumt  nicht, 
wo  es  ihm  möglich  ist,  auf  verwandte  arbeiten  zu  verweisen,  auf 
die  OErdmanns,  MErbes,  OBehaghels,  HDiltmars,  RHoltheuers, 
LToblers,  LBocks;    seltener  nennt  er  Paul,  dessen    Mhd.  gram- 


LITTERATURNOTIZEN  233' 

matik  io  zweiter  aufläge  ihm  erst  nach  ahschiuss  seiner  arbeit 
zukam,  wir  vermissen  daher  auch  den  hinlergrund  nicht,  so 
weit  er  wenigstens  mit  heutigen  mittein  herzustellen  war.  manches 
hätten  ihm,  da  er  über  weitere  eigene  Sammlungen  nicht  zu  ver- 
fügen scheint,  unsere  Wörterbücher  geboten,  zb.  zu  §  194,  wo 
er  nur  aus  dem  altsächsischen  eine  parallele  beibringt,  während 
solche,  abgesehen  von  den  ferner  liegenden  ags.  und  altn.,  auch 
im  mhd.  nicht  fehlen.  Joseph  Strobl. 

Oswald  Zm-CERLE,  Über  eine  haudschrift  des  Passionals  und  Buches 
der  märtyrer.  aus  dem  Jahrgang  1883  der  Sitzungsberichte  der 
phll. -bist,  classe  der  kais.  academie  der  Wissenschaften  (band  cv 
heft  I  s.  3(T).  Wien,  Gerold  in  comm.,  1883.  110  ss.  8°.  —  die 
vorliegende  Untersuchung  knüpft  an  an  eine  bisher  unbekannte 
um  1400  für  Jörg  von  Gufidaun  geschriebene  hs.  (B)  der  bischöf- 
lichen Seminarbibliothek  zu  Brixen,  die  sich  als  lortsetzung  einer 
für  denselben  herren  angefertigten  und  ebenda  aufbewahrten  hs. 
des  alten  Passionals  (über  diese  s.  IVZingerle  Zs.  f.  deutsche  phi- 
lologie  6,  13 ff)  erweist,  auf  ein  md.  gedieht  Vom  advenl  Christi, 
'welches  im  auftrage  einer  uns  schon  aus  der  mittelalterlichen 
lilteratur  bekannten  dame'  verfasst  ist  und  von  Zingerle  später 
veröffentlicht  werden  soll  (s.  34),  folgt  der  prolog  zum  dritten 
teil  des  Passionals  mit  einer  anzahl  der  sich  ihm  anschliefsenden 
legenden  (an  stelle  des  Silvester  ist  Basilius  eingereiht;  auf  SSe- 
bastian  folgt  in  Verwechselung  mit  Martha  martyr,  (19  jan.)  SMar- 
tha,  die  im  vollständigen  Passional  erst  nach  SMargarela  steht; 
die  legende  von  Johannes  elemos.  fehlt  ganz)  bis  zum  SGregorius, 
in  dessen  vita  der  Passionaltext  plötzlich  (Köpke  203,  24)  abbricht, 
um  von  da  an  als  ersatz  eine  mit  SAmbrosius  beginnende  fort- 
selzung  aus  dem  Buche  der  märtyrer  zu  geben,  scharfsinnig  führt 
Z.  den  nachweis,  dass  der  Schreiber  diese  Verbindung  beider  werke 
schon  in  der  vorläge  vorfand,  die  von  ähnlicher  äulserlicher  be- 
schaffenheit  wie  B  gewesen  zu  sein  scheint,  mit  dieser  ergäuzung 
aus  dem  Buche  der  märtyrer  begnügte  sich  aber  der  Schreiber 
nicht,  es  sind  von  anfaug  an  die  geschichlen  jener  heiligen, 
welche  das  Passional  nicht  kennt,  an  den  stellen  eingeschoben, 
welche  ihnen  der  kalendarischen  anordnung  gemäfs  zukommen 
und  zwar  die  legenden  von  den ^  unschuldigen  kindern,  von  SHi- 
larius,  SPolicarpus,  SBrigitta.  dagegen  blieben  im  Buch  der  mär- 
tyrer abgesehen  von  einigen  Umstellungen  zunächst  jene  legenden 
fort,  welche  schon  dem  Passionaltexte  entnommen  waren  —  nur 
SRemigius  ist  widerholt  — ,  sodann  fehlen  auch  jene  heiligen, 
die  bereits  in  der  Brixener  hs.  des  alten  Passionals  berücksichtigt 
waren,  was  sonst  noch  B  gegenüber  der  Klosterneuburger  hs.  (C) 
an  viten  aus  dem  Buche  der  märtyrer  abgeht,  ist  nicht  viel:  im 
allgemeinen  darf  man  sagen  dass  die  vorläge  unserer  hs.  an  reich- 
haltigkeit  der  hs.  C,  neben  der  B  selbständigen  wert  besitzt,  un- 
gefähr gleichkam,     am  schluss  der  abhandlung  werden  aus  dem 

17* 


234  LITTER  ATÜRNOTIZEN 

Buche  der  märlyrer  die  legenden  Von  sand  hylario,  Ton  sand 
Breide,  Von  der  Maria  egyptiaca  vnd  Zosma,  Von  sand  Maria 
Magdalena  (vgl.  Germ.  20,  445)  nach  B  mitgeteilt,  um  eine  ver- 
gleichung  mit  den  texten  verschiedener  hss.  zu  ermöglichen,  die 
von  Lambel  edierten  bruchstiicke  des  Passionais  und  des  Buchs 
der  märtyrer  (Mitteilungen  des  Vereins  für  gesch.  der  Deutschen, 
in  Böhmen  xxn  nr  1)  konnte  ich  leider  nicht  einsehen. 

Eingehender  betasst  sich  Z.  mit  dem  ersten  teil  von  B,  den 
parlien  aus  dem  Passional.  s.  7 — 34  werden  aus  den  Varianten, 
insbesondere  den  leselehlern  und  dem  lautslande  von  B  Schlüsse 
auf  die  beschaffenheit  der  vorläge  gezogen,  recht  lehrreich  und 
von  nutzen  für  die  texlkritik  überhaupt  ist  Z.s  versuch  einer 
systematischen  behandlung  der  lesefehler  in  B,  mit  deren  hilfe 
wir  uns  eine  Vorstellung  vom  schriftcharacter  der  vorläge  macheu 
können,  voreiligen  oder  zu  weit  gehenden  folgerungen  aus 
einzelnen  weniger  häufig  sich  widerholenden  fehlem  ist  bei  der- 
artigen beobachtungen  in  dem  umfassenden  material,  das  hier 
schon  die  Untersuchung  einer  einzigen  hs.  ergibt,  eine  gränze 
gesetzt:  nur  viele  belege  für  einen  und  denselben  fehler  (wider- 
holte Verwechselung  von  bestimmten  lautzeichen)  können  beweis- 
kräftig sein,  eine  gröfsere  anzahl  solcher,  die  principien  der  ent- 
stellung  ins  äuge  fassenden  einzeluntcrsuchungen,  bei  denen  die 
Selbstbeobachtung  nicht  aufser  acht  zu  lassen  wäre,  würde  schliefs- 
lich  zu  einer  methodischen  behandlung  der  entstehungsgeschichte 
der  Schreibfehler  in  unseren  hss.  führen  und  wäre  gewis  ein 
lohnendes  und  dankbares  thema.  zu  den  entstellungen  des  texles 
durch  das  äuge  des  abschreibers,  das  durchaus  nicht  immer  jeden 
buchstaben  aufnimmt,  vielmehr  oft  nur  das  wortbild  streift,  nur 
einen  totaleindruck  desselben  empfängt,  gelegentlich  sogar  ganz 
abirrt,  gesellen  sich,  um  nur  einiges  anzuführen,  andere  durch 
das  ohr  hervorgerufene,  in  dem  falle,  dass  dem  Schreiber  in  die 
feder  dicliert  wird,  oder  auch  entstellungen  aus  misversländnis 
der  vorläge,  also  falscher  gedankenoperation,  oder  durch  untreues 
gedächlnis,  wenn  der  Schreiber  etwa  gleich  eine  ganze  verszeile, 
einen  ganzen  satz  aufgefasst  hat. 

Aber  auch  der  geschmack  und  das  selbständige  kritische 
verfahren  des  Schreibers  spielen  bei  der  textveränderung  eine 
wesentliche  rolle,  derartige  Umgestaltungen  sind  immer  beab- 
sichtigt, während  entstellungen,  wie  die  eben  besprochenen,  meist 
unbeabsichtigt  sind,  hervorgegangen  aus  physischer,  gelegentlich 
auch  psychischer  Störung  des  schreibenden  Individuums,  solche 
beabsichtigte  Veränderungen,  die  also  vom  standpuncte  des  Schrei- 
bers immer  Verbesserungen  sein  wollen ,  kommen  in  Z.s  abschnitt 
'textgestallung  in  B'  (Verhältnis  dieser  hs.  zur  K(önigsberger)  und 
S(trafsburger)  des  Passionais)  s.  34  0"  vielfach  zur  spräche,  bald 
ist  es  das  sell)stbewustsein  des  Schreibers  — zwischen  dem  Schreiber 
von  B  und  dem  der  vorläge  zu  unterscheiden  ist  auch  in  diesem 


LITTERATURNOTIZEN  235 

abschnitt  Z.s  bemühen  — ,  der  das  eigene  'ich'  gern  hervorhebt,  bald 
gilt  es  scheinbare  liicken  zu  ergänzen  (interpoiationen),  eine  ganze 
verszeile  durch  eine  vermeintlich  bessere  zu  ersetzen,  zwei  in 
eine  zusammen  zu  ziehen  oder  noch  stärkere  kürzungen  vorzu- 
nehmen, äuderungen,  tiir  die  eine  erklärung  nicht  immer  mit 
Sicherheit  zu  finden  ist.  oder  aber  der  Schreiber  ändert,  um  das 
Verständnis  zu  erleichtern ,  setzt  an  stelle  des  poetischen  Wortes 
einen  prosaischeren  ausdruck,  anstatt  der  redeweise  des  dichlers 
die  ihm  geläutige  usw.  sehr  wichtig  sind  die  wandelungen,  die 
Sprachgebrauch  und  metrik  auf  dem  wege  vom  original  zu  den 
abschriften  durchmachen:  ältere  worte  werden  durch  jüngere  ver- 
drängt oder  es  herscht  ein  nebeneinander  von  ausdrücken  in  ver- 
schiedener form,  präfixe,  suffixe,  partikeln  erfahren  abänderungen, 
auf  dem  gebiete  der  metrik  werden  die  fehlenden  Senkungen  er- 
gänzt, für  alles  dies  bieten  Z.s  Zusammenstellungen  reichliche 
und  sorgfältig  ausgewählte  belege,  es  wäre  zu  wünschen  dass 
gerade  nach  dieser  ein  allgemeineres  Interesse  beanspruchenden 
seile  hin  Z.s  abhaudlung  anregend  würkte  (vgl.  ähnliche  Samm- 
lungen schon  in  Lichtensteins  Zur  kritik  des  prosaromans  Tri- 
strant  und  Isalde).  selbst  texte  untergeordnetsten  ranges  hinsicht- 
lich ihres  Inhaltes  oder  poetischen  wertes  könnten  so  durch  mehr- 
fache hsliche  erhaltung  für  die  Sprachgeschichte  wichtiges  material 
liefern.  Philipp  Strauch. 


Briefe  vo.n  Jacob  l>d  Wilhelm  Grimm  a.n  Karl  Mllle.nhoff. 

In  MüUenhoffs  nachlasse  haben  sich  12hn'efe  der  brüder  Grimm 
vorgefunden,  zehn  derselben  werden  hier  mit  erlaubnis  der  frau 
geheimrätin  Fernande  Alüllenhoff  zu  Darmstadt  unverkürzt  mit- 
geteilt; von  dem  elften  (nr  7)  habe  ich  einige  zeilen,  den  zwölften 
(nr  9,  von  Jacob  geschrieben  am  2  sept.  1849)  hingegen  ganz  unter- 
drückt, da  darin  urteile  über  noch  lebende  vorkommen,  welche  ver- 
letzen könnten.  sämmtUche  briefe  sind  mit  lateinischen  buchslaben, 
nr  1.  3.  4.  6.  7.  8  auf  quartbogen,  die  übrigen  auf  octavbogen  ge- 
schrieben, ein  par  noten  bibliographischer  natur  fügte  ich  zur  be- 
quemlichkeit  des  lesers  bei.  .  St. 

1. 

Hochgeehrter  herr  Doctor, 
aus  Ihrem  brief  vom  10  Nov.,  der  erst  in  diesem  monat  in  meine 
bände  gekommen  ist,  habe  ich  mit  vergnügen  j  gesehen  dafs  Sie 
an  der  bibliothek  zu  Kiel  eine  feste  Stellung  erhalten  haben: 
möge  sie  Ihren  wissenschaftlichen  |  arbeiten  und  ihrer  neigung 
für  die  erforschung  des  deutschen  alterlhums  forderlich  sein, 
was  Sie  mir  von  Ihrer  [  Sammlung  noch  jetzt  lebender  sagen 
mittheilen  habe  ich  mit  besonderer  theiluahme  gelesen:    hier  ist 


1236        liniEFE    V0>    JACOB     VSh    WILHELM    GRIMM    A.N    KARL    MÜLLE.MIOFF 

nocli  I  manches  schätzbare  zu  entdecken  und  der  nachweit  zu 
erhalten,  wie  oft  hat  sich  daraus  schon  unerwartete  |  aufklärung 
ergeben,  hat  man  nur  erst  band  angelegt,  und  läfst  die  aul- 
merksamkeit  nicht  einschlummern,  |  so  wächst  die  Sammlung 
schneller  als  man  glaubt,  ich  habe  das  selbst  an  den  haus- 
märchen  ertahreu,  deren  |  neue  eben  lertig  gewordene  ausgäbe 
ich  wieder  bedeutend  habe  vermehren  können,  auch  die  deut- 
schen sagen  |  werden,  wenn  es  zu  einer  neuen  ausgäbe  kommt, 
einen  beträchtlichen  Zuwachs  erhalten,  dafs  Sie  dort  zugleich  j 
sagen  von  der  see  und  dem  schilferleben  auffafsen  können  ist 
ein  besonderer  gewinn,  mein  bruder  |  erkennt  Ihr  gütiges  an- 
erbieten ,  ihm  das  bisher  gesammelte  zu  der  neuen  ausgäbe  der 
mythologie  1  mitzutheilen,  mit  dank  an:  er  ist  mitten  in  der 
arbeit,  und  es  würde  ihm  daher  sehr  lieb  sein  wenn  |  Sie  (I 
ausgestrichen)  ihm  Ihren  vorrat,  auf  kurze  zeit,  gleich  anvertrauen 
wollten. 

Mit  dem  versuch  das  echte  in  dem  Gudrunliede  von  den 
Zusätzen  zu  unterscheiden  haben  Sie  sich  eine  |  der  schwierig- 
sten autgaben  gestellt,  es  gibt  Strophen,  von  denen  ich  über- 
zeugt bin  dafs  sie  unecht  sind,  andere  |  bei  denen  ich  zweifele, 
noch  andere,  bei  welchen  dieser  zweilel  wächst,  es  sind  sehr 
mühsame  Untersuchungen  |  nölhig,  wenn  man  der  sache  einiger- 
mafsen  auf  den  grund  kommen  will,  z.  b.  ob  es  Wörter  gibt,  die 
nur  I  in  den  verdächtigen  Strophen  vorkommen,  ich  habe  arbeiten 
dieser  art  schon  begonnen,  doch  wieder  zurück-|gelegt,  theils 
weil  sie  einen  zu  grofsen  aufwand  von  zeit  erfordern,  theils  weil 
ich  immer  noch  die  hoffnung  |  hege  dafs  eine  ältere  und  befsere 
handschrift  des  gedichts  zum  Vorschein  kommt,  welche  mit  Einem 
schlag  I  eine  menge  von  fragen  beantworten  könnte,  au  welchen 
wir  uns,  wie  die  sachen  stehen,  gegenwärtig  abmühen  |  und  zwar 
mit  dem  unbehaglichen  gefühl,  sie  befriedigend  nicht  auflösen 
zu  können,  indessen  ist  auch  |  (s.'2)  die  hypothese  von  mehreren 
Überarbeitern  in  der  ausgäbe  von  Ettmüller  dazwischen  gekommen, 
ich  fälle  I  kein  urtheil  darüber,  weil  ich  selbst  noch  nicht  im 
reinen  bin,  auch  Ettmüller  seine  gründe  nicht  \  näher  angegeben 
hat,  man  also  nicht  weifs  welche  Wahrnehmungen  ihn  dazu  be- 
wogen haben:  [  aber  (de  ansgestn'chen)  der  eiudruck  im  allge- 
meinen hat  mich  nicht  günstig  dafür  gestimmt.  Prof  Lachmann  | 
halte  vor  einigen  tagen  Ihre  Sendung  noch  nicht  empfangen. 

Bei  meiner  Vorlesung  im  j.  1841  hatte  ich  die  absieht  geist 
und  Inhalt  des  gedichts ,  so  wie  es  vorliegt,  |  deutlich  zu  machen, 
da  mir  nächst  dem  Nibelungelied  keins  passender  schien  den 
geist  des  deutschen  |  alterthums  darzustellen,  oft  konnte  ich  nicht 
mehr  als  Vermutungen  über  den  text  vortragen,  |  die,  wie  sich 
von  selbst  versteht,  für  die  bekannlmachung  und  den  druck 
weder  bcstin)mt  noch  |  geeignet  waren,  im  vorigen  sommer  1842, 
wo    ich   abermals    über  Gudrun   (h  ausgestrichen)   gelesen  habe,  | 


BRIEFE    VON    JACOB    U>D    WILHELM    GRIMM    A>    KARL    MÖLLEMIOFF        237 

war  ich  nicht  mehr  gezwungen  mich  der  elenden  Ziemanuischeo 
ausgäbe  zu  bedienen ,  und  glaube  |  noch  manches  glücklicher  und 
richtiger  getroffen  zu  haben. 

Auch  über  Ihre  Untersuchung  der  sage  kann  ich  Ihnen  ein 
eigentliches  urtheil  nicht  ver-|sprechen.  ich  habe  auch  hier  nicht 
abgeschlofsen,  und  diesen  gegenständ  wieder  aufzunehmen  |  werde 
ich  durch  andere,  weit  abliegende  arbeiten,  die  meine  zeit  und 
kräfte  auf  längere  zeit  |  in  anspruch  nehmen,  gegenwärtig  ver- 
hindert, eine  noch  nicht  festgestellte  ansieht  zu  äufsern  |  wider- 
strebt mir.  was  sich  aus  den  Zeugnissen  über  das  gedieht,  die 
ich  in  der  heldensage  p.  325  folg.  |  gesammelt  habe,  mit  Sicher- 
heit ergibt ,  ist  die  grundlage  meiner  ansieht,  auch  über  die  [ 
abhandlung  von  San  Marte,  die  er  seiner  Übersetzung  der  Gudrun 
beigegeben  hat,  habe  ich  ein  urtheil  |  abgelehnt. 

Reichliche  nachweisuugen  über  knechtische  dienste,  wozu 
das  ofenheizen  gehört,  finden  Sie  in  den  [  rechtsalterthümern 
meines  bruders  p.  350  folg.  zusammengestellt. 

Meiner  theilnahme  an  jeder  treuen  arbeit  und  forschung 
können  Sie  versichert  sein,  ich  schliefse  mit  |  den  besten  wün- 
schen für  den  glücklichen  fortgang  Ihrer  Studien  und  bitte  Sie 
mir  Ihre  freundschaftliche  |  gesinnung  zu  erhalten 

Berhn   17  Dec.  1843.  Wilhelm  Grimm. 

adresse:    Herrn  D"^  Karl  Müllenhoff 
frei.  Kiel 

2. 

Berlin  28  jan  1844. 

Mit  gröfstem  dank  sende  ich  Ihnen,  hochgeehrter  herrj 
doctor,  die  mir  zuvorkommend  mitgetheilte  samlung  |  zurück;  von 
meinem  bruder  hatte  ich  vernommen,  |  dafs  Ihnen  eine  bedeut- 
same sage  über  den  weltunter-[gang  aufgestofseu  sei  und  blofs 
um  sie  wagte  ich  |  zu  bitten.  Sie  haben  mir  weit  mehr  zur  ein- 
sieht I  gegeben  und  jene  sage  kam  mir  für  mein  buch  j  gerade 
gelegen,  sie  ist  also  darin  genutzt ;i  |  alles  übrige  gelangt  Ihnen 
unangerührt  zu  \  bänden  und  ich  ermuntere  zu  dessen  Ver- 
mehrung I  und  herausgäbe,  von  dem  weiten  felde  der  |  volks- 
sagen  her  steht  unsrer  mythologie  die  ergi-lbigste  ausbeute  be- 
vor, wenn  nur  treu  und  aus-]führlich  gesammelt  wird,  wie  es 
z.  b.  gegenwärtig  |  in  Flandern  von  Wolf  geschieht.  In  fünfj 
oder  zehn  jähren  wollen  wir  denn  ganz  anders  [  sprechen.  Die 
erste  hälfte  meiner  niyth.  ist  |  gegen  meinen  willen  so  unfertig 
in  die  weit  |  gegangen,  in  dem  schlufs  des  werks  steht  garj 
vieles  ohne  welches  jener  anfang  nicht  recht  |  aufgefafsl  wer- 
den kann. 

Sie  haben  mir  aufserdem  eine  reihe  von  \  verständigen  sin- 
nigen bemerkungen  zu  meinem  |  buche  nicht  vorenthalten,  wo- 
'  Myth.-  911/7)  vgl.  Schlesivig-hohtcinscfie  sagen  s.  379. 


238       BUIEFE   VON   JACOB    UND    WILHELM    GRLMM    AN    KARL    MLLLENHOFF 

für  ich  Ihnen  [  (s.  2)  danke  und  die  ich  gelegentlich  näher  er- 
wägen i  und  nutzen  werde;  schon  jetzt  zöge  es  mich  |  an,  daraui' 
einzugehn  und  einzehies  mit  ]  Ihnen  zu  hesprechen,  wäre  ich 
nicht  1  vollauf  in  andern  geschälten  befangen. 

Hochachtend  und  ergebenst 

Jacob  Grimm 


Zuvörderst  meinen  dank,  hochgeehrter  herr  Doctor,  für  die 
kleine  schritt  über  den  1  gott  Welo,i  die  ich  mit  vergnügen  ge- 
lesen habe,  es  kommen  darin  gute  und  feine  |  gedanken  vor: 
wenn  Sie,  wie  es  mir  bei  dem  ersten  durchlesen  vorkommt,  hier 
und  da  j  in  den  folgerungen  zu  weit  gehen,  so  werden  Sie  bei 
grofseren  arbeiten  schon  das  rechte  |  mafs  zu  treffen  wissen, 
aber  auch  für  die  abbildungen  der  gefundenen  steine  mit  [  zeichen 
bin  ich  Ihnen  dankbar:  einzelne  darunter  können  kaum  etwas 
anderes  |  als  ruuen  sein,  aber  ich  kann  noch  nichts  davon  lesen, 
und  auf  phantastische  erklärungs-|versuche,  wie  Finn  Magnussen 
sie  wagt,  kann  ich  mich  nicht  einlassen,  sind  es  angelsächsische] 
runen,  so  würde  ihr  blofses  dasein  in  Deutschland  schon  von 
Wichtigkeit  sein,  nur  wäre  |  vor  allen  dingen  eine  genaue  und 
vollständige  abzeichnung  nülhig,  und  man  müste  wissen  |  bei 
welcher  gelegenheit  (zweimal,  das  erste  mal  ausgestrichen)  sie 
sind  gefunden  worden ,  ob  zu  tage  liegend  oder  |  aus  der  erde 
gegraben,  es  würde  mir  erwünscht  sein  wenn  Sie  mir  zu  ge- 
nauerer I  einsieht  verhelfen  könnten,  ich  habe  allerdings  vor 
was  ich  über  runen  seit  meiner  |  schritt  gesammelt  habe  wieder 
vorzunehmen ,  und  jene  steine  könnten  (darauf  allerdings  ans- 
gestrichen)  bedeutend  |  sein,  nur  weifs  ich  noch  nicht  zu  welcher 
zeit,  da  ich  gegenwärtig  von  andern  |  arbeiten  festgehalten  werde, 
die  erst  beendigt  sein  wollen. 

Von  dem  Orendel  gibt  es  einen  seltenen  druck  vom  j.  1512, 
von  welchem  ich  abschrift  [  besitze,  ich  habe  sie  Simrock  in 
Bonn  (diese  beiden  worte  übergeschrieben)  zugesagt,  der  auch  das 
gedieht  näher  kennen  zu  lernen  |  (s.'2)  wünscht;  er  hat  sie  noch 
nicht  abgefordert,  und  ich  weifs  nicht  ob  ich  sie  Ihnen  einst- 
weilen I  mitlheilen  darf,  was  ich  recht  gerne  thun  will.  Sie 
niüfsten  sich  also  mit  ihm  |  darüber  verständigen,  von  den 
handschriften  Wolfdietericlis  besitze  ich  keine  abschritten;  [  die 
gedruckten  ausgaben  in  dem  alten  heldenbuch  und  in  dem  neuen 
von  Hagen  |  sind  Ihnen  bekannt. 

Ihr  manuscript  von  Gudrun  ist  bei  Lachmann  angelangt, 
aber  noch  in  seinen  |  bänden,  nicht  in  den  meiuigen.  da  er 
rector  ist,  so  wird  seine  zeit  gewaltig  in  [  anspruch  genommen, 
und  er  hat  noch  nicht  dazu  kommen  können  es  durchzuseiien;  | 
es  ist  schwierig   in    eine  fremde  arbeit   genau    einzugehen,    und 

*  j\ordalbi?i!f.  slitdien  i  11. 


BRIEFE    VON    JACOB    UND    WILHELM    GRIMM    AN    KARL    MÜLLENHOFF       239 

mit    einem    ganz  ]   allgemeinen    urtheil    wird    Ihnen    nicht    ge- 
dient sein. 

Mit  aufrichtiger  hochachtuug  und  ergebenheit 
Berlin    löten  Juni  1844.  Wilhelm  Grimm. 

adresse :    Herrn  D'  K.  M  ü  1 1  e  n  h  o  f  f 
frei.  Kiel 

4. 

Berlin  22  Octbr.  1844. 
Ihr  brief,  hochgeehrter  herr  Doctor,  vom  21  August  ist  erst 
vor  wenigen  tagen,  am  20ien  Octbr,  in  |  meine  bände  gelangt, 
und  mir  durch  die  stadtpost  mit  der  bemerkung  dafs  er  so  spät 
angekommen  |  sei ,  zugesendet  worden,  ich  danke  Ihnen  dafs 
Sie  die  abscbrift  von  Orendel  an  Simrock  befördert  I  haben ,  in- 
dessen wird  Ihnen  und  ihm  die  mittheilung  derselben  überflüssig 
geworden  sein,  da  v.  d.  Hagen  j  soeben  seine  handschrift  hat  ab- 
drucken lassen;  er  hat  freilich  weiter  auch  nichts  für  den  text| 
gethan.  doch  haben  Sie  jetzt  die  hilfsmiltel  beisammen  wenn 
Sie  an  eine  critische  bearbeitung  des  gevvis  |  merkwürdigen  ge- 
dichts  gehen  wollen,  ich  freue  mich  jeder  mit  liebe  und  eifer 
unternommenen  |  arbeit ,  mit  diesem  geluhl  habe  ich  Ihre  ab- 
handlung  über  die  alten  Völker  an  der  Nord-  und  Ostsee i  |  frei- 
lich nur  durchgelesen,  und  so  werde  ich  auch  in  Ihrer  ausgäbe 
der  Gudrun  Scharfsinn  und  Sorgfalt  j  anerkennen,  wenn  ich  etwa 
Ihren  ansichten  nicht  beistimmen  kann,  wollen  Sie  mir  die| 
Verbesserungen  des  textes,  die  Sie  aus  meinen  Vorlesungen  auf- 
nehmen wollen  mittheilen,  so  |  würde  ich  sehen  ob  ich  sie  noch 
jetzt  biUige;  ich  möchte  allerdings  das  eigenthumsrecht  daran] 
nicht  verlieren,  da  ich  eine  ausgäbe  des  gedichts  im  sinn  habe, 
ich  mufste  sie  anderer  nöthigerer  |  arbeiten  wegen  zurücklegen, 
und  konnte  es  um  so  eher  thun  als  Ettmüllers  ausgäbe  dem  | 
dringenden  bedürfnis  abgeholfen  hat.  erörtern  Sie  doch  ja  um- 
ständlich Ihre  gründe  |  über  echtheit  und  unechtheit,  was  Ett- 
müller  mit  unrecht  versäumt  hat. 

Mein  bruder  konnte  nicht,  wie  er  wünschte,  Hamburg  und 
Kiel  besuchen,  und  ist  ohne  aufenlhalt  |  von  Kopenhagen  über* 
Stettin  zurückgereist.  Ihre  sagen  -  und  märchensammlung  wird 
mir  grofse  |  freude  machen,  wie  schön  dafs  Sie  dort  mit  geschick 
und  sinn  sich  der  sache  annehmen,  der  neuen  |  ausgäbe  der 
märchen  habe  ich  eine  ziemliche  anzahl  neuer  stücke  hinzufügen 
könne  (sie),  und  ich  sammle  j  noch  fortwährend,  ich  wieder- 
hole die  Versicherung  meiner  theilnahme  an  Ihren  arbeiten  wie 
der  j  aufrichtigsten  hochachtuug 

ergebenst 
Wilhelm   Grimm. 
adresse :    Herrn  D'  K  a  r  1  M  ü  1 1  e  n  h  o  f  f 
frei.  Kiel 

*  Nordalbitig.   studte?i  i  1 1 1  //l 


240        BUIRFE    VON    JACOB    l'.ND    WILHELM    GBIMM    AN    KAKL    MÜLLENHOFF 

5. 

Sie  erhalten  hierbei,  hochgeehrler  herr  Doctor,  die  hezeicli- 
neten  stellen  |  aus  Gudrun,  wie  sie  in  meinem  lext  vom  jähr  1841 
stehen,  ich  stimme  |  diesen  besserungen  noch  jetzt  bei,  da  aber 
meine  Untersuchungen  über  |  das  versmafs  und  die  spräche  noch 
nicht  zu  ende  gefiilirt  sind,  so  |  konnte  ich  späterhin  veranlaf- 
suug  zu  weiteren  änderungen  haben:  |  ich  bitte  Sie  also  anzu- 
merken dal's  ich  im  sommer  1S41  diese  (Stellungen  ausgestrkhen)\ 
stellen  in  meinen  Vorlesungen  so  vorgetragen  habe,  ich  holte 
dal's  1  Ihr  buch  bald  erscheint;  dem  was  mich  darin  überzeugt, 
werde  |  ich  gerne  beitreten,  sobald  Tester  gruud  da  ist  gestatte 
ich  auch  eine  |  kühne  Vermutung,  und  kann  mich  ihrer  Treuen, 
vor  allen  dingen  |  mufs  ein  sicherer  lext,  so  weit  er  möglich  ist, 
gewonnen  sein. 

Die  deutscheu  eigennamen  von  den  ersten  Jahrhunderten  anj 
zusammenzustellen  und  zu  erläutern  ist  eine  treffliche  auTgabe, | 
deren  lösung  ich  schon  oTi  gewünscht  habe,  die  in  der  letzten 
zeit  I  zu  tage  geTörderten  Urkunden  haben  aufs  neue  dazu  auf- 
gemuntert. I  sie  verlangt  grofse  sorgTalt,  genauigkeit  und  aus- 
dauer,  aber  die  |  mühe  wird  belohnt  werden. 

Es  ist  gut,  dafs  Sie  die  märchen  und  sagen  rasch  drucken 
lassen,  |  das  wird  der  weitern  Sammlung  förderlich  sein.  Sie 
kennen  doch  |  die  INorske  Tolkeeventyr  von  Asbiörnsen  u.  Moe, 
wovon  der  erste  Iheil  |  Christiania  1843  erschienen  ist;  das  ist 
auch  ein  willkommenes  unternehmen. 

In  der  recension  von  Vollmers  Mbelungelied,i  den  schon 
Sommer  in  den  |  Berliner  Jahrbüchern^  gut  abgefertigt  hat,  haben 
Sie  ganz  richtig  |  (s.  2)  über  das  ganze  unternehmen  geurlheilt. 
es  ist  traurig  wenn  sich  |  eine  blofse  buchhändlerspeculation  hin- 
einmengt. Basse  in  ]  Quedlinburg  wollte  sich  doch  ehre  er- 
werben, und  merkte  dafs  er  [  schaden  dabei  haben  würde,  irre 
ich  nichl,  so  hat  Mafsmann  |  die  Cotla.  buchh.  dazu  angestachelt; 
sein  Tristan  rechlTerligl  |  ihn  nicht,  so  weit  ich  darüber  urlheilen 
kann  (denn  ich  habe  nur  |  hinein  gesehen),  ist  es  eine  schlechte 
'arbeit,  aber  v.  d.  Hagen  ist  |  nicht  mehr  auf  einen  bessern  weg 
zu  bringen:  man  soll  unab-|hängig  und  selbständig  sein,  aber 
sich  absichtlich  gegen  das  |  richtige  u.  wahre  zu  verschliefsen, 
verrät  mangel  an  reiner  |  liebe  tür  die  Wissenschaft,  und  die 
weise,  wie  er  sich  dabei  |  dreht  und  windet,  wird  oft  ganz 
lächerlich.  Hochachtungsvoll  und  ergebenst 

Berlin  9  Nov.  1844  Wilhelm  Grimm. 

dabei  liegt   ein  oclavblatl   mit  folgenden  bemerkungeti   WGrimms'^ 
(das  hier  kursiv  gedruckte  ist  im  ms.  unterstrichen) : 

212,  3.  ir  vater  heizet  Hagene,  unde  ist  küneges  künne. 
(nicht  küniges)  vergl.  1250,  3. 

'  Aeue  Je?iaisc/ie  allg-.  Itleratur-zeilung-  lS4i  iir  Ti~  /f.  -  \%\\\ 

*,  G49/7:  3  ,„,./_  MiHlenho/ls  Kudrun  s.iSi//'. 


BRIEFE    VOiN    JACOB    UiND    WILHELM    GRIMM    A>"    KARL    MÜLLENHOFF       241 

228,  3.  4.  des  enwil  ich  selbe  nimmer  mich  vergähen; 

swer   iimbe   Hilden   wirhet,    den    heizet   man    dÄ 
slahen  oder  häheu. 

231,  1.  Dö  sprach  tler  herre  Hetele  'ich  wil  da  hin 
407,  4.  getörsle  ich  vor  dem  vater  min  so  wold  ich  iu  gerne 
volgen  hinneu. 

(hat  auch  Wackernagel    lesebuch  s.  527  gebessert)  i  auch  Ett- 
niüller. 
523,  1  ist  wahrscheinlich  zu  lesen  Hagene  frägete  lüte. 
750,  2  ist  ein  falsches  cilat. 

924,  3  hat  Ziemann  schon  gerne  in  klammern  gesetzt. 
975  habe  ich  aber  eingeklammert. 

503,  3.  dö  sach  man  üf  den  recken,  sam  snewes  flocken 
winde,  (schiezen  rf. /j.  herabtreiben)  |  schiezen  da  mit  pfilen;  daz 
tete  von  Hegelingen  daz  gesinde. 

so  vermute  ich  und  stimme  insoweit  Ihrer  besserung  bei. 
814,  4.  —  niht  schade  gröziu  swgere. 
958,  4.  ere  und  wiinne  immer  m^re  nieten. 

1000,  4.  e  woltich  daz  ichs  nimmer  mere  gesaehe. 

1001,  3.  es  ist  noch  nicht  ganz  sicher  dafs  sin  mufs  gelöscht 
werden. 

1052,  3  nü  kan)i  nicht  ausgelassen  werden,  da  es  sich  auf  nü 
in  der  folgenden  zeile  bezieht,  entweder  so  oder ,  etioa  ir  mufsle 
man  tilgen. 

1166,  2  hinä  habe  ich  eingeklammert. 

1220,  4.  habe  ich  und  eingeklammert. 

1060,  4.   si  erbeitet  reste  küme 

1077,  1.    Die  Hilden  boten  ilten 

1083,  2  ir  friunden  siez  enböt; 

1409,  1.  Diu  ros  üf  Sprüngen. 

6. 

Werthester  IVeuud, 
«inliegende  preislrage   hatte   ich   eigentlich  für  Sie    gestellt;    Sie 
müsten   beim  |  material  aber   einen    oder  zwei   heiter   zuziehen, 
der  preis  ist  gering,  |  aber  des  drucks  einer  preiswürdigen  schritt 
würde  sich  unsre  academie  [  hevnach  auch  annehmen. 

Dafs  mein  getischer  versuch  anfechter  finden  würde ,  dachte 
ich  im  I  voraus  und  zum  theil  loclct  sie  die  unfertigkeit  meiner 
abhandlung  ]  hervor;  allerhand  habe  ich  noch  in  petto.  Kommen 
Sie  mir  j  nicht  blofs  mit  stellen  aus  Strabo  (die  ich  alle  kenne, 
zufällig  I  nicht  erörtert  habe)  und  Pytheas. 

Diesen  augenblick  wird  die  Heidelberger  adresse^  angelangt 
se[iu;]2  |  ich  wünsche  dafs  auch  hier  unsre  Sympathie  worte  findet. 

•  s.  Allg.  seitM/jo- 1846  nr  226.  227  vom  1\  und  \b  aiigust.  ^  das 
einsreklaynmerle  ist  ausserisse/i. 


242       BRIEFE    VON    JACOB    UND    WILHELM    GRLMM    AN    KARL    MÜLLEiNHOFP 

Grüfsen  Sie  Waitz,  dem  ich  danke. 

Mit  aufrichtiger  treuudschaft 
18  aiig  Jac.  Grimm. 

adresse  auf  der  rückseite:    Herrn  Professor  MUllenhoff 

Wolgeboren 
Kiel 

Poststempel:    s,  46   Altona,      es   liegt  bei  ein   separatabdrnck 

ans  den  Monatsberichten  der  Berliner  akademie  1S46  s.  217/". 

7. 

Berlin  Octbr.  1846. 
Hochgeehrter  herr  prolessor, 
nach  dem  schlufs  der  Frankfurter  versammelung,  bei  der  Sie  in 
bessern   zeiten  gewis   nicht  würden  |  gefehlt   haben,   machte  ich 
noch  eine  reise  und  kam  erst  am  23  Octbr  hierher  zurück,  wo 
ich  Ihren  |  brief  vom   17  Sept.  vorfand. 

Ich  brauche  Ihnen  nicht  zu  sagen  welchen  warmen  anlheil 
ich  an  dem  geschick  Ihres  landes  nehme  |  und  wie  nahe  mir 
geht  was  Sie  dort  (über  der  zeile  nachgetragen)  ertragen  müssen, 
ganz  Deutschland  hat  diese  theilnahme  (über  ansgestrichenem  ge- 
sinnung)  bei  jeder  |  gelegenbeit  gezeigt  und  ich  glaube  nicht  dafs 
die  sittliche  macht,  welche  in  dieser  allgemeinen  |  Überzeugung 
ruht,  ohne  erfolg  bleiben  kann,  als  ich  vor  kurzem  (nach 
8  Jahren  zum  ersten  mal)  |  wieder  in  Güttingen  war,  gedachte 
ich  gleich  (über  der  zeile  nachgetragen)  der  ähnlichkeit  ihrer 
läge  mit  der  unsrigen. 

Gewis  sind  wissenschaftliche  beschäfftigungen  in  einer  solchen 
zeit  die  beste  beruhigung:  ich  |  erinnere  mich  sehr  wohl  wie  ich 
wenig  tage  nach  meiner  enlsclzuug  mich  wieder  an  meinen  j 
arbeitstisch  in  Gültingen  setzte  und  meine  arbeiten  fortführte. 
Ihre  recension  von  Wilhelm  ]  Müllers  Mbelungen^  habe  ich  noch 
nicht  gesehen,  ich  bore  aber  dafs  sie  eben  abgedruckt  wird;  |  die 
sehr  ift  selbst  habe  ich  nur  oberllächlich  (angeseh  durchstrichen) 
durchlaufen.  Müller  hat  früherhin  |  auszüge  für  das  deutsche 
Wörterbuch  gemacht   und   uns  einmal   in  Cassel  besucht. 

Liliencrons  abhaudlung-  habe  ich  mit  vergnügen  gelesen 
und  mich  an  dem  geist  der  \  freien  forschung  gefreut,  wie  au 
dem  sinnreichen  und  neuen,  das  darin  vorkommt;  nur  diej 
(s.  2)  einleilung,  die  zu  weit  ausholt,  würde  ich  unterdrücken, 
gewis  verdient  die  schrill  aufmerksamkeit  ]  aber  auch  eine  sorg- 
fältige prüfung  und  wohlmeinende  crilik.  Haupt  hat  schon  lange 
au  einer  |  ausgäbe  von  Noidharls  gedichten  gearbeitet  und  sie  ist 
fertig  oder  ihrer  Vollendung  nahe;  |  er  würde  über  Liliencrons 
ansichteu  am  besten  ein  urtheil  abgeben  können.  Haupt  wird 
die  I  spräche  und  nielrik  Neidharls  schärfer  erforscht  haben  und 

*  Jalirliüclicr  für  wissi-nscIuil'U.  liritik  \M(\  nr'ih — 79.  *  Z*.  (>,  (»it 

abfcedfuckl. 


BRIEFE    VON    JACOB    UND    WILHELM    GRIMM    AN    KARL    MÜLLENHOFF       243 

daraus  mufs  sich  nicht  weniges  |  ergeben,  beistimmuug  oder 
Widerspruch,  wenn  Sie  es  wünschen,  so  will  ich  die  schritt  au] 
Haupt  senden:  Reimer  ist  sein  Verleger  und  wird  sich  am  leich- 
testen durch  Haupt  bestimmen  |  lassen  sie  zu  behalten,  die  theil- 
nahme  des  gröfseren  publicums  hat  in  den  letzten  jähren  |  sicht- 
bar abgenommen  gerade  wie  die  Vorlesungen  auf  Universitäten 
weniger  besucht  werden.  |  Haupts  Zeitschrift  hat  deswegen  ein- 
gehen müssen  und  treffliche  arbeiten,  wie  Engelhart,  VVinsbeke| 
bleiben  liegen  und  bringen  nicht  die  druckkosten  ein. 

Den  armen  Sommer  hat  früh  der  tod  ereilt:  er  drückte  in 
seinem  letzten  brief  noch  |  den  wünsch  aus  länger  zu  leben,  er 
war  schon  hier  als  Student  hectisch  und  hat  das  j  übel  durch 
angestrengtes  arbeiten  noch  befördert;  dabei  lebte  er  in  so  engen 
Verhältnissen  [  dafs  er  zur  Stärkung  und  pflege  seiner  gesundheit 
wenig  thun  konnte,  auf  einer  erholungs|reise  überliel  ihn  mitten 
in  einem  wald  ein  blutsturz;  er  schleppte  sich  mühsam  nach] 
dem  nächsten  ort,  liefs  sich  nach  Halle  bringen  und  lag  da  noch 
einige  wochen,  bis  seine  |  kräfte  erschöpft  waren,  was  aus  seinem 
nachlafs  geworden  ist,  weifs  ich  nicht. 

Hochachtungsvoll  und  ergebenst 

Wilhelm  Grimm. 

adresse:   Herrn  Professor  Karl  Müllen  hoff 
frei.  Kiel 

Poststempel:    Berlin  30.  10.  12  —  1. 

8. 

Ich  danke  Ihnen,  hochgeehrter  herr  professor,  für  das  mir 
durch  hn  D'  Nitsch  zugeschickte  |  geschenk ,  dessen  persönliche 
bekanntschaft  ich  mit  vergnügen  gemacht  habe. 

Von  der  Hagens  Vorlesung i  habe  ich  nicht  anders  verstanden 
als  beabsichtige  er  eine  ]  herausgäbe  des  Wolfdieterichs ,  aber  da- 
mit wird  es  lange  dauern,  »ein  Gesammtabenteuer  |  ist  seit 
10  Jahren  oder  länger  gedruckt,  wird  aber  nicht  ausgegeben, 
freilich  der  Wolfdieterich  |  wird  nicht  anders  werden,  als  alles 
was  unter  seine  bände  kommt:  die  sache  wird  ein  |  wenig  ange- 
kocht, bleibt  im  kern  roh  und  ist  desto  ungeniefsbarer.  nach- 
fragen bei  ihm  |  kann  ich  nicht  wphl.  die  Wiener  hs.  aus  Ambras 
ist  in  Haupts  Zeitschrift  4  abgedruckt.  |  gibt  es  noch  eine  andere? 
ich  bekenne  meine  Unwissenheit,  in  keinem  fall  werden  Sie  etwas  | 
von  hn  Bergmann  erlangen,  die  Frankfurter  hs.  die  ich  benutzt 
habe  ist  eine  spätere  )  auf  papier  wie  die  Strafsburger.  möglich 
dafs  man  aus  allen  vorhandenen,  wenn  man  |  kühn  ist  und  glück 
hat,  einen  lesbaren  text  herausbrächte,  aber  ich  möchte  es  nicht  [ 
verbürgen  und  zu  einer  behaglichen  Sicherheit  wird  man  es  doch 
nicht  bringen,  sonst  |  wäre  das  merkwürdige,  in  einigen  theileu 
schöne  und  immer  wichtige  gedieht  aller  [  mühe  werth. 
'  Monatsberichte  der  Berliner  akademie  1S4G  s.  130. 


244        BRIEFE    VON    JACOB    ÜJND    WILHELM    GRIMM    AN    KARL    mClLE.\HOFF 

Die  Riedegger  hs.  ist  freilich,  wie  Karajan  versicherte,  nicht 
mehr  zu  findea.  nicht  (über  der  zeile  nachgetragen)  Beuecke, 
der  I  sich  um  die  Rabenschlacht  nicht  kümmerte,  hat  eine  ab- 
schrilt  davon  genommen,  sondern  |  ich  habe  es  gethan  als  ich 
die  hs.  nach  Gottingen  kommen  liefs.  Hahn  wollte  sie  schon  j 
Vorjahren  herausgeben,  ich  weils  nicht  ob  er  noch  daran  denkt. 

Auf  Ihre  abhandlung  über  Ortnit  u.  die  spielmannspoesie 
freue  ich  mich,  möge  |  nur  Haupts  Zeitschrift  durch  die  trübe 
(sie)  Zeiten  nicht  gehemmt  werden,  kein  buchhändler  |  will  jetzt 
etwas  wissenschafüiches  (hucken. 

(s.  2)  Mein  bruder  befindet  sich  wohl,  obgleich  die  sjtzuugen 
in  der  Paulskirche  seine  kräfte  |  in  anspruch  nehmen,  ein  glück 
dafs  er  bis  auf  wenige  bogen  seine  Geschichte  der  |  deutschen 
spräche  vorher  beendigt  hatte. 

Hochachtungsvoll  und  ergebenst 
Berlin  Igten  Juli  1848.  Wilhelm  Grimm 

adresse:    Herrn  Professor  Karl  MüUenhoff 

jQ  Kiel. 

Hochgeehrtester  herr  professor, 
nehmen  Sie  meinen  dank  für  die  gute,  mit  welcher  Sie  mir  j  Ihre 
Sammlungen  zu  einer  Umarbeitung  des  dritten  bandes  \  der  haus- 
märcheu  anbieten,  ich  hatte  allerdings  im  vorigen  |  jähr  den 
Vorsatz  diese  arbeit  vorzunehmen ,  da  (darauf  ich  ausgestrichen) 
manches  |  nachzutragen  und  zu  ergänzen  ist.  die  sache  ist  nicht 
schwierig,  ]  aber  mühsam  und  fordert  geduld  und  zeit,  indessen 
hat  die  |  arbeit  an  dem  deutschen  Wörterbuch  begonnen  und  die 
nimmt  |  meine  zeit  und  kräfte  sosehr  in  anspruch  dafs  ich  jenes] 
vorhaben,  wenigstens  vorerst,  wieder  aufgeben  mufs.  habe  |  ich 
die  bände  wieder  frei,  so  werde  ich  darauf  zurück-| kommen  und 
Sie  dann  um  erfüUung  Ihres  Versprechens  |  bitten. 

Auch  für  Ihre  abhandlung  über  die  deutsche  philologiei| 
meinen  dank,  ich  habe  sie  mit  * ergnUgen  durchgelesen:  |  es  ist 
gut  dafs  so  etwas  einmal  schlicht  und  jedermann  |  (s.'2)  verständ- 
lich ausgesprochen  wird,  als  gegengeschenk  bitte  |  ich  Sie  einige 
academische  schritten,  eine  lortsetzung  der  |  altdeutschen  ge- 
spräche  und  einen  nachlrag  zu  Freidank-  |  anzunehmen,  welche 
die  buchhandlung  Hiuen  |  zusenden  wird. 

Ich  (reue  mich  auf  das  neue,  das  Hire  arbeiten  über  |  Runen 
bringen  werden,  wenn  nur  einmal  ein  sicheres  |  und  einfaches 
denkmal  mit  deutschen  runen  aufgefunden  ]  würde,  ist  die  ab- 
handlung von  Kirchhofl"  über  das  |  gothische  runenalphabet  schon 
zu  Ihnen  gelangt? 

Mit  den  besten  wünschen  zu  dem  neuen  jähr  [  und  der  Ver- 
sicherung der  aufrichtigsten   hochachtung  der  Ihrige 
Berlin  2ten  Jan.  1852.                                      Wilhelm  Grimm. 

1  Deutsclw  vicrlcljahrsschriß  1851  lieft  4  s.  2'i^ff.  -  hl.  schrifteji 
3,  4y.j//i    Abhanillungen  der  Berliner  a kademie  lSf>\  ä.  237. 


BRIEFE    V0>'    JACOlt    OD    WILHELM    GRLMM    A>    KARL    MLLLE>HOFF       245 

11. 

Berlin  22  apr.  1852 

Ich  habe  Ihnen ,  hochgeehrter  freund ,  lange  nicht  geschrie- 
ben, I  und  lange  nicht  gedankt  lür  manche  schöne  mit-|theilungen, 
in  welchen  Sie,  bei  jedem  anlasz,  meiner  |  und  meiner  arbeiten 
so  freundlich  gedenken,  wie  Sie  immer  |  zu  thun  pflegten. 

Jetzt  hat  nun  endlich  die  vielleicht  allzulang  aufgeschobne  1 
arbeit  begonnen,  zwei  hefte  sind  ausgearbeitet,  eins  |  davon  ge- 
druckt, und  mir  scheint,  wenn  das  ganze  |  so  zur  Vollendung  ge- 
langen kann,  es  ist  eine  nützliche  |  und  bleibende  that  für  unsre 
spräche;  es  wird  dadurch  |  nichts  vollendet  und  abgethan  sein, 
aber  die  forschung  |  auf  hundert  neue  stellen  geführt,  und  so 
kann  j  auch  hernach  von  allen  selten  zugearbeitet  werden.  |  Was 
mein  bruder  zu  fVankfurt  sagte  ^  und  die  Verleger  |  in  der  an- 
kündigung  wiederholen,  ist  falsch  und  |  wird  von  mir  in  der 
vorrede  zurückgeführt  werden  |  auf  den  wahren  verhalt,  wir 
haben,  auszer  den  |  bestellten  und  bezahlten  excerpten ,  die  mit 
mehr  |  oder  weniger  geschick  ausgeführt  wurden ,  von  freunden] 
und  mit  arbeitenden  kennern  nie  neunenswerthes  |  beigetragen 
erhallen,  von  Lachmann,  Wackernagel,  |  Haupt  kein  Sterbens- 
wörtchen, da  ihnen  doch  bei  |  ihren  Studien  auf  allen  schritten 
material  vorkam ;  |  natürlich  (darauf  ab  ausgestrichen)  wendet 
jeder  seine  kraft  und  lust  |  für  sich  selbst  lieber  auf  als  für 
andere,  so  schön  |  es  gewesen  wäre  einem  weitaussehenden  all- 
gemeinen I  werk  zu  helfen.  Haupt  hatte  sich  erboten,"-  den  1 
(s.  2)  wichtigen  Hans  Sachs  auszuziehen  und  dadurch  dem] 
Wörterbuch  abbruch  gethan,  dasz  er  seinen  beitrag  (  nicht  auf- 
kündigte, damit  anderweit  dafür  sorge  |  getragen  worden  wäre, 
zuletzt  lieferte  er  nichts  |  als  flüchtige  auszüge  des  (über  ausge- 
strichenem zum)  fünften  bands,  mit  |  gänzlicher  übergehung  der 
vier  ersten,  und  ich  musz  j  nun  selbst,  in  verstolnen  stunden,  so 
gut  es  geht,  j  das  versäumte  nachholen.  Wenn  also  selbst  |  die  mir 
wolwollenden  so  verfuhren,  so  braucht  |  von  der  gleichgültigkeit 
des  übrigen  publicums,  |  das  mir  ferner  stand,  kein  beweis  ge- 
führt zu  werden,  i  Auch  hier,  wie  bei  meinen  andern  büchern, 
heifsts  I  also  selbe  tste  selbe  habe.^ 

Ich  thue  was  ich  vermag.  •  aus  dem  ersten  |  heft  können 
Sie  einiges ,  nicht  alles  entnehmen.  |  die  heftw-eise  ausgäbe  thut 
dem  werk  schaden,  [  weil  der  vollständige  band  alles  besser  wird] 
überschauen  lassen,  auch  in  der  vorrede  [  ist  zum  Verständnis 
und  zur  entschuldigung  j  eine  menge  wichtiges  zu  sagen. 

Es  möge  gott  anheira  bleiben,  ob  er  |  leben  und  gesundheit 
verleihen  will;  sie  |  fängt  mir  seit  einigen  jähren  au  zu  wanken. 

Sie   sollen   den  Schwenck^  treflich  d\)%t~\(s.  3)führt  haben. 

'    Kleinere  Schriften    von   Uilhelm  Grimm  i  50'.».  ^  vgl.  Brie/'- 

wecksel  zwischen  Meuseljach  und  Grimm  *.  417.  ^  MF  85,22. 

^  .allgemeine  mojiatsschrift  \^öi  s.'liSff'. 


246       BRIEFE    VO.N    JACOB    Ui>D    WILHELM    GRIMM    AiN    KARL    MÜLLENHOFF 

ich  bat  Lilienkron  Sie  für  micli  um  |  einen  abdruck  zu  ersuchen, 
da  ich  die  zeitschrill  nicht  |  halte  und  zu  wenig  ausgehe  um  mir 
sie  anders-lwo  zur  einsieht  zu  verschaffen. 

Eine  kleine  abhandlung  über  eine  Urkunde  |  gab  ich  darum 
lur  Sie  nicht  mit,  weil  erst  noch  |  ein  nachlragi  dazu  gedruckt 
werden  (ausgestrichenes  komina)  soll ,  worin  |  ich  das  Verhältnis 
der  friesischen  Morseten  |  zu  den  Marsaci  und  Marsacii  des  Tac. 
und  I  Plinius  erörtere.  Sollten  Ihnen  aus  Urkunden  ]  oder  Schrift- 
stellern nachrichten  über  die  Morseli  |  zur  band  sein,  so  wäre 
mir  deren  mitlheilung  lieb.  |  was  der  scholiast  des  Ad.  von  Bremen 
289,25  I  sagt,  kenne  ich. 

Melden  Sie  Lilienkron ,  dasz  Simrock  |  bis  heute  noch  hier 
und  seine  angelegenheit  |  immer  noch  unentschieden  ist. 
mit  herzlicher  hochachlung  und  Ireundschatt 

Ihr  Jacob  Grimm. 

12. 
Hochgeehrtester  herr  prolessor, 
nehmen  sie  meinen  grofsen  dank  lür  das  schöne  geschenk ,  das 
Sie  mir  mit  |  der  neuen  ausgäbe  von  Quickborn  gemacht  haben: 
mein  bruder  kann  es  |  als  sein  eigenthum  (darauf  ausgestrichenes 
betrach)  benutzen,  besitzt  aber  auch  schon  die  frühere  |  ausgäbe, 
für  das  Wörterbuch  habe  ich  gleich  etwas  daraus  eintragen  | 
können,  die  meinigen  haben  alle  sinn  für  diese  schlichte,  natür- 
liche 1  und  doch  zu  herzen  gehende  poesie,  und  dieser  same 
fällt  in  meinem  haus  |  auf  keinen  steinigen  bodeu.  ich  freue 
mich,  auch  des  dichters  wegen,  dafs  |  das  buch  sich  bahn  ge- 
brochen hat;  aber  die  ehre  der  niederd.  spräche  |  braucht  er 
nicht  erst  zu  retten,  kein  verständiger  hat  sie  angetastet,  niemand  1 
wird  das  herzliche,  naive,  anmutige  und  behagliche,  das  darin  liegt, 
ver-|kennen.  dafs  das  hochdeutsche  als  Schriftsprache  daneben 
steht,  ist  ein  |  vortheil  und  wirkt  wolthätig  nach  beiden  seilen  hin. 
die  allemannische]  spräche  Hebels,  die  bairische  Kobells,  die  schwei- 
zerische ff/araw/ Bitziu  ausgestrichen)  von  Bitzius  p|  stehen  in  einem 
ähnlichen  Verhältnis,  selbst  gegen  eine  Vermischung  |  der  Schrift- 
sprache mit  der  niundart  (diese  drei  ivorte  über  der  zeile  nachge- 
tragen) in  einzelneu  fällen,  wie  sie  Bitzius  in  einigen  seiner  |  er- 
zählungen  mit  glück  versucht  hat,  erkläre  ich  mich  nicht. 

Auch  meine  frau  dankt  schönstens  für  das  geschenk  und  die 
freundliche  |  erinneruug,  ihr  haben  die  vorgerückten  jähre  nicht 
die  freude  an  der  |  dichtung  ausgelöscht,  meinem  söhn  hat  Ihre 
(über  ausgestrichenem  die)  theilnahme  wolgethan ,  er  |  wünscht 
dafs  sie  ihm  erhalten  bleibe,  an  thätigkeit  fehlt  es  ihm  nicht;  | 
seiu  Demetrius  wird  jetzt  gedruckt. 

Leben  Sie  wol  und  sein  Sie  lierzlich  von  uns  allen  gegrüfst 

ganz  der  Ihrige 
Berlin  27'«"  Juni  1854.  Wilhelm  Grimm. 

'  hieiJiere  schrißvn  2,  2'i'6 //'.  'doSiff. 


