Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871: Dritte Abteilung: Die auswärtige Politik Preußens und des Norddeutschen Bundes vom Prager Frieden bis zur Begründung des Reiches und zum Friedensschluß mit Frankreich. Band XI/XII der Gesamtreihe. Februar 1869 bis März 1871 [1 ed.] 9783428588909, 9783428188901

Dieser Doppelband schließt nach 90 Jahren die Lücke, die seit 1945 für den Abschluss der Edition der »Auswärtigen Politi

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Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871: Dritte Abteilung: Die auswärtige Politik Preußens und des Norddeutschen Bundes vom Prager Frieden bis zur Begründung des Reiches und zum Friedensschluß mit Frankreich. Band XI/XII der Gesamtreihe. Februar 1869 bis März 1871 [1 ed.]
 9783428588909, 9783428188901

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Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Band 58

Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871 Dritte Abteilung: Die auswärtige Politik Preußens und des Norddeutschen Bundes vom Prager Frieden bis zur Begründung des Reiches und zum Friedensschluß mit Frankreich Band XI/XII der Gesamtreihe

Februar 1869 bis März 1871 Herausgegeben und bearbeitet von

Winfried Baumgart

Duncker & Humblot · Berlin

Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871

Quellen und Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte Begründet von Johannes Kunisch, fortgeführt von Wolfgang Neugebauer Herausgegeben im Auftrag der Preußischen Historischen Kommission, Berlin von Prof. Dr. Hans-Christof Kraus und Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll

Band 58

Die auswärtige Politik Preußens 1858–1871 Dritte Abteilung: Die auswärtige Politik Preußens und des Norddeutschen Bundes vom Prager Frieden bis zur Begründung des Reiches und zum Friedensschluß mit Frankreich Band XI/XII der Gesamtreihe

Februar 1869 bis März 1871 Herausgegeben und bearbeitet von

Winfried Baumgart

Duncker & Humblot · Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI Books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0943-8629 ISBN 978-3-428-18890-1 (Print) ISBN 978-3-428-58890-9 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Mit diesem Doppelband wird nach neunzig Jahren die Lücke geschlossen, die bislang noch seit 1945 für den Abschluß der Edition der „Auswärtigen Politik Preußens“ bestanden hat. Damals waren noch zwei umfangreiche Bände für die zwei Jahre vom Februar 1869 bis zum Februar 1871 vorgesehen. Nachdem in der Zwischenzeit in zahlreichen anderen Quellenwerken Material zur Vorgeschichte des Deutsch-Französischen Kriegs erschienen ist, konnten hier die fehlenden Bände 11–12 der APP in einem Band zusammengefaßt werden. Nach dem Ersten Weltkrieg haben zunächst alle am Krieg beteiligten Großmächte Akten zur Vorgeschichte des Weltendramas veröffentlicht. Die deutsche Seite hat in wenigen Jahren 54 Bände für die unmittelbaren und weiter zurückliegenden Jahre der deutschen Außenpolitik herausgegeben („Die Große Politik der Europäischen Kabinette“). Dadurch wurde die erregte Diskussion um die Kriegsschuld für 1914 in sachlichere Bahnen gelenkt. Die anderen Mächte versuchten dem deutschen Vorbild nachzueifern. Nur der französischen Seite gelang in den 1930er Jahren ein ähnlich großer Wurf mit 43 Bänden für dieselben Jahre von 1871 bis 1914. Die englische und die russische Geschichtswissenschaft haben zwar ähnliche Anstrengungen unternommen, aber nur ein schmaleres oder unvollständiges Quellencorpus zustande gebracht. Das Bedürfnis, die große Frage nach der Kriegsschuld für 1914 mit Quellen möglichst umfassend zu belegen, führte zu dem Vorhaben, auch die unmittelbare Entstehungsgeschichte des Deutschen Reiches 1870/71 anhand der amtlichen Akten zu dokumentieren. Hier oblag es den beiden Kontrahenten Frankreich und Deutschland, ihr umfangreiches Quellenmaterial zu sichten und zu publizieren. Diesmal war Frankreich vorausgegangen und hatte mit der Veröffentlichung schon vor dem Ersten Weltkrieg begonnen; in 23 Jahren (zwischen 1910 und 1932) wurden 29 Bände herausgegeben, welche die französische Außenpolitik zwischen 1863 und 1870 abdeckten („Les origines diplomatiques de la guerre de 1870–1871“). In Deutschland übernahm diese Aufgabe erst die 1928 unter dem Vorsitz von Friedrich Meinecke gegründete Historische Reichskommission. Sie sollte die preußische Außenpolitik unter König Wilhelm I. und Bismarck von 1858 bis Anfang 1871 dokumentieren. Der erste Band erschien schon 1932; der letzte Band (Teilband 2,2) konnte noch 1945 herausgebracht werden. Die noch fehlenden Bände 7 (für 1866) und die Schlußbände 11 und 12 dürften 1945 weit fortgeschritten gewesen V

Vorwort

sein, fielen aber den Bombennächten des Zweiten Weltkriegs zum Opfer. Die drei Bearbeiter der Quellensammlung hatten sich die große Mühe gemacht, neben den preußischen Amtsakten auch die entsprechenden Quellen zur Außenpolitik der anderen Großmächte (vor allem Englands und Rußlands) mit einzubeziehen. Dadurch verzögerte sich ihre Arbeit, da die Bearbeiter in den entsprechenden nichtdeutschen Archiven recherchieren mußten. Band 7 konnte vom Bearbeiter des jetzigen Abschlußbands 2008 herausgegeben werden; damit war die empfindliche Lücke für die unmittelbare Vorgeschichte und Geschichte des Preußisch-Österreichischen Krieges von 1866 geschlossen. Nun ist das gesamte Opus zu guter Letzt zu Ende geführt worden. Die Struktur des vorliegenden Doppelbandes mußte anders als in den vor Jahrzehnten erschienenen Bänden gestaltet werden. Schon seinerzeit gab es mit dem Parallelwerk der „Gesammelten Werke“ (GW) Bismarcks das Problem der Abgrenzung. Es wurde in den etwa gleichzeitig bearbeiteten und erscheinenden Bänden der Bismarck-Edition und der APP derart gelöst, daß in der Regel die APP schon erschienene Bismarckiana in Form von zusammenfassenden Regesten übernahm, ohne sie also noch einmal in vollem Wortlaut abzudrucken. Das Problem ergibt sich in weit höherem Maße für den vorliegenden Doppelband. In denkbar umfassender Form deckt Band 6b von Bismarcks GW die Jahre 1869/71 ab. Hier konnte also kräftig regestiert werden. Viele weitere Quellen für diese zwei Jahre sind in Form von Akten­ editionen und Quellenausgaben der damals handelnden deutschen und nichtdeutschen Politiker erschienen. Deshalb konnten hier knapp zwei Drittel der wiedergegebenen Stücke als Regesten einbezogen werden; nur ein gewisser Teil ist also zum ersten Mal veröffentlicht. Dem Umfang nach nimmt er allerdings einen größeren Raum ein. Bei jeder wissenschaftlichen Behandlung der Außenpolitik Bismarcks müssen also die Regestquellen (und am besten über den Rückgriff auf den vollen Wortlaut) mit den hier erstmals publizierten Akten zusammen benutzt werden. Die Bismarck-Edition enthält naturgemäß nur Quellen, die von Bismarck selbst zu Papier gebracht worden sind. Preußische Außenpolitik wurde aber nicht von ihm allein gestaltet, sondern ist nur durch Einbeziehen der Berichte der diplomatischen Vertreter im Ausland und in der Spiegelung der nichtdeutschen Akteure zusammengenommen möglichst umfassend zu analysieren und zu verstehen. Von den großen parallelen nichtpreußischen Akteneditionen sind dabei in erster Linie die französischen „Origines diplomatiques de la guerre de 1870–1871“ und die italienischen „Documenti Diplomatici Italiani“ (DDI) zu nennen. Für die spanische Hohenzollernkandidatur 1870 steht nun auch die umfangreiche dreibändige Quellensammlung, die Josef Becker herausgegeben hat („Bismarcks spanische ‚Diversion‘ 1870“), zur Verfügung. Aus ihr wurden ebenfalls zahlreiche Nummern in regestierter Form übernommen.

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Vorwort

Zur Vervollständigung des Bandes werden in den Dokumentenköpfen weitere Quellen durch Verweis auf einschlägige Editionen mit bloßen Seitenzahlen erfaßt, so daß sich die Zahl der zu verwendenden Quellen um ein Viel­ faches erhöht. Das Quellenverzeichnis am Schluß gibt Auskunft über die weiteren Werke, die für die Zwecke des vorliegenden Doppelbandes ausgewertet werden konnten. – Der nun vorliegende Band 11/12 der APP, der nach langer Unterbrechung das Quellenwerk abschließt, ist also zugleich Edition, Regestenwerk und Kompendium für die preußische Außenpolitik vom Februar 1869 bis März 1871. * Zu den editorischen Grundsätzen sei noch folgendes bemerkt. 1. Die Orthographie bleibt unangetastet. Dabei ist in Kauf zu nehmen, daß sie damals nicht normiert war, sogar bei einem und demselben Schreiber unterschiedlich ausfallen kann. 2. Die Interpunktion wurde nach den Regeln der 19./20. Auflage des Dudens von 1986/91 vereinheitlicht, um eine bessere Lesbarkeit zu gewährleisten. In den Originalen herrscht in dieser Hinsicht mitunter Regellosigkeit. 3. Der Anmerkungsapparat erläutert Sachfragen und Personennamen. Er nimmt die wichtigste einschlägige Forschung auf; deshalb wird in der Einleitung auf Hinweise zum Forschungsstand verzichtet. Die vollständigen Titel finden sich im Quellen- und Literaturverzeichnis am Ende des Bandes. Bezugnahmen von einer Quelle zu einer anderen (das ist bei den amtlichen Akten häufig der Fall) werden in den Anmerkungen nur vermerkt, wenn die bezugnehmenden und die bezuggenommenen Quellen hier aufgenommen sind; sonst unterbleibt der Hinweis. 4. Die Regesten haben nur einen reduzierten Anmerkungsapparat. Äußerungen des Autors einer regestierten Quellen werden in der Regel im Indikativ wiedergegeben. Stammen sie von einer anderen Person, gelten die üblichen Regeln des Konjunktivs. Diese Unterscheidung ist wichtig, um Äußerungen richtig zuzuordnen.

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Danksagung Dem Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes, Berlin, danke ich für die große Leistung, daß alle für diesen Band in Frage kommenden Akten digital am häuslichen Schreibtisch zur Verfügung standen. Das bedeutete eine ungeheure Arbeitserleichterung, da rund um die Uhr Akten eingesehen werden konnten. Technische Probleme wie Kappung der Verbindung mit dem Archiv wiegen dagegen leicht, zumal sie nach einiger Übung rasch überwunden werden konnten. – Herrn Wolfgang Elz, Gönnheim, danke ich wie stets für die kritische Durchsicht der Einleitung; Frau Heike Frank vom Verlag für die kompetente redaktionelle Bearbeitung. Mainz, Juli 2022

VIII

Winfried Baumgart

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Verzeichnis der weniger gebräuchlichen Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 Dokumentenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 Verzeichnis der Quellen und der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 590 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 602

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Einleitung Aus der Fülle der in dieser Edition zusammengestellten Quellen sollen im folgenden nur die allerwichtigsten Aspekte herausgegriffen und skizziert werden.

1. Die Entstehung des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/71 Die Spanne zwischen dem Prager Frieden vom 23. August 1866, der den Deutsch-Österreichischen Krieg beendete, und dem Ausbruch des DeutschFranzösischen Krieges im Juli 1870 ist nicht nur im Nachhinein, sondern auch schon von der damaligen Mitwelt als Waffenstillstand betrachtet worden. Der Krieg von 1866 hat zwar die Deutsche Frage, die seit den Kriegen Friedrichs d.Gr. schwelte, gelöst, dafür aber den Status Preußens als eine der fünf europäischen Großmächte derart erhöht, daß Frankreich, das seit dem Ende des Krimkriegs als die olympische europäische Kontinentalmacht galt, seine Vormachtstellung in Frage gestellt sah. Das französische Nationalgefühl war durch den preußischen Sieg von Königgrätz tief getroffen und gedemütigt („revanche pour Sadowa“). Umgekehrt war das preußische Machtbewußtsein, das sich besonders in der Person Bismarcks manifestierte, gewaltig gestiegen. In Preußen und in den anderen deutschen Staaten wetteiferte dieses Nationalbewußtsein mit dem Partikularismus, der aufgrund der besonderen deutschen Geschichte noch stark ausgeprägt war. Die Bildung des Norddeutschen Bundes, mit Preußen als unbestrittener Führungsmacht, wurde vielfach nur als Zwischenetappe zum Endziel, der Einigung ganz Deutschlands, angesehen. Der Versuch, dem neuen Norddeutschland einen süddeutschen Staatenbund entgegenzusetzen, der sich an Österreich anlehnte und mit der Protektion Frankreichs rechnete, war 1869, dem Anfangspunkt dieser Quellensammlung, im Grunde bereits gescheitert. Bismarck, der Kanzler des Norddeutschen Bundes, ließ sich durch den deutschen Einigungsstrom nicht fortreißen. Er verstand es, ihn mit Geduld und Berechnung zu leiten und zu kanalisieren. Ohne Zweifel scheute er nicht den Krieg, um damit die Reichseinigung herbeizuführen. Genau so wenig scheuten ihn Kaiser Napoleon III. und seine politische und militärische Führung, um Preußens Status herabzudrücken. Der Krieg zwischen Preußen und Frankreich wurde allgemein erwartet und als Ultima ratio auf beiden Seiten 1

Einleitung

ohne weiteres einkalkuliert. Das belegen die hier zusammengestellten Quellen immer wieder. Was Bismarck anbelangt, so wurden in der früheren Forschung Äußerungen überbetont, die zeigen sollten, daß er nur in unbestimmter Zukunft mit dem Zusammenschluß Nord- und Süddeutschlands rechnete. Dem ungeduldigen Gesandten Freiherrn von Werthern schrieb er einmal Ende Februar 1869, daß das gewaltsame Herbeiführen der deutschen Einheit „ein Abschlagen unreifer Früchte bedeute“1. „Wir können die Uhren vorstellen, die Zeit geht aber deshalb nicht rascher.“ Das ist zwar ein schönes Bild, trifft aber den Kern seiner politischen Berechnungen keineswegs. Immerhin spielte Bismarck gern mit diesem Bild, um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Dem französischen Botschafter Benedetti vertraute er einmal: Die deutsche Einheit sei eine Aufgabe, welche die künftige Generation lösen müsse2. Das war natürlich ein Argument ad hominem. Der an der preußisch-französischen Spannung weniger beteiligte italienische Gesandte de Launay schrieb im April 1869: Eine Verschmelzung Süddeutschlands und Norddeutschlands sei derzeit nicht in Sicht. Der Großherzog Friedrich von Baden dränge zwar zur Vereinigung, doch Bayern wolle im Süden dieselbe Position einnehmen wie Preußen im Norden; Generalstabschef Moltke sei gegen die Vereinigung, weil im Kriegsfall der Süden keine Kraftquelle sei, sondern des Schutzes durch den Norden bedürfe. Derselbe Gesandte hielt im Januar 1870 aus einem Privatgespräch mit Bismarck fest, daß nach dessen Meinung die Zeit allein für die Einheitsbewegung in Deutschland sorge3: „Wenn unsere Brüder im Süden uns ernsthaft die Hand reichen wollen, werden wir sie nicht ausschlagen, auch wenn daraus ein Krieg mit dem Ausland hervorgehen sollte.“ Hieraus geht also hervor, daß Bismarck mit dem Krieg rechnete, sobald die sogenannte „Mainlinie“ überschritten würde. Wichtig ist sodann der Zusatz im Gespräch mit de Launay: Der Norddeutsche Bund verfüge über eine Million Kämpfer. Dieses Wort von der Gewißheit, der Norden sei Frankreich bei einem Kräftemessen überlegen, geht mehrfach aus den Quellen hervor. Nur wenige Belege seien hier angeführt. Dem Großherzog Friedrich von Baden nannte Bismarck im Frühjahr 1869 sogar genaue Zahlen4: Im Kriegsfall verfüge Deutschland über folgende Truppen: 80.000 zum Schutz der Ost- und Nordsee; 40.000 an der Grenze zu Österreich, das von Rußland in Schach gehalten werde; 100.000 aus den neuen norddeutschen Provinzen; die 13 norddeutschen Armeekorps seien den französischen Truppen, die am Rhein aufmar1  Nr. 6*.

2  Nr. 40*. – 3  Nr. 191*. 4  Nr. 51*.

2

Das folgende Zitat in Nr. 61*.

Einleitung

schieren könnten, um 200.000 überlegen. In der Bewaffnung verfüge Preußen über drei Mio. Zündnadelgewehre, während Frankreich eine Mio. ChassepotGewehre habe. Es liegt auf der Hand, daß Bismarck diese Zahl aus militärischen Quellen haben mußte. Von militärischer Seite gibt es über die Schlagkraft der preußischen Armee das folgende sprechende Zeugnis, das vom preußischen Militärattaché in Paris, dem Grafen Waldersee, stammt5: Bei Beginn einer plötzlichen gleichzeitigen Mobilmachung in Preußen wie in Frankreich sei „die Preußische Armee um ein erhebliches schneller befähigt, mit großen Massen zur Offensive zu schreiten“. In Preußen seien die Voranschläge „bis in die kleinsten Details“ berechnet, während in Frankreich eine plötzliche Mobilmachung der ganzen Armee „die größten Verwirrungen“ mit sich brächten. Der sächsische Minister Friesen hielt im Herbst 1869 in einer Aufzeichnung fest6, daß ein baldiger Krieg mit Frankreich fest zu erwarten sei. Kaiser Napoleon brauche ihn, um von seinen vielen inneren Schwierigkeiten abzulenken. Als Pendant zu diesen deutschen Zeugnissen, die von Kriegserwartung und von Siegesbewußtsein sprechen, gibt es französische Quellen, die ebensolche Belege von Kriegsvorbereitung und -erwartung bieten. Im März 1869, als die französisch-preußischen Beziehungen wegen des belgischen Eisenbahnkonflikts in Spannung versetzt wurden, lief in Berlin die Nachricht ein, daß Marschall Niel in Paris zum Krieg dränge, indem er dem Kaiser einzureden suche, daß Frankreich momentan durch seine Bewaffnung Preußen überlegen sei7, „während es nach 2 Jahren wahrscheinlich schon wieder ungeheure Summen werde ausgeben müssen, um neue verbesserte Waffen zu kaufen“. Als im Mai 1870 die preußisch-französischen Beziehungen wegen der berühmten spanischen Hohenzollernkandidatur ihrem Tiefpunkt zustrebten, wurde französischerseits in einem Kriegsrat unter Vorsitz Kaiser Napoleons folgender Aufmarschplan festgelegt, der aus der Überlieferung von zwei beteiligten Generälen seit langem bekannt ist und deren Zeugnisse sich gegenseitig ergänzen8. Laut Napoleon sollten 300.000 französische Truppen von Straßburg und Kehl nach Süddeutschland und in die Mitte Deutschlands vordringen, um die süddeutschen Staaten vom Norden zu trennen. Bei Prag sollten sie der österreichischen Armee die Hand reichen; eine zweite französische Armee dringe in die Rheinprovinzen und über Mainz nach Thüringen vor und solle schließlich über Leipzig nach Berlin gelangen; im Norden solle eine französische Expeditionsarmee an der Nord- und Ostsee an Land gehen 5  Nr. 269.

6  Nr. 136*. 7  Nr. 32.

8  Nr. 285*.

3

Einleitung

und von einer dänischen Armee unterstützt werden. Napoleon ließ sich nicht von dem Argument beeindrucken, daß – laut Auskunft des österreichischen Erzherzogs Albrecht – die österreichische Armee sechs Wochen zur Mobilisierung benötige; wichtig sei zu Beginn des Krieges, offensiv in die Mitte Deutschlands vorzustoßen. Nun ließe sich einwenden, daß dieser Aufmarschplan in der heißen Phase der preußisch-französischen Beziehungen zu den selbstverständlichen Vorbereitungsmaßnahmen des französischen Generalstabs zählte. Aber bedeutend ist, daß dabei die Kooperation Österreichs fest einbezogen wurde. Und noch wichtiger ist, daß in dieser Besprechung auch Italien als Kriegspartner genannt wird: Von der Mitwirkung von 100.000 italienischen Truppen ist die Rede, von denen 40.000 im Kriegsfall München zu besetzen hätten.

2. Die Tripelallianz zwischen Frankreich, Österreich und Italien Der italienische Aspekt führt zu einem Phänomen, der in der Forschung bisher ganz stiefmütterlich behandelt worden ist: zur Tripelallianz zwischen Frankreich, Österreich und Italien, für die es 1869/70 eine ganze Reihe von Quellen gibt. Bei dieser Allianz handelt es sich um ein merkwürdiges Gebilde – merkwürdig, weil dabei nur ein ganz kleiner Kreis von Eingeweihten auszumachen ist. Die Allianz wurde derart im geheimen geschmiedet, daß sie allein schon deswegen keine übermäßigen Erfolgsaussichten haben konnte. Immerhin ist sie mit so zahlreichen Belegen überliefert, daß ihr bei der Beurteilung der Kriegsvorbereitung auf der Seite der Gegner Preußens eine bedeutende Rolle zugesprochen werden muß. Die Dreierallianz lag nach dem Krieg von 1866 gewissermaßen in der Luft, so daß sie auch in der europäischen Presse immer wieder besprochen wurde. Wie aus den preußischen Quellen hervorgeht, ließ Bismarck über sie mehrfach Erkundigungen einziehen, ohne jedoch irgendwann Konkretes darüber zu erfahren. Mit seinem berechnenden Verstand glaubte er auch gar nicht an ihre Existenz, vor allem nicht an ihren Kernpunkt, die Absprache über einen Krieg dieser Dreiergruppe gegen Preußen. So entwickelte er in einem Runderlaß von Mitte April 18699 den Gedanken, Kaiser Napoleon sei zu besonnen, um sich von einer chauvinistischen Kriegspartei in seinem Land ins Schlepptau nehmen zu lassen; seine inneren Schwierigkeiten zwängen ihn zu einer friedlichen Politik; falls es diese Tripelallianz doch gäbe und sie in einem Krieg gegen Preußen siegte, würde die Übermacht Frankreichs so groß sein, daß Preußen zu einem französischen Vasall herabsänke; Eng-

9  Nr. 63*.

4

Vgl. auch Nr. 106.

Einleitung

land würde dieses Ergebnis nicht akzeptieren wollen: Ergo würde es zu einem solchen Krieg gar nicht kommen. Die Tripelallianz wurde dennoch geschlossen. Sie war allerdings kein Vertrag im herkömmlichen völkerrechtlichen Sinne, sondern kurz gesagt ein Austausch von Briefen unter den drei Monarchen Kaiser Napoleon, Kaiser Franz Joseph und König Viktor Emanuel, in zwischenzeitlichen Fassungen aber auch ein veritabler Geheimvertrag. Eingeweiht in ihren Inhalt waren auf der österreichischen Seite Reichskanzler und Außenminister Beust, der österreichische Botschafter in Paris Metternich, der österreichische Sondergesandte Vitzthum, der damit zwischen Paris und Wien hin- und herpendelte (also den normalen diplomatischen Weg umging); auf französischer Seite, soweit in den Quellen festzumachen, Staatsminister Rouher und Außenminister Gramont, der aber vor seiner Berufung vom Wiener Botschafterposten ins Pariser Außenministerium nichts davon wußte; auf italienischer Seite der Pariser Botschafter Vimercati, aber bezeichnenderweise nicht Außenminister Visconti Venosta. Der Inhalt der Tripelallianz wechselte zwischen Februar 1869 und August 1870 (dem Zeitpunkt ihrer letzten Spur in den Quellen) in einigen Einzelheiten, da sich in dieser Zeit die politischen Umstände änderten. Die politischen und militärischen Kernpunkte blieben aber dieselben. Es wurden auch immer wieder unterschiedliche Kriegsausbrüche durchgespielt: ein Krieg zwischen Österreich und Rußland (wegen der Orientalischen Frage – ein Krieg, der aber in dieser Zeit unwahrscheinlich war), ein Krieg zwischen Österreich und Preußen und ein Krieg zwischen Frankreich und Preußen. Ohne auf die einzelnen Stadien einzugehen, ist zu bemerken, daß Italien bei einem Allianzfall der größte Nutznießer wäre. Ihm wurde nach einem siegreichen Krieg gegen Preußen von österreichischer Seite Südtirol und Rovereto zugesprochen, ferner unter gewissen Bedingungen der Schweizer Kanton Tessin. Die italienische militärische Unterstützung belief sich durchgängig auf 200.000 Mann, die Süddeutschland in Schach zu halten hätten; ferner wurde ihm Rom zugesprochen, das damals noch – zum Schutz des Papstes – von französischen Truppen besetzt war. Der französische Truppenbeitrag war beträchtlich; er sollte sich auf 500.000–600.000 Mann belaufen. Der österreichische Beitrag scheint nicht beziffert zu sein, war auch schwierig zu veranschlagen, da in einem Krieg zwischen den drei Mächten gegen Preußen Rußland nicht bloßer Zuschauer bleiben konnte. Der russische Aspekt bleibt merkwürdigerweise in den Abmachungen meistens unberücksichtigt, was die Dreierallianz in ihrer Realisierbarkeit von vornherein mit gewissen Illusionen behaftet erscheinen lassen muß. Französische Kriegsgewinne wurden nicht beim Namen genannt, es wurde aber von der Regelung „eventueller Territorialveränderungen“ geschrieben. Die österreichische Seite setzte große Hoffnungen auf die Dreierallianz. Als 5

Einleitung

Anfang März 1869 der Vertrag in einem ersten Entwurf fertig war und von Paris nach Wien überbracht wurde, schwärmte Botschafter Metternich10: „C’est une occasion!“ Er erachtete den Moment des Vertragsentwurfs „als den wichtigsten meines Lebens und Österreichs“; er sichere Österreich nach einem siegreichen Krieg Territorialveränderungen (gemeint war wahrscheinlich in erster Linie Schlesien). Merkwürdigerweise wird in einer Quelle sogar schon ein Angriffstermin genannt11: September 1869. Der Ministerwechsel in Frankreich – am 17. Juli 1869 – machte diesen Termin illusionär. Staatsminister Rouher in Paris benannte aber Anfang Oktober 1869 eine neue Perspektive: Im Frühjahr 1870 könne Österreich auf bis zu 600.000 Mann französischer Truppen rechnen; Preußen möge also mit dem Krieg beginnen. Während im Herbst 1869 die Tripelallianz augenscheinlich einen Offensivkrieg gegen Preußen beginnen sollte, wurde die Planung in der hochgespannten Situation in der ersten Jahreshälfte 1870 während der Krise der spanischen Hohenzollernkandidatur herabgestuft. Der österreichische Reichskanzler Beust goß Wasser in den französischen Wein12, den der neue französische Außenminister Gramont – ein besonders markanter Preußenfeind – nur wenige Wochen zuvor zum Moussieren zu bringen versucht hatte. Dieser hatte Mitte Juni noch von einem gemeinsamen französisch-österreichischen Marsch auf Berlin geschwärmt, wo man den Diktatfrieden schließen und die Folgen von 1866 auslöschen wollte. Beust, der sich im Juli, da es jetzt zum Schwur kam, in die Enge getrieben fühlte, machte dem französischen Geschäftsträger in Wien, Cazaux, klar: Das Schutz- und Trutzbündnis zwischen Österreich und Frankreich sei ja leider nie unterzeichnet worden; es gebe nur einen Briefaustausch zwischen den beiden Kaisern. Warum spreche man in Paris von Krieg? Und dann stellte er in Bauernschläue die nächste Frage: Warum fange man den Prinzen von Hohenzollern (der den spanischen Thron besteigen sollte) auf seiner Seefahrt nach Spanien nicht ab und lasse ihn spurlos verschwinden? Wenn Preußen dann angreife, sei der Krieg gut (für die eigentliche Öffentlichkeit) eingefädelt. Doch im diplomatischen Verkehr wurde Beust kleinlaut und holte die Diskussion auf den Boden der Realität13: In Paris wolle man den Krieg mit Hilfe der Hohenzollernkandidatur provozieren; Österreich könne nur diplomatisch mitwirken und eine für Frankreich wohlwollende Haltung einnehmen; zu einer militärischen Demonstration könne es nicht schreiten. Als der Krieg gegen Preußen von Paris aus erklärt war (am 19. Juli 1870), hoffte Außenminister Gramont dennoch auf den Abschluß der Tripelallianz, 10  Nr. 13*.

11  Nr. 95*. –

Zum folgenden Nr. 139*. Zum folgenden Nr. 405* und wieder 336*.

12  Nr. 336*. – 13  Nr. 341*.

6

Einleitung

diesmal in regelrechter diplomatischer Form14. Sie sollte sogar die Türkei mit einbeziehen, damit diese sich gegen eine russische Intervention zugunsten Preußens wappne. Dazu kam es wegen des raschen Kriegsausbruchs nicht. Österreich war nun nur noch zu einer Zweierallianz mit Italien bereit, die Napoleon faute de mieux akzeptierte. In einem italienischen Vertragsentwurf vom 6. August 187015 ist von italienischer Unterstützung für Österreich im Fall eines russisch-österreichischen Krieges die Rede mit italienischen Territorialgewinnen am Isonzo und bei Nizza (dies nur nach einem siegreichen Krieg Frankreichs über Preußen). Die letzte Spur der ganzen Phantomallianz ist ein Handschreiben (nur im Konzept) König Viktor Emanuels an Kaiser Franz Joseph vom 9. August 187016, in dem bedauert wird, daß die dermaligen Umstände es Italien nicht ermöglichten, „unsere alten Projekte“ umzusetzen. Was ist von diesen Tripelallianzplänen, die anderthalb Jahre durch die Archivquellen geistern, zu halten? Es waren Absichtserklärungen, aber nicht mehr. Immerhin sollte Preußens Macht nachhaltig beschnitten werden, wenn es die Umstände gestattet hätten. Offensiv waren sie allemal, mußten aber mit einer ganzen Reihe von Imponderabilien rechnen. Bismarck hatte es mit seiner Defensivstrategie gegen drei potentielle Feinde einfacher, da er – mit einer effizient gerüsteten Armee im Rücken – im geeigneten Augenblick in die diplomatische Offensive umschwenken konnte.

3. Die spanische Hohenzollernkandidatur Im März 1870 ergriff Bismarck die diplomatische Offensive, als spanische Emissäre immer noch auf der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für den seit 1868 vakanten Thron waren. Für dieses Problemfeld liegt seit einigen Jahen die dreibändige nahezu erschöpfende Quellensammlung von Josef Becker vor. Die hier vorliegende Edition konnte auf sie zurückgreifen mit zahlreichen Regesten für die Monate seit Februar 1869. Einige wenige neue Quellen konnten hier immerhin integriert werden; sie bringen natürlich keine wesentlichen zusätzlichen Erkenntnisse. In der Vorgeschichte der Kandidatur spielte der preußische Gesandte in Madrid, Georg Freiherr von Werthern, eine treibende Rolle. Im Jahr 1869 behauptete er mehrfach, er habe die Spanier bei der Kandidatensuche auf die katholische Seitenlinie der Hohenzollern gelenkt, dort besonders auf den

14  Nr. 452*. – 15  Nr. 480*

16  Nr. 513*.

Zum folgenden Nr. 471*. und 483*, ferner 505*.

7

Einleitung

Erbprinzen Leopold17. Da er in den Sigmaringer Kreisen der Hohenzollern verkehrte, machte er seine spanischen Gesprächspartner in erster Linie auf diesen für die Kandidatur aufmerksam. Bismarck erfuhr davon im Frühjahr 1869 und sprach in einem Erlaß vom 9. März18 die Möglichkeit einer „Diversion“, einer Ablenkung, beim Ausbruch eines eventuellen preußisch-französischen Krieges an – eine Strategie, die er dann knapp ein Jahr später ins Werk setzte. Die Kandidatensuche für den spanischen Thron – ein im 19. Jahrhundert völlig normaler diplomatischer Vorgang für Thronbesetzungen auf der Iberischen Halbinsel und auf dem Balkan – konzentrierte sich nach vielfachen Rückschlägen im Februar 1870 auf zwei Hohenzollernprinzen und drei bayerische Prinzen19. Dabei erwiesen sich die Chancen für die beiden ersten, den Erbprinzen Leopold und dessen Bruder Friedrich, als die aussichtsreichsten. Schließlich traten die spanischen Mittelsmänner an Leopold direkt heran und baten ihn, einem Abgesandten eine günstige Antwort zu erteilen. Leopolds Vater, Fürst Karl Anton, meldete20 dem Familienoberhaupt des gesamten Hohenzollernhauses, König Wilhelm I., am 25. Februar 1870 das Angebot, fügte aber hinzu, daß nach eigenem Gefühl „die zweifelhafte Ehre“ unbedingt abgelehnt werden sollte. Er ließ aber dem König eine Tür offen: Wenn indes „höhere Interessen“ es erheischten, so möge er, der König, die Entscheidung treffen. Dieser teilte sogleich Bismarck das spanische Angebot mit dem Bemerken mit, das Angebot falle ihm „wie ein Blitz aus heiterer Luft auf den Leib“; von Hause aus sei er dagegen. Bismarck erkannte blitzschnell die Verwertbarkeit der Offerte für seine Kalkulationen in den chronisch angespannten preußisch-französischen Beziehungen. Er legte sie in einem Immediatbericht seinem König auseinander und führte dabei ein halbes Dutzend ganz unterschiedlicher Gründe an21: Eine dynastische Verbindung zwischen Berlin und Madrid würde im Kriegsfall ein bis zwei französische Armeekorps binden; der deutsche Handel würde mächtig wachsen; das Ansehen der Hohenzollerndynastie würde gehoben, das deutsche Nationalgefühl gekräftigt. Bei einer Ablehnung würden sich die Wünsche der Spanier auf Bayern richten oder Spanien würde gar eine Republik werden. Das Projekt, so empfahl er seinem König, sollte im kleinen Kreis weiterbesprochen werden. Diese Besprechung fand Mitte März 1870 statt22. Das Ergebnis, das der König eigenhändig festhielt, war, daß er dem Erbprinzen den Befehl zur 17  Z. B.

Nr.  129*.

18  Nr. 18*.

19  Nr. 210*.

20  Nr. 222*. –

Zum folgenden Nr. 231* und 232*.

22  Nr. 246*. –

Zum folgenden Nr. 273* und 279*.

