Uranmunition ist "eine Art Kernwaffe" - Moskau dreht am Propagandarad

Grossbritannien liefert mit den Challenger-Panzern auch panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran an die Ukraine.
Grossbritannien liefert mit den Challenger-Panzern auch panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran an die Ukraine. Copyright Gertrud Zach/Public Domain (7th Army Training Command)
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Grossbritannien liefert mit den Challenger-Panzern auch panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran an die Ukraine. Moskau beschuldigt London, "Waffen mit einer nuklearen Komponente" zu verbreiten.

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Grossbritannien liefert mit den Challenger-Panzern auch panzerbrechende Munition mit abgereichertem Uran an die Ukraine. Moskau beschuldigt London, "Waffen mit einer nuklearen Komponente" zu verbreiten. Nach internationalem Recht fällt abgereichertes Uran allerdings nicht unter die Verträge zur Nichtverbreitung von Kernwaffen.

_"Panzergeschosse mit abgereichertem Uran gelten nicht als Kernwaffen, sie haben keine nukleare Komponente. Daher fallen sie nicht unter die Verträge über die Nichtverbreitung von Kernwaffen. Sie würden den gleichen Exportkontrollbeschränkungen unterliegen wie jede andere konventionelle Munition. Die russische Behauptung, es handele sich dabei um Weitergabe einer "nuklearen Fähigkeit", ist also falsch."
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John Erath, Senior Policy Director, Zentrum für Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung

Der Kreml dürfte sich dessen durchaus bewusst sein, zumal auch Russland Geschosse mit abgereichertem Uran einsetzt. Moskau nutze Falschinformationen, um eine "nuklearen Bedrohung" zu konstruieren.

"Rußland sagt, wenn man etwas einsetzt, das man mit Atomwaffen in Verbindung bringen könnte, erhöht das die Wahrscheinlichkeit, daß wir, Rußland, eine Atomwaffe einsetzen. Das ist ein Muster fast seit Beginn des Krieges: Drohungen, dass eine weitere Unterstützung der Ukraine durch den Westen zum Einsatz von Atomwaffen führen könnten."

John Erath, Senior Policy Director, Zentrum für Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung

Allerdings bergen solche Geschosse eine spezielle Gefahr: Wird eine Panzerung durchschlagen, verwandelt sich der Urankern in feinen Uranoxid-Staub. Wird der eingeatmet, kann das schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. Moskaus Behauptung dürfte aber eher dazu dienen, westliche Sorgen vor einem russsichen Atomwaffeneinsatz zu befeuern.

Was ist abgereichertes Uran?

Das Isotop U-235 wird aus natürlichem Uranerz extrahiert und sowohl als Brennstoff für Reaktoren als auch für Atomwaffen verwendet. Dieser Prozess wird als Anreicherung bezeichnet. Der Gehalt des "nützlichen" Isotops im Erz ist jedoch unbedeutend - etwa 10 %. Die restlichen 90 % des Isotops enthalten vernachlässigbare Mengen an U-235, die hauptsächlich aus dem schwach radioaktiven U-238 bestehen. Dies ist abgereichertes Uran - man kann es auch als Abfall aus dem Anreicherungsprozess bezeichnen.

Warum wird abgereichertes Uran in Geschossen verwendet?

Abgereichertes Uran hat eine sehr hohe Dichte. Das bedeutet, dass es viel schwerer ist als z. B. Stahlgeschosse derselben Größe. Die Energie, mit der es eine Panzerung durchdringt, ist daher sehr hoch.

Abgereichertes Uran explodiert nicht, aber es ist pyrophor - kleine Fragmente, die eine Panzerung durchdringen können, lassen sich leicht entzünden, so dass ein Projektil aus diesem Material ein panzerbrechendes Brandmaterial ist. Da es sich bei diesem Material um Abfälle aus der Urananreicherung handelt, ist es relativ billig und in Ländern mit einer entwickelten Atomindustrie in großen Mengen verfügbar.