ANZEIGER 

FÜR 

DEUTSCHES  ALTERTHUM  UND  DEUTSCHE  LIÜERATUR 

XI,    4    SEPTEMBER  1885 

Grundriss  zur  geschichte  der  deutschen  dichtung  aus  den  quellen  von  Kabl 
GoEDEKE.  zweite  ganz  neu  bearbeitete  aufläge,  erster  band.  Das 
mittelalter.  Dresden,  LEhlermann,  1884.  viii  und  500  ss.  8°.  — 
9,60  m.* 

Dass  sich  Karl  Goedeke  im  jähre  1S81,  den  siebenzigen  nahe, 
noch  entschlossen  hat,  seinen  Grundriss  neu  zu  bearbeiten ,  ver- 
3ient  die  dankbarste  anerkennung  und  lässt  nur  um  so  mehr  es 
beklagen,  dass  zwischen  dem  bewährten,  unermüdlich  forschenden 
gelehrten  und  seinem  Verleger  conflicte  möglich  waren,  deren 
lösuug  die  gerichte  beschäftigen  sollte,  das  vorwort  gibt  darüber 
den  nötigen  aufschluss  und  bildet  damit  einen  nicht  gerade  er- 
freulichen gegensatz  zu  den  in  den  vorreden  aus  den  jähren  185S 
und  1581  berührten  beziehungen  zu  dem  früheren  chef  der  oben 
genannten  firma.  ich  betone  dies  vorwort  gleich  im  eingang 
meiner  besprechung  besonders,  weil  aus  der  Vorgeschichte  dieser 
neubearbeitung  des  Grundrisses  sich  ein  teil  der  unten  folgenden 
ausstellungen  erklären  dürfte. 

Das  vorliegende  werk  umfasst  das  deutsche  mittelalter,  die 
zeit  bis  zur  reformation,  dh.  die  drei  ersten  bücher  (§  1  — 100) 
der  älteren  aufläge,  also  gerade  jene  partie,  die  G.  bei  der  ersten 
ausarbeitung  am  kürzesten  —  schon  nach  dem  damaligen  stände 
der  forschung  entschieden  zu  kurz  —  behandelt  hatte,  gewisser 
mafsen  nur  als  einleitung  für  die  zeit  nach  1500,  in  deren  dar- 
stellung  bekanntlich  der  schwerpunct  des  Goedekeschen  Grund- 
risses lag  und  noch  liegt,  es  galt  hier  also  in  der  tat  eine  lücke 
auszufüllen  und  so  sind  denn  auch  aus  den  früheren  7  bogen 
jetzt  31  geworden,  wobei  freilich  in  betracht  kommt,  dass  manches 
aus  Goedekes  älterem  werke,  der  Deutschen  dichtung  im  mittel- 
aller (1854),  wörtlich  herüber  genommen  wurde,  nicht  gerade 
immer  im  einklange  mit  neuerer  forschung.  im  grofsen  ganzen 
ist  die  anordnung  der  einzelnen  paragraphen  der  ersten  aufläge, 
kleinere  Umstellungen  abgerechnet,  beibehalten  worden,  nur 
gegen  ende,  wo  wir  uns  der  zeit  um  1500  nähern,  hat  die  jetzige 
aufläge  zum  teil  ein  ganz  neues  ansehen  erhalten,  einige  ab- 
schnitte sind  aus  dem  4  buche  dem  3  einverleibt  worden,  sämmt- 
lich  jedoch  in  sehr  erweiterter  gestalt.  so  sind  §  84  und  zum 
grösien  teil  §  141  nun  als  §  86  'reimchroniken,  spruchgedichte, 

[*  vgl.  DLZ  1884  nr  50  (MRoediger).] 
A.  F.  D.  A.    XI.  18 


24S  GOEDEKE    GKUNDBläS 

bist,  lieder'  vom  13  bis  zum  aofang  des  16  jhs.,  die  Irüheren  §§  88. 
91  uüd  139  (teilweise)  als  §  91  'meistergesang'  des  14  15  jhs.  ver- 
einigt worden,  aus  §  162  fanden  die  todtentänze  mitauinahme 
in  §  92  'Schauspiel',  aus  §  118  gesellten  sich  die  werke  k.  Maxi- 
milians zu  denen  Pütericbs  und  Füetrers  (§  94).  §  96  'ritter- 
romane  und  schwankbücher'  enthält  aus  §§  105 — 108  die  be- 
treffenden denkmäler  des  14  und  15jhs.  unter  benutzung  von 
§  114  erscheint  §  97  'Übersetzungen  aus  fremden  sprachen'  doch 
als  durchaus  neu.  §  98  schildert  die  Vorläufer  der  humanisten 
unter  Verwertung  der  §§  113.  115.  117.  120.  gleichfalls  als  neu 
dürfen  endlich  die  beiden  schluss-§§  99  und  100  gelten,  deren 
erster  der  darstelluug  der  deutschen  humanistischen  bestrebungen 
gilt;  §  100  behandelt  im  zusammenhange  die  nd.  poetische  lit- 
teratur.  was  die  alten  §§  98.  99.  104.  113.  114  entsprechendes 
enthielten,  erscheint  jetzt  gegenüber  dem  neu  gebotenen  kaum 
der  erwähnung  wert. 

Wir  verdanken  G.  die  erschliefsung  der  litteratur  des  16  jhs., 
die  erhellung  dieses  Zeitraumes  hat  ihm  immer  am  meisten  am 
herzen  gelegen  und  es  ist  nur  natürlich,  wenn  seine  Studien  von 
diesem  mitlelpuncte  aus  sich  vor-  und  rückwärts  erweiterten, 
von  den  erfolgreichen  bemühungen  um  die  neuere  litteratur 
legen  die  späteren  bücher  seines  Grundrisses  rühmendes  Zeugnis 
ab;  für  die  in  der  neubearbeitung  behandelte,  dem  16  jh.  vor- 
ausliegende zeit  kann  ich  ein  gleiches  lob  nur  den  bereits  er- 
wähnten partien,  die  die  reformalion  unmittelbar  einleiten,  zollen, 
für  die  ältere  zeit  dagegen,  und  ganz  besonders  bis  zum  12  jh., 
ist  der  Grundriss  durchaus  kein  so  zuverlässiger  und  brauchbarer 
führer,  als  welcher  er  sich  für  die  späteren  lilteraturepochen  nun 
schon  seit  langem  bewährt  iiat.  in  der  darstelluug  der  letzteren 
erscheint  das  bibliographische  material,  so  sehr  dasselbe  im  Vorder- 
grund steht,  überwiegend  in  historischem  sinne  geordnet;  nament- 
lich dem  16  und  17  jh.  ist  mit  recht  eine  glückliche  gruppierung 
nachgerühmt  worden,  man  erkennt  aus  den  kurzen  jeden  para- 
graphen  einleitenden  bemerkungen,  an  der  art,  wie  G.  die  bücher- 
titel  und  citate  an  einander  reiht,  die  historische  entwickelung,  man 
bekommt  ein  bild.  diese  abschnitte  werden,  wie  ich  glaube,  auch 
in  der  neubearbeitung  hinsichtlich  der  gruppierung  im  wesent- 
lichen unverändert  bleiben  können,  dass  aber  auch  für  buch 
1 — 3  die  alte  anordnung  beibehalten  wurde,  kann  ich  in  keiner 
weise  gutheifsen.  hier  muste  neu  componiert  werden,  aufstutzen 
des  alten  reichte  nicht  aus.  wir  sind  in  der  erkenutuis  unserer 
älteren  litteraturbewegung  durch  die  forschung  der  letzten  dreifsig 
jähre  ein  gut  stück  vorwärts  gekommen  —  den  beweis  dafür 
bringt  fürs  einzelne  Goedekes  neubearbeitung  selbst  auf  jeder 
Seite  — ,  es  hat  sich  ein  in  allen  hauptzügen  scharf  umgränztes 
bild  gestaltet  und  wir  brauchen  nicht  zu  besorgen  dass  die  grund- 
linien  desselben  bald  verrückt  oder  gar  verwischt  werden  könnten. 


GOEDEKE    GRC.NDRISS  249 

von  wie  viel  sichererer  grundlage  aus  überschauen  wir  jetzt  den 
Zusammenhang  der  einzelnen  ahd.  denkmäler  uoter  einander!  als 
G.  an  die  ausarbeitung  seines  werkes  gieng,  besafsen  wir  noch 
nicht  die  Deükmäler  von  MülleuhofT  und  Scherer.  durch  diese 
sind  Specialuntersuchungen  sprachlicher  uüd  litterarhistorischer 
art  angeregt  worden,  die  mit  ertolg  das  material  örtlich  und  zeit- 
lich zu  gruppieren  suchten,  und  wie  viel  mehr  noch  ist  seitdem 
unser  wissen  über  die  litteratur  des  11  und  12  jhs.  bereichert 
worden!  die  neuere  litteratur  ist  nun  Ireilich  von  G.  zum  gröfseren 
teil  nachgetragen  worden,  ihre  ergebnisse  aber  wurden  durchaus 
nicht  immer  lür  den  vorausgehenden  lext  verwertet,  und  so  stehen 
text  und  bibliographie  oft  iu  directem  gegensatz,  denn  es  ist  doch 
nicht  anzuoehmen  dass  G.  von  den  neueren  torschungen  in  den 
weitaus  überwiegenden  lallen  absolut  unüberzeugt  geblieben  wäre.^ 
lür  die  ahd.  zeit  behielt  nicht  selten  Mafsmann  den  vortritt  vor 
den  herausgebern  der  Denkmäler,  lür  die  litteratur  des  11;  12  jhs. 
ist  Diemer  kanon,  auch  da,  wo  es  sich  um  neue  darstellung, 
nicht  um  weitere  austührung  des  in  der  ersten  aufläge  gesagten 
handelt. 

Der  entwickelungsgaug  der  litteratur  wird  durch  die  anord- 
nung  der  paragraphen  und  deren  auslührung  absolut  nicht  an- 
schaulich, nirgends  ist  rücksicht  geuommeu  auf  landschaftliche 
Zusammengehörigkeit  der  einzelnen  denkmäler,  auf  etwaige  be- 
einflussung  der  denkmäler  unter  einander,  um  die  tonangebenden 
mhd.  epiker  hätten  die  nachahmer  übersichtlich  gruppiert  werden 
sollen,  ein  flüchtiger  blick  in  das  iühaltsverzeichois  gibt  belege 
dafür,  dass  die  allgemeine  anordnung  berechtigten  ansprüchen 
nicht  genügt,  die  Klage  vor  den  fsibelungen ,  die  mysliker  vor 
dem  Titureldichter  und  Konrad  von  Würzburg  abzuhandeln,  ist 
doch  durch  nichts  begründet. 

Befriedigt  so  die  anläge  als  ganzes  nicht,  so  vermisst  man 
nun  aber  auch  leider  in  den  einzelnen  texten  wie  in  den 
bibliographischen  Sammlungen  die  Goedeke  so  oft  und  bisher 
mit  recht  nachgerühmte  Sorgfalt,  der  text  ist  überreich  au  Irr- 
tümern und  flüchtigkeilen,  die  litteratur  unvollständig  und  durch- 
aus ungleichmäfsig  benutzt  und  aufgezählt,  unmethodisch  ge- 
sammelt, systemlos  geordnet,  dabei  ungenau  verzeichnet;  der 
druck  oft  iucorrect,  gerade  bei  bibliographischen  handbüchern 
ein  empfindlicher  mangtl.  was  die  litteraturangaben  betriflt,  so 
weifs  ich  sehr  wol  dass  absolute  Vollständigkeit  nicht  zu  erreichen 
ist;  wenn  ich  mir  aber  in  mein  exemplar  zu  der  mehrzahl  der 
besprochenen  denkmäler  nachtrage  und  berichtigungen  gemacht 
habe,  nach  denen  ich  nicht  etwa  suchte,  die  mir  vielmehr  unter 

'  sonderbar  berühren  freilich  die  worte  in  §  3:  'andere  Vorgänger  sind 
wenig  benutzt,  sowol  in  der  ersten  wie  in  der  gegenwärtigen  bearbeitung'. 
in  der  früheren  fassung  hiefs  es  wenigstens  noch:  'die  meisten  Vorgänger 
sind  zwar  nicht  unbenutzt  geblieben'  usw. 

18* 


250  GOEÜEKE    GRUNDRISS 

dem  lesen  einfielen,  so  wird  mein  tadel  nicht  ungerecht  er- 
scheinen, es  hätte  aber  keinen  zweck,  hier  eine  lange  reihe  von 
Zusätzen  und  besserungen  zu  geben:  ein  jeder  kann  sich  von  der 
richtigkeit  meiner  behauptungen  überzeugen,  wenn  er  die  jüngst 
erschienene  sechste  aufläge  des  ersten  bandes  von  Kobersteins 
Grundriss  oder  selbst,  für  die  älteren  partien ,  Pipers  Litteratur- 
geschichte  zur  vergleiclmng  heranzieht.  ich  beschränke  mich 
hier  darauf,  meine  ausstellungen  nach  gewissen  gesichtspuncten 
zu  ordnen  und  mit  einigen  beispielen  zu  belegen,  wobei  ich 
die  allgemeine  anläge  des  werkes,  die  ja  überwiegend  die  näm- 
liche wie  in  der  ersten  aufläge  geblieben  ist,  unberücksich- 
tigt lasse. 

Der  text  bietet  nicht  selten  antiquierte  oder 
falsche  ansichten.  §  14.  15  sind  die  auf  Karls  des  grofsen 
reformbestrebungen  zurückzuführenden  ahd.  denkmäler  besprochen, 
ohne  dass  der  Verdienste  des  kaisers  um  unsere  litteratur  ervväh- 
uung  getan  wäre;  ich  finde  Scherers  schrifi  Über  den  Ursprung 
der  deutschen  litteratur  nicht  citiert  und  ebenso  wenig  die  in  der 
vorrede  und  den  anmerkungen  der  Dkm.  niedergelegten  ergeb- 
nisse  verwertet,  ja  es  ist  nicht  einmal  immer  den  einzelnen  denk- 
mälern  die  betrefTende  nummer  aus  MüUenhoff- Scherers  Samm- 
lung, die  doch  jetzt  jeder  zuerst  nachschlagen  wird  und  wo  ja 
auch  die  ältere  litteratur  nachgesehen  werden  kann ,  hinzugefügt 
(zb.  s.  17  unten,  s.  28.  29.  38.  54.  215).  §  14  (s.  17)  ist  Dkm. 
xcviii  mit  LI  verwechselt  worden  unter  beibringung  der  litteratur 
für  LI,  die  nochmals  s.  22  und  hier  unter  der  richtigen  Dkm.- 
nr  aufgeführt  ist.  da  ich  gerade  von  den  Dkm.  rede,  so  kann 
ich  nicht  verschweigen  dass  ich  nach  den  nrn  iv  6.  7.  xxxvi. 
XL.  XLi.  XLvii  2.  LXi.  LXii.  Lxv.  LXix.  Lxx.  c  Vergeblich  gesucht 
habe,  während  doch  nr  lxvi  aufnähme  fand,  da  übrigens  die 
litteraturangaben  oft  wenig  übersichtlich  zusammengestellt  sind, 
oder  auch  an  einem  orte,  wo  man  sie  nicht  vermutet,  so  ist 
es  immerhin  möglich  dass  eine  oder  die  andere  nummer  sich 
irgendwo  versteckt  findet,  die  lat.  hofpoesie  der  Otlonen  (Dkm. 
XIX  —  xxv)  wurde  mit  absieht  (s.  31)  übergangen.  —  §  19  (s.  26) 
hat  G,  das  gedieht  Himmel  und  hölle  (Dkm.  xxx)  an  viel  weniger 
passendem  orte  untergebracht  als  er  es  in  seinem  MA  getan 
hatte:  er  lässt  jetzt  dies  (um  U)5()  anzusetzende)  denkmal  direct 
aul  das  Ludwigslied  und  De  Heinrico  folgen  I  —  §  23  11  für  die 
geistliche  lilteralur  des  11  und  12jhs.  ist  G.s  standpuncl,  wie 
schon  erwähnt,  im  grofsen  ganzen  der  vereitele  Dieniers  oder 
er  hält  an  seinen  eigenen  früher  aufgestellten  annahmen  lest,  so 
zb.  daran  (s.  34  f),  dass  die  Summa  theologiae  —  G.  bevorzugt 
den  jetzt  von  keinem  mehr  gebrauchten  titel  Die  schüplung  — 
von  Ezzo  herrühre,  der  verf.  der  Vier  evangelien  aber,  dh.  von 
Dkrn.  xxxi,  unbekannt  sei.  das  hssverliältnis  der  Genesis  und 
Exodus   ist  verkannt  (s.  35);    das   s.  36    über  Irau  Ava    gesagte. 


GOEDEKE    GRÜKDRISS  251 

die  als  inclusa  nicht  als  reclusa  bezeugt  ist,  bedarf  der  berichtigung. 
über  Hartmanu  den  vert.  des  Credo  werden  Diemers  phantasien 
w  enn  auch  in  parenlhesi  vorgetragen ;  letzteres  geschieht  aber 
auch  bei  der  unmittelbar  daraul  lolgenden  ervvähnung  der  Reifsen- 
bergerschen  schrill,  in  der  Hartmaun  als  mitteldeutscher  erwiesen 
wird,  was  glaubt  G.  denn  nun  selbst?  s.  37  erscheint  Heinrich 
von  Melk  als  vert.  der  Erinnerung  noch  getrennt  vom  'unge- 
nannten dichter'  des  Priesterlebens,  das  'nach  einer  bemerkung 
Haupts,  dass  er  diesen  punct  untersuchen  wolle,  was  nicht  ge- 
schehen ist  [aber  doch  wol  von  Heinzeil],  dem  dichter  Heinrich 
zugeschrieben'  wird,  im  weiteren  verlaut  spricht  G.  von»  Gebet 
zu  gott  (s.  37),  den  Sieben  siegeln  (s.  48),  den  Lebensregeln 
(s.  54)  statt  der  jetzt  allgemein  üblichen  titel  Vorauer  sünden- 
klage.  Von  der  siebenzahl,  Geistlicher  rat.  man  sieht,  ebenso  wenig 
wie  die  Dkm.  sind  QF  1.  7.  12  ausgenutzt.  —  s.  76  heifst  es 
ebenso  bestimmt  als  leicht  widerlegbar:  'abschnitte  von  je  15  reim- 
paren  sind  in  einzelnen  mhd.  gedichten  nur  von  der  neueren  kritik 
erkannt;  alte  quellen  wissen  davon  nichts!'  —  s.  &5.  die  annähme 
einer  franz.  quelle  für  die  Kindheit  Jesu  ist  sehr  unwahrschein- 
hch  vgl.  QF  43,  26  ff.  —  s.  89  heifst  es  'Hartmann  nach  (Vel- 
deke  und)  Ulrich  vZazikhofen,  den  er  wol  nicht  kannte';  vielmehr 
zeigt  Ulrichs  Lanzelot  bekanntschaft  mit  Hartmanns  Erec.  —  §  40 
stehen  Wolframs  Titurellieder  jetzt  an  erster  stelle,  während  sie 
früher  an  letzter  standen;  ich  halte  mit  Herforth  die  mittelstel- 
lung  für  allein  möglich,  s.  98.  G.  erachtet  den  Willehalm  für 
ein  abgeschlossenes  werk.  —  §  41  s.  99  wird  Gottfrieds  Tristan 
um  1215  angesetzt,  s.  89  um  1207.  —  die  gegenüber  der  ersten 
aufläge  neu  vorgetragene  ansieht,  dem  Konrad  Fleck  werde  mit 
unrecht  ein  Clies  zugeschrieben  (s.  104.  118),  beruht  auf  einer 
mir  unverständlichen  conjectur,  die  G.  übrigens  wol  selbst  nicht 
mehr  aufrecht  halten  wird,  nachdem  inzwischen  der  viel  gesuchte 
Absalon  gefunden  (s.  nachtrage  s.  489)  und  damit  die  stelle  in 
Rudolfs  Alexander  richtig  gestellt  ist.  —  s.  112.  der  von  mir 
Zs.  22,  389  edierte  Secundus  hat  nicht  Enikel  zum  verf.  auch 
vor  erscheinen  meiner  Untersuchungen  über  letzteren  durfte  G. 
besseren  gewährsmännern  als  vdHagen  folgen  (Zs.  28,  62).  — 
s.  115  ff.  früher  gieug  Ulrichs  A'on  Türheim  Tristan  mit  recht 
seinem  Willehalm  voraus,  jetzt  steht  dagegen  unrichtig  letzterer 
an  erster  stelle.  —  Lutwin,  der  verf.  von  Adam  und  Eva,  dichtete 
gewis  nicht  mehr  im  13  jh.  (s.  130).  —  Haupts  bemerkung  über 
die  trutzstrophen  der  bauern  gegen  Neidhart  wird  s.  151  als 
phrase  bezeichnet.  —  s.  158  'die  Identität  beider  [Reinmars  von 
Zweter  und  Marners],  die  ich  annahm,  ist  augefochten,  aber  nicht 
widerlegt.'  ich  bekenne  nicht  zu  begreifen ,  wie  G.  überhaupt 
auf  diese  hypothese  hat  verfallen  können.  —  der  Tannhäuser 
(s.  166)  war  besser  unter  die  lyriker  und  spruchdichter  als  wegen 
seiner  Hofzucht   unter   die  didactiker   einzureihen ,    nicht  einmal 


252  GOEDLKE    GRÜ>DR1SS 

HMS  und  Bartschs  Liederdichter  werden  bei  ihm  citiert;  was  über 
ihn  gesagt  wird,  bedarf  der  berichtigung.  —  für  die  heldeuepen 
(§  58  ff.  74  ff)  sind  die  forschungen  im  DHB  nicht  genügend  be- 
rücksichtigt, bei  der  Nibelungenfrage  heifst  es:  'Bartschs  aut- 
stellungen  haben  sich  allmähhch  siegreich  bahn  gebrochen.'  das 
ist  denn  doch  etwas  kühn  behauptet;  jedesfalls  doch  nur  ein  teil 
derselben  und  auch  dieser  nur  bei  einigen.  G.s  ansichten  über 
die  sage  (s,  178f)  reizen  zum  Widerspruch.  —  §  69.  das  capitel 
über  die  mystiker  bedarf  manigfacher  berichtigung.  hier  tritt 
besonders  störend  das  widersprechende  von  text  und  lilteratur 
auf.  AWagners  schrift  über  den  Heilsbronner  mönch  wird  an- 
geführt, im  texte  s.  205.  232  jedoch  das  längst  aufgegebene  wider 
vorgetragen,  oder  man  schlage  s.  211  auf,  wo  zuerst  des  Nico- 
laus von  Basel  leben  kurz  nach  des  sog.  Gottesfreundes  Schriften 
und  Job.  Niders  bericht,  doch  nicht  ohne  irrlümer  gezeichnet, 
unmittelbar  darauf  aber  von  BMerswin  gesagt  wird:  'er  war  der 
erfiüder  des  angeblichen  Gottesfreundes  im  oberlande'!  —  §  70 
handelt  über  Albrecht  von  Scharffenberg  (sie),  den  verf.  des  J. 
Titurel,  und  am  schluss  der  bibliographischen  Zusammenstellungen 
wird  dann  s.  214  Spillers  abhandlung  citiert  und  noch  besonders 
hinzugefügt  'Albrecht  von  Seh.  nicht  verf.  d.  J.  Titurel.'  —  über 
Alphart  wird  s.  242  die  schon  früher  vorgetragene  irrige  ansieht 
widerholt.  —  s.  252  ist  Konrad  von  Hohenburg  der  PüUer  (ADB 
12,  669)  mit  Albrecht  von  Hohenberg  verwechselt  oder  zusammen- 
geworfen, wie  das  citat  des  LSchmidschen  buches  zeigt.  —  trotz 
gelegentlichen  früheren  erwähnungen  des  Pseudo- Helbling  er- 
scheint s.  264  SHelbling  als  veif.  der  15  büchlein  (nicht  1290  bis 
1298,  sondern  1282— 1299). —  §  83  (s.  265)  'Hadamar  vLaber, 
ein  baiiischer  dichter,  der  vermutlich  am  hofe  k.  Ludwigs  des 
Baiern  lebte,  genaueres  ist  nicht  bekannt.'  o  doch!  siehe  die 
auch  citierte  ausgäbe  von  Slejskal.  —  s.  267  Egen  von  Bam- 
berg ist  nicht  der  verf.  der  Minneburg.  —  s.  292  konnte  nach 
Martins  ausgäbe  über  Hermanns  von  Sachsenheim  leben  mehr  ge- 
sagt werden  oder  —  angäbe  des  geburts-  und  todesjahres  hätte 
genügt,  ersteres  (1365)  fehlt  und  das  einzige,  was  aus  dem  leben 
des  mannes  angemerkt  wird,  ist  falsch  (vgl.  Mörin  3550  ff.  4191  f). 
—  s.  296  der  könig  vom  Odenwald  war  vvol  ein  Zeitgenosse  Hugos 
von  Trimberg,  lebte  jedeslalls  vor  1350,  steht  hier  also  am  fal- 
schen platze.  —  s.  340  nicht  Marquart  sondern  VVierich  vom  Stein 
lebte  in  der  Umgebung  der  pfalzgräfin  Mechthild  (s.  meine  schritt 
s.  39).  —  s.  358  (367).  Steinhöwel  hat  weder  für  Mechthild 
noch  Eberhard  übersetzt,  ist  auch  nicht  der  Übersetzer  des  De- 
camerone;  G.s  zeuguis  dafür  aus  dem  16  jh.  (s.  368)  beruht  auf 
falscher  interpunction  (Zs.  29, 433  anm.  1).  SteinhOwels  Griseldis 
ist  unter  NvWyle  s.  365  verzeichnet,  letzterer  wider  war  nicht 
kanzicr  Eberhards  im  hart  (s,  361),  sondern  des  grafen  Ulrich 
von  Württemberg  und  seines  sohnes.  —  §  99  wäre  einiges  durch 


GOEDEKE    GRÜNDRISS  253 

die  sorgfältige  schritt  von  KSteitf  Der  Tilbioger  erste  buchdruck 
zu  berichligeo.  —  im  allgemeinen  sei  hier  noch  bemerkt  dass 
G.  es  liebt,  unbestimmte  Zeitangaben  zu  machen,  auch  da  wo 
die  forschung  längst  bestimmte  oder  jedeslalls  enger  abgegränzte 
acceptiert  hat. 

Widerholungen  und  Widersprüche  haben  sich  zum 
teil  durch  Überarbeitung  des  alten  textes  und  neue  Zusätze  ein- 
geschlichen, s.  51  scheint  (i.,  wenigstens  dem  logischen  zusammen- 
hange nach,  den  früher  übergangenen  lyriker  Bligger  von  Steinach 
mit  dem  epiker,  dem  vert.  des  Umhanges  zu  identiticieren ;  s.  102 
wird  (und  hier  entsprechend  der  ersten  aufläge)  der  epiker  noch- 
mals besonders  aufgeführt  und  zwar  als  söhn  des  lyrikers.  ob 
nur  der  söhn  Harfenberg  inne  hatte,  kann  ich  im  augenblick 
nicht  untersuchen,  vgl.  im  allgemeinen  Germ.  2,  502 f.  —  auf 
gleiche  weise  wie  bei  dem  Steinacher  erklärt  sich  auch  wol  die 
zweimalige  behandlung  Walthers  von  Rheinau  s.  229.  264.  —  das 
nichlgottfriedische  Tristanfragment  (s.  101  oben)  ist  auch  Zs.25,248 
abgedruckt;  s.  463,  wo  desselben  fragmentes  unter 'niederdeutsch' 
gedacht  wird,  hätte  die  identität  von  Germ.  26, 356  und  Zs.25,248 
bemerkt  werden  sollen.  —  das  s.  126  über  die  Eustachiuslegende 
im  Buch  der  väler  gesagte  wird  s.  232  f  ausführlicher  widerholt 
(vgl.  noch  WSB  69,  136).  —  vom  iMarner  wird  s.  158  falsches  be- 
hauptet, dagegen  werden  richtige  annahmen  bestritten,  wobei  aber 
auffällt  dass  c.  100  selten  weiter  G.  selbst  die  richtige  ansieht  teilt! 
man  vgl.  s.  158  'die  aus  Rumelands  Hede  geschöpfte  künde,  es 
sei  ein  marner,  manches  warner,  ein  armer  schwacher  blinder 
alter  mann,  den  selber  nach  dem  lode  möge  verlangt  haben, 
schändlich  erschlagen,  geht  schwerlich  auf  den  Marner,  über 
dessen  ende  nichts  gewisses  bekannt  ist'  mit  s.  253  'Rumsland  — 
verspoltet  den  Marnerwegen  hochmutes,  klagt  aber,  als  der  alte 
mann  ermordet  wurde,  über  dessen  tod.'  —  s.  232  oben,  die 
Gereimten  legenden  der  heiligen  sind  das  Buch  der  märlyrer 
s.  s.  262.  491.  — 

Dielitteratur  ist  unvollständig,  ungleich mäfs ig 
benutzt,  nicht  systematisch  verzeichnet,  ich  greife 
hier  aus  einem  grofsen  material  nur  einiges  wenige  heraus,  s.  3 
vermisst  man  Scherers  Litteraturgeschichte,  deren  erste  lieferung 
1880  erschien;  s.  6  §  7  Müllenhofls  aufsätze  in  Schmidts  Zs.  für 
geschichte  8,  209.  Zs.  9,  259.  23,  1  und  Wackernagels  in  der 
Zs.  6,  15;  s.  47  Hoflmanns  vF.  Geschichte  des  deutschen  kirchen- 
liedes^.  s.  48  ist  bei  den  Kürnbergsliedern  die  frage,  ob  einer 
oder  mehrere  Verfasser  anzunehmen  seien,  mit  keiner  silbe  be- 
rührt, nicht  einmal  Scherers  aufsatz  (Zs.  17,561.  vgl.  IS,  150) 
in  der  litteratur  verzeichnet,  falls  nicht  G.  dem  genügt  zu  haben 
meinte  mit  dem  beiläufigen  citat  auf  s.  46  hinsichtlich  der  an- 
nähme von  liederbüchern  überhaupt,  träfe  die  letztere  Vermu- 
tung zu,    so  würde    damit    meines  erachtens    der  nächstliegende 


254  GOEDEKE    GRUISDRISS 

zweck  des  Grundrisses,  über  die  vorhaudene  litteratur  eines  gegen- 
ständes zu  informieren,  völlig  verkannt  sein.  Goedeke  scheint 
aber  in  der  tat  hierüber  anders  zu  denken,  verschiedenes  weist 
in  der  anläge  seiner  litteraturangaben  darauf  hin,  dass  der  verf. 
wünscht,  man  möge  sein  buch  im  zusammenhange  lesen,  ohne 
diese  annähme  verstehe  ich  nicht  gewisse  citatkürzungen.  da 
heifst  es  zb.  s.  20  beim  Wessobrunner  gebet:  'Feufsner  s.  14.' 
wer  s.  13  den  passus  über  das  Hildebrandslied  gelesen,  weifs 
freilich,  welche  schrift  gemeint  ist.  schlimmer  ist,  wenn  der 
Schlüssel  zu  einem  gekürzt  angemerkten  citat  erst  später  gegeben 
wird,  wie  zb.  s.  62,  wo  der  leser  unter  Herzog  Ernst  auf  'Bon- 
stetten  1847  p.  174  —  208'  verwiesen  wird,  um  erst  auf  s.  70 
zu  erfahren,  welches  werk  gemeint  ist.  sodann,  um  diesen 
punct  hier  gleich  zu  erledigen:  es  ist  doch  gewis  nicht  zweck- 
mäfsig,  wenn  G.  werke  wie  QF  7  und  12  oder  das  zweite  heft 
von  Scherers  Deutschen  Studien,  deren  inhalt  er  nicht  wie  bei 
anderen  ähnlichen  genau  angibt,  nur  einmal  nennt,  ohne  sie 
dann  bei  den  einzelnen  autoren  oder  denkmälern ,  wenigstens  in 
wichtigeren  fällen,  des  weiteren  zu  berücksichtigen,  nur  ganz 
vereinzelt  ist  auf  QF  12  verwiesen,  während  Bartscheus  Lieder- 
dichter und  Pauls  minnesingerbeiträge  zergliedert  werden,  so 
war  zb.  zu  den  Lebensregeln  (s.  54}  auf  QF  12,  116.  Zs.  20,341 
zu  verweisen,  für  die  stücke  Vom  recht  und  Die  hochzeit  auf 
QF  7,  zu  den  Ratschlägen  für  liebende  (s.  55  nr  9)  auf  QF  12, 
90.  Anz.  n  238  f.  —  s.  55  konnte  eine  reichere  litteratur  über 
Segen  gegeben  werden,  die  sich  daran  anschliefsende  predigten- 
litteratur,  'die  eigentlich  diesem  buche  fremd  ist'  (s.  55  f), 
zeichnet  sich  durch  eine  seltsame,  dh.  völlig  systemlose  anord- 
nung  aus.  Steinmeyers  reichhaltige  anzeige  der  Wackernagelschen 
Sammlung  (Anz.  u  215)  durfte  nicht  übergangen  werden,  wie 
denn  überhaupt  die  recensionen  im  Anzeiger  für  d.  altertum,  in 
der  Germania,  in  der  Zs.  f.  d.  philologie  trotz  häufiger  heranziehung 
eben  doch  nicht  regelmäfsig  angegeben  werden ,  ohne  dass  ein 
grund  dafür  zu  erkennen  wäre,  gerade  wichtige  besprechungen 
fehlen;  ebenso  sind  nicht  consequent  die  citate  aus  der  brüder 
Grimm,  Lachmanns  und  Wackernagels  Kleineren  Schriften  ein- 
getragen worden,  es  kommt  im  einzelfalle  auf  derartiges  ja 
wenig  an,  aber  wo  man  sieht  dass  zufall  und  willkür  bei  der 
auswahl  herschte,  da  verliert  man  das  zutrauen  zu  seinem  führer. 
die  ADB  wird  nur  gegen  ende  gelegentlich  herangezogen ,  für 
die  ahd.  und  mhd.  zeit  fast  nie,  und  doch  war  mancher  artikel 
so  zb.  der  Steinmeyers  über  Wulfram  gewis  der  erwähnung  wert. 
S.  70  sind  zu  Willems  Reinaert  und  dessen  lorlsetzung  die 
ausgaben  von  Jonckbloet  und  Marlin  nachzutragen,  s.  76  wird 
aus  der  litteratur  über  die  mhd.  holsprache  einzig  Pfeiifer  Freie 
forschung  s.  307  ciliert.  s.  91  fehlt  Haupts  Erec''.  s.  lOO  ver- 
misse ich  Heiuzels  schönen  aufsalz  über  Gottfried  von  Strafsburg 


GOEDEKE    GRÜNDRISS  255 

in  der  Zs.  1.  d.  österr,  gymnasien  1868  s,  53311.  s.  103  war  bei 
Heinrich  von  dem  Tiirlin  aul  Martins  schon  bei  Woitram  ge- 
nannte schritt  Zur  graisage  nochmals  zu  verweisen,  s.  114  zu 
Kummers  ausgäbe  des  VVildoniers  vgl.  Archiv  f.  litteraturgesch. 
11,  142;  für  die  späteren  lyriker  wäre  Kummers  einleitung  zu 
genannter  schritt  mit  ertolg  zu  verwerten  gewesen,  desgleichen 
waren  die  Kolmarer  meisterlieder  des  öfteren  heranzuziehen.  — 
s.  226  Ruprechts  vWürzburg  Zwei  kautleute  ed.  Haupt  Zs.  t.  d. 
phil.  7,  65.  —  s.  260  lat.  quelle  des  Buchs  der  rügen  Zs.  2,  15  ff 
gedruckt.  —  s.  277  zu  Ottokars  Reimchronik:  Lorenz  Geschichls- 
quellen  1%  200  ff.  —  s.  298  über  die  beiden  Hesenloher:  Zs. 
27,267.  283  f.  293  t.  — 

Ungenauigkeiten  in  der  verzeichneten  litteratur. 
reine  drucktehler  sind  ausgeschlossen,  s.  47  die  perioden  mhd. 
lyrik  bei  Paul -Braune  7,  408  hat  nicht  Paul  sondern  Gottschau 
aulgestellt,  s.  89  in  den  angaben  der  Bechschen  editionen  Hart- 
mannscher  werke  herscht  Verwirrung,  s.  97  sind  die  (im  dritten 
absatz  von  unten  erwähnten)  Studien  zum  Parzival  von  Alfred 
Rochat  irrige  widerholung  der  kurz  vorher  genannten  schritt  von 
Karl  Reichel.  s.  102  wird  Schönbachs  verheifsene  Wigaloisaus- 
gabe  als  bereits  erschienen  angesetzt!  das  s.  183  citierte  pro- 
gramm  aus  Cilli  hat  nicht  den  gleichen  vert.  wie  die  schritt  über 
die  INib.-hss.  AC;  die  letztere  rührt  von  EPasch,  die  erstere  von 
Konrad  Pasch  her.  gleich  darauf  befremdet  das  citat  'Julius 
Zacher'  usw.;  es  ist  dafür  zu  setzen:  'Löscbhorn  in  der  Zs.  f. 
das  gymnasialwesen  33,  243 — 247,  eine  kurze  Inhaltsangabe  in 
der  Zs.  f.  d.  phil.  10,3721.'  s.  198  wird  Martins  grofse  Kudrun- 
ausgabe  zweimal  unmittelbar  hinter  einander  genannt  und  so, 
dass  man  an  zwei  verschiedene  ausgaben  denken  könnte,  ge- 
meint ist  natürlich  nur  die  Germanistische  handbibliothek  ii 
(nicht  j).  ebenda  fällt  die  sehr  bequeme  citierart  auf,  die  gott- 
lob nur  vereinzelt  sonst  noch  (s.  209.  270)  begegnet:    Simrocks 

Gudrunübersetzung  —  '5aufl.  1861.  370  s.  8.  6  autl 7  aufl. 

....  8  aufl.  1874.'  s.  251.  der  herausgeber  des  Laurin  und 
Walberan  im  DHB  i  ist  nicht  Jäuicke  sondern  MüUenhoff,  der 
sich  freilich  nicht  genannt  hat,  doch  s.  nachtrage  s.  490  zu 
196,  3.  —  s.  293  f  zeigen  die  unvollständigen  Zusammenstellungen 
des  hslichen  materials  einzelner  dichtungen  Hermanns  vSachsen- 
heim  dass  G.  ältere  selbständig  gemachte  notizen  nicht  mit  Mar- 
tins ausgäbe  verglichen  und  durch  diese  vervollständigt  hat.  s.  302 
nr  46  ist  nichts  als  ein  abschnitt  aus  dem, Renner,  das  citat 
'Buch  der  natur.  kapaun'  auf  s.  308  nimmt  sich  etwas  sonderbar 
aus,  besonders  da  Konrad  vMegenberg  sonst  nicht  behandelt  wird; 
geraeint  ist  KvMegenberg  197,  10.  s.  10  wird  citiert  JHGalle 
(1.  Gallee),  Gutiska.  lijst  van  gotische  woorden,  wier  gestacht 
(1.  geslacht)  of  buigung  (1.  buiging)  naar  andere  gotische  woorden. 
Haarlem  18801  eine  bedenkliche  titelabkürzung,  ganz  abgesehen 


256  GOEDEKE    GRCKDRISS 

von  den  sonstigen  drucktehlern.  es  ist  zu  lesen:  naar  aualogie 
van  andere  gotische  woorden  of  van  het  oudgermaansch  wordt 
opgegeven.  —  in  den  nachtragen  s.  484  ff  fällt  auf  dass  ver- 
schiedentlich   nachgetragen  wird,    was   der  text   bereits  enthielt! 

An  druck  fehlem  ist  leider  kein  mangel.  falsche  citate, 
gelegentlich  auch  falsche  Zeitangaben  (s.  35  1.  1122),  begegnen 
vielfach  und  ich  könnte  auch  hierfür  ein  langes  register  bringen; 
sie  verstimmen  natürlich  mehr  als  falsche  namenformen  und 
-Schreibungen  wie  Bessel  (s.  7),  Vilkingasaga  (14),  Dziobeck  (18), 
Malthaeus  Flacius  (23),  Ingenhleck  (24),  Lappe  (2li),  Perlz  (31), 
Odonia(33),  iMMeyr(52),  Präful  (71),  Hache  (90),  Strack  (95), 
Trämis(107),  Prismus  (164),  Linsemann  (210),  Mühlhausen  (214), 
Ehlen  (239),  Tietz  (258)  für  Bessell,  Vilkinasaga  (Viltinasaga), 
Dziobek,  Mathias  Flacius,  Ingenbleek,  Luppe,  Pez,  Odoniana, 
MMayr,  Präsul,  Hacke,  Starck,  Tranis,  Primas,  Linsenmann,  Mühl- 
berg, Elheu,  Fielz.  ältere  oder  fremde  sprachformen  erscheinen 
sehr  häutig  mit  falscher  accentuierung  (so  begegnet  zb.  ausnahmslos 
die  Schreibung  Edeli^stand)  oder  letztere  fehlt  ganz,  die  beiden 
zss.  Germania  werden  nicht  immer  genügend  unterschieden,  des- 
gleichen nicht  dieser  Anz.  vom  Anzeiger  f.  k.  d.  d.  v.,  und  so  wäre 
noch  manches  anzuführen ,  was  auf  ungenügende  correctur  hin- 
weist. §  23  nr  12  und  22  zeigen  zb.  nur  das  citat  MSD^;  die 
nummern  xlv  und  xlvi  sind  ausgefallen;  s.  48  nr  5,  wo  Dkm.  xlv 
nochmals  genannt  wird,  beliebt  es  statt  der  sonst  üblichen  nummer 
plötzlich  die  Seitenzahl  der  Dkm.  anzugeben,  aber  auch  diese  ist 
durch  druckfehler  entstellt:  statt  135  ist  s.  48  z.  13:  137  zu 
lesen,  s.  12  im  Züricher  milcbsegen  ].  chanst  s\ alt  er chanst,  s.  35 
z.  5  1.  stet  gezalt,  s.  45  z.  6  ].  der  christlichen  lere,  s.  361  z.  7  v.  u. 
ist  vor  octauo  :  septuagesimo  ausgehWen.  s.  242  z.  11.  12  herscht 
zeilenverwirruug:  'auf — wird'  sind  zu  streichen.  —  in  der  in- 
haltsübersicht  erregt  gelegentlich  befremden  die  sonderbare  Ver- 
teilung von  gewöhnlicher  und  fetter  schrift  und  falsche  abschnitt- 
gruppierung,  wodurch  scheinbar  zb.  die  fürstlichen  norddeutschen 
minnesänger  und  einige  spätere  spruchdichter  (§  78)  bei  den 
heldengedichten  (§  74),  das  deutsche  Heldenbuch  (§  85)  unter  die 
lehrgedichte  (§82)  eingereiht  werden,  was  natürlich  nicht  beab- 
sichtigt ist,  wie  ein  blick  in  die  erste  aufläge  zeigt. 

Von  meinen  ausstellungen  bleiben  die  letzten  capitel  so  gut 
wie  unberührt;  für  sie  wüste  ich  nur  unwesentliches  nachzu- 
tragen und  zu  bessern:  in  ihnen  zeigt  sich  uns,  wie  ich  schon 
eingangs  hervorhob,  der  verf.  überwiegend  von  seiner  alten  oft 
bewährten  seite,  als  der  fleilsige,  zuverlässige,  durchaus  selbständig 
aibeitende  forscher  und  führer.  hier  ist  G.  zu  hause,  ich  zweifle 
nicht  dass,  wie  G.  es  im  vorwort  wünscht,  sein  §  99,  der  die 
deutschen  humanistischen  bestrebungen  behandelt,  'etwas  dazu 
beitragen  wird,  die  ges(bi(  lite  des  liumanismus  in  Deutschland 
zu  fördern.'     auch   sonst   noch  bezeichnet  manches,    das  in  der 


GOEDEKE    GRUNDRISS  257 

kleineren  zweiten  hälfte  des  neuen  Grundrisses  zur  darstellung 
kommt,  einen  entschiedenen  fortscliritt  und  wir  haben  hier,  was 
das  rein  tatsächliche  betrifft,  nur  dankbar  zu  empfangen,  aber 
eben  durch  diese  guten  partien  wird  der  abstand  der  ersten  hälfte 
doppelt  fühlbar,  es  wäre  vielleicht  besser  gewesen,  G.  hätte  die 
älteren  abschnitte  bis  ins  12jh.  von  einer  jüngeren  kraft  bearbeiten 
lassen,  die  auf  diesen  gebieten,  denen  erst  durch  die  neuere 
forschung  eine  genauere  abgränzung  gegeben  wurde,  von  vorne 
herein  mehr  bewandert  sein  muste;  diese  hätte  dann  auch  wol 
bei  drucklegung  des  ganzen  dem  älteren  milhilfe  geleistet,  ich 
schliefse  meine  besprechung  in  der  hoffnung,  an  keiner  stelle 
meinem  tadel  eine  form  gegeben  zu  haben,  die  mit  des  jüngeren 
schuldiger  ehrfurcht  vor  dem  alter  nicht  in  einklang  stünde. 
Tübingen  im  märz  1885.  Philipp  Strauch. 


Lamprechts  Alexander  nach  den  drei  texten  mit  dem  fragment  des  Alberic 
von  Besancon  und  den  lateinischen  quellen  herausgegeben  und  er- 
klärt von  Karl  Kixzel.  Germanistische  handbibiiolhek  herausgegeben 
von  Julius  Zacher,  vi.  Halle  a.  S.,  buchhandlung  des  Waisenhauses, 
1884.     Lxxx  und  543  ss.    S°.  —  8  m.* 

Der  erste  abschnitt  der  einleituug  beschäftigt  sich  mit  den 
drei  hss.  von  Lamprechts  Alexander  (V  Vorauer,  S  Strafsburger, 
B  Basler)  und  dem  Verhältnis  der  drei  durch  sie  repräsentierten 
recensionen  der  dichtung  zu  einander.  Werner  in  seiner  schrift 
über  die  Basler  bearbeitung  von  Lambrechts  Alexander  und  Kinzel 
in  der  Zs.  f.  d.  phil.  10,  47  ff  halten  schon  früher  die  hssfrage 
geprüft,  Kinzel  nochmals  im  11  bände  der  genannten  zs.  mit 
rücksicht  auf  Werner,  des  letzteren  arbeit  kritisierte  ich  im  Anz. 
V  416  ff  und  bemerkte  aao.  424  'die  resultate,  zu  welchen  Werner 
bezüglich  des  hssverhälluisses  und  der  Stellung  von  M  [=  S]  und 
B  zum  originale  gelangt,  halte  ich,  nach  dem  vorgelegten  material 
zu  urteilen,  für  richtig.'  in  dieser  ansieht  bin  ich  durch  K.s 
Widerlegungsversuch  nicht  erschüttert  und  nach  vergleichung  des 
durch  Werner  edierlt^n  Basler  textes  nur  bestärkt  worden,  es 
überraschte  mich  daher  nicht  wenig  dass  K.  s.  xv  gegen  meine 
deutlichen  worte  behauptet,  Werners  ansieht,  dass  V  und  B  oder, 
genauer  gesagt,  ihre  grundlagen  zu  einander  gehören,  nicht  S 
und  B,  habe  nicht  'die  Zustimmung  seines  recensenten  ...  (cf. 
Boediger  Anz.  f.  d.  a.  5,  416  —  425)'  gefunden,  ich  habe  die  drei 
texte  von  neuem  mit  einander  verglichen  und  behaupte  wie  früher 
dass  Werner  im  recht,  K.  im  unrecht  sei.  denn  dass  ich  Werner 
in    einzelheiten  widersprochen    habe,    kommt   für   das    gesammt- 

[*  vgl.  Litteraturbl.  für  germ.  und  rom.  phil.  1884  nr  12  (PPiper).  — 
Litt,  centralbl.  1884  nr  50.  —  Gölt.  gel.  anzeigen  1885  nr  7  (WWilmanns).  — 
DLZ  1885  nr  22  (ESchrödei).] 


258  KI.NZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

resultat  uicht  in  betracht.  zum  beweis  gehe  ich  die  texte  an 
der  band  von  R.s  aulsalz  Zs.  t.  d.  phil.  10, 55ff  durch,  aut  welchen 
er  sich  beruft,  ich  citiere  V  und  S  nach  K.s  zähking ,  die  Basler 
redaction  nach  der  Wernerschen.  —  es  handelt  sich  zunächst  um 
die  Übereinstimmungen  von  S  und  B  gegen  V, 

S  278  iz  irbeiz  di  lüte  nnde  irslüch,  iz  waz  freislkh  gnüch. 
ß  541  es  hies  die  Hut  und  slüg,  es  was  tubhaft  genüg,  in  V  lehlen 
die  beiden  verse,  man  darf  darin  aber  nicht  einen  gemeinsamen 
Zusatz  von  BS  sehen,  sondern  sie  sind  in  V  ausgefallen,  wie 
Werner  s.  28f  seiner  Untersuchung  beweist  und  auch  K.  jetzt  in 
seinem  text  anzunehmen  geneigt  ist.  in  dem  worte  tobehaft  hat 
B  das  echtere  bewahrt,  denn  V  256  haben  alle  drei  texte  also 
daz  da  tobet  ze  allen  stunden,  natürlich  mit  kleinen  Varianten, 
und  V  284  heilst  es  ebenfalls  von  dem  rosse  daz  stiint  in  siner 
tobehett  scrien  =  S  329  und  tubilichen  schrien,  freislkh  S  279 
ist  farbloser  und  gewöhnlicher.  —  dass  S  283  =  B  544  in  V  nur 
ausgelassen  ist,  gibt  K.  zu.  —  S  304  zo  ime  ne  forste  nieman 
gdn  =  B  560  zu  im  getorste  nieman  gan.  V  zu  dem  ros  getorste 
niemen  gdn.  auf  die  einsetzung  des  pron.  für  das  subst.  konnten, 
da  von  dem  rosse  auch  in  den  vorangehenden  versen  die  rede, 
sehr  wol  zwei  leute  unabhängig  kommen,  ja  es  scheint  mir  noch 
fraglich,  ob  nicht  in  V  ros  zu  streichen  ist,  da  die  vorhergehenden 
Zeilen  lauten  Man  hiez  daz  ros  in  einen  marstal  thün,  daz  si  dd 
für  mehten  gerün.  ich  lege  dieser  Übereinstimmung  von  SB  so 
geringen  wert  bei ,  wie  der  von  VB  getorste  gegen  S  torste.  — 
ebenso  steht  es  mit 

V  264  loan  umbe  den  ez  also  was  getan: 

dem  verteilet  loas  daz  leben, 

den  müse  man  dem  rosse  geben. 
S  305  loan  der  also  hele  getan 

daz  ime  verteilet  wart  daz  leben: 

den  niöse  man  deme  rosse  geben. 
B  561  wand  wer  die  schulde  hat  getan 

daz  im  verteilet  was  daz  leben, 

der  ward  dem  ros  denne  gegeben. 
die    freiere    construction    von  V  ist    in  SB   auf  verschiedene 
weise  beseitigt  und  nur  darin  übereinstimmend,  dass   die  zweite 
Zeile  zum  consecutivsatz  geworden,     dagegen  stehen  VB   in  was 
gegen  wart  S  zusammen.  — 

V  279  des  umbe  daz  ros  was  gesciet, 

des  inhabt  er  noh  tö  vernomen  niet. 
S  322  dannoh  ne  heter  nit  vernomen, 

loi  iz  umbe  daz  ros  was  comen. 
B  590  er  hat  noch  niut  vernomen, 

wie  daz  ros  dar  toas  comen. 
SB  stehen  sich  nahe,  allein  die  gleichen  reime  vernomen: comen 
erklären  sich  daraus,  dass  beide  den  reim  gesciet :  niet  nicht  ver- 


KL>ZEL     LAMPRECHTS    ALEXANDER  259 

werten  konnten,  so  nämlich  steht  in  V  mit  bezug  aut  die  vor- 
hergehende rede  des  holen  und  ich  halte  K.s  änderung  für  un- 
angebracht, gesdet :  nkt  hätte  S  nicht  verworfen,  wie  K.  selbst 
in  den  Beilr.  z.  d.  phil.  s.  61  zeigt,  das  reimwort  vernomen  war 
gegeben,  und  was  reimt  bequemer  darauf  als  komen?  dass  BS 
jedes  für  sich  änderten,  geht  daraus  hervor,  dass  die  mit  comen 
endenden  zeilen  ganz  verschieden  lauten,  auf  die  Umstellung 
der  verse  in  SB  gebe  ich  nichts ,  weil  dadurch  wider  glattere 
coustruction  erzielt  wird.  — 

V  287  ich  ne  weiz  icaz  mir  scillet  inz  öre: 

ez  ne  Idt  mich  nieht  gehören. 
S  335  nn  sage  mir  xcaz  daz  sin  mach  (:  sprach) 

daz  mir  schillit  in  mine  ören 

und  ne  Idzet  mih  niht  gehören. 
B  596  was  schalles  mag  daz  sin 

daz  so  Int  hilt  in  die  oren  min? 
nach  K.  sprechen  S  335  und  B  596  für  gemeinsame  grundlage 
und  er  hätte  auch  noch  den  plur.  ören  hinzufügen  können,  indes 
stimmen  SB  wider  in  der  abweichung  von  V  nicht  und  für  B 
lag  so  gut  eine  veranlassung  zum  ändern  vor  wie  für  S.  in  V 
geht  der  reim  chnnden  (ich  verwandle  es  lieber  nicht  in  chinden) 
•.gingen  vorauf,  welchen  S  nicht  mehr  dulden  konnte;  es  änderte 
ganz  ähnlich  wie  in  der  nächsten  stelle,  für  B  war  gehören  ohne 
umlaut  nicht  statthaft:  vgl.  Werner,  Die  Basler  bearbeitung  s.  62  f. — 
S341  dö  antworte  ime  schiere 

Ptolome'us  nnde  sprach 

'ih  sage  dir  waz  daz  wesen  mach : 

iz  ist  ein  ros  freisltch. 

ime  ne  wart  nie  nehein  gelich 

in  alle  kriechische  lant. 