21  Nr. 239*.

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Einleitung

Annahme der spanischen Krone gegen dessen Willen nicht geben könne. Nachdem auch dessen Bruder Friedrich nicht zu erwärmen war, ging Anfang Mai die definitive Ablehnung der angetragenen spanischen Krone nach Madrid ab. In der Zwischenzeit waren von Bismarck ein Diplomat (Lothar Bucher) und von Generalstabschef Moltke ein Offizier (Major Versen) nach Spanien entsandt worden, um vor Ort Erkundigungen über die Kandidatenfrage einzuziehen. Ihre Reise brachte die Wende herbei. Ende Mai traf Versen den Erbprinzen Leopold in Düsseldorf, dem Sitz des Vaters Karl Anton. Durch Versens Ausführungen zeigte sich Leopold nun günstig gestimmt für die Annahme der spanischen Krone23. Nachdem Versen dann auch den Fürsten Karl Anton aufgesucht hatte, lenkte dieser ein: Wenn Bismarck meine, die Kronannahme sei „im Interesse des Staates, dann wäre es eine Pflicht“. Nach weiteren Konsultationen meldete Fürst Karl Anton Bismarck am 19. Juni 1870 aus Sigmaringen, sein Sohn sei nunmehr entschlossen, dem Ruf auf den spanischen Thron Folge zu leisten. Damit waren die Würfel gefallen.

4. Der Krieg Die öffentliche Bekanntgabe der Thronannahme, die französischen Forderungen auf dessen Verzicht, die Szene auf der Kurpromenade in Ems am 13. Juli, der Rückzieher des Prinzen Leopold und die Manipulation der „Emser Depesche“ durch Bismarck sind hundertfach beschrieben worden. Die preußischen und die französischen Quellen differieren zwar, was die Formulierung der Forderung des französischen Botschafters in Ems anbelangt, in einigen Nuancen; die Erregung der öffentlichen Meinung in Frankreich – besonders in der Kammer – war derart, daß die Dämme brachen und die französische Regierung gar nicht anders zu können glaubte, als Preußen den Krieg zu erklären, weil widrigenfalls dem Empire der Zusammenbruch drohte. Damit handelte es sich aus Bismarcks Sicht um einen Defensivkrieg – die Voraussetzung für die Aktivierung der Bündnisverträge mit den süddeutschen Staaten. Der Kriegsverlauf ist nicht Thema dieser Edition. Daher sollen hier nur noch einige wenige Aspekte aus den Monaten Juli 1870 bis Februar 1871 herausgegriffen werden, die bisher in der Forschung kaum beleuchtet worden sind, aber hier mehrfach dokumentiert werden können. Zu Beginn des Krieges galt es für Bismarck keineswegs als ausgemacht, daß die deutschen Truppen in schnellem Siegeslauf durch Frankreich vorankommen und schließlich bei Paris – in Versailles – den Frieden würden dik23  Nr. 286*

und 287*. – Zum folgenden Nr. 306*. 9

Einleitung

tieren können. Bismarck suchte am Anfang einigermaßen überstürzt nach Mitkämpfern, fand diese aber nicht. Noch während der kritischen Julitage forderte er Spanien auf24, im Fall einer französischen Kriegserklärung an Preußen seinerseits an Frankreich den Krieg zu erklären. Dazu kam es nicht, und Bismarck ließ in der Presse verbreiten, daß Spaniens Neutralität als „selbstsüchtig feige“ zu beurteilen sei. Nach Washington wurde die Anfrage telegraphiert, ob Deutschland im Kriegsfall auf „maritime Verteidigungsmittel aus Amerika“ rechnen könne. Damit waren offenbar kriegerische Auseinandersetzungen in der Nord- und Ostsee, in die Dänemark als französischer Verbündeter eingreifen würde, angesprochen. Wie schon 1866 scheute Bismarck nicht ein Paktieren mit revolutionären Kämpfern im Rücken oder an der Flanke des Feindes. Das Angebot italienischer Revolutionäre, französische Truppen in Südfrankreich zu behelligen, nahm er dankbar auf25, versprach ihnen Geld, ließ sie aber wissen, daß sie auf Waffen kaum rechnen könnten; Geldmittel ließen sich eher auftreiben. Stellt man die Frage, wie im Verlauf des Krieges zwischen den beiden Kontrahenten die öffentliche Meinung in den nichtbeteiligten Nachbarländern reagierte, so ergeben sich aus den Quellen einige bemerkenswerte Ergebnisse. Die nicht enden wollenden preußischen und deutschen Siege wurden außerhalb Deutschlands keineswegs bejubelt, sondern vielfach mit Wut und Haßausbrüchen aufgenommen. Von der luxembugischen Grenze wurde gemeldet26, daß bei Ausbruch des Krieges zahlreiche Kundgebungen zugunsten Frankreichs hervorträten. Die Preußen wurden mit dem schon vorher beliebten Schimpfnamen „Stinkpreußen“ belegt. Das zielte auf das preußische Militärwesen mit seiner für Jugendliche unangenehmen Wehrpflicht und umgekehrt auf das französische Savoir-vivre. Deutsches Nationalgefühl, meldete ein Zollinspektor aus Trier Mitte September 1870, sei in Luxemburg überhaupt nicht vorhanden. In Stockholm waren im August die Schwärmereien für Frankreich und die Pöbeleien gegenüber Deutschen allgemein verbreitet27: „In allen Caffé’s der besseren Welt und den Kneipen des Pöbels nichts als Marseillaise. Dasselbe reproducirt sich in allen Provinzstädten.“ Zur gleichen Zeit machte sich in Bukarest allenthalben ein unmißverständlicher Preußenhaß breit. Hohenzollernfürst Karl mußte aus der Stadt in seinen Sommerpalast fliehen, weil er mit Schmähungen überhäuft und ihm seine Heimat – er war Bruder des Erbprinzen Leopold – zum Vorwurf gemacht wurde. Die französischen Niederlagen der „grande nation“, „als deren Stammverwandte sich das ‚romanisch-lateinische Volk‘ ausgiebt“, wurden be­jammert. 24  Nr. 345*. – 25  Nr. 476*. 26  Nr. 637.

27  Nr. 518. –

10

Zum folgenden Nr. 402*.

Zum folgenden Nr. 526.

Einleitung

Von Anfang bis Ende des Krieges hat sich Bismarck beharrlich geweigert, irgendwelche Vermittlung entgegenzunehmen. Als zu Beginn des Krieges von englischer Seite die Anrufung des Mediationsartikels des Pariser Friedens von 1856 empfohlen wurde, lehnte er ab28; dasselbe tat allerdings auch die französische Seite. Im Verlauf des Krieges kamen vor allem aus Wien Vorstöße, zusammen mit den anderen Großmächten England und Rußland eine Neuralitätsliga zustande zu bringen, die ihre Guten Dienste zu möglichst rascher Beendigung des Krieges anbieten sollte. Bismarck agierte hinter den Kulissen fieberhaft, solche Vorhaben zu hintertreiben. Er hatte damit schon früh Erfolg. Jede der drei Mächte – vor allem England und Rußland – wollten sich nicht die Finger verbrennen, um für Frankreich die Kastanien aus dem Feuer zu holen. So konnte Bismarck mit Befriedigung den Mißerfolg der Reise des französischen Sondergesandten Adolphe Thiers im Oktober durch die europäischen Hauptstädte (London, Petersburg, Wien, Florenz) registrieren, eine Intervention der europäischen Mächte zugunsten der Beendigung des Krieges zustande zu bringen29. So drohte er der Wiener Regierung, deren Ratschläge zur Behandlung der eingeschlossenen Festung Paris, in der sich eine humanitäre Katastrophe ausbreitete, seien eine Einmischung, die zu Lasten Österreichs ausgehen könnte. Bismarck hat die physische Notlage der französischen Festungen, die sich verbissen verteidigten (u. a. Metz, Straßburg und besonders Paris) bewußt auf die Spitze getrieben, um das neue republikanische Frankreich, das sich nach der Gefangennahme Napoleons III. etablierte, zu einem harten Frieden zu zwingen. Die Kernforderung war die Abtretung des Elsasses und DeutschLothringens, die von der neuen französischen Regierung kategorisch abgelehnt wurde – mit dem immer wiederholten Refrain „kein Fußbreit unseres Territoriums und kein Stein unserer Festungen“. Bismarck spielte dabei zwei Trümpfe aus seinem Geißelungsrepertoire aus: einmal die Eventualität, mit anderen französischen politischen Kräften in Verbindung zu treten und einen Frieden zu schließen – mit Abgesandten des gestürzten Kaisers, den bonapartistischen Rivalen des Hauses Orléans und der Bourbonen und mit populären Militärbefehlshabern wie dem Marschall Bazaine (solche Anknüpfungen sind in den Quellen nur schemenhaft ausfindig zu machen). Der zweite Trumpf war die militärische Überlegenheit der preußisch-deutschen Heere. Dieser wurde tatsächlich eingesetzt, als nach der Einschließung der Festung Paris die Bombardierung der Hauptstadt vorbereitet wurde. Die scharfen Differenzen darüber, die Bismarck mit den eigenen Militärs ausfocht, mit Moltke an der Spitze, sind in der Forschung gut bekannt. Die hier veröffentlichten Quellen bieten dazu indes einige brisante Einzelheiten. 28  Nr. 410*.

29  Nr. 662. –

Zum folgenden Nr. 695*. 11

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Bismarcks Argumente für eine rasche und intensive Bombardierung von Paris sind in einem Immediatbericht vom 10. Dezember 1870 zusammengefaßt30: Die Passivität der „seit so langer Zeit vor Paris stehenden Geschütze“ müsse endlich aufhören; die Beschießung der Forts von Paris müsse beginnen, um „den Frieden mit möglichster Beschleunigung und mit den geringsten Opfern zu erreichen“; wenn man noch länger warte, würden die beim Feinde geweckten Illusionen über einen milderen Friedensschluß ermuntert; die öffentliche Meinung in Deutschland trete aus dem Zauber der Eindrücke von den „glänzenden Siegen des ersten Kriegsmonats“ heraus. Vier Tage später trieb Bismarck seine Ungeduld gegenüber seinem König auf die Spitze31: Da der Krieg in Frankreich sich zu einem Volkskrieg ausweite, müßten drastischere Maßnahmen zu dessen Unterdrückung eingesetzt werden: Das Kriegsrecht solle mit voller Strenge angewandt werden; die besetzten französischen Gemeinden müßten Kontributionen leisten; es müsse auch außerhalb des Staatseigentums mehr requiriert werden; Geiseln müßten abgeführt und Gefangene erschossen werden. Aus zwei englischen Quellen gehen Bismarcks Vorstellungen von der deutschen Kriegführung hervor32. Am 16. September 1870 hatte der englische Diplomat Sir Edward Malet eine Unterredung mit dem Kanzler im deutschen Hauptquartier in Meaux: Wenn Frankreich nicht zu einem Waffenstillstand bereit sei, würden die deutschen Truppen weiter nach Paris marschieren und es notfalls niederbrennen („to burn Paris“). Und über zwei Monate später brachte der englische Sondergesandte im deutschen Hauptquartier, Odo Russell, in Versailles Bismarcks Worte zu Papier: Wenn eine französische Regierung sich nicht fest etabliere, würde Preußen weitere französische Provinzen besetzen und sie „wie Raupen auf einem Baum“ („like caterpillars on a tree“) leerfressen. Der preußische Kronprinz Friedrich Wilhelm hat die Auswirkungen dieser brutalen Vorstellungen in seinem Kriegstagebuch von 1870/71 sehr markant am Silverstertag des Jahres 1870 festgehalten33: Die öffentliche Meinung in Europa sei über die Ankündigung des Bombardements von Paris entsetzt; man hasse Preußen-Deutschland immer mehr auf der Welt; „Bismarck hat uns groß und mächtig gemacht, aber er raubte uns unsere Freunde, die Sympathien der Welt.“ Deutschland hätte auch ohne Blut und Eisen mächtig werden können. „Der kühne, gewalttätige Junker hat es nicht gewollt.“ Das war das andere Gewissen Deutschlands, es blieb aber im Verborgenen. Bismarck wußte, daß sein künftiger Kaiser Friedrich III. derlei Gedanken zu 30  Nr. 789. 31  Nr. 797.

32  Nr. 618*

33  Nr. 826*.

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und 816*.

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Papier brachte. Hat er damals oder später das Tagebuch zu Gesicht bekommen? Friedrich Wilhelm hat es Eingeweihten in einer Abschrift zur Einsichtnahme gegeben. Sein Freund Heinrich Geffcken hat Passagen aus dem Tagebuch 1888 im Oktoberheft der „Deutschen Rundschau“ veröffentlicht. Bismarck hat diesen Liberalen mit scharfem Schwert für diese Tat verfolgt und ihn, wie es bei seinen persönlichen politischen Feinden Usus war, durch Gerichtsverfahren verfolgt und „zunichte gemacht“. Ein Widerhall der Empfindungen des preußischen Kronprinzen findet sich nur wenige Tage nach Silvester 1870 in einem Brief seiner englischen Gemahlin, der Kronprinzessin Viktoria, an ihre Mutter, Königin Victoria34. In Erwartung der kurz bevorstehenden Bombardierung von Paris schrieb sie am 3. Januar 1871 aus Versailles: Es sei bedauerlich, daß die Deutschen in England immer mehr an Sympathien verlören und die englische Presse sie als „Wandalen“ bezeichne. – Das Bild schien in der englischen öffentlichen Meinung später fortzuwirken: Im Ersten Weltkrieg wurde der Vergleich nicht weniger schmeichelhaft mit den „Hunnen“ gezogen. Die Bombardierung von Paris begann Anfang Januar 1871 und verfehlte ihre von Bismarck erwartetet Wirkung nicht. Noch in diesen Tagen soll Bismarck dem französischen Sondergesandten Thiers zugestanden haben, die Festung Metz und Lothringen bei Frankreich zu belassen gegen Herausgabe von Straßburg und des Elsasses35. Thiers’ Kollege Jules Favre hat diese Bedingungen strikt abgelehnt. Er war jetzt der französische Vertreter bei den Verhandlungen mit Bismarck und mußte zwei Wochen später den Waffenstillstand, und zwar mit den Abtretungen von Metz und Lothringen, zugestehen. Wiederum vier Wochen später, am 26. Februar 1871, schloß Bismarck den Präliminarfrieden mit Frankreich. Dieser legte fest: Abtrennung des Elsasses und Deutsch-Lothringens (mit Metz, aber ohne Belfort, das diesmal die Militärs hartnäckig gefordert hatten), 5 Mrd. Franken Kriegskontribution. Der Präliminarfriede wurde noch am selben Tage von der französischen „Regierung der Nationalen Verteidigung“ in Bordeaux ratifiziert36.

5. Die deutschen und die französischen Kriegsziele Obwohl es hier um Quellen zur preußischen Außenpolitik geht, müssen außer den preußischen und deutschen Kriegszielen als Gegenbild auch die

34  Nr. 829*.

35  Nr. 845*. – Zum folgenden Nr. 855* und 864*. – Text des Waffenstillstands u. a. in Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 12 (1871) S. 464–466, der im folgenden genannten Friedenspräliminarien: ebenda S. 466–469. 36  Nr. 908.

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französischen Kriegsziele, soweit sie aus den französischen Quellen festgestellt werden können, skizziert werden. Anfang August 1870, als das Kriegsglück noch nicht auf preußisch-deutscher Seite stand, hat der französische Außenminister dem russischen Geschäftsträger in Paris ausführlich die Bedingungen unterbreitet, unter denen Frankreich bereit sein würde, in Berlin „den Frieden zu dictiren“37: Rückführung Preußens auf seine Grenzen von 1866; Abtretung des Saar-Kohlebeckens an Frankreich; Kriegskosten an Frankreich und Wiedererstattung der Kriegskosten an Österreich (von 1866); Wiederherstellung der 1866 an Preußen gefallenen norddeutschen Staaten (also Hannovers usw.); Vergrößerung der Mittelstaaten auf Kosten Preußens. Für Rußland sollte als Gegenleistung für sein Stillhalten abfallen, „wenn die französische Armee in Berlin stünde“: die Neutralität Danzigs. Dieses weitreichende Programm läßt sich aus weiteren Quellen direkt nicht stützen. Vergegenwärtigt man sich aber die allgemeinen Ziele, die in der Geschichte der Tripelallianz nicht so detailliert, aber allgemein doch auch umfangreich anvisiert wurden, so klingt es nicht abwegig. Vorausgesetzt war natürlich immer: der Sieg über den Emporkömmling Preußen. Ein weiteres französisches Ziel steht indes nicht in diesem Programm, findet sich dagegen häufig in anderen Quellen. Das ist Belgien, das für den Fall eines Sieges über Preußen auch gar nicht genannt werden mußte. Belgien als möglicher französischer Zugewinn hat mit dem Krieg von 1870/71 also direkt nichts zu tun. Es war schon in früheren Jahrzehnten als potentielles französisches Ziel genannt worden; unter Napoleon III. ist es nach 1866 in den Quellen immer wieder zu finden38. Während der belgischen Eisenbahnkrise vom Februar bis April 1869 wurde Belgien als französische Kompensation für Sadowa vielfach vermutet: Es kam nicht dazu, weil vor allem die englische Politik in Paris Belgien als Noli me tangere signalisierte. In der Julikrise von 1870 hat nach einer englischen Quelle Bismarck den Vorschlag von der französischen Regierung erfahren, Preußen solle die Einverleibung Belgiens an Frankreich garantieren; im Gegenzug erhielte es die süddeutschen Staaten. Eine wesentlich verläßlichere Quelle ist der französische Vertragsentwurf vom 5. August 1866, in dem Napoleon III. ungeniert die Inkorporation Belgiens als Kompensation für die Etablierung der preußischen Hegemonie in Norddeutschland forderte39. Bismarck hob sich solche demaskierenden Quellen bewußt als Asservat auf, um sie bei Bedarf zu veröffentlichen. Das tat er durch den in der „Times“ am 25. Juli 1870 veröffentlichten Vertragsentwurf, den die französische Regierung vergeblich als Lüge zu brandmarken versuchte. 37  Nr. 523. 38  Z. B.

Nr. 85. – Zum folgenden Nr. 11*, 17, 21, 97, 101*. – Sodann Nr. 432*. Zum folgenden Nr. 455, 497* und 498. Vgl. auch Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 93–95, 372–373. 39  Nr. 445*. –

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Belgien wird im Verlauf des Krieges noch mehrere Male in verschiedenen Variationen genannt. Ende August 1870 erfuhr Bismarck von Äußerungen Adolphe Thiers’, daß die französische Regierung eine Verständigung mit Preußen auf Kosten Belgiens anbiete. Als Thiers dann im weiteren Verlauf des Krieges seine Rundreise durch Europa machte, soll er nach einer englischen Quelle40 die Abtretung des Elsasses und Lothringens gegen die Annexion Belgiens und die Ernennung des belgischen Königs Leopolds II. zum König von Frankreich angeboten haben. Nach Bismarcks eigenem Zeugnis hat Thiers, mit dem er am Anfang des Jahres 1871 mehrfach über den Waffenstillstand und den Frieden verhandelte, eine nähere Verbindung Frankreichs mit Belgien als Kompensation für die an Deutschland abzutretenden Provinzen Elsaß und Lothringen ins Spiel gebracht. Bismarck hat den belgischen Köder offenbar kein einziges Mal angebissen – sicherlich auch weil die Rechnung ohne den englischen Wirt, geschweige denn Belgien selbst, nicht gemacht werden konnte. Über die Annexion von Elsaß und Lothringen, des vornehmsten Kriegsziels auf preußischer und auf deutscher Seite, ist unendlich viel geschrieben worden. Was ergeben die hier zusammengestellten Quellen für neue Gesichtspunkte? Daß die Annexion der alten deutschen Lande in allen politischen Lagern, in Norddeutschland und den süddeutschen Staaten und in der öffentlichen Meinung landauf, landab gefordert wurde, brauchte und konnte hier nicht erneut dokumentiert werden. Einige Aspekte des Problems erscheinen aber in neuem Licht. Bismarck hat die Annexion trotz erheblicher ausländischer Warnungen, vor allem von russicher, aber auch von englischer Seite, zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Als Reflex führte er einmal die strategische Sicherung Süddeutschlands vor künftigen französischen Angriffen ins Feld; zum andern argumentierte er, das französische Revanchebedürfnis, das er erwartete, sei auf keinen Fall zu beschwichtigen, auch ohne die Annexion nicht41. An Mahnungen und Warnungen von auswärtiger Seite hat es nicht gefehlt. Der russische Zar richtete sie vielfach an die deutsche Adresse, ohne indes duchzudringen. So meldete der deutsche Botschafter Fürst Reuß am 26. August 1870 aus Petersburg, eine erzwungene Gebietsabtretung würde zu nie endenden Streitigkeiten führen42: „Eine jede künftige Regierung in Frankreich, möchte sie heißen, wie sie wolle, würde genöthigt sein, schon um sich populär zu machen, zu versuchen, uns die verlorenen Landstriche wieder

40  Nr. 807*. –

Zum folgenden Nr. 884*. Nr. 555*, 573* und 792*. 42  Nr. 552. Vgl. auch Nr. 534, 663, 703. 41  Z. B.

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abzunehmen. Daraus würde eine fortwährende Beunruhigung Europa’s entstehen, die den anderen Mächten nicht gleichgültig sein könnte.“ Der Zar und andere wiesen darauf hin, daß die in früheren Jahrhunderten französisch gewordenen Provinzen gar nicht mehr deutsch fühlten und sich nicht assimilieren würden. Bismarck bestritt das nicht, als er einmal nach London schrieb43: Auch wenn die Mehrheit der Elsässer französisch gesinnt sein möge, sei die strategische Sicherung Süddeutschlands unabweislich. Von London kam die Warnung, daß es töricht sei, Elsaß und Lothringen zu fordern, ohne die Wünsche der Bevölkerung zu beachten. Auch auf deutscher Seite gab es ungute Prognosen. Der sächsische Minister Friesen war der Überzeugung44 – und hier stimmte er eigentlich mit Bismarck überein –, daß es nicht so sehr der mehr oder weniger hohe Territorialpreis sei, den Frankreich bezahlen müsse, sondern „der durch die Niederlage gedemütigte Stolz“, der auf die französische Seele drücken werde. Da die französische Regierung nach dem Sturz Napoleons Anfang September 1870 die Territorialabtretung in den folgenden Friedensfühlern unerbittlich ablehnte – „Wir werden weder einen Flecken unseres Gebiets noch einen Stein unserer Festungen hergeben“45 –, versuchte Bismarck über andere Kanäle, an der neuen republikanischen französischen Regierung vorbei, Friedensmöglichkeien auszuloten. Einem Abgesandten der Kaiserin Eugénie aus England kam er insoweit entgegen, als er zwar die Abtrenung von Elsaß und Lothringen forderte, aber deren Neutralisierung zugestand. Bis in den Januar 1871 hinein hielt er den Gesprächsfaden mit den Bonapartisten für realistisch. Als Arabeske in diesem Zusammenhang sei noch erwähnt, daß von französischer Seite – gerade auch von bonapartistischer – die Abtretung französischer Kolonien (so Cochinchina) zur Milderung der deutschen Territorialforderungen angeboten wurde. Bismarck ließ dazu in die Presse bringen, daß Deutschland auf französische Kolonien keinerlei Wert lege46.

6. Die preußisch-russischen Beziehungen Rußland wurde im Zusammenhang der Deutung der hier präsentierten Quellen schon mehrfach genannt. Die preußisch-russischen Beziehungen in diesem Zeitraum der zwei Jahre vom Februar 1869 bis zum Februar 1871 seien nun in aller Kürze auf den Punkt gebracht.

43  Nr. 615*. –

Zum folgenden Nr. 710*.

45  Nr. 576*. –

Zum folgenden Nr. 691*, 847*. Vgl auch Nr. 898.

44  Nr. 636.

46  Nr. 874*.

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Eindeutig geht aus den entsprechenden Quellen hervor, daß die preußischrussischen Beziehungen auf russischer Seite allein auf den Schultern des Zaren Alexander II. ruhten. Das Verhältnis zwischen Neffen (Alexander II.) und Onkel (Wilhelm I.) war von Verehrung des Zaren für den preußischen König geprägt. Der rege Briefwechsel zwischen beiden, der hier erstmals veröffentlicht wird, legt davon ein beredtes Zeugnis ab. Die nach dem Zaren wichtigste Persönlichkeit war der russische Außenminister und Kanzler Fürst Gorčakov. Jeder, der mit ihm zu tun hatte, erlebte ihn als geschwätzigen Poseur, der von Eitelkeit nur so strotzte. Gegenüber Preußen hegte er alles andere als warme Gefühle. Bismarck hielt er für seinen Schüler. Sein Verhältnis zu Preußen war schwankend und orientierte sich an den jeweiligen Gegebenheiten. Das Land seiner Wünsche war Frankreich, zu dem er seit seinem Eintritt ins russische Außenministerium 1856 feste Beziehungen zu unterhalten strebte, auch wenn sie durch den Polnischen Aufstand von 1863 vorübergehend getrübt waren. Zu Österreich empfand er, geprägt durch seine Vertrautheit mit den angeblichen Irrungen und Wirrungen der österreichischen Politik während des Krimkriegs (als er Gesandter in Wien war), Verachtung und Geringschätzung. In den Jahren 1869/70/71 unterwarf Gorčakov sich der führenden Hand seines Monarchen, der unverrückbar zu Preußen hielt. Die Quellen zeigen, daß der Zar mit seiner Preußenliebe in Petersburg und Moskau ganz isoliert dastand. Die öffentliche Meinung dort, geführt durch die Haltung der einflußreichen „Moskauer Zeitung“ unter der rabiat preußenfeindlichen Leitung ihres Herausgebers Michail Katkov, verbreitete damals schon panslawistische Parolen, die gegen alles Germanische gerichtet waren. In den hier präsentierten Quellen sticht dabei die amtlich geleitete Russifizierung in den baltischen Provinzen ins Auge, wobei immer wieder der Vorwurf ertönte, diese Gebiete seien ein Ziel der preußischen Ausdehnungspolitik. In diesem Zusammenhang spielt das Verhältnis Rußlands zu Dänemark eine Rolle, das durch überkommene und bestehende dynastische Beziehungen und natürlich von der geographischen Lage des Landes am Eingang zur Ostsee geprägt war. Dänemark als Verlierer des Krieges von 1864 gegen Preußen und Österreich wurde in Artikel V des Prager Friedens zwischen Preußen und Österreich vom 23. August 1866 genannt. Darin war statuiert worden, daß die gemischtbesiedelten und gemischtsprachigen Bezirke Nordschleswigs über ihre Zugehörigkeit zu Deutschland oder Dänemark in einer Volksabstimmmung entscheiden sollten. Der Artikel war auf Druck Kaiser Napoleons in den preußisch-österreichischen Friedensvertrag hineingeraten. Napoleon, der Entdecker und Manipulator von Volksabstimmungen, gedachte die Situation in Nordschleswig als Hebel für weitere Volksabstimmungen in europäischen Krisengebieten, das heißt zugunsten Frankreichs, zu benutzen, vor allem um Preußen unter Druck zu setzen und zu zeigen, wer in Europa 17

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der Hüter des Volkswillens sei. Darüber hinaus wollte Napoleon die Demütigung des französischen Volkes durch den Machtzuwachs Preußens überhaupt fortwischen und durchsetzen, daß Bismarck nach seiner Pfeife tanze. Eine Gelegenheit dafür bot sich im November 1869, als der neue französische Botschafter in Petersburg, General Fleury, dort eintraf. Er hatte von seinem Kaiser den Auftrag bekommen, auf dem Umweg über Petersburg in Berlin die Ausführung des Artikels V des Prager Friedens anzumahnen. Er tat dies in überdeutlicher Form bei seinen Antrittsbesuchen beim Zaren und bei Gorčakov47: Der Zar möge in dieser Angelegenheit seinen Einfluß auf seinen Onkel geltend machen. Bismarck, damals auf seinem Landsitz in Varzin weilend, reagierte umgehend, und zwar provozierend. Es ist zu vermuten, daß er auf einen Vorwand, einen „prétexte“, wie es zeitgenössisch heißt, wartete, um mit Frankreich Händel zu suchen. In einem Telegramm an das Außenministerium in Berlin verlangte er, es solle nach Petersburg sofort mitgeteilt werden, daß die von Fleury aufgerührte nordschleswigsche Frage zu einem Krieg führen könne48. Mit diesem groben Klotz erscheint die Situation mit der spanischen Hohenzollernkandidatur des Sommers 1870 gleichsam in nuce vorweggenommen. In einem Erlaß nach Wien wird das nochmals verdeutlicht49: Jede Einmischung Frankreichs in diese preußisch-österreichische Angelegenheit (die Nordschleswig-Frage) „mache die Sache zur Kriegsfrage, und wir würden alsdann genöthigt sein, sie sofort in die Oeffentlichkeit zu werfen.“ Daß es nicht schon jetzt zu einem „Emser Telegramm“ kam, liegt daran, daß die Frage auf die höchste Ebene, in einen Briefaustausch zwischen dem Zaren Alexander und König Wilhelm I.50, gehoben wurde, in dem die Spannung gemildert wurde. In einem Handschreiben des Zaren an seinen Onkel vom 23. November 1869 gab Alexander II. der Hoffnung Ausdruck, daß der preußische König den derzeit einzigen „schwarzen Punkt“ am europäischen Horizont – die Nordschleswig-Frage – beseitigen werde. In einem Antwortschreiben, das vielfach revidiert, aber tatsächlich gar nicht abgeschickt wurde, ließ sich Wilhelm I. ausführlich über die Frage aus und rechtfertigte die Nichtausführung des Prager Artikels V mit den schleppenden preußischdänischen Verhandlungen und vor allem damit, daß die dänische Regierung bislang keine befriedigenden Garantien für das künftige Schicksal der deutschen Bevölkerung in den Gebietsteilen gebe, die an Dänemark zurückgegeben werden sollten. Mit der französischen Drohung, die einer Kriegsdrohung gleichkomme, lasse sich Preußen nicht einschüchtern. Im übrigen sei der 47  Nr. 154*

48  Nr. 158*. 49  Nr. 160.

und 155*.

50  Nr. 162*. –

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Zum folgenden Nr. 167.

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Prager Frieden von Preußen und Österreich unterschrieben worden, und das bedeute, daß die ganze Angelegenheit nur diese beiden Vertragspartner etwas angehe. Damit schienen die Fronten geklärt. Der französische Botschafter in Berlin, der bekannte Graf Benedetti, der von diesem preußisch-russischen Gedankenaustausch Wind bekam, enpfahl in seiner Berichterstattung nach Paris Abwieglung51. Seine Deutung, daß Bismarck die Nordschleswig-Frage durchaus im Sinne des Prager Friedens regeln, während König Wilhelm I. aus militärischen Ehrengesichtspunkten keine Grenzverschiebung in Schleswig wolle, läßt sich aus weiteren Quellen nicht erhärten. Benedetti riet seiner Regierung, nicht weiter an die Frage zu rühren. In einem späteren Bericht aus Berlin verwies er auf einen Artikel der offiziösen „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“, in dem es hieß, daß eine Lösung der Frage nicht in Sicht sei, da eine Rückgabe von Düppel und Alsen an Dänemark von der öffentlichen Meinung in Preußen (wegen deren symbolträchtiger Bedeutung als Orte schwer erkämpfter preußischer Siege) nicht verantwortet werden könne. Auf jeden Fall war die Sache in den Hintergrund getreten und eignete sich nicht als Frage über Krieg und Frieden. Folgender Aspekt taucht in den Quellen immer wieder auf: Im Fall eines kriegerischen Konfliks in Europa würde der jeweils Angegriffene dem andern helfen52. So konnte Bismarck in der Julikrise von 1870 fest auf russische Unterstützung rechnen. Ohne sie hätte er die spanische Hohenzollernkandidatur nicht zum Vorwand nehmen können, mit Frankreich einen Krieg zu riskieren. In allen russischen Hilfszusicherungen wurde gleichmäßig die Zahl von 300.000 Mann russischer Truppen genannt, die an der galizischen Grenze zur „Paralysirung der oesterreichischen Streitkräfte“ aufmarschieren würden53. In einem Handschreiben an Wilhelm I. tadelte der Zar zwar die Zusage seines Onkels, der Erbprinz Leopold könne das spanische Thronangebot annehmen. Aber in russischen Regierungskreisen war man über das französische Verfahren aufgebracht54. Das Versprechen militärischer Unterstützung stand indes felsenfest, so daß die schlesische Grenze zu Österreich von preußischen Truppen gänzlich entblößt werden konnte und die dortigen Kräfte in den Westen verbracht wurden. In den folgenden Kriegsmonaten hatte Bismarck zwar seine liebe Not, sich der ewigen russischen Mahnungen (des Zaren und Gorčakovs) zur Mäßigung der Kriegsziele zu erwehren. Auch den immer wieder vorgetragenen Anspruch Gorčakovs55 – der sich damit auf das europäische Herkommen beru51  Nr. 166. –

Zum folgenden die Nr. 267*. Nr.  10. 53  Nr. 399*, 400*, 408. Zum folgenden Nr. 450. 54  Nr. 441. 55  Z. B. Nr.  508. 52  Z. B.

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fen konnte –, sich an den künftigen Friedensverhandlungen zwischen dem neuen Deutschland und Frankreich zu beteiligen, um die neue Friedensordnung von einem europäischen Areopag absegnen zu lassen, lehnte er beharrlich ab, wie er auch jegliche Friedensvermittlung von anderen neutralen Mächten stets abwehrte. So kamen der deutsch-französische Waffenstillstand Ende Januar 1871 und der Präliminarfrieden einen Monat später ohne jegliche europäi­sche Dazwischenkunft zustande, wie es Bismarck von Anfang an gewünscht hatte.

7. Die preußisch-österreichischen Beziehungen Mit der russischen Observationsarmee in Habsburgs Rücken konnte Bismarck bei passender Gelegenheit den Krieg mit dem potentiellen Gegner Frankreich abwarten – Österreich würde „paralysiert“ sein. Damit ist der Haupt­gesichtspunkt der preußisch-österreichischen Beziehungen gekennzeich­ net. Wird die Paralyse Österreichs durch die hier ausgebreiteten Quellen gestützt? Die Frage kann ohne weiteres bejaht werden. Es bestanden zwar weitreichende Verabredungen Österreichs mit den potentiellen Feinden Preußens – so im Zuge der Tripelallianzverhandlungen und -vertragsentwürfe –, doch die russische Drohung eines Truppenaufmarsches an der galizischen Grenze zwang Österreich zum Stillhalten. In der Julikrise von 1870 wurde das auf höchster Ebene sogleich festgestellt. Am 18. Juli 1870 fand in Wien ein gemeinsamer Ministerrat statt56. Beust mußte die Lage ernüchternd schildern: Die süddeutschen Staaten hätten den Casus foederis aus den Schutzund Trutzverträgen von 1866 sogleich anerkannt; Italien verhalte sich reserviert; Österreich müsse passiv zuschauen. Von den Ministern sprach sich allein Reichskriegsminister Kuhn für ein baldiges Eingreifen auf französischer Seite aus. Doch auch der ungarische Ministerpräsident Andrássy votierte für vorläufige Beobachtung der Neutralität. Und so entschied am Schluß auch der Kaiser. Dieses Neutralitätsverhalten mußte auch dem französischen Partner mitgeteilt werden. Das geschah umgehend. In einem Erlaß nach Paris bedauerte Beust das Agieren der französischen Regierung in der Hohenzollernkandidatur57. Die Neutralitätserklärung entspreche voll und ganz den Geheimgesprächen im Zuge der Tripelallianz. Schließlich wisse er aus sicherer Quelle, daß sich Rußland gegenüber Preußen verbürgt habe, Österreich zu „paralysieren“. In einem Handschreiben Franz Josephs an Napoleon III.58 sprach der öster56  Nr. 413*. 57  Nr. 436*, 58  Nr. 459*.