Wo wurden Geschosse mit abgereichertem Uran bisher eingesetzt?

Seit den frühen 1970er Jahren suchte das US-Militär nach Mitteln, um der neuen Generation sowjetischer Panzer etwas entgegenzusetzen. Die USA verzichteten praktisch auf die Verwendung anderer Metalle für panzerbrechende Kerne: Abgereichertes Uran wird nicht nur in Panzergeschossen, sondern auch in Hochgeschwindigkeitskanonen kleineren Kalibers - 25-30 mm - verwendet, die auf Schützenpanzern und Kampfflugzeugen eingesetzt werden.

In den 80er und 90er Jahren wurde solche Munition auch in die Rüstung anderer Länder aufgenommen, darunter Großbritannien und die damalige UdSSR.

Die USA setzten sie erstmals während der Operation Wüstensturm im Jahr 1991 ein. Nach Angaben des Pentagons feuerten amerikanische und britische Panzer mehrere Tausend solcher Geschosse ab, und ihre Flugzeuge schossen Hunderttausende ab.

Das Pentagon räumte ein, dass solche Geschosse anschließend im ehemaligen Jugoslawien, im Irak und in Syrien eingesetzt wurden.

Ist die Lieferung von britischen Granaten an die Ukraine legal?

Abgereichertes Uran unterliegt nicht den Regeln der Nichtverbreitung von Kernwaffen. Aus völkerrechtlicher Sicht unterscheidet sich diese Munition daher nicht von anderer. Auch gibt es keine Abkommen, die die Lieferung solcher Munition speziell regeln würde.

Proteste Moskaus sind nach Ansicht westlicher Experten deshalb unbegründet, zumal russische Panzer mindestens seit Anfang der 80er Jahre auch Geschosse mit abgereichertem Uran mitführen.

Ist abgereichertes Uran gefährlich?

Abgereichertes Uran ist etwa 40 % weniger radioaktiv als Uranerz, ganz zu schweigen von angereichertem U-235. Außerdem ist der Kern in Panzergeschossen durch einen Treibspiegel und eine Verkleidung abgedeckt. Vor dem Abschuss, so behauptet das Militär, sind solche Geschosse sicher, solange die grundlegendsten Sicherheitsregeln eingehalten werden: Schwache Strahlung kann Haut und Kleidung nicht durchdringen.

Wenn ein Urankern aber eine Panzerung durchdringt, entsteht eine Wolke aus winzigen Splittern, die eigentlich Staub sind. Dieser radioaktive und giftige Staub - der zu einem großen Teil aus Uranoxiden besteht - stellt eine Gefahr sowohl für die Besatzung des betroffenen Fahrzeugs dar, da der Staub in die Lunge und den Verdauungstrakt gelangen kann, als auch für die Zivilbevölkerung, da er in den Boden und ins Wasser gelangen kann.

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Die ersten Studien über die Gefahren von Uranstaub entstanden Mitte der 1990er Jahre nach der Operation Wüstensturm, bei dem diese Munition zum ersten Mal und in großen Mengen eingesetzt wurde.

Eine Reihe von Organisationen fordert seit Anfang der 2000er Jahre ein Verbot oder eine Einschränkung des Einsatzes von Uranmunition. Nach Ansicht der Aktivisten wird zwar manchmal über die Gesundheit der Soldaten diskutiert, aber die möglichen langfristigen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung - zum Beispiel im Irak, wo solche Geschosse in zwei Kriegen - 1991 und seit 2003 - in großen Mengen eingesetzt wurden - stehen völlig außer Frage.

Befürworter der Munition argumentieren, 14 britische Challenger und ein paar Dutzend Geschosse könnten in der Ukraine keinen grossen Schaden anrichten: 

"Die Schlachtfelder werden ohnehin kontaminiert sein und verheerende Umweltfolgen haben", so Erath. "Was die Munition mit abgereichertem Uran hinzufügen würde, wäre minimal. Die Umweltprobleme, die durch einen Krieg entstehen, sind so extrem, dass man sich damit befassen sollte."

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