Bncival  ist  iz  genant, 

din  vater  hat  iz  m  getan. 
V291  Btholomens  sprach  zn  dem  chinde 

'he'rre,  iz  ist  Bnzival,  ein  ros  vil  swinde. 

daz  hat  imoer  vater  in  getan. 
B  600  do  sprach  Potolomeus  zii  dem  kint 

'her,  es  ist  ein  ros  geswind, 

daz  mit  Unsitte  lobet  alle  moll 

und  ist  geheissen  Bucival. 

daz  hat  iuwer  vatter  in  getan. 
K.  bemerkt  'wortlauL  und  reim  Ivon  B]  schliefst  sich  an  V,  der 
name  steht  in  einem  anderen  verse,  wie  in  S.'  jeder  sieht,  was 
das  wichtigere  ist  und  dass  S  und  B  jedes  für  sich  den  über- 
langen vers  V  292  kürzten.  —  V  321  iizer  deme  gademe  erz  reit. 
S  376  HZ  dem  marstalle  er  iz  reit.  B  644  er  reit  es  us  dem  stal. 
ein  ähnlicher  fall,  aber  die  zeile  war  zu  erwähnen,  wenn  sie 
auch  nur  ergibt  dass  beiden  jüngeren  recensionen  gadem  in  der 


260.  Kl.NZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

bedeuluDg  'stall'  anstöfsig  war.  —  S  389  sieht  K.  in  seinem 
text  anders  an.  —  V  341  heil  dich.  S  398  heil  dir.  B  656  heil 
si  dir.  der  S  und  B  gemeinsame  dal.  ist  nicht  beweiskräftig, 
weil  der  acc.  bei  heil  auftälhg,  aber  im  hinbUck  auf  wol  mich 
doch  erklärlich  ist.  dass  er  aber  in  der  quelle  von  B  —  und 
S  —  wie  in  der  von  V  stand,  lehrt  trotz  R.s  aumerkung  doch 
wol  B  658  heil  mües  iuch  och  siyi,  wo  V345  heil  iuch  hat,  S  402 
aber  ganz  umarbeitet.  —  S  4 I6ff  beurteilt  K.  jetzt  richtiger,  die 
stelle  zeugt  nicht  für  eine  *BS  gemeinsame  vorläge',  sondern  V 
enthält  hier  einen  fehler.  —  V  365  nach  dem  site.  S  430  nah 
riterUchen  site.  B  672  nach  des  landes  sitlen.  macht  nur  zusätze 
in  S  und  B  wahrscheinlich ,  welche  aber  nichts  mit  einander  zu 
schaffen  haben.  —  dass  die  verstofsung  von  Alexanders  mutter 
und  Philipps  widervermählung  in  V  nicht  lückenlos  berichtet  wird, 
bestreitet  K.  wol  nicht,  es  geht  schon  daraus  hervor,  dass  nach 
V  Alexanders  mutter  Cleopatra  hiefs ,  während  dies  vielmehr  der 
name  der  zweiten  gemahlin  Philipps  ist.  K.  glaubt  aber  dass 
S  und  B  nicht  nur  die  bessere  Überlieferung  im  ganzen  bewahrt, 
sondern  auch  die  gleiche  vorläge  benutzt  haben.  'B  und  S  weichen 
ab,  aber  nicht  so  weit  wie  von  W  das  ist  wahr,  in  so  fern  V 
durch  auslassungen  Verwirrung  anrichtete,  aber  das  erhaltene 
steht  B  näher  als  der  text  von  S.  man  vergleiche 
V  393  Also  Alexander  haim  chom, 

er  giench  für  sinen  vater  sten 

nnt  nam  die  coröne  die  er  mit  samt  ime  da  hete  — 

sinem  fater  ers  üf  sazlhe. 
S  459  do  Alexander  daz  irvant 

und  erz  rehte  vernam, 

vor  sinen  vater  ginc  er  stdn. 

er  sazte  di  crönen  do 

di  er  Nicoldö 

hete  geroubit 

sinem  vater  üf  daz  houbit. 
B  708  Alexander  gie  ze  hant 

da  er  sinen  vater  vant 

ob  dem  tische  siezen  schon. 

er  nam  die  erfochten  krön 

und  saczte  sy  uf  sins  vatter  hobt  eben. 
mir  scheint  das  übereinstimmende  'er  nam  die  coröne'  in  VB 
mehr  zu  bedeuten  als  die  S  und  B  gemeinsame,  aber  recht  nahe 
liegende  formel  'aufs  haupt  setzen'  statt  'aufsetzen'  in  V,  was  ja 
auch  durch  auslassen  entstanden  sein  kann.  vgl.  unten  S  1796. 
ferner  ist  in  VB  nicht  wie  in  S  das  verhum  sazte  vorausge- 
nommen. —  S  487  so  vil.  B  733  alsus  zornenklichen.  V414 
so  verre.  ich  möchte  trotz  irreheit  V  1053  weder  mit  Zacher  vil 
in  irre  verwandeln  —  denn  S  ist  eine  redaction  für  sich,  deren 
text  nicht  ohne  not  nach  den  anderen  gemodelt  werden  darf  — 


KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXAISDEB  261 

noch  mit  K.  unbedingt  verre  in  erre  =  irre  ändern,  da  verre 
sprechen  'weithin ,  ül)er  einen  grofsen  räum  hin  sprechen'  wol 
die  bedeutung  von  'gebieterisch  oder  zornig  reden'  gewinnen  kann. 
es  geht  übrigens  aus  dem  verse  für  das  Verhältnis  von  ß  zu  V 
oder  S  nur  hervor,  dass  es  geändert  und  modernisiert  hat,  — 
änderung  zeigt  auch  deutlich  S  488  und  antworte  ime  smeliche. 
B  734  des  anwurt  er  im  smechtich  gegenüber  V  415  mit  ant- 
iDurtim  ein  smdheit.  S  und  B  brauchen  darum  nicht  zu  einander 
zu  gehören.  denn  den  ursprünglichen  reim  smdheit  :  deit  (V 
tuht)  konnte  B  nicht  belassen  und  auch  S  tilgte  deit  immer  aufser 
147  (Kinzel,  Beiträge  z.  d.  phil.  s.  58).  so  war  das  adv.  der 
nächstliegende  ausweg.  —  V  744  hi  sinem  hals  er  sich  vermaz. 
S  998  bi  sime  Übe.  B  1027  bi  sinem  leben,  S  und  B  sind  nur 
ähnlich,  nicht  congruent,  und  wichen  unabhängig  der  bei  hals 
möglichen  und  für  einen  könig  ihnen  unpassend  erscheinenden 
deutung  auf  köpfen  oder  henken  aus.  —  S  1006.  B  1033  den 
besten.  V  750  den  alsten.  das  wird  eher  fehler  für  besten  als 
für  altsten  sein,  was  K.  annimmt.  —  S  1029  —  32.  B  1042.  3 
überleitende  und  motivierende  verse,  welche  V  (hinter  75S)  fehlen, 
aber  ganz  in  seinem  Stil  sind  (vgl.  275.  297.  331.  455.  625.  655. 
755  usw.).  S  und  B  stimmen  in  den  worlen  nicht,  deuten  aber 
wol  eine  kürzung  in  V  an.  K.  bemerkt  hierüber  nichts.  —  768 
hat  V  nicht  unden  wie  S  1056,  sondern  nnde  und  ende  B  1055 
ist  misverständnis  von  unde.  vgl.  Werner,  Die  Basler  bearbeitung 
s.  63.  die  stelle  ergibt  aber  auch  so  nichts,  — 
S  1058  der  wint  der  tet  in  starke  not, 

wander  vil  stark  icas, 

der  selbe  der  da  Boreas 

in  den  buchen  heizet 

und  di  aller  meist  reizet 

daz  mere  mit  den  unden. 
B  1057  den  usseren  det  och  gros  not 

ein  wint  der  wester  hies 

und  das  mer  dike  reis. 
V    770  der  wint  tet  in  vil  not, 

daz  shier  scephe.  .  .  . 
K.  nimmt  in  der  anm,  zu  V770  keine  interpolation  in  SB  mehr 
an,  sondern  fragt  'sind  hiernach  zwei  verse  ausgefallen?'  ich 
glaube  es,  denn  V  leidet  ja  an  lücken,  gewis  lauteten  sie  dann 
aber  B  ähnlicher  als  die  aus  einander  gezerrten  zeilen  in  S. 
sonderbarer  weise  übersetzt  K.  s,  xxxnr  reizen  durch  'reifsen', 
als  ob  ihm  der  unterschied  zwischen  reizen  und  rizen  nicht  be- 
kannt wäre,  — 

S1116  mer  dan  ein  diisunt.  B  1090  erslugen  sy  tusent  oder 
me  hätte  K.  für  seine  ansieht  aufführen  sollen,  denn  V  810  hat 
unt  erslugen  ein  tusant.  nun  ist  allerdings  zu  bemerken  dass 
B  wederden  reim  düsunt  noch  tusant  gebrauchen  konnte,  daher 


262  KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXA>DER 

ändern  niuste.  die  neigung  zahlen  zu  sleigern  isl  bekannt  und 
der  formelhalle  zusatz  odei'  nie  war  dazu  hequem.  die  reimzeile 
ist  ausgefallen.  —  S  1135  biz  daz  werc  bereitet  wart.  B  1102 
bis  daz  werk  ward  bereit.  V  S21  biz  iz  allez  gereite  wart.  K. 
hat  diese  ihm  günstige  stelle  übersehen. — 
S  1151  sxcem  des  beduhte 

daz  er  nntßhen  nit  ne  mohte. 
B1114  et  lieh  kitnden  mit  listen 

sich  selb  also  fristen. 
in  V  nichts  entsprechendes,  'auch  B  schiebt  eine  erkläruug  ein', 
nämlich  lür  das  versenken  ins  meer,  sagt  K.  gevvis,  doch  lautet 
sie  ganz  anders  als  in  S.  dass  in  V  832  ff  die  erzählung  un- 
deuthch,  also  vielleicht  etwas  übergangen  ist,  sei  gegen  K.  her- 
vorgehoben. — 

S  1239  dd  nider  an  der  erden 

hiz  er  den  stürm  werden. 
B  1160  ...  gebot  dem  her 

daz  sy  bi  der  erden 

den  erstell  stürm  Hessen  werden. 
V    889  unde  liez  dö  mit  der  werlte 

den  ernststnrm  werden. 
an  (bi)  der  erden  soll  nach  K.  in  V  fehlen,  es  steckt  aber  in  mit 
der  werlte.  da  vorhergeht  gebot  den  stürm  über  al  daz  here, 
so  würde  mit  der  werlte  nur  eine  widerholung  sein.  V  hat  an 
der  erden  nicht  verstanden  und  daher  geändert,  es  bedeutet: 
der  frühere  stürm  fand  zu  wasser,  der  jetzige  zu  laude  statt,  an 
dem  überlieferten  ernst  stürm  =  ernststnrm  halte  ich  fest  (K.  im 
text  e'risten).  B  weist  darauf,  und  dass  es  den  ungewöhnlichen 
ausdruck  änderte,  ist  nicht  zu  verwundern.  S  schrieb  einfach 
Sturm,  warum  aber  hätte  es  ersten  stürm  nicht  beibehalten  sollen? 
—  dass  V  947.  8  sowol  in  S  (vor  1327)  als  in  B  (vor  1199) 
fehlen,  bemerkt  K.  wol  deshalb  nicht,  weil  hier  die  drei  be- 
arbeitungen  stark  abweichen,  immerhin  hat  B  mehr  mit  V  als 
mit  S  gemein,  übrigens  ist  V  verderbt.  —  S  1347.  8  =  B  1219. 
20  fehlt  V,  ist  aber  nur  ausgelassen,  vgl.  K.s  anm.  zu  V  966.  — 
S  1352  schiere  wurden  dd  gestalt 

zwo  und  sibinzich  mangen. 
B  1225  die  mangen  waren  schier  bereit 


niun  und  sibenzig  xourden  dar  gestalt. 
V  959  zw6  unde  sibenzech  mange  wurden  da  gestalt. 
dass  S  und  B  ein  in  V  lehlendes  schiere  enthalten,  macht  schwer- 
lich viel  aus.  —  S  1357  und  wurden  getriben  zö  der  burch. 
B  1231  an  driun  end  für  die  stat,  dem  nichts  in  V  gegenüber- 
steht, ist  eine  so  unsichere  parallele,  dass  sie  K.  wol  nicht  hat 
erwähnen  wollen.  —  aiich  das  dünkt  mich  bedeutungslos,  dass 
S  1371   und  B  1238  den  plur.  von  den  zinnen,  V  983  den  sing. 


KI>ZEL    LÄMPRjECHTS    ALEXANDER  263 

von  der  znmen  hal.  —  S  1386  und  B  1251  spreclieo  von  lürnieii, 
welche  Alexander  niederbrechen  liefs,  in  V  994  sind  es  die  trie 
turne,  das  heifst  nach  R.s  conjectur:  in  der  hs.  steht  hiez  die 
tie  turne,  was  auch  widerholuug  des  artikels  sein  könnte,  in- 
dessen ist  V  957  =  S  1335  =  B  1207  von  drei  türmen  an  der 
pl'orte  erzählt  worden.  —  S  1411  daz  er  sines  selbes  tohter  he- 
slief.  B  1271  daz  er  sin  dochter  besleiff.  V  1014  daz  er  mit 
siner  tohter  sliefe.  also  SB  gegen  V^  allein  ist  das  bedeutsam?  — 
ungeiähr  gleichwertig  in  der  folgenden  zeile  S  1412  ouh  ist  Tyrus 
di  selbe  stat.  B  1272  Tiryus  ist  och  die  stat.  V  1015  Tyre  ist 
noch  diu  selbe  stat,  wenn  hier  nicht  noch  lür  ouch  steht,  von  K. 
übersehen.  —  S  1438  Der  riche  kuninc  Darius.  B  1290  der 
riche  Mng  Darius.  V  1031  Ain  richer  chunich  was  Darius.  diese 
Übereinstimmung  von  SB  würde  von  wert  sein,  wenn  nicht  klai- 
wäre  dass  der  nach  altertümlichem  stil  vorausgeschickte,  eine  tat- 
sache  aussprechende  satz  zum  ändern  veranlasste  und  die  vorge- 
nommene änderung  jedermann  eiulallen  muste.  im  nächsten  verse 
steht  B  gleich  wider  mit  V  gegen  S. —  S  1488  Dö  Alexander  den  hieb 
gelas.  B  1317  do  Allexander  den  brieff  gelas.  V  1071  Unde  also 
Alexander  den  brif  gelas.  B  =  S,  aber  sie  haben  ohne  zweifei  beide 
unabhängig  in  gleicher  weise  gekürzt,  also  ==  dö  wurde  auch 
sonst  weggeschatft:  vgl.  oben  bei  V  393.  —  eingeschoben  sei  die 
bemerkung,  dass  B1324  leicht  den  ältesten  text  erhalten  haben 
konnte:  wand  es  diuchte  dich  widerzem  daz  recht. 
V  1077  icande  ez  ne  ducht  iuch  gnade  noch  reht, 
S  1494  wände  daz  ne  wäre  niwit  reht.  — 
S  1538  diu  gäbe  ein  ander  meinet 

dan  mir  der  brief  bescheinet. 
B  1346  ich  sag  iuch  was  iuwers  herren  breiff  meint: 
ein  ander  betiutung  er  bescheind. 
in  V  ganz  anders,  doch  stimmt  folgendes  einiger  mafsen  zu  SB: 
V1105  iwers  herren  brief  mir  niuht  gevellet, 
wände  er  zer  gebe  niene  gehillet.  .  .  . 
1109  er  bezeichenet  alle  ein  ander. 
die  gleichen  reime  meinet :  bescheinet   in  SB   sind  beachtenswert, 
verlieren   aber  dadurch   an    bedeutung   dass   iuwers  herren  brief 
andererseits  V  und  B  angehört,     und  wenn    man  die  gedanken- 
verbindung  prüft,  sieht  man  noch  klarer  dass  die  gleichen  reime 
nur  auf  zufall  beruhen  können.    S  die  gäbe  besagt  etwas  anderes 
als  der  brief  mir  darlegt.    V  eures  herreu  brief  gefällt  mir  nicht, 
denn  er  stimmt  nicht  zur  gäbe.     B  ich  will  euch   mitteilen  was 
eures  herrn  brief  besagt:  erlegt  eine  andere  bedeutung  dar.    so- 
wol   in  V  als  in  B  ist  der  brief  so  zu  sagen  der  redende,    von 
dem  ausgegangen  wird,  in  S  die  gäbe.  —  K.  hat  sich  die  stelle 
wider  entgehen  lassen,     doch  vgl,  seine  anra.  — 
Vir29  Diz  sazte  man  dö  allez  an  einen  brief, 

daz  was  dem  chunige  Alexander  lieb. 
A.  F.  D.  A.   XI.  19 


264  KINZEL  LAMPKECHTS  ALEXANDER 

er  screib  in  selbe  mit  siner  haut, 

er  wart  dem  chnnige  Dario  gesant. 
S  1557  Diz  screib  Alexander  dö 

und  santiz  Dario. 
B  1360  dies  schreib  er  an  den  brief  sim, 

den  sant  er  mit  den  hotten  dan. 
k.  hält  V  für  'das  ursprüngliche,  das  schon  in  L2  [der  quelle 
von  S  und  BJ  gekürzt  war.'  S  und  B  stimmen  p  im  allgemeinen 
überein;  aber  was  liefsen  sie  weg?  dass  zuerst  im  anschluss  an 
Alexanders  rede  ein  brief  aufgesetzt  wurde,  den  Alexander  dann 
abschrieb,  es  ist  diese  meinung  von  V  nicht  ganz  leicht  zu  ver- 
stehen, und  so  konnte  auch  mehr  als  einer  darauf  fallen,  den 
scheinbaren  Widerspruch  zwischen  V  1129  und  1131  wegzu- 
schaffen, indem  er  die  hauptsache  beibehielt,  streng  beweisend 
für  K.  scheint  mir  die  stelle  also  nicht.  —  V1133  er  inböt  im 
oiich  dd  mite.  S  1559  und  emböt  ime  da  mite.  B  1362  er  in- 
bot  da  mit.  in  S  und  B  fehlt  ouch,  in  B  aber  zugleich  ime,  so- 
dass die  Übereinstimmung  an  wert  verliert.  —  bei  V  1137  ff  ist 
die  entscheidting  schwer: 

V1137  über  daz  wazzer  Enfrates, 

niweht  gedanchet  er  des, 

ze  Babilonji  für  die  gröze  stal, 

alsus  ivart  an  den  brif  gesazt. 
S  1563  ubir  daz  wazzer  Eufraten 

vor  di  ine're  BabyJonien. 
B1366  über  das  waser  Enfrattes 


mit  gewalt  für  für  die  stat  Babilonij 

Werner  nimmt  ausfall  zweier  zeilen  an,  doch  würde  auch  der 
reim  Enfratten  :  Babilonie,  wodurch  S  und  B  neben  einander 
träten,  Bs  reimkunst  nicht  widersprechen,  und  dass  sowol  in 
V  als  in  B  slat  gebraucht  ist,  konnte  zufall  sein,  andererseits 
sind  die  zweite  und  vierte  zeile  in  V  so  deutliche  reimbüfser, 
dass  S,  wenn  es  einen  geschickteren  versschluss  fand,  sie  weg- 
lassen konnte,  wie  K.  scheint  auch  mir  eine  entscheidung  nicht 
möglich,  in  den  sich  anschlielsenden  zeilen  gehen  B,  welches 
stark  kürzt,  und  V  in  so  fern  mit  einander,  als  beide  indirecte 
rede  haben,  S  directe  (vgl.  K.).  — 

Vi  148  Darjos  was  ein  chunich  rieh. 

Wide  also  der  brif  für  in  chom, 

freislich  er  in  vernam. 

mit  zorn  er  nf  für, 

mit  s'inem  rkhe  er  swür. 
S  1578  und  alse  Dario  der  brieh  quam 

und  er  in  gelas, 

alse  dd  gescriben  was, 


KI.NZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  265 

zornliche  er  üf  für, 

bi  sinetii  riche  er  swör. 
B1372  do  Daryus  den  brieff  vernam 

der  im  von  Allexander  kam, 

zornenklick  er  do  nf  fnr, 

bi  sinem  rieh  er  do  swor. 
S  uüd  B  stimmen  in  der  ersten  zeile,  doch  vgl.  deswegen  die 
bemerkung  zu  S  1438.  sie  stimmen  ferner  in  zornliche  und 
zornenklich  gegenüber  mit  zorn,  endlich  in  bi  sinem  riche  gegen 
mit  sinem  riche,  was  aber  ein  ofl'enbarer,  schon  von  R.  im  text 
verbesserter  fehler  ist.  dagegen  hat  B  mit  V  den  reim  qua7n 
:  vernam  gemein  und  S  1579.  80  fehlen  ihm  und  V,  sodass  ich 
an  der  engeren  Verbindung  von  B  und  V  doch  nicht  zweifle,  — 
S  1647  sere  zurneter  des.  B  1410  ser  zürnet  er  des.  V  1197 
sere  zürnet  er  sich  des.  das  reflexivum  ist  seltener,  daher  die 
Übereinstimmung  von  SB  irrelevant.  —  mit  S  1649  lässt  sich 
nichts  anfangen,  weil  die  entscheidende  zahl  in  V  1199  fehlt, 
mit  den  zahlen  springen  die  texte  auch  sehr  sorglos  um.  —  in 
V  1220  steht  eine  berufung  auf  meister  Alberich,  dagegen  fehlt 
sie  S  1690  und  B  1427.  K.  übersah  indes  dass  in  B  hier  eine 
zeile  ausfiel,  wie  der  mangelnde  reim  lehrt.  — 

V  1227  üf  Büzival  er  reit; 

do  sing  er  also  der  thoner  deit. 
S1695ff  und  Bl4351f  haben  verschiedenartig  umgearbeitet  und 
daher   trägt   es    nichts   aus  dass  beide  der  Wendung  iif  Bncifale 
er  saz,  resp.  i(f  Buttifal  sas  er  ze  hant  sich  bedienen.  — 

V  1259  d  wi  daz  für  dar  iiz  spranch 

da  ein  stahel  wider  den  ander  dranchl 

grözer  siege  wurden  nie  getan, 

sie  ne  singe  wilen  Sams67i 

der  die  grözen  mäht  an  ime  truch 

daz    er    mit    eines    eseles    buchen    ein   tnsint   Hutes 

er  sin  eh. 
S  1733  du  singen  di  recken 

mit  den  brünen  ecken 

daz  daz  für  dar  üz  spranc. 

ir  iegweder  dranc 

vaste  zö  dem  andren. 
B  1462  do  beschach  manig  slag  gros 

daz  daz  fiur  dar  nach  schos. 
'dev  vergleich  mit  Simson  fehlt  BS'  K.  siege  slüge  in  V,  slügen 
in  S,  slag  in  B  und  die  weiteren  anspielungen  auf  biblische 
begebnisse  können  aber  dafür  sprechen  dass  er  ursprünglich  ist. 
anstöfsig  mochte  der  vergleich  mit  einem  kämpfer,  dessen  waffe 
ein  eselskinnbacken  war,  leicht  werden,  zu  gunsten  von  SB  will 
ich  aber  auch  die  gleichheit  der  construclion  in  S  1735.  B  1463 

19* 


266  KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

hervorzuheben  nicht  versäumen.  —  ebenso  haben  S  und  B  un- 
bestreitbar ähulichkeit  in  den  nächsten  versen.  V  und  B  gehen 
in  so  fern  zusammen,  als  beide  nur  berichten:  Mennes  schlug 
Alexander  zu  boden,  sodass  er  den  heim  verlor. 

V  1265  d  wie  mähte  daz  ie  teer  den: 

Mennes  der  slüch  Alexandern  zu  dei'  erde, 
aldd  loart  ime  der  heim  ab  gepi^ochen. 
B  1464  Menos  den   werden 

slüg  nieder  zu  der  erden, 
den  heim  er  im  zerbrach. 
S  1738  dö  slüch  doh  Alexandren 

Mennes  nider  an  daz  gras. 
folgen  10  verse  die  VB  fehlen, 
dann  1750  da  wart  Alexandra  sin  heim 
von  dem  houbete  gebrochen. 
es  wurde  tüchtig   auf  ihn   eingehauen   und   nur   seine   gute  be- 
waft'nuug  rettete  ihn.    S  bat  eine  breitere  darstellung,  sein  Wort- 
laut stimmt  aber  im  folgenden  merkwürdig  zu  B.    S1746.  B146S 
mit  nide,   allerdings   an    verschiedenen    puncten    der    erzählung. 
ferner 

S  1759  doch  half  in  daz  er  genas 

daz  er  so  wol  gewdfent  was. 
B  1469  Allexander  was  mit  ßisse  gewaffnet  gar: 
daz  half  im  daz  er  genas. 
dagegen  hat 

V1273  unt  wäre  er  also  wol  gewdfent  nieht, 
er  ne  bescowet  niemerz  tages  lieht. 
es  fehlen  jedoch  an  dieser  stelle  in  V,  wie  reime  und  construction 
ausweisen,  mindestens  drei  verse.     lautete  der  passus  etwa 

V  1267  aldd  wart  ime  der  heim  ab  gebrochen. 

da  was  vil  nach  gerochen 

Darius  der  Iure  degen. 
(so  K.  nach  S,  nur  dass  er  nicht  punct  hier  setzt  und  eine  un- 
mögliche construction    anwendet,     vgl.  aber   hinten    seine  anni.) 
1270  der  manegen  grözen  siege 

der  der  chunich  Alexander  fie  (hs.  finch), 

der  wäre  er  genesen  nie, 

unt  lodre  er  also  wol  gewdfent  nieht. 

er  ne  bescowet  niemerz  tages  lieht, 
1275  wane  daz  sines  tödes  noch  neweht  solte  shi. 
dann  wäre  wenigstens  genesen  auch  in  V  vorhanden,  es  bliebe 
aber  immer  noch  der  von  K.  nicht  erwähnte  unterschied,  dass 
1274.  5  in  SB  fehlen.  —  S  1792  vil  michil  lob  er  des  gwan. 
B  1487  des  er  gros  lob  gewan.  V  1290  d  loie  gut  ainen  lob  daz 
swert  gewan.  der  satzbau ,  lop  als  masc.  sind  älter  in  V.  dass 
das  Schwert  gepriesen  wird  und  nicht  der  hauende  fällt  auf.  hiefs 
es   ursprünglich    d   wie  gut   ein   lop  daz   er  gewan?  —  S  1796 


Kl-NZKL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  267 

Alexandrö  er   in  nf  baut.     B  1489  sinem  heren   er  in   uf  band. 

V  1292  sinem  heren  ern  üf  daz  houbet  pant.  B  geht  halb  mit  S, 
halb  mit  V.  daz  houbet  könnte  zusatz  in  V,  ebenso  leicht  aber 
von  einem  oder  mehreren  lür  sich  tortgelassen  sein.     vgl.  oben 

V  393  ff.  —  V  1313.  4  sollen  nach  K.  in  SB  fehlen,  das  ist  je- 
doch unrichtig  für  B.     V  hat 

1312  also  der  daz  kras  nider  sleit, 

s6  strouwet  Alexander: 

diz  ne  mohte  nehain  ander. 
der  lückenhafte  text  von  B  liest 

1504  die  dotten  er  nider  streit, 

als  der  ein  gras  nider  meit. 
streit  ist  =  strouwete  ströute.  —  S  1852.  B  1517  dö  in.  V 
1342  den.  wahrscheinlich  nur  ein  fehler,  veranlasst  durch  das 
1341  vorhergehende  den.  —  S  1857  ff.  B  1520ff  duzt  der  er- 
zürnte Alexander  seinen  gegner,  in  V  1347  f  ihrzt  er  ihn.  hier 
konnten  gewis  zwei  bearbeiter  unabhängig  ändern.  343  ff  hat 
S  ihr  in  du  verwandelt,  während  V  und  B  es  beibehielten.  — 
S  1925  D6.  B  1562  do.  V  1401  Unt  dö.  letzteres  jedesfalls 
älter,  doch  beweist  der  wegfall  von  unt  nichts.  K.  führt  den 
vers  gar  nicht  an.  —  V  1433  —  39  fehlen  in  S  nach  1965,  in 
B  nach  1581.  auf  B  ist  aber  hier  wenig  verlass,  da  es  zusammen- 
zieht, und  in  S  tritt  1966  unvermittelt  an  den  vorhergehenden 
vers.  — 

S  1989  Pamphilienses  qudmen  ouh  wale 

und  brdhten  ime  di  selben  zale. 
B  1591  die  Papili  komen  dar, 

vierzig  ttising  in  ir  schar. 
V  1455  die  Panfilien  däten  harte  wale: 

si  brdhten  die  selben  zale. 
ob  B  aus  S  entstanden  scheint  mir,  trotz  komen,  sehr  unsicher, 
denn  komen  kam  wird  bei  der  aufzählung  der  heranziehenden 
truppen  oft  gebraucht  und  die  namenform  Papili  steht  der  in  V 
näher.  —  S  1992  verdröz.  B  1594  verdros.  V  1458  bedröz. 
ohne  bedeutung.  bedriezen  wird  seltener.  —  V  1457  ff  fehlt  die 
zahl  der  Meder,  ohne  zweifei  aus  versehen;  S  1997.  B  1595  geben 
sie  an,  doch  verschieden  hoch.  —  S  2001  ime  brdhten  di  von 
Armenie  f:menige).     B  1602  die  von  Armenye  komen  her  (:der). 

V  1467  die  uzer  Armenitilant  (:  tüsant),  von  Übereinstimmung 
zwischen  S  und  B  darf  hier  wol  ebenso  wenig  die  rede  sein  als 
in  S  2013.  B  1603,  wo  zwar  sowol  S  als  B  bei  Gazen  (Gassern) 
ein  adjectivum  hat,  indes  S  ubirmütige,  B  snellen.  auch  K.s  ver- 
gleich des  Daryo  in  B  1605  mit  dem  Dario  in  S  2012  muss  ab- 
gelehnt werden,  da  B  vollständig  (und  unverständig)  umge- 
arbeitet hat. 

Den  schluss  des  Vorauer  textes  hat  K.  nicht  mit  S  und  B 
verglichen,     es  könnten 


268  KINZEL    LAMPRECBTS    ALEXANDER 

S  3257  dö  hub  sich  ze  liant 

dl  Griechische  manige 

den  Fersen  ingegene. 
B  2483  mit  der  kriech ser  schar 

nam  er  den  vorstrit. 
V  1501  mit  ctiner  minner  menige 

so  reit  er  in  zegegene 
lür  engeren   Zusammenhang  von  S  und  B  sprechen,   in  so  fern 
beide  kriechische  —  kriechser   haben.      B    verfuhr  aber  hier  an- 
scheinend sehr  frei,    so  entsprechen  zb.  2491.  2  einer  bemerkung, 
welche,  minder  klar,  in  S  erst  33 18 ff  begegnet. 

Es  sind,  wie  man  sieht,  wenige  stellen,  welche  vielleicht 
für  eine  gemeinsame  gruudlage  von  S  und  B  sprechen  könnten, 
jedoch  darf  dabei  nicht  aufser  acht  gelassen  werden  dass  V  uns 
keineswegs  einen  guten,  unveränderten  text,  sondern  eine  be- 
arbeilung  vorführt,  es  also  gar  nicht  ausgeschlossen  ist  dass  S 
und  B  hin  und  wider  Lamprechts  urtext  näher  stehen  als  das  im 
ganzen  altertümlichere  V.  dagegen  ist  die  zahl  der  puncte,  an 
welchen  K.  selbst  Übereinstimmung  von  B  und  V  constatiert, 
eine  so  bedeutende,  dass  ich  sein  verkennen  des  hssverhältnisses 
nicht  begreife. 

V  242  fon  siner  gescephte  joch  von  siner  chraft.  B  540 
wild  und  daz  geschbfte  wunderlich.  S  274  snel  und  starc  von 
gescafnisse.  —  V  246  daz  houbet  mager  unde  swanc.  B  546 
sin  hubt  mager  und  swach  (I.  swanc :  lang).  S  285  daz  houbit 
magir  unde  slanc.  —  V  289  ich  ne  weiz  wederz  ein  ros  oder  ein 
lewe  deit.  B  598  ob  es  ros  oder  leow  tut.  S  339  sin  stimme  di 
is  gelkhe  einem  freislkhen  tiere.  —  V  291  Btholomeus  sprach  zu 
dem  chinde.  B  600  do  sprach  Potolomeus  zu  dem  kint.  S  341 
dö  antworte  ime  schiere  Ptolomeus  unde  sprach.  —  V  293  daz 
hat  iuwer  vater  in  getan.  B  604  daz  hat  iuwer  vatter  in  getan. 
S  348  din  vater  hat  iz  in  getan.  —  V  295  er  sprach  'here,  es 
ne  hat  nehein  marscalch  in  hüte.  B  606  kein  marschalk  hat  es 
in  siner  hnt.  S  351  iz  ne  hat  nieman  in  hüte.  —  V296  xoande 
ez  erbizet  ubele  unde  gute.  B  607  wand  es  bisset  übel  und  gut. 
S  354  iz  irbvzit  man  und  wib.  —  V  297  Unt  dö  diz  Alexander 
vernani.  B  614  do  Alexander  daz  vernan.  S  358  Dö  der  here 
diz  vernam.  —  V  299 — 307  stimmen  im  ganzen  zu  B  616— 630, 
während  in  S  diese  versc  fehlen.  —  V308  unt  ez  (nom.)  Alexander 
{ncc.)  ane  begunde  Slam.  B631  als  es  in  begunde  an  starn.  S  361 
und  er  iz  begunde  ane  stare.  dass  ich  die  casus  in  V  richtig 
gedeutet  habe  lehrt  die  Hist.  de  prel.:  cepit  fortiter  aspicere 
Alexandrum.  —  V317  so  der  nie  seil  noch  zöm  ane  quam.  B  640 
und  nie  zum  an  is  kam.  S  372  er  ne  legete  zoum  noch  seil 
dar  ane.  — 

V  323  Ein  pote  Ute  dem  chunge  daz  sagen, 

er  ne  getorste  es  nicht  verdagen. 


KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  269 

B  646  ein  bot  Utte  dem  kunge  sagen 

und  loolte  nint  vertagen. 
S  378  Dd  wart  daz  langer  nit  verdaget, 
dem  kuninge  wart  dö  gesagit.  — 
V  399  nnze  ich  es  haz  mach  getün. 
B717  ich  hessers  won  daz  geschieht. 
S  468  unz  ih  mer  mac  getün.  — 
V401  wati  eines  tinges  trag  ich  in  tibelen  mut. 
B718  eins  dinges  trag  ich  ühlen  mut. 
S  470  wene  ein  dinc  daz  ih  ü  clagen 
und  in  minem  herzen  tragen, 
des  hdn  ich  vil  sweren  müt.  — 
V405  ter  rede  willich  nu  gedagen, 

iuwer  ezzen  willich  newiht  fersagen, 
nüwan  —  so  mir  die  ougen  dd  ich  mit  gesie!  — 
ich  kedanche  sin  allen  den  hien 
die  disen  rat  habent  gefrumit. 
407  hs.  nu  wenn.     K.  tragt  wewun?    Zacher   sieht  darin  (anm.) 
eine  'interjectio  dolenlis  et  malediceotis',  sie  ist  aber  weder  ahd. 
noch   mhd.  nachweisbar,     ferner  in  der  hs.  kesihe  und  408  den 
hien   (=   den   hiwen),   K.    im   lext  kesihe,    den  hie.      er   nennt 
übrigens  405.6  'einschaltung  eines  fahrenden'  Zs.  f.  d.  phil. 
10,  57,    obgleich   er   aao.  32   und   in    der   anm.   seiner  ausgäbe 
zugibt  dass  sie  im  'original'  standen,      nicht  ganz  klar. 
B  722  die  rede  stet  als  si  nun  ste. 

essent,  ich  sol  iuch  niut  sagen  mee. 
doch  sanier  min  ogen, 
ich  sprich  daz  ane  lugen: 
ich  dank  sin  allen  den 
die  iuch  den  rat  hant  gegen. 
S  479  ich  swere  ü  daz  bi  mineme  Übe, 
swer  disen  rat  hat  gefromit.  .  .  . 
das  vorhergehende   fehlt.   —   S  484.  5    fehlen  VB.     dass   sie   zu 
Pseudo-Kallisthenes  'passen'   (K.  in  der  anm.),   finde   ich  nicht, 
denn  dieser  sagt  etwas  ganz  anderes.  —  statt  S  489 — 91  hat  V 
nur  416  also  dicke  der  stolze  man  deit,  B  drei  verse,  deren  letzter 
737  als  der  tore  dike  dut   sich   zu  V  gesellt.  —  was  K.  im  all- 
gemeinen bei  992  bemerkt,  stellt  sich  genauer  so.     S  993  —  96 
fehlen  VB,  nur  scheint  V  743  mit  zorn  er  der  nider  saz.    B  1026 
von  zorn  er  nider  sas  auf  S  996  von  zorne  begunder  roten  ein- 
fluss  geübt  zu  haben,  wogegen  der  nächste  vers  vor  ungemüte 
er  nider  saz   verändert   wurde.  —  S  1013  —  22   fehlen  BV.  — 
V  759.  60.  B  1044 — 46  ordnen  die  facten  in  gleicher  weise  und 
zwar  anders  wie  S,  jedoch  hat  B  den  mittleren  vers  hinzugesetzt. 
—  V  766  zwainzech  thiisent  unde  baz.     B  1053  zwenzig  tusing. 
S  1052  me  dan  an  hundrit  tüsunt.  —  V  767  also  vil  sclngen  si 


270  Kr>ZEL    LAMPBECHTS    ALEXANDER 

ime  sines  hers.  B  1054  si  singen  im  so  vil  sines  keres.  S  1054 
in  zwei  versea 

si  irslngen  so  vile 

Akxandris  heris.  — 
V    771   daz  silier  scephe  ein  hundert  versunchen. 
B  1060  hundert  schiff  er  im  versankt. 
S  1064  der  schiffe  sh'ich  er  ze  gründe 

vile,  daz  si  versunken. 
über  S  1071  —  81    sagt  K.   kurz  'B  verstümmelt.'     es  lässt  sich 
aber  doch  noch  sehen  dass  B  enger  zu  V  gehört.    V  776  er  thete 
die  sceph  wider   in  die  habe  gdn.     B  1065  [er  hies]  die  schiff  in 
die  hab  gdn.     S  1070  breit 

und  hiz  balde  wider  gdn 

dt  schif  in  di  habe, 

oh  ih  rehte  vernomen  habe. 
Slll  Alexander  beddhte  sich.  B  1066  der  wisse  bedachte,  da- 
nach lücke ,  wol  nur  von  zwei  versen ,  sodass  B  weiter  zu  V 
stimmen  würde.  S  1073  —  77  durchaus  anders.  —  V  805  hat  K. 
den  sonderbaren  text  Nu  de  Arabati  also  daz  befunden,  in  der 
hs.  steht  Nu  de  also  arabati.  N  ist  vom  rubricator  statt  U  ge- 
setzt, weil  er  das  folgende  n  für  ein  u  ansah,  es  muss  heifsen 
Unde  also  A.  B  1084  als  Arabite  daz  befunden.  S  1109  Do 
Arabes  daz  befunden,  die  namenformen  von  V  und  B  stehen 
sich  näher.  —  V  816  den  bevalch  erz  gesez  in  die  haut.  B  1096 
daz  gessese  bevall  er  ze  haut.  S  1121  und  beval  iz  [daz  ander] 
ztoein  fursten.  —  für  S  1161 — 86  gibt  K.  zu  'die  gute  Umge- 
staltung kommt  allein  auf  rechnung  von  S.'     zu  beachten  ist 

V  843  d  wie  maneger  des  Sturmes  enchalt.  B  1124  des  manig 
burger  engalt. 

S  1166  daz  wart  sere  ze  banen 

dem  der  iz  mit  dem  Übe  galt.  — 
im  folgenden  hat  K.  nicht  beachtet,  welche  hss.  übereinstimmen, 
die    verszahlen    gibt   er   an.     V  879   unt   brdchen   da  der  besten 
mure  eine.     B  1152  sij  brachen  der  besten  muren  ein. 
S  1226  der  innren  brach  dö  eine 
Alexander  und  di  geste 
di  dd  was  di  beste.  — 

V  884.  B  1154  er.  S  1232  man.  —  V  907  fon  den  perfriden 
üf  die  Zinnen.  B  1169  vom  berffrit  uf  di  zinen.  S  1263  nider 
üf  di  Zinnen.  —  V  917  da  brdchen  sie  die  besten  müre  zu  der 
erde.     B  1173  die  mur  brachent  sy  uf  die  erden. 

S  1276  dd  si  brdchen  di  veste 
nider  zo  der  erden, 
nie  ne  mohte  werden 
ein  müre  di  bezzer  wdre.  — 

V  922  dd  ne  gesach  man  nechein  zagen.  B1178  loan  man  vant 
da  keinen  zagen.    S  1284  man  ne  sah  dd  niemannen  verzagen.  — 


KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  271 

V  923  da  mahti  man  manegen  degen  scouwen.  B  1 179  man 
mocht  Ich  mengen  schwnwen.  S  1285  man  mohte  dd  degene 
scowen.  —  V  942  daz  iz  tu  unzellkh  ist  ze  sagen.  B  1190  daz 
ir  waren  anne  zal.  in  S  oichls  daran  anklingendes,  —  V  961 
he'rren,  bedenchet  inchs  inzit  (hs.  inch  sin  ziht,  K.  iuch  sin  enzU). 
B  1213  er  sprach  'bedenken  inch  bi  zit.  S  1341  er  sprach  'nu 
rdlent  mir,  des  ist  zit.  — 

V  965  der  rät  der  ime  dö  wart  getan 

den  mugent  ir  schiere  verstdn. 
B  1217  der  rat  der  do  ward  getan 
den  will  ich  iuch  wissen  Ion. 
S  ganz  abweichend.  — 

V  969  ziDÖ  unde  sibenzech  mange  wurden  da  gestalt, 

sie  würfen  alle  mit  geicalt. 
B  1227  niun  und  sibenzig  wurden  dar  gestalt, 

die  wol  wurffen  mit  gewalt. 
S  1351  mit  Sturmes  gewalt. 

schielte  wurden  dd  gestalt 

zwo  ^md  sibinzich  mangen.  — 

V  1000  die  er  dd  for  sante  der  in.  B  1257  die  er  hatte  gesant 
vor  hin  in.  S  1393  di  er  sante  dar  in.  —  V  1011  Antioch. 
B  1268  Anttyobus.     S  1405  der  kuninc  Antioch.  — 

V  1016  dd  daz  beiden  wib  unseren  heren  pat 

daz  er  ir  tohter  erlöste. 
B  1274  do  got  der  heidnin  dochter  lost. 
S1413  dar  Chanatiea  unsen  heren  bat 
daz  er  si  getröste 
und  ir  tohter  löste. 
woher  K.s  Vermutung  'B  erinnerte  sich  wol  der  geschichte  nicht'? 
weil  reimnol   den  wunderlichen  vers   von  des  bossen  geistes  rost 
hervorrief?  — 

V  1019  Dar  nach  über  unlanch  stunt 

so  wart  Dario  chunt. 
B  1276  nun  ward  in  kurzer  stund 

Daryo  daz  mer  kunt. 
S  1422  Dö  cunte  Dario  ein  man.  — 

V  1022  daz  Alexander  der  chüne  man.  B  1279  daz  Allexander 
der  küene  man.     S  1424  wi  der  kuninc  Alexander.  — 

V1029  daz  er  in  niuht   ze  helf  en   qudme  (hs.   und   K. 

helfen  chome), 

dö  er  ir  gröze  not  ferndme. 
B  1288  daz  er  in  niut  ze  helffe  kam, 

do  er  ir  grossi  not  vernam. 
S  1434  daz  er  in  mit  gelfe 

niioit  (I.  niuwiht)  ze  helfe 

schire  ne  que'me, 

dö  er  ir  not  verndme.  — 


272  KLNZEL    LAMPfiECHTS    ALEXANDER 

V  1032  er  iDider  ddhter  alsus.  ß  1291  gedacht  nach  diser  rede 
sus.  S  1439  der  antworte  ime  alsus.  ich  bleibe  uatürlich  hier 
und  432  bei  meinem  er  =  her  und  lese  weder  dort  mit  K.  umbe 
für  das  er  umbe  der  hs.  noch  hier  mit  ihm  derun'der.  denn 
wozu  an  den  zwei  congruenten  stellen  verschiedene  conjecturen, 
wenn  eine  und  dieselbe  für  beide  hinreicht?   — 

V1033  Alexander  dnhte  in  lutzeJ. 

er  sante  im  eines  chindes  stuzel 

unde  dar  zu  ein  scühpant. 
B  1295  er  forchtte  in  danach  lüczel. 

.  .  .  eins  kindes  stiiczel 

und  dar  zu  ein  schuchbant. 
S  1451  daz  er  ime  sante  drdte 

einen  guldinen  bal 

scöne  unde  sinewal. 

ouh  sanier  ime  zehant 

zicene  herlkhe  scüchbant.  — 

V  1042  umbe  icaz  er  ime  die  drie  gebe  sante.  B  1304  wor  umb 
er  im  die  Meinet  sant.  S  1463  waz  dise  gäbe  meinte.  —  V  1051 
Wanten  scüchpant  nuzet  man  tagelich.  B  1310  den  man  nüczet 
alle  stund,  fehlt  S.  —  V  1072  owi  wie  smdhe  ime  was.  B  1318 
vil  smcch  er  im  was.     S  14&9  vil  harte  umme're  ime  loas. 

Ich  brauche  wol  das  material  nicht  weiter  so  ausführlich 
vorzulegen,  sondern  darf  mich  mit  angäbe  der  verse  begnügen, 
in  welchen  die  Verwandtschaft  von  B  mit  V  aufserdem  hervortritt, 
es  sind  V  1099  =  B  1338  gegen  S  1521.  —  Übereinstimmung 
zwischen  B  1344  und  V  214,  13,  welche  sowol  K.  als  Werner  in 
seiner  ausgäbe  von  B  annehmen,  will  mir  nicht  einleuchten.  — 
der  parallelismus  von  V  IUI  — 16  zu  B  1348 — 52  erscheint  K. 
deshalb  unvollkommen ,  weil  er  die  lücken  in  B  nicht  beachtet 
hat.  —  V  1 1 17  =  B  1354  gegen  S  1545.  —  V  1 154  =  B  1377 
gegen  S  1586.  —  B  1378  ff  scheint  mir  allzu  sehr  zerstört,  als 
dass  ich  es  wagen  würde,  daraus  wie  K.  nähere  Verwandtschaft 
mit  V  1150  ir  erschliefsen  zu  wollen.  —  V  1176.  7  =  B  1393.  4 
gegen  S  1614.  5.  —  V  1230.  1  =  B  1439.  40.  in  S  nichts  ent- 
sprechendes. —  V  1242  =  B  1444  gegen  S  1718.  9.  —  V  1252  bis 
56  =  B  1450  —  55.  fehlt  S.  —  V  1257.  8  =  B  1456.  7  gegen 
S  1730—32.  —  V  1298—1300  =  B  1494.  5  gegen  S  1805-8. 
—  V  1312  =  B  1505  gegen  S  1822.  —  V  1317  =  B  1506  gegen 
S  1826.  auch  im  folgenden  verse  giengen  VB  wahrscheinlich 
zusammen,  wie  der  für  B  notige  reim  lehrt;  die  zeile  selbst  fehlt. 
S  stellt  um.  —  V  1348.  9  =  B  1523.  4  gegen  S  1858—64.  K. 
nennt  V  1350  d  wie  schirer  da  restarb  l  eine  'unpassende  anti- 
cipation',  wahrend  solche  vorausdeutungen  doch  ganz  dem  slil 
des  volkstümlichen  epos  gemäfs  sind.  B  änderte  die  zeile  viel- 
leicht nur  des  reimes  wegen  (V  warf:restarf).  —  V  1370  =  B  1539 
gegen  S  1886.  —  V  1392  =  B  1557  gegen  S  1912.  —  V  1394 


KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  273 

=  B  1559  gegen  S  1916.  —  V  1402  =  B  1563  gegen  S  1926.  — 
V  1409.  10  =  B  1564.  65  gegen  S  1931.  —  V  1411  ==  B  1566. 
fehlt  S.  — 

V1477  noch  dö  sdzen  sine  frie  man 

ferre  über  Frigiam. 
ß  1607  noch  sassen  sin  fryen  man 

in  Fryga  vier  (=  verre)  hin  dan. 
S2017  ime  satiten  sine  frie  man 

di  da  sdzen  in  Frigiam.  — 
V1493  ze  sehs  hinderet  tüsint  waren  si  gezalt  — 
da  was  der  hof  manichfalt  — 
unde  dar  zu  drizech  tusant. 
B  1618  ir  zal  ward  also  vernomen: 

sechs  hunder  tusing  was  ir  do 
die  gern  dienten   Taryo, 
dar  zu  drissig  dusing  och. 
S  2033  so  ahte  man  iz  da  zestunt 

an  sehs  hundrit  unde  drizich  tüswit 
daz  alliz  Dario  quam. 
Übersehen  hat  K.  folgende  stattliche  reihe  von  Übereinstim- 
mungen  zwischen  ß  und  V: 

V  271   wem  des  chuniges  gewalt 

ndch  sinem  Übe  wurde  fersalt. 
S    312  weme  nah  sinem  libe 

sin  knnincriche  solde  blibe. 
B    576  denyie  der  daz  künkerich 

nach  im  besiezen  sollte  gewalttenklich 
und  nach  sinem  dote  soll  wessen  her. 
(Werner  setzt  nach  dote  lücke  an.  dann  wäre  aber  solt  wessen 
her  auch  kein  vollständiger  vers,  wie  er  meint.)  der  reim  von 
S  — e :  —  en  würde  B  nicht  gestört  haben  (Werner,  Die  Basier 
bearbeitung  s.  73),  also  dürfte  ihm  ein  anderer  text  zu  gründe 
liegen,  gewaltenklich  weist  auf  gewalt  in  V,  und  veranlassung 
zum  ändern  mag  fersalt  gegeben  haben.  —  S  330  —  33  fehlen 
Vß,  ebenso  S  352. 3.  ~  mindestens  S  971  —  77  fehlen  VB, 
ebenso  S  979.  80.  83.  84.  1036  —  42.  45.  46.  1145.  6.  — 

V  853  Alexander  chom  mit  grözer  chrefte 

unt  tet  sceph  zesamen  hephten. 
B  1130  Allexander  mit  grossen  krefften 
hies  die  schiff"  ze  samen  hefften. 
S  1189  er  hiz  insamt  heften 

di  schif  mit  mannis  creften. 
die  entscheidung  kann  hier  schwanken,    das  eigentümhche  mannis 
creften  neben  grözer  chrefte  führt  zu  der  Vermutung,   ob    nicht 


274  KI.NZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

Laraprecbt  mdnkrefte  geschrieben  hahe?i  —  S  1241.  2  fehlen 
VB,  ebenso  S  1311—14.  1320—24.  1339.  40.  —  V  962  wandir 
tinre  chnehte  sit.  B  1214  icatid  ir  fromde  helde  sit.  S  1342  loandir 
vil  wise  h'ite  sit.  —  S  1383.  4  fehlen  VB.  B  hat  1248.  49  verse 
—  der  zweite  fehlt  — ,  welche  die  Verbindung  mit  dem  folgenden 
herstellen  sollen,  in  denen  aber  von  den  mangen  gewis  nicht  die 
rede  war.  —  S  1428.29  fehlen  Vß,  auch  1440  —  50.   — 

V  1049  daz  er  ime  tagelichen  dienen  solle. 
B  1311  daz  er  im  deglich  dienen  soll 

mit  allem  sinem  rieh;  daz  gold.  .  ,  . 
S  1072  daz  ime  Alexander 

und  dar  zö  manic  ander 
tagelich  dienen  solde  (:  tvolde).  — 

V  1090  wände  wir  getorsten  die  botscaf  niet  Idzen. 
B  1331  die  botschaft  torsten  wir  nint  lan. 

S  1507  wi  torste  icir  Idzen 

daz  unser  here  uns  gebot 

durh  siheiner  slahte  not!  — 
S  1541  —  44  fehlen  VB.  — 

V1153  er  sprach  'daz  mich  ie  der  bescalt 

des  vater  mir  den  zins  ehalt. 
B  1376  sid  inn  der  bescliult 

des  vatter  im  den  zins  gult. 
S  1585  daz  er  mich  ie  beschalt. 

er  ist  worden  ze  balt.  — 
S  1643.  4  fehlen  VB.  — 

V  1230  swer  in  fon  ferre  sack  gevaren, 

e  er  hinder  sich  gesach, 

so  heter  sin  ainen  slach. 
B  1439  ica  er  kam  gen  in  gevarn, 

ee  sich  j'eman  umb  gesach, 

so  beschach  im  von  im  nngemach. 
S  1702  ff  weichen  gänzlich  ab.  —  V  1239  =  B  1442  gegen  S  1711. 
_  V  1415  =  B  1570  gegen  S  1941.  —  V  1440  =  B  1582  gegen 
S  1967.  —  V  1457  =  B  1593   gegen   S  1991.  —  V  1492  =  B 
1617  gegen  S  2032. 

Auf  das,  was  K.  in  der  Zs.  f.  d.  phil.  ll,385ff.  14,  380f. 
16,  121  ff  und  in  seiner  ausgäbe  s.  xxxfi  ff  vorbringt,  brauche  ich 
nicht  einzugehen,  weil  wol  alle  dort  herangezogeneu  und  hier 
verwertbaren  stellen  entweder  in  meiner  früher  genannten  re- 
cension  oder  im  vorstehenden  berührt  worden  sind,  es  ergibt 
sich  mir  folgendes  resultat. 

Lamprechts  Alexanderlied  *L  ist  einer  dreimaligen  bearbeitung 
unterworfen  worden :    *V,  *S,  *B.    wie  sich  aus  stil  und  teclinik 

•  ich  sehe  nachträglich  dass  K.  in  der  anm.  sagt  'für  jnatmisci'afl 
sonst  das  echte  compos.  mankral't.'  dies  steht  freilich  bei  Lexer,  ist  aber 
doch  schwerlich  etwas  anderes  als  munkrafl  =  magenkraft. 


KITZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER  275 

van  V  ergibt,  stand  *V  dem  original  am  nächsten  (von  der  be- 
trächtlichen kürzung  iu  V  sehe  ich  vorläufig  ab).  *S  hat  Stil 
und  technik  geglättet,  wenig  tortgelassen,  gelegentlich  erweitert. 
*B  ist,  weil  seiner  entstehungszeit  *L  noch  minder  genügte  als 
der  von  *S,  weniger  schonend  vorgegangen  und  hat  sich  nament- 
lich starke  zusanimenziehungen  des  Inhalts  erlaubt,  wenn  man 
überall  der  hs.  B,  die  ja  keineswegs  sorgsam  ist,  trauen  darf, 
aber  selbst  sie  zeigt  dass  *ß  sich  oftmals  enger  an  den  Wortlaut 
von  *L  angeschlossen  hat  als  S,  weil  eben  B  zu  der,  angemessen 
ihrer  entstehungszeit,  conservativsten  hs.  V  so  sehr  häufig  stimmt, 
wo  S  abweicht,  ja  wir  haben  ein  par  stellen  gefunden,  an  welchen 
der  text  von  B  das  original  allein  bewahrt  zu  haben  scheint,  ist 
das  richtig,  so  geht  *B  nicht  etwa  auf  *V  zurück  —  auf  V  be- 
stimmt nicht,  weil  es  verse  enthält,  die  hierin  fehlen  — ,  sondern 
auf  *L,  und  das  ergibt  sich  auch  daraus,  dass  S  und  B  mitunter 
V  gegenüber  die  bessere  lesart  enthalten,  es  ist  aber  eine  un- 
erlaubte annähme  K.s  (Zs.  f.  d.  phil.  16,  122),  dass  in  solchen 
fällen  eine  'gemeinsame  besser ung'  seitens  BS  vorliege  und 
die  schlechtere  lesart  in  V  die  ursprüngliche  sei.  denn  wieso 
darf  er  behaupten,  *V  habe  aus  *L  und  V  aus  *V  immer  nur 
richtiges  entnommen,  da  doch  in  V  stellen  vorkommen,  die 
unmöglich  so  im  original  gestanden  haben  können?  ist  die  lesart 
von  V  gegenüber  der  gemein.samen  von  BS  unsinnig,  so  haben 
die  beiden  das  echte  eben  besser  conserviert.  'plusverse'  besitzen 
gewähr  der  echtheit,  sobald  sie  in  zwei  hss.  stehen,  nie  aber 
ist,  wenn  S  und  B  in  unbedeutenden  dingen  zusammengehen, 
zu  vergessen  dass  die  gleichen  tendenzen  beider  bearbeitungen 
ähnlichkeiten  herbeigeführt  haben  können,  die  entstehung  solcher 
ist  indes  allemal  glaubhaft  zu  machen. 

Der  voreilige  schluss  von  V,  meint  K.  s.  xiv,  sei  dem  Schreiber 
dieser  hs.  nicht  zur  last  zu  legen,  'dafür  könnte  vielleicht  sprechen 
dass  in  den  selbständigen  versen  mitteldeutsche  reime  übernommen 
sind,  wie  v.  1514  gesehen  :  niet  für  geschiet :  niet,  die  er  doch  sonst, 
wenn  auch  wenig  geschickt,  zu  ändern  verstand  wie  v.  989.  doch 
wird  auch  diese  Vermutung  hinfällig,  wenn  wir  schon  der  vorläge 
von  V  den  oberdeutschen  characler  zuschreiben  müssen.'  in 
diesem  gedankengang  finde  ich  mich  nicht  zurecht,  wenn  verse 
selbständig  sind  —  wie  kann  dann  in  ihnen  etwas  übernommen 
sein?  und  wo  sind  am  schluss  von  V  selbständige  verse?  1497  bis 
1523  sind  =  S3248— 3301  =  B  2480— 2517,  also  einem  späteren 
teil  des  vollständigen  liedes.  1524 — 27  sind  nach  1365 — 70  ge- 
bildet, bleiben  1528  —  33,  in  welchen  man  volkwich  :  Albrkh  als 
md.  reim  beanspruchen  könnte,  wenn  er  nicht  auch  obd.  möglich 
wäre,  was  den  reim  gescheen  :  nievht  (so  in  der  hs.)  anlangt,  so 
ist  das  part.  geschiet  doch  nicht  minder  md.  als  gesehen  und  989 
kann  \ch  gesiht  gar  nicht  anders  auffassen  denn  als  unvollkommene 
Schreibung  für  gesieht  geschieht,  wobei  ht  wie  so  oft  iu  V  für  t 


276  Kr^ZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

Stellt,  denn  gesiht  'vidit',  %Aoran  K.  denkt,  ergäbe  nicht  nur 
eine  'wenig  geschickte'  änderuug,  sondern  baren  unsinn.  der 
letzte  von  mir  cilierte  satz  K.s  entzieht  sich  meinem  Verständ- 
nis. —  ich  meinerseits  vveifs  nicht  zu  entscheiden,  ob  *V  oder 
V  die  kürzung  vorgenommen  haben,  und  es  ist  mehr  gefühls- 
sache,  gutes  vertrauen  zu  dem  saubereu  Schreiber  von  V,  wenn 
ich  denke:    *V. 

Meiner  ansieht  vom  hssverhällnis  widerspricht  natürlich  K.s 
textanordnuug.  so  weit  V  reicht,  musten  die  lesarten  von  B 
unter  jenes  text,  nachher  erst  unter  dem  von  S  stehen,  oder 
vielmehr:  da  doch  B  von  V  und  S  so  sehr  abweicht,  dass,  auch 
vom  rein  orthographischen  und  dialectischen  abgesehen,  mit  ver- 
schwindenden ausnahmen  stets  der  ganze  vers  citiert  werden 
muss,  so  wäre  es  übersichtlicher  gewesen,  wenn  der  text  von  B 
fortlaufend  mit  hinzufügung  der  verszahlen  von  V  und  S  oder 
einer  der  beiden  hss.  gedruckt  worden  wäre,  also  wie  in  Werners 
ausgäbe,  die  vergleicbung  wäre  mindestens  ebenso  bequem  ge- 
wesen ,  man  hätte  die  lesarten  von  S  deutlicher  übersehen  und 
B  als  ganzes  studieren  können,  dass  B  zu  einer  bearbeiluug 
Zweiter  classe  herabgedrückt  wurde,  ist  unberechtigt:  der  Basler 
Alexander  steht  genau  so  selbständig  da  als  V  und  S,  ist  sogar 
künstlerisch  betrachtet  als  abgeschlossenes  werk  wertvoller  wie 
der  nur  aus  bequemlichkeit  und  überdruss  roh  verstümmelte 
Vorauer  text. 

Diesem  'den  ursprünglichen  dialect  aufprägen  zu  wollen 
halte  ich  für  ein  wertloses  kunststück,  so  lange  es  nicht  gelingt 
seine  heimat  genau  zu  bestimmen'  sagt  K.  vorwort  s.  vi,  stellt 
aber  damit  die  dinge  auf  den  köpf,  zunächst  gilt  es  zuzuschauen, 
ob  mit  den  vorhandenen  reimen  und  spuren  eines  dem  ober- 
deutschen nicht  angehörigen  dialects  der  von  *V  sich  recon- 
struieren  lässt.  ist  das  geschehen  —  und  es  geht,  wie  ich 
Anz.  I  7S  ff  gezeigt  und  an  einem  für  mich  privatim  aufgestellten 
text  geprüft  habe  — ,  dann  gilt  es  die  herkunft  geographisch  zu 
bestimmen,  ob  das  gelingt  oder  nicht  ist  gleichgiltig  und  tut 
der  reconstructiou  nicht  den  mindesten  eintrag.  wenn  ich  aao. 
s.  87  gesagt  habe  ,  *V  sei  vielleicht  östlicher  als  im  gebiet  der 
älteren  kölnischen  oder  Jülich -bergschen  mundart  (nach  Ileinzels 
termiuologie)  entstanden  und  R.  s.  lii  dazu  bemerkt ,  diese  Ver- 
mutung sei  in  so  fern  ohne  bedeutung  als  der  rechtsrheinische 
teil  des  mittelfränkischen  einen  ziemlich  schmaleu  slreilen  bilde, 
so  entgegne  ich  dass  östlich  von  diesem  streifen  doch  die  weit 
noch  nicht  aufhört,  ich  möchte  jedoch  damit  nicht  den  schein 
erwecken,  als  ob  mir  die  preisgäbe  meiner  sehr  vorsichtigen 
äulseruug  schwer  werde,  glaube  vielmehr  gern  dass  sich  die 
heimat  von  *V  nicht  genau  bestimmen  lässt. 