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auch Nr. 443+.

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reichische Kaiser gleichsam das Sprichwort aus: Not kennt kein Gebot. Die Not zwinge ihn, die Neutralität zu erklären. Bismarck hatte freie Bahn. Bemerkenswert ist, daß er nicht erst während des Krieges mit Frankreich, sondern schon vorher vorsichtige Versuche gemacht hatte, mit Österreich zu besseren Beziehungen zu gelangen. Als Hindernis sah er gar nicht in erster Linie das Gefühl der Demütigung von Königgrätz 1866 an, auch nicht die recht festen Beziehungen Österreichs zu Frankreich, sondern zuallererst die Person des österreichischen Reichskanzlers Graf Beust. Beust, der nach der österreichischen Niederlage von 1866 vom Kaiser Franz Joseph aus dem sächsischen Staatsdienst an die Spitze der österreichischen Außenpolitik geholt wurde, war schon seit den 1850er Jahren ein rotes Tuch in den Augen preußischer Politiker. Seine Eitelkeit, die derjenigen seines russischen Gegenparts Gorčakov nicht nachstand, tat er durch eine unglaubliche Geschäftigkeit im diplomatischen Verkehr und in der öffentlichen Meinung kund. Ein württembergischer Diplomat vertraute einmal einem Kollegen an59: „Die Manie des Reichskanzlers, über jede auch außerhalb seiner Sphäre liegende Sache zu schreiben, würde noch einmal dahin führen, seine Stellung ernstlich zu compromittiren.“ Bismarck kreidete ihm besonders die Veröffentlichung von „Rotbüchern“ an, die 1866 einsetzte und diplomatischen Schriftenaustausch jüngsten Datums sogleich in Buchform veröffentlichte. Mit dieser Methode könne überhaupt kein vertraulicher Gedankenaustausch stattfinden, die vornehmste Tätigkeit im zwischenstaatlichen Dienst. Als im Februar 1870 der allseits bekannte polnische Publizist Julian Klaczko aus Paris in die Wiener Staatskanzlei berufen wurde60, schrillten bei Bismarck die Alarmglocken. Dessen Berufung sei das Zeichen, daß die österreichische Politik Galizien als Sturmbock für ein Wiedererstehen Polens einsetzen wolle. Bismarck prangerte nun im diplomatischen Verkehr und in der Öffentlichkeit die in seinen Augen schädliche Politik des österreichischen Kanzlers an. Der Refrain lautete: Beust sei ein Hindernis für die Annäherung Preußens an Österreichs61. So steht es mehrfach in Erlassen nach Wien. Und am 12. September 1870 ließ Bismarck über seinen Vertrauten Lothar Bucher eine Invektive in der „Spenerschen Zeitung“ in Berlin abdrucken, deren Ursprung er dann hernach verleugnen mußte. Die Versuche, die beiderseitigen Beziehungen zu verbessern, wurden auf anderem Wege fortgesetzt. Vom preußischen Gesandten in Wien, General Schweinitz, stammt der Gedanke, den Siegeszug der deutschen Heere in 59  Nr. 123. –

Zum folgenden Nr. 128. und 588. 61  Nr. 565, 581 und 588. Zum folgenden Nr. 606 und 612. 60  Nr. 225*

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Frankreich mit dem gleichen Ereignis, das 56 Jahre zurücklag, anzusprechen, als die preußischen und österreichischen Heere auf demselben Terrain in der Siegesbahn unterwegs gewesen waren62. Der Gedanke wurde von Bismarck aufgegriffen, und es kam im September 1870 noch zu einem entsprechenden Austausch von Monarchenbriefen. Während Bismarck im Geheimen und in der Öffentlichkeit zum Abgang Beusts blies, mußte er sich Gedanken machen, wer an dessen Stelle treten würde. Dazu suchte er sich den ungarischen Ministerpräsidenten Graf Andrássy aus. Schweinitz mußte er von seinem Vorhaben erst überzeugen. Dieser hielt nämlich den Verbleib des Grafen Beust auf seinem Posten für nützlicher als dessen Ersetzung durch Andrássy. Schweinitz kannte das Credo des ungarischen Grafen, daß es früher oder später zu einem Krieg zwischen Rußland und Ungarn kommen werde. Die Erinnerungen an 1848/49 spielten dabei natürlich eine Rolle wie die gegensätzlichen Ziele auf dem Balkan (in den Donaufürstentümern und in Serbien). Rußland blieb in Bismarcks Kalkül dagegen der gegenwärtig verläßlichste Partner. Bismarck ließ sich von Schweinitz nicht überzeugen. Zur Kaltstellung Beusts kam es allerdings erst nach dem Krieg, als dieser Ende 1871 auf den Londoner Botschafterposten abgeschoben und Andrássy dann österreichisch-ungarischer Minister des Äußern wurde.

8. Die preußisch-englischen Beziehungen Die Beziehungen Preußens zu England 1869/70 spielen nicht dieselbe Rolle wie das Verhältnis Preußens zu Rußland und Österreich. Das lag natürlich vor allem an der Weltstellung Englands, in der die Beziehungen zu Rußland im Mittleren Osten, zu den USA auf dem amerikanischen Kontinent und überhaupt sein Status als Kolonialmacht viel wichtiger waren als die Beschäftigung mit Problemen des europäischen Kontinents. Dennoch mußte Preußen sein Augenmerk auf England richten, wenn es etwa um Eskapaden der französischen Politik oder allein schon um die Existenz Belgiens ging, die durch direkte oder indirekte Ambitionen Frankreichs bedroht war. In den Frühjahrsmonaten 1869 braute sich eine französisch-belgische Krise zusammen, die in erster Linie England, in zweiter Linie aber auch Preußen betraf63. In den Anfangsmonaten hatte die französische „Ostbahngesellschaft“ zwei belgische Eisenbahngesellschaften geschluckt und drohte damit den belgischen Außenhandel zu monopolisieren und auf weitere Sicht Belgien gar Frankreich dienstbar zu machen. Die belgische Regierung hatte den Verkauf der zwei Gesellschaften nicht anerkannt und verlangte die Auf62  Nr. 578. – 63  Vgl.

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Zum folgenden Nr. 629*. das Register am Schluß sub Belgien/Eisenbahn.

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lösung des Kontrakts. Das führte zu politischen Spannungen, die aber durch die Aufstellung einer gemischten Kommission abgebaut wurden, die sich um verkehrs- und handelspolitische Einzelheiten kümmern sollte und darüber im Mai 1869 zum Ziel kam. Bismarck hatte während des Konflikts gehofft, England in der belgischen Frage stärker an seine antifranzösische Politik binden zu können und bestenfalls eine englische Bündniszusage bei einem Krieg über Belgien zu bekommen. Der englische Außenminister Clarendon argwöhnte zwar auch, daß Napoleon im Zuge des Eisenbahnkonflikts Belgien als Entschädigung für die Vergrößerung Preußens 1866 annektieren würde64. Bismarck hat aber England nicht zu einer gemeinsamen Absprache gegen Frankreich veranlassen können. Er schärfte nach Bereinigung des Eisenbahnkonflikts seinen Botschaftern in London und Petersburg, Bernstorff und Reuß, ein, sie sollten bei weiteren Besprechungen über Belgien betonen, daß die Okkupation Belgiens für Kaiser Napoleon ein immerwährendes Ziel bleibe. Monate nach der belgischen Eisenbahnkrise wurde von englischer Seite ein Vorschlag zur allgemeinen Abrüstung (der Begriff in den Quellen heißt Entwaffnung) vorgelegt, vordergründig um die immer wieder auftauchenden internationalen Konflikte zu entschärfen. Bismarck und König Wilhelm I. lehnten den Vorschlag kategorisch ab. Bismarck führte mehrere Argumente dagegen ins Feld65: Deutschland habe im Gegensatz zu den anderen Mächten längere Grenzen zu verteidigen; die Friedensstärke der anderen Mächte sei jeweils höher als diejenige Preußens; schließlich könne man in Krisenzeiten die Stimmung eines Volkes künstlich erregen und damit die Widerstandskraft im Kriegsfall schwächen. König Wilhelm machte auf die Einzigartigkeit des preußischen Wehrsystems, die allgemeine Wehrpflicht, aufmerksam, die ein großes Reservoir an Soldaten schaffe und eine symmetrische Abrüstung im Ansatz gar nicht ermögliche. Bismarck stellte, als Clarendon erneut auf die Abrüstungsfrage zurückkam, die Frage: Welche Bürgschaft gebe es, daß eine französische Regierung nach Ministerpräsident Ollivier und Außenminister Daru sich an den Abrüstungsstand halten würde? Und die Frage an England direkt lautete: Würde es die Ausgaben für seine Marine herabsetzen? Nachdem der Deutsch-Französische Krieg ausgebrochen war, hatte England seine Neutralität erklärt. Sie wurde von preußischer Seite scharf beäugt. Bismarck glaubte mehrfach Anlaß zu haben, sich über die frankreichfreundliche Haltung der englischen Seite zu beschweren. Als Grund glaubte er – so schrieb er einmal an Reuß in Petersburg66 – die Frankophilie des neuen englischen Außenministers Granville und dessen Abneigung gegen seine 64  Nr. 17. –

Zum folgenden Nr. 97* und 101*. Zum folgenden Nr. 258*. 66  Nr. 464*. – Zum folgenden Nr. 478 und 536*. 65  Nr. 212*. –

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Person ausfindig machen zu können. Aber es gab auch sachliche Klagen, daß nämlich England Kriegskonterbande nach Frankreich gelangen lasse, neben Waffen vor allem Kohle. Granville rechtfertigte sich offenherzig mit dem Argument, wenn man solche Ausfuhren verbieten würde, werde die englische Industrie ruiniert und die Produktion nach Amerika verlagert. Als Ende August die französische Kriegsflotte, die sich auf dem Weg nach Dänemark befand, vorübergehend vor Helgoland ankerte (damals noch eine englische Insel), monierte er wieder einmal in London, daß dieser Umstand mit der englischen Neutralität nicht vereinbar sei. Nach Sedan und dem Sturz des europäischen Unruhestifters Napoleon schwenkte in England die öffentliche Meinung um, wie oben schon ausgeführt. Botschafter Bernstorff berichtete darüber in einem längeren Bericht vom 22. Dezember 187067. Am Anfang des Krieges sei sie überwiegend auf seiten Deutschlands „und seines guten Rechts“ gewesen; nun, als Paris eingekesselt war, dürfe Deutschland seine Riesenkraft nicht mißbrauchen und ein Land in den Staub treten, „welches mit Verzweiflung kämpft, um wenigstens einen Fetzen seiner Ehre zu retten“. Es sei nicht gut, „durch Überspannung des Sieges die Nemesis heraufzubeschwören“, und es könne dem Sieger nicht gedient sein, „einen solchen Grad von Haß und Elend in Frankreich hervorzurufen, daß eine Reihe neuer blutiger Kriege daraus entstehen müsse“. Es waren in jenen Wochen in Europa prophetische Worte, die in Deutschland in seinem Überschwang niemand hören wollte.

10. Die süddeutschen Staaten Es bleibt nun noch das Phänomen zu skizzieren, wie und warum die süddeutschen Staaten, die bei Kriegsbeginn noch, sowohl in der politischen Führung – Großherzog Friedrich I. von Baden ist da eine Ausnahme – als auch in der öffentlichen Meinung, partikularistisch, d. h. antipreußisch, verharrten, so schnell unter dem Schirm der deutschen Einheit zusammenfanden. Ein entscheidender Schritt zur Reichseinigung war nach dem Krieg von 1866 schon getan in Form der Schutz- und Trutzbündnisse vom August 1866, die Preußen mit jedem der süddeutschen Staaten unterzeichnet hatte (mit Hessen am 3. September). Der zentrale Artikel jedes der gleichlautenden Verträge lautete, daß die Unterzeichner sich verpflichteten, „im Falle eines Krieges ihre volle Kriegsmacht zu diesem Zwecke [Garantie ihrer Gebiete] einander zur Verfügung zu stellen“. Die Verträge wurden zwar geheim abgeschlossen, aber schon im März 1867 veröffentlicht. Mit dem Kriegsfall, dem vielbesprochenen Casus foederis in den Quellen, war in erster Linie ein Krieg gegen Frankreich gemeint. 67  Nr. 815.

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In Bayern, das ja im Krieg von 1866 mit Österreich gegen Preußen gekämpft hatte, kam Ende 1866 Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst an die Spitze des Ministeriums. Er war national gesinnt und drängte zum baldigen Anschluß an den Norddeutschen Bund. Ihm gegenüber stand die ultramontane partikularistische Partei der „Patrioten“, die antipreußisch ausgerichtet war. Als im Mai 1869 Neuwahlen stattfanden, erbrachte das Ergebnis 79 Patrioten gegenüber 75 Liberalen. Die Landtagstätigkeit war derart unersprießlich, daß die Regierung die Zweite Kammer am 6. Oktober 1869 auflöste. Die Neuwahlen ergaben 80 Patrioten gegenüber 74 Liberalen. Als beide Kammern Anfang Januar 1870 Hohenlohe das Mißtrauen aussprachen, mußte er bald darauf gehen. Die Stimmung in den Kammern war weiterhin antipreußisch; es wurde sogar über die Lösung der mit Preußen geschlossenen Verträge diskutiert. Für Bismarck war die Lage in Bayern höchst unerquicklich. Gegenüber dem englischen Botschafter sprach er sich deutlich aus68, daß bei „ernsten Unruhen“ in Bayern Preußen dort sofort einmarschieren würde. Es hellte sich jedoch alles auf, als König Ludwig II. den bayerischen Gesandten in Wien, den nationalgesinnen Grafen Bray, zum Nachfolger Hohenlohes berief und damit klarmachte, daß er auf dem Zug zur deutschen Einheit mitfahren wollte. Bray ging bei seiner Berufung sogar so weit, sich in Berlin zuvor zu vergewissern, ob er als neuer leitender Miniser in Bayern nicht mißliebig sei. Als dann in der Julikrise 1870 der Coup mit der Hohenzollernkandidatur gelandet wurde, zuckte Bray, was den Casus foederis betraf, zunächst noch zurück: Ein preußisch-französischer Krieg, der wegen der Kandidatur angezettelt würde, gehe Bayern nichts an69. Anders sei es, wenn Deutschland angegriffen würde. Das besorgte dann die französische Kriegserklärung vom 19. Juli. Doch Bismarck war vorher schon ungeduldig geworden und ließ am 14. Juli in München wissen, daß, wenn Bayern im Fall eines französischen Angriffs mit der Mobilmachung zögere, er das als Bruch der Verträge von 1866 betrachte. Einen Tag später war die Sache geklärt. Die süddeutschen Regierungen sahen den Bündnisfall als gegeben an. Aus der Forschung ist längst bekannt, daß der bayerische König Ludwig II. im Deutsch-Französischen Krieg eine zwielichtige Rolle spielte. Hier geht es nur noch um Ergänzungen, soweit sie aus den preußischen Quellen hervorgehen. Der bayerische König hatte sich nach dem Krieg von 1866 in der Öffentlichkeit der nationalen Sache verschrieben. Er machte jedoch die Einschränkung, daß er nur insoweit in eine Neugestaltung Deutschlands willige, als die

68  Nr. 223*. – 69  Nr. 327*. –

Zum folgenden Nr. 230*. Zum folgenden Nr. 364* und 371*. 25

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Selbständigkeit Bayerns gewahrt bleibe70. Als nach der französischen Kriegserklärung das bayerische Heer vertragsgemäß dem Oberbefehl des preußischen Königs unterstellt wurde und der preußische Kronprinz stellvertretend den Oberbefehl über das bayerische Armeekorps übernahm, schrieb ihm Ludwig II., er gehe davon aus, „daß Bayern beim Friedensschluß als auch nach diesem seine Stellung als selbständiger Staat behalte“. König Wilhelm I. persönlich schrieb wenig später – am 5. Augsut 1870 – dem bayerischen König, daß er mit dessen Wünschen hinsichtlich der Selbständigkeit und Integrität Bayerns voll einverstanden sei. In München wußte der preußische Gesandte, Werthern, um die Zauderernatur des bayerischen Königs. Er drang Ende August in Graf Holnstein, einen Vertrauten des Monarchen, daß Ludwig II. die Initiative zur Neugründung des deutschen Reiches ergreifen müsse; er sei „zur Neubegründung der deutschen Einheit berufen“71. Auch sein Ministerpräsident, Bray, kannte den Wankelmut seines Königs und handelte, um diesem die Geburtshelferrolle schmackhaft zu machen, in Konferenzen mit dem preußischen Unterhändler, Delbrück, eine Reihe von Zugeständissen bei der Gründung eines deutschen Reiches aus, wie sie dann tatsächlich vertraglich festgelegt wurden. Bayern bekam u. a. folgende Sonderrechte zuerkannt: das diplomatische Recht; die Oberhoheit über das Heer im Frieden; eigene Gesetzgebung; selbständige Leitung des Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesens. Die folgende Entwicklung ist bekannt: Die deutschen Fürsten, an der Spitze der bayerische König, wurden von König Wilhelm I. am 14. November nach Versailles eingeladen, um dort die wichtigsten Einzelheiten der Gründung eines neuen deutschen Reiches zu vereinbaren72. Ludwig II., der schon damals als öffentlichkeitsscheu bekannt war, kam nicht ins deutsche Hauptquartier, alle anderen deutschen Fürsten fanden sich dort aber ein. Ein Vertrag, in dem die bayerischen Sonderrechte festgestellt waren, wurde am 23. November unterzeichnet. Jetzt mußte nur noch die neue Kaiserkrone dem preußischen König angeboten werden. Dafür kam wieder nur der bayerische König in Frage. Ihm wurde die Bereitschaft, diese Rolle zu spielen, die ihm persönlich unangenehm war, insgeheim von Bismarck mit Hilfe von Geldern aus dem geheimen Welfenfonds schmackhaft gemacht. Bismarck wußte, daß er damit den bayerischen König, der teure Schlösser in die bayerische Landschaft setzte und sich und den bayerischen Staat dabei hoch verschuldete, ködern konnte.73

70  Nr. 199*. –

Zum folgenden Nr. 469* und 494. Zum folgenden Nr. 600*. 72  Nr. 724. – Zum folgenden Nr. 743* und 752*. 73  Nr. 738*, 750*, 761*, 763*, 767*, 777*. 71  Nr. 550*. –

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Da ein so wichtiger Akt wie die Reichsgründung auch von den einzelnen Landtagen der deutschen Länder, nicht nur von den Fürsten, verhandelt werden mußte, stellten sich bei den beiden bayerischen Kammern, besonders der Zweiten, nicht unerwartet Widerstände ein, die Bismarcks gereizte Nerven wieder einmal strapazierten. Er ließ in München wissen, daß mit dem bayerischen Zögern der Krieg verlängert würde74. Am 12. Januar 1871 endlich konnte Wilhelm I. an König Ludwig II. schreiben, daß er mit Zustimmung der deutschen Fürsten und Städte die deutsche Kaiserwürde annehme; das Reich werde „nach Sicherstellung seiner Grenzen gegen Frankreich“ ein Reich des Friedens sein. Am 18. Januar 1871 wurde das Deutsche Reich im Schloß von Versailles aus der Taufe gehoben. Ludwig II. war nicht dabei. Aus neuesten Quellen ist nun bekannt, daß der bayerische König die Unterzeichnung des Vertrags vom 23. November 1870 bald hernach zutiefst bereute, sich schon im Februar 1871 mit Rücktrittsgedanken trug und bekundete, in den Himalaya auswandern zu wollen, um dort ein neues Reich zu gründen75. Todesahnung und Größenwahn machten sich damals schon für Eingeweihte schmerzlich bemerkbar. Die Rolle der anderen süddeutschen Staaten – des Königreichs Württemberg, des Großherzogtums Baden und des südlichen Teils des Großherzogtums Hessen – braucht nur noch summarisch angehängt zu werden, zumal sie in den hier vorgelegten Quellen von untergeordneter Bedeutung sind. Die Lage des Großherzogtums Hessen war nach 1866 anachronistisch: Der nördliche Teil gehörte zum Norddeutschen Bund, der südliche Teil war noch selbständig. Der Leiter der Darmstädter Außenpolitik, Freiherr von Dalwigk, war alles andere als ein Preußenfreund. Doch die Anormalität eines zweigeteilten Hessen konnte nicht lange dauern; der süddeutsche Teil mußte gleichsam naturgesetzlich zum Norden gravitieren. Falls der Norddeutsche Bund das südliche Hessen aufnähme, konnte der Beitritt des Großherzogtums Baden nicht abgelehnt werden76. Tatsächlich drängte Großherzog Friedrich I. unablässig zur Aufnahme, mußte aber von Bismarck beständig abgewiegelt werden, denn europäische Verwicklungen würden entstehen, wenn der Norddeutsche Bund die Mainlinie überschritte, wie das damals vielverwendete Bild hieß, und damit ein Kriegsgrund für Frankreich bereitgestellt würde. Zu den bekannten einschlägigen Quellen ist hier eine neue aufgenommen worden77: Als Außenminister Clarendon im September 1869 sich mit Kaiser Napoleon über die politische Situation un74  Nr. 812*

75  Nr. 894*.

und 818*.

76  Nr. 271*. 77  Nr. 150.

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terhielt, versicherte ihm der Kaiser, er wolle den Krieg mit Preußen nicht (das ist natürlich ein Argumentum ad hominem); er glaube, wenn Bismarck Süddeutschland nicht in den Norddeutschen Bund hineinziehe, daß er die in Frankreich noch vorhandene kriegerische Stimmung gegen Preußen im Zaum halten könne; solle jedoch Bismarck die Einverleibung Süddeutschlands in den Norddeutschen Bund ins Werk setzen, „alors les canons partiraient d’eux-mêmes“. Clarendon fügte noch hinzu: Baden sei Frankreich benachbart, und die Nachbarschaft mit einem so mächtigen Körper wie dem Norddeutschen Bund „würde für die leicht empfindlichen Franzosen einen unerträglichen Zustand bilden“. Es war dieses Wissen, das Bismarck 1869 und bis zum Sommer 1870 veranlaßte, dem Drängen Badens, sich dem Norddeutschen Bund anzuschließen, nicht nachzugeben78. Er wußte aber in der Julikrise und darüber hinaus, daß Baden der Reichseinigung nicht die geringsten Hemmnisse in den Weg legen würde. Großherzog Friedrich I. leistete ihm wertvolle Hilfe bei der Bearbeitung des schwierigen bayerischen Königs, um Bayern mit ins Reichsboot zu holen. Im Falle Württembergs war der Reichseinigungsgedanke sehr schwach entwickelt, zumindest was die Staatsspitze unter Ministerpräsident Varnbüler und König Karl I. anbelangt. Im Zuge der ersten Kriegswochen, in denen die nationalen Wogen alle Widerstände hinwegspülten, mußte Varnbüler dem neuen reichsfreudigeren Minister Mittnacht Platz machen. Bei den Versailler Verhandlungen über den Eintritt Württembergs ins Reich konnte Mittnacht für sein Land Sonderrechte durchsetzen, die zwar nicht ganz so weit gingen wie die bayerischen. Württemberg bekam eigene Post-, Telegraphen- und Eisenbahnverwaltung und ein eigenes Kriegsministerium, der König das Recht zur Ernennung von Offizieren. Der Landtag in Stuttgart genehmigte die Verträge mit dem Norddeutschen Bund geräuschlos; die Volksstimmung war für den Reichsgedanken umgeschwenkt.

11. Preußen und das Erste Vatikanische Konzil Das Erste Vatikanische Konzil, das Papst Pius IX. am 29. Juni 1868 nach Rom einberufen hatte, ist in diesem Quellenband für die Monate bis Juli 1870 immer wieder präsent, da Preußen beim Heiligen Stuhl einen diplomatischen Vertreter hatte, den Grafen Harry von Arnim, den Bismarck wenige Jahre später aus dem diplomatischen Dienst entfernte und wegen Unbotmäßigkeit mit Gerichtsverfahren überzog, die bald zum psychischen Ende dieses Diplomaten führten.

78  Nr. 172*

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und 233*.

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Wichtigster Programmpunkt des Konzils war die Dogmatisierung der Unfehlbarkeit des Papstes (in Glaubensdingen). Die europäischen Regierungen, auch die katholischen, hatten sich für die römische Frage zunächst wenig interessiert. Das änderte sich allmählich, als der bayerische Ministerpräsident Hohenlohe am 9. April 1869 ein Rundschreiben an die europäischen Regierungen richtete, in dem er sie zu gemeinsamem Vorgehen gegen mögliche Beschlüsse des Konzils aufforderte, allerdings mit enttäuschendem Echo. Unter den geladenen Bischöfen bildete sich eine Minorität, die das Unfehlbarkeitsdogma ablehnte. Da der Papst den Verlauf des Konzils bestimmte, vor allem auch die Geschäftsordnung derart veränderte, daß die Minorität lahmgelegt wurde, kam am 24. April 1870 die „Konstitution über den katholischen Glauben“ zustande und am 18. Juli, sicherlich beschleunigt durch den Deutsch-Französischen Krieg, die „Konstitution über die Kirche Christi“, in der das Unfehlbarkeitsdogma verkündet wurde. Diese kirchlichen Beratungen waren keinesfalls nur eine innerkirchliche Angelegenheit; sie konnten in vielen Beratungen und Beschlüssen auf das Staatskirchenrecht übergreifen, vor allem im Schulunterricht, so daß die europäischen Regierungen, in erster Linie die katholischen wie Frankreich und Österreich, das Konzil beobachten und bei Gelegenheit Stellung nehmen mußten. Obwohl Preußen damals eine überwiegend protestantische Macht war, verfügte es in der Bevölkerung doch über eine erhebliche katholische Minderheit. Deswegen mußte von staatlicher Seite der Verlauf des Konzils beobachtet werden. Diese Funktion hatte der preußische Gesandte in Rom, Harry Graf von Arnim, inne. Er entpuppte sich schnell als ein überaus leidenschaftlicher Gegner des Konzils. Im Gegensatz zu ihm nahm Bismarck als sein Chef eine kühle, distanzierte Haltung zum Konzilsgeschehen ein. Man kann sich, liest man die einschlägigen Stellungnahmen 1869/70, nur schwer vorstellen, daß Bismarck einmal selbst einen erbitterten Kampf gegen die katholische Kirche – den Kulturkampf –, so wie ihn Arnim sich vorstellte, ausfechten würde. Als sich Bismarck im Frühjahr 1869 für das Geschehen in Rom zu interessieren begann, war er mit dem Vorschlag Arnims einverstanden, sich dem Protest der süddeutschen Staaten anzuschließen, wenn auf dem Konzil Beschlüsse gefaßt würden, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche tangierten79. Nicht einverstanden war er mit Arnims Empfehlung, zum Konzil staatliche Abgesandte („Oratores“), die das dortige Geschehen beobachten sollten, zu entsenden. Doch als der Gedanke der Oratores-Sendung darauf beschränkt wurde, daß ein bayerischer Vertreter nach Rom geschickt werden sollte, der hinter den Kulissen klarzumachen hätte, daß die deutschen Regierungen einig in der Abwehr von Übergriffen auf das staatliche Gebiet seien, 79  Nr. 82*

und 89*. – Zum folgenden Nr. 119 und 188*. 29

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ließ er sich dazu herbei, mahnte aber Anfang Januar 1870 seinen Gesandten, sich gegenüber dem Konzil abwartend und ruhig zu verhalten. Genau umgekehrt geschah es. Arnim wurde leidenschaftlich und verstieg sich in Weltuntergangsphantasien. In einem ungewöhnlich langen Bericht80 beschwor er die Gefahr, daß in Rom „eine ins Maßlose gesteigerte Frechheit der fanatischen Parthei [die das Durchpeitschen des Unfehlbarkeitsdogmas betreibe], welche die Gewissen der Katholiken terrorisire, das Kirchenregiment und die Erziehung der Geistlichkeit wie der Jugend mehr und mehr an sich reißen“ werde, sich bilden könne. Die theologische Wissenschaft werde „unwiderstehlich in den Sumpf jesuitischer Formeln versinken und nicht mehr dem Einfluß widerstehen, welchen Rom auf die Völker üben“ wolle. In der Kirche werde nur noch „ein fanatisirter Haufen übrigbleiben, dessen Instincte sich alle gegen die heutige geographische und politische Weltordnung richten“ würden. Als Heilmittel gegen die römische Allmacht empfahl er Bismarck, über die österreichische Regierung auf den dortigen Episkopat einzuwirken, da dieser als „kompakte Gruppe“ in Rom die Vertagung des Konzils betreibe. Das war ein frommer Wunsch, da in Wien keine Spur von Kämpfertum in Sachen Konzil auszumachen war. Bismarck versuchte, seinen hier stark agierenden Gesandten zur Ordnung zu rufen81. Der Norddeutsche Bund sei nicht dazu berufen, gegen das Vatikanische Konzil einen Kampf zu beginnen, solange es dort um kirchliche Fragen gehe. Allerdings sollten die deutschen Bischöfe in Rom, mit denen Arnim in engem Kontakt stand (so zum Bischof Ketteler), Stelllung beziehen. Der Staat könne sie dabei stärken und ermutigen. Da vom österreichischen Episkopat kein Widerstand gegen die Konzilsberatungen zu erwarten war, befreundete sich Bismarck mit dem von Arnim suggerierten Gedanken, eine Verständigung der europäischen Regierungen in der Konzilsfrage herbeizuführen82, und ließ seinerseits in Paris vorsichtig anklopfen, ob die dortige katholische Regierung nicht ein gemeinsam protestierendes Europa zustande bringen könne, um die Gefahr von kirchlichen Eingriffen in das Staatskirchenrecht abzuwehren. Obwohl in Paris grundsätzliche Bereitschaft zur Führung einer europäischen Protestliga signalisiert wurde, zog sich das Vorhaben, einen Protest auszuarbeiten, für den ungeduldigen Arnim zu lange hin. Ende März 1870 unterbreitete er Bismarck den Vorschlag, daß er selbst – zum Zeichen des Protests – qua Gesandter von Rom sich zurückziehen solle83. Bismarck lehnte das Ansinnen ab und wurde nun seinerseits ungeduldig, nicht über das Ge80  Nr. 237.

81  Nr. 244*. 82  Nr. 248*

und 259*. Zum folgenden die Anmerkungen a–a in dieser Nr.

83  Nr. 301. –

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schehen in Rom, sondern mit seinem übergeschäftigen Gesandten. Mitte Juni forderte er Arnim auf, er solle „die ganze kirchliche Solemnität“ als protestantischer Gesandter „vollständig ignoriren“. Dem Vertreter einer evangelischen Macht sei die dogmatische Frage gleichgültig. „Erst ihre Rückwirkung auf unser Staatsrecht in Deutschland zeigt uns „unseren Kampfplatz an“. Arnim gab sich über diesen Erlaß „erschreckt“84. Es bestritt die Ansicht, „daß das Dogma der Infalliblität und seine Proclamation den Evangelischen Staat vorläufig nicht interessire“. Die Kirche begebe sich in einen Krieg gegen den Staat, auch den evangelischen. „Je eher wir den Krieg mit Krieg beantworten, desto besser und desto rascher werden wir zu Ende kommen.“ Es sind dies alles Vorstellungen und Worte, die Bismarck selbst wenige Jahre später gebrauchte. Jetzt aber setzte er den Brandberichten Arnims ein Ende. Den hier angesprochenen Bericht vom Juni 1870 versah er mit zahlreichen Randbemerkungen und dem Vermerk am Schluß: „Phrasenpomp, ohne jeden practischen Vorschlag, w a s denn zur Abwehr der Brandstiftung thunlich wäre. Ein alberner Bericht […]. Wohlfeiler Bombast.“ Die undiplomatische Leidenschaftlichkeit Arnims ließ sich nicht unterdrücken. Als im Zuge des Deutsch-Französischen Kriegs die italienische Regierung mit Sitz in Florenz Mitte September die Stadt Rom mitsamt dem Kirchenstaat besetzte und damit ihr Einigungswerk vollendete, triumphierte Arnim85: „Die ganze politische Organisation des päpstlichen Staatswesens ist zusammengefallen, wie ein Leichnam in Staub verfliegt, der nach tausend Jahren plötzlich mit Luft in Berührung kommt. Es ist nichts davon geblieben – keine Erinnerung und keine Lücke.“ Selten hat ein Diplomat sich so gründlich geirrt wie Arnim. Und auch ein Bismarck – der den Arnimschen Bericht mit dem Schlußvermerk versah: „Uebertreibungen in Belletristik, wir haben keinen activen Beruf in der Sache, müssen reifen und faulen lassen“ –, der wenige Jahre danach die Kirche bis aufs Messer bekämpfte, mußte am Ende die Waffen strecken und mit der Kirche den Frieden suchen.

12. Die Revision des Pariser Friedens von 1856 Es ist schließlich noch ein Thema zu skizzieren, das in diesem Quellenband einen prominenten Platz einnimmt, mitten im Deutsch-Französischen Krieg an die Oberfläche geschleudert und mit dessen Ende friedlich erledigt wurde. Es handelt sich um die Aufkündigung des Artikels 11 des Pariser Friedens vom 30. März 1856, der in den fünfzehn Jahren danach in der europäischen Diplomatie immer einmal kurz auftauchte, aber ebenso schnell wieder verschwand. Rußland hatte in Paris, als es den Krimkrieg verloren hatte, neben 84  Nr. 309. 85  Nr. 660.