Nannte  R.  einen  solchen  reconstructionsversuch  ein  wert- 
loses kunststück,  so  war  er  sich  wol  nicht  bewust,  was  er  damit 


KINZEL    LAMPRECHTÖ    ALEXANDER  277 

aussprach,  nichts  vveüiger  nämlich  als  dass  er,  was  Jacob  Grimm 
unfl  Lachmann  taten,  inJem  sie  aus  den  reimen  den  dialect  der 
schrilisleller  bestimmten  und  die  reime  als  unschätzbare  controle 
der  Überlieferung  erkennen  und  verwenden  lehrten ,  als  dass  er 
dies  zur  Spielerei  stempelte,  bequem  ist  ja  sein  vertahren  und 
so  wird  er  und  der  neueste  herausgeber  des  Rother  gewis  nach- 
folger  finden,  wenn  nicht  immer  wider  hervorgehoben  wird  dass 
solche  textgestallung,  sobald  ausreichende  mittel  zur  recoustruction 
des  echteren  vorhanden  sind,  durchaus  unwissenscbattlich  ist.  und 
wenn  nach  vorwort  s.  vi  'das  gemisch  von  md.  und  hd.  formen 
beizubehalten  war'  und  der  ursprüngliche  dialect  nicht  herzu- 
stellen —  wie  kommt  dann  K.  dazu  den  text  zu  reinigen  'in 
der  richtung  zum  md.  hin'?  das  setzt  doch  die  erkenntnis  voraus, 
dass  *V  md.  war,  und  wenn  sich  das  erkennen  lässt  —  weshalb 
zog  K.  nicht  die  notwendige  consequenz  und  gab  einen  md.  text  ? 
statt  dessen  haben  wir  einen  willkürlichen  mischmasch.  denn  es 
ist  reine  willkür  ein  teht  und  tet  der  hs.  123.  1099  in  toet, 
also  wol  tö^t  aufzulösen,  andererseits  289  deht  und  518  deht  in 
det ,  dagegen  1403  deth  in  ti'it  (vgl.  Anz.  i  86),  ebenso  aber  auch 
416  tuht  in  tut,  1228  endlich  im  anschluss  an  Anz.  i  86  deit  zu 
ergänzen,  worauf  eben  die  reime  an  allen  stellen  weisen. 

Unbedacht  ist  auch  K.s  äufserung  vorwort  s.  vi  bezüglich 
der  Sammlung  von  parallelen  in  seinen  anmerkungen:  'ich  hoffe 
hierdurch  einen  ersten  umfassenderen  anfang  für  die  kenntnis 
des  Sprachgebrauchs  und  des  geistlichen  Stils  in  der  vorclassi- 
schen  periode  gemacht  zu  haben ,  als  es  durch  behandlung  einiger 
Wendungen  in  der  einleitung  hätte  geschehen  können.'  diesen 
(stilistisch  monströsen)  salz  wird  jeder  auf  die  einleitung  Lichten- 
steins  zu  seinem  Eilhart  beziehen,  diejenigen,  welche  den  von 
Lichtenstein  eingeschlageneu  weg  nach  ihm  beschritten,  müssen 
wol  günstiger  über  den  wert  jener  erörterungen  gedacht  haben, 
und  auch  nach  meiner  ansieht  werden  wir  vom  stil  einer  kunst- 
richtung  nur  dann  eine  anschauung  gewinnen  können ,  wenn 
wir  seine  merkmale  sammeln  nicht  wie  der  zufall  der  versfolge 
sie  vorführt,  sondern  nach  einem  System.  K.  sehe  sich  einmal 
Sievers  formelverzeichnis  zum  Heliand  an  und  frage  sich,  ob 
diese  Zusammenstellungen  wol  gleich  verwertbar  und  lehrreich 
sein  würden,  wenn  sie  nach  seiner  arl  vorgeführt  worden  wären. 
K.  hat  in  texten,  commentaren  und  Wörterbüchern  weithin  umschau 
gehalten ,  die  ergebnisse  seines  fleifses  liefen  aber  gefahr  verloren 
zu  gehen,  hätte  er  nicht  durch  ein  alphabetisches  register  Ord- 
nung geschafft,  und  wenn  er  nun  noch  versucht  hätte  'durch 
behandlung  einiger  Wendungen  in  der  einleitung'  resultate  aus 
seinen  parallelen  zu  ziehen  und  sich  über  den  standpunct  des 
einfachen  Sammlers  zu  erheben  —  würde  das  wol  jemand  mit 
Verachtung  behandelt  haben  wie  er? 

Gegen  den  inhalt  der  anmerkungen  habe  ich  nur  wenig  ein- 


278  KirsZEL    LAMPRECHTS   ALEXANDER 

Wände,  zu  bringen  in  14  scheint  mir  doch  einlach  'herbei- 
bringen, lietern,  spenden'  zu  bedeuten.  —  65  schliefse  ich  mich 
heber  K.  als  Zacher  an  und  eriiläre:  'diese  darlegung  will  ich 
zu  ende  tühren  und  lüge  hinzu  dass  Salomo  bei  dem  eben  ge- 
sagten ausgenommen  war.'  —  auch  198  betrachte  ich  Zachers 
äuderung  als  unnötig,  der  liste  hängt  ab  von  frumer  (vorneme) 
und  deutet  die  beziehung  an  (ähnliche  tälle  Gr.  4,  732  nr  13. 
Paul  Mhd.  gr.-  §  266)  oder  noch  eher  die  lolge  (vgl.  Erdmann, 
Syntax  Ollrids  2,  186  unten),  der  bei  gewan  ist  altraction  durch 
den  vorangehenden  gen.  das  des  in  V  170  kann  unverändert 
bleiben:  es  bezieht  sich  auf  den  ganzen  vers  169:  'er  wurde  ein 
tüchtiger  manu  in  lolge  des  kenutnisse  gewonnen  habens  vom 
lehrer.'  —  daz  210  würde  ich  lieber  durch  'sodass'  widergeben: 
'sodass  alle  weisen  darin  erklingen  konnten.'  K.s  gihen,  welches 
=  giengen  sein  soll  und  »ui  zihen  reimt,  ist,  wenn  es  auch  in 
der  hs.  steht,  eine  uuform.  sowol  in  S  als  in  V  ist  zien :  gien 
zu  schreiben.  —  mit  gewdfen  varn  229  kann  nur  heifsen  'sich 
mit  Waffen  bewegen ,  mit  waffen  umgehen.'  unzalllch  276  'nicht 
zu  zählen',  aber  auch  'nicht  zu  erzählen.'  —  286  sine  ougen  wären 
im  allir  (V  richtiger  al  der)  vare  glich  eineme  ßiegindin  aren. 
'heifst  das:  wie  einem  adler  der  auf  raub  fliegt?'  fragt  K.  das 
epitheton  flieginde  ist  ein  ständiges  des  adlers  oder  jedes  anderen 
Vogels,  weil  fliegen  zu  ihrer  natur  gehört,  wir  bei  ihnen  gleich 
an  das  fliegen  denken;  nicht  aber  soll  damit  gesagt  sein  dass 
die  äugen  des  fliegenden  adlers  anders  aussehen  als  die  des 
sitzenden.  —  ob  V 284  daz  stunt  in  siner  tobeheit  scrien  bedeutet 
'das  fieng  an  zu  schreien'  (vgl.  noch  K.  zu  245)  oder  'das  schrie 
beständig'  weifs  ich  nicht,  halte  es  aber  für  bedenklich  zu  ändern. 
K.s  Vorschlag  da  ze  stunt  befriedigt  auch  dem  Zusammenhang 
nach  nicht.  —  V  454  kommt  mir  nicht  sinnlos  vor:  die  sezmanne 
verpflichteten  sich  dem,  welcher  die  bürg  vor  ihnen  innehatte, 
der  früher  ihr  herr  war,  ehe  Philipp  sie  ihm  abnahm  und  sie 
hinein  setzte.  —  V  484  hat  K.  den  text  verunstaltet,  in  der  hs. 
steht  daz  ich  in  zal  wäre  sagen  dh.  zalwdre  oder  ze  alwdre,  wie 
Diemer  schon  erkannte.  K.  macht  daraus  daz  ich  iu  sal  wäre 
sagen  mit  Zerstörung  der  beteuerung,  ungewöhnlicher  Wortstellung 
und  ungewöhnlichem  ivdre.  —  warum  soll  scaz  V  490  nur  'ver- 
arbeitetes edelmelair  sein?  sind  edle  gesteine  und  arbeiten  daraus 
nicht  auch  kostbar  und  kann  man  sie  nicht  auch  über  ein  ander 
legen?  —  doh  möser  getrösten  sich  1077  bedeutet  nicht  'er 
konnte  sich  trösten',  sondern  'er  tröstete  sich  natürlich' 
nach  Lachmanns  bekannter  definition  von  miiezen.  — 
V  848  do  alrc'rist  chom  ir  he're. 

owe  daz  Tyre  dö  niht  genas, 

diso  wol  ir  begagent  toas. 
statt  begagent  in  der  hs.  ganegent.    'die  bessrung  befriedigt  nicht' 
urteilt  K.,  ihr  urheber,  richtig,   sodass  man  sich  billig  wundert, 


KI.NZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDEK  279 

weshalb  er  seine  coujectur  dann  'besserung'  nennt,  auch  Zachers 
Vermutung  also  wol  er  (nämlich  Alexander)  gegaricet  was  will  mir 
nicht  recht  in  den  Zusammenhang  passen,  jedeslalls  muss  in 
der  zweiten  zeile  etwas  stehen,  das  einen  gruud  für  das  bedauern 
angibt,  al  ir  so  wol  gewegen  was?  nämlich  seitens  ihrer  biirger.  — 
V  945 f  wird  auch  durch  K.s  anm.  nicht  verständlich: 

si  fuhten  also  xoildhi  sioin, 

swes  tot  nieht  solte  sin. 
S  1317  di  fnhten  so  di  loilden  siDtii, 

wene  daz  nit  solde  sin 

ir  lebenes  dö  me. 
B  lässl  uns  im  stich,  nach  V  946  fehlen  mindestens  zwei  verse; 
mit  swin  muss  ein  salz  oder  Satzteil  enden,  swes  tot  kann  aus 
wene  dat  entstanden,  in  S  das  ursprüngliche  erhalten  sein.  — 
auch  der  nächste  reim,  über  welchen  K.  nichts  bemerkt,  darf 
schwerlich  passieren: 

V  947  Die  umbe  die  hurch  lägen, 

sie  ne  dürften  sich  des  siges  immer  gerümen. 
lagen  rührt  von  Dieraer  her,  was  K.  nicht  angibt;  die  hs.  hat 
langen.  —  ebenso  wenig  gibt  er  an  dass  Diemer  V  961  herre 
in  herren  verbessert  hat;  er  schreibt  freilich  (mit  recht)  heren. 
aber  Diemer  hat  auch  die  weitere  Überlieferung  dieses  verses 
besser  verstanden:  bedenchet  iuch  sin  ziht  löst  er  auf  in  inch  is 
in  zit,  K.  in  iuch  sin  enzit  und  Zacher  streicht  dann  sin  in  der 
anm.  am  nächsten  kommt  der  hs.  iuchs  inzit.  —  weshalb  soll 
volleiste  S  1416  mit  'alimacht'  übersetzt  werden,  was  es  doch 
nirgends  bedeutet?  'macht,  hilfe'  reicht  hin.  —  V  1109  kommt 
mir  alle,  'adv.  für  al,  nebenform  wie  bei  der  unflectierten  form' 
nach  K.,  nicht  geheuer  vor.  der  Zusammenhang  fordert  einen 
gegeusatz,  und  wenn  er  durch  eine  conjuuction  hervorgehoben  wer- 
den soll,  so  könnte  man  in  alle  eine  Verlesung  von  aue  erblicken. 
—  in  der  bemerkung  zu  V  1406  soll  der  acc.  sg.  doch  wol  sinen 
genöz  statt  genözen  lauten.  —  V  1423  kann  der  plur.  mit  allen 
ir  manigenf:  Mesopotamien)  beibehalten  werden,  da  es  sich  um 
die  scharen  mehrerer  führer  handelt.  —  nach  S  2630  oder  31 
fehlt  ein  vers.  Zachers  Vermutung  ^md  mit  ketenen  spannen  oder 
heften  scheitert  am  reim  (machen).  —  auch  sein  Vorschlag  zu  3092 
gewinnt  nicht.  B  liest  wie  S,  falls  sin  für  sinen  steht,  so  würde 
Alexander  frowete  sinen  müt  heifsen  'A.  machte  sein  herz  froh, 
heiterte  sein  gemüt  auf.'  ist  aber  Alexander  in  B  acc.  und  sin 
mut  Dom.,  dann  geht  sin  auf  Darius:  'Darius  gesinnung  erfreute 
A.'  in  S  wäre  dann  zu  schreiben  Alexandern  frowete  sin  müt. 
das  hat  den  vorteil  gröfserer  einfachheit  für  sich. 

Es  gebricht  mir  die  mufse,  auf  alle  teile  des  K.schen  buches 

gleichmäfsig  einzugehen,    ich  bemerke  daher  dass  der  ii  abschnitt 

der  einleitung  von  der  Historia  de  preliis  Alexandri  Magni  handelt, 

der  in  vom  Verhältnis  des  Alexanderliedes  zu  seiner  quelle,    um 

A.  F.  D.  A.    XI.  20 


280  KINZEL    LAMPRECHTS    ALEXANDER 

dasselbe  zu  veranschaulichen  hat  K.  unter  dem  text  die  ein- 
schlägigen stellen  der  Histoiia  (nach  einem  bedeutend  reicheren 
material  als  OZingerle  in  seinen  Quellen  zum  Alexander  des 
Rudolf  von  Ems)  und  was  sonst  noch  herbeizuzieheu  angetührt. 
die  spräche  der  deutschen  texte  wird  in  iv,  die  abt'assungszeit 
des  gedichts  und  seiner  Überarbeitung  in  v  untersucht,  nur  zu 
VI  metrik  noch  ein  par  worte. 

K.  bringt  meine  ansichten  über  die  metrik  der  vorclassischen 
md.  dichtungen  in  einen  gegensatz  zur  Amelungschen,  welcher 
mich  zu  ungünstig  stellt.  'Amelung  gieng  von  der  beobachtung 
der  tatsache  aus  und  stellte  das  beobachtete  methodisch  dar. 
Roediger  nimmt  von  vorn  herein  das  gesetz  der  einsilbigkeit  für 
die  gediclite  des  12jhs.  in  anspruch  und  sucht  .  .  .  die  ab- 
weichungen  zu  erklären'  (s.  lxviii).  danach  wäre  ich  —  das 
leuchtet  für  mich  wenigstens  heraus  —  nicht  methodisch,  sondern 
mit  vorgefasster  meinung  zu  werke  gegangen,  ich  brauche  dem 
gegenüber  nur  zu  widerholen  was  ich  vor  zwei  jähren  für  diesen 
Anz.  geschrieben  habe  (ix334):  'so  müssen  wir  bei  jedem  poeti- 
schen denkmal  das  mafs  des  erlaubten  in  ihm  selber  suchen,  in- 
dem wir  ohne  vorgefasste  meinung  herantreten.  .  .  .  dass  wir 
durch  solche  Untersuchungen  auch  auf  metrisch  mehrsilbige 
Senkungen  geführt  werden  können,  wird  kein  vernünftiger  be- 
streiten, aber  entartung  sind  sie  zweifellos,  da  nie  im  deutschen 
zwei  völlig  gleichbetonte  silben  neben  einander  stehen. .  . .'  des- 
halb frage  ich  überall  nach  der  metrischen  einsilbigkeit  der 
Senkungen  und  auch  Amelung  geht  naturgemäfs  Zs.  f.  d.  phil. 
3,253  sofort  an  die  Untersuchung,  wie  es  stehe  um  'die  all- 
gemeine regel  der  mhd.  metrik,  wonach  die  einsilbigkeit 
der  Senkung  unverbrüchliches  gesetz  ist.'  der  einzige  unter- 
schied zwischen  Amelung  und  mir  ist  der,  dass  er  für  die  von 
ihm  untersuchten  mitteldeutschen  denkmäler  eine  andere  er- 
klärung  der  nach  classischem  mafs  mehrsilbigen  Senkungen  gibt 
als  ich  für  die  von  mir  geprüften  oberdeutschen,  dies  aber 
kann  gar  nicht  anders  sein,  weil  wir  wissen  dass  das  mittel-  und 
niederdeutsche  nicht  in  dem  grade  zu  kürzungen  geneigt  war 
als  das  oberdeutsche,  sodass  dort  vieles  in  der  tat  zweisilbig 
bleibt,  was  durch  die  oberdeutsche  dialectische  ausspräche 
metrisch  einsilbig  wird,  wie  aber  K.  s.  lxix  sagen  kann ,  er  sehe 
in  den  metrisch  mehrsilbigen  Senkungen  'nichts  den  classischen 
gesetzen  im  princip  widersprechendes',  das  ist  mir  ein  rätsei. 

Da  metrisch  zweisilbige  Senkungen  in  V  und  S  nachweisbar 
sind,  hält  K.  wie  es  scheint  die  geseizc  der  verschleifung  für 
aufgehoben,  wenigstens  führt  er  s.  lxix  künege  gewän  50.  tihte 
der  4.  himel  der  111.  wände  des  29  unter  den  zweisilbigen 
Senkungen  an.  dies  halle  ich  in  so  fern  iiir  unberechtigt,  als  nur 
durch  lockere  handhabung  der  sprachlich  mehrsilbigen,  aber 
metrisch  einsilbigen  Senkung  die  entstehung  der  metrisch  mehr- 


KI>ZEL    LAMPRECHTS    ALEXA>DER  281 

silbigen  sich  erklärt  (vgl.  Scherer  Denkm.*  415  f).  für  unbe- 
rechligl  halte  ich  es  auch,  die  länge  der  verse  dadurch  herabzu- 
drücken, dass  man  dreisilbigen  auftact  ansetzt,  was  mir  K.  s.  lxx 
als  schwanken  auslegt,  war  wolbedachte  vorsieht,  denn  unmög- 
lich darf  man  alles,  was  sich  der  metrik  nach  in  den  auftact 
bringen  lässt,  ohne  rücksicht  auf  den  sinn  hineinstecken,  der 
auftact  ist  nur  ein  anlauf  zur  ersten  hebung  und  muss  deshalb 
sprachlich  (oder  rhythmisch)  und  logisch  schnell  überwindbar 
sein,  es  ist  daher  gänzlich  verfehlt,  das  wichtigste  im  satz  zum 
auftact  zu  ziehen,  wie  es  K.  nicht  selten  tut.  zb.  163  die  meisterl 
die  Alexander  ouch  geican.  meister  ist  gewis  kein  nebensächliches 
wort:  sie  treten  neu  auf  und  von  ihnen  ist  in  einer  gröfseren 
zahl  von  versen  weiter  die  rede,  das  wort  muss  die  erste  hebung 
tragen,    der    vers   erhält   also    einsilbigen    auftact    und    5,    nicht 

4  hebungen;  zweisilbige  Senkung  Ale-,  oder  194  zerchennen  j 
daz  gestirne  unt  ouch  sineti  ganc.  auf  das  erkennen  kommt  es 
an,  also  wie  vorhin,  zweisilbige  Senkung  nnt  ouch.  273  er 
sprach  'daz  /  sol  dem  derz  alrerst  bescride.  nicht  auf  sol,  sondern 
auf  dem  ruht  der  logische  accent;  er  sprach  steht  aufserhalb  des 
Verses  und  mag  gestrichen  werden,  daz  sol  ist  auftact.  401  wan 
eines  j  tinges   trag   ich    iu   ubelen  miit.      eines   hat  den   tou ,    also 

5  hebungen  mit  einsilbigem  auftact  und  der  zweisilbigen  Senkung 
ich  iu.  473  diz  was  Darios  ter  in  Danigel  steit.  K.  hat  nicht 
gemerkt  dass  sowol  in  V  als  in  S  immer  nach  deutscher  weise 
Ddrius,  Ddrjus  betont  wird,  auf  der  ersten  silbe.  —  ich  brauche 
kaum  hinzuzufügen  dass  sich  mir  so  das  bild  der  metrik  völlig 
anders  gestaltet  als  K. 

Es  wäre  ungerecht,  wollte  man  nicht  anerkennen  dass  K. 
sich  einer  mühsamen  und  weilschichligeu  arbeit  mit  grofsem  fleifs 
und  beharrlicher  geduld  hingegeben  hat,  und  wer  in  ähnlicher 
läge  ist  wie  er,  wird  auch  wissen  dass  eine  zerstückte  arbeitszeit 
und  häufiges  abreifsen  des  fadens  so  manchen  nachteil  mit  sich 
führt,  gewis  hat  auch  der  begreifliche  wünsch,  nach  sieben 
Jahren  der  beschäftigung  mit  einem  und  demselben  gegenständ 
endlich  abzuschliefsen,  das  zurückschieben  dieser  und  jener  dar- 
legung  veranlasst,  welche  nicht  gerade  notwendig  ist,  mimerhin 
aber  das  buch  geziert  und  das  litterarhistorische  Verständnis  der 
dichtungen  erleichtert  hätte,  gerade  weil  ich  diese  entschul- 
digungsgründe  gelten  lasse,  darf  ich  sagen  dass  mir  manches 
misraten  scheint  und  das  offene  geständnis  machen  dass  ich  bes- 
seres von  K.  erwartet  halte. 

Berlin  15.  4.  85.  Max  Roediger. 


20* 


282  LITTERATURNOTIZ 

LiTTERATUR  NOTIZ. 

Otto  Lücke,  Goethe  und  Homer  (besonderer  abdruck  aus  dem  oster- 
programm  der  k.  klosterschule  zu  llt'eld  a.H.).  Nordhausen,  druck 
von  CKirchner,  1884.  51  ss.  40.  —  L.  stellt  mit  gründlichem 
fleifse  die  Zeugnisse  für  Goethes  beschäftigung  mit  Homer  zu- 
sammen, berücksichtigt  auch  kleine  flüchtige  anspielungen  in 
werken,  brieten  und  gesprochen  und  weist  zahlreiche  Homerische 
stellen  nach,  aus  denen  stoft"  und  worle  geschöpft  sind,  aber 
die  folgen  dieses  für  Goethes  entwickelung  äul'serst  lehrreichen 
und  teilweise  symptomatischen  Verhältnisses  hat  er  viel  zu  wenig 
beachtet.  L.  verfährt,  als  ob  er  einen  dichter  des  17  oder  der 
ersten  hälfte  des  18  jhs.  vor  sich  hätte;  dawar  äufserliches  ent- 
lehnen von  namen,  motiven  und  phrasen  der  brauch  und  hier 
ist  mit  einem  register  derselben  die  arbeit  zumeist  getan.  Goethe 
aber  eignete  sich  seine  Vorbilder  innerlich  an  und  vor  allem 
lauschte  er  ihnen  das  geheimnis  des  dichleus  ab.  L.  kommt  über 
das  excerpieren  selten  hinaus,  er  bezeichnet  zwar  die  italienische 
reise  als  einen  einschnitt  in  Goethes  Stellung  zu  Homer,  hebt 
aber  nicht  genügend  heraus  dass  Goethe  vorher  mit  Herder 
Homer  als  naturdicliter  schätzt,  sich  wie  Winckelmann  in  die 
epen  stimmungsvoll  versenkt,  aber  das  Studium  der  Homerischen 
technik  kaum  weiter  treibt  als  Lessing  und  Herder;  dass  er 
während  und  nach  der  reise  selbständige  beobachtungen  hierüber 
anstellt,  dass  ihm  Homer  als  künstler  lebendig  wird,  dass  sich 
ihm  das  natürliche  in  den  epen  nun  gesteigert  otTenbart  als  die 
natur.  und  hierin  wird  nun  Herder  Goethes  schüler,  während 
weiterhin  der  jüngere  aus  des  älteren  freundes  äufserungen  in 
den  Hören  und  Humanitätsbriefen  (VVW  18,  429;  17,  344)  wider 
neue  bestärkung  seiner  ansichten  gewinnen  mochte.  Bernays  hat 
in  der  einleitung  zu  Goethes  brieten  an  FAWolf,  auf  die  sich  L. 
für  Goethes  verhalten  zur  Homerischen  frage  bezieht,  das  thema 
des  programmes  schon  tiefer  gefasst.  aus  der  kurzen  bemerkung 
Scherers  LG  550  konnte  L.  lernen  dass  es  zb.  hei  der  betrach- 
tung  der  Kömischen  elegien  nicht  mit  der  aushebung  von  ein 
par  Homerischen  namen  und  Wendungen  allein  getan  ist.  auch 
die  feine  andeutung  Scherers  (Westermanns  monalshefte  46, 
741),  wie  die  Vorliebe  für  Odyssee  und  llias  wechselt  mit  den 
Stimmungen  und  Situationen  Goethes,  hat  L.  nicht  ausgeführt, 
dass  er  die  Würdigung  der  Nausikaa  in  engen  schranken  hält, 
begreift  sich  bei  den  Schwierigkeiten,  welche  dies  fragment 
bietet,  aber  die  Achilleis  nuiste  er  genauer  untersuchen;  wer 
den  gesang  offenen  sinues  liest,  kann  nicht  sagen  dass  'Goethes 
gOtter  und  beiden  mehr  denken  und  sprechen  als  bandeln.'  überall 
eben  muste  der  gegenständ  tiefer  angefasst  wei'den.  sonst  ist 
die  mühsame  und  erkleckliche  materialsammlung  sehr  zu  loben 
und  das  zuverlässige  gerüste  lockt  zum  ausbau.  wer  ihn  unter- 
nimmt, wird  L.s  Vorarbeit  dankbar  benützen.         B.  Seuffert. 


BIBLIOGRAPHIE    lA  283 


Verzeichnis   der   auf  dem  gebiete  der  neueren  deut- 
schen   LITTERATUR    IM    JAHRE    1884    ERSCHIENENEN    WISSEN- 
SCHAFTLICHEN  PUBLICATIONEN. 
VON  Philipp  Strauch. 

Ursprünglich  bestand  die  absiclit,  diese  bibliographische  Übersicht  über 
den  ganzen  Zeitraum  von  Luthers  auftreten  bis  zu  Goethes  tod  auszudehnen, 
da  aber  inzwischen  die  gesellschaft  f.  d.  phil.  in  Berlin  beschlossen  hatte, 
ihren  Jahresbericht  vom  laufenden  bände  an  (vgl.  auch  vorwort  dazu  s.  in) 
um  die  lilteratur  des  16jhs.  zu  vermehren,  und  es  weder  in  der  absieht 
des  leiters  der  Zs.  noch  in  der  meinen  liegen  konnte,  eine  zwecklose  con- 
currenz  hervorzurufen,  so  wurden  nachträglich  als  zeitliche  gränzen  die 
jähre  1624  und  1832  festgestellt,  innerhalb  dieser  periode  habe  ich  zwar 
nach  möglichster  Vollständigkeit  getrachtet,  bin  mir  indes  sehr  wol  bewust 
dass  eine  absolute  nicht  erreicht  wurde,  vielleicht  überhaupt  nicht  erreicht 
werden  kann;  denn  so  manche  der  zahlreichen  periodischen  bll..  welche 
einschlägige  mitteilungen  enthalten,  lassen  sich  in  folge  ihrer  blofs  localen 
bedeutung  und  Verbreitung  nur  schwer  oder  gar  nicht  beschafifen.  selbst 
das  mafs  dessen,  was  ich  nunmehr  vorlege,  würde  ich  nicht  haben  bieten 
können,  hätte  ich  nicht  bei  mehreren  befreundeten  fachgenossen  bereitwil- 
lige Unterstützung  gefunden,  ich  lebe  der  holTnung  dass  mir  für  die  Zu- 
kunft noch  tatkräftigere  beihilfe,  namentlich  seitens  der  Verfasser  solcher 
aufsätze,  die  in  schwer  zugänglichen  zss.  zur  veröfTentlichuug  gelangen,  zu 
teil  werden  wird  und  bitte  hier  im  Interesse  der  sache  ausdrücklich  um  ge- 
fällige Zusendung  von  separatabdrücken. 

Die  nachstehende  bibliographie  hält  sich  streng  in  dem  rahmen  des 
j.  1884,  spätere  erscheinungen,  auch  recensionen,  wurden  gar  nicht,  frühere 
nur  dann  berücksichtigt,  wenn  von  ihnen  1884  referate  oder  anzeigen  heraus- 
kamen; in  diesem  falle  ist  dem  titel  ein  Sternchen  vorgesetzt  und  die  an- 
gäbe von  Seitenzahl  und  formal  blieb  fort,  ich  habe  das  ganze  in  zwei 
hauptabschnitte  zerlegt,  von  denen  der  erste,  die  litteraturgeschichte,  in 
mehrere  alphabetisch  geordnete  Unterabteilungen  zerfällt,  während  der  zweite, 
das  alphabetische  Verzeichnis  der  einzelnen  Schriftsteller,  eine  weitere  glie- 
derung  nicht  gestattete,  jedoch  möchte  ich  dazu  bemerken  dass  immer  zu- 
nächst die  werke  eines  jeden  autors  (und  zwar  erst  die  gesammtausgaben, 
dann  die  einzeldrucke),  darauf  seine  briefe,  endlich  die  schritten  über  ihn 
aufgezählt  wurden;  es  erstreckt  sich  also  die  alphabetische  folge  stets  nur 
auf  diese  gruppen,  welche  ich  in  fällen,  wo  die  litteratur  besonders  umfang- 
reich war,  auch  äufserlich  durch  spatien  von  einander  abhob,  nicht  auf  alles, 
was  von  dem  betr.  Schriftsteller  überhaupt  aufnähme  fand,  wenn  ich  meine 
künde  von  einem  erzeugnis  der  Goethe -litteratur  nur  aus  der  Zusammen- 
stellung im  Goethe-jb.  bd.  vi  schöpfte,  habe  ich  dieses  zu  eitleren  nicht 
unterlassen. 

lA.   Sammelwerke. 

Deutsche  nationallitt,  hist.-krit.  ausg.  unter  mitwirkung  von  dr  Arnold  ua. 
hg.  von  JKürschner.  bd.  1  ff .  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann,  1883.  84. 
8.  —  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  v  5  (Geiger).  DLZ  nr  15  (Roediger).  Zs.  f.  d. 
österr.  gymn.  35,  122  (Sauer).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  32.  51  (Boxberger). 
Nord  und  süd,  sept.  s.  399.     Litt,  merkur  nr  19  (Stein).  [1 

Wiener  neudrucke  hg.  von  ASauer.  heft  1  ff.  Wien,  Konegen,  1883.  84. 
8.  —  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  v  5  (Geiger).  Neue  freie  presse  nr  7152 
abendbl.  (Schmidt).     D.  litteraturbl.  vii  nr  33  (Prosch).  [2 

DLD  des  18  und  19jhs.  in  neudr.  hg.  von  BSeuffert.  nr  7 — 19.  Heil- 
bronn, Henninger,  1883.  84.     8.  —    Zs.  f.  d.  gebildete  weit  v5   (Geiger). 


284  BIBLIOGRAPHIE    lAB 

Bll.  f.  d,  bayr.  gymnasialschulwesen  20,  230  (Koch).  Bll.  f.  litt,  unterb. 
nr  2  (Boxberger).     Anz.  x  2S9  (Steinmeyer).  [3 

iB.     LiTTERATÜRGESCHICHTE.      GESAxMMTDARSTELLDNGEN. 
Gesch.  der  deutseben  litt,  von  EBrenning'.     1  halbbd.    Lahr,  Schauenburg, 
1SS3,  auf  dem  Umschlag  1884.    viii,  400.    8.  —  Nord  und  süd,  sept.  s.  405. 
Bll.    f.  d.  bayr.   gymnasialschulwesen    21,  176   (Bauer).     D.   litteraturbl.  vi 
nr  41.  VII  nr  37  (Matthiesen).  [4 

Gesch.  der  deutschen  nalionallitt.  nebst  kurzgefasster  poetik  f.  schule  und 
Selbstbelehrung  von  GBrugier.  mit  vielen  proben  und  einem  glossar. 
7  verb.  und  verm.  aufl.  Freiburg  i/B.,  Herder,  lxxviii,  775  mit  einer  tabelle. 
S.  —  Bist.  pol.  bll.  94,  605  und  Litt,  rundschau  nr  16  (Mutb),  [5 

Lexicon  der  deutschen  dichter  und  prosaisten  von  den  ältesten  zeiten  bis 
zum  ende  des  ISjhs.  bearb.  von  FBrümmer  (Universalbibl.  nr  1941  bis 
1945).     Leipzig,  Reclam.     612.     16.  [6 

Grundzüge  der  deutschen  litteraturgesch.  ein  hiifsbuch  f.  schulen  und  zum 
privatgebrauch  von  drGEgelhaaf.  3  aufl.  mit  Zeittafel  und  register.  Heil- 
bronn, Henninger.  viii,  160.  8.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil. 
nr6  (Sprenger).  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  20,318  (Baldi).  Bll. 
f.  litt,  unterb.  nr  51  (Boxberger).  Zs.  f.  d.  ösferr.  gymn.  36,  215  (Prosch).  [7 
♦Deutsche  litteraturgesch.  materialien  und  leitfaden  f.  mittlere  und  höhere 
lehranstalten  und  zum  Selbststudium  von  Geerling.  Wiesbaden,  Gestewitz, 
1882.  —  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  20,320  (Baldi).  [8 

*Grundriss  zur  gesch.  der  deutschen  dichtung.  aus  den  quellen  von  KGoe- 
deke.  3  bde.  Dresden,  Ehlermann,  1856 — 1881.  —  D.  rundschau,  märz 
s.  474.     Gegenwart  nr  26.  [9 

Gesch.  der  deutschen  lilt.  f.  höhere  lehranstalten  wie  zum  privat-  und  Selbst- 
unterricht von  FMGredy.  7  durchaus  umgearb.  aufl.  von  dr  ADenk.  mit 
neuer  Orthographie.     Mainz,  Kirchheim,     viii,  200.     8.  [10 

♦Histoire  des  doctiines  litferaires  et  estbetiques  en  Allemagne  (Opitz,  Leibniz, 
Gottsched,  lesSuisses)  parEGrucker.  Paris,  Berger-Levrault  &  cie,  1883. — 
Litt,  centralbl.  nr  13  (Koch).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr4  (Muncker). 
Acad.  bll.  1,  369  (Antoine).     AZ  nr  197B.  (Borinski).  [11 

AdeGubernatis  Storia  universale  della  letteratura  [bd.  14  behandelt  satiren 
und  epigramme  von  vCanitz,  Goethe,  Heine,  Neukirch,  Schiller;  bd.18  Leibniz]. 
Milano,  Hoepli.     8.  [12 

♦Register  zu  Hettners  Litteraturgesch.  des  18jhs.  mit  berücksichtigung 
aller  aufl.  von  dr  RGrosse.  Braunschweig,  Vieweg,  1883.  —  Bll.  f. 
lilt.  unterb.  nr  4  (Asher).  D.  rundschau,  aug.  s.  319.  DLZ  nr  36  (Schmidt). 
D.  litteraturbl.  vn  nr  40  (Matthiesen).  [13 

Gesch.  der  deutschen  lilt.  von  ihren  anfangen  bis  auf  die  neueste  zeit  von 
FHirsch.  bd.  2.  Von  Luther  bis  Lessing.  a.  u.  d.  t.  Gesch.  der  weltlitt. 
v  2.     Leipzig  u.  Berlin,  Friedrich.     688.     8.  [14 

Gesch.  der  deutschen  nationallilt.  zum  gebrauche  an  höheren  unterrichtsan- 
stalten  und  zum  Selbststudium  bearb.  von  dr  HKluge,  15  verb.  aufl. 
Altenburg,  Bonde.  viii,  242.  8.  —  AZ  nr  239B.  (Muncker).  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  36,51  und  Zs.  f.d.gymnasialwesen  39,51  (Seidel).  Wissensch.  beil.  d. 
Leipziger  ztg.  nr  79  s.  470  (Rifl'ert).  [15 

Kleine  deutsche  litteraturgesch.  mit  proben  aus  den  werken  der  besprochenen 
dichter  von  lehrer  WMardner.     Mainz,  Kirchheim,   in,  203.    8.  [16 

Allgem.  litteraturgesch.  von  dr  PNo  rren  berg.  in  3  bden.  bd.  3.  Münster 
i/W.,  Russell,  xii,  403.  8.  —  Hist.  pol.  bll.  93,  625.  Wiener  Jitt.  band- 
weiser nr  1.  Bll.  f.  litt,  unterb.  nr  30  Die  poesie  vor  dem  richterstuhle 
ultramontaner  krilik  (Weddigen).  Stimmen  aus  Maria-Laach  26,  573  (Baum- 
gartner).  [17 

From  Opitz  to  Lessing,  a  study  of  pseudo-classicism  in  literature  by 
ThSPcrry.     Boston,  Osgood  it-  cie.     vi,  207.     8.  [18 

♦Die  deutsche  lilteiahirgesch.  in  den  hauptziigen  ihrer  entwicklung  sowie 
in  ihren  hauptwerken  dargestellt  und  den  höheren  lehranstalten  Deutschlands 


BIBLIOGRAPHIE   IBC  285 

gewidmet  von  FPfalz.  2  teil.  Die  litt,  der  neueren  zeit.  Leipzig,  Brand- 
stetter,  1S83.  —  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  3S,  4SS  (Jonas).  [19 

♦Gesch.  der  deutschen  litt,  von  WScherer.  Berlin,  Weidmann,  1SS3.  — 
Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  14  s.  82.  Gegenwart  nr3  (Schmidt). 
Neueevang.  kirchenztg.  nrS.  Grenzboten  nr  6.  Nationalztg.  nr  47  (Lindner). 
Revue  crilique  nr  15,  vgl.  nr  6  s.  116  (Bessert).  DLZ  nrlS  (Jacoby).  Sonn- 
tagsbeil, zur  Voss.  Ztg.  nr  5  (Pröhle).  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  vi  5  s.  231 
(Geiger).  Prot,  kirchenztg.  f.  d.  evang.  Deutschi,  nr  29.  31.  32  (.\rndt).  D. 
rundschau,  dec.  s.  466.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr51  (Boxbergei).  Zs.  f.  allg. 
gesch.,  kultur-,  litt.-  und  kunstgesch.  1,313  (Sauer).  D.  Wochenschrift  nr  2-5 
(Munckei).     D.  montagsbl.  nr  S  (Schlenlher).  [20 

dasselbe,  zweite  ausg.  Berlin,  Weidmann,  xii,  814.  S.  —  Wissensch. 
beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  S6  s.  514  (.Müller- Frauenstein).  Litt,  rundschau 
nr  15  (Vockeradt).  [21 

Deutsche  dichter  und  denker.  gesch.  der  deutschen  litt,  mit  probensamm- 
lung  f.  schule  und  haus  bearb.  von  drPSehrwald.  2  durchaus  umgearb. 
aufl.  2  bde.  bd.  2  a.  u.  d.  t.  Deutsche  dichter  und  denker  in  proben, 
mottos,  selbst- bekenntnissen  und  urteilen  der  Zeitgenossen  und  nachweit, 
litterarhist.  auswahl  f.  alle  freunde  der  deutschen  litt,  bearb.  Altenburg, 
Bonde,  1883.  84.  vn,  559.  xii,  1076  mit  eingedr.  holzschn.  8.  —  Zs.  f.  d.  österr. 
gynin.  35,  650.  656  (Kummer).  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  79 
s.  470  (Riffen).  [22 

Gesch.  der  neuern  litt,  von  AStern.  von  der  frührenaissance  bis  auf  die 
gegenwart.  in  6  bden  oder  12  büchern.  Leipzis:,  Bibliogr.  Institut,  1883.  b4. 
viii,  302.  454.  402.  434.  5S2.  512.  8.  —  Acad.  bll.  1,  112  (Sonnenburg). 
AZ  nr85B.  (Muncker),  Arcb.  f.d.  Studium  d.  neueren  spr.  72,  105  (Schefflen. 
Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr43  s.  253  (Riffert).  [23 

*Gesch.  der  deutschen  nationallitt,  zum  gebrauche  an  österr.  schulen  und 
zum  Selbstunterrichte  bearb.  von  PStrzemcha.  3  verb.  aufl.  Brunn. 
Knauthe,  1883.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  348  (Prosch).  [24 

Leitfaden  f.  den  Unterricht  in  der  gesch.  der  deutschen  nationallilt.  f.  höhere 
lehranstalten  bearb.  von  GWirth.  2  verm.  und  verb.  aufl.  Berlin,  Wo- 
gemuth.     208.     8.  [25 

s.  auch  [136.  512. 

iC.     LiTTERATÜRGEgCHICHTE.       MO.NOGRAPHIE.N. 

Berthold  .\uerbach,  briefe  an  seinen  freund  Jacob  .\uerbach  ein  biogr, 
denkmal.  mit  Vorbemerkungen  von  FSpielhagen  und  dem  hg.  2  bde. 
[enihält  viele  einschlägige  litt,  nolizen,  zb.  über  Goethe,  vgl.  Goethe-jb. 
6,  440].  Frankfurt  a/M.,  Litt,  anstalt  (Bütten  u.  Löning).  xvii,  413. 
482.     8.  [26 

*Das  kath.  deutsche  kirchenlied  in  seinen  singweisen  von  den  frühesten 
zelten  bis  gegen  ende  des  17  jhs.  von  KS.Meis  ter.  bd.  2.  aufgrund  älterer 
hss.  und  gedr.  quellen  bearb.  von  WBäumker.  Freiburg  IB..  Herder,  18S3. 
—  Litt,  centralbl.  nr  7.  AZ  nr  92.  93  B.  (vLiliencron).  Tübinger  theol. 
quartalschrift  66,  519  (.Mesmer).  DLZ  nr  37  (Bellermann).  Anz,  x  413 
(Martin).  Hist.  pol.  bll.  94,  402.  Litt,  rundschau  nr  4  (KrampO-  Der 
katholik  51,  510  (Selbst),  vgl.  auch  juliheft.  [27 

Geschichls-  und  lebensbilder  aus  der  erneuerung  des  religiösen  lebens  in 
den  deutschen  befreiungskriegen  von  WBaur.  2  bde.  4  sehr  veränd.  aufl. 
Hamburg,  agentur  des  rauhen  hauses.  xii,  432.  480.  8.  —  D.  litteraturbl.  vn 
nr  18  (Sillem).  Die  post  nr  298  beil.  Neue  evang.  kirchenztg.  sp.  733.  [2S 
Die  wichtigsten  dichter  des  evang.  kirchengesanges  nebst  Inhaltsangabe  ihrer 
bekanntesten  lieder  von  .ABecker.  Bernbur^,  Bacmeister.  47.  8.  [29 
Findlinge  von  ABirlinger.  Alem.  12,  98  f  [auszug  aus  CJBougines  progr. 
des  gymn.  illustre,  Karlsruhe  1779:  Sind  unsere  zelten  die  erleuchteten,  in 
dem  ua.  Gellerts,  Klopstocks,  Wielands  poesie  berührt  wird].  [30 

Zur  litteraturgesch.  des  18  jhs.  aus  Sanders  reisen  von  ABirlin<^er 
Alem.  12,  196.  [31 


2S6  BIBLIOGRAPHIE    IC 

Gesell,  des  romans  und  der  ihm  verwandten  dichtungsgattungen  in  Deutsch- 
land von  FB  obertag.  1  abteilung.  Bis  zum  anfang  des  ISjhs.  bd.  2,  2. 
Berlin,  Simion.  iv,  211,  8.  —  DLZ  nr  22  (Seiißert).  Bll.  f.  litt,  unteih. 
nr32  (Boxberger).  Litteratuibl.  f.  germ.  u.  rem.  phil.  nr  10  (Koch).  [32 
Die  erste  gesammtausg.  der  Nibelungen  von  JG  rüger  [enthält  die  capitei 
Bodmer  und  die  Nibelungen.  ChrHMüller.  Die  Nibelungenpublication,  aufser- 
dem  mitteilungen  von  und  über  Boie,  Breitinger,  Sulzer  ua.].  Frankfurt 
a,M.,  Litt,  anstalt  (Bütten  u.  Löning).  iii,  144.  8.  —  DLZ  nr  32  (Stein- 
meyer). Litt,  centralbl.  nr48.  [33 
Göttinger  Zeitungen  von  HEllissen.  Neuer  anz.  f.  bibliogr.  und  bibliothek- 
wissensch.  45,  309.  [34 
Bilder  aus  der  deutschen  Vergangenheit  von  GFreytag.  14  aiifl.  bd.  3. 
Aus  dem  jh.  des  grofsen  Krieges.  Leipzig,  Hirzel.  480.  8.  [35 
Zur  gesch.  der  hamburgischen  bildung  in  der  1  hälfte  des  17  jhs.,  1  teil,  von 
dr  KFried  laender  [ans:  Festschrift  zur  50jährigen  Jubelfeier  des  real- 
gymn.  des  Johanneunis  zu  Hamburg,  veröffentl.  vom  lehrercoilegiumj.  Ham- 
burg, Nolte.  31.  4.  [36 
Die  Lutherlitt,  vor  100 jähren,  zugleich  ein  beitr.  zur  gesch.  der  kath.  auf- 
klärung  von  drCGeiger.  Deutsch-evang.  bll.  9,221.  [37 
Die  litteralurgeschichlsschreibung  unserer  zeit  von  AG  o  e  r  t  h.  Pädag. 
VII  1.  [38 
Zur  biogr.  neuerer  deutscher  dichter  [ua.  Heine,  Grillparzer]  von  BvGott- 
schall.  Unsere  zeit,  juli  und  aug.  [39 
Fünfzehn  essays  von  HGrimm.  1  folge.  3  verb.  und  verm.  aufl.  [enthält 
s.  139  fr  neudr.  von  Goethe  in  Italien.  Schiller  und  Goethe.  Goethe  und 
die  Wahlverwandtschaften.  Goethe  und  Suleika.  Goethe  und  Luise  Seidler. 
HvKleists  grabstätte.  Schleiermacher.  Varnhagens  tagebücher].  Berlin, 
Dümmler.  vn,  561.  8.  —  D.  rundschau,  dec.  s.  478.  [40 
*  Liederbuch  des  deutschen  Volkes  hg.  von  KHase,  FD  ahn  u.  KR  einecke, 
neue  aufl.  Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtel,  1S83.  —  AZ  nr  1  B.  (Steub).  Ma- 
gazin f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  5  (Dahn).  [41 
Shakespeare-Untersuchungen  und  Studien  von  KKHense  [enthält  als  3  capitei 
s.  225 — 31G  (früher  schon  ediert  im  Shakespeare-jb.  v.vi)  Deutsche  dichter 
in  ihrem  Verhältnis  zu  Shakespeare:  Lenz,  maier  Müller,  Klinger,  Schiller, 
Goethe,  Lessing,  HvKleist,  Tieck,  romantische  schule  (Eichendoi ff)].  Halle, 
Waisenhaus.  641.  S.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  24  (Asher).  [43 
Holteis  autographensammlung  [enthält  viele  autographen  bekannter  lit- 
teraturgröfsen  des  hier  behandelten  Zeitraumes].  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  642.  [43 
Des  rapports  intellectuels  et  littoraires  de  la  France  avec  l'Allemagne  avant 
1789  par  ChJoret.  discours  prononce  ä  la  rentree  des  facultes  de  l'aca- 
demie  d'Aix  le  10  dec.  1SS3.  Paris,  Hachette  &  de.  46.  S.  zusätze  und 
verb.  dazu  vom  verf.  Revue  crilique  nr  47  s.  426f.  —  Revue  critique  nr  14. 
DLZ  nr  45  (Suphan).  [44 
Die  kritischen  und  moralischen  Wochenschriften  Magdeburgs  in  der  2  hälfte 
des  18  jhs.  von  Kawerau.  Geschichtsbll.  f.  sladt  und  land  Magdeburg 
XIX  3. 4.  [45 
Aus  der  stürm-  und  drangzeit.  erinnerungen  eines  epigonen  von  ALindner. 
Neue  freie  presse  nr7102  rnorgenbl.  [46 
*Der  Pantheismus  in  der  poetischen  litt,  der  Deutschen  im  18  und  19jh. 
von  dr  HMensch.  progr.  der  realschule  zu  Giefsen  1883.  —  Arch.  f.  d. 
Studium  d.  neueren  spr.  71,452  (Hölscher).  [47 
Basels  concertwesen  im  18  und  zu  anfang  des  19jhs.  von  PMeyer.  Basler 
jb.  s.  181.  [48 
Die  pflege  der  deutschen  poesie  auf  den  sächsischen  fürstenschulen  im  2  viertel 
des  vorigen  jhs.  von  Peter.  Mitteilungen  des  ver.  f.  gesch.  der  Stadt  Meifsen 
bd.  1  heft  3.  [49 
Bilder  österr.  Vergangenheit  und  gegenwart  von  PvRadics  [1.  Eine  verschol- 


BIBLIOGRAPHIE    IC  287 

lene  predigt  Abrahams  aSClara.  2.  Die  älteste  österr.  damenzs.  1792.  3.  Zur 
biogr.  AGrüns].     Auf  der  böhe  1,  226.  [50 

Gesthichtliches  über  den  streit  zwischen  den  anhangern  der  alten  class. 
litt,  und  der  modernen  bis  zum  17  jh.  einschliefslich  vonPRaths.  2  teil, 
progr.  des  progymn.  zu  SWendel.     33.     4.  [51 

Der  Unterricht  an  den  höheren  schulen  Mecklenburgs  im  16  und  17  jh.  von 
ARische.     progr.  der  realschule  zu  Ludwigslust.    27.    4.  [53 

Gesch.  des  pietismus  von  ARitschl.  bd.  2.  Der  pietismus  in  der  luth. 
kirche  des  17  und  IS  jhs.  1  abteilung  [enthält  characteristiken  von  JArndt, 
PhJSpener,  J\VFetersen,.AHFrancke, G.Arnoki].  Bonn,. Marcus.  viii,590.  S.  [53 
*Gesch.  des  deutschen  liedes  vonESchure.  eingel.  von  AStahr.  3  auü. 
mit  einem  vorwort  von  OSchwebel.  allein  berechtigte  deutsche  ausg. 
Minden  i;W.,  Bruns,  1SS3.  —  Acad.  bll.   1,314  (Weddigen).  [54 

*  Deutsche  fürsten  als  dichter  und  schriftsteiler,  mit  einer  auswahl  ihrer 
dichtungen.  von  den  Hohenstaufen  bis  zur  gegen  wart  von  FXSeidl. 
Regensburg,  Coppenralh,  1883.  —  Hist.  pol.  bll.  94,  152  und  Litt,  rundschau 
nr  18  (Muth).  [55 
Deutsche  kultur  und  litt,  des  IS  jhs.  im  licht  der  zeitgenössischen  italieni- 
schen krilik  von  dr  ThThiemann  i.  progr.  der  realschule  in  Dresden- 
Neustadt.  39.  4.,  auch  im  Arcli.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  72,  241 
abgedr.  —  Arch.  f.  d,  Studium  d.  neueren  spr.  72,  456.  [56 
Die  facultätsstudien  zu  Düsseldorf  von  der  mitte  des  16  bis  zum  anfang  des 
19jhs.  von  T  önn  ies.  progr.  d.  höheren  bürgeischule  zu  Düs>eldoi f.  4S.  S.  [57 
Gesch.  d.  deutschen  volkspoesie  seit  dem  ausgange  des  mittelalters  bis  auf 
die  gegenwart.  in  ihren  grundzügen  dargest.  von  dr  FHOW  e  d  dige  n. 
München,  Callwey.  xvi.  360.  S.  —  Europa  nr25.  DLZ  nr41  (Seidel). 
Grenzboten  nr  45  s.  267  (Kossinna,  s.  DLZ  1SS5  sp.  S87).  Saturday  review 
nr  1512.  Auf  der  höhe  4,307  (Fastenrath).  [58 
Die  deutsche  memoirenlitt.  vouprof.  dr  FvWegele.  D.  rundschau.  juli  s.  72.  [59 
Shakespeares  Vorspiel  zu  Der  widerspänstigen  Zähmung,  ein  beitr.  zur  vgl. 
lilteraturgesch.  von  AvW  eilen  [berücksichtigt  ua.  die  dem  stoff  nach  ein- 
schlägigen werke  von  JBidermann  (Utopia),  Giillparzer  (Traum  ein  leben), 
ChWeise  (Der  träumende  bauei),  ChFWeifse  (Der  teufel  ist  los)].  Frank- 
furt a/M.,  Litt,  ansialt  (Rütten  u.  Löning).  93.  S.  —  DLZ  nr41.  GGA 
nrl4  (Varnhagen).                                                                                               [60 

*  Frankfurter  gelehrte  anzeigen  vom  j.  1772  (DLD  7.  8).  Heilbronn,  Henninger, 
1883.  —  ßerl.  (agebl.  nrl72:  Aus  dem  j.  1772  (.Mauthner).  Litteralurbl.  f. 
germ.  u.  rom.  phil.  nr  1  (Koch).  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  v5  s.  219  (Geiger). 
i\nz.  X  362  (Burdach).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  2  (Boxberger).  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  35,  349  (Minor).  Arch.  f.  lilteraturgesch.  12,  622  (vBiedermann).  Na- 
tionalztg.  nr  69  (Schmidt).  [61 
Bilder  aus  vergangener  zeit  nach  mitteilungen  aus  grofsenteils  ungedr.  fa- 
rnilienpapieren.  Iteil.  1760  — 1787  (Bilder  aus  Piter  Poels  und  seiner  freunde 
leben)  [enthält  aufser  allgemeinen  beitr.  zur  litleralurgesch.  des  18  jhs.,  ins- 
besondere zur  gesch.  der  Hamburg-Holsteinischen  familien  Busch,  Hanbury, 
Poel,  Reimarus,  Vosht,  Sieveking,  auch  auszüge  aus  briefen  des  JHVoss  und 
seiner  ehelrau  (s.  6Sff),  sowie  aus  solchen  Therese  Heynes  (s.  332  fr)].  Ham- 
burg, agentur  des  rauhen  hauses.  467.  8.  —  DLZ  nr22  (Koser).  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  24  (Kleinschmidt).  Litt,  centralbi.  nr36.  D.  litteralurbl.  vi 
nr  48  (Sillem).  [62 
Die  kath.  demente  in  der  deutschen  litt.  Grenzboten  nrlS.  23.  25.  28. 
33.  34.  [63 
Die  pädagogischen  bestrebungen  Erhard  Weigels  1653—1699,  prof.  der  math. 
in  Jena,  ein  beitr.  zur  gesch.  der  pädagogischen  zustände  im  17  jh.  von 
drAlsrael.  separatabdr.  aus  dem  14jahresber.  des  seminars  zuZschopau. 
Zschopau,  Raschke.  59.  8.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  zig.  nrl02 
s.  611.  [64 
Das  Verhältnis  des  lateinischen  und  deutschen  in  der  deutschen  litt,  während 
der  letzten  drei  jhh.    Frankf.  ztg.  nr325  beil.  [Zusammenstellung  des  Inhalts 


288  BIBLIOfiRAPHIE    (CD 

der  messkataloge  des  deutschen  buchhandels  aus  den  j.  1564  —  IS46  nach 
GSchwelschkes  Codex  nundinarius  Germaniae  lilteratae].  [65 

iD.    Geschichte  des  dramas  u>d  des  tueaters. 
Zum  Studium    des  englischen    und   deutschen  Shakespeare  von  MBernays. 
AZ  nr307— 309B.  [66 

*Das  Schwiegeilingsche  Puppenspiel  vom  doktor  Faust  zum  ersten  male  h§. 
von  ABiels  c  h  0  wsky  (progr.  der  gewerbeschule  zu  Brieg  1882).  —  Anz. 
X  397  (Werner).  [67 

Die  entwicklung  der  oper  von  ihren  ersten  anfangen  bis  auf  die  gegenwarr. 
eine  philos.-krit.  Studie  von  ABlanc.     Nord,  rundschau  2  heft  2.  [68 

Faust-    und    Wagner  -  pantomimen    in    England    von   ADieb  1er.      Anglia 

7,  341.  [69 
Das  nd.  Schauspiel,  zum  kulturleben  Hamburgs  von  KThGaedertz. 
bd.  1.  Das  nd.  drama  von  den  anfangen  bis  zur  Franzosenzeit.  bd.  2.  Die 
plattdeutsche  comödie  im   19  jh.     Berlin,  Hofmann  i- cie.     xvi,  253.  xvi,  2S1. 

8.  —  D.  ztg.  nr  4519.  4524  morgenbl.  (Lindner).  D.  Wochenschrift  nr  44 
(Brahm).  Litteraturbl.  f.  gern),  u.  rom.  piiil.  nr  11  (Holstein).  Rostocker 
ztg.  nr  214.  269  (Bechstein).  AZ  nr  69B,  und  Daheim  nr47  (Stinde).  Hamb. 
nachr.  nr  132  (Riccius).  Germania  nr  159  (Abels).  D.  litteraturbl.  vii  nrl7 
(Kallsen).  Nationalztg.  nr  441  (Lindnei).  Wis?ensch.  beil.  d.  Hamb.  cor- 
resp.  nr  17.  18  (Prellei).  Mecklenb.  anz.  nr203  (Hofmeister).  D.  revue,  ort. 
s.  123.  Nord  und  süd,  nov.  s.  297.  Die  post  nr329  beil.  3.  [70 
Das  nd.  Schauspiel  von  Ekhof  bis  zur  Franzosenzeit  von  KThGaedertz. 
D.  revue,  april  s.  75.  [71 
*Class.  frauenbilder  von  RGenee.  aus  dramatischen  dichtungen  von  Shake- 
speare, Lessing,  Goethe,  Schiller.  Berlin,  Gärtner,  1883.  —  D.  litteraturbl. 
vii  nr  1  (Gast).  [72 
Über  tragische  schuld  und  sühne,  ein  beitr.  zur  gesch.  der  aesthetik  des 
dramas  von  dr  JGöbel  [berührt  Lessing,  stürm  und  drang,  Herder,  Goethe 
und  Schiller].  Berlin,  Duncker.  vin,  108.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  47.  [73 
*Das  moderne  drama  der  gegenwart  dargestellt  in  seinen  richtungen  und 
hauptvertretern  von  AKlaar.  1  abteilung.  Gesch.  des  modernen  dramas  in 
umrissen  (Das  wissen  der  gegenwart  ix)  [behandelt  Lessing,  Goethe,  Schiller, 
HvKIeist,  Grillparzer].  Leipzig,  Freytag.  Prag,  Tempsky,  1883.  —  Magazin 
f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  3.  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  36.  218  (Über- 
horst). [74 
Der  bauer  im  deutschen  drama  des  18jhs.  von  JLau  tenbacher.  Frankf. 
Ztg.  nr  41.  [75 
Vom  Wiener  volkstheater  (nach  Schiögl)  von  FLemmerma  yer.  Xational- 
ztg.  nr  206.  [76 
Die  Nibelungen  auf  der  deutschen  bühne  (Fouque,  Hebbel,  Geibel,  Dalin, 
Wilbrandt)  von  ALindner.  D.  Wochenschrift  nr  52.  [77 
Die  engl,  comödianten  zur  zeit  Shakespeares  in  Österreich  von  JiVIeifsner 
(Beitr.  zur  gesch.  der  deutschen  litt,  und  des  geistigen  lebens  in  Osterreich 
4).  Wien,  Konegen.  vni,  198.  8.  —  Litt,  merkur  nr  1 1.  Grenzboten  nr2. 
Wiener  fremdenbl.  nr  9.  D.  Wochenschrift  nr  3  (Brandl).  D.  litteraturbl.  vi 
nr  45  (Lösche).  Wiener  allgem.  ztg.  nr  1439.  Die  presse,  Umärz.  Saturday 
review,  15märz  nrl48l.  Gegenwart  nr  10.  D.  rundschau,  april  s.  157.  Litt, 
centralbl.  nr  22  (Creizenach).  DLZ  nr  44.  D.  ztg.,  25  märz.  Academy 
nr  639,  Athenaeum  nr  29tU  s.  122.  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil. 
nr  11  (Muncker).  Jb.  d.  d.  Shakespcaregesellsch.  19,311  (Cohn),  Zs.  f. 
d.  öbttrr.  gynm.  36,217  (Brandji.  [78 
Die  englischen  comödianten  in  Oslerreicli  von  J.Meifsner.  Jb.  d.d.  Shake- 
spearegesellsch.  19,  113.  [79 
*  Gesch.  der  Schauspielkunst  in  Frankfurt  a/M.  von  ihren  ersten  anfangen 
bis  zur  eröffnun;^  des  städtischen  comödienhauses.  ein  beitr.  zur  deutschen 
kultur-    und  theatergesch.  von  EMentzel.     mit  2  abbildungen.     Frankfurt 


BIBLIOGRAPHIE    IDE  289 

a/M.,  Völcker,  1S82.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg;.  nr  46  s.  270 
(Proelss).  [80 

Die  entwickelung  eines  neuen  dramatischen  styls  in  Deutschland  von  JMlnck- 
witz  (Deutsche  zeit-  und  Streitfragen  203).  Berlin,  Habel.  47.  8.  [81 
Die  entstehung  der  deutschen  oper  von  dr  LNohl.  D.  Wochenschrift 
nr  43.  [82 

♦Gesch.  des  theaters  in  Biberach  von  1686  bis  auf  die  gegenwart  von  prof. 
dr  0  f  terdin  ger.  Würtembergische  vierteijahrsh.  1883  s.  36.  113.  229.  — 
DLZ  nrlö  (Seuffert).     Jb.  d.  d.  Shakespearegeseilsch.   19,362.  [83 

Die  ersten  Jahrzehnte  der  oper  zu  Leipzig  von  JOOpel.  Neues  arcb.  f. 
sächs.  gesch.  und  allertumsk.  5,116.  [84 

Schauspieler  in  Schwalbach  von  FOtto.  Ann.  d.  ver.  f.  nassauische  aller- 
tumsk. und  geschichtsforsch.  18,  27.  [85 
*  Weihnachtslieder  und  krippenspiele  aus  Oberösterreich  und  Tirol  gesamm. 
und  hg.  von  WPailler.  bd.  2.  Spiele  mit  31  singweisen.  Innsbruck, 
Wagner,  1883.  —  Bll,  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Schlossar).  [86 
*Gesch.  des  neueren  dramas  von  RProelss.  bd.  3.  1  hälfte.  Das  neuere 
drama  der  Deutschen  bis  Lessing.  2  hälfle.  Von  Goethes  auftreten  bis  auf 
unsere  tage.  a.  u.  d.  t.  Gesch.  der  dramatischen  litt,  und  kunst  in  Deutsch- 
land von  der  reformation  bis  auf  die  gegenwart.  2  bde.  Leipzig,  Schlicke, 
1883.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom,  phil.  nr  5  (Koch).  Litt,  centralbl. 
nr  24.  Saturday  review  nr  1460.  [87 
Die  Wiener  Volksbühne  von  MRemy.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  30. 
31.  32.  [88 
Die  theatralischen  aufführungen  der  Stiftsschüler  zu  Zeitz  im  16.  17  und 
18  jh.  von  LRothe.  Neue  mitteilungen  aus  dem  gebiet  bist,  antiq.  forsch. 
16,  431.  [89 
Vier  dramatische  spiele  über  die  zweite  Türkenbelagerung  aus  den  j.  1683 
bis  1685  (Wiener  neudr.  8).  Wien,  Konegen'.  vi,  58.  8.  —  DLZ  nr  31. 
Litt,  centralbl.  nr  36  (Creizenach).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).  [90 
Aus  der  kriegsgesch.  des  deutschen  theaters  von  ESchmidt.  Neue  freie 
presse  nr  7097  morgenbl.  [91 
Aachener  schuldramen  des  ISjhs.  von  Schwenger.  Zs.  des  .Aachener  ge- 
schichtsver.  v  3.  4.  [92 
Deutsches  bühnenleben  im  vorigen  jh.  kultur-  und  litteraturgeschichtliches 
aus  Kestners  bandschriftenarchiv  mitgeteilt  vonASohr.  Neues  Lausitzisches 
magazin  ux  266.  [93 
Das  symbolische  und  allegorische  drama  von  RWegener  (enthalten  in  des- 
selben: Aufsätze  zur  litt.  2  (titel-)  aufl.  Berlin,  Wallroth,  1882,  nunmehr 
Lentz,  1884.  vii,  258.  8.).  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  23  (Waldmüller).  [94 
s.  auch  [915.  1104.  1105. 

iE.    Geschichte  der  poetische.n  u>d  metrischen  form. 
♦Die  äufsere  form  nhd. dichtung  von  RAssmus.    Leipzig,  Liebeskind,  1882.  — 
Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  2  (Muncker).  [95 

♦Der  trochaeus  und  die  deutsche  spräche  von  dr  RBecker  (Festschrift  zu 
dem  300jährigen  Jubiläum  des  k.  gymn.  zu  Goblenz,  hg.  von  dem  director 
des  gymn.  dr  JPßinsfeld ,  s.  17  —  31).  Goblenz,  Krabben,  1882.  —  Arcb. 
f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,  445  (Hölscher).  [96 

Deutsche  poetik.  theoretisch-practisches  handbuch  der  deutschen  dichtkunst. 
nach  den  anforderungen  der  gegenwart  von  CBeyer.  bd.  3.  a.  u.  d.  t. 
Die  technik  der  dichtkunst.  anleit.  zum  vers-  und  strophenbau  und  zur 
Übersetzungskunst.     Stuttgart,  Göschen,     xiii,  276.     8.  [97 

Die  kunst  der  rede,  lehrbuch  der  rhetorik,  Stilistik,  poetik  von  dr  AC  al  mberg. 
Leipzig  u.  Zürich,  Orelli,  Füfsli  &  de.  viii,  290.  8.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn. 
35,  929  (Stowasser).  [98 

Die  poesie,  ihr  wesen  und  ihre  formen  mit  grundzügen  der  vgl.  lilteratur- 
gesch.  von  MCarriere.  2  umgearb.  aufl.  Leipzig,  Brockhaus.  xi,  706. 
8.  —  Litt,  centralbl.  nr  11.     DLZ  nr  15  (Minor).     Gegenwart  nr  13  (vHart- 


290  BIBLIOGRAPHIE    IE.     II 

mann).  AZ  nrGlB.  (Ziel).  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  19  (Grün). 
Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  20,  452  (Koch).  Nationalztg.  nr  715 
(Lasson).  [99 

Über  den  wert  der  beobachtung  in  der  poesie  von  LFulda.  Bll.  f.  litt, 
unterh.  nr  50.  [100 

Einführung  in  das  Studium  der  dichtkunst.  n  Das  Studium  der  dramatischen 
kunst  von  AGoerth.  Leipzig,  Klinkhardt.  xviii,  411.  8.  —  Arch.  f.  d. 
Studium  d.  neueren  spr.  72,448.  [101 

Die  körperlichen  gestalten  der  poesie  von  FKö gel.  Hall.  diss.  46.  8.  [102 
Het  sonnet  en  de  sonneltendichters  in  de  nederlandsche  en  buitenlandsche 
letlerkunde  door  ASKok.  Tijdschr.  voor  nederlandsche  taal-  en  letter- 
kunde  iv  113.  [103 

Die  kunst  des  Vortrags  von  EP  a  1 1  e  s  k  e.  2  aufl.  Stuttgart,  Krabbe. 
XVI,  276.     8.  [104 

Lehrbuch  der  poetik  f. höhere  lehranstalten  von  dir.  drChFASchus  ler.  2 aufl. 
Clausthal,  Grosse,     xii,  83.     8.  [105 

Lehrbuch  der  deutschen  poetik  f.  höhere  mädchenschulen  und  lehrerinnen- 
bildungsanstalten  von  drHStohn.  Leipzig,  Teubner.  vii,  100.  8.  [106 
Gesch.  des  sonettes  in  der  deutschen  dichtung.  mit  einer  einleit.  über 
heimat,  entstehung  und  wesen  der  sonettform  von  dr  HWelti.  Leipzig, 
Veit  &  de.  vi,  255.  8.  —  Gegenwart  nr  46  (Ziel).  DLZ  nr  52  (Minor). 
AZ  nr314.  3158.  (Bormann).  [107 

II.    Alphabetisches  verzeichisis  der  Schriftsteller. 

Abbt,  Th.:  ThA.  ein  beitr.  zu  seiner  biogr.  von  EPentzhorn.  Giefsner  diss. 
Berlin,  Rose  (nunmehr  Löwenthal).  2  bll.,  102.  8.  —  DLZ  nr  46  (Wer- 
ner). [108 

Abraham  aSCl  ÄRA :  Judas  der  ertzschelm  (auswahl)  von  FB  ober  tag  (D.  nalio- 
nallitt.  bd.  40).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  xiv,  368.  8.  —  Litt, 
centralbl.  nr  15.  [109 

Merks  Wien!  bearb.  und  hg.  von  ThEbner  (üniversalbibl.  nr  1949.  1950). 
Leipzig,  Recbim.     180.     16.  [110 

AaSCI.  in  den  hauptzügen  seines  lebens  und  characters  von  Ebner.  Neue 
bll.  aus  Süddeutschland  f.  erziehung  und  Unterricht  xiii  2.  [111 

AaSCI.  Vortrag  von  Superintendent  HR  o  term  und.  Hannover,  Feesche.  32. 
8.  —  Theol.  litteraturbl.  sp.  253.  [113 

8.  auch  [50. 

Adersbaoh,  A.    s.  [113. 

Albert,  H.:  Gedichte  des  Königsberger  dichterkreises  [Adersbach,  Behm,  Dach, 
■I  Ganiper,  Kaldenbach,  Koschwitz,  (Lineniann,)  Mylius,  Opitz,  Robertin,  Sand, 
(Thilo.)  Tilz,  Wilkaw]  aus  HA.s  Arien  und  Musikalischer  kürbishütle  (1038 
bis  1650)  hg.  von  LHFischer  (Neudr.  deutscher  litteralurwerke  des  16  und 
17jhs.  nr44— 47).  Halle,  Nienieyer,  1883  [die  2  hälfte  erschien  laut  Schmutz- 
titel 1884].  xxxxviii,  303.  8.  [113 
HA.  musikbeil.  zu  den  gedichlen  des  Königsberger  dichterkreises  von  REi  tu  er 
(Neudr.  deutscher  litteralurwerke  des  16  und  17jhs.  nr 48).  Halle,  Nie- 
meyer,    in,  20.     8.                                                                                        [114 

Albinus,  JG.:  Alle  menschen  müssen  sterben  von  Zahn.  Bll.  f.  hymno- 
logie  nr  7.  [115 

Alxinger.  JB.    briefe  s.  [1116. 

Andrea,  JV.:  VA.  als  pädagog  von  dr  KHüllemann.  1  teil,  progr.  der 
Leipziger  Thomasschule  und  zugleich  Leipz.  diss.  Leipzig,  Hinrichs  sort. 
22.    4.  [116 

s.  auch  [886. 

Angei.us  Silesius  s.  [904. 

Anthon,  P.  :  Reisebeschreibung  eines  hofpredigers  [PAnthon  (Anton)]  aus  dem 
17. jh.     Zs.  f.  kirchl.  wissensch.  u.  kirchl.  leben  5,604.649.  [117 

Arndt,  EM.:  EMA.,  FLJalin  und  das  deutsche  vaterlandslied  von  prof.  dr  Euler. 
Nationalztg.  nr  703.  [118 


BIBLIOGRAPHIE    II  291 

Arndt,  EM.:  üvHutlen.  EMA.  TliKörner.  Denksteine,  biogr.  berühmter 
männer,  f.  d.  Jugend  bearb.  von  OHöcker.  bd.  2  mit  3  portraits  in  holz- 
schn.     Leipzig,  Wigand.     121.     8.  [119 

EMA.  der  deutsche  reichsheroid.  biogr.  und  characteristik  von  drGLoesche 
[Biographien  zu  der  Sammlung  class.  deutscher  dichtungen  i].  Gotha,  Perthes. 
74.     S.  —  D.  iitteraturbl.  VII  nr  45  (Keck).  [120 

EMA.  ein  beiden-,  propheten-  und  märtyrerbild.  gedenkbl.  zum  29  jan.  als 
A.s  todestag  von  lic.  drLoesche.     Deutsch-evang.  bll.  9,73.  [121 

EMA.  und  Preufsens  deutscher  beruf:  Hist.  vortr.  von  GvNoorden,  ein- 
gel.  und  hg.  von  W'Maurenbrecher  (Leipzig,  Duncker  und  Humblot) 
s.  201.  [122 

Arndt,  J.    s.  [53. 

vArnim,  LA. :  Halle  und  Jerusalem.  Studentenspiel  und  pilgerabenteuer  (Volks- 
bibl.  f.  knnst  u.  wissensch.  hg.  von  RBergner  nr  3).  Leipzig,  Brückner. 
297.     12.  [123 

*Hollins  lieheleben,  ein  roman.  neu  hg.  und  mit  einer  einl.  vers.  von 
JM  i  n  0  r.  Freibui g  i/B.  u.  Tübingen,  Mohr,  1883.  —  Anz.  x  187  (Seulfert).  [124 
*Tröst  einsamkeit.  hg.  von  dr  FPfaff.  mit  10  abbildungen.  Freiburg  i/B.  u. 
Tübingen,  Mohr,  1883.  —  Anz.  x  187.  419  (Seuffert).  Litt,  centralbi.  nrll. 
DLZ  nr21  (Minor).    Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr6  (Muncker).      [125 

vArnim,  B. :  Zu  Bellinas  bildnis  von  LEGrimm  (1S38)  von  RKönig.  Daheim 
nr  44.  [126 

Arnold,  G.  :  GA.  als  kirchenhistoriker,  mystiker  und  geistlicher  liederdichter. 
ein  beitr,  zur  Würdigung  GA.s  von  AWRösel  mü  1 1er.  progr.  der  real- 
schule  und  des  progymn.  zu  Annaberg.  Annaberg,  Graser.  34.  4.  [127 
s.  auch  [53. 

vAuERSPERG,  A.:  MKolbenheyer,  FHebbel  und  AGrün  (mit  briefen  und  einem  un- 
gedr.  gediclite  von  AGrün).  mitgeteilt  von  LAFrankl.  Neue  freie  presse 
nr  6957  morgenbl.  [128 

Ein  brief  AGrüns  an  EvBauernfeld.     D.  Wochenschrift  nr  2.  [129 

*Die  poesie  AGrüns  von  FKunz.  progr.  der  k.  k.  deutschen  staatsoberreal- 
schule  in  Trautenau  1882.  —  Zs.  f.  d.  österr,  gymn,  35,  157  (Presch).  [130 
s.  auch  [50. 

AiJRB.\CHER,  L. :  Zum  100jährigen  geburtstag  LA.s  von  MBrasch.  lllustr.  ztg. 
nr  214S.  [131 

LA.  1784 — 1847.  ein  beitr.  zur  deutschen  litteraturgesch.  von  JSarreiter. 
München,  Lindenauersche  buchh.  (Schöpping).  [13'3 

Zu  LA.s  lOOjährigem  Wiegenfeste.     AZ  nr237B.  [133 

vBacs.anyi,  G.  geb.  Baumberg:  Aus  dem  leben  einer  Wiener  dichterin  von 
EWert  heimer.     Neue  freie  presse  nr  7194  morgenbl.  [134 

Bälde,  J.:  Garmina  lyrica.recogn.annotationibusque  ilinstr.  rect.  prof.  p.  d.  BM  al- 
ler, 0.  S.  B.  ed.  nova  (titulata).  Regensburg,  Coppenrath.  xviii,  466  und 
annotaliones  144  mit  portrait  des  verf.s.     12.  [135 

Baujiberg,  G.  s.  [134. 

Becker,  S.:  Vor  hundert  jähren.  EvdReckes  reisen  durch  Deutschland  1784  bis 
1786,  nach  dem  tagebuch  ihrer  begleiterin  SB.  hg.  und  eingel.  von  lic.  dr 
GKaro  und  drMGeyer  (Coli.  Spemann  bd.61).  Stuttgart,  Spemann.  248. 
8.  —  Litt,  centralbi.  nr37.  [136 

Behm,  M.    s.  [113. 

Behrisch,  EW. :  *EWB.  (1738  — 1809).  ein  bild  aus  Goethes  freundeskreise  von 
WHosäus  (sepaiatabdr.  aus  Anhaltische  mitteilungen).  Dessau,  Reifsner, 
1883.  —  GGA  nrl5  (Sauer).  [137 

Bertuch,  FJ.  :  Briefe  [von  Campe,  Dohm,  Grofsmann,  Herder,  Kiamer  Schmidt, 
GMKraus,  JvVoigts,  Wittenberg]  an  B.  mitgeteilt  von  LGeiger.  Acad. 
bll.  1,  Iff.  vgl.  116  f.  [138 

s.  auch  [992. 

BlDERMANN,    J.     S.    [60. 

BoDMER,.]J.:  *  Vier  kritische  gediciite  (DLD 12).  Heilbronn,  Henninger,  1883. — 
Litteraturbl.  f.  germ.   u.  rom.  phil.  nr  1   (Koch).      Bll.  f.  litt,  unterh.   nr  2 


292  BIBLIOGRAPHIE    11 

(Boxberger).     Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  349  (Minor).      Arch.  f.  lilteralur- 
gesch.  12,  5SS  (Grüger).     D.  litteratuibl.  vi  ni  41  (Proscli).  [139 

BoDMER,  JJ.:  Das  erste  nhd.  minnelied  von  JC  rüger.  Zs.  f.  d.  ph.  16,  S5.  [140 
♦Karl  von  Burgund  ein  trauerspiei  (nach  Aeschylus)  (DLD  9).  Heilbronn, 
Henninger,  1S83.  —  Bll.f.d.  bayr. gymnasialschul wesen  20,235  (Keiper).  [141 
Rache  der  Schwester,  HomerübersetzuDg  s,  [461. 

B.  über  Goethe  1773  —  1782  (aus  dem  ungedr.  nachlass  B.s  auf  der  Zürcher 
stadtbibl.)  mitgeteilt  von  JCrüger.     Goethe-jb.  5,  177.  [142 

s.  auch  [11.  33. 

BoiE,  HCh.  s.  [33. 

VBOSDELI,  J.    S.    [Uli. 

vBoRN,  F.  briefe  s.  [1116. 

Börse,  L.:  Unbekannte  aphorismen  B.s  (1811  und  1812)  mitgeteilt  von  LGeiger. 
Frankf.  Ztg.  nr  96.  [143 

Unbekannte  aphorismen  B.s  mitgeteilt  von  LGeiger.    Gegenwart  nr  14.     [144 
B.s  geburtshaus  in  Frankfurt  a/M.  von  WKa  ulen.    Ulustr.  ztg.  nr2125.     [145 

Böttiger,  K.\.:  *  Beitr.  zur  characterislik  KAB.s  und  seiner  Stellung  zu  JGvHer- 
der  von  RLindemann.  Görlitz,  Förster,  1883.  —  Berl.  phil.  Wochenschrift 
nr  12  (Düntzer).  [146 

s.  auch  [168.  660.  989. 

vBrawe,  JW.  s.  [1101. 

Breitinger,  JJ.    s.  [11.  33.  461. 

Brentano,  C.:  *Guslav  Wasa  (DLD  15).  Heilbronn,  Henninger,  1883.  —  Bll. 
f.  litt,  unterh.  nr  2  (Boxberger).  D.  litteraturbl.  vi  nr  41  (Prosch).  [147 
CB.  von  RKönig.     mit  B.s  bildnis  von  LEGrimm.    Daheim  nr  48.       [148 

Brion,  f.  s.  [427—429. 

Brockes,  BH.  s.  [1100. 

Burg,  JF. :  Allgem.  und  vollständiges  evang.  gesangbuch  f.  d.  k.  preufs.  schlesi- 
schen  lande,  also  eingerichtet,  dass  es  in  allen  evang.  gemeinden  zu  ge- 
brauchen ist,  indem  man  darinnen  die  erbaulichsten  lieder  aus  allen  in 
Schlesien  zeilhero  üblichen  gesangbüchern  zu  allgem.  erbauung  zusammen- 
getr.  hat.  nebst  angefügtem  gebetbuch  von  JFß.  (neudr.).  Breslau,  Korn. 
IV,  1194  und  anhang  29S.     8.  [149 

Bt'RGER,  GA.:  Gedichte  hg.  von  drASauer  (D.  nationaliitt.  bd,  78).  Berlin  u. 
Stuttgart,  Spemann.  lx.wii,  538.  8.  —  Acad.  bll.  1,  554  (Koch).  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  51  (Boxberger).  [150 

Der  kaiser  und  der  abt.  Leonore  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten 
nr  7S).     Lahr,  Schauenburg.     17.     S.  [151 

Der  schwank  vom  kaiser  und  abt  von  RSprenger.  Acad.  bll.  1,324.  [152 
Zu  B.s  Lenardo  und  Blandine  von  RKöhler.  Zs.  f.  d.  ph.  16,  362.  [153 
La  bailade  de  Lenore  en  Grece  par  MJPsichari.  Revue  de  l'histoire  des 
religions  9,27,  auch  separat  Paris,  Leroux.  —  Bll.  f.  d.  bayr.  gymnasial- 
schui wesen  21,  151  (Krunibacher).  [154 

Der  wilde  jager.  Das  lied  vom  braven  manne  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinken- 
den boten  nr  101).  Lahr,  Schauenburg.  15.  8.  [155 
Der  wilde  Jäger  von  B,  und  eine  characterislik  des  dichters  von  HWohl- 
that.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  5.  6.  7.  [156 
Des  freiherrn  von  Münchhausen  wunderbare  reisen  und  abenteuer  zu  wasser 
und  zu  lande  aus  dem  engl,  übersetzt,  mit  18  illustr.  von  PhSporrer.  2  aufl. 
Leipzig,  Anielang.  95.  8.  [157 
Beitr.  zur  deutschen  litteralurgesch.  des  18jiis.  aus  hslichen  quellen  von 
AKluckhohn.  ii  B.s  und  Höltys  aufnähme  in  die  deutsche  gesellsch. 
zu  Götlingen.  B.s  ursprüngliche  abhandinng  Über  eine  deutsche  Übersetzung 
des  Homer,  seine  lehrtätigkeit.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  61.  [158 
Der  dichter  G.\B.  als  richter,  nach  actenstücken  von  ALeverkühn.  0. 
revue,  juli  s.  85.  [159 
GAB.  von  llPröhle.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  26.  27.  [160 
s.  auch  [1000. 
Campe,  JH.:    Robinson    der  jüngere.      ein   lesebuch   f.   kinder.      neue    ausg.. 


BIBLIOGRAPHIE   II  293 

durchges.  von  MMoltke.  prachlausg.  mit  4  bildern  in  farbendr.,  gezeichnet 
und  Jilh.  von  HLeuteiiiann.     3  aufl.     Leipzig,  Gebhardt.     iv,  239.     8.     [161 

Campe,  JH.:  Robinson  der  jüngere,  ein  leiebuch  f.  kinder.  kleine  ausg. 
6  aufl.  mit  einem  titelbiide  von  HLeutemann  in  holzschn.  Leipzig,  Gebhardt. 
IV,  271.     8.  [162 

[.riefe  s.  [138. 

vCanitz,  FRL.  s.  [12.  1100. 

vChamisso,  A.:  Lebenslieder  und  -bilder.  liedercyclus.  illustr.  von  PThumann. 
6aiifl.  Leipzig, Tilze.  48  bil.  mit  holzschn. -Ornamenten  und  8  lichtdr.  4.  [163 
Ein  deutsches  fest  in  den  Vogesen  [Chamissofeier  auf  bürg  Nideck]  von 
EKossmann.     Gegenwart  nr  29.  [164 

Peter  Schlemihls  wundersame  gesch,  nach  des  dichters  tode  neu  hg.  von 
JEHitzig.  mit  anm.  und  vocabulair  zum  übersetzen  ins  engl,  von  FSchröer. 
12  aufl.    illustr.  schulausg.     Hamburg,  Richter.     93.     8.  [165 

AvCh.  von  GHofmeister.     Berlin,  Gaertner.    30.    4.  [166 

Claudius,  M.:  *  Ausgewählte  werke,  mit  einem  lebensbiide  und  mit  anm.  hg.  von 
WFlegler  (Universalbibl.  nr  1691—1695).  Leipzig,  Reclam,  1883.  —  Bll. 
f.  litt,  unterh.    nr  7  (Sanders).  [167 

vCocHEM,  IVl.   s.  [795—797. 

CosTExoBLE,  KL.:  Der  burgschauspieler  C.  ungedr.  brief  an  CABöttiger.  von 
HALier.     Neue  freie  presse  nr7118  morgenbl.  [168 

vCronegk,  JF.  s.  [HOL 

Dach,  S.  s.  [113. 

Dei.nhardstein,  JL.  s.  [989. 

Denis,  M.  s.  [637. 

DiEDE,  Ch.  s.  [584.  585.  588.  589. 

Dieterich,  C:  Sage,  sitte  und  litterargeschichlliches  aus  den  'predigten  des 
CD.  in:    Findlinge  von  ABirlinger.     Acad.  bll.  1,293,  [169 

vDoHM,  ChW.  s.  [138.  182. 

Döring,  MW.:  Über  conrector  MD.  den  dichter  des  bergmannsgrufses.  ein  beitr. 
zur  sächs.  dichter-  und  gelehrtengesch.  von  prof.  dr  BRichter.  progr.  d. 
gymn.  zu  Freiberg  i/S.     Freiberg,  Gerlach.     52.     4.  [170 

Eckermann,  JP. :  JPE.s  verse  über  Grlllparzer  in  Hillers  album.  aus  Kürschners 
Signalen  (Goethe-jb.  6,437).  [171 

s.  auch  [466. 

Edzardus,  S.:  Eine  nd.  Spottschrift  auf  den  Hamburger  patrioten  von  1724 
von  HHolstein.     Jb.  f.  nd.  sprachforsch.  9,  75.  [172 

vEichendorff,  J.:  *Sämmtliche  poetische  werke.  3  aufl.  4  bde.  Leipzig, 
Amelang,  1883.  —  Acad.  bll.  1,56  (Minor).  [173 

*E.s  ansieht  über  romant.  poesie  im  zusammenhange  mit  der  doctrin  der 
romant.  schule,  aus  den  quellen  dargelegt  von  RDietze.  Leipzig,  Fock, 
1883.  —  DLZ  nr  35  (Minor).  [174 

JvE.  von  ASchöll:  Gesammelte  aufsätze  zur  class.  litt,  alter  und  neuerer 
zeit  s.  246.  [175 

s.  auch  [42. 

Ernst,  herzog  von  Sachsen -Gotha:  *  Herzog  Ernsts  des  frommen  special-  und 
sonderbahrer  bericht  Wie  nechst  göttlicher  verleyhung  die  knaben  und  mägd- 
lein  auff  den  dorffschaften  und  in  den  Städten  die  unter  dem  untersten  haullen 
der  schul-jugend  begriffene  kinder  im  fiirslenthumb  Gotha  kurlz  und  bündig 
unterrichtet  werden  können  und  sollen.  Gotha  1642.  mit  krit.-hist.  und 
sachlichen  erläuterungen  von  JMüller  (Sammlung  seilen  gewordener  pädag. 
Schriften  früherer  Zeiten  hg.  von  Aisrael  und  JMüller.  heft  10).  Zschopau, 
Raschke,  1883.  —  DLZ  nr  50  (Paulsen).  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger 
Ztg.  nr2  s.  11.  [176 

Eschen,  FA.  s.  [866. 

Fabricius,  F.:  Friedrich  F.  oder  Friedrich  Funke?  von  Bode.  Bll.  f.  hymno- 
lo-ie  nr8.  9.  10.  [177 

Feder,  JGH.  s.  [194. 


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siker  xiii).  Wien  und  Leipzig,  Picliler,  1SS3.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gynin. 
35,  93ü  (Zimmermann).  [179 

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litteralurgescb.  12,  .5(35.  [181 

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litteralurgescb.   12,  56S.  [182 

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FouyuE,  F.  de  la  Motte:  ündine  eine  märchendichtung,  illustr.  von  JHöppner. 
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von  RLiergner  nr  2).     Leipzig,  Brückner.     51.     12.  [184 

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F.  d.  gr.  in  französischen  liedern  von  LGeiger.  Gegenwart  nr  28.  [186 
F.s  d.  gr.  Stellung  zur  deutschen  litt,  und  zu  den  deutschen  dichtem  von 
dr  GKrause.  progr.  des  Kneipiiöiischen  gymn.  zu  Königsberg  i/Pr.  16. 
4.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.   neueren  spr.  72,  457.  [187 

F.  d.  gr,  und  die  deutsche  poesie  von  dr  GKrause.  Halle,  Waisenhaus. 
v,  12U.     8.  [188 

F.  d.  gr.  und  seine  Stellung  zur  deutschen  litt,  rede  —  gehalten  von 
ASchöue.     Acad.  bll.  1,569.  [189 

Fröhlich,  AE.:  Fabeln,  lieder  und  erzählende  dichtungen  (Nationalbibl.  Schweiz, 
dichter  und  redner  des  18  und  19jhs.  in  sorfifältiger  auswahl.  mit  biograph.- 
krit.  einleitungen  hg.  von  RWeber.  2  u.  3  bdchen).  Aarau,  Sauerländor. 
1—80.  81—160.     8.  [190 

[Fruchtbringende  Gesellschaft:]  citat  darüber :  Findlinge  von  ABirlingcr. 
Acad.  bll.   1,  292.  [191 

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lands  Schrift  1880].     Lille,  societe  de  SAugustin.     384.     8.  [192 

Die  fürstin  G.  von  piof.  drHJacobi  in  Königsberg  i/Pr.  Deutsch-cvatitf. 
bU.  9,  381.  459.  544.  [193 

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98.  S.  —  Grenzboteu  nr  35.  DLZ  nr  44  (Rehmke).  Theol.  litteraturbl. 
sp.  196  (Hermann).  [194 

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Bei  der  enthüllung  des  G.-denkmales  in  Hainichen  von  HH  ettner :  Kleine 
schriflen.     nach  dessen  tode  hg.  (Braunschweig,  Vieweg)  s.  537.  [195 

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Gerhardt,P.:  PG.  Vortrag  vonAchelis.  Bll.  f.  hymnologie  nr  4.  5.  [197 
Jobann  Sigismundt  und  PG.  oder  der  erste  kämpf  der  luth.  kirche  in  Chur- 
brandenbnrg  um  ihre  existenz.  ein  kirchengeschichll.  lebensbild  aus  dem 
17  jh.  von  Wangemann.  Ergänzungsheft  zum  5  buch  der  Una  sanclH. 
Berlin,  Schnitze.     256.     8.  [198 

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GZanelia,   Parallel!   letterari  [vergleicht   Aur.  Berlöla    mit  SG.].     Verona, 
Münster.     231.     8.  [201 

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berger).  Basler  nachr.  nr  303  beil.  1.  [203 
Werke.  2  teil.  Gedichte  ii  hg.  von  HDüntzer  (D.  nationallitt.  bd.  S3). 
Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  vii,  372.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  51 
<Boxberger).  [204 
Werke.  5  teil.  Hermann  und  Dorothea,  Achilleis,  Der  ewige  Jude,  Reineke 
Fuchs  hg.  von  HDüntzer  (D.  nationallitt.  bd.  86).  Berlin  u.  Stuttgart, 
Spemann.  329.  8.  [205 
*Werke.  bd.  12.  Faust.  1  u.  2  teil  hg.  von  HDüntzer  (D.  nationallitt.  bd. 94). 
Berlin  u.Sluttgart,Spemann  (1882).  — Sonntagsbl. des  Bund  nr  31  s.248.  [206 
Werke,  illusir.  von  ersten  deutschen  künstlern,  hg.  von  HDüntzer.  Ifg. 4S  bis 
81.  bd.  2 — 5.  Stuttgart,  Deutsche  Verlagsanstalt,  xi,  417 — 464.  xi,  377— 470. 
X,  1 — 472.  1 — 2S0.  8.  —  D.  rundschau,  dec.  s.  473.  Wissensch.  beil.  d. 
Leipziger  ztg.  nr  62  s.  371.  nr  98  s.  587.  Didaskalia  nr  301.  Auf  der  höhe 
2,312.  3,153.471.  4,473.  [207 
dasselbe.  2  aufl.  Ifg.  19— 47.  bd.  2.  3.  ebenda,  xi,  1—464.  1—320.  8.  [208 
Sämmtliche  werke,  neu  durchges.  und  erg.  ausg.  in  36  bden  mit  einlei- 
tungen  von  KGoedeke  bd.  10—22  (Bibl.  der  weltlitt.  bd.  62.  63.  67.  68. 
71.  72.  76.  77.  81.  82.  87.  88.  93).  Stuttgart,  Gotta.  383.  272.  216.  268, 
268.  304.  260.  300.  376.  228.  404.  352.  251.  8.  [209 
Gedichte  und  dramen.  ausgewählt  und  mit  erläuternden  anm.  vers.  f.  d. 
deutsche  Jugend  und  unser  volk  von  AHentschel  und  KLinke.  Leipzig, 
Peter,  vii,  534  mit  portrait.  12.  [210 
♦Werke,  bd.l.  Gedichte.  1  teil  mit  einleit.  u.  anm.  von  GvLoep  er.  2  ausg. 
Berlin,  Hempei  (Bernstein  u.  Frank),  1882.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  159 
(vBiedermaiin).  Bll.  f,  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  20,  58  (Koch).  Acad. 
bll.  1,  298  (Düntzer).  Revue  critique  nr  52  (Chuquet).  Nationalztg.  nr  175 
(Schmidt).  [211 
♦dasselbe,  bd.  2.  Gedichte.  2  teil.  2  ausg,  ebenda,  1883.  —  Anz.  x  271 
{Minor).  Acad.  bll.  1,  298  (Düntzer).  Bll.  f.  litt,  unterh,  nr  37  (Büchner), 
Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  614  (vBiedermann).  Revue  critique  nr  52  (Chu- 
quet). Nationalztg.  nr  175  (Schmidt).  D.  litteraturbl.  vi  nr50  (Keck).  [212 
dasselbe,  bd.  3.  Gedichte.  3  teil.  2  ausg.  ebenda,  xxi,  376.  8.  [213 
Oeuvres  V.  Poemes  et  romans.  traduction  nouvelle  parJPorchat.  Paris, 
Hachette  Sc  cie.  592.  8.  [214 
Werke.  7  teil.  Dramen,  bd.  2  [singspiele,  Operetten]  hg.  von  prof.  dr 
KJSchröer  (D.  nationallitt.  bd.  88).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  xxix, 
454.  8.  —  D.  Ztg.  abendbl.  nr  4660.  [215 
Werke.  33  teil,  Naturwissen«ch.  Schriften,  bd.l  hg.  vonRSteiner.  mit 
einem  Vorworte  von  prof.  dr  KJSchröer  (D.  natiouallitt.  bd.  114).  Berlin 
u.  Stuttgart,  Spemann.  lxxxiv,  472.  8.  [216 
Werke,  bd.  8—14  (schlussj.  Elberfeld,  Lolls  nachf.  492.  512.  365.  378 
291.  317.  406,     8,  [217 

Achill  eis  s.  [205, 
Archäologisches  gutachten  s.  [414. 

Zu  G.s  Aufsätzen  über  kunst  von  LGeiger.     Goethe-jb.  5,  298.        [218 
Ein   unbekannter  aulsatz  [Altes  gemälde,  im  progr.  der  Jen.  allg.  litteraturztg. 
A.  F.  D.  A.    XI.  21 


296  BIBLIOGRAPHIE    IT 

1809  s.  1  ff]  G.s  von  JMinor.  Grenzboten  nr  38.  doch  vgl.  Litt,  centralbl. 
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une  carte  par  AChuquet.  Paris,  Delagrave.  xxvin,  180.  8.  —  Litt,  cen- 
tralbl. nr6.  D.  rundschau,  märz  s.  477.  Revue  critique  nr  18.  DLZ  nr  20 
(Schmidt).  [220 

Un  dernier  document  sur  le  suicide  d'un  soldat  francais  apres  la  capitulation 
de  Verdun  1792  par  AChuquet.     Revue  critique  nr42.  [221 

G.  bei  Hans  von  HDüntzer  [berichtigung  zu  Herders  Werken  18,  534 
(Suphan)].     AZ  nr  41B.  [222 

Clavigo  s.  [244.  301,  687. 
Dramen  s.  [210.  215. 

Zu  G.s  Egmont  v  1:  Hundertjährige  druckfehler  in  deutschen  classikern 
von  W'Buchner.     Acad.  bll.  1,  3G.  [223 

Zu  Egmont  von  Wßuchner.     Acad.  bll.  1,  722.  [224 

Egmont  nach  G.s  trauerspiel  bearb.  mit  22  denksprüchen  (Erzählungen  aus 
class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  vii).  Köln,  Ahn.  59.  8.  [225 
*E  phemerides  und  Volkslieder  (DLD  14).  Heilbronn,  Henninger,  1883.  — 
Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom,  phil.  nr  1  (Koch).  Bll.  f,  litt,  unterh.  nr  2 
(Boxberger).  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  349  (Minor).  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  625  (vBiedermann).     D.  litteraturbl.  vi  nr  41  (Prosch).  [226 

Le  Faust,  traduction  nouvelle  en  vers  francais  par  ADaniel.  Paris, 
Plön.  [227 

Faust  hg.  von  HDüntzer  s.  [206. 

*Faust  ein  fragment  in  der  ursprüngl.  gestalt  neu  hg.  von  WLHolland. 
Freiburg  i/B.  u.  Tübingen,  Mohr,  1882.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  346 
(Prosch).  [228 

Faust  avec  une  inlroduction  et  un  commentaire  par  JBLevy.  Paris,  De- 
lagrave.  [229 

*Le  Faust  de  G.  par  EMarc-Monnier.  2  ed,  revue  et  augmenlee  d'une 
preface  et  d'un  appendice.  Paris,  Fischbacher,  1S83.  —  AZ  nrl49B. 
(Welti).  [230 

Faust  translated  by  ASevanwich.  New-York,  White,  Stokes  and  Allen 
(Goethe-jb.  G,  446).  [231 

Faust  translated  in  the  original  nietres  by  BTaylor.  8 ed.  London,  Slark. 
924.     8.  [232 

Faust,  eine  tragödie.  1  teil,  illustr.  in  50  compositionen  von  ALiezen  Mayer, 
mit  Ornamenten  von  RSeitz.  ausgeführt  in  9  photograph.  reproductionen  der 
art.  anstalt  von  Fßruckmann  in  München  u.  in  holzschn.  aus  WHechts  xylogr. 
anslalt.     München,  Stroefer.     254.     4.  [233 

Songs  and  scenes  froni  G.s  Faust;  illustrated  from  designs  by  ALiezen- 
meyer  and  ALalanze,    Boston,  Estes  &  Lauriat  (Goethe-jb.  6, 446).  [234 

Faust  als  mysterium  [in  ODevrients  bearbeitung]  von  MB  ras  eh.  Illustr. 
Ztg.  nr2128.  [235 

Eine  Übersetzung  von  G.s  Faust  von  AGlassen.  Grenzboten  nr31.32.  [2i{6 
Zu  Faust  1825-828  von  JCrüger.     Acad.  bll.  1,548.  [237 

G.s  Faust  in  seinem  Verhältnis  zum  Christentum  von  FEbeling.  Beweis 
des  glaubens  20,  161.  [238 

*Die  ersten  theateraufführungen  des  G.schen  Faust,  ein  beitr.  zur  gesch. 
des  deutschen  theaters  von  AEnslin.  Berlin,  Paetel,  1880.  —  Bll.  f.  litt, 
unterh.  nr  10  (Weddigen).  [239 

♦Calderon  in  Spanien,  zur  erinnerung  an  die  Madrider  Galderoiifeier  1881 
von  JFastenrath.  mit  einem  anhansj:  Die  beziehungen  zwischen  Cal- 
deroiis  Wundertätigem  magus  und  G.s  Faust,  von  der  acad.  der  gesch.  in 
Madrid  preisgekrönte  sfluil't  des  don  Antonio  Sanchez  Moguel.  Leipzig, 
Friedrich,   1882.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  10  (Weddigen).  [240 

8.  auch  [249.  265. 
Drei  kleine  bemerkungen  zu  G.s  Faust  von  IHarczyk.  Zs.  f.d.  ph.  16,221.  [241 


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Zum  2  teile  des  Faust  von  MKoch.     Goethe-jb.  5,319.  [247 

Meliere  und  unsere  classiker  [G.  und  Schiller]  von  PLindau.  Magazin 
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femmes  und  Beaumarchais  Tarare,  zu  Wallensteins  lager  aus  Molieres  Femmes 
savantes].  [248 

Calderon  et  G.  ou  le  Faust  et  le  Magicien  prodigieux.  memoire  de  d.  ASanchez 
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s.  auch  [240.265. 

Zur  idee  des  Faust  von  EMauerhof.  Leipzig,  Wigand.  iv,  191.  8.  — 
DLZ  nr  50  (Minor).  [250 

Die  grundidee  im  Faust  von  EMauerhof.  ^^ord.  rundschau  2,  5  s.  482.  [251 
Zur  kritik  von  G.s  Faust,  seiner  ballade  Mignon  und  Schillers  Braut  von 
Messina  von  dr  JPohl.  progr.  des  progymn.  zu  Linz  a.  Bh.  11.  4.  — 
Acad.  bll.  1,737  (Düntzer).  ebenda  1,741  (Sprenger).  Arch.  f.  d.  Studium 
d.  neueren  spr.  72,461.  [252 

Umrisse  zu  G.s  Faust.  1  und  2  teil,  von  MBetzsch.  neue  aufl.  Stutt- 
gart, Cotta.  40  kupfertafeln  mit  12  ss.  text.  2.  [253 
Abgerissene  bemerkungen  zu  G.s  Faust  von  ARudolf.  Arch.  f.  d.  Studium 
d.  neueren  spr.  70,  462.  [254 
Die  alchymistischen  und  kabbalistischen  stellen  in  G.s  Faust  von  ARudolf. 
Arch.  f.  d.  Studium  d.  neuern  spr.  71,  233.  [255 
Studien  über  G.  (Faust)  von  WS c herer.  D.  rundschau,  mai  s.  240.  [256 
Wider  einmal  der  Faust  von  JSchmidt.  Preufs.  jbb.  53,551.  [257 
*Die  aufführung  des  ganzen  Faust  auf  dem  Wiener  hofburgtheater,  nach 
dem  ersten  eindruck  besprochen  von  KJSchröer.  Heilbronn,  Henninger, 
1883.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  6  (Wendt).  Bll.  f.  litt, 
unterh.  nr  36  (Bulthaupt).  [258 
G.  ein  gegner  der  Faustaufführungen,  notiz  in  der  Frankf.  ztg.  nr  81  beil. 
[Schröer  teilt  aus  einer  Unterhaltung  mit  dem  hofburgschauspieler  La- 
roche mit,  wie  letzterer  mit  Riemer,  dem  kanzler  Müller,  Eckermann  und 
AvGoethe  zu  G.  gieng,  um  diesem  ihr  vorhaben,  den  Faust  aufführen  zu 
lassen,  vorzubringen,  schroffes  ablehnen  von  seilen  G.s.  Ottilie  vGoethe 
suchte  zu  vermitteln].  [259 
Studies  in  history,  legend  and  literature  by  HSchütz  Wilson  [enthalt 
einen  aufsatz  über  G.s  Faust].  London,  Griffith  &  Farran.  [260 
Mephistopheles  von  RSeydel.  Goethe-jb.  5,  353.  [261 
Zu  G.s  Faust,  exegetische  kleinigkeiten  von  RSprenger.  Acad.  bll. 
1,  716.  [262 
*Faust.  1  und  2  teil,  erläuterungen  und  bemerkungen  dazu  von  BTaylor 
(Ausgewählte  Schriften,  bd.  2).  Leipzig,  Grieben  (Fernau),  1882.  —  Arch. 
f.  litteraturgesch.  12,  163  (vBiedermann).  [263 
Zu  Faust,  gespräche  zwischen  Faust  und  Mephistopheles  von  LTobler. 
Goethe-jb.  5,  313.  [264 
Calderon  et  G.  le  Magicien  prodigieux  et  Faust,  d'apres  un  memoire  espagnol 
de  don  ASanchez  Moguel  par  AdeTreverret.  Annales  de  la  faculte  des 
lettres  de  Bordeaux,  5e  annee,  nr  3.  [265 
s.  auch  [240.  249. 

Erklärung  des  hexeneinmaleins  im  Faust.  Schorers  familienbl.  nr  15.  [266 
Neueste  beitr.  zur  Fausllitt.  Neuer  anz.  f.  bibliogr.  und  bibliothekwissensch. 
45,  200.  [267 

21* 


298  BIBLIOGRAPBIE    II 

vGoETHE,  JW.:   Neueste  und  letzte  beitr.  zur  Faustlitt.    Neuer  anz.  f.  bibliogr. 
und  bibliolhekwissensch.  45,  381.  [26S 

Minor  Fausts  literature.  New-York  nation  bd.  xxxix  nr975  s.  216  (Goethe-jb. 
6,  447).  [269 

s.  auch  [67.  69. 

Frankfurter  gelehrte  anzeigen  s.  [61. 
Gedichte  s.  [210—214. 

*The  poems  of  G.,  consisting  of  his  ballads  and  songs  and  miscellaneous 
selections.  doneinlo  English  verse  by  WGibson,  Commander  U.S.  navy.  Lon- 
don, Simpkin,  Marshall  <fc  co.,  1883. —  Saturday  review,  26april  nrl487.  [270 
Ausgewählte  gedichte  (Meisterwerke  unserer  dichter,  neue  auswahl  f.  volk 
und  schule  mit  kurzen  erläuterungen ,  begonnen  von  FHülskamp,  fortges. 
von  JScheuffgen.  28.  20  bdchen).  Münster,  Aschendorfl".  194.  16.  [271 
Gedichte,  auswahl  von  FZimmermann  (Class.  deutsche  dichtungen  mit 
kurzen  erläuterungen  f.  schule  und  haus  hg.  von  KHKeck  in).  Gotha,  Per- 
thes, v,  166.  8.  —  D.  litteraturbl.  vii  nr  45  (Keck).  [272 
Zur  Chronologie  der  lyrischen  gedichte  G.s  von  HDüntzerl.2.  Acad.  bll. 
1,37.  86.  vgl.  117  f.  [273 
Alexis  und  Dora  s.  [276. 

Zu  G.s  gedichten  [Beherzigung.  Erinnerung.  Rinaldo]  von  KRieger.  separat- 
abdr.  aus  dem  jahresber.  des  k.  k.  Franz-Josef-gymn.  zu  Wien.  Wien,  Gerold 
in  comm.     16.     8.  —  DLZ  nr31.  [274 

Der  besuch  s.  [276. 

Chinesisch-deutsche  Jahres- und  tageszeiten  von  WvBied  ernsa  nn.  Acad.  bll. 
1,257.  vgl. HDüntzer  ebenda  s.  379.  WvBied  ermann  ebenda  s.  430.  [275 
Zu  einigen  gedichten  G.s  [Christel.  Der  besuch.  Der  nachtgesang.  Alexis 
und  Dora]  von  DJacoby.     Goethe-jb.  5,  327.  [276 

Distichen,  enthalten  in  [329. 
Erinnerung  s.  [274. 

Zur  datierung  des  Erlkönig  von  ThLüttke.     Goethe-jb.  5,  331.  [277 

Der  ewige  Jude  s.  [205. 

Zu  G.s  Fischer.     Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  72,  471.  [278 

Gott  gemiit  und  weit  s.  [295. 

*Uber  G.S  Klaggesang  von  der  edlen  frauen  des  Asan  Aga.  gesch.  des  Ori- 
ginaltextes und  der  Übersetzungen  von  dr  FM  i  k  l  o  s  i  c  h.  aus  den  Sitzungsber. 
der  Wiener  acad.  Wien,  Gerold  in  comm.,  1883.  —  Magazin  f.d.  litt.  d. 
in-  und  ausl.  nr  4  (vBojnicic).     Anz.  x  400  (Pniower).  [279 

La  ballade  11  etait  un  roi  de  Thule:  JCondamin,  Croquis  artistiques  et 
litteraires  (Paris,  Leroux).  [280 

Zu  G.s  kunstgedichten  von  JMinor.     Grenzboten  nr  16.  [281 

Über  die  bisherigen  drucke  von  G.s  Leipziger  liedern  von  RKögel  in: 
Studia  Nicolailana.  dem  scheidenden  rector  herrn  prof.  dr  ThVosel  darge- 
bracht von  dem  lehrercollegium  der  Nicolaischule  zu  Leipzig  (Giesecke  n. 
Devrient.    6  bll.,  14.5.   8.)  s.  89-111.  [2S2 

G.s  mailied  in  englischer  Übersetzung  von  EEck stein.  Magazin  f.  d.  lilt. 
d.  in-  und  ausl.  nr28.  [283 

Ein  gedieht  G.s  [Wer  nie  sein  brod  in  thränen  als]  vervollständigt  [durch 
die  Strophe  des  harfners  (WMeister  iv  1)  als  3  und  schlussstrophe]  von  KGoe- 
deke.     Arch.  f.  lilteraturgesch.  12,478.  [284 

Mignon  s.  [252. 
Der  nachtgesang  s.  [276. 
Neue  liebe,  neues  leben  s.  [293. 
Politica  s.  [295. 

Ein  neues  gedieht  [rätsei]  G.s  mitgeteilt  in  Kürschners  Signalen  (umschlag- 
bll.  der  D.  nationallilt.  heft  124  s.  739)  (Goethe-jb.  6,375),  und  in  Vom 
fels  zum  meer,   mai  s.  226,  [285 

Federzeichnung  von  G.s  band  (landschaftsbild)  mit  4  zeilen  autogramm 
(=Rheiii  und  .\Iain,  llcmpel  2,  420  z.  3  — 6)  aus  dem  nachlass  von  KLaroche 
(jetzt  im    besitz   des  Wiener    kaufmanns  JLWeifs)    milgeteilt   [aber   in   z.  t. 


BIBLIOGRAPHIE    II  299 

entstellter  form,  denn  in  'fluth  und  opfer'  ist  mindestens  das  zweite  Sub- 
stantiv verlesen  (für  'ufer');  statt  'fluth'  liest  die  ausg.  'fluss'.  statt  'feugen' 
(z.  6)  'zeichen'].     Berl.  tagrebl,  nr  313.  [286 

vGoETHE,  JW.:  Rinaldo  s.  [274. 
Sonette  s.  [107, 
Sprichwörtlich  s.  [295. 

Die  Stiftung  von  G.s  mittwochskränzchen,  Sliftungslied  von  HDüntzer. 
Goethe-jb.  5,  333.  [287 

G.s  Todtentanz  im  lichte  der  mährischen  sagenweit  von  dr  Martinez. 
"Wiener  ailgem.  ztg.  nrl576.  [288 

Zwei  G.sche  gedichte  [Trost  in  thränen.  Wanderers  nachtlied  Der  du  von 
dem  himmel  bist]  in  lat.  Übersetzung  von  HGorvinus.  Magazin  f,  d.  litt, 
d.  in-  und  aus).  nrlS.  [289 

Das  Veilchen  s.  [414. 

[Wanderers  nachtlied]  Über  allen  gipfeln  ist  ruh!  ein  gedenkbl.  zur  erin- 
nerung  an  G.s  aufenthalt  in  Ilmenau  hg.  von  GLiebau.  Ilmenau, Schröter. 
48  mit  eingedr.  holzschn.     8.  [290 

Lat.  Übersetzungen  von  Wanderers  nachtlied  und  Ein  gleiches  vonFWein- 
kauff.     Neue  deutsche  musikztg.,  febr.  [291 

s.  auch  [289.293. 

Das  lied  vom  genius  [Wanderers  sturmlied].  eine  G.-studie  von  AHinüber. 
Leipzig,  Wigand.     39.     8.  —  Gegenwart  nr  48  s.  350.  [292 

G.sche  gedichte  [Willkommen  und  abschied.  Neue  liebe,  neues  leben.  Die 
beiden  Wanderers  nachtlied]  in  lat.  Übertrag,  von  HGorvinus  und  OLeh- 
mann.     Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  25.  [293 

Zu  den  Zahmen  xenien  von  MBernays.     Goethe-jb.  5,342.  [294 

Zu  Goethes  gereimten  sprächen  [Zahme  xenien,  Gott  gemüt  und  weit. 
Sprichwörtlich.    Politiea]  von  GvLoeper,    Goethe-jb.  5,  288.  [295 

*G.s  Götz  von  Berlichingen  in  dreifacher  geslalt  hg.  von  JBaechtold. 
Freiburg  i,  B.  u.  Tübingen,  Mohr,  18S2.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  167 
(vBiedermann).     Revue  critique  nr  19.     GGA  nr  13  (Sauer).  [296 

♦Götz  von  Berlichingen  ediled  with  introduction  and  notes  by  HAB u II. 
London,  Macmillan  Sz  co.,  1883.  —  Academy  nr  629  (Wolstenholnie).  [297 
Götz  von  Berlichingen  mit  der  eisernen  band,  ein  Schauspiel  mit  einleit. 
und  anm.  von  prof.  dr  LSmolle  (Schu!au«;g.  class.  werke  zum  gebrauche 
an  österr.  Unterrichtsanstalten,  unter  mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg. 
von  prof.  JNeubauer  nr  10).    Wien,  Graeser.     xiv,  98.     8.  [298 

Eine  Umarbeitung  von  Adelheids  letzter  scene  im  Götz  von  ROGonsentius. 
Magazin  f.  d.  litt.  d.  in  -  und  ausl.  nr  7.  [299 

Götz  von  Berlichingen  mit  der  eisernen  band,  nach  G.s  Schauspiel  bearb, 
mit  49  denksprüchen  von  KFAGeerling  (Erzählungen  aus  class.  dichtem 
f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  vi).     Köln,  Ahn.     70.     S.  [300 

Götz  und  Clavigo  in  Österreich  zur  zeit  ihres  erscheinens  von  HRoUett. 
Goelhe-jb.  5,325,  [301 

^Hermann  und  Dorothea  von  KHKeck  (Class.  deutsche  dichtungen 
mit  kurzen  erläuterungen  f.  schule  und  haus  i).  Gotha,  Perthes,  1883.  — 
D,  rundschau,  jan.  s.  157.  Zs.  f.  d,  österr.  gymn.  35,  227  (Prosch).  Pädag.  bll, 
hg.  von  Kehr  13,  203  (Keller).  [302 

Übersetzung  von  Hermann  und  Dorothea  von  KvKoseritz.  Porto  Alegre, 
Grundlach  &  cie.  (Goelhe-jb.  6,414).  [303 

Hermann  und  Dorothea,  mit  eiiil.  und  anm.  von  prof.  dr  ALichtenheld 
(Schulausg.  class.  werke  zum  gebrauche  an  österr.  Unterrichtsanstalten,  unter 
mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  2).  Wien, 
Graeser.     xvi,  62.     8.  [304 

.Arminio  e  Dorothea,  traduzione  di  AM  af  fei.  Milano,  Hoepli.  236.  16.  [305 
Hermann  and  Dorothea  with  grammatical  explanations  calculated  lo  bring 
the  English  reader  to  a  sound  knowledge  to  the  German  language  by  HSachs. 
London,  Kolckmann.     86.     12,  [306 


300  BIBLIOGRAPHIE     H 

vGoETHE,  JW. :   Hermann  and  Dorothea  with  notes  etc.    by  WW agner.     new 
ed.     London,  Macmillan.     12.  [307 

s.  auch  [205. 

*Iphigenie  aufTauris.  in  vierfacher  gestalt  hg.  von  JBaechtold.  Frei- 
burg i/B.  u.  Tübingen,  Mohr,  1SS3.  —  Anz.  x  127  (Burdach).  Arch.  f.  lit- 
teraturgesch.  12,468  (vBiederniann).     GGA  nrl3  (Sauer).  [308 

L'Iphigenie  en  Tauride.  traduction  et  preface  de  MAL e grelle.  La  revue 
nouvelled'Alsace-Lorraine.  histoire,  iitterature,  sciences,  beaux-arts.  Seannee, 
nr  9.  10.  [309 

Iphigenie  auf  Tauris.  mit  einer  einl.  und  anm.  von  prof.  JNeubauer 
(Schulausg.  class.  werke  zum  gebrauche  an  österr.  unterrichtsanstalten.  unter 
mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  1).  Wien, 
Graeser.     xiii,  69.     8.  [310 

Iphigenie  auf  Tauris.  ein  Schauspiel  (Deutsche  classiker  f.  den  schulgebrauch 
hg.  von  prof.  JPözl  nr  5).     Wien,  Holder,     iv,  65.     8.  [311 

Iphigenie  auf  Tauris.  nach  G.s  Schauspiel  bearb*  mit  50  denksprüchen 
(Krzähiungen  aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  viii).  Köln, 
Ahn.    53.     8.  [312 

*  Vorträge  f.  d.  gebildete  weit  nr  2.  Iphigenia  auf  Tauris  von  dr  AH  a  g  e  m  a  n  n. 
hg.  von  PHagemann.  Riga,  Schnakenburg,  Leipzig,  Brauns,  1883.  —  Arch. 
f.  litteralurgesch.  12,469  (vBiedermann).  ßll.  f.  litt,  unterh.  nr37  (Buchner). 
Lilteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  11  (Wendt).  [313 
G.s  Iphigenia  von  HHettner:  Kleine  Schriften,  nach  dessen  tode  hg. 
(Braunschweig,  Vieweg)   s.  452.  [314 

*  Über  G.s  Iphigenie  von  dir.  dr  FThNölti  ng.  progr.  der  grofsen  Stadtschule 
zu  Wismar  1883.  —  Arch.  f.  d.  sind.  d.  neueren  spr.  71,451  (Kölscher).  [315 
Über  eine  stelle  in  G.s  Iphigenie  von  FThNölting.  Arch.  f.  d.  Studium  d. 
neueren  spr.  71,  293.  [316 
Über  die  beziehungen  der  Iphigenie  zum  Mannheimer  nationaltheater  von 
APichler,  Wiener  theaterchronik  nr  13  (Goethe-jb.  6,  403).  [317 
G.siphigenie  aufTauris  nach  den  vier  überlieferten  fassungen  von  MReckli  n  g. 
Strafsb.diss.u.gleichzeitigprogr.d.gymn. zu  Buchsweiler.  Golmar.  32.  4.  [318 
Italienische  reise,  mit  318  illustr.  nach  feder-  und  tuschzeichnungen 
etc.  von  JvKahle.  eingeleit.  von  prof.  dr  HDüntzer.  Berlin,  Gaillard.  xxvi, 
336.  4.  —  Die  post  nr  334  beil.  (Rosenberg).  Litt,  centralbl.  nr  52.  [319 
G.s  Travels  in  Italy.  London,  Bell  &  sons.  12.  [320 
Voyage  en  Italic  (extraits).  traduction  fran<;aise  par  ***.  Lyon,  Boin  &Mer- 
cier.  67.  12.  (Goethe-jb.  6,  413).  [321 
Nochmals  zu  G.s  Italienischer  reise  von  JKeller.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  479.  [322 
Über  G.s  Singspiel  Lila  von  ARudolf.  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren 
spr.  71,454.  [323 
Wilhelm  Meisters  lehrjahre.  Wilhelm  Meisters  wanderjahre  (Museum, 
Sammlung  litt,  meisterwerke  in  neuer  rechtschreibung  nr  64.  65).  Elberfekl, 
Lolls  nachf.  512.  365.  8.  [324 
Wilhelm  Meister,  traduct.  parThGautier  fils.  2  vis.  Paris,  Charpentier. 
567.  (;i9.  18.  [325 
Serlo  und  FLSchröder  von  ThLüttke.  Goethe-jb.  5,345.  [326 
s.  auch  [252.284. 