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einer geringfügigen territorialen Abtretung (in Bessarabien) die Souveränität vor seiner südlichen Haustür, im Schwarzen Meer, aufgegeben. Es mußte neben der Schleifung von Festungen an seiner Schwarzmeerküste auch auf das Recht verzichten, Kriegsschiffe auf dem gesamten Meer zu unterhalten. Das wurde vom Zaren und auch von der öffentlichen „russischen Seele“ als tiefe Demütigung empfunden. Es war ein Element, das in den internationalen Beziehungen nach 1856 eine starke, wenn auch zumeist untergründige Rolle spielte. Es gab in den Jahren nach 1856 immer wieder Momente, in denen mit Rußland die Abschaffung der drückenden „Pontusklausel“ insgeheim verhandelt wurde. Würde man entsprechende Angebote aufzählen, würde man gewiß auf mindestens ein Dutzend kommen. Die Angebote kamen von österreichischer, von französischer, von preußischer, aber nie von englischer Seite. Die Pontusklausel war für das maritim denkende England von größtem Wert, da auf dem Schwarzen Meer und seinen Anrainergebieten (Osmanisches Reich, Kaukasus) Ruhe herrschte und die englische Seemacht anderwärts eingesetzt werden konnte. Der russische Außenminister hat in den anderthalb Jahrzehnten nach 1856 stets Ausschau gehalten, um einen günstigen Moment zu erhaschen, die Klausel aufzukündigen, ohne daß darüber eine internationale Krise oder gar ein Krieg entstehen würde. Der Krieg von 1866 war ein solcher Moment, und Gorčakov hatte ein entsprechendes Aufkündigungsschreiben fix und fertig in der Schublade; der Krieg ging nur zu schnell zu Ende, und die nicht am Krieg beteiligten europäischen Mächte, Rußland voran, konnten ihr Vorhaben nicht durchführen, die Ergebnisse des PreußischÖsterreichischen Krieges von einem internationalen Kongreß, auf dem auch die Pontusfrage zur Sprache gekommen wäre, absegnen zu lassen. Im Deutsch-Französischen Krieg bot sich für die russische Politik erneut eine solche Gelegenheit. Gorčakov ließ in den Anfangswochen Bismarck immer wieder wissen, daß am Ende des Krieges ein europäischer Kongreß stehen müsse, auf dem die neue Ordnung zu registrieren wäre; und auf diesem Kongreß hätte man andere internationale Fragen, also auch die Schwarzmeerfrage, zur Diskussion stellen können. In den hier vorgelegten Quellen wird das Thema schon erstaunlich früh ins Spiel gebracht: Es war die Großfürstin Helene, aus württembergischem Hause stammend und in die Romanov-Familie eingeheiratet, die es gegenüber dem Fürsten Reuß am oder vor dem 10. August antippte. Sie war preußenfreundlich gesinnt und wußte, daß Gorčakovs frühzeitige Vermittlungs- und Kongreßideen für Bismarck höchst unangenehm waren. Sie entwickelte Reuß die Ansicht86, daß man den russischen Kanzler davon ablenken könne, wenn „man ihm die Zerreißung des Pariser Friedens von 1856 als ein zu erstrebendes Ziel vorhielte“. Preußen 86  Nr. 517.

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solle ihn darin nicht stören, falls man es – Preußen – als Quid pro quo mit dessen Kriegszielabsichten nicht stören würde. Die Großfürstin versprach Reuß, „dieses Thema zu bearbeiten“. Bismarck griff die Idee sofort auf. Da Deutschland zur Sicherung Süddeutschlands französische Landabtretungen brauche und dafür keine auswärtige Intervention benötige, werde Preußen Rußlands Wünsche in bezug auf Änderungen des Traktats von 1856 unterstützen87. Reuß versuchte, Bismarcks Elan zu zügeln, indem er riet, die Pontussache solle nicht von ihm, sondern von russischer Seite ausgehen; es genüge vorerst, wenn Großfürstin Helene es übernehme, die maßgebenden Persönlichkeien für die Idee einzunehmen. Tatsächlich kündigte zwei Wochen darauf, bereits am 9. September, Gorčakov dem preußischen Botschafter die Revision des Friedens von 1856 an; ein Kongreß sei dafür nicht nötig. Für Bismarck war diese Nachricht hochwillkommen, daß Gorčakov von seiner penetranten Idee eines Kongresses abzurücken schien, auf der die deutsch-französische Frage behandelt würde. Er instruierte Reuß erneut, Rußland könne mit Preußens Unterstützung rechnen, wenn es die Schwarzmeerklausel aufkündige. Das Eisen wurde von beiden Seiten geschmiedet. Reuß konnte am 24. September berichten, der Zar sei dankbar dafür, daß Preußen seinen „heißesten Wunsch“, die Schwarzmeerklausel von 1856 abzuschaffen, unterstützen werde. Dieser informellen Vereinbarung entsprechend bestand Gorčakov nicht weiter auf einem internationalen Kongreß. Am 27. Oktober 1870 gab der Zar in einem Ministerrat seinen Willen kund, den Pariser Traktat von 1856 aufzukündigen. Er informierte den preußischen König am 31. Oktober von diesem Entschluß88, und gleichzeitig teilte auch sein Außenminister den Pariser Vertragsmächten von 1856 diese Entscheidung mit. Reuß erfuhr, daß man russischerseits nur die englische Reaktion für gefährlich hielt; alle anderen Mächte würden stillhalten. Die russische Rechnung ging auf. Der langgehegte Plan wurde den Mächten präsentiert, als alle Welt mit der brennenden deutsch-französischen Frage beschäftigt war. Aus den Quellen geht hervor, daß Bismarck allerdings den Zeitpunkt, über den er im Vorhinein nicht informiert worden war, einigermaßen unangenehm empfand89. Nun bewies er aber seine große Lavierkunst, und ihm kam das ungeheure Ansehen zugute, das er inzwischen in allen europäischen Hauptstädten genoß. Trotzdem rechnete man für eine kurze Zeitspanne mit der Möglichkeit eines europäischen Krieges90. Im englischen Unterhaus herrschte eine kriegerische antirussische Stimmung; es bestand 87  Nr. 545*. – 88  Nr. 701. – 89  Nr. 712.

Zum folgenden Nr. 584*, 634* und 645*. Zum folgenden Nr. 704*.

90  Nr. 722*. –

Zum folgenden Nr. 730*, 737 und 741. 33

Einleitung

Gefahr, daß die Regierung stürzen und eine kriegsbereite das Heft übernehmen könnte. Bismarck schloß die Eventualität einer Kriegsausweitung in sein Kalkül ein: Zumindest hielt er sich die Möglichkeit eines englisch-russischen Krieges vor Augen und ließ deshalb Erkundigungen einziehen, wie sich die Vereinigten Staaten von Amerika dazu verhalten würden. Deren Eingreifen war nicht unrealistisch, weil die Alabama-Frage zwischen England und den USA schwelte und noch längst nicht beigelegt war. Dieses Aufblitzen einer Kriegsausweitung verlosch rasch, als der englische Außenminister auf den Gedanken kam, den Diplomaten Odo Russell ins deutsche Hauptquartier in Versailles zu schicken91. Darin lag zum einen das hohe Maß an politischem Ansehen, das Bismarck genoß; zum andern war es eine vorzügliche Gelegenheit, Bismarcks Anschauungen über die deutschfranzösische Frage aus erster Hand zu erfahren, denn Diplomaten waren sonst im Hauptquartier nicht zugelassen. Ein Ergebnis der Besprechungen zwischen Bismarck und Russell stellte sich rasch ein92. Es sollte eine europäische Konferenz über die Schwarzmeerfrage stattfinden; nach einigem Hin und Her wurde London als Ort dafür ausersehen. Bismarck legte für seinen Botschafter sofort die Marschroute auf der Konferenz fest: Auf dieser dürften keine anderen europäischen Fragen – z. B. der Deutsch-Französische Krieg – behandelt werden; Rußlands Wünsche müßten unbedingt unterstützt werden. Mit dieser zweiten Forderung wollte Bismarck offensichtlich das preußischrussische Einvernehmen, das vom Beginn des Krieges an bestand (als der Zar seinen Onkel wegen Österreichs möglichem Eingreifen in den Krieg durch das Versprechen, 300.000 russische Soldaten in der Nähe von Galizien aufzustellen, beruhigte), erneut manifestieren. In den folgenden Wochen des Dezember 1870 (und noch weiter bis Anfang März 1871) setzte Bismarck alle Hebel in Bewegung, um das Erscheinen eines französischen Delegierten auf der internationalen Konferenz in London zu hintertreiben. Frankreich war als Kontrahent des Friedens von 1856 ohne weiteres zur Teilnahme berechtigt. Prompt ließ auch die französische Provisorische Regierung in Tours wissen, sie nehme die Pontus-Konferenz an, wenn darin „der gegenwärtige Zustand Frankreichs“ in Betracht gezogen werde93. Genau das wollte Bismarck unbedingt verhindern. Er hatte dafür einen einfachen Trumpf in der Hand, daß ein französischer Delegierter – Paris war inzwischen längst eingeschlossen – nur mit einem Geleitschein durch das besetzte Frankreich nach London gelangen konnte. Zunächst versuchte die französische Regierung, den Geleitschein durch telegraphische

91  Nr. 720.

92  Nr. 757, 93  Nr. 771.

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758* und 765*.

Einleitung

Vermittlung der russischen Regierung zu erwirken94. Das schlug wegen der russischen Ablehnung fehl. Nun setzte Bismarck ein Katz- und Maus-Spiel in Szene: Er riet Jules Favre, der höchstpersönlich (unter Mißachtung seines diplomatischen Vertreters in London) in die englische Hauptstadt kommen wollte, beim deutschen Oberkommando des Belagerungsheeres um einen Geleitschein nachzusuchen. Das ließ sich leicht hinauszögern. Schließlich teilte Bismarck am 16. Januar – die Konferenz in London hätte längst eröffnet werden sollen – Jules Favre, mit dem er ja schon seit längerem über einen deutsch-französischen Waffenstillstand verhandeln, persönlich mit, er könne ihm keinen Geleitschein ausstellen, da die Regierung der Nationalen Verteidigung noch gar nicht völkerrechtlich anerkannt sei. Mit einiger Süffisanz riet er ihm, er solle vielmehr in Paris bleiben, um die dort befindlichen Diplomaten der neutralen Staaten zu schützen, welche die gefährdete Hauptstadt noch nicht verlassen hatten. Über diesem Hin und Her wurde am 17. Januar 1871 die Londoner Pontuskonferenz ohne einen französischen Vertreter eröffnet. Für den Fall, daß dennoch irgendwann und irgendwie auf dieser Spezialkonferenz die deutsche Frage angesprochen würde, gab Bismarck mehrfach seinem Botschafter Anweisung, die Konferenz zu verlassen95. Er bekam dafür sogar Schützenhilfe von russischer Seite. Als Anfang Februar 1871 die Hauptfrage – Aufhebung der Pontusklausel – erledigt war, brachte der Konferenzleiter, der englische Außenminister Lord Granville, das Ansinnen vor, diese Abmachung auf einem europäischen Kongreß zu „validieren“, der ja ohnehin nach dem ­ deutsch-französischen Frieden zusammentreten müsse, „um die neue Euro­ päische Ordnung zu sanktioniren“. Dies lehnte nun die russische Regierung ab; die Pontusfrage sei durch eine eigens dafür einberufene europäische Konferenz nahezu geregelt; dazu sei ein Kongreß nicht mehr nötig. Dieser würde sich ja nur mit der „Einregistrierung“ des zwischen Deutschland und Frankreich abzuschließenden Friedens zu beschäftigen haben. Man sieht zum einen, daß Gorčakov seine Sprache völlig geändert hatte, nachdem er zuvor immer die Notwendigkeit eines europäischen Kongresses propagiert hatte; zum andern setzte er das Do ut Des fort, das seit Anfang des Deutsch-Französischen Krieges zwischen Berlin und Petersburg gespielt wurde. Als zu guter Letzt Ende Februar doch noch ein französischer Vertreter zur Konferenz in London erscheinen sollte und Bismarck dem englischen Konferenzleiter zutraute, die deutsch-französische Frage behandeln zu lassen, telegraphierte er an Bernstorff in London96, daß bei „Hereinziehung der französischen Frage“ dieser sofort die Konferenz verlassen müsse und zu ihr nicht 94  Nr. 814*. –

95  Nr. 855. – 96  Nr. 900.

Zum folgenden Nr. 823 und 851*. Zum folgenden Nr. 872.

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Einleitung

mehr zurückkehren dürfe. Kurz nach diesem Telegramm war der deutschfranzösische Präliminarfriede in Versailles abgeschlossen, und am 13. März – zwei Monate nach Zusammentritt der Konferenz und nun doch noch in Anwesenheit des neuen französischen Botschafters in London – wurde dort der Vertrag über die Revision des Pariser Friedens von 1856 unterzeichnet97. Auf der Londoner Konferenz sollten eigentlich noch zwei weitere Fragen, die mit dem Pariser Friedensvertrag von 1856 direkt zu tun hatten, behandelt werden – einmal die rumänische, zum andern die Frage der Europäischen Donauschiffahrts-Kommission. In dem unruhigen Rumänien – damals noch Donaufürstentümer (Moldau und Walachei) genannt – war 1866 zum Staatsoberhaupt Fürst Karl von Hohenzollern-Sigmaringen, Bruder des Erbprinzen Leopold, proklamiert worden. Er mußte mit einer sehr freisinnigen Verfassung nach belgischem Muster regieren. Die Instabilität der Regierung wird allein daran deutlich, daß in dem hier abgedeckten Zeitraum sich vier Ministerien abwechselten. Durch den Pariser Vertrag von 1856 und diverse Folgeverträge stand das Land unter der Garantie der europäischen Großmächte. Weil er unter diesem Schutzschirm stand, kam der Fürst Ende 1870 auf die Idee, die Frage der Änderung der Verfassung zugunsten stabilerer Regierungsverhältnisse den europäischen Mächten zu unterbreiten. Nach den hier vorgelegten Quellen scheint ihm die Idee von russischer Seite suggeriert worden zu sein98, und zwar nach der Aufkündigung des Pariser Vertrags am 31. Oktober 1870. Vom russischen Außenministerium wurde ihm geraten, zunächst eine Denkschrift über die Zustände und Änderungsmöglichkeien des rumänischen Regierungssystems zu erstellen und diese dem Forum der europäischen Mächte zu unterbreiten, das ja ohnehin wegen der Schwarzmeerfrage zusammentreten sollte. Wenig später wandte sich der Fürst mit je einem Handschreiben an die Monarchen der europäischen Großmächte, in dem er sein Vorhaben in verkürzter Form eröffnete. Auch Bismarck direkt legte er im Dezember 1870 seinen Plan vor. Bismarck kam diese Intervention höchst ungelegen. Er antwortete dem Fürsten am 10. Januar 187199, daß Deutschland unter den dermaligen Verhältnissen in orientalischen Dingen, also auch in der rumänischen Frage, nicht einschreiten könne. Er stellte dem Fürsten Karl anheim, sein Verbleiben im Land von der internen Lage abhängig zu machen. Das war also der unverblümte Rat abzudanken. Etwas vornehmer schrieb ihm König Wilhelm I. ein paar Tage danach, er müsse annehmen, daß keine der europäischen Mächte bereit sein werde, „ihr Gewicht für die Verbesserung oder auch nur die Erhaltung der bestehenden Zustände Rumäniens einzusetzen“. Mit den weiteren 97  Text

u. a. in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalende 12 (1871) S. 473–474.

98  Nr. 273.

99  Nr. 837.

36

Vgl. auch Nr. 840. – Zum folgenden Nr. 846.

Einleitung

Antworten, die Fürst Karl von den anderen Mächten erhalten haben dürfte, wurde er völlig allein gelassen. Man sieht, wie Bismarck beständig darum kämpfte, mit dem Problem des Krieges mit Frankreich keine andere Frage vermengen zu lassen. Allerdings hat Bismarck sich doch noch auf eine europäische Frage eingelassen, die mit dem Frankreichkrieg überhaupt nichts zu tun hatte – mit der Frage der Fortexistenz der Europäischen Donaukommission. Diese war gemäß dem Friedensvertrag von 1856 gegründet worden und sollte nach zwei Jahren aufgelöst werden. In europäischen Folgekonferenzen wurde sie indes mehrfach verlängert. Auf der Pontuskonferenz 1871 unterstützte Bismarck den Wunsch Österreichs, die Europäische Donaukommission fortgelten zu lassen100. Das Argument bezog sich zwar auf das offensichtliche Interesse aller Staaten, die Handel auf der Donau trieben, daß die Donaumündung (Sulina) frei von Versandung gehalten und Schiffahrtshindernisse weiterhin bis Isaccea weggeräumt werden müßten. Doch der eigentliche Grund für Bismarck dürfte gewesen sein, Österreich den guten Willen Preußens zu demonstrieren, denn die Beziehungen hatte er schon seit dem Ende des Krieges von 1866 verbesseren wollen. In London wurde die segensreiche Arbeit der Kommission bis 1883 verlängert, und ihre Vollmachten wurden danach immer wieder bestätigt und erweitert. * Aus der Fülle der in dieser Quellenedition angesprochenen Themen ließen sich noch weitere Aspekte herausfiltern. Es mußte hier aber genügen, die allerwichtigsten hervorzuheben.

100  Nr. 839.

37

Verzeichnis der weniger gebräuchlichen Abkürzungen AA, A. A. Auswärtiges Amt Abds Abends Bon Baron c., ca. circa cf. confer (vergleiche) Chev. Chevalier Col. Colonel conf. confer cr. currentis (des laufenden …) d. dieses (Monats) d.d. de dato (am/vom Tage) DDI Documenti Diplomatici Italiani (vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis darunter) dergl. dergleichen d. J. dieses Jahres d.M., dMts, d.Mts dieses Monats dsgl. desgleichen ej, ej., ejd, ejusd. ejusdem (desselben) E.K.M. Euer/Eure Königliche(n) Majestät E.M., Ew.M. Euer/Eure Majestät event. eventuell Ew., Ewr, Ewr. Euer Ew.K., Ew.Kgl., Euer Königliche(n)  Ew.Königl. Ew.M. Euer Majestät Ewp, Ew.p, Ewpp, Ewpp. Euer (und so weiter) Ewr, Ewr. Euer Exc. Excellenz Frh(n)., Fhrn., Frhr. Freiherr(n) fr(s). francs Fst, Fst. Fürst(en) gef. gefälligen, gefälligst Geh. Geheimer Gf. Graf(en)

38

Verzeichnis der weniger gebräuchlichen Abkürzungen Gl General Grf. Grafen GW Gesammelte Werke (vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis unter Bismarck) h. heures (Stunden) H., Hr., Hrn. Herr(n) I.I.M.M. Ihre Majestäten k, k. königlich(en) K. Kaiserlich, Königlichen Königl. Königliche(n) landw. Angel. landwirtschaftliche(n) Angelegenheiten m. minutes M, M. Mark; Monsieur; Minuten m.A.H. meines Allerhöchsten Herrn Marq. Marquis Min., min. Minuten, minutes Mis, Mqu., Mqs. Marquis Mr. Mister, Monsieur N., Nachm., Nm., N.M. Nachmittag(s) Nordd. Norddeutschen Ob.Reg.Rat(h) Oberregierungsrat(h) o.D. ohne Datum o.Nr.  ohne Nummer o. O. ohne Ort PA Politisches Archiv (vgl. im Quellenverzeichnis darunter) Pag. Pagina, Seite Pce Prince P.M. Promemoria pp. perge, pergite (und so weiter) Praes. Praesentatum (Eingangsvermerk) qu. questionierten (fraglichen) Reg. Regierung Reg.Rath Regierungsrat(h) resp. respektive e Se., S Seine S.E. Seine Exzellenz Se.M., S.M. Seine(r) Majestät S.K. Seine(r) Königliche(n) Sr, Sr Seiner 39

Verzeichnis der weniger gebräuchlichen Abkürzungen Sr kgl, Sr Königl. Seiner Königlichen Sr.K.H. Seiner Königlichen Hoheit Sr.M. Seiner Majestät St, St. Sankt; Sterling Sta Santa StA Staatsarchiv (vgl. im Quellen- und Literaturverzeichnis darunter) V., Vm., Vorm. Vormittag(s) v.Mts, v.Mts, v.M. vorigen Monats W.G.L.R. Wirklichen Geheimen Legationsrats Wirkl. Wirkliche(r) & und

40

Dokumentenverzeichnis Nr.

Aussteller unnd Empfänger

Ort

Datum.

S.

1* 2* 3* 4* 5* 6* 7 8* 9* 10 11* 12*

Aristarchi an Aali Pascha Bismarck an Solms Werthern an Bismarck Oubril an Gorčakov Vimercati an Napoleon III. Bismarck an Werthern Bismarck an Reuß Hohenlohe an Perglas Bismarck an Bernstorff Reuß an Bismarck Launay an Menabrea Allianzvertrag zwischen Italien/ Österreich/Frankr. Metternich an Beust Bismarck an Rosenberg Welti an Roeder Bismarck an Rosenberg Bernstorff an Bismarck Bismarck an Reuß Bismarck an Reuß Bismarck an Reuß König Leopold an Friedrich Wilhelm Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Wesdehlen Bismarck an Reuß Arnim an Bismarck Hatzfeldt an Reuß Loftus an Clarendon Bismarck an Reuß Bismarck an Adlung Bismarck an Arnim Bismarck an Bernstorff Bernstorff an Bismarck

Berlin Berlin München Berlin Paris Berlin Berlin München Berlin Petersburg Berlin Paris

15. Februar 1869 19. Februar 1869 23. Februar 1869 25. Februar 1869 25. Februar 1869 26. Februar 1869 28. Februar 1869 Ende Februar 1869 1. März 1869 1. März 1869 1. März 1869 1. März 1869

67 67 68 68 68 69 69 70 71 71 71 72

Paris Berlin Bern Berlin London Berlin Berlin Berlin Brüssel

1. März 1869 3. März 1869 3. März 1869 5. März 1869 5. März 1869 9. März 1869 9. März 1869 9. März 1869 10. März 1869

72 73 73 73 74 74 75 75 75

Berlin Berlin Berlin Rom Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin London

11. März 1869 11. März 1869 11. März 1869 11. März 1869 11. März 1869 13. März 1869 15. März 1869 15. März 1869 15. März 1869 16. März 1869 17. März 1869

76 77 77 79 79 82 82 82 82 83 83

13* 14* 15* 16* 17 18* 19* 20* 21 22 23* 24 25 26 27* 28* 29* 30* 31* 32

41

Dokumentenverzeichnis 33 34 35* 36* 37 38 39* 40* 41* 42* 43* 44 45* 46* 47* 48* 49* 50* 51* 52* 53 54* 55* 56 57* 58* 59 60* 61* 62* 63* 64* 65 66 67* 68* 69* 70* 71 42

Reuß an Bismarck Wilhelm I. an Bismarck Bismarck an Bernstorff Französisch-österreichischitalienischer Allianzvertrag Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Bernstorff Benedetti an La Valette Oubril an Gorčakov Oubril an Gorčakov Oubril an Gorčakov Ladenberg an Bismarck Aufzeichnung Rancés’ Bismarck an Roeder Bismarck an Rosenberg Bismarck an Balan Fröbel im Gespräch mit Bismarck Bismarck an Arnim Launay an Menabrea Friedrich I. an Gelzer Bismarck an Reuß Runderlaß Bismarcks Bismarck an Bernstorff Sitzung des Preußischen Staatsministeriums Bismarck an Arnim Solms an Bismarck Zirndorfer an Bismarck Wilhelm I. an Friedrich I. Launay an Menabrea Bismarck an Bernstorff Runderlaß Bismarcks Loftus an Clarendon Sitzung des Preußischen Staatsministeriums Reuß an Bismarck Bismarck an Werthern Bismarck an Eichmann Bismarck an Balan Bismarck an Brandenburg Werther an Bismarck

Petersburg Berlin Berlin [Wien]

17. März 18. März 18. März 18. März

1869 1869 1869 1869

86 87 88 88

Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Wien o. O. Berlin Berlin Berlin Berlin

20. März 1869 21. März 1869 21. März 1869 21. März 1869 21. März 1869 21. März 1869 21. März 1869 22. März 1869 22. März 1869 23. März 1869 25. März 1869 26. März 1869 März 1869

89 90 90 90 91 91 91 92 95 95 95 96 96

Berlin Berlin Karlsruhe Berlin Berlin Berlin Berlin

3. April 4. April 4. April 5. April 6. April 7. April 8. April

96 96 97 97 98 98 98

Berlin Paris Frankfurt Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin

8. April 1869 8. April 1869 10. April 1869 12. April 1869 13. April 1869 15. April 1869 15. April 1869 17. April 1869 18. April 1869

101 102 102 103 103 103 104 104 105

Petersburg Berlin Berlin Berlin Berlin Wien

19. April 20. April 21. April 23. April 26. April 27. April

107 108 109 109 109 110

1869 1869 1869 1869 1869 1869 1869

1869 1869 1869 1869 1869 1869

Dokumentenverzeichnis 72* 73* 74 75* 76 77 78* 79* 80* 81* 82* 83 84 85 86 87* 88 89* 90* 91* 92* 93 94* 95* 96 97* 98* 99* 100* 101* 102* 103 104* 105* 106* 107* 108* 109* 110*

Oubril an Gorčakov Bismarck an Solms Bernstorff an Bismarck Bismarck an Bernstorff Werther an Bismarck Leopold an Wilhelm I. Bismarck an Werther Bismarck an Solms Bismarck an Reuß Bismarck an Wilhelm I. Arnim an Bismarck Arnim an Bismarck Werther an Bismarck Reuß an Bismarck Werthern an Bismarck Metternich an Beust Reuß an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Arnim Bismarck an Werther Bismarck an Solms Werthern an Bismarck Bismarck im Gespräch mit Wilmowski Vimercati an Viktor Emanuel Reuß an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Hohenlohe im Gespräch mit Moltke Bismarck an Werthern Bismarck an Reuß Runderlaß Bismarcks Reuß an Bismarck Launay an Menabrea Solms an Bismarck Bismarck an Reuß Bismarck im Gespräch mit Hohenlohe Bismarck an Solms Bismarck an Bernstorff Bismarck an Tresckow

Berlin Berlin London Berlin Wien Brüssel Berlin Berlin Berlin Berlin Rom Rom Wien Petersburg München Paris Petersburg Berlin Berlin Berlin Berlin München Varzin

27. April 1869 29. April 1869 29. April 1869 4. Mai 1869 4. Mai 1869 9. Mai 1869 11. Mai 1869 11. Mai 1869 11. Mai 1869 12. Mai 1869 14. Mai 1869 17. Mai 1869 18. Mai 1869 19. Mai 1869 20. Mai 1869 20. Mai 1869 21. Mai 1869 25. Mai 1869 26. Mai 1869 27. Mai 1869 27. Mai 1869 29. Mai 1869 Mai 1869

111 112 112 113 113 115 116 116 116 116 117 117 118 120 122 123 124 127 127 128 128 128 129

Paris Petersburg Berlin Berlin Berlin

1. Juni 6. Juni 7. Juni 8. Juni 8. Juni

129 130 132 132 132

Berlin Berlin Berlin Petersburg Wiesbaden Paris Berlin Berlin

10. Juni 10. Juni 12. Juni 14. Juni 15. Juni 17. Juni 22. Juni 23. Juni

1869 1869 1869 1869 1869 1869 1869 1869

133 133 133 134 137 137 137 138

Berlin Berlin Berlin

23. Juni 1869 24. Juni 1869 29. Juni 1869

138 138 138

1869 1869 1869 1869 1869

43

Dokumentenverzeichnis 111* 112* 113* 114 115 116 117* 118 119 120* 121 122* 123 124* 125 126 127* 128 129* 130 131

Bismarck an Wilhelm I. Lefebvre an La Valette Vimercati an Viktor Emanuel Reuß an Wilhelm I. Abeken an Bismarck Werther an Bismarck Bismarck an Eichmann Promemoria Abekens Promemoria Buchers Bismarck an Werther Keyserling an Bismarck Bismarck an Hohenlohe Dönhoff an Bismarck Clarendon an Victoria Abeken an das AA Promemoria Buchers Bismarck an Limburg-Stirum Balan an Schweinitz Tagebuch Werthern Bucher an das AA Uebel an Bismarck

132 133 134* 135* 136*

Promemoria Buchers Werther an Bismarck Napoleon III. an Franz Joseph La Tour an Contades Friesen im Gespräch mit Bismarck Heyebrand an Bismarck Balan an Wilhelm I. Vitzthum an Beust Mühler an Melchers Werther an Bismarck Aufzeichnung Wilhelms I. Bismarck an Wilhelm I. Thile an F.A. zu Eulenburg Bismarck an Thile Radowitz an Bismarck Mohl an Freydorf Kronprinz Friedrich Wilhelm an Wilhelm I. Reuß an Wilhelm I.

137 138 139* 140 141 142* 143* 144 145 146 147 148 149

44

Berlin Berlin Paris Petersburg Ems Wien Varzin Ems Varzin Berlin Budapest Varzin Stuttgart Wiesbaden Frankfurt Varzin Berlin Berlin München Varzin Konstantinopel Varzin Wien St. Cloud Paris o. O.

29. Juni 1869 12. Juli 1869 15. Juli 1869 16. Juli 1869 21. Juli 1869 21. Juli 1869 22. Juli 1869 29. Juli 1869 31. Juli 1869 4. August 1869 9. August 1869 11. August 1869 11. August 1869 21. August 1869 24. August 1869 31. August 1869 4. September 1869 8. September 1869 14. September 1869 17. September 1869 17. September 1869

139 139 139 140 143 143 145 145 147 148 148 151 151 152 153 154 154 155 155 156 156

21. September 21. September 24. September 28. September Herbst 1869

157 158 158 159 159

Kopenhagen Berlin Paris Berlin Wien Baden-Baden Varzin Berlin Varzin München München An Bord SMS Hertha Petersburg

4. Oktober 1869 5. Oktober 1869 7. Oktober 1869 8. Oktober 1869 15. Oktober 1869 16. Oktober 1869 17. Oktober 1869 27. Oktober 1869 27. Oktober 1869 28. Oktober 1869 30. Oktober 1869 30. Oktober 1869

159 160 161 161 162 163 163 164 164 165 167 170

31. Oktober 1869

174

1869 1869 1869 1869

Dokumentenverzeichnis 150 151 152 153 154* 155* 156* 157 158* 159* 160 161* 162* 163* 164 165* 166* 167 168* 169 170* 171* 172* 173 174* 175* 176* 177* 178* 179 180 181* 182* 183 184* 185 186* 187* 188* 189* 190*

Katte an Bismarck Promemoria Thiles Thile an Keyerling Alten an Bismarck Reuß an Bismarck Fleury an La Tour Launay an Menabrea Kronprinz Friedrich Wilhelm an Wilhelm I. Runderlaß Bismarcks Bismarck an Wilhelm I. Thile an Werther Reuß an Bismarck Alexander II. an Wilhelm I. Werthern an Bismarck Notiz Thiles Promemoria Bismarcks Benedetti an La Tour Wilhelm I. an Alexander II. Bismarck an Thile Werthern an Bismarck Benedetti an La Tour Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Roon Bernstorff an Bismarck Bismarck an Eichmann Bismarck an Werthern Vitzthum an Beust Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Reuß an Bismarck Eichmann an Bismarck Bismarck an Bernstorff Launay an Venosta Arnim an Wilhelm I. Fleury an La Tour Bernstorff an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Brassier an Bismarck Bismarck an Arnim Wilhelm I. an Alexander II. Bismarck an Werther

London Berlin Berlin Jerusalem Petersburg Petersburg Berlin Port Said

1. November 1869 3. November 1869 9. November 1869 9. November 1869 13. November 1869 13. November 1869 13. November 1869 16. November 1869

176 178 179 179 184 184 185 185

Varzin Varzin Berlin Petersburg Petersburg München Berlin Varzin Berlin Berlin Varzin München Berlin Berlin Berlin London Berlin Berlin Paris Berlin Berlin Petersburg Dresden Berlin Berlin Rom Petersburg London Berlin Florenz Berlin Berlin Berlin

20. November 1869 20. November 1869 23. November 1869 23. November 1869 23. November 1869 24. November 1869 25. November 1869 27. November 1869 30. November 1869 November 1869 3. Dezember 1869 5. Dezember 1869 5. Dezember 1869 7. Dezember 1869 7. Dezember 1869 7. Dezember 1869 8. Dezember 1869 10. Dezember 1869 10. Dezember 1869 12. Dezember 1869 12. Dezember 1869 12. Dezember 1869 13. Dezember 1869 15. Dezember 1869 17. Dezember 1869 24. Dezember 1869 29. Dezember 1869 1. Januar 1870 4. Januar 1870 4. Januar 1870 5. Januar 1870 8. Januar 1870 11. Januar 1870

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Dokumentenverzeichnis 191* 192* 193* 194* 195 196* 197* 198 199* 200* 201* 202* 203 204* 205* 206* 207 208* 209 210* 211 212* 213* 214* 215* 216* 217* 218* 219* 220* 221* 222* 223* 224* 225* 226* 227* 228* 229* 230* 231* 232*

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Launay an Visconti Venosta Bismarck an Mühler Bismarck an Reuß Bismarck an Schweinitz Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Radowitz Bismarck an Bernstorff Mühler an Thiel Cadore an Daru Bismarck an Moltke Bismarck an Schweinitz Bismarck an Bernstorff Werthern an Bismarck Lyons an Clarendon Bismarck an Schweinitz Bismarck an Mühler Bismarck an Keyserling Perglas an Ludwig II. Eichmann an Bismarck Salazar an Werthern Werther an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an Werthern Bismarck an Eichmann Bismarck an Schweinitz Bismarck an Werthern Bismarck an Loos Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Werther Bismarck an Schweinitz Bismarck an Stolberg Prim an Erbprinz Leopold Loftus an Clarendon Bismarck an Schweinitz Bismarck an Reuß Runderlaß Bismarcks Bismarck an Rosenberg Bismarck an Keyserling Salazar an Fürst Karl Anton Bismarck an Schweinitz Fürst Karl Anton an Wilhem I. Wilhelm I. an Bismarck

Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin München Paris Berlin Berlin Berlin Berlin Dresden Madrid Paris Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Madrid Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Düsseldorf Berlin Düsseldorf Berlin

11. Januar 1870 12. Januar 1870 12. Januar 1870 12. Januar 1870 13. Januar 1870 13. Januar 1870 17. Januar 1870 18. Januar 1870 18. Januar 1870 19. Januar 1870 26. Januar 1870 26. Januar 1870 26. Januar 1870 30. Januar 1870 31. Januar 1870 1. Februar 1870 1. Februar 1870 3. Februar 1870 4. Februar 1870 5. Februar 1870 8. Februar 1870 9. Februar 1870 9. Februar 1870 10. Februar 1870 12. Februar 1870 15. Februar 1870 15. Februar 1870 16. Februar 1870 16. Februar 1870 16. Februar 1870 17. Februar 1870 17. Februar 1870 19. Februar 1870 20. Februar 1870 20. Februar 1870 21. Februar 1870 21. Februar 1870 21. Februar 1870 24. Februar 1870 25. Februar 1870 25. Februar 1870 26. Februar 1870

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Dokumentenverzeichnis 233* 234 235 236 237 238* 239* 240* 241 242 243* 244* 245* 246* 247 248* 249 250* 251* 252* 253* 254 255* 256* 257* 258* 259* 260 261* 262* 263 264* 265* 266* 267* 268 269 270 271* 272 273*

Bismarck an Flemming Schweinitz an Bismarck Diktat Bismarcks Rosenberg an Bismarck Arnim an Bismarck Fleury an Daru Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Werther Bismarck an Radowitz Radowitz an Bismarck Wimpffen an Beust Bismarck an Arnim Wilhelm I. an Bismarck Notiz Wilhelms I. Arnim an Bismarck Bismarck an Werther Werthern an Bismarck Bismarck an Werther Bismarck an Radowitz Perglas an Ludwig II. Canitz an Bismarck Bartels an Bismarck Bismarck an Bernstorff Fürst Karl Anton an Fürst Karl Tagebuch Friedrich Wilhelm Bismarck an Bernstorff Perglas an Bray Arnim an Bismarck Perglas an Ludwig II. Bismarck an Bernstorff Werthern an Bismarck Daru an Fleury Bismarck an Friedrich Wilhelm Bismarck an Reuß Benedetti an Daru Bernstorff an Bismarck Waldersee an Moltke Werther an Bismarck Benedetti an Ollivier Arnim an Bismarck Aufzeichnung Fürst Karl Antons

Berlin Wien Berlin Stuttgart Rom Petersburg Berlin Berlin Berlin Bukarest Berlin Berlin o. O. o. O. Rom Berlin München Berlin Berlin Berlin Madrid Jassy Berlin Berlin o. O. Berlin Berlin Rom Berlin Berlin München Paris Berlin Berlin Berlin London Paris Paris Berlin Rom Berlin

28. Februar 1870 28. Februar 1870 Ende Februar 1870 1. März 1870 4. März 1870 5. März 1870 9. März 1870 11. März 1870 11. März 1870 12. März 1870 12. März 1870 13. März 1870 15. März 1870 ca. 15. März 1870 15. März 1870 16. März 1870 16. März 1870 18. März 1870 18. März 1870 18. März 1870 18. März 1870 18. März 1870 20. März 1870 20. März 1870 24. März 1870 25. März 1870 25. März 1870 26. März 1870 28. März 1870 29. März 1870 29. März 1870 29. März 1870 4. April 1870 5. April 1870 7. April 1870 9. April 1870 12. April 1870 18. April 1870 19. April 1870 20. April 1870 22. April 1870

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Dokumentenverzeichnis 274 275* 276 277* 278 279* 280 281* 282 283* 284* 285* 286* 287* 288* 289* 290* 291* 292* 293 294* 295* 296* 297* 298 299* 300 301 302* 303* 304 305* 306* 307* 308 309 310* 311* 312 48

Arnim an Bismarck Gramont on Ollivier Arnim an Bismarck Loftus an Clarendon Thile an Arnim Notiz Wilhelms I. Abeken an Bernstorff Vimercati an Viktor Emanuel Arnim an Bismarck Tkalac an Visconti Venosta Launay an Visconti Venosta Protokoll der Beratung des französischen Kriegsrats Tagebuch Versen Fürst Karl Anton an Friedrich Wilhelm Beust an Metternich Bismarck an Fürst Karl Anton Le Sourd an Gramont Launay an Visconti Venosta Bismarck an Schweinitz Bernstorff an Bismarck Erbprinz Leopold an Friedrich Wilhelm Bismarck an Bernstorff Bismarck an Eichmann Cadore an Gramont Bernstorff an Bismarck Bismarck an Friedrich Wilhelm Eichmann an Bismarck Arnim an Bismarck Versen an Thile Promemoria Arnims für einen deutschen Bischof Bernstorff an Bismarck Wimpffen an Beust Karl Anton an Bismarck Bismarck an Abeken Abeken an Arnim Arnim an Bismarck Benedetti an Gramont Mülinen an Beust Reuß an Bismarck

Rom Wien Rom Berlin Berlin o. O. Berlin Paris Rom Rom Berlin [o. O.]