Natu  rwissensch.  Schriften  s.  [216. 

G.s  naturwissenscli.  Schriften  von  AGlassen.     Grenzbolen  nr  24.  [327 

Nausikaa.  trauerspiel  in  5  aufz.  in  freier  ausführung  des  G. sehen  eiit- 
wurfs  von  HSchreyer.  nebst  einem  anhang:  Nausikaa  bei  Homer,  So- 
phokles und  G.  Halle,  Waisenhaus.  151.  8.  —  Die  post  nr  324.  D.  lit- 
teraluibl.  vii  nr  7  (Keck).  [328 

G.s  notizbuch  von  der  schlcsischcn  reise  1790.  zur  begrüfsung  der 
deutsch-romanischen  section  der  xxxvii  versamml.  deutscher  philologen  und 
Schulmänner  in  Dessau  hg.  von  FZarncke.  Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtcl. 
32.     2.     mit   2  facsimiles.  —  Litt,  centralbl.  nr43  (Zarncke).  [329 


BIBLIOGRAPHIE    II  SQl 

vGjethe,  J\V.:    Reineke  Fuchs  s.  [2uö. 

Reineke  Fuchs,  nach  G.s  epos  bearb.  mit  34  denksprüchen  (Erzählungen 
aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  ix).  Köln,  Ahn. 
69.     8.  [330 

Zum  schluss  über  G.s  Satvros  von  vBiedermann.  Wissensch,  beil.  d. 
Leipziger  Ztg.  nr31.  32  [fortsetzung  zu  jg,lST4  s.249ff.  ISSl  s.385ff].  [331 
Zu  den  Sprüchen  in  prosa  von  SLevy  u.  LGeiger.  Goethe-jb.  5,  340.  [332 
Stella  s.  [407.414. 

Zu  G.s  Tages-  und  Jahresheften  von  JKürschner.  Signale  s.  803 
(Goethe-jb.  6,41 2j.  [333 

Torquato  Tasso.  ein  Schauspiel,  mit  einl.  und  anm.  von  prof.  JNeu- 
bauer  (Schulausg.  class.  werke,  unter  mitwirkung  mehrerer  fachmänner 
hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  11).     Wien,  Graeser.     xvi,  104.     8.  [334 

Torquato  Tasso.  beitr.  zur  erklärung  des  dramas  von  FKern.  Berlin,  Nicolai 
(Stricker),  vii,  160.  8.  —  DLZ  nr  26  (Sauer).  Acad.bll.  1,  429  (Buchner).  [335 
Einführung  in  G.s  Torquato  Tasso  von  E\\'ehrlin.  Riga,  Deubner  in  comm. 
VII,  94.     8.  [336 

Volkslieder  s.  [226. 
Wahl vernandtschaften  s.  [40. 

Aus  meinem  leben.  Wahrheit  und  dich  tun g.  neue  aufl.  Stuttgart, 
Colta.     622.     8.  [337 

I  dolori  del  giovine  Werther;  versione  italiana  di  RCeroni.  Rlilano. 
Sonzogno.     124.     16.  [338 

Werlher.  traduction  nouvelle  et  preface  parPLeroux.  avec  deux  dessins 
deDelbos,  graves  en  facsimile  parDujardin.  Paris,  Charpentier.  331.  32.  [339 
Zum  Werther  von  ABirlinger.     Alem.  12,99.  [340 

Goethe- Werther- erinnerungen  vonKKnortz.  Reform,  hg.  von  FWFrikke. 
8  isj.  nr  6.  nach  Goethe-jb.  0,  41S  auch  in  Masonia,  New-York,  2jg. 
nr''2T.  28.  [341 

Werther  in  Italien  von  dr  FR  a  a  b.  Neue  freie  presse  nr  7160  morgenbl.  [342 
Werther  vonJSchmidt.    Westermanns  monatshefte,  oct.  s.  114.  [343 

Ein  Wertherschwärmer.    Daheim  nr  20.  [344 

Zwanzig  briefe  G.s  [an  herzog  Ernst  ii  von  Gotha,  Iffland  (vgl.  DLZ 
sp.  714),  herzog  KAugust,  Anna  Amalia  WollT,  Kirms,  frau  von  Heygendorf, 
vSchreibers,  einen  unbekannten,  Heinrich  Meyer,  hofrat  Voigt,  Varnhagen 
vEnse,  Hirt,  Oltilie  vGoethe,  oberst  vReutern].  mitgeteilt  von  WArndt, 
LGeiger,  KvGe  r  s  t  e  n  b  e  r  g  ,  vKirchenheim,  FLichtenstein, 
RSchneider.     Goethe-jb.  5, 1.  [345 

Early  and  miscellaneous  letters  ofG.,including  letters  to  bis  mother.  translated 
witii  notes  and  a  shorl  biography  by  Eßell.  London,  Bell  &  sons,  and 
New-York,  Scribner  &  Welford.  318.  —  Athenaeum  nr  2972.  Academy 
nr650.     Goethe-jb.  6,  44-3.  [346 

Nachträge  zu  G. -correspondenzen.  im  auftr.  der  vG. sehen  familie  aus  G.s 
hslichem  nachlass  hg.  von  FThB  ra  tra  nek.  v  familie  Voss  [5  briefe  von 
JHVoss,  15  von  HVoss,  1  von  AVoss  (an  AvGoethe),  1  von  Ernestine  Voss, 
nebst  2  briefen  G.s  an  den  valer  JHVoss  und  1  an  HVoss].  vi  21  briefe 
der  frau  von  Stael  und  zwei  antworten  G.s.  vn  Heine  und  Grabbe.  Goethe- 
jb.  5,  38.  112.  132.  [347 
Zu  G.s  briefen  an  frau  vStein  und  zu  Arch.  12,  159  von  HFischer.  Arch. 
f.  litteraturgesch.  12,479.  [348 
Briefwechsel  zwischen  G.  und  Ernst  Meyer  hg.  von  LGeiger.  mit  einer 
Vorbemerkung  von  dessen.  Goethe-jb.  5, 134.  [349 
Die  gesch.  eines  G.-briefes  [an  den  portraitmaler  GLGläser  vom  14  oct.  1826, 
s.  Strehlke  G.s  briefe  ii  496]  von  ESabell.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und 
ausl.  nr  25.  26.  [350 
*G.s  briefe  an  frau  vStein  hg.  von  ASchöll.  2  vervollständigte  aufl., 
bearb.  von  WFielitz.  bd  1.  Frankfurt  a;M.,  Litt,  anstalt  (Rütten  u.  Lö- 
ning),  1883.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12, 157  (vBiedermann).  [351 


302  BIBLIOGRAPHIE    II 

vGoETHE,  JW. :    Briefe.      Verzeichnis  derselben   unter  angäbe  von  quelle,  ort, 
datuni  und  anfangsworten.  —  darstellung  der  beziehungen  zu  den  empfängern. 

—  Inhaltsangaben  der  briefe.  —  mitteilung  von  vielen  bisher  ungedr.  briefen. 
hg.  von  FSt  rehl  ke.  1  teil,  einleitnng.  quellenverzeichnis.  A  —  M.  2  teil. 
N  —  Z.  briefe  an  unbekannte,  nachtr.,  berichtigungen  und  ergänzungen. 
gruppierung  der  briefe.  gesammtresullate.  nacbwort.  3  teil,  chronologi- 
sches briefverzeichnis.  Berlin,  Henipel,  1882—1884.  496. 543.  247.  8.  — 
Arch.  f.  lilteraturgesch.  12,  154.  455.  612  (vBiedermann).  Litt,  centralbl. 
nr  37.  DLZ  nr  39  (Werner).  [352 
Ein  unbekannter  brief  G.s  an  Schiller  von  GW  eisstein.  Frankf.  ztg. 
nr  172  beil.  [353 
G.  und  gräfin  O'Donell.  ungedr.  briefe  nebst  dichterischen  beilagen  hg. 
von  dr  RiMWerner.  mit  2  portr.  Berlin,  Hertz,  viii,  220.  8.  —  Litt, 
centralbl.  nr  46.  Satnrday  review  nr  1526.  [354 
s.  auch  [414.  446.  447. 

La  Grece ,  Ronie  et  Dante,  ctudes  litteraires  d'apres  nature  par  JJAm- 
pere  de  l'academie  francaise.  neuvieme  edition.  Paris,  Didier,  v,  464 
IJenthält  ua.  s.  188—197  G.  in  Rom  (Goethejb.  6,  419)].  [355 

Ein  G.-heitr.  von  JBayer.     Neue  freie  presse  nr7187  abendbl.  [356 

Beitr.  zur  metrik  G.s.  1  teil  von  EB  el  1  i  n  g.  progr.  des  k.  gynin.  zu  Broniberg. 
Bromberg,  Dittmann.     22.     4.  [357 

Siebente  fortsetzung  der  nachtr.  zu  Hirzels  Neuestem  Verzeichnis  einer  G.- 
bibl.  von  WvBied  erman  n.     Arch.  f.  lilteraturgesch.   12,579.'  [358 

Schattenbilder  aus  G.s  Leipziger  Studentenjahren,  gedenkbl.  zum  28  august 
von  (WvBiedermann),     lllustr.  ztg.  nr  2147.  [359 

G.  und  der  brennende  berg  bei  Dud weiter  von  ABirlinger.  AZnr271.  [360 
G.  by  JSBlackie.     Times,  14  apr.  (Goethe-jb.  6,415).  [361 

G.  als  Student  in  Leipzig  von  LBlume.  separatabdr.  aus  d.  jahresber.  des 
k.  k.  acad.  gymn.  zu  Wien  f.  d.  schulj.  1883/4.  Wien,  Selbstverlag  d.  verf.s. 
1,9.     8.  [362 

Etudes  allemandes.  G.  par  ABossert.  Revue  de  l'enseignement  secondaire 
15,  695.  16,751.   17,796.  [363 

Ronie,  etudes  de  litlerature  et  d'art  parABournet.  Paris,  Plön  &  cie.  [tie- 
handell  ua.  G.  und  Winckelmann  in  Rom  (Goethe-jb.  6,  419)].  [364 

Schiller  und  G.  im  urteile  ihrer  Zeitgenossen,  ztgskritiken,  berichte  und 
notizen  Schiller  und  G.  und  deren  werke  betr.  aus  den  j.  1773—1812,  ge- 
sammelt und  hg.  von  JWBraun,  eine  ergänzung  zu  allen  ausg.  der  werke 
dieser  dichter.  2abteilungG.  bd.  1  :  1773—86.  bd.  2:  1787—1801.  Berlin, 
Luckhardt,  1883.  1884.  xix,  427.  xv,  399.  8.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  37 
(Buchner).  [365 

Zur  gesch.  der  theaterleitung  G.s  von  CAHBur  khard  t.  Grenzboten  nr  2.  [366 
*G.  und  kein  ende,  rede  bei  antritt  des  reclorats  der  k.  Friedrich- Wilhelms- 
nniversität  zu  Berlin  am  15  oct.  18S2  gehalten  von  Edu  B  ois- Rey  mo  nd. 
Berlin,  buchdruckerei  der  k.  acad.  der  wis.^.,  auch  Leipzig,  Veit  i-  cie.,  1883. 

—  Arch.  f.  lilteraturgesch.  12,  172  (Schreyer).  [367 
*Life  of  G.  by  HDüntzer.  translated  by 'l'liLy ster.  2vls.  London,  iVlac- 
millan  S:  cie.,  1883.  —  Saturday  review,  23  fel.r.  nr  1478.  [368 
Über  die  anordnung  von  G.s  Nachgelassenen  werken  und  der  quartausg.  von 
HDüntzer.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  544.  [369 
*G.s  eintritt  in  Weimar,  mit  lienützung  ungedr.  quellen  dargestellt  von 
HDüntzer.  Leipzig,  Warti?,  1883.  —  Acad.  bll.  1,  374  (Büchner).  Zs.  f.  d. 
österr.  gymn.  35.  658  (Riegerf  AZ  nr  25  B.  [370 
G.  und  die  bibliotbeken  zu  W'eimar  und  Jena  von  HDüntzer.  Centralbl.  f. 
I.ililiothekswesen  1,  89.  [371 
Gesammelte  kunstliistorische  schrillen  von  REitelberger  vEdelberg. 
bd.  3  mit  46  holzschn.  Wien,  Braumüller,  xvi,  390,  8.  [darin  s.  221—262 
eine  abhandlung  über  G.  als  kunstschriftsteiler].                                       [372 


BIBLIOGRAPHIE    11  303 

vGoETHE,  JW.:  *Goethe-jb.  hg,  von  drLGeiger.  bd.  1 — 5.  Frankfurt  a/M,, 
Litt.anstalt(Rüttenu.Löning),  1880— 1884.  — AZnrll9. 120 B.(Düntzer).  [373 
♦  dasselbe,  bd.  4.  1883.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,459  (vBiedermann).  [374 
dasselbe,  bd.  5.  ix,446.  8.  mit  dem  bildnis  G.s  nach  dem  gemälde  der  gräfin 
von  Egloffstein  [darin  s.  352  berichtigungen  und  ergänzungen  zu  bd.  1 — 4, 
s.  357  Chronik  des  Jahres  1883,  s.  368  bibliographie  desselben  Jahres,  vgl.  die 
berichtigung  von  LGeiger  betreffs  Jb.  v5— 7:  DLZ  nr  19  sp.  714].  —  Neue 
evang.  kirchenzlg.  nr21.  DLZ  nr  38  (Schmidt).  Litt,  centralbl.  nr41.  D. 
rundschau,  dec.  s.  481.  [375 

Goethe  in  Italien  von  HGrimm  s.  [40. 

*G.s  erkenntnisprincip  von  AHarpf.  separatabdr.  aus  den  Philos.  monats- 
heften  1883,  i.  ii.  Bonn,  Neufser.  39.  8.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12, 
470  (vBiedermann).  [376 

Gedanken  über  G.  von  VH eh n.  3.  Naturphanlasie.  Grenzboten  nr  7.  8.  [377 
*Das  G.sche  gleichnis  i.  von  prof.  dr  HHenkel.  progr.  des  gymn.  zu  See- 
bausen  i.  A.  Stendal,  Franzen  u.  Grosse,  1883.  —  DLZ  nr  10  (Jacoby). 
Litleraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nrl2  (Koch).  [378 

An  G.  English    society  by  Herford.    Academy  nr  654.  [379 

G.  als  theaterintendant  von  ChHervey.  Longmans  magazine  nrxvns.496 
(Goethe-jb.  6,  447).  [380 

G.s  Stellung  zur  bildenden  kunst  seiner  zeit  von  HHettner:  Kleine  Schriften, 
nach  dessen  tode  hg.  (Braunschweig,  Vieweg)  s.  475.  [381 

G.  und  der  socialismus  von  HHettner:  Kleine  Schriften,  nach  dessen  tode 
hg.  (Braunschweig,  Vieweg)  s.  433.  —  DLZ  nr36  (Schmidt).  [382 

Salomon  Hirzels  Verzeichnis  einer  G.-bibl.  mit  nachtr.  und  fortsetzung  hg. 
von  LHirzel.  Leipzig,  Hirzel.  vi,  215.  8.  —  Grenzboten  nr  15.  DLZ  nr31 
(Werner).     litt,  centralbl.  nr41.     Saturday  review  nr  1495.  [383 

*G.  in  Karlsbad  von  dr  EHlawacek.  2  verm.  und  verb.  aull.  von  dr 
VRuss.  Karlsbad,  Leipzig,  Wien,  Feller,  1883.  —  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  626  (vBiedermann).  [384 

Berühmte  liebespare  von  FvHohen  h  a  usen.  iv  folge  [s.  215  ff  G.  und  Lili 
Schönemann].     Leipzig,  Schlicke,     vi,  293.     8.  [385 

Aus  G.s  herzensieben,  wahrheitsgetreue  darstellungen  von  FvHohenhausen. 
Leipzig,  Bergmann,  vii,  274.  8.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nrlOO. 
Didaskalia  nr301.     D.  litleraturbl.  vii  nr  37  (Neubauer).  [386 

*G.  als  naturforscher  und  herr  DuBois- Reymond  als  sein  kritiker.  eine 
antikritik  von  dr  SKalischer.  Berlin,  Hempel,  1883.  —  Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 12,  471  (vBiedermann).  [387 
Goethe  oder  Göthe?  von  RKeil.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in- und  ausl.  nr  34.  [388 
Beitr.  zur  G.-forschung  von  EAKnother.  New-Yorker  belletristisches  Journal, 
abgedr.  Echo  nr  30  (Goethe-jb.  6,  392).  [389 
Nachklänge  aus  Weimar:  im  G.-haus,  G.s  tonlehre,  fiber  G.s  Stellung  zur 
tonkunst  von  OLessmann.  Allgem.  deutsche  musikztg.  nr  26.  [390 
The  Story  of  G.s  life  by  GHLewes.  second  edition.  abridgcd  from  Life  and 
works  of  G.  London,  Smith  <fc  Eider.  [391 
Unerklärtes  und  ungedrucktes  von  G.  von  ALindner.  Gegenwart  nrl7.  [392 
Zur  Zeitbestimmung  G. scher  schriften  von  GvLoeper.  Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 13,  72.  [39S 
G.  und  Schiller  in  ihrem  Verhältnis  zum  Christentum  von  dr  FLübker  [aus: 
Vorträge  über  bildung  und  Christentum].  Hamburg,  agentur  des  rauhen  hauses. 
36.  8.  —  D.  litleraturbl.  VII  nr  35  (Keck).  Theol.  litleraturbl.  sp.  423.  [394 
G.s  philosophische  entwickelung.  ein  beitr.  zur  gesch.  der  philos.  unserer 
dichterheroen  von  E.Melzer.  separatabdr.  aus  dem  22  bericht  der  wissensch. 
»esellsch.  Philomathie  in  Neifse.  Neifse,  Graveur.  74.  8.  [395 
Festgedichte  zu  der  G.-Textorschen  hochzeit  am  20  aug.  1748.  ein  beitr. 
zur  G.-forschung  von  EMentzel.  Die  kleine  chronik.  Frankf.  Wochenschrift 
hg.  von  LHolthof  vii  nr  8  (Goethe-jb.  6,  421).  [396 
Jena,  erinnerungen  an  die  class.  zeit  von  KNeumann-Strela.  Wester- 
manns  monatshefte,  jan.  s.  26.                                                                     [397 


304  BIBLIOGRAPHIE   II 

vGoETHE,  JW.:    Die  religiöse  Weltanschauung  G.s.     ein  Vortrag  von   lic.  theol. 
WNeveling.     Barmen,  Klein,     iv,  28.     S.  [398 

Studier  over  G.s  dramaer  med  saerligt  hensyn  til  deres  personskildring  af 
JPaludan-Müller.  Kopenhagen,  Schon.  224.  8.  vgl.  Goethe-jb.  6,  400 
(Hoffory).  [399 

G.s  Brockenreisen,  zum  100jährigen  gedenktage  seiner  letzten  Brockenreise 
am  4  sept.  1784  von  HPröhle.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  35.  36.  [400 
G.s  Waldeinsamkeit  (zu  G.s  135  geburtslag).  erinnerung  von  JRank.  D. 
Wochenschrift  nr  35.  [401 

Ankündigung  von  G.s  Schriften  in  8  bden  vonKRieger.  Goethe-jb.  5,347.  [402 
♦Die  G.-bildnisse.  biographisch-kunstgeschichtlich  dargestellt  von  drHRol- 
lett.  mit  78  holzschn.,  8  radierungen  von  W'Unger  und  2  heliogravuren. 
Wien,  Braumüller,  1SS3.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  457  (vBiederniann). 
DLZ  nr8  (Werner).  [403 

Über  die  anordnung  G. scher  Schriften  iii.  von  WScherer.  Goethe-jb. 
5,  258.  [404 

G.  in  Franzensbad  von  GSchmid.  Usterr. badeztg.  13  jg.  nr  17.  18  (Goethe- 
jb.  6,  419).  [405 
G.s  und  Schillers  Verhältnis  zur  comödie  von  ASchöU  in:  Gesammelte  auf- 
sätze  zur  class.  litt,  alter  und  neuerer  zeit  s.  S5.  [406 
G.  und  die  liebe,  zwei  vortrage  [G.  und  die  liebe,  einleitung  zu  Stella  (er- 
schien zuerst  D.  ztg.  nr  4335.  4347  morgenbl.).  G.  und  Marianne  Willemer] 
von  KJSchr  öer.  Heilbronn,  Henninger.  xi,  78.  8.  —  D.  ztg.  nr  4660  abendbl. 
Litt,  centralbl.  nr  29.  D.  litteraturbl.  vii  nr  20  (Zimmermann).  [407 
G.   by  JRSeeley   i.  ii.  iii.     The   contemporary   review,   aug. ,  oct.,   nov, 

[408 
G.  in  seinen  beziehungen  zur  musik  von  Wald  mann.  D.  Wochenschrift 
nr  19.  [409 

G.s  gedanken    über  deutsche  Zeitschriften   von  GWeisstein.     Goethe-jb. 

5,  311.  [410 
G.  in  Schlesien  1790.  ein  beitr.  zur  G.-litt.  von  HWentzel.  2  aufl. 
Breslau,  Koebner.  [411 
Freund  G.  von  JWerner,  Verfasserin  der  Jugenderinnerungen  einer  jungen 
frau.  Stuttgart,  Cotla.  237.  8.  —  AZ  nr  308B.  (vStraufs  und  Torney).  Neue 
evang.  kirchenztg.  nr47.  [412 
G.  in  Amerika  von  HSWhite,  übersetzt  von  C.  P.  Goethe-jb.  5.  219.  [413 
Kleine  Goethiana  zum  28  august  [1.  Das  Leipziger  theater  1765—1768.  2.  Zu 
den  Jugendbriefen.  3.  Stella  und  Das  veilchen.  4.  Ein  archäologisches  gut- 
achten  1800J  von  GWustmann.  Grenzboten  nr  36.  [414 
Zu  G.s  doctordiss.  von  FZa rucke.  Goethe-jb.  5,  345.  [415 
ZurG.-,  Lessing-  und  Schillerlitt,  (bibliographisches).  Neuer  anz.  f.  bibliogr. 
und  bibliothekwissensch.  45,  63  ff.  91  ff.  [416 
Die  familie  G.  in  Artern,  Frankfurt  a/M.,  Allstedt,  Mansfeld  und  Friedberg. 
Die  kleine  chronik.  Frankf.  Wochenschrift  hg.  von  LHolthof  vii  nr  8.  9 
(Goethe-jb.  6,  421).  [417 
Das  G.haus  in  Weimar.  Wiener  theaterchronik  nr23  (Goethe-jb.  6,  442).  auch 
Didaskalia  nr  132.  [418 
G.    als    beamter.      Monatsschrift    f.    deutsche    beamte,    heft  3    (Goethe-jb. 

6.  421).  [419 
Über  G.s  glaubensbekenntnis.  Frankf.  ztg.  nr  26.  [420 
The  wisdom  of  G.  Temple  Bar  magazine,  febr.  art.  viii  (Goethe-jb.  6, 447).  [421 
Erinnerungen  aus  Karlsbad,  noiiz  in  der  Frankf.  ztg.  nr  197  beil.,  der 
Wiener  D.  ztg.  entnommen  [aufenthalt  berühmter  litt,  persönlichkeiten,  insb. 
G.s,  in  Karlsbad  1763—1833].  [422 
Karlsbad  the  queen  of  Bohemian  watering  places.  The  nineteenth  Century 
16,  788  [behandelt  s.  797-800  G.s  Karlsbader  besuche].  [423 
s.  auch  [12.  26.  42.  72.  73.  74.  512.  724.  725.  732.  869. 

G.s  und  Schillers  beschäftigung  mit  der  Poetik  des  Aristoteles  von  CliBel  ger 


I 


BIBLIUGBAPHIE    II  305 

in:  Historische  und  philol.  aufsätze.  ECurlius  zu  seinem  TÜgebuitstag  am 
2  sept.  1SS4  gewidmet  (Berlin,  Asher  &  de.  434.  S.).  aucli  separat,  2S.  S.  [424 
vGoETHE,  JW.:  *Beethoven  und  G.  eine  Studie  von  dr  ThFrimmel.  Wien, 
Gerold,  18S3.  —  Acad.  bll.  1,  429  (Minor).  Ell.  f.  litt,  unterh.  nr  37 
(Buchner).  [425 

Bodmer  und  G.  von  WLang.  Neue  freie  presse  nr  7049  morgenbl.  [426 
s.  auch  [142. 

Friderike  Brion  von  Sesenheim  (1752—1813).  eine  chronologisch  bearb.  bio- 
graphie  nach  neuem  material  aus  dem  Lenznachlasse  von  PThFalck.  mit 
1  Portrait,  4  Zeichnungen  und  3  facsimiles.  Berlin,  Kamiah.  xvi,  S6.  8.  — 
Neue  evang.  kirchenztg.  nr50.  Gegenwart  nr  44  (Roquette).  D.  litteralurbl. 
VII  nr36  (Keck).  [427 

A  pilgrimage  to  Sesenheim  by  HSWhite.  Lippincotts  magazine,  Philadel- 
phia, febr.  s.  183— 1S7  (Goethe-jb.  6,  417).  [428 
Die  Sesenheimer  liebe  und  ihr  einfluss  auf  G.s  dichterische  entwicklung 
von  FWichraann.  Kyffhäuserztg.  nr  15  (Goethe-jb.  6,  418).  [429 
G.  und  Byron  von  RSpringer.  Sonntagsbeil,  zur  V^oss.  ztg.  nr4.  [430 
G.  und  Cotta  von  BReinhold.  Litt,  merkur  iv  nr  7.  [431 
Erinnerungen  an  eine  edle  freu  [Mathilde  Escher]  von  CFMeyer.  Gegen- 
wart nr  40  [enthält  einiges  über  G.s  beziehungen  zu  HGEscher  in  Zürich].  [432 
Alma  von  Goethe  von  HRollett.  Neue  freie  presse  nr7174  abendbl.  [433 
G.  und  Grabbe  von  GWeisstein.  Berl.  tagebl.  nr  133.  [434 
G.  und  Heine  von  LG  eigen  Gegenwart  nr  S.  [435 
*G.  in  Heines  werken  von  WRo  bert-Torno  w.  Berlin,  Haude  u.  Spener, 
1SS3.  —  Litt,  centralbl.  nr  18.  Lilteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  6  (Koch). 
Grenzboten  nr  7.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  37  (Buchner).  D.  litteralurbl.  vii  nr  11 
(Keck).  [436 
G.  und  Homer  von  OLücke.  progr.  der  k.  klosterschule  zu  Ilfeld  a  H. 
Nordhausen,  Kirchner,  51.  4.  —  DLZ  nr 40  (Scherer).  Arch.  f.  d.  Studium 
d.  neueren  spr.  72,  46Ü.  [437 
G.  und  Homer  von  HSchreyer.  1  teil:  bis  zur  reise  nach  Italien,  progr. 
der  landesschule  Pforta.  Naumburg  a/S.,  Sieling.  44.  4.  —  Arch.  f.  d.  Studium 
d.  neueren  spr.  72,  460.  [438 
G.  und  Karl  August  s.  [600-602.  [439 
*G.s  Verhältnis  zu  Klopstock.  ihre  geistigen,  litt,  und  persönlichen  be- 
ziehungen von  dr  OLyon.  Leipzig,  Grieben,  1882.  4  bll.,  134.  8.  — 
Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  169  (vBiedermann).  Anz.  x  267  (Seuffert).  [440 
G.  und  vKnebel  s.  [646—648. 
G.  und  Köchy  s.  [649. 

Zwei  besuche  [von  GAKrug  1827  und  WSchuitter  1829]  bei  G.  von  HHol- 
stein.     Sonnlagsbeil.  zur  Voss.  ztg.  nr40.  41.  [441 

G.  und  Lavater.  Vortrag  von  RS t eck  ((jffentliche  vortr.  gehalten  in  der 
Schweiz  viii  7).     Basel,  Schwabe.     39.     8.  [442 

G.  und  Ulrike  von  Levetzow,  erzählung  von  HViehoff.  Deutsche  revue, 
mai  s.  1 33.  [443 

Lucrez  in  Weimar  [G.s  Stellung  zu  Lucrez]  von  WLang.  Neue  freie  presse 
nr  6972.  6973  morgenbl.  [444 

G.  und  die  JMara  von  PThFalck.     Goethe-jb.  5,  348.  [445 

G.  und  E.Meyer  s.  [349. 

Aus  'kunst-Meyers'  [HMeyers]  nachlass  von  KKuhn.  Frankf.  ztg.  nr  62 
[enthält  verschiedenes  von  (zb.  briefe)  und  über  G.,  s.  Goethe-jb.  6,  378].  [446 
G.  und  die  gräfin  O'Donell.  nach  ungedr.  briefen  von  RMWerner.  Neue 
freie  presse  nr  7043  morgenbl.     s.  auch  [354.  [447 

*  Ein  verfehlter  und  ein  gelungener  besuch  bei  G.  1819  und  1827  von  dr  GPar- 
they.  2  unveränderter  abdr.  Berlin,  Nicolai,  1883.  —  Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 12,473  (vBiedermann).  [448 
Einige  parallelen  zu  G.  aus  Pope  von  SLevy.  Goethe-jb.  5,  344.  [449 
Raphaels  rühm  in  4  jhh.  von  HGrimm.  l).  rundschau,  nov.  s.  216  und 
dec.  s.  342  [handelt  auch  über  G.s  beschäftigung  mit  Raphael].  [450 


306  BIBLIOGRAPHIE    II 

vGoETHE,  JW.:  Rubens  and  G.  in:  Essays  by  RMEyton.  London,  Griffilh 
&  Farran  (Goethe-jb.  6,  446).  [451 

Zu  G.  und  Ruckstuhl  von  LGeiger.     Goethe-jb.  5,  349.  [452 

G.  und  Schiller  s.  [40. 

G.  und  Anna  Magdalena  Schweizer  s.  [575  und  Goethe-jb.  6,  436.  [453 

G.  und  Luise  Seidler  s.  [40. 

G.  und  der  schriftsteiler  GLPSievers  mitgeteilt  von  EPasque.  Frankf. 
Ztg.  nr  3.  [454 

G.  und  frau  vStein  s.  [348.351.  1046. 

Friederike  Unzelmann  geb.  Petersilie,  ein  beitr.  zur  gesch.  des  Weimarer 
theaters  unterG.s  leitung  von  dr  FThomae.  Sonntagsbl.  des  Bund  nrl2.  [455 
Demoiselle  Weber  bei  G.  von  Seidel.     Goethe-jb.  5,  350.  [456 

G.s  Strafsburger  freund  Friedrich  Leopold  Weyiand  von  HDüntzer.  AZ 
nr217.  2318.  [457 

G.  und  Marianne  von  Willemer  s.  [40.  407. 

Zur  erinnerung  an  G.s  Suleika  [Marianne  von  Willemer]  von  OBrahm. 
Frankf,  ztg.  nr  325.  [458 

Marianne  von  Willemer.  zum  gedächtnis  ihres  100jährigen  geburtstages 
von  LFulda.     Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  46.  [459 

Marianne- Suleika.  eine  fesfrede  gehalten  zu  Linz  den  20  nov.  1884  von 
ESchmidt.     D.  Wochenschrift  nr  49.  [460 

Gottsched,  JCh.:  G.  und  die  Schweizer  JJBodmer  und  JJBreitinger,  hg.  von 
JC rüger  (D.  nationallitt.  bd.  42).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  ci,  335. 
8.  [auszüge  aus  den  Discursen  der  maier,  aus  Breitingers  Krit.  dichtkunst, 
aus  Boduiers  Homerübersetzung,  ferner  G.s  Sterb.  Cato,  Der  parodierte  Cato, 
Bodmers  Bache  der  Schwester,  der  frau  G.  Testament].  —  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr51  (Boxberger).     Acad.  bll.  1,  732  (Minor).  [461 

Eine  reise  nach  Wien  (G.  und  die  Gottschedin  bei  kaiserin  Maria  Theresia) 
von  PSchlenther.     D.  Wochenschrift  nr35.  [462 

s.  auch  [11.  512. 

Grabbe,  Ch.  s.  [347..  434. 

Greflinger,  G. :  *Über  GG.  von  Regensburg  als  dichter,  historiker  und  Über- 
setzer, eine  litterarhist.  Untersuchung  von  WvOettingen.  OF  49.  Strafs- 
burg, Trübner,  1SS2.  —  Anz.  x  73  (Walther).  [463 

GniLLPARZER,  F.:  G.s  Ahnfrau  und  Calderons  Andacht  zum  kreuze  von  HLambel. 
Die  presse  nr  16.  [464 

*G.s  Ahnfrau  und  die  schicksalsidee  von  VTerlitza.  progr.  der  staals- 
oberrealschule  zu  Bielitz  1883.  —  Gymn.  nr  10  (Saliger).  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  35,  759  vgl.  719  (Werner),  [465 

Verse  G.s  über  Eckermann  in  Hillers  album.  aus  Kürschners  Signalen 
(Goethe-jb.  6,  437).  [466 

G.s  Jüdin  von  Toledo,  ihre  quellen  und  älteren  bearbeitungen  von  drMLan- 
dau.     AZ  nr  298,  299B,  [467 

G.s  Sappho  auf  der  Leipziger  bühne  von  HMarbach.  Wissensch.  beil. 
d.  Leipziger  ztg.  nr  74  s.  441,  [468 

Traum  ein  leben  s.  [60. 

Aus  G.s  Wohnung  von  dr  GvBreuning.  Neue  freie  presse  nr  7266.  7267 
morgenbl.  [469 

Das  bild  in  der  dramatischen  spräche  G.s  von  ACafasso.  jahresber.  des 
landes-obergymn.  zu  Leoben.     52.     8.  [470 

FG.  eine  biographische  studie  von  prof.  AFäu  1  hamm er.  Graz,  Leuschner 
u.  Lubensky.  vi,  244.  8.  —  DLZ  nr  3  (Scherer).  Litt,  centralhl.  nr  13. 
Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  26  (Buchner).  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  vi  6  s.  278 
(Proelss).  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  635  (Minor).  D.  rundschau,  dec.  s.  480. 
Zs.  f.  allg.  gesch.,  kultur-,  litt.-  und  kunstgesch.  1,406  und  Zs.  f.  d.  österr. 
gymn.  35,  757  (Werner),  AZ  nr53B.  (.\luncker).  Nationalztg.  nr  13  (Lem- 
mermayer).     D.  Wochenschrift  nr  17  (Valdeck).  [471 

*Zur  biographie  FG.s  von  LAFrankl.  Wien  u.  Pest,  Hartleben,  1883.  — 
Acad.   bll.    1,  55   (Minor).      Bll.  f.  litt,  unterh.    nr  2  (Boxberger).     ebenda 


BIBLIOGRAPHIE    II  307 

nr  26  (Buchner).  D.  rundschau,  dec.  s.  4S0.  Gegenwart  nr  47  s,  335. 
Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  757   (Werner).  [472 

Grillparzer,  F.:  Zur  biographie  FG.s  von  LAFra  nkl.  2  verm.  aufl.  Wien  u. 
Pest,  Hartleben.     97  mit  portrait.     8.  [473 

Zurbiogr.  G.s  von  drKGlossy.  Neue  freie  presse  nr  7202  morgenbl.  [474 
FG.s  lebensgesch.  von  HLaube.  mit  dem  portrait  des  dichlers  in  slahlsticli. 
Stuttgart,  Cotta.  viii,  177.  8.  —  AZ  nr  154— 156.  158.  160  ß.  und  Zs. 
f.  aiig.  gesch.,  kultur-,  litt.-  und  kunstgesch.  1,  406  (Werner).  Athenaeum 
nr  2962  s.  155.  D.  vi'ochenschrift  nr  17  (Valdeck).  Nationalztg.  nr  345  (Lem- 
mermayer).  Grenzboten  nr  22  (Lier).  Saturday  review  nr  1495.  Gegenwart 
nr  27  (Zolling).  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  vi  6  s.  278  (Proelss).  Litt,  cen- 
tralbl.  nr33.  Unsere  zeit,  aug.  s.  190  (vGottschall).  DLZ  nr  35  (Scherer). 
Europa  nr  18.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  32  (Kaufmann).  [475 
Otto  Prechtler  der  freund  G.s  von  AM  üller-Guttenbrunn.  AZ 
nr  335  B.  [476 

*G.s  technik.  ein  essay  von  PivMuth.  progr.  der  landes-oberrealschule 
zu  Wiener-Neustadt  1883.  —  Gymn.  nr  10  (Sauger).  Zs.  f.  d.  österr.  gymn. 
35,  719.  [477 

FG.  auf  der  bühne  von  Neumaun -Hofer.  D.  montagsbl.  nr  19.  [478 
FG.  und  Ka  thi  Fröhlich  von  LS  p  e  i  d  el.  Neue  freie  presse  nr  7 1 1 9  morgenbl.  [479 
Die  erste  rede  G.s.    D.  Wochenschrift  nr  42.  [480 

s.  auch  [39.74.171.625. 

vGrimmelshausen,  HJC.  :  *  Werke,  bd.  1.2.3.  hg.  von  FBobertag  (D.  na- 
tionallitt, bd.  33.  34.  35).  Stuttgart  u.  Berlin,  Spemann.  —  Sonntagsbl.  des 
Bund  nr31  s.  248.  [481 

Zur  Simplicianischen  litt,  [über  den  Ungarischen  oder  dacianischen  Simplicis- 
simus  und  den  Türkischen  vaganten  oder  umschweiffenden  türkischen  handels- 
mann]  von  VvRenner.  Mitteilungen  des  Instituts  f.  österr.  geschicllt^- 
forsch.  5, 143.  [482 

Grossmanx,  GWF.  briefe  s.  [138. 

Grün.A.  s.  [128  ff. 

Gryphiüs,  A.:  Zu  Gardenie  und  Gelinde  von  RBo xberger.  Arch.  f.  litteratur- 
gesch.  12,  219.    vgl.  [485  s.  605  ff.  [483 

*Uber  Herodis  furiae  et  Racheiis  lachrymae  nebst  einigen  weiteren  nachr. 
über  den  dichter  von  FWJ  ahn.  progr.  des  stadtgymn.  zu  Halle  a/S.  1883.  — 
Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,228.  [484 

Lyrische  gedichte  hg.  von  HPalm  (Litt.  ver.  CLXXi).  Tübingen.  610.  8. 
[enthält  auch  das  leben  des  dichters  s.  590  fr].  [485 

*Sonn-  und  feiertagssonette.  abdr.  der  ersten  ausg.  (1639)  mit  den  ab- 
weichungen  der  ausg.  letzter  band  (1663)  besorgt  durch  dr  HWelti  (Neudr. 
deutscher  litteraturwerke  des  16  und  17  jhs.  nr  37  u.  38).  Halle,  Niemeyer, 
1883.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  8  (Muncker).  [486 

Guts  muths,  JChF. :  G.  M.  Über  vaterländische  erziehung.  eine  abhdlg.  v.  j. 
1814,  bei  gelegenheit  der  feier  des  100jährigen  bestehens  der  erziehungs- 
anstalt  zu  Schnepfenthal  neu  hg.  von  dr  KWa  ssma  n  n  sd  orff.  mit  einer 
rede  des  Schnepfenthaler  zöglings  GLexmundvHeinrich  v.  j.  1796  De  gym- 
nicorum  exercitiorum  ulilitate  et  vero  consilio,  und  einer  rede  ChGSalzmanns 
im  betsaale  des  Dessauer  philanthropins  v.  j.  1781  Über  die  gesundheit  und 
die  mittel  sie  zu  erhalten.     Plauen  i/V.,  Hohmann.     xiii,  76.     8.  [487 

vHagedorn,  f.:  *  Versuch  einiger  gedichte  (DLD  10).  Heilbronn,  Henninger, 
1883.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  1  (Koch).  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr2  (Boxberger).  [488 

H.  und  die  erzählung  in  reimversen  von  WEigenbrodt.  Berlin,  Weid- 
mann.    VIII,  139.     8.  [489 

[Hainbund:]  Bundesbuch  und  Stammbücher  des  Hains  von  JGrüger.  Acad. 
bll.  1,  600.  [490 

Die  Göttinger  sog.  Hainbündler  von  ABirlinger.     Alem.  12,99.  [491 

vHaller,  A.:  H.  und  Salis-Seewis.  auswahl  hg.  von  prof.dr  AFrey  (D.  national- 
litt. bd.41  abteilung2).     Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  xlviii,371.  8.      [492 


308  BIBLIOGRAPHIE    II 

vHaller,  A.:  *Gedichte.  hg,  und  eingeleitet  von  dr  LHirzel  (Bibl.  älterer 
Schriftwerke  der  deutschen  Schweiz  bd.  3).  Frauenfeld,  Huber,  18S2.  — 
Anz.  X  239  (Seuffert).  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  432  (Werner).  Arch.  f. 
lilteraturgesch.  13,120  (Jacoby).  [493 

Gedichte,  zweiter  abdr.  (Nationalbibl.  Schweiz,  dichter  und  redner  des 
18  und  19jhs.  in  sorgfältiger  auswahl.  mit  biographisch -kritischen  ein- 
leitungen  hg.  von  RWeber.  1  bdchen).  Aarau,  Sauerländer,  vi,  72.  8.  [494 
*  Tagebücher  seiner  reisen  nach  Deutschland,  Holland  und  England  1723-1727. 
mit  anm.  hg.  von  LHirzel.  anhang:  ein  bisher  unbekanntes  gedieht  Hallers 
aus  d.  j.  1721.  Leipzig,  Hirzel,  1883.  —  Anz.  x  252  (Seufifert).  Arch.  f. 
lilteraturgesch.  13, 120  (Jacoby).  D.  litteraturbl.  vii  nrl7  (Rudioff).  [495 
ThHancock,  AvH.     Aiademy  nr616.  [496 

H.  as  a  poet  by  HGKeene.     Academy  nr615.  [497 

s.  auch  [512. 

Hamann,  JG.  s.  [512. 

vHardenberg,  F. :  *FvH.  (genannt  Novalis),  eine  nachlese  aus  den  quellen  des 
familienarchives.  hg.  von  einem  mitglied  der  familie.  2  auf!,  mit  portrait, 
Gotha,  Perthes,  1SS3.  —  GGA  nr  8  (Minor).  DLZ  nr  32  (Scherer).  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).     Neue  evang.  kirchenztg.  nr  52.  [498 

Haschka,  LL.  briefe  s.  [1116. 

Hauff,  W.:  Sämmtliche  werke,  illustr.  prachtausg.  illustr.  von  hervorragenden 
Münchner  künsllern.  Ifg.  1.  München,  Arnold  u.  Kreyfsig.  36  mit  ein- 
gedr.  holzschn.  und  aulotypien,     8.  [499 

Märchen,  f.  d.  Jugend  durchgesehen  von  GH  of  mann,  mit  8  bildern  in 
farbendr.  nach  originalen  von  KWeigand.  2  aufl.  Leipzig,  Oehmigke. 
111,  33S.     8.  [500 

Die  geschichte  von  der  abgehauenen  band  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden 
boten  nr  14).     Lahr,  Schauenburg.     21.     8.  [501 

Die  errettung  Fatmes  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  58. 59). 
Lahr,  Schauenburg.     22.     8.  [502 

Die  geschichte  von  dem  kleinen  Muck  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden 
boten  nr76.  77).     Lahr,  Schauenburg.     23.     8.  [503 

Zu  H.s  Memoiren  des  satans  von  OBehaghel.  Arch.  f.  lilteraturgesch. 
12,  480.  [504 

Othello  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  102—106).  Lahr,  Schauen- 
burg. 52.  8.  [505 
Das  bild  des  kaisers  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  129 — 135). 
Lahr,  Schauenburg.     103.     S.                                                                          [506 

Hebel,  JP.:  *  Werke  hg.  von  OBehaghel.  i  Alemannische  gediclile.  ii  Er- 
zählungen des  rheinischen  hausfreundes  (D.  nalionallitt.  bd.  142).  Berlin 
u.  Stuttgart,  Spemann.  —  AZ  nr53B.  (Muncker).  [507 

Ausgewählte  erzählungen  des  rheinischen  hausfreundes  f.  d.  Jugend,  be- 
sonders auch  f.  schul-  und  ortsbibl.  zusammengestellt  von  dr  GPlieni  n  ger. 
mit  4  abbildungen  (Universalbibl.  f.  d.  Jugend.  174.  175  bdchen).  Stutt- 
gart, Kröner.  136.  12.  [508 
♦Briefe  von  JPH.  hg.  von  dr  OBehaghel.  1  Sammlung,  briefe  an 
KChGmelin,  an  die  Strafsburger  freunde,  an  JKerner.  mit  einem  bildnis 
Hebels  in  lichtdr.  Karlsruhe,  Reuthcr,  1883.  —  AZ  nr  53  B.  (Muncker),  Litt, 
centralbl.  nr3.  DLZ  nr  24  (Minor).  Grenzboten  nr  7.  Litt,  rundschau  nr  11 
(Hellinghaus).  Zs.  f.  d.  ph.  16,  251  (Laengin).  Bll.  f.  litt,  unterh,  nr  32 
(Boxberger),  [509 
Eine  äufserung  JPH.s  über  den  Iheologenmangel  von  AErichson.  Prot, 
kirchenztg.  nr21  s.  459.  [510 

Hegel,  GWF.:   H.  in  der  Schweiz.     Neue  Zürcher  ztg.  nrSO.  81.  |511 

Hegner,  U.:  Litterarische  aphorismeu  [ua.  über  Gentz,  Goethe,  Gottsched,  die 
Haller,  Hamann,  Herder,  Hermes,  Jean  Paul,  Jung  Stilling,  Kant,  Klop- 
stock,  Lcssing,  JGMüller,  Nicolai,  Oken,  Schiller,  Spangenberg]  von  UH.  mit- 
geteilt von  JBaechtold  und  GGeilfus.     Acad.  bll.  1,412.  [512 

Heine, H.:  ILsprosa.  being  seleclions  from  his  prose-worksby  GABuchheim  (Se- 


BIBLIOGRAPHIE  11  309 

ries  of German  classicsvii).  Oxford, Clarendon  press.  —  Saturday  review, 22nov. 
nr  1517.  AZ  nr34T  B.  357  B.  (Sanders).    Academy  nr653. 654. 656. 657.       [513 
Heise,  H.:  Selections  from  the  prose  writings  edited  by  CColbeck.     London, 
Macmillan.  —  Academy  nr  629  (Wolsteiiholme).  [514 

Sämmtliche  werke,  rechtmäfsige  originalausg.  supplementbd.  1 — 9  tausend. 
Memoiren  und  neu  gesammelte  gedichte,  prosa  und  briefe.  mit  einleitung 
hg.  von  EEngel.  Hamburg,  Hoffmann  u.  Campe,  v,  359.  8.  —  Neue 
freie  presse  nr  6994  morgenbl.  ebenda  nr  7099  morgenbl.  (Speidel),  DLZ 
nr  48  (Jacoby).  Gegenwart  nr  22  (Zolling).  Saturday  review  nr  1490. 
Grenzboten  nr  24.  Unsere  zeit,  juli  s.  55  (vGottschall),  Zs.  f.  d.  gebildete 
weit  VI  5  s.  227  (Geiger).  Nord  und  süd  30,  139.  Academy  nr  634. 
Athenaeum  nr  2952  s.  658.  Bli.  f.  litt,  unterh.  nr  35  s.  558.  ebenda  nr  40 
(Zabel).     D.  rundschau,  oct.  s.  163,  [515 

Sämmtliche  werke,  mit  einer  biographie  von  drGKarpeles.  neue  volks- 
ausg.  in  50  Ifgen.  Ifg.  1 — 8ä4bogen.  Hamburg,  Hoffmann  u. Campe.  8.  [516 
Werke,  illustr.  prachtausg.  hg.  von  HLaube.  Ifg.  1—8  (s.  1 — 192).  Wien, 
Bensinger.     8,  —  Nationalztg.  nr711  (Karpeles).  [517 

Oeuvres  completes.  De  la  France,  nouvelle  edition,  Paris,  Calmann- 
Levy,  [518 

Buch  der  lieder.  mit  ausschluss  des  nordseecyklus.  mit  12  lichtdr.-bil- 
dern  und  100  textillustrationen  nach  Originalzeichnungen  von  PThumann. 
3  aufl.  der  illustr.  ausg.  Leipzig,  Titze.  134.  4.  —  811.  f.  litt,  unterh, 
nr25  (Schlossar).  [519 

11  Canzoniere,  traduz,  dl  BZendri  ni  preceduto  dalla  introduzione  alla  3  ed,  e 
seguito  dal  saggio  crilico:  H.  e  i  suoi  interpreti,  4  ed.  2  voll.  Milano, 
Hoepli.  [520 

Eine  franz.  H. Übersetzung  [Intermezzo  lyrique  par  ChBel  tj  ens,  erschienen 
im  Lütticher  wochenbl.  La  tribune]  von  ESeipgens.  Magazin  f,  d.  litt, 
d.  in-  und  ausl.  nr  23,  [521 

Vom  fichtenbaum  und  der  palme  von  GKarpeles.  D.  montagsbl.  nr  2.  [522 
Zum  capitel  der  entlehnungen  [H.s  Ein  Jüngling  liebt  ein  mädchen  und 
Moschus  Guter  rat  für  liebende]  von  HSemmig.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in- 
und  aus!.  nr39  s.  602.  [523 

Ein  H.sches  gedieht  [Ein  Jüngling  liebt  ein  mädchen]  in  lat.  Übertragung 
von  ThVulpinus.     Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  36.  [524 

H.  in  Brittany  by  ALMayhew.  Athenaeum  nr  2971  s.  432  [vorbild  zur 
Wallfahrt  nach  Kevlaar].  [525 

Zu  H.s  Wallfahrt  nach  Kevlaar,  AZ  nr44B.  unter  Verschiedenes.  [526 
Der  fliegende  Holländer.  RWagner,  HH.  und  Le  vaisseau  fantöme  von 
EPasque.     Nord  und  süd,  juli  s.  109.    aug.  s.  190.  [527 

HH.s  memoiren  über  seine  Jugendzeit  hg.  von  EEngel.  Gartenlaube  nr  6 — 8. 
10.11.12.14.15.16.17.  s.  auch  [515. —Nationalztg.  nr276  (Karpeles).  [528 
The  memoirs  of  H.  H.  with  an  introductory  essay  by  dr  TWE  v  a  n  s.  London, 
Bell  &  sons.  —  Athenaeum  nr  2957  s.  822.     Academy  nr  634.  [529 

Memoires,  traduction  Bourdeau.     Paris,  Galmann-Levy.  [530 

Quelques  fragments  des  memoires  de  HH.  La  revue  nouvelle  d'Alsace-Lor- 
raine,  3  annee  nr  12.  [531 

Zur  frage  der  H. sehen  memoiren  von  KEFra  nzos.  Gegenwart  nr  2.  [532 
Les  coulisses  d'un  livre.  ä  propos  des  memoires  de  HH.  par  FKohn- 
Abrest.  avec  un  portrait  de  HH.  Paris,  Hinrichsen  &  cie.  47.  8.  [533 
Zu  den  H.-memoiren.     Nord  und  süd,  sept.  s.  413.  [534 

Memoires  de  HH.    Pievue  pol.  et  litt,  nr  21.  [535 

HH.s  Buch  Le  grand  of  the  Reisebilder,  translated  by  J.  B.  London,  Mac- 
millan. [536 
Zu  H.s  Schöpfungsliedern  von  SLevy.  Arch,  f.  litteraturgesch.  12,482.  [537 
H.  über  Laube,  ein  ungedr.  bericht  H.s  aus  Paris  mitgeteilt  von  GKar- 
peles. Vom  fels  zum  meer,  nov.  s.  209.  [538 
HH.  und  das  Magazin  [brief  H.s  vom  5  oct.  1854].  Magazin  f.  d,  litt,  d,  in- 
und  ausl.  nr  1.  [539 


310  BIBLIOGRAPHIE    H 

Heine, H.:  Une  lettre  de  HH.  (der  im  Mag.  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  abgedr. 
brief  vom  5  oct.  1S54  an  Lehmann).    Revue  pol.  et  litt,  nr  1.  [540 

The  letters  of  HH.  by  WSichel.  The  nineteenlh  Century  16,118.  [541 
s.  auch  [347. 

Meine  begegnung  mit  der  Mouche  (CSelden).  von  EEckstein.  Magazin 
f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  1.  [542 

Aus  HH.s  letzten  lagen,  die  Mouche,  frau  Caroline  Jaubert  von  EEngel. 
Gartenlaube  nr  19.  [543 

HH.  u.  Piiilipp Spina  von  RH  of  f  m a  n  n.  Beweis  des  glaubens  20, 401. 467.  [544 
HH.  erinnerungen  aus  den  letzten  20  jähren  seines  lebens  (1835 — 1855)  von 
mad.  CJaubert.  autoris.  Übersetzung  von  LWelter.  Paris  u.  Leipzig, 
Le  Sondier.  93.  8,  —  DLZ  nr  48  (Jacoby).  Ell.  f.  litt,  unterh.  nr  18 
s.  286.  [545 

Erinnerungen  an  HH.  von  HJulia.  D.  revue,  juli  s.  43,  aug.  s.  165,  sept. 
s.  296.  ^  [546 

Esquisses  litteraires.  HH.  1.  annees  de  jeunesse,  poesies  lyriques  par  EMon- 
tegut.  Revue  des  deux  mondes,  15mai.  —  Bli. f.  litt,  unterh.  nr35  s. 558.  [547 
Liszt  und  H.  von  LNohl.     D.  Wochenschrift  nr  49.  [548 

H.  und  Halewi  von  iSSamuely.    Auf  der  höhe  4,290.  [549 

Les  derniers  jours  de  HH.  par  CSelden.  Paris,  Levy.  —  Magazin  f.  d.  litt, 
d.  in-  und  ausl.  nr  1  (Meifsner).  Athenaeum  nr  2940  s.  276.  Academy 
nr  620   (Lintock).  [550 

HH.s  letzte  tage,  erinnerungen  von  CSelden.  aus  dem  franz.  einzige 
autoris.  deutsche  ausg.  Jena,  Costenoble.  iv,  104.  S.  —  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr  21  und  Unsere  zeit,  juli  s.  61  (vGollschall).  DLZ  nr  48  (Jacoby).  Auf  der 
höhe  3,313  (vHalle).  [551 

The  last  days  ofHH.  translated  from  the  french  of  CSelden.  by  GBrune. 
London,  Remington  &  cie.     8.  —  Athenaeum  nr  2959  s.  47.  [552 

Die  memoiren  der  letzten  liebe  HH.s  (genannt  Mouche),  mit  einem  einleit. 
Vorwort  hg.  von  ESierke.  Schorers  familienbl.  nr  14.  18.  21.  26.  2S.  37. 
41.  48.  [553 

H.  and  WMüUer  by  JSnodgrass.     Academy  nr  644.  [554 

HH.s  leben  und  werke  von  AS  tr od  tma  nn.  3auf[.  2bde.  Hamburg, HofTmann 
u.  Campe,     viii,  712.  iii,  460  mit  einer  genealogischen  tabelle.    12.  [555 

Neues  aus  dem  nachlasse  HH.s.  Neue  freie  presse  nr  7o63  morgenbl.  [556 
Laube,  H.  und  Schefer  (mit  bisher  unveröffentlichten  briefen)  von  RW.  1». 
zig.  nr  4633.  4634  morgenbl.  [557 

s.  auch  [12.  39.  435.  436. 

vHelwig,  A.  geb.  vlmlioff  s.  [989. 

vHerder,JG.:  *Sämmtiiche  werke  hg.  von  BSuphan.  bd.l  — 4.  6.  10 — 12. 
17  —  22.  26.  27.  Berlin,  Weidmann,  1877  — 1883.  —  Revue  historique 
26,  164  (Joret).  [558 

dieselben,     bd.  7.     ebenda,     liv,  573.     8.  [559 

♦dieselben,     bd.  18.  —  Revue  critique  nr  39  s.  246.  [560 

dieselben,  bd.  28.  Poetische  werke  hg.  vonCRedlich.  ebenda,  xii,  583. 
8.  —  Revue  critique  nr  39  s.  246.  [561 

Ausgewählte  dirhtungen  hg.  von  CRedlich.  bd.  1  (Ausgewählte  werke 
hg.  von  BSuphan  I).  Berlin,  Weidmann,  vi,  275.  8.  —  Wissensch.  beil. 
d.  Leipziger  ztg.  nr  100  s.  598  (Ki(fert).  Neue  Zürcher  ztg.  nr  340  feuill. 
D.  lilteraturbl.  vii  nr  40  (vBroecker).  [562 

Der  Cid.  nach  span.  romanzen  besungen,  f.  schule  und  haus  hg.  von 
AHentschel  und  KLinke.     Leipzig,  Peter.     131.     12.  [563 

Suphans  H.ausg.  auswahl.  H.s  Cid  hg.  von  CRedlich.  Berlin,  Weid- 
mann. 150.  8.  [564 
♦Benjamin  Franklins  Rules  for  a  club  established  in  Philadelphia,  übertr. 
und  ausgelegt  als  Statut  f.  eine  gcsellsch.  von  freunden  der  humanität  von 
JGH.  1792.  aus  dem  nachlass  veröffentlicht  und  ESimson  zum  22  mai  1SS3 
zugeeignet  von  BSuphan.  Berlin,  Weidmann,  1883.  —  Anz.  x  396 
(Werner).  [565 


1 

i 


BIBLIOGRAPHIE    11  3  LI 

vHerder,  JG. :  H.s  Humanitätsbriefe  [im  anschluss  an  Suphans  ausg.  xvii.  xvin] 
von  JSchmidt.     Nationalztg.  nr  24.  [566 

Kants  Kritiii  der  reinen  Vernunft  und  H.s  Metakritik  von  OMichalsky. 
Zs.  f.  philos.  und  philos.  kritik  n.  f.  84,1fr.  85, 1  fif.  [567 

H.s  Provinzialbli.  von  ENaumann.     Acad.  bll.  1,  331.  [568 

briefe  s.  [13S. 

Über  H.s  stii  von  ENaumann.  jahresber.  über  das  k.  Friedrich-W'ilhelms- 
gymn.  zu  Berlin.  Berlin,  Hayns  erben.  32.  4.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d. 
neueren  spr.  72,  4.59.  [569 

AsketchofH.  and  liis  timesby  HNevinson,  London,  Chapman&r  Hall.  8.  [570 
H.  und  die  darsteliung  der  litteraturgesch.  von  TlivRiekhoff.  progr.  des 
landesgymn.  zu  Fellin.     31,     4.  [571 

H.s  verdienst  um  Würdigung  der  antike  und  der  bildenden  kunst  von 
ASchöll:  Gesammelte  aufsätze  zur  class.  litt,  alter  und  neuerer  zeit 
s.  152.  [,572 

H.  und  KFlachsland  von  RWolf.  progr.  des  gymn.  zu  Bartenstein.  27. 
4.  —  Arcli.  f.  d.  Studium  d,  neueren  spr.  72,  45S.  [573 

s.  auch  [73.146.222.512.600. 
Herder, K.:    Briefe  von  KH.   an  Jean  Paul   mitgeteilt  von  PNerrlich.     Sonn- 
tagsbeil, zur  Voss.  Ztg.  nr  1.2.3.  [574: 
s.  auch  [573. 
Hermes,  JT.  s.  [512. 

Hess,D. :  Job.  Kaspar  Schweizer,  ein  characterbild  aus  dem  Zeitalter  der  franz. 
revolution  von  DH.  eingeleitet  und  hg.  von  JBaechtold.  Berlin,  Hertz, 
cvi,  2S6.     8.  [575 

Heyne,  Th.  s.  [582. 

vHippel,  ThG.  :    Über  die  ehe  (Volksbibl.  f.  kunst  u.  wissensch.  hg.  von  RBergner 

nr  5).    Leipzig,  Brückner.     254.     12.  [576 

Hoffmann,  ETW.:  HofTmann,  Contes  fantastiques,  tires  des  Freres  de  Seraplon 

et  des  Contes  nocturnes,  Iraduction  de  Loe we-Weimars,  avec  une  pre- 

face   par  GBrunet.     2  vis.     onze   eauxfortes   par  Lalanze.     Paris,  Jollaust 

et  Sigaux.  [577 

Hölderlin,  F.:  Dichtungen  mit  biogr.  einleitung  hg.  von  KKöstlin.    mit  2  ab- 

bildungen.    Tübingen,  Fues.    lxii,  184,  ISS.     8.  —  DLZ  nr 49  (Scherer),    vgl. 

dagegen  Kösllin  DLZ  18S5  nrlö  sp.  557.  558.  [578 

*FH.  in  seinen  bezieliungen   zu  Homburg  vor  der    höhe,     nach  den  hinter- 

lassenen  vorarbeiten  des  bibliothekars  JGHamel  bearb.  von  dr  EKelchner. 

Homburg  vdh.,  verlag  d.  Taunusboten,  1883.  —  Litt,  centralbl.  nr  16.     [579 

Über  FH.  von  WWi  ndelba  nd:  Präludien,    aufsätze  und  reden  zur  einleituns 

in  die  pliiios.  (Freiburg  iß.  u.  Tübingen,  Mohr)  s.  146.  [58Ö 

HÖLTY,  LHCh. :    *  Sein  leben  und  dichten  dargest.  vonHRuete.    Guben,  Berser. 

=-;   1883.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr2  (Boxberger).  [581 

:a   s.  auch  [158. 

vHouw.\LD,  ChE,  s.  [1104.  1105. 

Huber,  Th. :  ThForster,  nachmalige  Huber.  nach  ihren  bisher  meist  noch  un- 
gedr.  briefen  von  JLoeweflberg.     AZ  nrl9.  20B.  21.  [582 

s.  auch  [62. 
vHuMBOLDT,  W. :  *AusWvH.s  letzten  lebensjahren.  eine  mitteilung  bisher  unbe- 
kannter briefe  von  ThDistel.  mit  dem  lichtdr.-bildnis  der  frau  vH.  nach 
Schick.  Leipzig,  Barth,  1883.  —  DLZ  nr  14  (Scherer).  Litt,  centralbl.  nr  21. 
Gegenwart  nrl7  s.271.  Magazin  f.d.  litt.  d.  in- und  aus!,  nr  35  (Löwenberg).  [583 
Briefe  an  eine  freuudin.  mit  einer  einleitung  von  LGeiger.  2  bde.  (Coli. 
Spemann  bd.  60.  71).     Stuttgart,  Spemann.     20S.  203.     S.  [5S4 

Briefe   an    eine  freundin.     mit   einer   einleitung    von  RHabs  (Universalbibi. 
nr  1S61— 1865).     Leipzig,  Reclam.     616.     16.  [585 

s.  auch  [182.  5S7. 

WvH.  von  KBruchmann.     D.  rundschau,  dec.  s.  400.  [586 

Zum   andenken   an  WvH,     2  briefe  WvH.s.   rede  des   herrn  kultusminister 
vGossler.     Internat,  zs.  f.  allgem.  sprachwissensch.  i  1,  m.  vi.  x.  [587 

A.  F.  D.  A.    XL  22 


312  BIBLIOGRAPHIE  II 

vHuMBOLDT,  W. :  Chüiede  mit  und  nach  ungedr.  briefen  von  OH  a  r  t  w  i  gr.  D.  rund- 
schau  ,  oct.  9.  69.  [588 
ChDiede  die  freundin  von  WvH.  iebensbeschreibung  und  briefe  von  APi- 
derit  und  OHartwig.  Halle,  Nienieyer.  viii,  294.  8.  —  Litt,  centralbl. 
nr  45.  Die  post  nr320.  Gegenwart  nr  48  s.  351.  D.  rundschau,  dec.  s.  478. 
Nationalztg.  nr  701.  707  (Lindenberg).  [689 

HuNOLD,  ChF.  :  Über  die  beziehungen  SBachs  zu  ChFH.  und  MvZiegler  von 
PhS  p  i  1 1  a :  Hist.  und  philo),  aufsätze.  Ernst  Curtius  zu  seinem  70  geburtstage 
am  2sept.  1SS4  gewidmet  (Berlin,  Asher  6c  cie.  434.     S.).  [590 

Jahn,  FL. :  Werke,  neu  hg.  mit  einer  einleitung  und  mit  erklärenden  anm.  vers. 
vondrCEuler.    bd.  1.    Hof,  Grau  &  cie.    ui,  544.     8.  [591 

s.  auch  [118. 

Je  AS  Paul  s.  [872  ff. 

Jessen,  LA  F.:  Brautbriefe,  Kiel  1776  aug.  29  — 1777  märz  30  von  LAFJ.  an 
JEJDahlmann  von  LfL  Zs.  der  gesellsch.  f.  schleswig-holslein-lauenburgische 
gesch.    bd.  14.  [592 

Ifflasd,  A\V.:  Reliquien  aus  der  autographenmappe  [von  KvGerstenberg]. 
Westermanns  monatshefte,  märz  s.  833  [enthält  einen  brief  Ls  an  Rohde  vom 
20  aug.  1799].  [593 

L  und  die  romantiker  von  HHo  Istein.  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg. 
nr  18.  19.  [594 

Ls  erster  erfolg  als  bühnendichter  von  GM  a  1  k  e  w  i  t  z.  Nationalztg. 
nr  151.  [595 

s.  auch  [345.  986.  995. 

vImhoff,  A.  s.  [989. 

Immermass,  K.:  Merlin:  Aufsätze  zur  litt,  von  RWegener.  [596 

Der  oberhof  mit  Silhouetten  von  ASchurz.  Leipzig,  Titze.  367.  12.  [597 
s.  auch  [1060. 

IsEUN,  L  s.  [S37. 

Jung-Stilung,JH.:  Realencykl.  f.  pro(.  theo),  und  kirche  14,734  (.Ma  tter).  [598 
s.  auch  [512. 

Kaldesbach,  Gh.  s.  [113. 

Kant,  L:  K.  als  begründer  der  modernen  aesthetik  von  EvH artmann.  Nord 
und  Süd,  sept.  s.  304.  [599 

s.  auch  [194.512.567.727. 

K.iBL  August  von  Sachsen  -  Weimar:  *  Briefe  des  Herzogs  KA.  an  Knebel  und 
Herder,  hg.  von  HDüntzer.  Leipzig,  Warlig,  1883.  —  Acad.  bil.  1,108 
(Buchner).     Anz.  x  272  (Minor).  [600 

KA.  und  die  deutsche  litt,  von  FMuncker.  Zs.  f.  allg.  gesch.,  kultiir-, 
litt.-  und  kunsigescb.  1,295  fr.  384  tf.  [601 

K.\.  von  HPröhle.     Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr9.  12.  [602 

s.  auch  [345. 

Kabschis,  AL.:  brief  an  .\vRode  (febr.  1788):  WHosäus  in  den  Anhallischen 
mitteilungen  1884  s.  78311.  [603 

Kästner,  \G.  s.  [746. 

Kerner,  JACh.  :  Allgem.  encykl.  der  wissenscb.  und  künste.  2  sect.  35,  273 
(AS  lern).  [604 

Life  and  works  of  dr  JK.  by  AWatts.     London,  Allen.  [605 

s.  auch  [509. 

KiNDjJF. :  Allgem.  encykl.  der  wissensch.  und  künste.  2sect.  36,67(AS  te  r  n).  [606 

vKleist,  BHW. :  Sämmtliche  werke  in  2  bden.  hg.  von  EGrisebac  h.  Leipzi», 
Reclam.     385.459.     12.  [607 

Die  Hermannsschlacht,  nach  K.s  drama  bearb.  (Erzählungen  aus  class,  dichlern 
f.  all  und  Jung  von  KFAGeerling  xi).     Köln,  Ahn.     50.     8.  [608 

Zu  Arch.  8,  133  und  12,  474  [die  Hermannsschlacht  HvK.s  betr.]  von 
HKöhler.     Arch.  f.  litteralurgesch.  12,  640.  [609 

Das  Käthchcn  von  Heilhronn  oder  die  feuerprobe.  grofses  hist.  rilterschau- 
spiel  in  5  acteii  in  stenogr.  schritt  übertr.  von  drRTombo  (Gabclsberger 
stenogr.  untcrhaitungsbibl.     3  bdchen).     Barmen,  Klein.     163.     12.        [610 


BIBLIOGRAPHIE    I!  313 

vKleist,  BHW. :  Die  quelle  von  K.s  Marquise  von  0.  von  KBartsch.  Grenz- 
boten nr  22  s.  464.  s.  auch  [624.  626.  [611 
Textkritisches  zu  HvK.s  Penthesilea  von  HWelti.  Acad.  bll.  1,295.  vjjl, 
Sprenger  ebenda  s.  3S0.  [612 
K.s  Prinz  von  Homburg  von  OB  r  a  h  m.  Sonntagsbeil,  zur  Voss,  ztg, 
nr  22.  23.  [613 
Der  bist,  prinz  von  Homburg  von  TliWinkler.  Frankf.  ztg.  nr  146.  [614 
HvK.  und  sein  dramenfragment  Robert  Guiscard  von  OB  rahm.  D.  rund- 
schau,  april  s.  52.  [615 
Sonderbare  geschichte.  eine  ungedr.  humoreske.  mitgeteilt  von  ThZ  o  I  - 
ling.  Gegenwart  nr  44.  [616 
Unwahrscheinliche  Wahrhaftigkeiten,  eine  bisher  ungedr.  humoreske  von 
ThZoUing.  Gegenwart  nr  36.  auch  Didaskalia  nr  210.  [617 
La  cruche  cassee.  comedie.  traduit  de  l'allemand  par  AdeLostaloi. 
34  illustrations  sur  bois  d'apres  les  conipositions  originales  d'AMenzel.  Paris, 
Firmin-Didot  <fe  cie.  —  D.  rundschau,  juli  s.  15S.  [618 
HvK.s  briefe  an  seine  braut,  zum  ersten  male  vollständig  nach  den  ori- 
ginalhss.  hg.  von  KBiedermann.  mit  den  bildnissen  K.s  und  seiner  braut. 
Breslau,  Schottländer,  xxvi,  250.  8.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg. 
nr  12  s.  65  (Bormann).  DLZ  nr  25  (Brahm).  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  31 
(Buchner).  Litt,  centralbl.  nr  34.  [619 
BHWvK.  von  FBamberg.  autoris.  abdr.  aus  der  ADB.  Leipzig,  Duncker 
u.  Humblot.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr31  (Buchner).  [620 
HvK.  von  OB  rahm,  gekrönt  mit  dem  ersten  preise  des  ver.  f.  deutsche 
litt.  (9  Serie.  1  bd).  Berlin,  allgem.  verlag  f.  deutsche  litt,  vii,  391.  S.  — 
D.  rundschau,  nov.  s.  321.  Berl.  lagebl.  nr  458  (Mauthner).  Didaskalia  nr267 
(Wulckow).  Nationalztg,  nr  593  (Frenzel).  [621 
Aus  HvK.s  Jugend  von  OB  rahm.  Frankf.  ztg.  nr  149.  150.  [622 
HvK.  in  Österreich  von  OBrahm.  D.  Wochenschrift  nr  23.  [623 
HvK.  als  novellist  vonOBrahm.  AZ  nr  144.  145  B.  s.  auch  [611.  626.  [624 
K.  und  Grillparzer  als  freier  von  FLaban.  D.  montagsbl.  nr32.  [625 
Ein  nachtrag  zum  Studium  der  novellen  K.s  von  FiMun  cker.  AZ  nr  153.  vgl. 
[611.624.  [626 
HvK.s  liebesieben  von  KSiegen.  Magazin  f.  d,  litt.  d.  in-  und  ausl. 
nr  37.  38.  [627 
HvK.  und  WvZenge  von  KSiegen.  Acad.  bll.  1,363.  [628 
DEWWolff.  HvK.  De  gids,  febr.  und  märz.  [629 
s.  auch  [40.  42.  74. 

vKleist,  ChE.  :  *  Werke,  hg.  und  mit  anm.  begleitet  von  dr  AS  au  er.  2  teil, 
briefe  von  K.  Steil,  briefe  an  K.  (Nalionalbibl.  nr  89.  97.  102.  106.  112. 
118.  123.  129.  133.  146).  Berlin,  Hempel  (1881.  1882).  —  Anz.  x  262 
(Seuffertj.  [6.S0 

Ki.E>r>i,CHG.:  *Der  auf  den  parnass  versetzte  grüne  hut  1767  (Wiener  neudr.  4). 
Wien,  Konegen,  18S3.  —  Litt,  centralbl.  nr  5.  [631 

vKlencke,  kl.  [tochter  der  Karschin]:  WH  o saus  in  den  Anhaltischen  mit- 
teilungen  1884  s.  783fr.  [632 

vKlixger,  FM.:  Zwei  ungedr.  briefe  MK.s.     Frankf.  ztg.  nr  175.  [633 

K.  in  Österreich  und  über  österreichische  zustände  von  FProsch.  Zs.  f. 
d.  österr.  gymn.  35,  561.  [634 

Die  tendenzromane  K.s  von  CSchmidt.     D.  revue,  dec.  s.  355.  [635 

FMK.  Daheim  jg.  1885  nr  2  [erschien  oct.  1884].  [636 

s.  auch  [42. 

Klopstock,  FG.:  Werke  hg.  von  dr  RHamel.  1  und  2  teil.  Der  Messias.  Steil. 
Oden,  epigramme  und  geistliche  lieder.  4  teil.  Hermannsschlacht  und  das 
bardenwesen  des  18jhs.  (Denis,  Gerstenberg,  Kretschmann)  (D.  nationallitt, 
bd.  46,  1.  2.  47.  48).  Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.  cxciii,  313.  iv,  460. 
XXXV,  292.  xvni,388.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  45.  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  51 
(Boxherger).  [637 

22* 


314  BIBLIOGRAPHIE    II 

Klopstock,  FG. :  K.s  Gelehrtem  epublik  von  ABirlinger.  Alem.  12,99.  [638 
*Der  3Iessias.  1.  2.  3  gesang  (DLD  11).  Heilbronn,  Henninger,  18S3.  — 
Litleralurbl.  f.  germ.  u.  rom.  phii.  nr  1  (Koch).  [639 

Der  Messias  im  auszuge  bearb.  von  MEh  renhaufs.     Wittenberg,  Wunsch- 
mann in  conini.    IV, 243.    12.  —  D.  litteraturbl.  VII  nr  2  (Weitbrecht).      [640 
Briefwechsel  K.s   nnd   seiner  eitern    mit  KHHenimerde  und  GFMeier.      mit- 
geteilt von  FMuncker,     Arch.  f.  litteraturgesch,  12,  225.  [641 
Zwei  ungedr.  briefe  K.s  an  JHMeister  mitgeteilt  von   FMuncker.     Acad. 
bll.  1,  162.                                                                                                  [642 
K.s  Orthographiereformbestrebungen  und  ihre  bedeutung  f,  d.  gegenwart  von 
Muggenthaler.     Pädag.  vii  heft  1.  4.  7.                                                  [643 
Ein  beitr.  zur  kenntnis  des  Sprachgebrauchs  K.s  vonChWürfl.    ii  (separat- 
abdr,    aus   dem  jahresber.   des  k.  k.  deutschen  obergymn.  in  Brunn)  [teil  l 
erschien   ebenda    1SS3].     Brunn,   druck   von  Winiker.     24.      8.   —    Gymn. 
nr  10  (Saliger).     Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,  451  (Kölscher).     Zs. 
f.  d.  österr.  gymn.  35,  719.                                                                           [644 
K.s  und  Voss  spräche  in:  Findlinge  von  ABirlinger.    Alem.  12,100.    [645 
s.  auch  [30.  440.  512. 
vKnebel,  kl.:    Zu  K.s  fünfzigjährigem  todestage  (23  febr.).     erinnerungen  und 
Originalmitteilungen    von    RK  e  i  1.      Magazin    f.    d.    litt.    d.   in-    und    ausl. 
nr  8.  9.  [646 
KLvK.  zur   erinnerung   an  den  50  todestag   von  GMalkewitz.     Voss.  ztg. 
vom  22  febr.,  hauptbl.  und  beil.  1.  [647 
KLvK.  ein  characterbild  aus  Goethes  freundeskreise  von  OS  c  hra  der.    Nord 
und  süd,  niärz  s.  364.                                                                                       [648 
s.  auch  [600. 
KöcHY,   ChHG.:     Ein    Zoilos   Goethes    [ChHGK.    (FGlover)    1769—1828]    von 
AFried  mann   [veranlasst  durch   das  pasquill  Grammaticalische  streifzüge 
durch  G.s  werke  von  ES.  1883].     Die  presse,  16  febr.  (Goethe-jb.  6,  4241. 
auch  Didaskalia  nr  48.  [649 
Körner, ChG.:  ^Gesammelte  Schriften  hg.  von  .\Stern.    Leipzig,Grunow,  1881.  — 
Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  G30  (Boxberger).  [650 
*CliGK.  biogr.  nachr.  über  ihn  und  sein  haus,     aus  den  quellen  zusammen- 
gestellt   von    dr  FJonas.     Berlin,  Weidmann,  18S2.  —  Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 12,  630  (Boxberger).  [651 
s.  auch  [989. 
KÖRNER,  Tu. :    Sämmtliche  werke,     illuslr.  prachtausg.  hg.  von  HL a  übe.    Wien, 
Bensinger.     bd.  2   s.  169  — 408    m.  eingedr.  holzschn.  (Ifg.  26  —  35).     8.  — 
Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  39  s.  232  (Siegen).                            [652 
Werke.     2  bde.     Elberfeld,  Lolls  nachf.     viii,  294. 563.     8.                      [653 
Ungedr.    gedichte    aus  der    hs.   des   dichters   mitgeteilt    von    FLatendorf. 
Gegenwart  nr  26.  [654 
Zriny  nach  K.s  drama  bearb,  mit  33  denksprüchen  (Erzählungen  aus  class. 
dichtem  f.  alt  nnd  jung  von  KF.\Geerling  xii).    Köln,  Ahn.    58.    8.         [655 
ThK.  und  Toni  Adamberger  von  Latendorf.     begrüfsungsschrift  zur  37  phi- 
lülogenversammlung  in  Dessau.     7.     8.  [656 
s.  auch  [119. 
KoRTÜM,  KA.:  Ein  fideles  Jubiläum  [betreffend  K.s  Jobsiade]  von  KBraun- Wies- 
baden.    Vom  fels  zum  meer,  dec.  s.  333.  [657 
KoscHwiTz,  .ID.  s.  [113. 

Kosegarten,  LG(Th).:  ist  behandelt  in:  Aus  dem  Zeitalter  der  befreiung.  Poni- 
merische  lebens-  und  landesliilder  mit  vielseitiger  iandsmännischer  beihültV 
nach  gedr.  und  ungedr.  (juellen  entworfen  von  archid.  llPe trieb,  a.  n.  d. 
t.  Pommerische  lehens-  und  latidesbilder.  2  teil  1  halbbd.  Stettin,  Sautiier. 
X,  281.     8.    (hierauf  beruht  HPröhle  Nationalztg.  nr  503).  [658 

vKotzebie,  A,:  *Melne  flucht  nach  Paris  1790  hg.  von  PCassel.  Berlin  1883. 
—  Nord,  rundschau  1,  214.  [659 

Kretschmann,  KF.  s.  [637. 


BIBLIOGRAPHIE    II  315 

Kretschmans,  KF.:  5  briefe  KFK.s  an  KABöttiger  mitgeteilt  von  LLier.  Neues 
Lausitzisches  magazin  lix  338.  [660 

tKrCdexer.  BJ.:  Briefe  von  JvK.  an  Jean  Paul  mitgeteilt  von  PNerrlich. 
Acad.  bll.  1,  235.  [661 

Madame  de  K.  d'apres  des  doeuments  inedits  par  FFrossard.  Bibliotheque 
universelle  et  revue  Suisse,  tome  24  nr  72  nov.  et  dec.  [662 

Studie  über  frau  vK.  von  M.M.Mai  tla  n  d.     Gentlemans  magazine,  juli.      [663 

Kurz,  JF. :  Ein  beitr.  zur  gesch.  des  Wiener  'Bernardon'  von  EMentzel.  D. 
Ztg.  nr  4325.  4401  morgenbl,  [664 

vKcsTXER, KTh.  :  ThvK.  von  CAlberti.     Nationalztg.  nr  652.  [665 

L.iNGER,  ETh.:  Lessings  nachfolger  in  Wolfenbüttel  (EThL.y  von  HPröhle. 
Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  2.  [666 

*EThL.,  bibliothekar  in  Wolfenbüttel,  ein  freund  Goethes  und  Lessings 
von  PZimmermann.  sonderabdr.  aus  der  Zs.  des  Harzvereins  f.  gesch. 
und  altertumsk.,  16  jg.  Wolfenbüttel,  Zwissler,  1883.  —  Anz.  x  303 
(Seuffert).  BLZ  nrl9  (Schmidt).  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  628  (vBieder- 
mann).  [667 

L.4R0CHE,  S.   s.  [841. 

Lav.4Ter,  JK. :  Worte  des  herzens.  5  aufl.  Halle,  Gesenius.  iv,  108.  12.  [668 
JKL.s  Weisheit  auf  jeden  tag  des  Jahres,  ein  christl.  vergissmeinnicht  aus- 
gewählt aus  seinen  schriftea.  mit  L.s  bild  in  Stahlstich,  neue  aufl.  Reut- 
lingen, Kurtz.  192.  32.  [669 
Sinnspruch  auf  einer  fensterscheibe  und  zu  einer  einsiedelei  in  Wörlitz,  so- 
wie proben  eines  gedichts  an  k.  Friedrich  Wilhelm  ii  von  Preufsen  (1786). 
WHosäus  in  den  Anhaltischen  mitteilungen  1SS4  s.  783fr.  [670 
Fasten rath  El  teoiogo,  poeta  y  fisiognomista  JGL.  Revista  de  Espana 
nr  401.  [671 
*JKL.  eine  skizzc  seines  lebens  und  wirkens  von  FMuncker.  Stuttgart, 
Cotta,  1883.  —  BLZ  nr  13  (Jacoby).  D.  revue,  juli  s.  124.  Acad.  bli.  1, 
428  (Minor).  AZ  nrlOlB.  (Koch).  Theol.  litteralurbl.  sp.  54.  [672 
L.  in  Beutschland.  bericht  eines  Zeitgenossen.  Acad.  bll.  1,  420.  [673 
s.  auch  [442. 

vLeibniz,  GW.:  Werke  gemäfs  seinem  hslichen  nachlasse  in  der  k.  bibl.  zu 
Hannover  hg.  vonOKlopp.  1  reihe.  Bist.  pol.  und  staatswissensch.  Schriften, 
bd.  11.     Hannover,  Klindworth.     xxxvin.  239.     8.  [674 

Kleinere  philos.  Schriften  mit  einleitung  und  erläuterungen  deutsch  von  RHa  bs 
(Universalbibl.  nr  1898—1900).     Leipzig,  Reclam.    332.     16.  [675 

Die  Theodicee.  nebst  den  Zusätzen  der  Desbossesschen  Übertragung,  mit  ein- 
leitung und  erläuterungen  deutsch  von  RHabs.  2  bde.  (Universalbibl. 
nr  1931—1938).     Leipzig,  Reclam.     481.  371.     16.  [676 

Zwei  berühmte  Leipziger  aus  dem  17  jh.  [L.  und  Thomasius]  von  KBieder- 
mann.     Westermanns  monatshefte,  juni  s.  363.  [677 

s.  auch  [11.  12. 

Lenaü,  N.  s.  [823  ff. 

Lexz,  JMR.  :  Dramatischer  nachlass  zum  ersten  male  hg.  und  eingeleitet  von 
KWeinhold.  mit  einer  Silhouette  von  L.  Frankfurt  a/.M.,  Litt,  anstatt 
(Bütten  u.  Löning).  vii,  335.  8.  —  Litt,  centralbl.  nr  37  (Creizenach). 
Gegenwart  nr  42  s.  255.  D.  revue,  dec.  s.  374.  AZ  nr  290.  291 B.  (Schmidt). 
Nationalztg.  nr  443  (Genee).  [678 

RL.  lyrisches  aus  dem  nachlass  aufgefunden  von  KLudwig.  mit  Silhouetten 
von  L.  und  Goethe.  Berlin,  Kamiah  (Nauck).  xv,  140.  8.  —  Maatazin  f. 
d.  litt.  d.  in-  und  aus).  nr22  s.  351.  nr35  s.  543.  AZ  nr290.  291  B,  (Schmidt), 
D.  litteraturbl.  vii  nr  37  (Gloatz).     Auf  der  höhe  4,  305  (Arent).  [679 

s.  auch  [42.  427. 

tLeo5,  G.  s.  [1116. 

Lessisg,GE.:  Werke,  neu  hg.  von  FBornmüller.  5  bde.  Leipzig,  Bibliogr. 
Institut.     562.  xxxn,  537.  xvi,  527.  xii,  522.  xxxvi,  694.     8.  [680 

Sämmtliche  werke  in  20  bden  hg.  und  mit  einleitungen  vers.  von  HGöring. 


316  BIBLIOGRAPHIE   II 

bd.  7-13  (Bibl.  der  weUlitt.  bd.  60.  65.  70.  74.  79.  84.  90).  Stuttgart,  Cotta. 
236.  224.  254.  244.  316.  244.  259.     8.  [681 

Lessing,  GE.:  Poetische  meislerwerke.  ausgewählt  und  mit  erläuternden  anm. 
vers.  f.  d,  deutsche  Jugend  und  unser  volk  von  AHentschel  und  KLinke. 
Leipzig,  Peter,     vii,  339  mit  portrait.     12.  [682 

Werke.    4— 7(schluss-)bd.   Elberfeld,Lollsnachf.  400.347.358.378.8.     [683 

Antiquarische  und  epigrammatische  abhandlungen.  schulausg.  mit  anm. 
von  rector  dr  Werther.     Stuttgart,  Göschen,     vi,  157.     12.  [684 

Litt,  und  dramaturgische  abhandlungen.  schulausg.  mit  anm.  von  rector 
dr  Werther.     Stuttgart,  Göschen,     viii,  162.     12.  [685 

Dämon  oder  die  wahre  freundschaft.  Die  alte  Jungfer  (Museum,  Samm- 
lung litt,  meisterwerke  in  neuer  rechtschreibung  nr  52).  Elberfeld,  LoUs 
nachf.     60.     8.  [686 

Zu  Emilia  Galotti  und  Clavigo  von  DJacoby.  Goethe-jb.  5,323.  [687 
Glosse  zu  Emilia  Galotti  (ii  6)  von  gymnasiallehrer  Limpert.  Frankf.  ztg. 
nr50  abendbl.  [688 

Eine  L.-correctur  [zu  Emilia  Galotti  ii  6]  von  RLindemann  [antwort  auf 
688.  690].     Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  23  sp.  367.  [689 

Ein  druckfehler  oder  fehler  L.s  [zu  Emilia  Galotti  ii  6]  von  drThMaurer 
[antwort  auf  6S8].     Gegenwart  nr  14.  [690 

Bemerkungen  zu  2  stellen  bei  L.  [Emilia  Galotti  ii  6.  Die  gesch,  des  alten 
wolfs]  von  EPe  terson.  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  72,  236.  [691 
Ein  Schreibfehler  bei  L.  Grenzboten  nr  18  und  ebenda  nr  22  s.  463:  Noch- 
mais die  Lessingstelle.  [692 
s.  auch  [736. 

Fabeln  in  3  büchern.  deutscher  text  mit  interlinearer  russ.  Übersetzung 
f.  lehrer,  schulen  und  Selbstunterricht  bearb,  von  dr  SM  indalof  f.  Leipzig, 
Voss  sort.     65.     8.  [693 

Drei  bücher  fabeln,  zum  übersetzen  ins  franz.  mit  stilistischen  anm.  und 
grammatischen  hinweisen  vers.  von  drVoelkel  (Sammlung  von  Übungen 
zum  übersetzen  ins  franz.  i).  Wolfenbüttel,  Zwissler.  vi,  70.  8.  [694 
s.  auch  [691. 

Hamburgische  dramaturgie  (Museum,  Sammlung  litt,  meisterwerke  in 
neuer  rechtschreibung  nr  54).     Elberfeld,  Lolls  nachf.     400.     8.  [695 

*Hamburgische  dramaturgie  f.  den  schulgebrauch  eingerichtet  und  mit  er- 
läuterungen  vers.  von  dr  JBuschma  nn.  Trier,  Lintz,  1882.  —  Zs.  f.  d, 
österr.  gymn.  35,  281  (Sauer).  [696 

Hamburgische  dramaturgie  als  schullectüre  von  S  c  h  m  1 1  z.  progr.  des 
gymn.  zu  Wehlau.     24.     4.  [697 

Die  lectüre  der  Hamburgischen  dramaturgie  in  der  oberprima  von  LZürn. 
1  teil.     beil.  zum  progr.  des  gymn.  in  Rastatt.     26.     4.  [698 

Laokoon  mit  1  abbildung  (Deutsche  classiker  f.  den  schulgebrauch  hg.  von 
prof.  JPözl  nr  7).     Wien,  Holder,    iv,  99.     8.  [699 

Laokoon  oder  über  die  grenzen  der  maierei  und  poesie.  in  ausgewählten 
stücken  mit  einleitung  und  anm.  vers.  von  prof.  KJauker  (Schulausg.  class. 
werke,  unter  mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg.  von  prof.  JNeubaner 
nr  G).     Wien,  Graeser.    xvi,  68.     8.  [700 

Le  Laocoon  de  L.  et  la  critique  contemporaine  parDucros.  Bulletin  men- 
suel  de  la  facultc  des  lettres  de  Poitiers.  [701 

L.s  Laokoon  und  das  princip  der  bildenden  künste  von  HF e ebner.  Zs.  f. 
bildende  kunst  19,  252.  283.  [702 

Zu  L.s  Laokoon.  hemerkungen  zu  Blümners  Laokoonstudien  von  HFi scher. 
heft2:  über  den  fruchtbarsten  nioment.  progr.  d.  gymn.  zu  Greifswald.  24.  4.  [703 
Vergil  und  die  epische  kunst  von  HTiiPl  ü SS.  Leipzig,  Teubner.  367.  8.  [hier 
verzeichnet  wegen  der  kritischen  beleuchtung,  welche  L.s  sälze  im  Laokoon 
erfahren].  [704 

Ein  jugendslück  L.s  [Matrone  von  Ephesus]  von  ESchmidt.  Gegenwart 
nr  38.  [705 


BIBLIOGRAPHIE    11  317 

Lessing,  GE.:  Minna  de  Barnhelm,  publice  avec  une  notice  biographique  etc. 
par  OBriois.  —  Revue  de  l'enseignement  des  langues  Vivantes  1,  159.  [706 
*iMinna  von  Barnhelm,  mit  ausführlichen  erläuterungen  in  katechetischer 
form  f.  d.  schulgebrauch  und  das  privalstudium  von  dr  CAFunke  (Ausg. 
deutscher  classiker  mit  commentar  v).  Paderborn,  Schöningh,  1882.  —  BD. 
f.  d.  bayr.  gymnasialschulwesen  20,  237  (Koch).  [707 

Minna  de  Barnhelm  ou  le  soldal  heureiix,  comcdie,  publiee  avec  une  notice, 
un  argument  analytique  et  des  notes  en  frangais  par  BLevy,  Paris, 
Hachette.  [708 

Minna  von  Barnhelm  oder  das  soldatenglück.  ein  lustspiel  mit  einleitung 
und  anm.  von  prof.  JNeubauer  (Schulausg.  class.  werke,  unter  mitwirkung 
mehrerer  fachmänner  hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  5).  Wien,  Graeser.  xv, 
8T.    8.  [709 

Zur  erklärung  des  ausdrucks  'jähr  und  tag'  [Minna  l  2]  von  KBindel. 
Arch.  f.  lilteraturgesch.  12,311.  [710 

Zu  Minna  von  Barnhelm  iv  2:  Hundertjährige  druckfehler  in  deutschen 
classikern  von  WBuchner.  Acad.  bll.  1,34.  vgl.  115.  lS4f.  251.  316.  [711 
Minna  von  Barnhelm  erläutert  von  HDüntzer.  4  neu  durchges.  aufl. 
(Erläuterungen  zu  den  deutschen  classikern  32  bdchen).  Leipzig,  Wartig. 
170.     12.  [712 

Minna  von  Barnhelm  oder  das  soldatenglück.  nach  L.s  lustspiel  bearb.  mit 
30  denksprüchen  (Erzählungen  aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von 
KFAGeerling  x).     Köln,  Ahn.     56.     8.  [713 

*Minna  von  Barnhelm  und  Cervantes  Don  (Juijote  von  CThMichaelis. 
Berlin,  Gärtner  (Heyfelder),  18S3.  —  Acad.  bll.  1,  51.  vgl.  118  f.  184 
(Brandes).  '  [714 

Minna  von  Barnhelm  im  burgtheater  von  ESchmidt.  AZ  nr26lB.  [715 
Zu  iMinna  von  Barnhelm  von  PiSprenger.     Acad.  bll.  1,168.  [716 

s.  auch  [736. 

Nathan  der  weise,  a  dramatic  poem  ed.  with  english  notes  byCABuch- 
heim.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr35  (Sanders).  [717 

*Nathan  el  sabio.  traducido  por  Nüranga.  Madrid  1SS3.  —  Magazin  f. 
d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr3  (Dorer).  [718 

Zu  Nathan  der  weise  Ii5:  Hundertjährige  druckfehler  in  deutschen  clas- 
sikern von  WBuchner.  Acad.  bll.  1,35.  vgl.  115f,  Sprenger  ebenda 
s.  169,  Krüger  ebenda  s.  185.  [719 

Noch  ein  druckfehler  in  L.s  Nathan  [i  3]  von  RS pr enger.  Acad.  bll. 
1,423.  [720 

s.  auch  [736. 
Ein  ungedr.  brief  L.s  von  CM  ein  er  t.     Gegenwart  nrl.  [721 

♦Hermaea.  Studien  zu  GEL.s  theol.  und  philos.  Schriften  [1.  L.s  gedanken 
über  die  Herrnhuter.  2.  L.  und  Tertullian.  harmonien  und  dissonanzen. 
3.  L.s  trinitätslehre,  auloritäten  und  kritik  derselben]  von  EABergmann. 
Leipzig,  Drescher,  1SS3.  —  DLZ  nr  4  (Gottschick).  Litt,  centralbl.  nr  6. 
Theol.  litteraturbl.    nr  5.     D.  litteraturbl.  vii  nr  5  (Weitbrecht).  [722 

L.  im  urteile  seiner  Zeitgenossen,  ztgskritiken ,  berichte  und  notizen.  Les- 
sing und  seine  werke  betrefTend,  aus  den  j.  1747 — 17S1,  gesammelt  und 
hg,  von  JWBraun.  eine  ergänzung  zu  allen  ansg.  von  L.s  werken,  in 
2  bden.  bd.  1 :  1747  — 1772.  Berlin,  Stahn.  xiv,  452.  8.  —  D,  litteraturbl. 
VII  nr  21  (Keck).  DLZ  nr  1  (Schmidt).  GGA  nr  3  (Minor).  Litt,  centralbl. 
nr  10.  Grenzboten  nr  3.  Bll.  f.  lilt.  unterh.  nr  37  (Buchner).  Didaskalia 
nr  34.     Sonntagsbl.  des  Bund  nr  3  s.  24.  [723 

L.,  Goethe  et  Schiller,  d'apres  un  livre  recent:  JCondamin,  Croquis  arti- 
stiques  et  lilteraires  (Paris,  Leroux).  [724 

Drei  schulreden  (1.  L.  und  die  schule  1881.  2.  Goethe  und  die  schule  1882. 
3.  Schule  und  haus  1883)  von  ChCron.  progr.  der  Studienanstalt  SAnna 
zu  Augsburg,     48.     8.  [725 


318  BIBLIOGRAPHIE    II 

Lessi>"g,  GE. :  *L.s  leben  von  HDün  tz  er.  mit  54  authentischen  illustr.  Leipzig-, 
Wartig,  1SS2.  —  Academy  nr  646  (Herford).  [726 

Über  das  Verhältnis  von  offenbarungs-  und  Vernunftreligion  bei  Kant  und 
L.  von  GvFellenberg.    Erlanger  diss.     S2.     8.  [727 

L.s  philos.  von  HFischer.  1.  2.  Zs.  f.  philos.  und  philos.  kritik  n.  f.  S5, 
29  ff.  169  ff.  [728 

Wo  soll  das  L.-denkmal  stehen?  von  RGenee.  MationaJztg.  nr399.  [729 
L.s  leben  von  HG ö ring.  Supplement  zu  den  werken  des  dichters  (Bibl. 
der  weltiitt.    bd.  75).     SUUtgart.  Cotta.     184.     8.  [730 

Ein  bild  aus  L.s  knabenzeit  vonHHettner:  Kleine  Schriften,  nach  dessen 
tode  hg.  (Braunschweig,  Vieweg)  s.  429.  [731 

GEL.  jWGoethe.  JChFSchiller.  Denksteine,  biogr.  berühmter  männer,  f. 
d.  Jugend  bearb.  von  OHöcker.  bd.  3  mit  3  portraits  in  holzschn.  Leipzig. 
Wigand.     124.     8.  ^  [732 

L.  als  buchhäiidler  von  AKohut.     Didaskalia  nr  12.  [733 

GEL.    ADB  19,  T56  (CRedlich).  [734 

*L.  über  toleranz.  eine  erläuternde  abhandhing  in  briefen  von  bischof  dr 
JHR  ei  n  k  e  n  s.  Leipzig,  Grieben,  1SS3.  —  Theol.  litteraturztg.  nr  3  (Wächtler). 
Litt,  centralbl.  nr  14.     Theol.  litteraturbl.  nr  5.  [735 

Über  rechte  und  pflichten  der  Verleger  unserer  classiker  [mit  bezug  auf 
Minna  IV  2,  Nathan  n5,  Emilia  G.  ii  6]  von  ESabell.  Börsenbl.  f.  d.  deutschen 
buchhandel  nr  84  s.  1674— 1675.  [736 

*Über  den  einfluss  Holbergs  und  Destouches  auf  L.s  Jugenddramen  von  dr 
ASchimberg.  progr.  des  gymn.  zu  Görlitz  1883.  —  Arch.  f.  d.  Studium 
d.  neueren  spr.  71,  229  (Hölscher),  [737 

L.  gescliichte  seines  lebens  und  seiner  Schriften  von  drESchmidt.  bd.  1, 
Berlin,  Weidmann,  vii.  487.  8.  —  D.  ztg.  nr  4524  abendbl.  Litt,  centralbl. 
nr  10  (Creizenach).  DLZ  nr  11  (Baechlold).  D.  rundschau.  april  s.  157. 
Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  11  (Grosse).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom. 
phil.  nr  7  und  D.  Wochenschrift  nr  41  (Muncker).  Preufs.  jbb.  54,101 
(Schmidt).  Gymn.  nr  14  (Buschmann).  Frankf.  ztg.  nr  58  (Schlenther).  Na- 
tionalztg,  nr  163  (Lemmermayer).  Litt,  rundschau  nr  9  (Haffner).  D.  lit- 
teraturbl. VII  nr  2  (Prosch).  [738 
Aus  den  letzten  stunden  GEL. s  von  ESchmidt.  D.  Wochenschrift  nr25.  [739 
GEL.s  Schuljahre,  ein  beitr.  zur  deutschen  kultur-,  litt.-  und  schulgesch. 
von  dr  JChGSchunian  n.  Trier.  Stephanus.  53.  8.  —  DLZ  nr  10  (Schmidt). 
Litt,  centralbl.  nr  13  (Creizenach).  Zs.  f.  d.  gymnasialwesen  38.224  (Kern). 
Ell.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).  Theol.  litteraturbl.  nr  5.  D.  lit- 
teraturbl. VI  nr  46  (Lösche).  [740 
*L.s  Weltanschauung  von  GSpi  cker.  Leipzig,  Wigand,  1883.  —  DLZ  nr  4 
(Schmidt).  Acad.  bll.  1,  724  (Gross).  Philos.  monatshefte  x\i  4.  5  (Lasson). 
Die  nation  nr31  (Seemann).  [741 
^iicolais  exemplar  von  'L.s  leben'  von  RMWerner.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  533.  [742 
L.  und  seine  beziehungen  zum  deutschen  buchhandel  von  EZernln.  Bör- 
senbl. f.  d.  deutschen  buchhandel  nr  164.  [743 
ZuL.s  Wolfenbültlerbibliothekariatvon  PZ immermann.  Acad. bll.  1,605.  [744 
L.s  dramen  in  Paris,  notiz  der  Frankf.  ztg.  nr  214  beil.  [745 
s.  auch  [42.72.73.74.416.512. 

Lessing,  kg.  s.  [1097. 

LicHTWER,  MG.:  Fabeldichter,  Satiriker  und  popularphilosophen  des  18jhs.  (L., 
Pfeffel,  Kästner,  Göckingk,  Mendelssohn  und  Zimmermann)  hg.  von  dr  JMinor 
(D.  Nationallitt.  bd.  73).     Berlin  u.  Stuttgart,  Spemann.    vi,  508.    8.      [746 

LlSEMANN,  A.    s.   [113. 

Liscow,  ChL.:  *ChLL.  in  seiner  litt,  laufbahn  von  BLitzmann.  Hamburg  u. 
Leipzig,  Voss,  1883.  —  GGA  nr  4  (Minor).  Litt,  centralbl.  nr  13.  DLZ 
nr  23  (Schmidt).  Acad.  bll.  1,  171  (Geiger).  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  592 
(Muncker).     Nationalztg.  nr  197  (Doberl).  [747 

3.  auch  [847. 


BFELIOGRAPHIE    11  319 

vLoEBEN,OH.  graf:    ADB  19,  40  (FMuncker).  [748 

LÖBER,V.:  ADB  19,45  (JFranck).  [749 

LocHNEB,JH.:  ADB  19,  67  (Krause).  [750 

LoDER,  FW.:  ADB  19,75  (Schumann).  [751 

s.  auch  [9S9. 
vLoEN,  J.M.:  ADB  19,86  (WStricker).  [752 
vLoGAU,  F.:  ADB  19,107  (GEitner).  [753 
FvL.    von    KH  a  e  h  n  e  1.      progr.   des  gymn.    zu   Pilsen.   —  Gymn.   nr  10 
(Saliger).  [754 
vLoHENSTEix,  DK. :    *Beitr.  zum  leben  und   dichten  DKvL.s  von  CM  aller   mit 
einem    bilde  des  dichters    (Germanistische   abhandlungen    hg.   von  KWein- 
hold  i).     Breslau,  Koebner,  18S2.    —   Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.   piiil. 
nr  1  (Baechtold).  [755 
DKvL.  ADB  19,  120  (ESchmidt).  [75(J 
Loiii,  AI.:  ADB  19,195  (GWesterma  y  er).  [757 
Löp.s,  A.:  ADB  19,203.  [758 
LÖRs,  JCh.:  ADB  19,  203.  [759 
Lossas,  KF.:  ADB  19,219  (JChHWeifsenborn).  [7(iO 
LoTZ,  HG.:  ADB  19,285.  [761 
Lo\vE\,JF.  (auch  Löwe  genannt):  ADB  19,312.  [702 
vLüwENSTERN,  MA. :  ADB  19,  318.  [763 
Lucius,  ChK.,  spätere  Schlegel:  ADB  19,352  (ESchmidt).  [764 
LucK,  JFhW.  :  ADB  19,  356.  [765 
LuDÄ.MiLiE Elisabeth,  princessin vonSchwarzburg-Rudolstadt:  .ADB  19,365(Anp- 
mülier).  [766 
LuDECUS,JKA.und  deren  Stieftochter  AHKLudecus:  ADB  19,367  (FMuncker).  [767 
LuDovici,  G. :  ADB  19,  396.  [768 
Ludwig,  fürst  von  Anhalt-Cöthen:  ADB  19,  476  (Siebigk).  [769 
Luise   Henriette,    kurfürstin    von    Brandenburg:    ADB  19,  623  (Erdmanns- 
dörffer).  [770 
Luise  Dorothea,  herzogin   von   Sachsen -Gotha  und   Altenburg:  ADB  19,  625 
(Schumann).  [771 
Lu>D,Z.:  ADB  19,635  (ESchmidt).  [772 
LüTHY,  UJ. :  ADB  19,  694  (F  i  a  I  a).  [773 
LtJTKEMANN,  J. :  ADB  19,  696  (W  a  g  e  n  m  a  n  n).  [774 
Mackensen,  WFA.:  ADB  20, 16  (Carstens).  [775 
Magdalena  Sibylle,  tochter  des  kurfürsten  Johann  Georg  i  von  Sachsen:  ADB 
20,  49.  [776 
Magdalena  Sibylle ,   herzogin   von  Württemberg,   tochter    des  landgrafen  Lud- 
wig vi  von  Hessen-Darmstadt:  ADB  20, 49.  [777 
Magen,  EChB.:  ADB  20,  56.  [778 
M agenau,  RFH.:  ADB  20,56  (JH  artmann).  [779 
Magnus,  JS.  :  ADB  20,  90.  [780 
Mahlmann,SA.:  ADB  20, 97  (FSchnorr  vCarolsfeld).  [781 
Maicler,  GK. :  ADB  20.  100  (HFischer).  [782 
vdMalsburg,  EFGO.:  ADB  20,  148  (JKürschner).  [783 
Malss,K.:  ADB  20,  148  (Stricker).  [784 
vMaltitz,  GA.:  ADB  20,  152  (FSchnorr  vCarolsfeld).  [785 
Mann,  JKG.:  ADB  20,  198.  [786 
M.ännling,  JCh. :  ADB  20, 209  (JFranck).  [787 
Manso,  JKF.  :  ADB  20,  246  (G  r  ü  n  h  a  ge  n).  [7S8 
Maria  Elisabeth,  markgräfin  zu  Brandenburg-Gulmbach :  ADB  20,  366.        [789 
Mark,  GJ.:  ADB  20,  3S3.  [790 
Marot,  S.  :  ADB  20,  404.  [791 
Marperger,  BW. :  ADB  20,  405.  [792 
Marperger,  PJ. :  ADB  20,  405  (JFranck).  [793 
Martersteck,J.  :  ADB  20, 472.  [794 
Martin  vCochem:   Des   ehrwürdigen    p.  MvC.   messbuch,     enthaltend   32  voll- 
ständige messandachten  für  jeden  tag  in  der  woche,  für  die  sonn-  und  feier- 


320  BIBLIOGRAPHIE    II 

tage  und  bei  besondern  veranlassungen,  nebst  morgen-,  abend-,  beicht-, 
comniunion-  und  nachmittagsandachten.  neu  bearb.,  verb.  und  verm.  hg. 
von  priesler  HKömstedt.  wolfeiie  ausg.  7  aufl.  Köln,  Bachern,  xii,  523 
mit  einem  Stahlstich.     12.  [795 

M.\RTiN  vCochem:  Der  grofse  myrrhengarten  des  bittern  leidens.  mit  Sorgfalt  ge- 
jätet, mit  schönen  passionsblumen  aus  andern  werken  desselben  verf.s  und 
mit  wolriechenden  pflanzen  aus  dem  garten  der  kirche  sehr  verm.  und  dem 
christl.  Volke  wider  geöffnet  vom  verf.  des  Wie  wirds  besser?  28  aufl. 
ausg.  nr  1  mit  einem  Stahlstich.  Paderborn,  Schöningh.  xxill,  876.  8.  [796 
MvC.  ADB20,  480  (FXKraus).  [797 

Martini,  C:  ADR  20,  501  (GAHase).  [798 

M.4RX,  LFPh.  :  AHB  20,  549  (AW  e  i  s).  [799 

Masius,  hg.  :  ADB  20,  562.  [800 

Masius.H.:  ADB  20,563.  [801 

Massmasn,  HF.:  ADB  20,  569  (Scherer).  [802 

vMassow,  AE.:  ADB20,572  (vBülow).  [803 

M.ASTALiER,  K.:  ADB  20,  573  (ASchlossar).  [804 

RIatthäi,JG.:  ADB  20,  607  (FSchnorr  vCarolsfeld).  [805 

vMatthisson,  F. :  ADB  20,  675  (Hosäus).  [806 

RIauritii  (Mauritzin),  A.\1.:  ADB  20,  7U8.  [807 

Meier,  GF.  s.  [641. 
Meister,  L.  s.  [985. 
Menantes  s.  [590. 
Mendelssohn,  M.  s.  [746. 

*MM.  uiigedr.  und  unbekanntes  von  ihm  und  über  ihn  bearb.  und  hg.  von 
MKavserling.  Leipzig,  Brockhaus  in  comm.,  1883.  —  GGA  nr  15 
(Sauei).  [808 

Die  lamilie  M.  1729  — 1847.  nach  briefen  und  tagebücbern  von  SHensel. 
mit  8  lichtdr. -portraits,  gezeichnet  von  WHensel.  2  bde.  4  aufl.  Berlin, 
Behr.     xv,383.  vii,400.     S.  [809 

Meyer  vKnonau,  L.  :  Aus  einer  zürcherischen  familienchronik.  als  einleitung  zu 
den  Lebenserinnerungen  von  LMvK.  (1769  — 1841)  neu  hg.  von  GMeyer 
vKnonau.  Frauenfeld,  Huber.  vi,  100.  8.  [enthält  s.  60ff  ein  capitel  ('ein 
name  aus  der  litteraturgesch.')  über  den  fabeldichter  LMvK.].  [810 

MöRiKE,  E.:    Von   EM.     mitgeteilt  von   dr  JBaechtold   in  Zürich.     D.  rund- 
schau,  nov.  s.  269.  [811 
Moritz, KPh.:  KPhM.  vonGMalk  e  witz.  Sonnlagsbeil.  zur  Voss. ztg.  nr29.    [812 
MoscHERoscH,  HM.:  Philanders  von  Sittewald  wunderliche  und  wahrhaftige  ge- 
siebte,    sprachlich  erneuert  von  KMüller.     2  teile  (Universalbibl.  nr  1871 
bis  1877).     Leipzig,  Reclam.     352.441.     16.                                             [813 
HMM.    als  pädagog.     ein   beitr.  zur   gesch.  der  pädagogik  des  17jhs.  von 
MX  ick  eis.     Leipz.  diss.     52.     8.                                                              [814 
Müller,  F.  (maier  M.)  s.  [42. 
Müller,  JG.  s.  [512. 

Müller,  W.:  WM.  von  dr  H  olzhause  n.     AZ  nr273.274B.  [815 

Reden  zur  feier  deutscher  dichter  von  KStrackerjan  [15  abend:  Lulliers 
Stellung  in  der  gesch.  der  deutschen  spräche  und  dichtung.  16  abend:  WlM. 
und  A.  graf  vPlaten].  progr.  der  realschule  zu  Oldenburg,  s.  10 — 38.  4.     [S16 
s.  auch  [554. 
Müllner,  A.  s.  [1104. 1105. 
Mylius,  MG.  s.  [113. 

Neuber,K.:  Die  Neuberin  in  Petersburg  von  BLitzmann.  Arch.  f.  litteratur- 
gesch. 12,316.  [817 
Zum  aufcnthalt  der  Neuberin  in  SPetersburg  von  FRIeyer  von  Waldeck. 
Arch.  f.  litteraturgesch.  12,483.  [818 
Zu  vHeden  Esbcck,  KN.  von  BSeuffert.  Arch. f.litteralurgesch.  12,318.  [819 
Neukirch,  B.  s.  [12.  1100. 
Neumark,  G.:  GN.  in:   Aufsätze  zur  litt,  von  RWegener.                           [820 


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NiEMBSCH  vStreblenau,  N.  (Lenau):  Sämnitliche  werke  in  1  bde.  hg.  von 
GEBarthel.  2  durch  eine  biogr.  des  dichters  verm.  aufl.  Leipzig,  Re- 
clam.  ccviii,  740.     12.  [823 

Werke,  iilustr.  prachtausg.  hg.  von  HLaube.  mit  eingedr.  holzschn.  und 
hoizschn.-portrait.  Ifg.  1 — 13.  Wien,  Bensinger.  1—312.  8.  —  Wissensch. 
beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  89  s.  532  (Siegen).  [824 

Albigenser.    freie  dichtungen.    Berlin,  Hempel.     125.    12.  [825 

Don  Juan,  ein  dramatisches  gedieht  hg.  von  GEBarthel  (Universalbibl. 
nr  1853).     Leipzig,  Reclam.     71.     16.  [826 

Faust,     ein  gedieht.     Berlin,  Hempel.     108.    12.  [827 

Gedichte,     vollständige  Sammlung,     ebenda,     xvi,  415.  135.    12.  [828 

Gedichte,  die  vom  dichter  zuerst  verölTenllichte  Sammlung,  ebenda,  vm, 
200.     12.  [829 

Wunsch  von  L.  englisch  von  SHutzler.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und 
ausl.  nr43.  [830 

Savonarola.    Berlin,  Hempel.     151.     12.  [831 

Novalis  s.  [498. 

Oberlix,JJ.  s.  [181.  841. 

Oehlenschläger,  AG.:  Axel  und  Walburg,  trauerspiel  in  5  aufzügen.  neu  durch- 
ges.  nach  der  ausg.  letzter  band.     Leipzig,  Reclam.     76.     16,  [832 

Opitz, M.:  *M0.  in  seinem  Verhältnis  zu  Scaliger  und  Ronsard  vonVBeränek. 
progr.  der  Staatsoberrealschule  im  m  bezirk  in  Wien  1883.  —  Gymn.  nr  10 
(Sauger).     Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,  719.  [833 

Buch  von  der  deutschen  poeterei,  ein  kritischer  versuch  von  OFritsch. 
HalLdiss.    78.    8.  [834 

Zu  O.s  Deutscher  poeterey  von  ESievers.  Paul-Braunes  Beitr.  x  205.  [835 
s,  auch  [11.18.113.851. 

Pestalozzi,  JH.:  Lienhard  und  Gertrud,  ein  buch  f.  d.  volk.  3  und  4  teil,  neu 
hg.  als  fortsetzung  der  jubiläuinsausg.  des  1  und  2  teils  von  der  comm.  f.  d. 
Pestalozzistübchen  in  Zürich,  in  8  Ifgen.  Ifg.  1 — 6.  Zürich,  Schulthess. 
1—636.    8.  [836 

Isaak  Iselin  und  HP.  38  ungedr.  briefe  Pestalozzis  mitgeteilt  von  JKeller. 
Pädag.  bll.  hg.  von  Kehr  13,  72.  182.  268.  351,  [837 

Zur  biogr.  P.s,  ein  beitr.  zur  gesch.  der  volkserziehung  von  HM or f.  2  teil. 
P.  und  seine  anstalt  in  der  2  hälfte  der  Burgdorfer  zeit.  Winterthur,  ßleuler- 
Hausheer  &  cie.     x,  275.     8.  [838 

Pestalozzibll.  hg.  von  der  comm.  f.  d.  Pestalozzistübchen  der  Schweiz,  per- 
manenten schulausslellung  in  Zürich  v  jg.  nr  3  [Törlitz  über  P.  Zu  und  aus 
P.s  Lenzburger  rede  1809.  Briefwechsel  von  P.  und  RNiederer  a.  d.  j.  1808. 
P.-litt.  d.  j.  18S3].  [839 

P.  und  Chodowiecki.    Daheim  nr  36.  [840 

Petersen,  JW.  s.  [53. 

PFEFrEL,GK.  s.  [746. 

Fünf  briefe  [von  Geliert  (2),  Voss,  Oberlin,  SLaroche]  an  GKPf.  mitgeteilt 
von  JKeller.     Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  289.  [841 

vPlaten,  A.  graf:  Werke  hg.  von  CChRedlicli.  2  und  3  teil.  Berlin,  Henipei. 
2  bll.,  568.    VI,  396.     8.  —  GGA  nr  10  (Sauer).  [842 

Werke.     2  bde.     Elberfeld,  LoUs  nachf.     vm,  426. 442.    8.  [843 

Gedichte  (Museum ,  Sammlung  litt,  meisterwerke  in  neuer  rechtschreibung 
nr  159).    Elberfeld,  LoUs  nachf.     vm,  426.    8,  [844 

Ungedr.  briefe  P.s  von  ALeverkühn.     D.  revue,  oct.  s.  39.  [845 

s.  auch  [816. 