23. April 1870 26. April 1870 28. April 1870 30. April 1870 1. Mai 1870 4. Mai 1870 5. Mai 1870 6. Mai 1870 7. Mai 1870 8. Mai 1870 13. Mai 1870 19. Mai 1870

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o. O. Nauheim

21. Mai 1870 23. Mai 1870

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Wien Berlin Berlin Berlin Berlin London Benrath

24. Mai 1870 28. Mai 1870 28. Mai 1870 30. Mai 1870 1. Juni 1870 1. Juni 1870 4. Juni 1870

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Berlin Berlin München London Varzin Dresden Rom Reichenhall Rom

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London Berlin Sigmaringen Varzin Ems Rom Berlin Stockholm Petersburg

18. Juni 18. Juni 19. Juni 20. Juni 24. Juni 24. Juni 24. Juni 24. Juni 29. Juni

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Dokumentenverzeichnis 313* 314* 315* 316* 317* 318* 319* 320* 321* 322* 323* 324* 325* 326* 327* 328* 329 330* 331* 332* 333* 334* 335* 336* 337* 338* 339* 340* 341* 342* 343* 344* 345* 346* 347* 348* 349* 350* 351*

Bismarck an Kronprinz Friedrich Wilhelm Saint-Vallier an Gramont Werther an Bismarck Prim an Olozaga Kübeck an Beust Bismarck an Abeken Werther an Wilhelm I. Ollivier an Napoleon III. Gramont an Fleury Beust an Münch Bernstorff an das AA Solms an Bismarck Bismarck an das AA Nigra an Visconti Venosta Howard an Granville Bismarck an Abeken u. AA Reuß an Bismarck Philipp von Flandern an Leopold II. Gramont an Benedetti Bismarck an Schweinitz Bismarck an Abeken u. AA Metternich an Beust Wilhelm I. an Karl Anton Cazaux an Gramont Vimercati an Viktor Emanuel Bismarck an das AA Benedetti an Gramont Metternich an Beust Beust an Metternich Napoleon III. an Gramont Thile an Bismarck Bismarck an Delbrück/Roon Bismarck an AA u. Abeken Bismarck an das Wolffsche Telegraphenbüro Bismarck an Abeken Bismarck an F.A. zu Eulenburg Werther an Wilhelm I. Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Abeken und Werther

Varzin

30. Juni 1870

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Stuttgart Paris Madrid Florenz Varzin Paris Paris Paris Wien London Paris Varzin Paris München Varzin Petersburg Camp de Beverloo Paris Varzin Varzin Paris Ems Wien Paris Varzin Ems Paris Wien Saint-Cloud Berlin Varzin Varzin/Berlin Berlin

30. Juni 1870 1. Juli 1870 3. Juli 1870 4. Juli 1870 5. Juli 1870 5. Juli 1870 6. Juli 1870 6. Juli 1870 6. Juli 1870 7. Juli 1870 7. Juli 1870 8. Juli 1870 8. Juli 1870 8. Juli 1870 9. Juli 1870 9. Juli 1870 9. Juli 1870

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Dokumentenverzeichnis 352* 353* 354* 355* 356* 357* 358* 359* 360* 361* 362* 363* 364* 365* 366* 367* 368* 369* 370* 371* 372* 373* 374* 375* 376* 377* 378* 379 380 381 382 383 384* 385* 386* 387 388* 50

Abeken an Bismarck Benedetti an Gramont Bernstorff an Bismarck Launay an Visconti Venosta Nigra an Visconti Venosta Bismarck an Werther Loftus an Granville Bismarck an F.A. zu Eulenburg Bismarck an Flemming Bismarck an Bernstorff Bismarck an Abeken Bismarck an div. Missionen Bismarck an Werthern Viktor Emanuel an Vimercati Vimercati an Viktor Emanuel Bernstorff an Wilhelm I. Gramont im französ. Senat Bismarck an Werther Bismarck an die süddeutschen Missionen Bismarck an Wentzel Bismarck an Canitz Bismarck an Werthern Bismarck an die Missionen in Karlsruhe und Darmstadt Bismarck an Itzenplitz Bismarck an die Regierungspräsidenten in Aachen und Trier Bismarck an die preuß. Oberpräsidenten Bismarck an diverse Missionen Schweinitz an Bismarck Bernstorff an Bismarck Bernstorff an Bismarck Flemming an Bismarck Bismarck an Bylandt Vimercati an Viktor Emanuel Bismarck an Werthern Bismarck an Landsratsamt Saarbrücken u. Reg.präsident Trier Flemming an Bismarck Bismarck an Bernstorff

Ems Ems London Berlin Paris Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Valsavaranche Paris London Paris Berlin Berlin

13. Juli 13. Juli 13. Juli 13. Juli 13. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 14. Juli 15. Juli 15. Juli 15. Juli

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Berlin Wien London London Karlsruhe Berlin Paris Berlin Berlin

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Karlsruhe Berlin

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Dokumentenverzeichnis 389* 390* 391* 392 393 394* 395* 396* 397* 398 399* 400* 401* 402* 403* 404* 405* 406 407 408 409* 410* 411* 412 413* 414* 415* 416* 417* 418* 419* 420 421 422* 423* 424* 425* 426* 427* 428

Bismarck an Pfuel Bismarck an Flemming Bismarck an Arnim Pfuel an Bismarck Pfuel an Bismarck Napoleon III. an Viktor Emanuel Gramont an die Missionen in Süddeutschland Gramont an Le Sourd Aufzeichnung (kein Autor) Wilhelm I. an Alexander II. Bismarck an Werthern Bismarck an Schweinitz Bismarck an Föhr Bismarck an Brandenburg Bismarck an Pirch Aktenotiz Bismarcks Gramont an Beust Radowitz an Bismarck Bismarck an Radowitz Werder an Wilhelm I. Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Loftus Runderlaß Bismarcks Roeder an Bismarck Sitzung des gemeinsamen Ministerrats Gramont an Malaret Perglas an Ludwig II. Friedrich Wilhelm an Augusta Runderlaß Bismarcks Bismarck an Werthern Bismarck an Herwarth Flemming an Bismarck Reuß an Bismarck Gramont an Beust Bismarck an Brassier Bismarck an Balan Bismarck an Stolberg Bismarck an Reuß Bismarck an Roeder Werthern an Bismarck

Berlin Berlin Berlin Petersburg Petersburg Saint-Cloud

16. Juli 16. Juli 16. Juli 16. Juli 16. Juli 16. Juli

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Paris

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Paris o. O. Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin Paris Bukarest Berlin Peterhof Berlin Berlin Berlin Bern Wien

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Paris Berlin Neues Palais Berlin Berlin Berlin Karlsruhe Petersburg Paris Berlin Berlin Berlin Berlin Berlin München

18. Juli 18. Juli 19. Juli 19. Juli 19. Juli 19. Juli 19. Juli 19. Juli 19. Juli 20. Juli 20. Juli 20. Juli 20. Juli 20. Juli 20. Juli

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Dokumentenverzeichnis 429 430 431* 432* 433* 434* 435* 436* 437* 438* 439 440 441 442 443* 444* 445* 446 447* 448* 449* 450 451 452* 453* 454* 455 456 457 458* 459* 460* 461 462* 463* 464* 465 466 467* 468 469*

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Schweinitz an Bismarck Reuß an Bismarck Reuß an Wilhelm I. Loftus an Granville Bismarck an Arnim Visconti Venosta an Artom Runderlaß Gramonts Beust an Metternich Launay an Visconti Venosta Bismarck an Brassier Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Keyserling an Bismarck Tagebuch Schweinitz Gramont an Saint-Ferréol Bismarck an Bernstorff Wentzel an Bismarck Gramont an Saint-Ferréol Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Schweinitz Alexander II. an Wilhelm I. Radowitz an Bismarck Gramont an La Tour Chotek an Beust Bismarck an Arnim Bernstorff an das AA Reuß an Bismarck Wilhelm I. an Alexander II. Krause an Bernstorff Franz Joseph an Napoleon III. Le Sourd an Gramont Wilhelm I. an Alexander II. Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Bernstorff Bismarck an Reuß Bernstorff an das AA Bismarck an Bernstorff Launay an Visconti Venosta Radowitz an Bismarck Ludwig II. an Friedrich Wilhelm

Wien Alexan­drowsk. Petersburg Berlin Berlin Florenz Paris Wien Berlin Berlin Krasnoe Selo Krasnoe Selo Petersburg Buyukdere Wien Paris Berlin Darmstadt Paris Berlin Berlin Peterhof Bukarest Paris Petersburg Berlin London Petersburg Berlin London Schönbrunn Paris Berlin Berlin Berlin Berlin London Berlin Berlin Bukarest o. O.

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Bernstorff an Bismarck Franz Joseph an Viktor Emanuel Bismarck an Bernstorff Bernstorff an Bismarck Loftus an Granville Bernstorff an Bismarck Bismarck an Wesdehlen Bismarck an Bernstorff Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Schutz- und Trutzbündnis zw. Österreich und Italien Bernstorff an Bismarck Bernstorff an Bismarck Vimercati an Venosta Gramont an Cadore/SaintFerriol Bismarck an F.A. zu Eulenburg Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff Keyserling an Bismarck Reuß an Bismarck Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Wilhelm I. an Ludwig II. Bismarck an das AA Bismarck an das AA Thile an Bismarck Bismarck an Thile Bismarck an Bernstorff Reuß an das AA Reuß an Bismarck Werthern an Bismarck Tagebuch Dalwigk Perglas an Ludwig II. Allianzvertrag zwischen Italien u. Österreich Bismarck an das AA Bismarck an Wesdehlen Reuß an Bismarck

London Schönbrunn

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Berlin London Berlin London Berlin Berlin London Ropscha Wien

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Gramont an Malaret Visconti Venosta an Minghetti Tagebuch Bamberger Thile an Bismarck Bismarck an Wesdehlen Viktor Emanuel an Franz Joseph Bismarck an Bernstorff Bismarck an Reuß Reuß an Bismarck Richthofen an Bismarck Beust an Metternich Fürst Karl Anton an Fürst Karl Bismarck an Werthern Thile an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an Schweinitz Bismarck an F.A. zu Eulenburg Radowitz an Bismarck Bismarck an das AA Bismarck an Rosenberg Bismarck an Fernow Bismarck an Reuß Bismarck an das AA Reuß an Bismarck Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff Bismarck an Flemming Bismarck an Bernstorff Brassier an das AA Bismarck an Brassier Bismarck an Reuß Kronprinz Albert an König Johann Lyons an Granville Bismarck an Schweinitz Bismarck an Reuß Werthern an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an das AA

Paris Florenz Mainz Berlin Homburg o. O.

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Saarbrücken Saarbrücken Petersburg Stockholm Wien o. O. Saarbrücken Berlin Petersburg Faulquemont Faulquemont Bukarest Herny Herny Herny Herny Herny Petersburg London Petersburg P.-à-Mousson P.-à-Mousson P.-à-Mousson P.-à-Mousson Florenz P.-à-Mousson P.-à-Mousson Jeandelize

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Paris Commercy Bar-le-Duc München Bar-le-Duc Bar-le-Duc

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Bismarck an Thile Werthern an Holnstein Bismarck an Bernstorff Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an das AA Gordon an Granville Bismarck an Reuß Friedrich I. an Jolly Bismarck an Balan Wilhelm I. an Alexander II. Reuß an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an das AA Denkschrift Jollys Bismarck an Brassier Bismarck an Schweinitz Bismarck an die Gattin Bismarck an das AA Denkschrift Roggenbachs Bismarck an A. zu Eulenburg Bismarck an O. v. Manteuffel Bismarck an Schweinitz Bismarck an Werthern Bismarck an Flemming Brassier an Bismarck Lyons an Granville Favre an Tissot Rosenberg an Bismarck Schweinitz an Bismarck Schweinitz an Bismarck Reuß an das AA Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff Denkschrift Victorias Reuß an Bismarck Bismarck an Thile Friesen an Könneritz Reuß an Thile Bismarck an Thile Brassier an Bismarck Thile an Reuß

Bar-le-Duc München Bar-le-Duc Petersburg Petersburg Clermont Stuttgart Grand Pré Lampertheim Grand Pré o. O. Petersburg Vendresse Donchery o. O. Vendresse Vendresse Vendresse Varennes Monrepos Reims Reims Reims Reims Reims Florenz Paris Paris Stuttgart Wien Wien Petersburg Reims Reims Balmoral Petersburg Reims Dresden Petersburg Reims Florenz Berlin

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Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Reuß Bismarck an Flemming Bismarck an das AA Roeder an Bismarck Thile an Bismarck Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Denkschrift Brays Tagebuch Schweinitz Visconti an Launay Runderlaß Bismarcks Bismarck an Rosenberg

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Bismarck an das AA Thile an Bismarck Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Schweinitz an Bismarck Arnim an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an Schweinitz Bismarck an Reuß Bismarck an Reuß Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Thile an Bismarck Malet an Lyons Bismarck an Brassier Brassier an das AA Bismarck an Schweinitz Bismarck an Favre Thile an Bismarck Bismarck an das AA Wentzel an Bismarck Bismarck an Eichmann Jansen an Großherzog Peter Bismarck an Wentzel Bismarck an Schweinitz Friedrich I. an Jolly Bismarck an Delbrück

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Reims Reims Reims Reims Bern Berlin Petersburg Petersburg Petersburg München Wien Florenz Reims ChâteauThierry Meaux Berlin London Petersburg Wien Rom Meaux Meaux Meaux Meaux Meaux Meaux Berlin Paris Meaux Florenz Meaux Meaux Berlin Meaux Darmstadt Meaux Karlsruhe Ferrières Ferrières Lampertheim Ferrières

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Bismarck an Friedrich Wilhelm Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Favre an die Mitglieder der Regierung der Nationalen Verteidigung Eichmann an Bismarck Gaertner an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an das AA Reuß an Bismarck Bismarck an Werthern Bismarck an Arnim Bismarck an Reuß Bismarck an Schweinitz Reuß an Bismarck Bismarck an das Preußische Staatsministerium Wilhelm I. an Augusta Bismarck an das Preußische Staatsministerium Bismarck an Reuß Schweinitz an Bismarck Runderlaß Bismarcks Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Arnim an Bismarck Bray an Ludwig II. Mohl an Jolly Bismarck an das AA Bismarck an Schweinitz Bismarck an Balan Arnim an Bismarck Bismarck an Friedrich Karl Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an Schweinitz Bismarck an Eichmann Pius IX. an Wilhelm I. Bismarck an das AA Bismarck an Suckow Bismarck an Fürstin Sayn Bismarck an Brassier

Ferrières Ferrières Ferrières Paris

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Bismarck an Ernst II. Bismarck an Flemming Schweinitz an Bismarck Bismarck an das AA Das bayerische Ministerium an Ludwig II. Brassier an das AA Bismarck an Brassier Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Bismarck an Perponcher Paget an Granville Granville an Buchanan Bismarck an Gerolt Schweinitz an Bismarck Wilhelm I. an Leopold Launay an Visconti Venosta Bismarck an Wentzel Bismarck an Ledóchowski Bismarck an Werthern Friedrich I. an Friedrich Wilhelm Gautier im Gespräch mit Bismarck Bismarck an Bernstorff Loftus an Granville Reuß an Bismarck Thile an Reuß Bismarck an Schweinitz Thile an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Bismarck an Gerolt Alexander II. an Wilhelm I. Friedrich I. an Ludwig II. Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an Thile Bismarck an Bray Tagebuch Dalwigk Lyons an Granville Bismarck an Reuß

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Gladstone an Lyons Tagebuch Bamberger Bismarck an Reuß Bismarck an Brassier Tagebuch Friedrich I. Waecker an Bismarck Waecker an Bismarck Arnim an Bismarck Bismarck an Thile Bismarck an Arnim Bismarck an Reuß Bernstorff an Bismarck Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Wilhelm I. an Ludwig II. Schweinitz an Bismarck Tagebuch Friedrich I. Tagebuch Friedrich Wilhelm Bismarck an das AA Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Bismarck an Wilhelm I. Thile an Bismarck Bernstorff an Bismarck Radowitz an Bismarck Reuß an Bismarck Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Tagebuch Werthern Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Bismarck an Thile Bismarck an das AA Tagebuch Friedrich I. Aufzeichnung Bismarcks Bismarck an Reuß Keyserling an Thile Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Wilhelm I. an Johann Gelzer an Friedrich I. Bismarck an Bernstorff

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Bismarck an Delbrück Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Bismarck an Schweinitz Thile an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Bernstorff Bismarck an Thile Bismarck an Delbrück Bismarck an Ludwig II. Bismarck an Reuß Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Bernstorff Bismarck an Reuß Ludwig I. an die deutschen Fürsten und Städte Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an das Preußische Staatsministerium Reuß an das AA Bernstorff an das AA Bismarck an das AA Runderlaß Bismarcks Bismarck an Schweinitz Reuß an das AA Tagebuch Bamberger Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Reuß Reuß an Bismarck Bismarck an Arnim Thile an Bismarck Bismarck an Radowitz Arnim an Bismarck Bismarck an Arnim Bismarck an Delbrück Tagebuch Friedrich Wilhelm Reuß an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Radowitz an Bismarck Hammer an Dubs

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24. November 24. November 24. November 24. November 25. November 26. November 26. November 26. November 26. November 27. November 27. November 27. November 28. November 28. November 29. November 30. November

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Viktoria an Victoria Radowitz an Bismarck Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Bernstorff Karl an Viktor Emanuel Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an Arnim Bismarck an Schweinitz Bismarck an Bernstorff Bismarck an Schweinitz Bismarck an das AA Bernstorff an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff O. Russell an Granville Heinrich an Wilhelm I. Wilhelm I. an Heinrich Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Werthern an Eisenhart Bismarck an Arnim Bismarck an Reuß Bernstorff an Bismarck O. Russell an Granville Bismarck an Reuß Bismarck an Werthern Bismarck an Bernstorff Tagebuch Friedrich I. Arnim an Bismarck Bismarck an das AA Bismarck an das AA Bismarck an Canitz O. Russell an Granville Tagebuch Friedrich Wilhelm Bismarck an Rosenberg Bismarck an Schweinitz Victoria an Viktoria Arnim an Bismarck Bismarck an Bernstorff Bismarck an Wilhelm Bismarck an Thile

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11. Dezember 1870 11. Dezember 1870 12. Dezember 1870 13. Dezember 1870 13. Dezember 1870 14. Dezember 1870 14. Dezember 1870 14. Dezember 1870 15. Dezember 1870 15. Dezember 1870 16. Dezember 1870 16. Dezember 1870 17. Dezember 1870 18. Dezember 1870 18. Dezember 1870 18. Dezember 1870 18. Dezember 1870 19. Dezember 1870 20. Dezember 1870 20. Dezember 1870 20. Dezember 1870 21. Dezember 1870 22. Dezember 1870 22. Dezember 1870 22. Dezember 1870 24. Dezember 1870 24. Dezember 1870 25. Dezember 1870 25. Dezember 1870 26. Dezember 1870 28. Dezember 1870 30. Dezember 1870 30. Dezember 1870 30. Dezember 1870 31. Dezember 1870 1. Januar 1871 1. Januar 1871 3. Januar 1871 3. Januar 1871 4. Januar 1871 5. Januar 1871 5. Januar 1871

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Bismarck an Heinrich Bismarck an die luxemburgische Regierung Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Reuß Bismarck an Reuß Bismarck an Reuß Bismarck an Karl Bismarck an Werthern Bismarck an Bernstorff Wilhelm I. an Ludwig II. Bismarck an Brassier Lyons an Granville Wilhelm I. an Karl Bismarck an Wilhelm I. Schweinitz an Bismarck Reuß an Bismarck Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Favre Bismarck an Itzenplitz Bismarck an Kern Bernstorff an Bismarck Bismarck an das AA Leopold an Antoinette Bismarck an Bernstorff Bismarck an Flemming Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Bernstorff Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Reuß an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Reuß an Bismarck Bismarck an Wilhelm I. Schweinitz an Friedrich Wilhelm Bismarck an Bismarck-Bohlen Bismarck an das AA Bernstorff an Bismarck Reuß an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an das AA

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Bismarck an Bernstorff Wentzel an Bismarck Arnim an Bismarck Bismarck an Gerolt Bismarck an das AA Bismarck an Reuß Bismarck an Schweinitz Bismarck an Roeder Tagebuch Friedrich I. Bismarck an Bernstorff Bismarck an Bernstorff Werthern an Bismarck Keyserling an Bismarck

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Bismarck an Schweinitz Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff Bismarck an Trochu Reuß an Bismarck Bismarck an Werthern Bismarck an Reuß Werthern an Bismarck Reuß an Bismarck Bismarck an das AA Tagebuch Friedrich I. Reuß an Bismarck Landsberge an Gericke Bismarck an das AA Bismarck an Bernstorff Bismarck an Roeder Bismarck an das AA Reuß an Bismarck Kern an Schenk Bismarck an Bernstorff Launay an Visconti Venosta Favre an Bismarck Bernstorff an das AA Bernstorff an Bismarck

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Dokumente

2*. Bismarck an Solms, Berlin, 19. Februar 1869

1*. Aristarchi Bey an Aali Pascha1 Aristarchi Bey, L’itinéraire S. 221–222. Tagebucheintragung.

Der Fürst von Montenegro2 ist, von St. Petersburg kommend, in Berlin empfangen worden. Der russische Botschafter hat ihn mit größter Aufmerksamkeit behandelt. Bismarck hat ihm – mit Blick auf einen künftigen Krieg mit Frankreich – sehr wahrscheinlich territoriale Vergrößerungen versprochen. Berlin, 15. Februar 1869 2*. Bismarck an Solms3 Bismarck, GW VIa S. 558–560. Erlaß.

Angesichts der aufgeregten Alarmartikel in der Pariser Presse4 soll er wissen, „daß wir den Krieg nicht fürchten“. Die Pressepolemik in Frankreich soll sich selbst überlassen bleiben. Berlin, 19. Februar 1869

1  Janko Aristarchi Bey (1822–1897), türkischer Gesandter in Berlin 1860–1874, Botschafter 1874–1876. – Edition seiner Briefe: Aristarchi Bey, De Bagdad à Berlin. – Mehmed Emin Aali Pascha (1815–1871), Großwesir 1867–1871. 2  Nikolaus (Nikita) Petrović Njegoš (1841–1921), Fürst von Montenegro 1860– 1910, König 1910–1918. – Nikolaus war im Januar/Februar 1869 auf einer Reise an die Höfe von St. Petersburg, Berlin und Wien; am 19. Februar kehrte er nach Cettinje zurück. – Der im folgenden genannte: Paul von Oubril (1819–1896), russischer Gesandter (1871 Botschafter) in Berlin 1863–1880. – Der dann genannte: Otto Graf (1871 Fürst) von Bismarck (1815–1898), preußischer Ministerpräsident 1862–1873, 1873–1890; Reichskanzler 1871–1890. – Innerhalb seiner Gesammelten Werke ist Band VIb von herausragender Bedeutung für diese Edition. 3  Eberhard Graf zu Solms-Sonnenwalde (1825–1912), Botschaftssekretär/Legationsrat in Paris und zeitweise Geschäftsträger 1863–1870; politischer Berater des Kronprinzen ab 23. Juli 1870. 4  Die Pariser Presse (besonders die Regierungsblätter) führte seit Mitte Februar 1869 eine Kampagne gegen die belgische Regierung, die soeben über die Kammer ein Gesetz verabschiedet hatte, das die Abtretung von Eisenbahnen an ausländische Gesellschaften erschwerte. Die französische Ostbahngesellschaft hatte am 31. Januar 1869 mehrere Konventionen wegen Übernahme von drei Eisenbahngesellschaften (darunter die Großluxemburgerbahn von Arlon nach Brüssel) geschlossen. Das wurde in der Presse als Anfang einer Annexion Belgiens durch Frankreich angesehen. Vgl. unten besonders Nr. 21.

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5*. Vimercati an Kaiser Napoleon III., Paris, 25. Februar 1869

3*. Werthern5 an Bismarck Becker, „Diversion“ I S. 92–95. Bericht.

Die Zustände in Bayern, besonders an der Spitze, sind unberechenbar. In einem Krieg mit Frankreich würde Bayern keine solide Stütze sein. Auf den „unzurechnungsfähigen“ König6 ist überhaupt nicht zu rechnen. München, 23. Februar 1869 4.* Oubril an Gorčakov7 Becker, „Diversion“ I S. 97–99. Bericht (Auszug). – Vgl. auch ebenda S. 113–115, 119–121.

Audienz bei König Wilhelm I.8: Dieser zeigt sich erleichtert über die Beilegung des griechisch-türkischen Konflikts; doch die Völker im türkischen Reich würden sich emanzipieren, früher oder später; das gleiche gelte auch für das Zusammenwachsen von Nord- und Süddeutschland. Berlin, 25. Februar 1869 5*. Vimercati an Kaiser Napoleon III.9 DDI I,11 S. 144. Immediatschreiben.

König Viktor Emanuel nimmt den Allianzvertrag mit Frankreich und Österreich an. Paris, 25. Februar 1869 5  Georg Graf von Werthern (1816–1895), Gesandter in München 1867–1888. – Sein Tagebuch und seine politische Korrespondenz 1867–1888: Werthern, Ein preußischer Gesandter. 6  Ludwig II. (1845–1886), König von Bayern 1864–1886. 7  Aleksandr Michajlovič Gorčakov (1798–1883), russischer Außenminister 1856– 1882; Vizekanzler und (seit 1867) Reichskanzler 1862–1882. 8  Wilhelm I. (1797–1888), König von Preußen 1861–1888; Deutscher Kaiser 1871–1888; verheiratet 1829 mit Augusta (1811–1890). Zum folgenden: Auf der zum Osmanischen Reich gehörenden Insel Kreta war im Frühjahr 1866 ein Aufstand ausgebrochen, der zwei Jahre danach an Heftigkeit zunahm, auf der europäischen Konferenz von Paris im Januar 1869 jedoch beigelegt wurde. Zahlreich Quellen dazu im vorausgehenden Band X der APP. 9  Ottaviano conte Vimercati (1815–1879), Legationsrat an der italienischen Gesandtschaft in Paris 1862–1874. – Napoleon III. (1808–1873), Kaiser der Franzosen 1852–1870. – Der im folgenden genannte: Viktor Emanuel II. (1820–1878), König von Italien 1861–1878. – Zum folgenden „Allianzvertrag“: Durch den verlorenen Krieg im Sommer 1866 hatte Österreich die Nähe zu Frankreich gesucht. Im August

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7. Bismarck an Reuß, Berlin, 28. Februar 1869

6*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 1–2. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 2–5; Becker, „Diversion“ I S. 104–107.

Die deutsche Einheit gewaltsam herbeizuführen bedeutet „ein Abschlagen unreifer Früchte“. Wir können die Uhren vorstellen, die Zeit geht aber deshalb nicht rascher. Berlin, 26. Februar 1869 7. Bismarck an Reuß10 PA Berlin, RZ 201/12099, S. 79–80. Erlaß. Superrevidiertes Konzept.

No. 110. 

Berlin, 28. Februar 1869

Ew. beehre ich mich, auf den gef. Bericht No. 29. v. 22. Febr. d. betreffend die neuartigen Bedenken der Pforte gegen den Empfang Rumänischer Agenten an fremden Höfen ergebenst mitzutheilen, daß ich auf eine analoge Anfrage des hiesigen Türkischen Gesandten mich dahin geäußert habe, man scheine auf die praktisch wenig bedeutende Frage zu viel Gewicht zu legen und ihr ohne Noth größere Dimensionen zu geben. Wir hätten aus dem deutschen Bundesverhältniß in Beziehung auf das Gesandtschaftswesen zu reiche Erfahrungen, um nicht zu der Ueberzeugung gelangt zu sein, daß, wenn ein Fürst im Verbande des Türkischen Reiches an Bedeutung genug habe, um fremden Mächten Beziehungen zu ihm wünschenswerth zu machen, es vergebene Mühe sei, die Mittel u. Wege dazu verschränken [!] zu wollen. Consuln wären im vorliegenden Falle schon vorhanden. Man würde dem Fürsten von Rumänien11 neben der directen Correspondenz über praktisch wichtige Interessen die Verhandlung durch Agenten – welche jedem Privatmann offen stehen – doch nicht verwehren können.

1867 kam es in Salzburg zu einem Treffen zwischen Franz Joseph und Napoleon III., auf dem eine Verständigung zwischen beiden Mächten zustande kam, die eine Vorbereitung zu einem künftigen gemeinsamen Krieg gegen Preußen zum Ziel hatte. Seit diesem Treffen kam es immer wieder zu Anläufen zu einem Allianzvertrag, in den auch Italien einbezogen wurde. Aufzeichnungen über das Salzburger Treffen in: Eu­ ropa und die Türkei Nr. 836*. 10  Heinrich VII. Prinz Reuß (jüngere Linie) (1825–1906), Botschafter in St. Peters­ burg 1867–1876. 11  Karl (1839–1914), Prinz von Hohenzollern-Sigmaringen; Fürst (1881 König) von Rumänien 1866–1914. 69

8*. Hohenlohe-Schillingsfürst an Pergler von Perglas, [München] Ende Februar 1869

Bisher sei die Anforderung der Akkreditirung eines officiellen diplomatischen Agenten von seiten der Rumänischen Regierung noch nicht an uns gestellt worden. Es sei nur in Aussicht, daß H. Steege12 als offiziöser Agent sich in Berlin zu Verhandlungen über verschiedene Fragen wie Consularjurisdiction und andere einfinden werde. Solche Beziehungen würden den beiderseitigen Interessen nur förderlich sein können. Und wir glaubten, Einwendungen dagegen von Seiten der Pforte um so weniger erwarten zu dürfen, als in Paris seit Jahren eine ganze Reihe an Rumänischen Agenten in lebhaftestem geschäftlichem Verkehr mit dem dortigen Ministerium gestanden hätten, und zwar in Formen, welche ihrer Stellung fast einen officiellen Character liehen. Uns ist nicht bekannt, daß von seiten der Pforte jemals Bedenken dagegen geltend gemacht worden sind. Ich schließe Abschrift eines Berichts des k. Botschafters in London13 vom 14n Febr. cr. mit dem ergebensten Bemerken hier an, daß ich demselben, jedoch lediglich zu seiner persönlichen Orientirung, von dem gegenwärtigen Erlasse Kenntniß gebe. 8*. Hohenlohe-Schillingsfürst an Pergler von Perglas14 Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 347–350. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 382.

Zur Frage, ob das gemeinsame Eigentum Nord- und Süddeutschlands am beweglichen Material in den Festungen Ulm, Rastatt und Landau erhalten bleiben soll: Die Mitwirkung Norddeutschlands bleibt bestehen, nur das Maß der Beteiligung muß noch festgelegt werden. Die Schutz- und Trutzbündnisse von 186615 sind davon unberührt. Die Verwaltung des Festungsmaterials soll der Festungskommission anvertraut werden; an dieser ist Norddeutschland beteiligt; sie sollte bald ins Leben gerufen werden. [München] Ende Februar 1869

12  Ludovic Steege (1813–1872), Finanzminister der Donaufürstentümer 1853– 1865; später Politischer Agent gleichzeitig in Wien, Berlin, St. Petersburg. 13  Albrecht Graf von Bernstorff (1809–1873), Botschafter in London 1862–1873. – Quellen: Bernstorff, Im Kampfe um Preußens Ehre S. 613–652. 14  Fürst Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1819–1901), bayerischer Ministerpräsident und Außenminister 1866–1870; später Reichskanzler 1894–1900. – Maximilian Joseph Freiherr Pergler von Perglas (1817–1893), bayerischer Gesandter in Berlin 1868–1877. 15  Diese Bündnisse waren von Bismarck getrennt mit Württemberg, Baden, Bayern und Hessen-Darmstadt im August 1866 abgeschlossen worden. Die Partner verpflichteten sich im Kriegsfall zu gegenseitiger militärischer Unterstützung; sie führten auch zur Reorganisation der süddeutschen Truppen nach preußischem Muster.

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11* Launay an Menabrea, Berlin, 1. März 1869

9*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 5–6. Erlaß.

Er bedankt sich dafür, daß Lord Clarendon16 gegenüber der französischen Regierung klargestellt hat, daß Preußen bei der belgischen Regierung keinen Einfluß in der Eisenbahnfrage ausgeübt habe. Berlin, 1. März 1869 10. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9863, S. 186–187. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. März 1869.

No. 36.

St. Petersburg, 1. März 1869

Seine Majestät der Kaiser17 sagte mir gestern, er habe soeben eine Expedition aus Berlin erhalten, welche außerordentlich befriedigend laute. Seine Majestät der König hätte den Herrn von Oubril sehr gnädig empfangen und Letzterer vor seiner Abreise eine Unterredung mit Eurer Excellenz gehabt, die ihn, den Kaiser, sehr erfreut hätte. Euer Excellenz hätten unter anderem dem Russischen Gesandten gesagt: Im Falle eines Conflictes würde Rußland auf Preußen und auf den Norddeutschen Bund zählen können. Da unsere Unterhaltung hier unterbrochen wurde, so gab mir der Kaiser keine weitere Andeutung, aus der ich hätte schließen können, worauf sich diese Aeußerung Eurer Excellenz bezogen hat. Ich habe nur constatiren können, daß die Wolke der Verstimmung, die ich hier in letzter Zeit hatte wahrnehmen können, vollständig verschwunden zu sein scheint. Seine Majestät bemerkte nur noch flüchtig: Man scheint in Berlin nicht recht zufrieden mit Graf Solms zu sein. 11* Launay an Menabrea18 DDI I,11 S. 153–155. Vertraulicher Bericht.

Unterredung mit Bismarck: Der belgischen Eisenbahnfrage lägen möglicherweise Börsenspekulationen zugrunde. Wenn Napoleon Preußen zum 16  George Villiers, 4th Earl of Clarendon (1800–1870), mehrmals englischer Außenminister, zuletzt 1868–1870. 17  Alexander II. (1818–1881), Zar 1855–1881. 18  Eduardo conte de Launay (1820–1892), italienischer Gesandter (1876 Botschafter) in Berlin 1867–1892. – Federico Luigi conte Menabrea (1809–1896), italienischer General; Außenminister und Ministerpräsident 1867 – November 1869.

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13*. Metternich an Beust, Paris, 1. März 1869

Krieg provozieren wolle, dann werde er – Bismarck – das im Vertrauen auf „unsere Sache und auf unsere Armee“ akzeptieren. Frankreich wolle Belgien möglicherweise als Pfand nehmen. Im Kriegsfalle könne Preußen auf Nordamerika zählen. – Der Hinweis auf Amerika darf als besondere Pointe gelten. Berlin, 1. März 1869 12*. Allianzvertrag zwischen Italien, Österreich und Frankreich DDI I,11 S. 157–159. Entwurf. – Vgl. auch ebenda S. 165, 167–168, 171, 175, 186, 192–193, 204–205, 209, 224–225, 264–266, 267–268, 269–271, 287–289, 305, 309, 313–315, 325, 345 Anm. 1.

Die Unterzeichner garantieren ihre jeweiligen Territorien19. – Sie verständigen sich über eine gemeinsame Haltung zum Vatikanischen Konzil. – Im Kriegsfall stellt Italien seinen Verbündeten eine Armee von 200.000 Mann zur Verfügung. – Im Fall eines siegreichen Krieges stimmt Österreich der Abgabe von Welschtirol an Italien zu. – Falls die Aufrechterhaltung der Neutralität der Schweiz nicht möglich ist, kann Italien das Tessin annektieren. [Paris, 1. März 1869] 13*. Metternich an Beust20 Oncken, Rheinpolitik III S. 117–120. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 120– 134, 135–141, 142–152, 157–169, 171.

Vitzthum überbringt den Allianzvertrag: „C’est une occasion!“ Ich erachte den Moment als den wichtigstem meines Lebens und Österreichs. Der Ver19  Zu den Bemühunen um eine Tripelallianz 1867–1870 vgl. ausführlich Lutz, Österreich-Ungarn S. 73–94, 113–153. – Zum folgenden: Derzeit wurde vom Vatikan das (Erste) Vatikanische (in den Quellen hier auch Ökumenische) Konzil vorbereitet. Schon jetzt kam es über eine geplante Festlegung der Unfehlbarkeit des Papstes (bei Entscheidungen ex cathedra in Glaubens- und Sittenfragen) zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Gegnern und Befürwortern. An der Spitze der deutschen Gegner stand der bayerische Theologe Ignaz Döllinger. Das Konzil wurde am 8. Dezember 1869 eröffnet und am 20. Oktober 1870 nach der Einnahme Roms durch italienische Truppen während des Deutsch-Französischen Kriegs abgebrochen. – Neueste Darstellungen: Schatz, Vaticanum I. 20  Richard Fürst von Metternich-Winneburg (1829–1895), österreichischer Botschafter in Paris 1859–1871. – Friedrich Ferdinand Graf von Beust (1809–1895), sächsischer Ministerpräsident 1856–1866; österreichisch-ungarischer Außenminister 1867–1871; Botschafter in London 1871–1878, in Paris 1878–1882. – Der im folgenden genannte: Karl Friedrich Graf Vitzthum von Eckstädt (1819–1895), österreichischer Gesandter in Brüssel 1868–1873. – Er war einer der ganz wenigen Diplomaten, die in die Tripelallianz eingeweiht waren.

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16*. Bismarck an Rosenberg, Berlin, 5. März 1869

trag sichert die Integrität unseres Landes und unser Recht, nach dem Krieg Territorialveränderungen vorzunehmen. Paris, 1. März 1869 14*. Bismarck an Rosenberg21 Bismarck, GW VIb S. 7. Erlaß.

Er soll alles vermeiden, was den Eindruck erwecken könnte, daß Preußen der Bildung eines süddeutschen Bundes sympathisch gegenüberstünde. Berlin, 3. März 1869 15*. Welti an Roeder22 Documents dipl. suisses II S. 262–263. Notiz. – Vgl. auch ebenda S. 269, 272, 305–306, 312–319, 334–335, 339–341, 350–351, 354–356, 363–364.

Es wäre nützlich, wenn Preußen sich an den Schweizer Bundesrat wendete, daß es über den Bau einer Alpenbahn, eventuell über den Gotthard, in Unterhandlungen treten würde. Bern, 3. März 1869 16*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 8. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 29–30, 37, 46–47, 60–62, 64–66, 74–75, 104, 117–118; OD XXIV S. 4–8, 15–22, 27–28, 64–66, 89–91, 116–118, 130–136, 142–144, 158–159, 165–166, 172–174, 179–180, 203–207, 227–230, 234–237, 239–240, 258–261, 272–277, 282–284, 289–291, 299–301, 307–310, 316–317, 328–329, 354–356; XXV S. 3–5, 9–11, 15–17, 28, 32–34, 41–42, 74–76, 93–95, 97–98, 100, 102–103, 117–120, 121–123, 133–134, 151– 154, 161–165, 172–173, 190–192, 199–201, 203–205, 322, 360–362.

Er soll bei nächster Gelegenheit betonen, daß der Norddeutsche Bund weiterhin Miteigentümer am Festungsmaterial in Süddeutschland sei. Berlin, 5. März 1869

21  Adalbert Ernst Frhr. von Rosenberg (1818–1880), preußischer Gesandter in Stuttgart 1867–1872. 22  Emil Welti (1825–1899), Schweizer Bundespräsident 1869 (danach weiter fünfmal). – Maximilian Heinrich von Roeder (1804–1884), Generalleutnant (Charakter 1866); preußischer (1871 deutscher) Gesandter in Bern 1867–1882.

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18*. Bismarck an Reuß, Berlin, 9. März 1869

17. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4311, S. 175–177. Telegramm. Entzifferung.

No. 27.

London, 5. März 1869, 7 Uhr 56 Min. N.M. Ankunft: 6. März 1869, 12 Uhr 55 Min. V.M.

Lord Clarendon ist sehr besorgt wegen der belgischen Frage, weil der Kaiser der Franzosen selbst behauptet, daß er eine Ohrfeige erhalten habe, die er nicht hinnehmen könne. Der Kaiser verlangt nichts weniger, als daß die belgische Regierung trotz des neuen Gesetzes23 den Kaufcontract der französischen Eisenbahn-Compagnie genehmige. Marquis de La Valette24 ist übrigens vernünftig, und Lord Clarendon meint, daß Frankreich unmöglich zu Gewaltthätigkeiten schreiten könne, ohne vorher von der in der letzten Sitzung der Conferenz von dem Präsidenten selbst ausdrücklich wieder in Erinnerung gebrachten Pariser Declaration von 1856 Gebrauch zu machen. England hat seine Vermittlung nicht angetragen, Clarendon würde aber bereit sein, sie eintreten zu lassen. Er sieht die Frage als viel gefährlicher an, wie die türkisch-griechische es war, und scheint jetzt zu der Ueberzeugung gekommen zu sein, daß Napoléon in der Annexion Belgiens eine Entschädigung für die Vergrößerung Preußens suchen will. Das Englische Ministerium ist gut gesinnt und würde wahrscheinlich nicht abgeneigt sein, Belgien zu schützen, wenn andere Garantie-Mächte auch dafür einträten. 18*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 10–11. Geheimer Erlaß.

Er hat zwar dem russischen Gesandten Oubril signalisiert, Preußen werde Rußland im Falle eines Konflikts zur Seite stehen, werde aber dafür sorgen, durch Diversionen das Odium eines Krieges auf Frankreich zu lenken. Berlin, 9. März 1869 23  Text des Gesetzes in Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 419. Vgl. auch ausführlich ebenda S. 419–423. – Zur politischen Bedeutung des Gotthardbahnbaus vgl. Becker, „Diversion“ I S. LXXII–LXXVIII. 24  Charles marquis de La Valette (1806–1881), französischer Außenminister Dezember 1868 – Juli 1869; Botschafter in London 1869–1870. – Die im folgenden genannte Pariser Deklaration von 1856: Der Pariser Friedensvertrag vom 30. März 1856, der den Krimkrieg beendete, bestimmte in Art. 8, daß bei Unstimmigkeiten zwischen den Signatarmächten und der Hohen Pforte (der Türkei) vor Anwendung von Gewalt die Vermittlung der anderen Vertragsmächte angerufen werde. Dieser Artikel war ein wichtiger Schritt in der „friedlichen Streitbeilegung“, einem neuen Institut des Völkerrechts.

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21. König Leopold an Kronprinz Friedrich Wilhelm, Bruxelles, ce 10 Mars 1869

19*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 12. Vertraulicher Erlaß.

Er soll dem Fürsten Gorčakov einen Bericht des preußischen Generalkonsuls25 in Warschau über „polnische Umtriebe“ unauffällig vorlesen. Berlin, 9. März 1869 20*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 13–14. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 316–317.

Preußen hat kein Interesse an den Ostseeprovinzen; Rußland allein hat zu beurteilen, wie es mit dem deutschen Element dort umgehe. Berlin, 9. März 1869 21. König Leopold an Kronprinz Friedrich Wilhelm26 PA Berlin, RZ 201/4311, S. 292–295. Handschreiben. Behändigte Abschrift. Praes.: 15. März 1869.

Bruxelles, ce 10 Mars 1869, au soir Mon cher Fritz. Notre horizon se charge de gros nuages vers le midi. Je crois qu’il est bon que tu saches ce qui s’est passé. Le voici en quelques mots : Deux compagnies de chemin de fer B e l g e s ont, contrairement à nos protestations, vendu leurs lignes à la Société Française de l’est. Ces sortes de transactions ne peuvent dans aucun pays se faire sans l’autorisation du Gouvernement. Afin de renforcer le droit que nous avons comme tout État d’empêcher c h e z l u i les Compagnies de vendre leurs chemins de fer sans en avoir au préalable reçu la permission, nous avons fait une nouvelle loi. La France s’est alors t o u t à c o u p vivement émue, elle se dit o f f e n s é e et prétend vouloir nous obliger c h e z n o u s de remettre nos chemins de fer à une Compagnie que nous avons repoussée. La Presse officieuse de Paris 25  Julius Frhr. von Rechenberg (1811–1892), Legationsrat; preußischer Generalkonsul in Warschau 1862–1892. 26  Leopold II. (1835–1909), König der Belgier 1865–1909. – Friedrich Wilhelm (1831–1888), Kronprinz; Deutscher Kaiser 1888; verheiratet 1858 mit Viktoria (1840–1901), geb. Princess Royal von Großbritannien und Irland; Kaiserin 1888.

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22. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 11. März 1869

nous a accablés d’injures et on assure que le Cabinet impérial agite la question d’une rupture. Nous ferons à la France toutes les concessions compatibles avec notre honneur, notre indépendance et notre neutralité. Mais je ne pense pas que l’Europe reconnaisse le droit que la France semble vouloir s’arroger de dicter à ses voisins la façon dont leurs chemins de fer seront exploités. Je n’ai pas cru le moment venu d’écrire tout exprès au Roi Ton Père; ce serait élargir encore les proportions d’un conflit qu’il faut, au contraire, chercher à restreindre. Mais j’ai cru devoir te mettre au courant d’un incident qui peut devenir grave. Adieu, mon cher Fritz. Tu serais bien aimable de présenter mes hommages à Victoria. Crois-moi toujours ton bien dévoué Cousin et ami 22. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/12129, S. 371–372. Immediatbericht. Superrevidiertes Konzept.

[o.Nr.]

Berlin, 11. März 1869

Ew.Kgl. Majestät haben mir durch den Unterstaats-Sekretär von Thile27 den Befehl zugehen lassen, über die Verhältnisse des Fürsten von Montenegro einen eingehenderen Bericht zu erstatten. Ich habe zu dem Ende die allerunterthänigst hierneben vorgelegte historische Uebersicht anfertigen lassen. Die faktischen Ergebnisse finden sich am Schluß derselben in 4 Punkten kurz zusammengestellt. Daß in St. Petersburg die Aufnahme, welche der Fürst Nicolaus hier gefunden hat, dahin mißdeutet worden ist, als wäre derselbe hier „als Vasall der Pforte“ behandelt worden, welchen Ew.Kgl. Majestät aus dem ehrfurchtsvollst beigefügten Berichte Allerhöchstdero Gesandten am Kaiserlich Russischen Hofe zu ersehen geruhen. Ich habe um so mehr geglaubt, diesem Eindruck entgegentreten zu sollen, als Prinz Reuß das Verhältniß nicht ganz klar aufzufassen scheint und das hier beobachtete Verfahren von einem unrichtigen Gesichtspunkte aus vertheidigt. Ich habe zu dem Ende den in Abschrift allerunterthänigst beigefügten Erlaß an ihn gerichtet. Wenn gleich für den Augenblick keine Veranlassung für Ew.Kgl. Majestät Regierung vorliegt, sich über ihre Auffassung von der Unabhängigkeit von Montenegro förmlich auszusprechen, so dürfte es doch weder den wiederholt bekundeten Intentionen Ew.Kgl. Majestät entsprechen, der bisher bestehen27  Hermann von Thile (1812–1889), Unterstaatssekretär im Ministerium des Auswärtigen 1862–1870; Staatssekretär des AA 1870–1872.

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24. Bismarck an Reuß, Berlin, 11. März 1869

den Selbstständigkeit dieses christlichen Stammes und seines Fürsten entgegen zu treten, noch auch politisch zuträglich sein, in St. Petersburg den Eindruck entstehen zu lassen, als ob Preußen in dieser Sache gegen die historisch begründete Russische Auffassung Partei ergriffe. 23*. Bismarck an Wesdehlen28 Bismarck, GW VIb S. 16–18. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 18, 30, 34–35.

Trotz der umlaufenden Gerüchte hält er es nicht für möglich, daß Italien die Hand zu einem gegen Preußen gerichteten Bündnis Österreich-Ungarns, Frankreichs und Italiens bieten würde. Berlin, 11. März 1869 24. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12129, S. 365–370. Erlaß. Abschrift.

No. 128.

Berlin, 11. März 1869

Eure Durchlaucht haben in Ihrem gefälligen Berichte No 33 vom 24. v. Mts. der Unzufriedenheit erwähnt, welche man in St. Petersburg über die Art, wie der Fürst von Montenegro hier in Berlin empfangen worden sei, empfinde. Ich ersehe daraus, daß man in St. Petersburg falsche Eindrücke darüber empfangen haben muß. Der Fürst ist hier keineswegs als Türkischer Vasall behandelt worden; die Einladungen des Türkischen Gesandten hatten einen gesellschaftlichen Charakter29, während der Empfang des Fürsten durch beide Majestäten ohne Vermittelung des Türkischen Gesandten stattgefunden hat. Es ist unsererseits nichts geschehen, wodurch die factische Stellung des Fürsten hätte alterirt werden können. Ich kann daher auch nicht ganz einverstanden sein mit der Art, in welcher Ew. Durchlaucht das Verfahren des Königlichen Hofes zu erklären gesucht haben. Es kam nicht darauf an, den letzteren dafür zu rechtfertigen, daß er den Fürsten von Montenegro nicht als einen selbstständigen Souverain angesehen hätte, als vielmehr den Eindruck zu verwischen, als ob er als Vasall der Pforte behandelt worden wäre. 28  Ludwig Friedrich Graf von Wesdehlen (1833–1904), Erster Sekretär bei der preußischen Gesandtschaft in Florenz 1868–1871. 29  Montenegro wurde zwar von der Pforte als Vasall des Sultans angesehen; die europäischen Mächte betrachteten das Fürstentum aber als quasi unabhängig.

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24. Bismarck an Reuß, Berlin, 11. März 1869

Ew. Durchlaucht gehen von der Voraussetzung aus, daß „alle anderen Mächte – außer Rußland – Montenegro als von der Botmäßigkeit der Pforte de facto mehr oder weniger abhängig betrachteten“, und daher, „so lange dies Verhältniß vertragsmäßig nicht gelöst sei“, es eine natürliche Consequenz sei, daß der Fürst nicht als selbstständig behandelt werde. Dies ist nicht zutreffend. Es ist zwar richtig, daß Rußland die einzige Macht ist, welche die Unabhängigkeit Montenegro’s amtlich und ausdrücklich anerkannt hat; factisch aber hat dieselbe immer und unzweifelhaft bestanden, und es liegt kein Act der Anerkennung der Oberhoheit der Pforte Seitens Montenegro’s vor, welcher eine ausdrückliche Aufhebung eines vertragsmäßigen Verhältnisses erforderlich machte. Von den übrigen Mächten ist die Unabhängigkeit allerdings nicht amtlich anerkannt, factisch aber von Frankreich und Preußen angenommen und begünstigt worden; ja Frankreich ist im Mai 1858 sogar auf dem Punkt gewesen, die feierliche Anerkennung im Verein mit Rußland auszusprechen und event. mit der That zu stützen (à reconnaître et au besoin soutenir) – ein Act, welchem die Pforte nur durch ihre Nachgiebigkeit gegen die Forderungen Frankreichs in Betreff der Einstellung von damals begonnenen Feindseligkeiten und der Aufstellung einer Commission zur Grenz-Regulirung entging. Ew. Durchlaucht finden näheren Aufschluß über jene Absicht Frankreichs und die ganze damalige Sachlage in dem Erlaß an den damaligen Königlichen Gesandten in St. Petersburg, Freiherrn von Werther30, vom 8. Mai 1858 No 32. Nur England und Oesterreich haben sich fortwährend der Unabhängigkeit Montenegro’s ungünstig gezeigt; dennoch hat der Kaiser von Oesterreich31 den Fürsten von Montenegro stets ohne Vermittelung eines Türkischen Gesandten empfangen. In der Anlage übersende ich Ew. Durchlaucht ein historisches Résumé über die verschiedenen Berührungen der Frage der Unabhängigkeit Montenegro’s und der Stellung der Europäischen Mächte zu derselben. Die positiven Ergebnisse finden sich am Schluß desselben in 4 Punkten zusammengefaßt. Ich ersuche Ew. Durchlaucht ergebenst, wenn sich Gelegenheit bietet, darauf hinzuwirken, daß der Eindruck verwischt werde, welchen eine falsche Auffassung oder Darstellung der hiesigen Aufnahme des Fürsten Nicolaus bei dem Reichskanzler, eventuell vielleicht bei Seiner Majestät dem Kaiser hervorgebracht haben möchte. Ew. Durchlaucht wollen ausdrücklich hervorheben, wie fern es den Absichten und Gesinnungen Seiner Majestät des Kö30  Karl Frhr. von Werther (1809–1894), Botschafter des Norddeutschen Bundes in Paris 1869 – 15. Juli 1870; in den Ruhestand versetzt 1871. 31  Franz Joseph (1830–1916), Kaiser von Österreich 1848–1916; König von Ungarn 1867–1916.

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26. Hatzfeldt an Reuß, Berlin, 11. März 1869

nigs liegt, irgend etwas zu thun, wodurch der factisch bestehenden Unabhängigkeit eines christlichen Stammes Eintrag geschehen könnte, wenngleich keine Veranlassung vorlag, eine ausdrückliche Anerkennung auszusprechen. 25. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7577, S. 3. Bericht. In Ziffern. Behändigte Entzifferung. Praes.: 15. März 1869.

No. 5.

Rom, 11. März 1869

Euerer Excellenz Erwägung gebe ich32 anheim, ob es nicht angemessen erscheint, einen hochgestellten Katholiken, etwa den Erbprinzen von Hohenzollern, herzuschicken, um dem Papst bei Gelegenheit seines fünfzigjährigen Priester-Jubiläums zu gratuliren. Oesterreich schickt, wie ich höre, den Fürsten Mensdorf. Wenn eine solche Sendung unsererseits passend gefunden wird, wäre Geheimhaltung in Bezug auf die Person wünschenswerth, damit der Abgesandte des Königs der Vornehmste bleibe. 26. Hatzfeldt33 an Reuß Wojewódzkie Archivum Pánstwowe w Jeleniej Góry, Stonsdorfer Archiv Nr. 268. Privatdienstbrief. Auszug.



Berlin, 11. März 1869

[…] Was haben Sie zur Entlassung Usedom’s34 gesagt? Es soll nicht ganz leicht gewesen sein, unsern guten König dazu zu bewegen, der Niemand gern etwas Unangenehmes zufügt. Lady Olympia wird schön toben! – Aber nachdem ich Usedom diesen Winter hier gesehen, kann ich dieser Maßregel nur Beifall geben. Er ist wirklich etwas kindisch geworden, spricht vor fremden 32  Harry Graf von Arnim-Suckow (1824–1881), preußischer Gesandter beim Heiligen Stuhl 1864–1871. – Die im folgenden genannten: Leopold (1835–1905), Erbprinz (1885 Fürst) von Hohenzollern-Sigmaringen; er war 1870 der Kandidat für den spanischen Thron. – Pius IX. (1792–1878), Papst 1846–1878. – Alexander Graf von Mensdorff-Pouilly (seit 1868 Fürst von Dietrichstein zu Nikolsburg) (1813–1871), Minister des Äußern 1864–1866. 33  Paul Graf von Hatzfeldt-Wildenburg (1831–1901), Geheimer Legationsrat und Vortragender Rat im Außenministerium bzw. im AA 1869–1874; später zuletzt Botschafter in London 1885–1901. 34  Guido Graf von Usedom (1805–1884), preußischer Gesandter in Florenz 1863– 1869; verheiratet mit Olympia (1811–1886), geb. Malcolm.

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26. Hatzfeldt an Reuß, Berlin, 11. März 1869

Menschen ohne die geringste gêne über die italienischen Verhältnisse und war überdies ein unbequemer Agent, der sich wenig sagen ließ. Hiezu kam, was die Entscheidung gegeben hat, die Veröffentlichung chiffrirter Telegramme, die nur aus seiner Kanzlei stammen konnten. – Man sagt hier, daß Arnim nach Florenz kommen wird. Verwirklicht sich dies, so werden die Italiener noch den armen Usedom regrettiren, denn Arnim wird sich gewiß in kürzester Zeit unausstehlich machen. – Stirbt der arme Goltz35 bald, so wären Rom und Paris zu besetzen. Für Ersteres spricht man von Perponcher, was mich sehr freuen würde. Was mit Paris wird, das hängt, glaube ich, doch viel davon ab, ob man Eulenburg36 definitiv los sein will. Es wäre gewiß besser, wenn er hier ersetzt würde. Aber eine andere Frage, die ich nicht bejahen möchte, ist, ob er für Paris paßt. In dem guten Paris herrscht eine Aufregung, die ich mir nicht ganz erklären kann. Ihr Bruder37 glaubt, die ganze belgische Geschichte sei ein Manöver, um die Aufmerksamkeit von Haussmann und tout ce qui s’en suit abzulenken. Nach den Berichten aus Paris und Brüssel scheint mir die Sache aber doch tiefer zu liegen. Le bourgeois38 ist sehr verstimmt, das scheint unzweifelhaft. Ein merkwürdiges Symptom bleibt es immer, daß seine officiösen Zeitungen zuerst den Hauptlärm geschlagen und jetzt, nachdem die liberalen Blätter sich davon zurückgezogen, die Sache wieder aufgenommen haben. Die Regierung weiß recht gut, daß dies Verfahren eine verderbliche Wirkung auf die Geschäftswelt übt. Nachdem das Vertrauen auf den Frieden sich ein wenig befestigt hatte, ist Alles wieder in Frage gestellt. Zwischen 3[00] und 400 Faillites in Paris in den zwei letzten Monaten werfen ein grelles Licht auf diese Verhältnisse. Ist anzunehmen, daß man eine solche Wirkung de gaieté de cœur hervorbringt, wenn man nicht einen andern Zweck hat? Auf der andern Seite muß man dort wissen, wie wir es wissen, daß in dieser 35  Robert

Heinrich Graf von der Goltz (1817 – 24. Juni 1869), preußischer Botschafter in Paris 1862 – 13. November 1868. – Goltz starb an Zungenkrebs. – Der im folgenden genannte: Wilhelm Graf von Perponcher-Sedlnitzky (1819–1893), Gesandter in Den Haag 1863–1874. 36  Friedrich Albrecht Graf zu Eulenburg (1815–1881), seit 1852 im diplomatischen Dienst; Leiter der preußischen Orientmission 1859–1862; Innenminister 1862–1878. – Eulenburg stand damals mit den beiden Kammern in einem langwierigen Kampf um die Kreisordnung in Preußen. 37  Heinrich XIII. Prinz Reuß (1830–1897), Militärattaché in Paris 1855–1857. – Der im folgenden genannte: Georges-Eugène Baron Haussmann (1809–1891), Präfekt des Départements Seine; der große Stadtplaner von Paris. – Sein radikaler Umbau der französischen Hauptstadt, welche die Zwangsumsiedlung zahlreicher Bürger bedeutete, sorgte immer wieder für Unmut; er mußte am 5. Januar 1870 seinen Posten als Präfekt räumen. 38  Gemeint ist „der Bürger“ im soziologischen Sinne als Teil der „mittleren“ und „oberen Schicht“. – Haussmann wurde vom Pariser Bürgertum wegen seiner Radikalität und der schwierigen Finanzierung des Stadtumbaus vielfach kritisiert. 80

26. Hatzfeldt an Reuß, Berlin, 11. März 1869

Frage England hinter Belgien steht, daß man also, wenn man in der Sache bis ans Ende geht, diese Macht gegen sich haben wird. Wie wir uns dabei benehmen werden, weiß ich nicht, und in Paris weiß man es gewiß am wenigsten. Jedenfalls muß man auf einen allgemeinen Conflict gefaßt sein, wenn man vorwärts gehen will. Der Zweck kann aber doch nur sein, entweder Belgien in die Tasche zu stecken oder dies als Prätext zu benutzen, um über uns herzufallen. Ersteres können aber, scheint mir, die Franzosen nur erreichen, wenn sie sich entweder mit England gegen uns oder mit uns gegen England verständigen. Beides scheint mir bei der heutigen Sachlage unwahrscheinlich. Sollte also die zweite Alternative die richtige sein? – Ich muß aufrichtig gestehen, nachdem ich mich lange dagegen gesträubt, daß ich anfange, einen Conflict in nicht zu ferner Zeit wenigstens für möglich zu halten. Es ist sehr zu bedauern, daß der Kaiser einen Teil seiner Macht aus der Hand gegeben hat39. Aber Parteien zerren an ihm, um ihm immer mehr zu entreißen. Es kann doch ein Moment kommen, wo er – sonst der einzige vernünftige Mensch dort – den Kopf verliert und le tout pour le tout spielt, was er nur auf diese Weise kann. Darin liegt die große Gefahr. Zu halten wäre die Sache unter diesen Umständen nur, wenn wir selbst unbeweglich stehen bleiben könnten. Das ist aber ebenfalls unmöglich. Irgendein berühmter Mann hat einmal gesagt: en politique qui n’avance pas recule40, und das ist für doppelt wahr. Wie vorsichtig wir auch sein mögen, von allen Seiten drängen die Verhätnisse vorwärts, und der Tag wird kommen, wo wir einen Schritt weiter gehen. Möglich auch, daß man sich das in Paris sagt und in dieser Voraussetzung es für besser hält, jetzt, wo man vollständig gerüstet, den Kampf auszufechten, solange die deutschen Verhältnisse noch nicht consolidirt sind. Ich fürchte, daß der letzte Teil dieser Berechung leider nicht ganz unrichtig sein wird. Die Stimmung in Süddeutschland berechtigt kaum zu der Hoffnung, daß man im entscheidenden Augenblick dort auf rasches und energisches Handeln rechnen könnte. Wie weit der üble Wille gehen würde, ist schwer zu sagen. – Ich will darum nicht sagen, daß ich ernstliche Besorgniß für begründet hielte. Unser hoher Chef wird alle diese Eventualitäten gewiß wohl erwogen und die Mittel bereitet haben, um den angedeuteten Gefahren die Spitze abzubrechen, davon bin ich überzeugt. Ich habe hier nur constatiren wollen, daß meine frühere lang festgehaltene Überzeugung, daß die große Crisis vermieden werden könne, etwas erschüttert ist. Es soll mich freuen, wenn ich mich darin irre. […] Wie immer mit aufrichtiger Freundschaft 39  Durch 40  Das

schritt“.

die Parlamentarisierung des französischen Regierunssystems. ist eine französische Redewendung; auf deutsch: „Stillstand ist Rück-

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30*. Bismarck an Arnim, Berlin, 15. März 1869

27*. Loftus41 an Clarendon Valentin, Bismarcks Reichsgründung S. 538–540. Bericht. – Vgl. auch Oncken, Rheinpolitik III S. 134–135.

Unterredung mit Bismarck über den französisch-belgischen Eisenbahnkonflikt: Bismarck ist außerordentlich zugeknöpft. – Allgemeiner Eindruck über Bismarcks Haltung dazu: Wenn England fest entschlossen sei, Belgien gegenüber Frankreich zu verteidigen, würde Bismarck dazu bereitwillig seine Hand bieten. Berlin, 13. März 1869 28*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 19. Telegramm.

Er teilt die russische Ansicht, daß Napoleon von kriegerischen Unternehmungen abgehalten werde, solange England festbleibe. Berlin, 15. März 1869 29*. Bismarck an Adlung42 Bismarck, GW VIb S. 19–20. Schreiben.

Der Oberstaatsanwalt soll bestimmte Korrespondenzen aus den Provinzen Hannover und Hessen weiterhin beschlagnahmen. Berlin, 15. März 1869 30*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 20–22. Erlaß.

Er berichtet über ein Gespräch mit dem Geheimkämmerer des Papstes, Wolanski43. Dieser will in Rom die feindselige Haltung der katholischen Geistlichkeit in Süddeutschland zur Sprache bringen. Berlin, 15. März 1869 41  Augustus Spencer Lord Loftus (1817–1904), englischer Gesandter in München 1862–1866, beim Norddeutschen Bund in Berlin 1866–1871; Botschafter in St. Petersburg 1871–1879. 42  Julius Adlung (1812–1872), Oberstaatsanwalt am Kammergericht in Berlin. – Zum folgenden: Die beiden Provinzen waren infolge des Kriegs preußisch geworden. 43  Nicht weiter identifiziert.

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32. Bernstorff an Bismarck, London, 17. März 1869

31*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 22–26. Erlaß (nicht abgegangen). – Vgl. auch ebenda S. 26–27; Becker, „Diversion“ I S. 116–118; Newton, Lord Lyons I S. 215–220; Gladstone Diaries VII S. 37–38.

Allgemeine Erwägungen über das Interesse Englands an der Unabhängigkeit Belgiens. Preußen wird in der belgischen Frage nicht allein vorgehen; aber England kann auf Preußen zählen, wenn es aus seiner Reserve heraustritt. Berlin, 16. März 1869 32. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4311, S. 415–424. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 19. März 1869.

No. 56

London, 17. März 1869

Unter Bezugnahme auf mein Telegramm No. 32 von gestern beehre ich mich, Eurer Excellenz gehorsamst anzuzeigen, daß der Belgische Gesandte44 vorgestern einen Courier nach Brüssel geschickt hat, um seiner Regierung zu berichten, was Lord Clarendon ihm am vorhergehenden Tage gesagt hatte, nämlich daß Belgien soweit nachgeben und sich Frankreich gegenüber versöhnlich und gefällig zeigen müsse45, als es dies ohne Aufgabe seiner nationalen Unabhängigkeit, Sicherheit und Neutralität thun könne, und daß es unter dieser Bedingung auf Englands Hülfe rechnen könne, falls Frankreich schließlich mehr von ihm verlangen sollte; daß England es aber sich selbst überlassen werde, wenn es nicht seine Rathschläge in dieser Beziehung befolge. In wie weit diese letztere Alternative ernstlich gemeint oder nur dazu bestimmt ist, einen Druck auf die Belgische Regierung auszuüben, um sie zur größtmöglichen Versöhnlichkeit und Nachgiebigkeit zu vermögen, muß ich dahin gestellt sein lassen; aber ich weiß, daß Baron Beaulieu diese Eröffnungen des Englischen Staatssecretairs der auswärtigen Angelegenheiten für wichtig genug gehalten hat, um sofort einen Courier nach Brüssel abzusenden. Die gestern von Lord Clarendon gegen mich gethanen Äußerungen, welche ich bereits summarisch zu Eurer Excellenz Kenntniß zu bringen die Ehre gehabe habe, stehen nicht im Widerspruch mit obigen Eröffnungen, wenn44  Alcindor Baron de Beaulieu (1805–1872), belgischer Gesandter in London 1869–1872. 45  In der Eisenbahnfrage (oben Anm. 4).