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sep.-abdr.  aus  dem  progr.  des  gymn.  zum  hl.  kreuz  in  Dresden.  Dresden, 
vZahn  u,  Jaensch  in  comm.  24.  4.  —  Arch,  f.  d.  Studium  d.  neueren 
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typ.  Portrait.     8.  —  Gegenwart  nr  47  s.  335.  [848 

R.s Verschwender,  zum  5U  Jahrestag  der  ersten  aufführung.  von  dr  KGlossy. 
Neue  freie  presse  nr  6999  morgenbi.  [849 

Dem  andenken  FR.s.  eine  erinnerungsgabe  zum  50jährigen  Jubiläum  des 
Verschwender.     D.  ztg.  nr  4358  morgenbi.  [850 

Raxdolph  van  Duysburgk:  [excerpte,  vorwiegend  über  Opitz,  aus  der  schrift 
Legation  oder  abschickung  der  esel  in  Parnassum.  gestellet  und  verfertiget 
durch  RvD.,  Leipzig  1648]  in:  FindÜDge  von  ABirlinger.  Acad.  hll. 
1, 290.  [851 

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als  elieprocurator.  dramatis.  anecdote  in  2  aufziigen.  zur  aufführung  durch- 
ges.  vonCFWittmann  (Universalbibl.  nrl839).  Leipzig, Reclam.  52.  16.  [853 
Isidor  und  Olga  oder  die  leibeigenen,  trauerspiel  in  5  aufzügen.  zur  aul- 
führuiig  durchges.  von  CFWittmann  (Universalbibl.  nr  1857).  Leipzig, 
Reclam.     72.     16.  [854 

Der  nasenstüber.  posse  in  3  aufzügen.  zur  aufführung  durchges.  von 
CFWittmann  (Universalbibl.  nrl9lS).  Leipzig,  Reclam.  58.  16.  [855 
Die  royalisten  oder  die  flucht  Karl  Stuarts  ii  von  England.  Schauspiel  in 
4  aufzügen.  bühneneinrichtung  zur  aufführung  neuerlich  durchges.  von 
CFWittmann  (Universalbibl.  nr  1880).  Leipzig,  Reclam.  51.  16.  [856 
Der  versiegelte  bürgermeisler.  posse  in  2  aufzügen.  zur  aufführung  durch- 
ges. von  CFWittmann  (Universalbibl.  nrlS30).  Leipzig, Reclam.  58.  16.  [857 
R.s  Vor  hundert  Jahren.     Nationalztg.  nr313.  [858 

Ein  vergessener  dramatiker.  ein  erinnerungsbl.  zur  100jährigen  geburts- 
feier  ER.s  von  ThGesky.     Illuslr.  ztg.  nr2133.  [859 

Ein  vergessener  dramatiker  von  RvGottscha  II.  Bll.f. litt.unterh.  nr23.  [860 
ESR.  von  WH  arder.  Wissensch.  heil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  41  s.241.  [861 
Das  Jubiläum  von  R.s  geburtstag  von  JProelss.  Zs.  f.  d.  gebildete  weit 
VI  6.  [862 

Beitr.  zur  characteristik  ER.s  und  seiner  zeit,  in  Originalbriefen  mitgeteilt 
von  MSachse.     Sonntagsbeil,  zur  Voss.  ztg.  nr  36.37. 38.  [863 

Zu  R.s  lOOjährigem  geburtstage  von  EWichert.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in- 
und  ansl.  nr  20.  [864 

vdRecke,E.:  EvdR.  von  EKlee.     Baltische  monatsschrift  31  heftS.  [865 

s.  auch  [136.989. 

Reichardt,  JF.:  Briefe  von  JFR.  [an  FAEschen]  mitgeteilt  von  AEschen.  Arch. 
f.  litteraturgesch.  12,  554.  [866 

[Reixeke  Fuchs:]  Die  Reineke- Fuchs -glosse  in  ihrer  entstehung  und  ent- 
wicklung  dargestellt  von  dr  ABieling.  wissensch.  beil.  zum  progr.  des 
Andreas-realgymn.  zu  Berlin  [hier  zu  erwähnen  wegen  der  sog.  Zesianischcn 
gl.,  welche  in  der  von  einem  mitglied  der  Rosengcsellsch.  verfassten  und 
von  JWild  in  Rostock  1650  verlegten  hd.  neubearbeitung  des  RV  enthalten 
war].  Berlin,  Gärtner.  22.  4.  —  Korrespondenzbi.  des  Vereins  f.  nd.  sprach- 
forsch. 1x46.  [867 

Reinhard,  AF.:  AFR.  (1726—1783)  von  Höischer.  Jbb.  und  Jahresberichte 
des  Vereins  f.  Mecklenb.  gesch.  49 jg.  [868 

Reinhard,  KF.:  *KFR.s  briefe  an  ChdeVillers  (separatabdr.  aus  der  2  ausg.  der 
Briefe  an  Villers  von  Benj.  Constant,  Görres,  Goethe  etc.)  hg.  von  Mlslcr. 
Hamburg,  Meifsner,  1883.  —  Litt,  centralbl.  nr  29.  GGA  nr  16  (Minor).  |869 
KFR.     Neue  freie  presse  nr  7178.  7179  morgenbi.  [870 

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unterh.  nr  51  (Boxberger).  [872 

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ä  la  fin  du  xviiie  siecle  en  Allemagne.  pour  servir  d'introduction  ä  la  vie 
du  professeur  de  cinquieme  (sie!)  Fixlein  par  JP.  Revue  de  l'enseignement 
des  laiigues  Vivantes  1,  129.  [873 

Über  das  immergrün  unserer  gefühle  und  andere  kleinere  dichtungen  (Uni- 
versalbibL  nr  1840).     Leipzig,  Reclam,     116.     16.  [874 

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JPFR.  und  seine  beziehungen  zum  Schachspiel  von  HMinck witz.  Illustr. 
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Lebensnachr.  über  JP.s  geistesverwandten  und  freund  PEThieriot  von  dr 
KSchwarz.  Ann.  des  Vereins  f.  nassauische  altertumsk.  und  geschichts- 
forsch.  18,  89.  [878 

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Die  verschiedenen  ausg.  von  JR.s  Himmlischen  liedern  von  Fischer.  Bll. 
f.  hymnologie  nr  9.  [880 

Die  Irenaromachia  von  R.  und  Stapel  von  CWalther.  Korrespondenzbl. 
des  Vereins  f.  nd.  sprachforsch,  ix  66.  [881 

Rist,  JG.:  JGR.s  lebenserinnerungen  hg.  von  GPoel.  1  teil.  2  verb.  aufl. 
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und  das  publicum]  von  AKoch.     Zs.  f.  d.  ph.  16,  361.  [886 

Miscelie  [Pope  Essay  on  man  iv  149  ff  quelle  für  Rückert  Weish.  d.  br.  iv  14] 
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Erinnerungen  aus  dem  leben  ChGS.s,  des  gründers  der  erziehungsanstalt 
Schnepfenthal,  von  dessen  pflegesohn  JWAusfeld  und  der  ältesten  tochter 
S.S.  zum  100jährigen  Jubelfeste  der  anstalt  Schnepfenthal  neu  bearb.  von 
einem  urenkel  S.S.  mit  S.s  portrait  und  einer  ansieht  Schnepfenthals.  Leipzig, 
Dürr.    X,  122.     8.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  28  s.  166.       [891 


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becke. Illustr.  Ztg.  nr213C).  [894 
Eine  100jährige  erziehungsanstalt  [Schnepfenthal].  Westernianns  moiiats- 
hefte,  sept.  s.  832.  [895 
Festschrift  zur  100jährigen  Jubelfeier  der  erziehungsanstalt  Schnepfenthal. 
Leipzig,  Brockhaus.  —  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr73  s.  435.  [896 
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ning.  gekrönte  preisschrift.  Neues  Lausitzisches  magazin  lx  hell  1.  auch 
separat:  LSch.  eine  monographie.  gekrönte  preisschrift.  Bremen,  Rühle 
u.  Schlenker.     iv,  199.     8.  —  Grenzboten  nr  47.  [898 

Ein  gedenkbl.  für  LSch.  skizze  von  EKlee.  Wissensch.  beil.  d.  Leipziger 
ztg,  nr60  s.  353.  [899 

Ein  lehrer  der  menschheit.  zur  erinnerung  an  den  100jährigen  geburlstag 
LSch.s  von  GKreyenberg.  Rheinische  bll.  f.  erziehung  und  Unterricht 
heft  6.  [900 

Zum  100jährigen  geburtslage  LSch.s  von  KMüller- Fraureut  h.  Illustr. 
Ztg.  nr2144.  [901 

Aus  LSch.s  frühzeit.  nach  hslichen  quellen  von  KSiegen.  Acad.  bll.  1, 
585. 635.  [902 

Zu  LSch.s  hundertjährigem  geburtstage  von  PSirius.  Magazin  f.d.  litt.  d. 
in-  und  ausl.  nr  30.  [903 

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Die  geschichtsphilos.  Sch.s  1792—1809.  diss.  von  HLisco.  Jena  (Deistung). 
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deke.  bd.  8—15  (Bibl.  der  weltlitt.  bd.  61.  66.  73.  78.  83.  89.  91.  92).  Stutt- 
gart, Gotta.  264.334.194.219.290.203.219.275.  8.  [908 
Werke,  illustr.  von  ersten  deutschen  künstlern.  3  aufl.  bd.  1.  Stuttgart, 
Deutsche  verlagsanstalt.  424  mit  eingedr.  holzschn.  8.  [909 
Ausgewählte  werke,  auswahl  f.  volk  und  schule  mit  kurzen  erläuterungen. 
2  bde.  Münster,  Aschendorff.  vn,  482.  500.  16.  [910 
Sch.-lesebuch  von  ABliedner.  —  Gymn.  nr  16  (Matthias).  [911 

♦Über  Sch.s  auffassung  und  Verwertung  des  antiken  chors  in  der  Braut 
von  Messina  von  drArnoldt.  progr.  des  Kneiphölischen  gymn.  zu  Königs- 
berg 1S83.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,231  (Hölscher).  [912 
Seh.  als  dichter  der  Braut  von  Messina  von  WBormann.  Acad.  bll. 
1,672.  [913 

*  Vorträge  f.  d.  gebildete  weit  nr  1.  Sch.s  Braut  von  Messina  von  dr 
AHagemann,  hg.  von  PHagemann.  Riga  und  Leipzig,  Schnakenburg, 
1883.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,309  (Boxberger).  [914 

Der  chor  in  der  tragödie  von  LRiefs.     Preufs.  jbb.  54,  339.  [915 

Über  Sch.s  Braut  von  Messina  in:  Aufsätze  zur  litt,  von  RWegcner,       [916 
s.  auch  [252. 
Seh. -Studien  von  KBreul.    i  Die  ursprüngliche  und   die  umgearb.  fassung 


BIBLIOGRAPHIE    II  325 

der  Briefe  über  aesthetische  erziehung.  n  Über  den  moralischen  nutzen 
aesthetischer  sitten.     Zs.  2S,  358.  [917 

Schiller,  F.:  Do  n  Carlos,  infant  von  Spanien,  ein  dramatisches  gedieht,  mit 
einleitung  und  anm.  von  prof.  drFKhuli  (Schulausg.  class.  werke,  unter 
mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg.  von  prof.  JXeubauer  nr  8).  Wien,  Graeser. 
XVI,  208.     S.  [918 

Sch.s  echtbreuck-drama.     De  portefeuille  nr  28.  [919 

Theatralische  Zwangsarbeiten  [Sch.s  Fiesco  berührend]  von  RvGottschall. 
Ell.  f.  litt,  unterh.  nr  5,  [920 

Über  die  erste  bearbeitung  von  Sch.s  Fiesco  1784  vgl,  HMarbach  Wis- 
sensch.  beil.  d.  Leipziger  ztg.  nr  6.  [921 

Über  Sch.s  Fiesco  von  ASchöll:  Gesammelte  aufsätze  zur  class.  litt,  alter 
und  neuerer  zeit  s.  205.  [922 

Sch.s  Fiesco.  ein  Schauspiel,  von  JWerther.  Nationalztg.  nr  14.  [923 
Zum  säculartage  von  Sch.s  Fiesco.     Didaskalia  nr  8.  [921 

Gedichte  f.  d.  deutsche  volk  erläutert  und  mit  ausführlichem  namen-  und 
Wortregister  vers.  von  drKEPutsche.  mit  Sch.s  porlrait.  Leipzig,  Wartig. 
xii,  339.     8.  [925 

Die  fabel  von  Sch.s  ballade  Die  bürgschaft  in  dem  Schachbuche  des  Jacobus 
de  Cessolis  von  RDürnwirth.  progr.  der  staatsoberrealschule  zu  Klagen- 
furt. 3.  8.  [926 
Die  bürgschaft  im  nd.  Passional  von  KEHKrause.  Korrespondenzbl.  des 
Vereins  f.  nd.  sprachforsch,  ix  50.  [927 
Deutschlands  gröfse.  gedichtbruchstücke  und  entwurfgedanken  von  Seh. 
von  ARudolf.  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,464.  [928 
Das  Eleus.  fest.  Sch.s  dichtung  bildlich  dargestellt  von  JMWagner.  ge- 
stochen von  FRuscheweyh.  neue  aufl.  Stuttgart,  Cotta.  20  tafeln  mit 
10  SS.  text.  2.  [929 
Der  gang  nach  dem  eisenhammer.  Der  taucher  (Volksbibl.  des  Lahrer 
hinkenden  boten  nr  93).  Lahr,  Schauenburg.  16.  8.  [930 
Das  lied  von  der  glocke  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  57). 
Lahr,  Schauenburg.  16.  8.  [931 
Le  chant  de  la  cloche  de  Seh.  en  vers  francais  par  GF ortin.  —  Gegen- 
wart nr43  s.  271.  '  [932 
Zum  motto  der  Sch.schen  Glocke  von  ThRaehse.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12, 316.  [933 
Umrisse  zu  Sch.s  Lied  von  der  glocke  nebst  andeutungen  von  MRetzsch. 
Stuttgart,  Cotta.  43  kupfertafeln  mit  16  ss.  text.  2.  [934 
*  Sch.s  Lied  von  der  glocke.  f.  die  zwecke  der  schule  erläutert  von  AvSan- 
den.  progr.  des  progymn.  zu  Kempen  (rbz.  Posen)  1883.  —  Arch.  f.  d. 
Studium  d.  neueren  spr.  71,  230  (Hölscher).  [935 
Sch.s  klockenlied.  plaltdülsch  van  W'Täpper,  scholmester.  3  opiage. 
Bochum  (Hengstenberg).  16.  8.  [936 
Ursprung  und  bedeutung  von  Sch.s  ballade  Der  handschuh  von  drMLandau. 
AZ  nr36B.  [937 
Zu  Sch.s  ballade  Der  handschuh  von  APichler.  AZ  nrl04B.  [938 
Über  die  behandlung  von  Sch.s  gedieht  Das  ideal  und  das  leben  auf  der 
prima  von  WBoettieher.  Neue  jbb.  f.  phil.  und  päd,  130,  105.  [9.39 
Der  kämpf  mit  dem  drachen.  Die  bürgschaft  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinken- 
den boten  nr  71).  Lahr,  Schauenburg.  17.  8.  [940 
Bedenken  gegen  die  schullectüre  von  Sch.s  gedieht  Die  klage  der  Ceres  von 
HDenicke.  Neue  jbb.  f.  phil.  und  päd.  130,  3S7.  [941 
Noch  mehr  erklärung  zu  Sch.s  Kranichen  des  Ibykus  von  WBormann.  Acad. 
bll.  1,  359,  vgl.  751.  [942 
Sch.s  Kraniche  des  Ibykus  von  HJHeller.  Acad.  bll.  1,  220.  nachtr, 
ebenda  s.  542.  [943 
Zu  Sch.s  Spaziergang  von  Loeber,  Neue  jbb.  f.  phil,  und  päd.  130,  363.  [944 
Beitr.   zur    gesch,  der   tauchersage  von  HUllrich.     beil.   zum  progr.   von 


326  BIBLIOGRAPHIE    II 

EZeidlers  lehr-  und  erziehungsanstalt  zu  Dresden.  8.  4.  —  Arch.  f.  d. 
Studium  d.  neueren  spr.  72,  462.  [945 

vScHiLLER,  F.:  Enquete  sur  la  chanson  populaire  du  Plongeur.  Melusine  2,5 
[fünf  formen  der  bailade  Le  plongeur  aus  der  Bretagne  und  Vendee]  vgl. 
Steinthai.  Zs.  f.  völkerpsych.  15,  478  ff.  [94(j 

s.  auch  [930.  999. 

Der  ge  is  terseh  er.  aus  den  niemoiren  des  grafen  vO***  (Volksbibl. 
f.  kunst  u.  wissensch.  hg.  von  RBergner  nr  7).  Leipzig,  Brückner. 
128.     12.  [947 

Die  Jungfrau  von  Orleans,  eine  romantische  tragödie  mit  einleitung  und 
anm.  von  prof.  HKny  (Schulausg.  class.  werke,  unter  mitwirkung  mehrerer 
fachmänner  hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  7).  Wien,  Graeser.  xvi,  112.  S.  [948 
Die  Jungfrau  von  Orleans,  eine  romantische  tragödie  (Deutsche  classiker  f. 
den  schulgebrauch  hg.  von  prof.  JPözl  nr  8).  Wien,  Holder,  v,  120.  8.  [949 
Seh. s  Jungfrau  von  Orleans  erläutert  vonHDüntzer.  3  neu  durchges.  und 
erweiterte  aufl.  (Erläuterungen  zu  den  deutschen  classikern  50.  51  bdchenl. 
Leipzig,  Wartig.     276.     12.  [950 

Die  Jungfrau  von  Orleans,  nach  Sch.s  romant.  tragödie  bearb.  mit  43  denk- 
sprüchen  (Erzählungen  aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeer- 
ling  III).     Köln,  Ahn.     70.   S.  [951 

Sch.s  Jungfrau  auf  der  Leipziger  bühne  von  HMarbach.  Wissensch.  beil. 
d.  Leipziger  ztg.  nr  44  s.  261.  [952 

Entlehnungen  unserer  classiker  [parallele  zu  Sch.s  Jungfrau  von  Orleans  iii  6 
aus  Simonides,  zu  den  Räubern  aus  Midrasch  Rabba]  von  JMorgens tern. 
Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nrSl  s.  484.  [953 

Die  monologe  der  Jungfrau  von  Orleans  bei  Vernuläus  (1621)  und  Seh.  (1801) 
von  PvRadics.     Auf  der  höhe  1,  129.  [954 

Der  hundertjährige  theatralische  geburtstag  von  Kabale  und  liebe  von 
JKürschner.     Älagazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  15.  16.  [955 

Die  erste  aufführung  von  Kabale  und  liebe  von  GMalkewitz.  Nationaiztg. 
«'•231.  [956 

Das  Jubiläum  von  Kabale  und  liebe  von  JProelss-  Zs.  i,  d.  gebildete 
weit  VI  6.  [957 

Maria  Stuart  ein  trauerspiel.  mit  ausführlichen  erläuterungen  f.  d.  schul- 
gebrauch und  das  privatstudium  von  dr  HHeskamp.  Paderborn,  Schö- 
ningh.     193.     S.  —  Gymn.  nr  18  (Hellinghaus).  [95S 

Maria  Stuart.  ein  trauerspiel.  mit  einl.  und  anm.  von  prof.  EMüller 
(Schulausg.  class.  werke,  unter  mitwirkung  mehrerer  fachmänner  hg.  von 
prof.  JiNeubauer  nr  13).     Wien,  Graeser.     xvi,  126.    8,  [959 

Maria  Stuart,  ein  trauerspiel  (Deutsche  classiker  f.  den  schulgebrauch  liar. 
von  prof,  JPözl  nr  6).     Wien,  Holder,     iv,  130.    8.  [960 

Maria  Stuart,  edited  wilh  introduction  and  noles  by  CSheldon.  London, 
Macmillan.     18.  —  Academy  [ir627.  [961 

Maria  Stuart,  nach  Sch.s  trauerspiel  bearb.  mit  42  denksprüchen  (Er- 
zählungen ans  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  ii).  Köln, 
Ahn.     83.     8.  [962 

Einführung  in  das  Studium  von  Sch.s  Maria  Stuart  von  Goerth.  Päday. 
VI  3.  4.  [963 

Entlehnungen  unserer  classiker  [parallele  zu  Sch.s  Maria  Stuart  i  4  aus  Ra- 
cines  Phedre  i  3]  von  AvdVelde.  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl. 
nr  36  s.  558.  [964 

Über  den  moralischen  nutzen  aesthetischer  silten  s.  [917. 
Oncle  et  neveu ,  comedie,   publice    et  annolee   par  APey.      Paris,  Dela- 
grave.  [965 

Le  neveu  pris  pour  l'oncle,  imitee  de  la  piece  franfaise  de  Picard,  e<iit. 
avec  notes  par  Schmitt.     Paris,  Garnier.  [966 

Die  räuber  ein  trauerspiel.  neue  für  die  Mannheimer  bühne  verbess.  aufl. 
separalabdr.  aus  Sch.s  Sämmtlichen  werken,  kritische  ausg.  von  HKurz. 
Leipzig,  Bibliogr.  Institut.     94.     8.  [967 


BlBLFOGRAPHtE    II  327 

vScHiLLER,  F. :    Sch.    und    die  Graubündner  (1782/83)   von  FVetter.     Arch.  f. 
Jitieraturgesch.  12,  404.  [968 

s.  auch  [953. 

Sch.s  ankündigung  der  Rheinischen  Thalia  von  HFischer.  Arch.  f. 
litteraturgesch.  12,  301.  [969 

William  Teil  with  english  notes  by  GABuchheim  (German  classics). 
London,  Frowde.     12,  —  Athenaeum  nr  2966  s.  272.  [970 

Wilhelm  Teil  hg.  von  prof.  OKa  Ilsen  (Class.  deutsche  dichtungen  mit 
kurzen  erläuterungen  f.  schule  und  haus  hg.  von  KHKeck  ii).  Gotha, 
Perthes.     S.  —  D.  litteraturbl.  vi  nr  44  (Lösche).  [971 

Wilhelm  Teil.  Schauspiel  in  5  aufzügen.  mit  vollständigem  commentar  f. 
d.  schulgebrauch  und  das  privatsludium  hg.  von  dr  JNaumann.  2  aufl. 
(Schulausg.  ausgewählter  class.  werke,  mit  vollständigen  commentaren.  Ireihe. 
Die  meisterwerke  der  2  class.  periode,  bearb.  von  dr  JNaumann  und  anderen. 
3  bdehen).  Leipzig,  Siegismund  u.  Voikcning.  140  mit  einer  karte.  8.  [972 
WilhelmTell.  ein  Schauspiel  mit  einleitung  und  anm.  von  prol.  drFProsch. 
mit  2  kärtchen  (Schulausg.  class.  werke,  unter  mitwirkung  mehrerer  fach- 
männer  hg.  von  prof.  JNeubauer  nr  12).  Wien,  Graeser.  xvi,  108.  8.  [973 
Wilhelm  Teil  nach  Sch.s  Schauspiel  bearb.  mit  49  denksprüchen  (Erzählungen 
aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  ij,  Köln,  Ahn.  68.  8.  [974 
Wilhelm  Teil  auf  der  Leipziger  bühne  von  H.Marbach.  Wissensch.  beil. 
d.  Leipziger  ztg.  nr  30  s.  176,  [975 

*Die  dramatische  idee  in  Sch.s  Wilhelm  Teil  von  gymnasiallehrer  Mühlen- 
bach, progr.  des  gymn.  zu  Ratibor  1883.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren 
spr.  71,230  (Kölscher).  [976 

Wallenstein,  poeme  dramatique  en  3  parties.  texte  allemand ,  notices  et 
arguments  et  des  notes  par  MC  ottler.     Paris,  Hachette.  [977 

La  mort  de  Wallenstein,  edit.  par  Lange,  avec  notices  et  des  notes  en 
francais.     Paris,  Garnier.  [978 

Wallenslein.  ein  diamatisches  gedieht  (Deutsche  classiker  f.  den  schulge- 
brauch hg.  von  prof.  JPözl  nr  4).  Wien ,  Holder,  vi,  253.  8.  [979 
Wallenstein,  nach  Sch.s  dramatischem  gedichte  bearb.  mit  100  denk- 
bprüchen  (Erzählungen  aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KF.\Geer- 
ling  IV.  v).  Köln,  Ahn.  133.  8.  [980 
Die  schicksalsidee  in  Sch.s  Wallenstein,  eine  ästhetische  abhandlung  von 
FHann,  progr.  des  gymn.  zu  Klagenfurt.  17.  8.  [981 
Bemerkungen  zu  Sch.s  dramen  von  KKoch.  i  Wallenstein.  progr.  des 
gymn.  zu  Münstereifel.  20.  4.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr. 
72,  463.  [982 
Wallenstein  auf  der  Leipziger  bühne  von  HMarbach.  Wissensch.  beil.  d. 
Leipziger  ztg.  nr  94  s.  561.  [983 
Sch.,  Holtei  und  Metternich  von  CSpielmann  [berührt  den  Wallenstein]. 
.Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausL  nr  43  s.  665.  [984 
8.  auch  [248. 

Ein  brief  Sch.s  an  LMeister  mitgeteilt  von  JB  a  e  c  h  t  o  1  d.  Acad.  bll. 
1,  322.  [985 

Reliquien  aus  der  autographenmappe  [von  KvGerstenber g].  Westermanns 
monatshefte,  märz  s.  832.  833  [enthält  einen  brief  Sch.s  an  Iffland  vom 
18  dec.  1803,  einen  der  ChvSchiller  an  denselben  vom  20juni  1805].  [986 
Ein  noch  unbekannter  brief  Sch.s  [an  den  amtsbürgermeister  von  Heilbronn, 
dat.  Heilbronn  16  aug.  1793].  veröffentlicht  nach  dem  Stuttgarter  neuen 
tagebl.  in:    Die  post  nr  325.  [987 

*Die  metrik  Sch.s  von  EBelling.  Breslau,  Koebner,  1883.  —  Gymn.  2,1 
(Buschmann).  Wissensch.  litteraturbll.  1,  1  (Rachel).  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr2  (Boxberger).  [988 

Zeitgenöss.  mitteilungen  [von  Böltiger,  Brinkmann,  Deinhardstein,  frl.  vGöch- 
A.  F.  D.  A.    XL  23 


328  niBLIOGRAPHIE    II 

hausen,  Göschen,  Heinrich,  Jacobs,  AvimhofT,  Kirms,  Körner,  Loder,  Rahbeck, 
EvdRecke,  vRetzer,  Rochlilz,  ESchadow,  AWSrhlegel,  LSchubart,  Schütz, 
Schwabe,  Schwan,  LvSeckendorf,  WdeW ette ,  Weyland ,  Wieland,  KvWol- 
zogen]  über  Seh.  aus  hss.  der  Dresdner  bibl.  veröffentlicht  von  RBox- 
berger.     Acad.  bll.  1,  65.  350.  613.  [989 

vScHiLLER,  F.:  *Sch.  und  Goethe  im  urteile  ihrer  Zeitgenossen,  ztgskritiken,  be- 
richte und  notizen  Seh.  und  Goethe  und  deren  werke  betr.  aus  den  jähren 
1773 — 1812,  gesammelt  und  hg.  von  JWBraun.  eine  ergänzung  zu  allea 
ausg.  der  werke  dieser  dichter.  1  nbleilung  Seh,  bd.  3:  1801 — 5.  Berlin, 
Luckhardt,  1882.  —  Bll.  f.  litt,  unterh.  nr37  (Buchner).  [990 

HDüntzer,  Life  of Seh., translated  by  Pi  nkerton.  —  Spectator  nr2899.  [991 
Zu  Seh.  von  LGeiger.  Arch.  f.  lilteratur^esch.  12,  449  [enthält  auszöge  aus 
briefen  der  buchhändler  GJGöschen  und  JMAIauke  an  Bertuch].  [992 

Seh.  und  das  publicum  der  gegen  wart  von  RvGo  tt  schal  1.  Gartenlaube 
nr  48.  [993 

Epilog  zur  feier  des  25jährigen  bestehens  der  deutschen  Seh. -Stiftung  am 
10  nov.  1884  (im  anschluss  an  die  braut  von  Messina)  von  JG rosse.  AZ 
nr316B.  [994 

Seh.  und  IfTland  von  HHolstein.  Sonntagsbeil.zur  Voss.  ztg.  nr  10 — 15.  [995 
Seh.  auf  der  Solitüde  (1773  —  1775)  von  JKlaiber.  Vom  fels  zum  meer, 
juli  s.  437.  [996 

Festrede  zum  Seh. -feste  gehalten  von  prof.  Lazarus  am  22  nov.  1SS4  zu 
Berlin.     Nationalztg.  nr  641.  [997 

Seh.  und  die  deutsche Sch.-stiftung von  prof.  dr  MLazarus.  AZ  nr31S  B.  [998 
Bemerkungen  über  Sch.s  metrik,  besonders  im  Taucher  von  W.M  erckc  n  s. 
progr.  des  gymn.  in  ßirkenfeld.  22.  4.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neupren 
spr.  72,  462:  [999 

Seh.  und   Bürger  von  HPrölile.     Grenzboten  nr  40.  [1000 

Neuaufgefundene  Urkunden  überScIi.uud  seine  familie.  hg.von  dr  vS  ch  Inss- 
herger.  Stuttgart,  Gotta.  viii,  69.  8.  —  AZ  nr  311  B.  (Koch).  [1001 
Über  Sch.s  Verhältnis  zur  modernen  bildung  von  AESchönbach.  D.  Wochen- 
schrift nr  47.  [1002 
Das  anknüpfen  von  Seh.  und  Lotte  mit  Dalberg  von  OESeidel,  Thürinii^er 
Ztg.  Erfurt,  29  Jan.  (Goethe-jb.  6,434).  [1003 
Seh.  als  historiker  und  philosoph  von  FUeberweg.  mit  einer  biographi- 
schen skizze  üeberwegs  von  FALange  hg.  von  dr  MBrasch.  Leipzig, 
Reifsner.  xLvii,  270.  8.  —  AZ  nr  322  B.  (Fischer).  Neue  evang.  kirchenzig. 
nr50  sp.788.  Altpreufs.  monatsschrifl  xxi  heft  7.  8  (Grosse).  Athenaeum 
nr  2978  s.  658.  [1001 
Eine  apokryphe  geschichtliche  arbeit  [Geschichte  von  Württemberg  bis  zum 
jähre  1740  publiciert  in  Schabers  Würltembergischer  volksbibl.  heft  2]  Sch.s 
von  RWeltrich.     AZnr272B.  [1005 

Sch.-anekdoten.  aus  d.  Zpilgenossen  von  1829.  Didaskalia  nr  195.  [1006 
Die  Sch.-ausstellung  in  W.-imar.     Illustr.  ztg.  nr  2158.  [1007 

Catalog  der  /.um  10  nov.  1884  veranstalteten  Sch.-ausstellung  im  grofsh.  mu- 
seum  zu  Weimar.     Weimar.  Kühn.     23.    8.  [1008 

Über  die  Scli.-aussteliiing  im  grofsh.  mnseum  zu  Weimar.  AZ  nr314B.  [1009 
Festschrift  des  verwaiiuu^srates  der  deutschen  Sdi.-stiflung  zum  10  nov.  18S1. 
Weimar  (Zuekschwerdl).     11.     8.  [1010 

Die  Seh. -Stiftung  am  schluss  des  ersten  vierteljhs.  ihres  wirkens.  Illnsir. 
Ztg.  nr2158.  [1011 

Seh.  und  das  Körnermuseum  in  Dresden.     Gegenwart  nr  48.  [1012 

s.  auch  [12.  40.  42  72.  73.  74.  353.  394.  406.  416.  424.  512.  724.  732. 
vScHLEGEL,  AW. :  l'arallelst.'lle  zu  Sch.s  und  Tiecks  Arion.  Arch.  f.  d.  Stu- 
dium d.  neueren  spr.  72,  237.  [1013 
Über  dramatische  kiinsl  und  litt.  Vorlesungen  1  —  3  (Volksbibl.  f.  kunst  u. 
wissensch.  hg,  von  RBergner  nr  6).  Leipzig,  Brückner.  71.  12.  [1011 
Vorlesungen   über   schöne  litt,    und  kunst.     1  teil  (1801  —  1802)  Die  kunst- 


BIBLIOGRAPHIE    II  329 

lehre.  2  teil  (1802—1803)  Gesch.  der  class.  litt.  Steil  (1803—1804)  Gesch. 
der  romant.  litt,  nebst  Personenregister  zu  den  3  teilen  (DLD17 — 19).  Heil- 
bronn ,  Henninger.  lxxi,  370.  xxxii,  396.  xxxvii,  252.  8.  —  Zs.  f.  d.  ge- 
bildete weit  V  5  s.  218  (Geiger),  ßil.  f.  litt,  unterh.  nr  32  (Boxberger). 
American  Journal  of  philology  v  401.  Saturday  review  nr  1486.  D.  lit- 
teraturbl.  vii  nr  11  (Proscli).  [1015 

s.  auch  [989. 

vScHLEGEL,  F.:  *FSch.  1794 — 1802.  seine  prosaischen  Jugendschriften  hg.  von 
JMinor.  1  bd.  Zur  griechischen  litteraturgesch.  2  bd.  Zur  deutschen  litt, 
und  philos.  Wien,  Konegen ,  1882.  —  Anz.  x  128  (Jacoby).  DLZ  nr  5 
(Roediger).     Arch.   f.  litteraturgesch.   12,  633  (Boxberger).  [1016 

Schlegel,  JE.:  Om  JESch.  af  WSöderhjelm.  diss.  von  Helsingfors. 
138.     8.  [1017 

ScHLEiEBSiACHER,  F.:  Sämmtlichc  werke.  1  abteilung:  Zur  theol,  bd.  12.  hg. 
vonLJonas.  2  aufl.  Berlin,  Reimer,  xxx, 706  und  beilagen  192.  8.  [1018 
Zu  Sch.s  50 jährigem  todestage  (12  febr.)  von  MBrasch.  Magazin  f.  d. 
litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  6.  7.  [1019 

Sch.s  vater  und  Vaterhaus  vonKoelling.  Evang. kirchenztg.  nr  6.  [1020 
Zur  erinnerung  an  FSch.  Evang.  kirchenztg.  nr  6.  [1021 

Seh.  und  Württemberg.  Besondere  beil.  des  Staatsanz.  f.  Württemberg 
s.  33.  [1022 

Seh.  ist  auch  behandelt  in  der  [658  citierten  schrift;  s.  auch  [40. 

Schmidt  von  Werneuchen,  FWA.  s.  [1106. 

Schmidt,  Klamer  E.  s.  [138. 

Schröder,  FL.  s.  [326. 

Schubart,  ChFD.:  Gedichte,  hist.-krit.  ausg.  von  GH  auf  f  (Universalbibl. 
nr  1821  — 1824).  Leipzig,  Reclam.  488.  16.  —  Anz.  x  416  (Seuffert). 
Acad.  bll.  1,  733  (Sprenger).  [1023 

Zur  characteristik  von  ChFDSch.  von  ThEbner.  Arch.  f.  d.  sludium  d. 
neueren  spr.  71,  285.  [1024 

Zu  Sch.s  todestag.     Basler  grenzpost  nr  243.  [1025 

Schulze,  E.:  Die  bezauberte  rose,  romant.  erzählung  in  3  gesängen.  diamant- 
ausg.  mit  illustr.  von  PGrot  Johann,  in  holz  geschnitten  von  Rßrend'amour. 
7  aufl.     Berlin,  Grote.  [1026 

Schupp,  JB.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und kirche  13,723  (Cßertheau).      [1027 

Schwab,  G.:  Blutrache,  nordische  sage.  —  Das  mahl  zu  Heidelberg.  —  Das 
gewilter  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  65).  Lahr,  Schauen- 
burg.     16.     8.  [1028 

♦Kleine  prosaische  Schriften  ausgewählt  und  hg.  von  KKlüpfel.  Frei- 
burg i/B.  u.  Tübingen,  Mohr,  1882.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12.638  (Box- 
berger). [1029 
*GSch  .s  leben,  erzählt  von  seinem  söhne  ChThSchwab.  Freibiirg  i/B.  u. 
Tübingen,  Mohr,  1883.  —  DLZ  nr  4  (Hirzel).  Neue  evang.  kirchenztg.  nrll. 
Hll.  f.  litt,  unterh.  nr  29  (Buchner).     D.  litteraturbl.  vi  nr  46  (Gast).     [1030 

Scriver,  Gh.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  1  (HB eck).  [1031 

vSeckendorf,  L.  s.  [989. 

Seidler,  L.  s.  [40. 

Semler,  JS.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  111  (Tholuck  und 
Tzschirner).  [1032 

Sievers,  GLP.  s.  [454. 

vSonnesfels,  J.  :  Briefe  über  die  Wienerische  Schaubühne  1768  (Wiener  neudr.  7). 
Wien,  Konegen.  xix,  353.  8. —  DLZ  nr31.  Litt,  centralbl.  nr  36  (Creizenach). 
ßU.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).  [1033 

Der  Hans  Wurststreit  in  Wien  und  JvS.  von  drKvGörner.  Wien,  Konegen. 
v,  86.     8.  [1034 

Spaldisg,  JJ.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  455  (Hagenbach  und 
Wagenmann).  [1035 

23* 


330  BIBLIOGRAPHIE    II 

Spangenberg,  AG.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  460  (Becker).  [1036 
Beitr.  zur  lebensgesch.  AGSp.s  von  GGhKnapp  1792.  zum  1  male  hg.  von 
dr  OFrick.    Halle,  Waisenhaus,     xxii,  135.     8.  [1037 

Spee,  F.:  FSp.  von  dr  HCardauns  (Frankf.  zeitgemäfse  broschüren.  n.  f.  von 
dr  PHaffner  bd.  5  heft  4).  Frankfurt  a/M.,  Foesser  nachf.  31.  8.  [1038 
Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  479  (Palmer).  [1039 

Spener,  PhJ.:  PhJSp.  in  Chemnitz  von  KKirchner.  Mitteilungen  des  Vereins 
f.  Chemnitzer  gesch.  iv  (für  1882—83,  erschienen  1884).  [1040 

Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  500  (Tholuck  und  Wagen- 
mann).  [1041 

s.  auch  [53. 

vSpittler,  lt.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,540  (Henke  und 
Wagenmann).  [1042 

vStägemann,  FA. :  FAvSt.  in:  Aufsätze  zur  litt,  von  RWegener.  [1043 

Stapel,  E.  s.  [SSI. 

Starck,  JF.:  Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,  616  (HB  eck).  [1044 

Steffens,  H.:  HSt.  ein  lebensbild  von  past.  RPetersen.  aus  dem  dän.  von 
AMichelsen.  mit  lith.  portrait.  Gotha,  Perthes.  vii,419.  8.  —  Gegenwart 
nr  37  s.  175  (Geiger).  Theol.  litteraturztg.  nr23  (Ritschi).  Theol.  litteraturbl. 
sp.  419.     Neue  evang.  kirchenztg.  sp.  789.  [1045 

vStein,  ChAE.  :  Aus  den  tagen  nach  den  kämpfen  bei  Saalfeld  und  Jena,  von 
FvSt ein- Kochberg,  mit  dem  portrait  der  frau  vSt.  Aus  allen  zeiten  und 
landen  2,  1137.  [1046 

s.  auch  [348.  351. 

Stilling  s.  [598. 

Stobaeus,  J. :  JSt.  ein  mitglied  des  Königsberger  dichterkreises  von  LHFischer. 
Monatshefte  f.  musikgesch.  8  s.  89.  [1047 

Stolberg,  FL.  graf  zu:  Die  zukunft.  ein  bisher  ungedr.  gedieht  aus  den 
j.  1779 — 1782.  nach  der  einzigen  bisher  bekannt  gewordenen  hs.  hg.  von 
OHartwig.     Arch.  f.  litteraturgesch.  13,  82.  [1048 

Realencykl.  f.  prot.  theol.  und  kirche  14,752  (WBaur).  [1049 

*FL.  graf  zu  St.  und  JHVoss  ii  von  dr  OHelling  haus,  progr.  des  real- 
gymn.  zu  Münster  1883.  —  Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,  229 
(Hölscher).  [1050 

Brief  der  gräfin  Luise  Stolberg,  den  übertritt  FL.svSt.  zur  kath,  kirche 
betr.  mitgeteilt  von  SWaetzoldt.     Acad.  bll.  1,321.  [1051 

Stramtzky,  JA.:  *Der  Wiener  Hanswurst.  St.s  und  seiner  nachfolger  ausge- 
wählte Schriften  hg.  von  RM  W  e  r  n  e  r  1  bdchen  :  Lustige  reisebeschreibung  von 
jASt.  (Wiener  neudr.  6).  Wien,  Konegen ,  1883.  —  Litt,  centralbl.  nr  5. 
Acad.  bll.  1,  427  (Geiger).  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil.  nr  9  (Muncker). 
Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).    D.  litteraturbl.  vi  nr45  (Lösche).      [1052 

[Taubmanniana:]  Zur  schwanklitt,  von  ThRaehse.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12, 
314  f  [enthält  ein  excerpt  aus  der  schrift  Taubmanniana].  [1053 

Thilo,  V.  s.  [113. 

Tho.masius,  Ch.  s.  [677.  [1054 

Tilck,  L.  :  Werke,  bd.  1  Das  fest  zu  Kenelworth.  Dichterleben.  mit  einer 
einleitung  von  LHFischer  (Coli.  Spemann  bd,  68).  Stuttgart,  Spemann. 
250.    8.  [1055 

Die  gesellschaft  auf  dem  lande,  novelle  (Universalbibl.  nr  1881).  Leipzig, 
Reclam.     128.    16.  [1056 

Des  lebens  überfluss.  Musikalische  leiden  und  freuden.  zwei  novellen 
(Universalbibl.  nrl925).    Leipzig,  Reclam.     132.    16.  [1057 

briefe  s.  [lOßO. 

LT.  als  kriliker  von  HHeltner:  Kleine  Schriften,  nach  dessen  tode  hg. 
(Braunschwoig,  Vieweg)  s.  513.  [1058 

T.  als  novellendichter  von  JMinor.     Acad.  bll.  1,  129.  193.  [1059 

s.  auch  [12.  1013. 

TiTz,  JP.  s.  [113. 


BIBLIOGRAPHIE    II  331 

vÜECHTRiTz,  F.:  Erinnerungea  an  FvUe.  und  seine  zeit  in  briefen  von  ihm  und 
an  ilin.  mit  einem  vorwort  von  HvSybel.  hierzu  ein  porlrait  in  lichtdr., 
nach  einer  Zeichnung  von  CFLessing.  Leipzig,  Hirzel.  xxxvi,  419.  8.  [ent- 
hält ua.  briefe  LTiecliS.  briefe  von  FvUe.  an  seine  Schwester  als  einleitung 
zu  DTiecks  briefen.  briefe  DTiecks.  briefwechsei  mit  Immermann,  Varn- 
hagen  vEnse.     vgl.  auch  Goethe-jb.  6,  439].  [1060 

ÜHiAND,  L. :  Graf  Eberhard  der  rauschebart.  Des  sängers  fluch  (Volksbibl.  des 
Lahrer  hinkenden  boten  nr  86).     Lahr,  Schauenburg.     17.     8.  [1061 

Über  U.s  Der  gutekamerad  vgl.  S  t  eint  bei,  Zs.  f.  völkerpsych.l5,4T9.  [1062 
Zu  U.s  Klein  Roland  von  SLevy.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,481.  [1063 
Ernst  herzog  von  Schwaben,  nach  U.s  trauerspiel  bearb.  mit  13  denksprüchen 
(Erzählungen  aus  class.  dichtem  f.  alt  und  jung  von  KFAGeerling  xiiij. 
Köln,  Ahn.    43.     8.  [1064 

Altdeutsche  und  dialectische  anklänge  in  der  poesie  Lü.s  nebst  einem  Ver- 
zeichnis der  U.-litt.  eine  skizze  von  RFasold.  Arch.  f.  d.  Studium  d. 
neueren  spr.  72,  405.  [1065 

Die  deutsche  lyrik  [ua.  Uhland]  in  der  französischen  übersetzungslitt.  von 
OvLeyk.     .Arch.  f.  d.  Studium  d.  neueren  spr.  71,49.  [1066 

Erinnerungen  an  LU.  von  ASchöll:  Gesammelte  aufsätze  zur  class.  litt,  aller 
und  neuerer  zeit  s.  353.  [1067 

Varnhagen  vEnse,  KA.  s.  [40.  345.  1060. 

vVoiGTS,  J.  geb.  Moser  briefe  s.  [138. 

[Volksbücher:]  Zu  den  Volksbüchern  [Zeugnisse  aus  dem  17.  18jh.]  von  ABir- 
linger.     Alem.  12,  38.  [1068 

[Volkslieder:]  Zu  den  deutschen  Volksliedern  von  Abels,  Carstens, 
Schlüter,  Walther,  Winkler.  Korrespondenzbl.  des  Vereins  f.  nd. 
sprachforsch,  viii  82.  [1069 

Zu  Des  knaben  wunderhorn  von  ABirlinger  und  WCrecelius.  Alem. 
12,  59.  [1070 

Zwei  lieder:  Baierische  kirchenfahrt  und  Ein  Schweizer  Volkslied  von  der 
auferweckung  des  Lazarus  von  WCrecelius.     Alem.  12,114.  [1071 

Schwabenlied  von  WCrecelius.     Alem.  12,  177.  [1073 

Volkslieder  in  Baiern,  Tirol  und  land  Salzburg  gesammelt  von  AH  a  rtma  n  n. 
mit  vielen  melodien  nach  dem  volksmund  aufgezeichnet  von  HAbele.  bd.  1 
Volkstümliche  weihnachtlieder.  Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtel.  xviii,  256.  8. — 
DLZ  nr  27  (Schönbach).     Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Schlossar).  [1073 

Nachträge  zu  HofFmann  von  Fallersleben  Unsere  volkstümlichen  lieder.  3  aufl. 
(Leipzig,  Engelmann,  1869)  vonRHein.  3  folge.  Arch.  f.  litteraturgesch. 
12,  371.  [1074 

Deutsche  Volkslieder  aus  Kärnthen.  gesammelt  und  ausgewählt  von  EHerr- 
mann  und  VPogatsch  n  igg.  salon-ausg.  Graz,  Leykam.  xii,  280.  — 
DLZ  nr  51  (Roediger).  "  [1075 

*  Volkslieder  aus  dem  erzgebirge.  gesammelt  und  hg.  von  AMüller.  Anna- 
berg, Graser,  1883.  —  DLZ  nr  9  (Schmidt).  [1076 
Elsässische  Volkslieder,  gesammelt  und  hg.  von  CMündel.  Strafsburg, 
Trübner.  xv,  302.  8.  —  Gegenwart  nr  2  (Schricker).  DLZ  nr  13  (.Martin). 
Alem.  12,  180  (Crecelius).  Magazin  f.  d.  litt.  d.  in-  und  ausl.  nr  30  (Frev- 
tag). [1077 
Weihnachts-,  neujahrs-,  und  dreikönigslieder  aus  dem  Oberelsass.  gesammelt 
und  hg.  von  Hl^  fa  n  n  enschmid.  aus:  Revue  nouvelle  d'Alsace-Lorraine. 
Colmar,  Barth.  [1078 
Zu  HofFmanns  von  Fallersleben  Liedern  der  landsknechte  von  RSprenger. 
Acad.  bil.  1,  168.                                                                                          [1079 

*  Metrische  Studien  über  das  deutsche  Volkslied  von  EStolte.  jahresber. 
über  das  realgymn.  zu  Crefeld  1883.  —  Litleraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil. 
nr  12  (Paul).  [1080 
""Schweizerische  Volkslieder,  mit  einleitung  und  anm.  hg.  von  LTobler. 
^Bibl.  älterer  Schriftwerke  der  deutschen  Schweiz  bd.  4).    Frauenfeld,  Huber, 


332  BIBLIOGRAPHIE   11 

1882.  —  Litteraturbl.  f.  germ.  u.  rom.  phil,  nr  7  (Boos).  Bll.  f.  litt,  unterh. 
nr  36  (Schlossar).  [1081 

dasselbe,  zweiter  bd.  (Bibl.  etc.  bd.  5).  ebenda,  xvi,  264.  8.  —  Bll.  f. 
litt,  unterh.  nr  52  (Schlossar).     AZ  nr  333 B.  (Fischer).  [1082 

[Volkslieder:]  Dielieder  der  landsknechte  und  die  Soldatenlieder  von  WT  eis  eher. 
Prag,  Deulschervereinzurverbreilunggemeinnützigerkenntnisse.  26.  8.  [1083 
Chansons  populaires  de  l'Alsace  avec  airs  notes  par  JßW  eckerlin.  2  vis. 
(forment  les  tomes  xvii  et  xviii  des  Litteratures  populaires  de  toutes  les  iia- 
tions).     Paris,  Maisonneuve  &  cie.  [1084 

Der  deutsche  kaiser  im  Volkslied  und  Sprichwort  [nach  RvLiliencrons  Hist. 
Tolksliedern]  von  EWezel.     Nationalztg.  nr  160.  166.  [1085 

Deutsche  Soldaten-  und  kriegslieder  aus  5jhh.  (1386 — ISTl)  gesammelt  und 
hg.  von  HZiegler.  Leipzig,  Breitkopf  u.  Härtel.  2  bll.,  xvi,  424.  8.  — 
Litt,  centralbl.  nr  47.  Die  post  nr  317  beil.  Grenzboten  nr  48.  Gegenwart 
nr  51  s.  402.  DLZ  nr  51  (Roediger).  Sonntagsbeil,  zur  Voss.  zig.  nr  50 
(Pröhle).  [1086 

iid.  liederbuch.  alte  und  neue  plattdeutsche  lieder  und  reime  mit  sing- 
weisen, hg.  von  milgliedern  des  Vereins  f.  nd.  sprachforscb.  Hamburg  u. 
Leipzig,  Voss,  viii,  115.  8.  —  DLZ  nr  51  (Roediger).  Korrespondenzbl. 
des  Vereins  f.  nd.  sprachforsch.  l\  77.  [1087 

Voss,  E.:  Ein  fragmentarischer  beitr.  zur  deutschen  litteraturgesch.  [aus  biiefei» 
und  aufzeichnungen  der  Ernestine  V.,  der  gattin  von  HVoss]  vonGHardter. 
Sonntagsbl.  des  Bund  nrl3  s.  lol.  [1088 

Zwei  briefe  von  Ernestine  V.  mitgeteilt  von  PHasse.  Zs.  der  gesellsch. 
f.  schleswig-holstein-lauenburgische  gesch.  bd.  13.  [1089 

*  Briefe  von  EV.  an  RAbeken.  mit  erläuternden  anm.  hg.  von  prof.  dr  FPol  le. 
2  hälfte.  progr.  des  Vitztliumschen  gymn.  zu  Dresden  1883.  —  Arch.  f. 
d.  Studium  d.  neueren  spr.  71.  232  (Hölscher).  [1090 

s.  auch  [62.  347. 

Voss,  .IH.:  Der  70  geburtstag  (Volksbibl.  des  Lahrer  hinkenden  boten  nr  60). 
Lahr,  Schauenburg.    12.    8.  [1091 

*Die  V.sche  Übersetzung  des  Homer,  festrede  gehalten  in  der  aula  des  gymn. 
am  hunderijälirigen  gedenktage  der  ankunft  JHV.s  in  Eutin  von  dr  FH  c  ufsn  er. 
Eulin,  Struve,  1S82.  —  Zs.  f.  d.  österr.  gymn.  35,123  (Sauer).  [1092 

Zu  V.ens  Luise  von  OBe  ha  g  h  el.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  480.  [1093 
Zu  Arch.  12,480  von  RKöhler.  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  641.  [1094 
Aeslhetische  erläuterungen  zu  V.ens  Luise  vom  standpuncte  des  sclmlunter- 
ricbls  von  FUrbanski.  progr.  des  gymn.  in  Zloczow.  56.  8.  —  Gymn. 
nr  14  (Saliger).  [1095 

briefe  s.  [62.347.841. 

*JHV.  als  Schulmann  in  Eulin.  festschrift  zum  hundertjährigen  gedenktage 
seiner  ankunft  daselbst  von  drFHeufsner.  Eutin,  Struve,  1882.  —  Zs.  f. 
d.  österr.  gymn.  35,  123  (Sauer).  [1096 

s.  auch  [645.  1050.  1106. 

Wagner,  HL.:  *  IMe  kindermördcrin  ein  Irauerspicl  nebst  scenen  aus  den  be- 
arbeitungen  KGLessings  und  W.s  (DLD  13).  Heilbronn,  Henninger,  1883.  — 
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s.  auch  [60. 

Weisse,  ChF. :  *Lessings  Jugendfreunde.  ChFW. ,  .IFvCronegk,  JWvBrawe, 
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ChEvHouwald]  von  JMinor.  Frankfurt  a/M.,  Litt,  anstalt  (Rütten  u.  Lö- 
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einem  allegorischen  gemälde,  vom  5  mal  1800].  [1107 

*Horazens  Satiren  und  Episteln  aus  dem  lateinischen  übersetzt  2  teil:  Ho- 
razens  Briefe.  Breslau,  Leuckart  (Albert  Clar),  1883.  —  Anz.  x  303 
(Seuffert).  [1108 

Philos.  aufsätze  (Volksbibl.  f.  kunst  u.  wissensch.  hg.  von  RBergner  nr  9). 
Leipzig,  Brückner.     83.     12.  [1109 

Aus  Wielands  Jugend  [zwei  briefe  W.s  an  Obereit  und  Steinbrüche!],  von 
RMWerner.     Acad.  bll.  1,  502.  [1110 

s.  auch  [989. 

Julie  Boiideli  und  W.  drama  in  4  acten  mit  einem  Vorspiel  von  MBach- 
Gelpke.     Bern,  Nydegger  u.  Baumgart.     32.     8.  [1111 

*W.s  publicistische  lätigkeit  von  HBöhnke.  progr.  des  grofsherzogl.  gymn. 
zu  Oldenburg  1883.  —  Anz.  x  189  (Seuffert).  Arch.  f.  d.  Studium  d. 
neueren  spr.  7t,  228  (Hölscher).  [1112 

*Beitr.  zur  W.biogr.  aus  ungedruckten  papieren  von  HF  u  n  c  k.  Frei- 
büTs  i/B.  u.  Tübingen,  Mohr,  1882.  —  Arch.  f.  litteraturgesch.  12,  595 
(Seuffert).  [1113 

Ein  anecdoton  W.s  von  HFunck.     AZ  nr  131  B.  [1114 

W.  und  Nicolai  von  RMWerner.     Acad.  bll.   1,267.  [1115 

s.  auch  [30. 

♦Wiener  freunde  1784  —  1808  [44  briefe  von  IvBorn  (3),  Alxinger(14),  GvLeon 
(11)  und  LLHaschka  (16)  an  KLReinhold].  beitr.  zur  jugendgesch.  der 
deutsch -österr.  litt,  von  RK  e  i  1  (Beitr.  zur  gesch.  der  deutschen  litt, 
und  des  geistigen  lebens  in  Österreich  2).  Wien,  Konegen,  1883.  —  D. 
litteraturbl.  vi  nr  45  (Lösche).  Echo  nr  87.  Neue  freie  presse,  25  juli 
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rom.  phil.  nr  9  (Muncker).  Acad.  bll.  1,  557  und  Zs.  f.  d.  gebildete  weit  v  5 
(Geiger).     Bll.  f.  litt,  unterh.  nr  52  (Boxberger).  [1116 

WiLKAW  (Wilkow),  Gh.  s.  [113. 

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in  sorgfältiger  auswahl.  mit  biographisch -kritischen  einleitungen  hg.  von 
RWeber.    4  und  5  bdchen).     Aarau,  Sauerländer.     80.  80.     8.  [1121 

s.  auch  [746. 

vZiNZENDORF,  NL.  graf:  Zur  jugendgesch.  Z.s  von  GKramer.  Kirchl.  monats- 
schrift  ni  12.  iv  1.  [1122 

ZscHOKKE,  H.:  Der  zerbrochene  krug.  humoristische  novelle  (Volksbibi.  des 
Lahrer  hinkenden  boten  nr  23).     Lahr,  Schauenburg.     24.     8.  [1123 

Bll.  aus  dem  tagebuch  des  armen  pfarrvicars  von  Wiltshire.  novelle  (ebenda 
nr66— 70).    44.    8.  [1124 

Das  abenteuer  der  neujahrsnacht.  humoristische  novelle  (ebenda  nr  87 — 92). 
61.     8.  [1125 

Jonathan  Frock.     novelle  (ebenda  nr  115—121).     79.     8.  [1126 

Das  blaue  wunder,  humoristische  novelle  (ebenda  nrl44— 146).  31.  8.  [1127 
HZsch.,  ein  lebenshild  von  prof.  dr  FBaebler,  separatabdr.  aus:  Vom  Jura 
zum  Schwarzwaid.     Aarau,  Sauerländer.     38.     8.  [1128 

HZch.-aussteilung  zu  ehren  der  Jahresversammlung  der  Schweiz,  gemein- 
nützigen gesellsch.  in  Aarau  1884.  katalog  von  RS a uerländer.  Aarau, 
Sauerländer.     31.     8.  [1129 


BERICHTIGüiNG. 

Oben  s.  192  letzte  zeile  lies:    MRoediger,  statt:    WScherer. 


Notizen. 


An  der  Universität  Halle  hat  sich  hr  dr  HCollitz  als  privat- 
dozent  für  vgl.  Sprachwissenschaft  habilitiert. 

Zu  den  Zs.  29,  354  mitgeteilten  dreikönigsversen  bietet 
mehrere  parallelen  ein  aiifsalz  Zapperls  in  den  VVSB  21  (1856), 
343  f.  die  gleiche  abhandlung  bringt  s.  357  ein  Schlummerlied; 
ich  erwähne  dasselbe  hier,  weil  es  möglicher,  sogar  wahrschein- 
licher weise  den  ersten  anstofs  zu  der  bekannten  ahd.  fälschung 
gegeben  hat.  Schönbach. 


Druolc  von  J.  B.  HirschfL'ld  ia  Loipzig- 


^QQ-i  Zeitschrift  für  deutsches 

^^■>  Altertum  und  deutsche 

f-'         Literatur 


Bd. 29 


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