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32. Bernstorff an Bismarck, London, 17. März 1869

gleich er sich mir gegenüber nicht so bestimmt über die aus dem FrancoBelgischen Conflict möglicherweise hervorgehenden Eventualitäten ausgesprochen, sondern nur wieder bemerkt hat, daß derselbe viel gefährlicher wie der jetzt beigelegte Türkisch-Griechische Streit46 sei und daß die Situation sehr ernst werden könne. Als er auch mir die Ansicht aussprach, daß eine kleiner Staat wie Belgien einem großen und zumal so gierigen Nachbar[n] wie Frankreich gegenüber nicht das große Wort führen dürfe, sondern sich versöhnlich und nachgiebig zeigen müsse und daß er daher der Belgischen Regierung gerathen habe, den französischen Gegenvorschlag anzunehmen und die Arbeiten der gemischten Commission47 ohne Zeitverlust beginnen zu lassen, um zu sehen, ob eine Verständigung auf diese Weise zu ermöglichen sei, fragte ich den Minister, ob er Belgien riethe, soweit in seiner Nachgiebigkeit zu gehen, daß es den Eisenbahn-Contract schließlich genehmigte, wie Frankreich es als Endziel der gemischten Commission hinzustellen scheine. Hierauf antwortete er mir, daß er nicht ganz genau das von Frankreich vorgeschlagene Amendement zu dem Belgischen Gegenvorschlage anzugeben wisse, daß er aber Belgien nicht zumuthe, den Contract zu genehmigen; es sei sehr wohl möglich, sagte er, daß die französische Regierung, nachdem die Commission sich über alle andere Punkte verständigt, schließlich mit der Forderung der Genehmigung des Contracts hervortreten werde. Wenn sie dies aber thue, so werde sie hiermit den Schafspelz abwerfen und das Wolfsfell zeigen48, so daß man über ihre wahren Absichten nicht mehr zweifelhaft sein könne. Lord Clarendon kann sich immer noch nicht denken, daß der Kaiser der Franzosen, trotz aller Schädigungen, die sein persönliches Gouvernement kürzlich im Innern erfahren hat49, unklug genug sein werde, die Dinge zum Äußersten zu treiben, macht sich aber doch keine Illusion über den Ernst der Lage. Auf meine F r a g e , ob er neuerlich, wie die Zeitungen wieder behaupten, die Vermittelung Englands angeboten habe, erwiederte er mir, daß er zwar fortwährend in Correspondenz und Gedanken-Austausch mit beiden 46  1866 war in Kreta (das zum Türkischen Reich gehörte) ein Aufstand ausgebrochen, der von Griechenland unterstützt wurde. Im Dezember 1868 stellte die türkische Regierung Griechenland ein Ultimatum und drohte bei Ablehnung mit Krieg. Eine Konferenz der europäischen Großmächte in Paris im Januar 1869 verbot Griechenland die Bildung von Banden und die Ausrüstung von Schiffen zum Angriff auf Kreta. Anfang Februar 1869 gab die griechische Regierung nach, und der Aufstand war beendet. 47  Eine belgisch-französische Kommission zur Beilegung des Eisenbahnkonflikts, die aber bis dato noch nicht offiziell gebildet worden war. Vgl. dazu Archives diplomatiques 35/36 (1869) S. 1490–1492. 48  Gemeint sind die französischen Annexionsgelüste in bezug auf Belgien. 49  Frankreich befand sich in diesen Monaten im Umbruch von einem autoritären zu einem konstitutionellen Regime („Empire libéral).

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32. Bernstorff an Bismarck, London, 17. März 1869

Theilen stehe und auch sehr genau die Idee der Vermittelung einer befreundeten Macht „suggeriren“ würde, es aber nicht thun möchte, weil er fürchte, daß es den Kaiser Napoleon verletzen würde, wenn man zwischen ihm und einem kleinen Lande wie Belgien als Vermittler auftreten wollte. Inzwischen lauten die Privatnachrichten aus Paris immer alarmanter, und Baron Fabrice50, der am Ende der letzten Woche ein Paar Tage dort war, sagt mir, daß am Freitag und Sonnabend51 die Aufregung daselbst ungemein groß gewesen sei und Marschall Niel aus allen Kräften zum Kriege dränge, indem er dem Kaiser einzureden suche, daß Frankreich diesen Augenblick durch seine Bewaffnung uns überlegen sei, während es nach 2 Jahren wahrscheinlich schon wieder ungeheure Summen werde ausgeben müssen, um neue verbesserte Waffen zu kaufen, wenn es auf gleicher Höhe bleiben wolle. Eine vertrauliche Correspondenz aus Paris von gestern, welche Herr von Fabrice mir soeben mittheilt, bestätigt dies und sagt sogar, daß die Situation sich v o n S t u n d e z u S t u n d e verschlimmert, obgleich die Minister Rouher52 und La Valette sowie auch Prinz Napoléon sich alle Mühe geben, den Kaiser von einem coup de tête abzuhalten. Für die Richtigkeit der Angaben dieser vertraulichen Correspondenz, die Eurer Excellenz auch schon anderweitig bekannt geworden sein dürfte, vermag ich natürlich nicht einzustehen. Doch sind sie jedenfalls ein Symptom von der Stimmung in Paris. Daß auch das hiesige Cabinet namentlich in den letzten Tagen der vorigen Woche ernstlich alarmirt war, glaube ich versichern zu können. Die an den Belgischen Gesandten von Lord Clarendon gemachten Eröffnungen, deren ich von Anfang dieses gehorsamsten Berichtes gedacht, dürften das Ergebniß eines am Sonnabend gehaltenen Ministerrats sein.

50  Oswald Frhr. von Fabrice (1820–1898), sächsischer Gesandter in London 1869– 1874. 51  Am 12. und 13. März 1869. – Der im folgenden genannte: Adolphe Niel (1802 – 14. August 1869), Marschall von Frankreich; Kriegsminister 1867–1869. 52  Eugène Rouher (1814–1884), Leitender Minister (Staatsminister) 1863  – Juli 1869. – Der im folgenden genannte: Napoléon (Joseph Charles Paul Bonaparte) (122–1891), Prinz; Sohn Napoleons I. Bruder Jérôme; war oft in politischem Streit mit Kaiser Napoleon; sein Palais Royal war Sammelpunkt der demokratischen Bonapartisten.

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33. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 17. März 1869

33. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9865, S. 132–135. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. März 1869.

No. 46.

St. Petersburg, 17. März 1869

Euer Excellenz ganz vertraulichen Erlaß No. 124 vom 9ten dieses Monats, die Angelegenheiten der Ostsee-Provinzen betreffend, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Der Schluß dieses hohen Erlasses, wo Euer Excellenz mich dringend ermahnen, Alles zu vermeiden, was hier die Supposition hervorrufen könnte, als wollten wir uns irgendwie in die dortigen i n n e r e n Verhältnisse Rußlands mischen, läßt mich fast vermuthen, als argwöhnten Hochdieselben, daß ich hier für die Deutschen in jenen Provinzen in ostensibler Weise Partei nehmen könnte. Euer Excellenz wollen mir daher erlauben, mich hiergegen zu rechtfertigen. Als ich vor 2 Jahren nach St. Petersburg ging, sagten mir Euer Excellenz mündlich, das Auftreten der Kaiserlichen Regierung gegenüber den Deutschen in den Ostsee-Provinzen erschwere der Königlichen Regierung ganz ungemein eine offene Russenfreundliche Politik. Der traditionelle Antagonismus der deutschen Liberalen gegen Rußland habe sich in den letzten Jahren sehr gegeben, und es würde Ihnen leicht gewesen sein, in einem gegebenen Falle vor dem Landtage zu erklären, Preußen habe mit Rußland ein Schutzund Trutzbündniß abgeschlossen. Das deutschfeindliche Verhalten der Russischen Regierung habe diesen günstigen Zustand wieder verändert, indem das National-Gefühl in Deutschland dadurch verletzt und umgestimmt worden wäre. Euer Excellenz gaben mir daher die Instruction: Falls Fürst Gortschakow oder ein anderer Staatsmann diese Frage mir gegenüber zur Sprache bringen sollte, ich nicht darauf eingehen, sondern ein boudirendes Schweigen bewahren solle. Diese Instruction habe ich aufs Strengste befolgt. Durch mein gesellschaftliches Verhalten habe ich ferner, vielleicht zum Ärger Mancher, nicht zu der Annahme Anstoß gegeben, als begünstige ich die Sache der Balten – von den dortigen Edelleuten, die hier vorübergehend leben, sehe ich in intimer Weise nur Baron Ungern-Sternberg53, grade um mein Haus nicht zum Mittelpunkt der baltischen Unzufriedenen zu machen, die dies wohl gern gewünscht hätten. Daß ich bei aller dieser Vorsicht Gesprächen über die dortigen Zustände nicht aus dem Wege gehen kann, ist natürlich. Ich bin dabei aber immer sehr 53  Aus dem umfangreichen baltischen Adelsgeschlecht der Ungern-Sternberg konnte der hier gemeinte nicht ermittelt werden.

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34. König Wilhelm I. an Bismarck, Berlin, 18. März 1869

vorsichtig in meinen Äußerungen gewesen und habe stets hervorgehoben, daß die Ostsee-Provinzen unmöglich zum Zankapfel zwischen Preußen und Rußland werden könnten, da es ein geographischer Unsinn sei, wollte Preußen seine Machtsphäre bis dahin ausdehnen. Da die Moskauer Zeitung54 hartnäckig immer das Gegentheil behauptet, weil ihr das grade in ihre gegen die Balten befolgte Politik paßt, so dürfte es schwer sein, ihren Lesern und Anhängern eine andere Ansicht beizubringen. Wenn ich auch persönlich mich hüte, einen Tadel über das Verfahren der Russischen Regierung in jenen Angelegenheiten auszusprechen, so bewahrt man in Deutschland begreiflicher Weise doch nicht dieselbe Zurückhaltung, und jeder Russe, der im Ausland gereist ist, hat von der scharfen Kritik zu erzählen, welcher das Verhalten gegen die Deutschen unterworfen ist. Aus diesen Erzählungen entsteht natürlich die Annahme, daß wir in Preußen der Entwickelung der dortigen Dinge mit politischer Theilnahme folgen; und da der Russe viel Leidenschaftlichkeit im Blute hat, so kann er sich nicht vorstellen, daß diese lebhafte Theilnahme nicht auch bis zur Einmischung führen müßte. Er begreift nicht, daß man ein gemüthliches55 Interesse für das deutsche Element in den baltischen Provinzen haben kann, ohne deßhalb das Schwert für sie ziehen zu müssen. 34. König Wilhelm I. an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6187, S. 43–44. Eigenhändige Angabe.

Berlin, 18. März 1869 Bei den immer wieder auftretenden Gerüchten, über französisch-Italienisch-Östreich. Alliancen, wundert es mich, seit Wochen keine Dépêche aus Florenz gesehen zu haben. Hat denn Wesdehlen garnichts berichtet? Auch über die Usedomiade56 hab ich nicht[s] durch Wesdehlen gelesen. Was aber von ihnen eingegangen ist, wollen Sie mir heute um 4 Uhr mitbringen. 54  „Moskauer Zeitung“ („Moskovskie Vedomosti“), 1755 gegründet; unter ihrem Redakteur M. N. Katkov (1820–1887), nationalistisch (antideutsch) und reaktionär ausgerichtet. 55  Hier im Sinne von: sentimental. 56  Am 17. Juni 1866 hatte Usedom an den italienischen Außenminister La Marmora eine lange Depesche geschrieben, in dem er diesem riet, der Krieg gegen Österreich müsse zu dessen Vernichtung führen, indem italienische Truppen (mit preußischen Truppen) nach Wien, ins Herz der Habsburgrmonarchie, vordringen sollten. Diese Depesche, bekannt als „Stoß-in-Herz-Depesche“, veröffentlichte La Marrmoa im Juli 1868, da sein Verhalten (die italienische Armee hatte am 24. Juni 1866 die Schlacht bei Custozza verloren) allgemein getadelt wurde und er sich rechtfertigen wollte, indem er die preußische Kriegführung von 1866 als völkerrechtswidrig brand-

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36*. Französisch-österreichisch-italienischer Allianzvertrag, [Wien] 18. März 1869

35*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 27–28. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 30–32, 45–46; OD XXIV S. 10–15, 25–27, 30–37, 42–46, 47–49, 51–53, 56–57.

Der französisch-belgische Eisenbahnkonflikt entspannt sich, nachdem beide Regierungen sich über die Einsetzung einer gemischten Kommission geeinigt haben. Berlin, 18. März 1869 36*. Französisch-österreichisch-italienischer Allianzvertrag OD XXIV S. 370–372. Entwurf No. 5. – Weitere Vorentwürfe und die einschlägige Korrespondenz aus dem März und April 1869 ebenda S. 357–418. Vgl. auch Oncken, Rheinpolitik III S. 117–196.

Artikel 1. Im Fall eines Krieges zwischen Österreich und Rußland wegen der Orientalischen Frage hat Frankreich das Recht, neutral zu bleiben; es wird an der Rheingrenze eine Observationsarmee aufstellen; es tritt in den Krieg ein, wenn Preußen zugunsten Rußlands eingreift. – Art. 2. Im Fall eines Krieges zwischen Preußen und Österreich greift Frankreich mit seiner Armee sofort ein. – Art. 3. Im Fall eines Krieges zwischen Preußen und Frankreich bleibt Österreich neutral; es greift ein, wenn Rußland zugunsten Preußens interveniert. – Art. 4. Wenn der Krieg in Deutschland ausbricht (zwischen Österreich und Preußen oder zwischen Frankreich und Preußen), wird Deutschland schließlich zum Schutz vor preußischen Ambitionen eine Bundesorganisation bekommen, die möglichst aus gleichmächtigen Staaten zusammengesetzt werden soll. – Zusatzkonvention. Art. 1. Regelung der Römischen Frage57. – Art. 2. Im Fall eines Krieges zwischen Österreich und Rußland stellt Italien Österreich eine Armee in Stärke von 200.000 Mann zur Verfügung. – Art. 3. Im Fall eines Krieges zwischen Frankreich und Preußen stellt Italien Frankreich eine Armee in Stärke von 200.000 Mann zur Verfügung. – Art. 4. Gleichberechtigung in der Kriegführung. – Art. 5. Im Fall ei-

markte. Bismarck versuchte darauf, Usedom aus dem Amt zu drängen; er forderte diesen am 17. Dezember 1868 auf, sein Amt niederzulegen; nachdem Usedom sich zunächst geweigert hatte, wurde er am 1. März 1869 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. 57  In Rom stand zum Schutz des Papstes seit der Revolution von 1848 bis 1866 eine französische Besatzung. Diese räumte infolge der sogenannten Septemberkonvention von 1864 Rom; als Garibaldi im Oktober 1867 mit einem Freischarenzug die Stadt zu befreien suchte, wurde er bald darauf zurückgedrängt, und die Franzosen kehrten nach Rom zurück. 88

37. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 20. März 1869

nes Krieges zwischen den Alliierten tritt Österreich im Siegesfall Welschtirol an Italien ab. [Wien] 18. März 1869 37. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/7577, S. 10–12. Immediatbericht. Revidiertes Konzept.

[o.Nr.]

Berlin, 20. März 1869

Euere Königliche Majestät haben in dem Allergnädigsten Handschreiben vom heutigen Tage mir in Erwägung zu stellen geruht, ob der Herzog von Ratibor58 für die fragliche Mission nach Rom geeignet wäre. Ich würde diese Frage, ungeachtet der Aufnahme, welche die Beziehungen des Herzogs zu Dr. Strousberg im Publikum gefunden haben, bejahen, wenn es sich um Rom allein handelte. Einen diplomatischen Auftrag in Florenz auszuführen – wie Euere Königliche Majestät ihn mit der Mission nach Rom verbinden wollen –, scheint mir jedoch der Herzog von Ratibor ganz ungeeignet. Nur e i n e Persönlichkeit vermag ich zu nennen, von deren Auftreten in Rom wie in Florenz ich mir gleich guten Erfolg versprechen würde, ich meine den General Vogel von Falckenstein59. Derselbe ist meines Wissens guter Katholik und auf der anderen Seite als einer der populärsten Generale des letzten Feldzuges ein den Ansprüchen der öffentlichen Meinung zusagender Vertreter Preußens und ohne Zweifel auch in Florenz willkommen. Ich würde ihn daher, falls er sich zur Annahme beider Missionen bereitfinden ließe, mit vollem Vertrauen Euerer Majestät allerunterthänigst in Vorschlag bringen.

58  Victor (1818–1893), Herzog von Ratibor and Fürst von Corvey; preußischer Generalleutnant à la suite der Armee. – Zum folgenden: Es ist die oben Nr. 25 angesprochene Mission aus Anlaß des 50. Priesterjubiläums des Papstes gemeint. – Der dann genannte: Bethel Henry Strousberg (1823–1884), Eisenbahnunternehmer („Eisenbahnkönig“) und Finanzmann. – Da er für seine gewaltigen Eisenbahnbauten weder Kapital noch Kredit in ausreichendem Umfang zur Verfügung hatte, nahm er Zuflucht zu dem System, als Generalunternehmer die Lieferanten für den Bahnbau durch Aktien zu bezahlen. Als 1870 die Coupons der rumänischen Bahnen nicht mehr eingelöst werden konnten, begannen seine Unternehmen wie ein Kartenhaus zusammenzufallen. 59  Eduard Vogel von Falckenstein (1797–1885), General der Infanterie; Kommandierender General des I. Armeekorps (Königsberg) 1866–1868.

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40*. Benedetti an La Valette, Berlin, 21. März 1869

38. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/757, 18–19. Immediatbericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 21. März 1869.

[o.Nr.]

Berlin, 21. März 1869

Ew. Königliche Majestät habe ich die Ehre zu melden, daß nach den Erkundigungen, welche ich Allerhöchstdero Befehl gemäß auf dem Gouvernement von Berlin eingezogen, der General Vogel von Falkenstein weder hier ist, noch hier erwartet wird. Eine Verbindung der Sendung nach Rom und Florenz würde ich meinerseits nicht indicirt halten. Ich fürchte, daß eine solche Combination an b e i d e n Orten nicht den gewünschten Eindruck machen würde. Einer Mißdeutung der persönlichen Freundlichkeit, welche Ew. Königliche Majestät bei einem ganz unpolitischen Anlaß dem Papste erweisen, würde sich in Florenz auf andere Weise entgegenwirken lassen. Für die Sendung nur nach Rom würde, dem ursprünglichen Gedanken Ew. Königlichen Majestät gemäß, der Herzog von Ratibor auch mir als die geeignetste Persönlichkeit erscheinen und würde ich, sobald nicht gleichzeitig auf Florenz Rücksicht genommen werden soll, ehrfurchtsvoll bitten, von der Wahl des General[s] Vogel von Falkenstein abzusehen.a a

Am Kopf des Berichts Vermerk des Königs: Ganz einverstanden u. ist der Herzog von Ratibor sofort zu benachrichtigen. W 21/3. – Daneben Vermerk von Bismarcks Hand: fiat.

39*. Bismarck an Bernstorff Michael, Bismarck, England S. 433–435. Erlaß. – Vgl. auch OD XXIV S. 63–64, 66–72, 76–77, 93–94, 105–106, 108–114, 137–139, 153, 185–187, 196, 200–202, 207–210, 218–222, 224–227, 239, 257–258, 279–280.

Die belgische Eisenbahnfrage ist von keiner Seite zum Anlaß einer Initiative genommen worden. Wir bleiben bei unserer abwartenden Haltung. Berlin, 21. März 1869 40*. Benedetti an La Valette OD XXIV S. 77–81. Vertraulicher Bericht.

Unterredung mit Bismarck auf einem Diner: Die deutsche Einheit sei eine Aufgabe, welche die künftige Generation lösen müsse; der König sei besorgt über Gerüchte einer französisch-italienisch-österreichischen Tripelallianz; 90

43*. Oubril an Gorčakov, Berlin, 21. März 1869

diese Gerüchte würden ihm von der Königin und dem Kronprinzenpaar eingeflößt. – Bismarck bittet mich bei dieser Gelegenheit, den König oder die Königin über die höfischen Einflüsse zu beruhigen; das ist mir nicht gelungen. Berlin, 21. März 1869 41*. Oubril an Gorčakov Becker, „Diversion“ I S. 111–112. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 118–119.

Audienz bei König Wilhelm I.: Napoleon sei ewig in Bewegung; sobald eine Sache sich beruhigt habe, werde eine andere in Gang gesetzt; wenn er Belgien besetze und Preußen mit Krieg überziehe, werde seine Allmacht sogar die seines Onkels60 übertreffen. Berlin, 21. März 1869 42*. Oubril an Gorčakov Becker, „Diversion“ I S. 115–116. Bericht. – Vgl. auch OD XXIV S. 57–63, 72–76.

Bismarck hat kein Vertrauen in die süddeutschen Staaten; im Kriegsfall sei es zweifelhaft, ob sie die Schutz- und Trutzverträge halten würden; wenn sie nicht mit Preußen gingen, sei dieses gezwungen, über Österreich nach Süddeutschland einzumarschieren. Berlin, 21. März 1869 43*. Oubril an Gorčakov Becker, „Diversion“ I S. 119–121. Bericht.

Bismarck hat das auch in der Presse vielfach besprochene Bündnis zwischen Frankreich, Österreich und Italien mit mir berührt. Er glaubt nicht, daß irgendeine Macht heutzutage sich mit Frankreich alliieren könne. Wenn das zuträfe, würde man eine Situation haben wie in den ersten zehn Jahren zu Beginn des Jahrhunderts61. Berlin, 21. März 1869

60  Napoleon

I. (1769–1821), Kaiser der Franzosen 1804–1814/15. sich gegen das Frankreich Napoleons I. mehrfach Koalitionen unter den damaligen Großmächten bildeten. 61  Als

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44. Ladenberg an Bismarck, Wien, 22. März 1869

44. Ladenberg62 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6187, S. 63–71. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 26. März 1869.

No. 83.

Wien, 22. März 1869

Aus dem in Abschrift mir zugefertigten hohen Erlasse an den Königlichen Geschäftsträger in Florenz63 vom 11ten d.Mts. habe ich mit lebhaftem Interesse die Auffassungen Euerer Excellenz in Bezug auf die Gerüchte von geheimen Verhandlungen zwischen Frankreich, Oesterreich und Italien sowie die Weisungen entnehmen dürfen, welche Hochdieselben daran für den Grafen Wesdehlen geknüpft haben. Auch hier ist man von gewissen Seiten auf das eifrigste bemüht, derlei Gerüchte zu colportiren und ihnen Eingang zu verschaffen; man benützt in dieser Richtung namentlich die in letzterer Zeit zwischen den Höfen von Wien und Florenz ausgetauschten Höflichkeitsbezeugungen, um an im Zuge befindliche Allianz-Verhandlungen zwischen Oesterreich und Italien unter der Aegide Frankreichs glauben zu machen und diesen angeblichen Verhandlungen den Charakter einer gegen Preußen sich bildenden aggressiven Triple-Allianz aufzudrücken. Die hiesige öffentliche Meinung, ebenso skeptisch wie sie sich diesen Gerüchten gegenüber verhält, ebenso entschieden spricht sie sich gegen jede daraus gefolgerte Combination aus, welche zu einer Störung des Friedens und zu einer aggressiven Politik Oesterreichs führen könnte. Die officiösen Stimmen in der Presse haben sich denn auch diesen unzweideutigen Kundgebungen der öffentlichen Meinung gegenüber beeilt, die Gerüchte von einer angeblichen oesterreichisch-italienischen Allianz für vollständig grundlos zu erklären und als die wahre Tendenz der freundschaft­ lichen Annäherung zwischen beiden Mächten die Sicherung und Erhaltung des Friedens hinzustellen. Die unabhängige Presse erklärt sich mit der Herstellung freundlicher Beziehungen zwischen Oesterreich und Italien einverstanden, insofern darin die Bedeutung liege, daß die commerziellen Verhältnisse Oesterreichs eine freiere Entwickelung gewinnen sollten, als dies bisher bei den gespannten Beziehungen Italien gegenüber der Fall gewesen. Auch die Hoffnung wird an eine Annäherung zwischen Oesterreich und Italien geknüpft, daß beide Mächte vereint den Kampf auf kirchlichem Gebiete gegen Rom nachdrücklicher und mit mehr Aussicht auf Erfolg würden durchführen können. Alle weiteren Consequenzen, die man aus einer freundlichen Annäherung zwi62  Adalbert Ladenberg (1823–1870), Erster Legationssekretär an der preußischen Gesandtschaft in Wien 1863–1870. 63  Wesdehlen.

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44. Ladenberg an Bismarck, Wien, 22. März 1869

schen den beiden Mächten ziehen wolle, namentlich insofern derselben irgend eine aggressive Störung des Friedens gerichtete Tendenz beigelegt werde, weist die unabhängige oesterreichische Presse entschieden zurück, indem sie im Hinblick auf die innere Lage das tiefe Friedensbedürniß betont, welche der oesterreichischen Politik noch auf lange Zeit die unbedingte Entsagung und Zurückhaltung als eine zwingende Pflicht auferlege. Und in der That, aus der Lage der inneren oesterreichischen Verhältnisse möchte man die stärksten und sichersten Argumente gegen alle etwaigen oesterreichischen Kriegsgelüste schöpfen. Der keineswegs abgeschlossene Verfassungskampf, die schroffe Haltung der Nationalen und Klerikalen, die Zerfahrenheit der deutschen Verfassungspartei64, die Unzufriedenheit und wachsende Agitation unter den vorgeschrittenen[!] liberalen Elementen gegen das parlamentarische Ministerium wegen Nichterfüllung und Verzögerung der in den Grundgesetzen enthaltenen Verheißungen, die permanenten Gerüchte von Ministerkrisen, alles dieses sind so sprechende Beweise für die Unfertigkeit und Unsicherheit der oesterreichischen Zustände, daß man kaum an eine Neigung der leitenden oesterreichischen Staatsmänner glauben möchte, sich bei solchen precären inneren Verhältnissen in eine aggressive und abenteuerliche Politik verwickeln zu wollen. Hierzu kommt noch die bedenkliche Wendung, welche die Wahlen in Ungarn nehmen. Wenn auch die Deak-Partei65 trotz aller Mißerfolge die überwiegende Majorität im neuen Reichstage behaupten wird, so hat sie doch moralisch und dadurch politisch an Gewicht verloren, da mehrere ihrer bedeutendsten Capacitäten unterlegen und durch Candidaten von den Linken aus dem Felde geschlagen sind. Es wird sich voraussichtlich im nächsten Reichstage ein starkes „linkes Centrum“ bilden, das in vielen Fragen mit der Linken gehen wird und dem Ministerium Andrassy66 sehr gefährlich werden kann. Ein Coalitions-Ministerium, in welches die Führer der gemäßigten Linken aufzunehmen seien, hält man für die nächste Folge der Neuwahlen. Ob und inwiefern bei einer solchen Verbindung das bisherige Ausgleichs-Programm zwischen Oesterreich und Ungarn aufrechterhalten werden wird und kann und welche wichtigen Folgen ein solcher Umschwung auch für die westliche Reichshälfte herbeiführen könnte, das sind Fragen, die sich vorläufig noch aller Berechnung 64  Die Deutschliberale Verfassungspartei war in den 1860er und 1870er Jahren eine Partei des deutschsprachigen Bürgertums in der Donaumonarchie. Sie war von 1867 bis 1870 maßgeblich an den Regierungen, dem sogenannen Bürgerministerium, beteiligt. 65  Franz [Ferenc] von Déak (1803–1876), bedeutender Führer in der ungarischen Politik von 1849 bis 1869; brachte den Österreichisch-Ungarischen Ausgleich von 1867 zustande. – In den Wahlen vom März 1869 blieb seine Partei zwar noch die stärkste, die Opposition hatte aber eine hohe Stimmenzahl gewonnen. 66  Gyula Graf Andrássy (1823–1890), ungarischer Ministerpräsident 1867–1871; österreichisch-ungarischer Minister des Äußern 1871–1879.

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44. Ladenberg an Bismarck, Wien, 22. März 1869

entziehen. Jedenfalls wird auch das ungarische Ministerium den inneren Verhältnissen mehr noch wie bisher seine ganze und ausschließliche Aufmerksamkeit zu widmen haben. So dürften denn auch in Oesterreich die faktische innere Lage und die Macht der Verhältnisse die sicherste Garantie gegen alle etwaigen Kriegsund Rachepläne ehrgeiziger Staatsmänner und fanatischer Parteihäupter bieten. Allerdings ist der Reichskanzler Graf Beust eifrig und unablässig bemüht, die Hemmnisse, welche der inneren Consolidirung Oesterreichs noch entgegenstehen, aus dem Wege zu räumen. Als solche betrachtet er vor Allem die noch ungelösten Ausgleichsfragen mit den dissentirenden Nationalitäten, weil er darin und wohl nicht mit Unrecht den drückendsten Hemmschuh für eine freiere Bewegung der oesterreichischen Politik erkennt. Seine bisherigen mißglückten Ausgleichsversuche mit den Czechen und Polen haben dem Reichskanzler nicht das Vertrauen dieser Nationalitäten, wohl aber das Mißtrauen der deutschen Verfassungs-Partei und des parlamentarischen Ministeriums eingetragen. Beide befürchten, daß Graf Beust noch immer geheime Fäden mit den Polen und den Czechen spinnt und daß unter seiner Aegide und durch seinen Einfluß mit diesen Nationalitäten schließlich ein Ausgleich nach Analogie des mit Ungarn abgeschlossenen herbeigeführt werden dürfte, der für die Deutschoesterreicher vermehrt Lasten und neue politische Opfer zur Folge haben werde. Diese dem Reichskanzler allgemein zugeschriebene Tendenz hat seiner Popularität bei der deutschen Verfassungs-Partei bereits bedeutenden Abbruch gethan, wie sich auch der Grund für das stets wiederkehrende Gerücht einer bestehenden Ministerkrise bietet, weil man glaubt, der Reichskanzler werde eventuell einen Ministerwechsel herbeiführen und durch Bildung eines neuen Ministeriums, in welches die abgesetzten Statthalter Graf Goluchowski und Baron Kellersperg67 sowie ein Czeche zu berufen wären, eine Verständigung mit den Nationalen anzubahnen suchen. Eine weitere Garantie gegen die Gelüste oesterreichischer Staatsmänner, die oesterreichisch-ungarischen Völker für eine Offensivallianz mit Frankreich und Italien zum Zwecke eines Krieges gegen Deutschland zu gewinnen, dürfte auch in der Schwierigkeit liegen, den Deutschoesterreichern und den Ungarn für die Theilnahme an einem solchen Kriege einen annehmbaren Preis zu bieten, für den sie sich in ein so zweifelhaftes Wagniß stürzen sollten. Wollte man den Ungarn im Falle eines siegreichen Ausganges einen Machtzuwachs in Aussicht stellen, so würden die Deutschoesterreicher, ohnehin schon mißmuthig und eifersüchtig auf die jetzige Machtstellung Ungarns, sich entschieden weigern, zur Vermehrung derselben mitzuhelfen, und 67  Agenor Gołuchowski der Ältere (1812–1875), Statthalter von Galizien 1866– 1867, 1871–1875). – Ernst Frhr. von Kellersperg (1822–1879), Statthalter von Böhmen 1861–1863, 1867–1868.

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47*. Bismarck an Rosenberg, Berlin, 25. März 1869

wollte man die Deutschoesterreicher durch die Aussicht verlocken, die verlorene Machtstellung in Deutschland wiederzugewinnen, so würden die Ungarn gewiß keine Hand rühren, um dieselbe zurückzuerobern und damit das eben erst gebrochene Uebergewicht der Deutschen in Oesterreich wiederherzustellen. 45*. Aufzeichnung Rancés’68 Becker, „Diversion“ I S. 121–122. – Vgl auch ebenda S. 124–125, 128–134, 138– 143, 146–151, 152–158, 171–172, 181–182, 191–201, 208, 216–221, 225–229, 230–231, 233–240; OD XXIV S. 169–170.

Wenn wir jemanden für die Kandidatur des spanischen Throns empfehlen sollten, würden wir den Herzog von Montpensier wählen. [o. O., ca. 22. März 1869] 46*. Bismarck an Roeder Bismarck, GW VIb S. 33–34. Erlaß.

Auf die Anfrage des Schweizer Bundesratspräsidenten hin wird ihm mitgeteilt, daß die preußische Regierung über den Zusammentritt des Vatikanischen Konzils (das über die Unfehlbarkeit des Papstes beschließen soll) nicht beunruhigt sei. Berlin, 23. März 1869 47*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 35–36. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 49.

Er soll gegenüber allen Bestrebungen, einen Südbund zu bilden, sich ganz teilnahmslos verhalten. Berlin, 25. März 1869

68  Manuel Rancés Villanueva (1824–1897), spanischer Gesandter in Wien 1868– 1869. – Der im folgenden genannte: Antoine d’Orléans, Herzog von Montpensier (1824–1890), jüngster Sohn von König Louis Philippe.

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51*. Launay an Menabrea, Berlin, 4. April 1869

48*. Bismarck an Balan69 Bismarck, GW VIb S. 36. Erlaß.

Die frankophile Haltung des belgischen Kriegsministers führt zu der Frage, ob man in Brüssel wirklich überzeugt sei, daß die französische Politik frei von Hintergedanken sei. Berlin, 26. März 1869 49*. Fröbel70 im Gespräch mit Bismarck Bismarck, GW VII S. 287. Aufzeichnung. – Vgl. auch ebenda S. 297–299.

Bismarck würde es gern gesehen haben, wenn nach 1866 ein süddeutscher Bund mit einem Parlament entstanden wäre. Durch einen solchen Bund wäre der süddeutsche Partikularismus gebrochen worden. Die Rolle Österreichs dabei veranschlagt er gering. Berlin, März 1869 50*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 37–38. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 38–39; DDI I,11 S. 207–209; OD XXIV S. 128–130.

Der Herzog von Ratibor wird als Abgesandter des preußischen Königs dem Papst eine Porzellanvase zu dessen Priesterjubiläum überreichen. Die Geste hat keinen politischen Charakter. Berlin, 3. April 1869 51*. Launay an Menabrea DDI I,11 S. 218–222. Bericht.

Unterredung mit Bismarck: Im Falle eines Krieges verfüge Deutschland über folgende Truppen: 80.000 zum Schutz der Ost- und Nordsee; 40.000 an der Grenze zu Österreich, das von Rußland in Schach gehalten werde; 69  Hermann von Balan (1812–1874), preußischer Gesandter in Brüssel 1864–1874; Bevollmächtigter bei den Friedensverhandlungen von 1871. – Der im folgenden genannte: Bruno Renard (1804–1879), Generalleutnant; belgischer Kriegsminister 1868–1870. 70  Julius Fröbel (1805–1893), Schriftsteller; war politisch und literarisch für die großdeutsche Sache tätig; gründete in München 1867 die „Süddeutsche Presse“, die er aber nach mehreren Jahren verkaufte.

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53. Bismarck an Reuß, Berlin, 5. April 1869

100.000 aus den neuen Provinzen; die 13 Armeekorps seien den französischen Truppen, die am Rhein aufmarschieren könnten, um 200.000 überlegen. In der Bewaffnung verfüge Preußen über 3 Mio. Zündnadelgewehre, während Frankreich 1 Mio. Chassepot-Gewehre habe. Notfalls gewänne Preußen Verbündete: Rußland und sogar England. Es sei unsicher, ob Frankreich auf Österreich zählen könne. – Rückblende auf die Entwicklung seit 1862 (Biarritz, 1866, Luxemburgkrise): Wenn man uns angreife, akzeptierten wir das. In Summa: Preußens Kräfte kämen den französischen gleich und verdoppelten sich, wenn man Haus und Hof verteidigen müßte. Berlin, 4. April 1869 52*. Großherzog Friedrich an Gelzer71 Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 119–120. Schreiben. – Vgl. auch Bismarck, GW VIa S. 561–565.

Die Unentbehrlichkeit Bismarcks in allen Teilen des Staatslebens hat sich gesteigert. Bismarck verwertet sie gegenüber dem König mit Geschick. Früher ließ sich der König das herrische Wesen gefallen; jetzt hat er an Vertrauen in Bismarck verloren. Das führt bei Bismarck zu hoher Reizbarkeit, die er mit einem Rücktrittsgesuch entlädt, das einmal angenommen werden könnte. Karlsruhe, 4. April 1869 53. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/9865, S. 158–159. Vertraulicher Erlaß. Revidiertes Konzept.

No. 181.

Berlin, 5. April 1869

Ewpp. haben in dem gef. ganz vertraulichen Berichte No. 46. v. 17. v.M. sich gegen den Gedanken rechtfertigen zu müssen geglaubt, als könnten Sie für die Deutschen in den Baltischen Provinzen in ostensibler Weise Parthei nehmen72. Ich bitte Ewpp., überzeugt zu sein, daß mir bei meinem betreffenden Erlasse jeder Gedanke an einen Tadel fern lag. Ich habe Ew.pp. Instructionen vervollständigt und präcisirt. Ich kann Ihnen vielmehr nur meinen Dank aussprechen, daß Ewpp., wie Sie in dem Berichte constatiren und ich es 71  Friedrich I. (1826–1907), Großherzog von Baden 1856–1907. – Wichtig für diese Edition ist sein Tagebuch vom 6. November 1870 bis 8. März 1871: Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II. – Johann Heinrich Gelzer (1813–1889), badischer Staatsrat; Berater des Großherzogs Friedrich seit ca. 1860. 72  Vgl. oben Nr. 33.

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56. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums, Verhandelt, Berlin, 8. April 1869

nicht anders erwartet habe, den Ihnen ausgedrückten Wünschen nachgekommen sind, und bin überzeugt, daß Ewpp. dieselbe Reserve auch ferner beibehalten werden. 54*. Runderlaß Bismarcks Oncken, Rheinpolitik III S. 529–530; auch Bismarck, GW VIb S. 40–41. – Vgl. auch ebenda S. 47–48.

Gespräch mit dem italienischen Gesandten73 über die Gerüchte einer Tripelallianz: Die Aufforderung, Frankreich „zufriedenzustellen“, verkennt das militärische Potential Deutschlands; dieses ist einem französischen Heer um das Doppelte überlegen. Berlin, 6. April 1869 55*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 41–44. Ganz vertraulicher Erlaß.

Er stellt private Äußerungen Clarendons richtig, die dieser gegenüber dem englischen Legationssekretär in Rom74 (Schwiegersohn Clarendons) getan hat. Vor allem ist die Folgerung, daß die holländische Regierung in Aufregung gewesen sei über das Gerücht, Holland könne von Preußen annektiert werden, wenn Frankreich seine Hand auf Belgien lege, unrichtig. Berlin, 7. April 1869 56. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums PA Berlin, RZ 201/16, S. 114–117. Protokoll. Abschrift. Auszug. Secretandum. Praes.: 13. April 1869.

Anwesend sind: die sämmtlichen Herren Staatsminister mit Ausnahme des verreisten Herrn Ministers der landw. Angelegenheiten sowie des Herrn Kultusministers, für welchen der Herr Unterstaatssekretär Dr. Lehnert anwesend ist, ferner Geh. Ob.Reg.Rat Wagener75. Verhandelt, Berlin, 8. April 1869 73  de

Launay. Odo Russell (1829–1884), Legationssekretär in speziellem Dienst in Rom (Vatikan) 1858–1870; Unterstaatssekretär im Foreign Office 1870–1871; Botschafter in Berlin 1871–1884; er war verheiratet mit Lady Emily Theresa Villiers, Tochter des Außenministers Lord Clarendon. 74  Lord

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56. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums, Verhandelt, Berlin, 8. April 1869

In der heutigen Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums wurde Folgendes verhandelt: 1. pp. 4. Ueber die Verwendung der in Beschlag genommenen Revenüen des Königs Georg76 und des ehemaligen Kurfürsten von Hessen referirt Herr Geh. Ob.Fin.Rath Wollny77. Derselbe übergiebt dem Herrn Ministerpräsidenten eine schriftliche Uebersicht von der Lage der Fonds und theilt daraus mit: 1.  von den Revenüen des Königs Georg pro 1869 einschließlich des Bestandes aus den Vorjahren seien disponibel etwa 917.000 M, davon kämen vorweg in Abrechnung: an Zuschuß zu den Ausgaben der Verwaltungs-Kommission. . . 147.800 M an Kosten der Ueberwachung und Abwehr, dem Minister der auswärtigen Angelegenheiten und des Innern bereitzustellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212.000 M zur Berufung geeigneter Dozenten an die Universität Göttingen auf 4 Jahre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18.000 M zur Unterhaltung einer Yacht an das Marine-Ministerium . . . . . 1.200 M und einige geringere Kostenbeträge. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1.000 M  380.000 M so daß für andere Zwecke c. 537.000 M verwendbar bleiben. 2. Die Revenüen des Kurfürsten von Hessen seien nicht in gleichem Maß sicher, da der Hausschatz in 118 verschiedenen, großentheils sich verzinslichen österreichischen Werthpapieren angelegt sei. Der Zinsertrag von jetzt c. 273.000 M. werde sich bei der jetzt angeordneten Veräußerung jener fremden Werthpapiere behufs Wiederanlegung des Geldes in Preußischer Staatsanleihe vielleicht auf c. 136.000 M. vermindern. Der jetzige Revenüenbestand betrage einschließlich des Bestandes

75  Werner von Selchow (1806–1884), preußischer Landwirtschaftsminister 1862– 1873. – Heinrich von Mühler (1813–1874), preußischer Minister der geistlichen, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten 1862–1872. – Hermann Lehnert (1808– 1871), Unterstaatssekretär im ebengenannen Ministerium 1861–1871. – Hermann Wagener (1815–1889), Geheimer Oberregierungsrat 1868–1873. 76  Georg V. (1819–1878), König von Hannover 1815–1866. – Sein Vermögen war nach dem Krieg von 1866 beschlagnahmt worden; es bildete einen Geheimfonds für politische Zwecke Bismarcks („Welfenfonds“). – Friedrich Wilhelm I. (1802–1875), Kurfürst von Hessen-Kassel 1837–1866. 77  Rudolph Wollny (1816–1887), Geheimer Oberfinanzrat im Finanzministerium 1867–1872.

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56. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums, Verhandelt, Berlin, 8. April 1869

aus den Vorjahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c. 353.000 M Die Maßregeln der Ueberwachung erfordern . . . . . . . . . . . . c. 53.000 M Verwendbar zu anderen Zwecken bleiben also pro 1869 . . c. 300.000 M Hiernach könne im Ganzen über eine Summe von 837.000 M. im laufenden Jahre disponirt werden. Die von den einzelnen Ministerien angemeldeten Verwendungen wurden hierauf mitgetheilt und nach ihrer Dringlichkeit sowie ihrer Wirksamkeit für die Abwehr feindlicher Unternehmungen beleuchtet. Es wurde dabei anerkannt, daß Verwendungen, welche einen besonders günstigen Eindruck auf die Stimmung in den Provinzen Hannover und Hessen versprechen oder welche sich als nachträgliche Erfüllung früher versäumter Verpflichtungen der depossedirten Fürsten betrachten lassen, nach dem Beschlagnahmegesetz zulässig erscheinen, daß ferner Bauten in den zum Fideikommißvermögen der Depossedirten gehörigen Schlössern und Grundstücken als Verwaltungsmaßregel keinem Bedenken unterliegen und daß eine Ansammlung von Beständen in jedem Falle vermieden werden kann durch die Verwendung zu militairischen unter die Abwehrmittel zu rechnenden Anlagen. Andererseits bemerkte der Herr Ministerpräsident, daß nicht mit Sicherheit darauf gerechnet werden könne, die Revenüen des früheren Kurfürsten von Hessen längere Zeit in ihrer vollen Höhe disponibel zu behalten, da möglicherweise ein Vertrag zu Stande komme, durch welchen der Thronerbe des früheren Kurfürsten von Hessen78 sein Recht auf den Thron definitiv an die Krone Preußen gegen eine alsbald aus den Kurfürstlichen Revenüen zahlbare jährliche Geldabfindung abtrete, daß ferner noch unerwartete andere Zahlungen nöthig werden können, welche zur Neutralisirung der feindlichen Unternehmungen der depossedirten Fürsten dienen würden, so daß es rathsam erscheine, eine angemessene Summe noch disponibel zu halten. Nach längerer Diskussion beschließt das Staatsministerium, aus dem Fonds pro 1869 zur Disposition zu stellen 1.  dem Finanzministerium für Anlagen im Seebade Norderney . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.  demselben und dem Ministerium für die landw. Angel. zu Bauten in Cassel behufs Unterbringung des Landgestütes in Gebäuden des Fideicommißvermögens . . . . . . . . . . . . . 3.  dem Kriegsministerium zu Kasernenbauten in Celle u. Frankfurt a. M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

60. 000 M

77.000 M 300.000 M

78  Friedrich (1820–1884), (Titular-)Landgraf von Hessen; er stammte aus der Seienlinie Rumpenheim der Hauptlinie Hessen-Kassel.

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57*. Bismarck an Arnim, Berlin, 8. April 1869

4.  zu verschiedenen Bauten in Cassel (Bau einer Bildergallerie auf der Kattenburg, Bau einer Gewerbeschule, Verbesserung des Museums am Friedrichs-Platz, Herstellung von Trottoirs in Cassel und nach der Wilhelmshöhe hin) nach näherer Verständigung des Herrn Finanzministers mit den betheiligten Herren Ressortchefs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300.000 M 5.  dem Ministerium für die landw. Angel. zu Landesmeliorationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 537.000 M namentlich in Wiezebruch [Wietzenbruch] . . . . . . . . . . . . . 50.000 M zu reserviren für jetzt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250.000 M 837.000 M 79 Die von dem Herrn Kriegsminister dringend erbetenen 100.000 M. zu Torpedos und 100.000 M. zu Küstenbefestigungen sollen, wie per majora beschlossen wird, für jetzt nicht von diesem Fonds bewilligt werden, da zunächst versucht werden müsse, die die Kräfte des obigen Fonds weit übersteigenden Bedürfnisse der Militairverwaltung durch das Bundes-Budget zu genügen. Die Errichtung eines Provinzial-Museums für Kunst und Alterthum in Hannover, welche vom Herren Geh. Ob.Fin.Rat Wollny als außer der Bestimmung des Fonds bezeichnet war, zumal solche Verwendungen unter die den Provinzialständen übertragenen Verpflichtungen fielen, wurde vom Herrn Unterstaatssekretär Dr. Lehnert lebhaft empfohlen, da es in der Provinz Hannover jetzt schmerzlich empfunden werde, daß es von einem Mittelpunkte für Sammlungen und Geschenke der Privaten fehle. Die Errichtung eines solchen Museums werde einen besonders günstigen Eindruck in der Provinz machen. Für das laufende Jahr wurde indeß auf den Antrag nicht eingegangen. Zur Beglaubigung gez. Wehrmann 57*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 44. Erlaß.

Wie denkt der Vatikan über die Einrichtung einer Nuntiatur in Berlin? Berlin, 8. April 1869

79  Albrecht (1871 Graf) von Roon (1803–1879), General der Infanterie; General­ feldmarschall 1873; Kriegsminister 1859–1873; Marineminister 1861–1871.

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59. Zirndorfer an Bismarck, Frankfurt, 10. April 1869

58*. Solms an Bismarck Oncken, Rheinpolitik III S. 153–155. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 156.

Gespräch mit dem Kabinettschef des früheren Außenministers Drouyn de Lhuys80, der die jetzigen Zustände in Frankreich scharf kritisiert. – Ein weiteres Gespräch mit dem Herzog von Persigny, der ebenfalls mit Kritik nicht spart. Dieser bewundert Preußen. Paris, 8. April 1869 59. Zirndorfer81 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/36, S. 72–73. Bericht. Abschrift. Auszug.



Frankfurt, 10. April 1869 pp.

Der Herzog von Nassau82 war in Paris sehr thätig, conferirte viel mit Metternich und empfing auch die Hauptvertreter der welfischen Presse bei sich. Er hat dem Kaiser sehr gehässige Schilderungen über Preußens Druck auf Nassau und die Stimmung im Lande gemacht, wurde aber ziemlich lau und kühl behandelt. Er hat sehr deprimirt Paris verlassen. Die Verbindung der welfischen Agenten mit dem Wiener Preßbureau und besonders mit dem Grafen Hoyos sowie dem Grafen Kuefstein83, die die Presse in Paris bei der oesterr. Botschaft leiten, ist bekannt, ebenso werden die Welfenliteraten viel bei dem Abbé Luciardi, Secretair der Römischen Nuntiatur, gesehen, so daß, wie überall auch in Paris, die oesterr.-ultramontan-demokratische Partei gegen Preußen gemeinsam agirt. Als Hauptstationsplatz nächst Paris und Genf wurden mir in Paris die bekannten Orte Stuttgart und Frankfurt bezeichnet,

80  Vermutlich Alfred André (1827–1896). – Édouard Drouyn de Lhuys (1805– 1881), mehrfach französischer Außenminister, zuletzt 1862–1866. – Der im folgenden genannte: Jean Gilbert Victor Fialin, duc de Persigny (1808–1872), französischer Innenminister zuletzt 1860–1863. 81  Vermutlich Sigmund Zirndorfer, Journalist beim Frankfurter Wochenblatt 1851– 1876 (Lebensdaten nicht ermittelt). 82  Adolph (1817–1905), Herzog von Nassau 1839–1866. 83  Ernst Graf Hoyos-Prinzenstein (1830–1903), Botschaftsrat bei der österreichisch-ungarischen Botschaft in Paris seit 1869. – Carl Graf von Kuefstein (1838– 1925), Botschaftssekretär an der österreichisch-ungarischen Botschaft in Paris 1867– 1869, 1873–1881.– Der im folgenden genannte: Abbé Lucciardi, Sekretär an der päpstlichen Nuntiatur in Paris seit 1864 (Lebensdaten nicht ermittelt).

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62*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 15. April 1869

wo Freese84 und Mayer, und Sonnemann und Dr. Braunfels als die Vertrauten der Partei arbeiten. pp. 60*. König Wilhelm I. an Großherzog Friedrich Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 121–122. Handschreiben.

Es ist anzunehmen, daß der Südbund sich nicht an den Norddeutschen Bund annähern werde. Baden sollte keinen isolierten Schritt tun, um sich dem Norden anzuschließen, da sonst Napoleon mit Krieg antworten könnte. Berlin, 12. April 1869 61*. Launay an Menabrea DDI I,11 S. 241–243. Bericht.

Eine Verschmelzung Süddeutschlands und Norddeutschlands ist derzeit nicht in Sicht. Der Großherzog von Baden drängt zwar nach Vereinigung, aber Bayern will im Süden dieselbe Position einnehmen wie Preußen im Norden. Der württembergische Ministerpräsident85 ist ein wahres politisches Chamäleon. Das Berliner Kabinett will derzeit auch keine engere Verbindung mit dem Süden. General Moltke ist dagegen, weil im Kriegsfall das militärisch nichts bedeute, sondern der Süden sogar des Schutzes durch den Norden bedürfe; Bismarck verhält sich sehr vorsichtig. Berlin, 13. April 1869 62*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 48–51. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 51–52, 53–54.

Unterredung mit dem englischen Botschafter86. Dieser mahnt, man möge Frankreich keinen Anlaß zu Beschwerden geben. Antwort Bismarcks: Die 84  Julius Freese, Journalist (keine weiteren Daten ermittelt); ebensowenig für die im folgenden genannten. – Vgl. zu den Welfen: Stehlin, Bismarck and the Guelph Problem. 85  Freiherr Karl von Varnbüler (1809–1889), württembergischer Außenminister und Minister des königlichen Hauses 1864 – 31. August 1870; Hauptverfechter der Selbständigkeit der Mittelstaaten. – Der im folgenden genannte: Helmuth Graf von Moltke (1800–1891), Generalfeldmarschall; Chef des Generalstabs 1857–1888. 86  Loftus.

103

64*. Loftus an Clarendon, Berlin, 17. April 1869

preußische Heeresmacht sei zahlreicher als die französische; wenn Frankreich auf Österreich rechne, so rechne Preußen auf Rußland; Napoleon ziele weiterhin auf die Okkupation Belgiens. – Hinter den englischen Mahnungen steht wahrscheinlich eine Anregung Frankreichs. Berlin, 15. April 1869 63*. Runderlaß Bismarcks Michael, Bismarck, England S. 435–438. Runderlaß (Auszug; cessat).

Gedanken zu den Gerüchten einer Tripelallianz zwischen Frankreich, Italien und Österreich: Kaiser Napoleon ist besonnen und läßt sich von einer chauvinistischen Kriegspartei nicht drängen; die inneren Schwierigkeiten zwingen zu einer friedlichen Politik; falls die Tripelallianz in einem Krieg gegen Preußen siegte, würde die Übermacht Frankreichs so groß sein, daß es zu dessen Vasall herabsänke; England aber würde dieses Ergebnis nicht akzeptieren wollen. Ergo würde es zu einem solchen Krieg nicht kommen. [Berlin] 15. April 1869 64*. Loftus an Clarendon Valentin, Bismarcks Reichsgründung S. 540–546. Ganz vertraulicher Bericht. – Vgl. auch OD XXIV S. 175–177.

Längere Unterredung mit Bismarck: Die süddeutschen Staaten seien völlig frei, einen Südbund zu bilden; im Kriegsfall seien sie unzuverlässig; das Schutz- und Trutzbündnis mit Bayern 1866 sei zustande gekommen, weil Benedetti am 7. August als Preis für Frankreich die Hergabe von Mainz gefordert habe; am folgenden Tag habe er mit dem bayerischen Ministerpräsidenten den Bündnisvertrag abgeschlossen; jetzt, 1869, sei es besser, die süddeutschen Staaten als Feinde zu haben. – Weitere Gesprächsthemen: Zollverein; England und Belgien. Fazit: Bismarck ist friedlich gesinnt; falls Frankreich sich Belgien aneignet, hat Bismarck freie Hand mit Süddeutschland. Berlin, 17. April 1869

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65. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums, Berlin, 18. April 1869

65. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums PA Berlin, RZ 201/16, S. 118–120. Protokoll. Abschrift. Auszug.

Verhandelt Berlin, 18. April 1869 Anwesend sind: Herr Geh. Reg.Rath von Wolff87 Herr Geh. Reg.Rath Hoffmann In der heutigen Sitzung des Königlichen Staatsministeriums wurde Folgendes verhandelt: pp. Der Herr Ministerpräsident hat dem Königlichen Staatsministerium mittelst Voti vom 7. März d. J. die politische Nothwendigkeit dargelegt, auf den Austausch der Hannoverschen Beamten gegen altländische in allen Ressorts entschieden Bedacht zu nehmen, sowohl im Interesse der Hannoverschen Beamten als im Interesse der Verschmelzung des Beamtenstandes der Monarchie und im Interesse der politischen Beruhigung der Provinz Hannover. Der Herr Ministerpräsident hat als grundsätzliche Regel empfohlen, a) jeden Hannoverschen Beamten, der in eine sichere Stelle befördert werden soll, in eine andere Provinz zu versetzen, wenn nicht ganz sichere Beweise vorliegen, daß der Beamte mit voller lebendiger Ueberzeugung sich der Preußischen Regierungspartei angeschlossen hat und die Ueberzeugung in seinem Wirkungskreis mit Erfolg bethätigt. b) alle noch nicht definitiv angestellten Hannoveraner in anderen Provinzen anzustellen. Der Herr Ministerpräsident hat sodann den übrigen Herren Staatsministern die Namen von Beamten Ihres Ressorts mitgetheilt, welche in hierher gelangten Berichten als Männer von zweifelhafter Haltung bezeichnet sind. Seitens des Herrn Ministers des Innern und der Finanzen88 sind Nachweisungen der in ihren Ressorts bis jetzt ausgewechselten Beamten eingesandt.

87  Arthur von Wolff (1828–1898), Geheimer Regierungsrat (1870 Geheimer Oberregierungsrat) im Ministerium des Innern 1865–1872. – Der dann genannte: Otto Hoffmann (1833–1905), Geheimer Finanzrat (1872 Geheimer Oberfinanzrat) im Finanzministerium 1869–1876. 88  Friedrich Albrecht Graf von Eulenburg (1815–1881), preußischer Innenminister 1862–1878. – August Frhr. von der Heydt (1801–1874), preußischer Finanzminister 1866–1869.

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65. Sitzung des Preußischen Staatsministeriums, Berlin, 18. April 1869

Nachdem der Wirkl. Geh. Ob.Reg.Rath Wehrmann89 den wesentlichen Inhalt der vorgedachten Schriftstücke vorgetragen hatte, theilten der Herr Minister des Innern und dessen Kommissarius Herr Geh. Reg.Rath von Wolff mit, bei welchen der fraglichen Beamten eine Versetzung schon verfügt oder vorbereitet sei. Darunter befinden sich auch die vom Oberpräsidenten Grafen Stolberg zur Beförderung empfohlenen Kreishauptmänner Schönian und Ruppel. Der erstere soll zum Ober-Regierungs-Rath in Königsberg vorgeschlagen, der letztere möglichst in eine größere Stadt versetzt werden. Das Staatsministerium erklärt sich mit der Beförderung des als besonders tüchtig gerühmten p. Schönian einverstanden. Auch zwei nicht genannte Amtshauptmänner, von Plate und von BockWiebfing90, würden nächstens versetzt werden. Der Herr Finanzminister bemerkt, daß er beabsichtige, den Ober-Reg.Rath Winkler91 in Danzig zum Präsidenten der Finanzdirektion in Hannover vorzuschlagen, womit das Staatsministerium sich einverstanden erklärt. Was die Mitglieder der Finanzdirektion betrifft, so bemerkt der Kommissarius des Herrn Finanzministers, daß die Hälfte aus Hannoveranern, die andere Hälfte aus Altpreußen bestehen werde. Eine stärkere Verminderung des Hannoverschen Elementes erscheint im Interesse der Kontinuität der Verwaltung nicht rathsam. Der Herr Minister für die landwirtschaftlichen Angelegenheiten92 bemerkt, daß er den Landstallmeister in Celle bisher aus sachlichen Gründen im Interesse der Hannoverschen Pferdezucht in Celle belassen habe, da eine Agitation im Welfischen Interesse dem von Schlüter nicht nachzuweisen sei. Wegen der vielfach bezeugten Welfischen Gesinnung des von Schlüter hält indeß das Staatsministerium die politischen Gründe für dessen Entfernung aus seiner einflußreichen Stellung für überwiegend, und der Herr Minister von Selchow verspricht, die Versetzung des von Schlüter nunmehr anzuordnen.

89  Otto W. Wehrmann (1815–1876), Erster Vortragender Rat im Staatsministerium 1868–1872. – Die im folgenden genannten: Otto Graf zu Stolberg-Wernigerode (1837–1896) Oberpräsident der Provinz Hannover 1867–1873. – Johann Philipp Adolf Schönian (1813–1886), Oberregierungsrat in Königsberg 1869–1879. – Karl Rüppell (1820–1890), Kreishauptmann in Einbek 1868, Regierungsrat in Hildesheim 1873. 90  Franz von Plate (1855–1890), Amtshauptmann in Burgwedel; Regierungsrat 1869. – Georg W. Bock von Wülfingen (1812–1891), Amtshauptmann in Uslar 1868– 1870. 91  Winkler (*ca. 1812), Oberregierungsrat in Danzig 1863–1869; Präsident der Finanzdirektion Hannover 1869–1872. 92  Selchow. – Der im folgenden genannte: Julius von Schlüter (1825–1899), hannoverscher Landstallmeister des Gestüts Celle; 1869 wegen welfischer Gesinnung pensioniert.

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66. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 19. April 1869

Der Herr Kultusminister bemerkt, daß er die antipreußische Haltung der Geistlichkeit in Hannover, insbesondere die Unterlassung des Kirchengebetes für den König, in jedem zu seiner Kenntnis gelangenden Falle im Disciplinarwege verfolgen lasse und durch Absendung eines Kommissarius nach Hannover auf die korrekte Haltung des Landes-Konsistoriums in dieser Beziehung hinwirken werde. Der Herr Handelsminister93 macht Mittheilung über dasjenige, was in Betreff der wenigen aus seinem Ressort bezeichneten Personen möglich und veranlaßt sei. Im Allgemeinen empfiehlt der Herr Ministerpräsident von Neuem, die Versetzung der Hannoveraner in andere Provinzen nicht als Strafe aufzufassen, sondern bei jeder passenden Gelegenheit auszuführen, auch wenn den Beamten der Vorwurf antipreußischer Haltung nicht trifft, ferner auf die Beförderung befähigter Hannoveraner in sichere Stellen der alten Provinzen möglichst Bedacht zu nehmen, damit das Gefühl der Zurücksetzung nicht in diesem tüchtigen Beamtenstande entstehe. Das Staatsministerium beschließt endlich, die im Eingang gedachten, vom Herrn Ministerpräsidenten empfohlenen Grundsätze bei der Stellenbesetzung als Regel zu beobachten. pp.

Zur Beglaubigung. gez. Wehrmann. 66. Reuß an Bismarck

PA Berlin, RZ 201/9863, S. 197–198. Bericht. Behändigte Abschrift. Auszug. Praes: 24. April 1869.

No. 56.

St. Petersburg, 19. April 1869

pp. Obwohl die griechische Nationalitätenfrage94 vorläufig durch das Zurückziehen Rußlands in ein anderes Stadium getreten ist, so hielt ich es doch für nützlich, dem Fürsten sowohl Ewp. Depesche nebst Postscriptum als auch 93  Heinrich

Graf von Itzenplitz (1799–1883), preußischer Handelsminister 1862– 1873. 94  Im griechisch-türkischen Konflikt hatte die türkische Regierung Anfang Januar 1869 beschlossen, alle griechischen Untertanen aus dem türkischen Reich auszuweisen, es sei denn sie nähmen die türkische Nationalität an. Daraufhin trat am 9. Januar in Paris eine Konferenz der europäischen Großmächte zusammen, die Griechenland aufforderte, die Unterstützung des Aufstands auf der türkischen Insel Kreta zu unterlassen. Griechenland nahm die Aufforderung an, und damit war der jahrelange Kon107

67*. Bismarck an Werthern, Berlin, 20. April 1869

den an Gf Solms gerichteten Erlaß vorzulesen. Ich hielt dies besonders deshalb für nützlich, weil mir unter der Hand gesagt worden war, man spräche hier wieder davon, Preußen habe sich nur sehr lau der Russ. Auffassung gegenüber gezeigt. Der Kanzler erklärte sich durch die Anschauungsweise Ew.p. sehr zufriedengestellt. Er sagte, diese Mittheilung sei ihm um so wichtiger, als man in Paris wiederum getrachtet habe, die Preußischen Intentionen zu verdächtigen. Mis Lavalette habe geäußert, die Sprache des Gf. Solms entspräche nicht den Auffassungen Rußlands und habe der französ. Minister hierdurch gewissermaßen seine eigene geringe Geneigtheit, auf letztere einzugehen, entschuldigen wollen. Der Fürst bat mich, ihm zu gestatten, Ewp. Depesche dem Kaiser vorlesen zu dürfen; es würde dem Kaiser so vielfach insinuirt, daß er auf die Preußische Freundschaft nicht zu rechnen habe, daß es heilsam sei, ihm schwarz auf weiß zu zeigen, welches die eigentlichen Intentionen des Königl. Cabinets gewesen seien. Ich hoffe, Ewp. werden es deshalb gut heißen, daß ich dem Fürsten mit größter Bereitwilligkeit, aber unter Vorbehalt einer ganz vertr[aulichen] Mittheilung, zu der ich nicht autorisirt war, dieses Schriftstück überließ. pp. 67*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 54–55. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 55–56, 66, 70–71, 95– 96, 122–123; Beust, Erinnerungen II S. 278–281; Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 351–353, 360–363, 374–376, 383–386, 392–395, 398–399, 404; Documents dipl. suisses II S. 295–305, 345–348.

Er begrüßt die bayerische Initiative95, auf deutscher und auf europäischer Ebene eine gemeinsame Haltung gegenüber dem Ökumenischen Konzil einzunehmen, und bittet München um weitere Mitteilungen. Berlin, 20. April 1869

flikt beendet. In diesem Konflikt hatte Rußland bisher die griechische Position unterstützt. 95  Fürst Hohenlohe hatte diese Initiative am 9. April 1869 durch ein Zirkular an die Gesandten bei den verschiedenen europäischen Mächten und des Vatikanischen Konzils ergriffen. Text u. a. in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 166–167 (deutsch); Archives Dipl. 37 (1870) S. 229–231 (französisch); Staatsarchiv 17 (1869) S. 273–274 (deutsch). 108

70*. Bismarck an Brandenburg, Berlin, 26. April 1869

68*. Bismarck an Eichmann96 Bismarck, GW VIb S. 57. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebendas S. 57–59.

Genugtuung über die friedliche Rede des französischen Außenministers. Frankreich hat aber kein Recht, sich über die inneren Verhältnisse Deutschlands auszulassen. Berlin, 21. April 1869 69*. Bismarck an Balan Oncken, Rheinpolitik III S. 170. Vertraulicher Erlaß.

Was die „süddeutschen Festungen“ anbelangt, so herrscht in Kreisen der englischen Diplomatie darüber eine falsche Vorstellung. 1. Der rasche Abschluß der Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten 1866 wurde uns durch die Forderung Frankreichs nach der Festung Mainz aufgenötigt. – 2. Derzeit geht es bei den süddeutschen Festungen allein um die Feststellung, wem das bewegliche Eigentum an diesen Festungen zustehe97. Berlin, 23. April 1869 70*. Bismarck an Brandenburg98 Bismarck, GW VIb S. 59.

Dem Hamburger Kaufmann Lippert soll von der portugiesischen Regierung ein Empfehlungsschreiben für seine Expeditionen nach dem Sambesi umgehend ausgestellt werden. Berlin, 26. April 1869

96  Friedrich von Eichmann (1826–1875), preußischer Gesandter in Dresden 1867– 1873. – Zum folgenden: Der französische Außenminister La Valette hatte sich in e­ iner Rede im Corps législatif am 9. April lange zur Deutschen Frage ausgelassen. Zusammenfassung in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 334– 334. 97  Am 4. April 1869 war in München eine Kommission preußischer und süddeutscher Militärexperten zusammengekommen (die sogenannte Bundesliquidationskommission), die über die Zugehörigkeit des beweglichen Eigentums in den früheren deutschen Bundesfestungen Ulm, Rastatt und Landau verhandeln sollte. 98  Gustav Graf von Brandenburg (1820–1909), preußischer Gesandter (1869 des Norddeutschen Bundes, 1871 des Deutschen Reiches) 1864–1875. – Der im folgenden genannte: Ludwig Julius Lippert (1835–1918), Hamburger Kaufmann und Politiker; seine Firma hatte Niederlassungen in Kapstadt, Port Natal und Kimberley.

109

71. Werther an Bismarck, Wien, 27. April 1869

71. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8419, S. 272–275. Bericht. Abschrift. Mit Praes.: 30. April 1869.

No. 122.

Wien, 27. April 1869

Bei einer vorgestrigen Begegnung mit dem Reichskanzler Grafen Beust in einer Gesellschaft sprach er mir sein Bedauern aus, daß die Polemik unsrer offiziösen Presse bei Veranlassung der neuesten Oesterreichischen Generalstabs-Publikation über den Krieg von 1866 wieder gegen ihn ausgebrochen sei. Er beklage die Tendenz der letztern und namentlich die Veröffentlichung des Telegramms vom 20ten Juli 1866 an Graf Goltz, doch könne er mir die Versicherung geben, daß seine Mitwirkung dabei in keiner Weise vorhanden sei99. Er wäre im Gegentheil sehr unangenehm davon überrascht gewesen, doch sei er außer Stand, dies öffentlich auszusprechen, da er das Kaiserliche Kriegs-Ministerium oder den Generalstab nicht „desavouiren“ könne. Er habe dies Sachverhältniß an Graf Wimpffen telegraphirt und geschrieben, doch wisse er nicht, ob dieser davon vertraulichen Gebrauch gemacht, da solches bei der Heftigkeit der Angriffe unsrer offiziösen Presse gegen ihn nicht wohl thunlich sei. Ich habe ihm darauf erwiedert, „ er könne sich eigentlich nicht wundern, daß unsere Presse das neueste gehässige Verfahren gegen uns lebhaft aufgegriffen, und es wäre zu beklagen, daß hier die Hetzereien gegen Preußen in der einen oder andern Form unter verletzenden Commentaren der hiesigen Zeitungen immer fortgesetzt würden.“ Gegen Lord Bloomfield100 hat Graf Beust sich auch dahin ausgesprochen, daß er an der besagten Publikation ganz schuldlos und er selber davon sehr unangenehm betroffen gewesen wäre, doch wüßte er nicht, woher der Generalstab sich das Document des Telegramms vom Juli 1866 an Graf Goltz verschafft hätte. 99  Robert Heinrich Graf von der Goltz (1817 – 24. Juni 1869), preußischer Botschafter in Paris 1862 – 13. November 1868. – Zu der hier angesprochenen Sache: In der „Wiener Freien Presse“ vom 17. April 1869 war aus dem damals noch nicht erschienenen Band 4 des österreichischen Generalstabswerks „Oesterreichs Kämpfe im Jahre 1866“ ein Telegramm Bismarcks an Goltz in Paris unvollständig veröffentlicht (Text in: Bismarck, GW VI S. 67–68). Darin war von einem preußisch-österreichischen Waffenstillstand unter französischer Vermittlung die Rede. Die Publikation der „Wiener Zeitung“ war ungenau. Daraufhin veröffentlichte die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ am 20. April den genauen Wortlaut (wie die „Wiener Zeitung“ ohne den ersten Absatz). – Vgl. Staatsarchiv 17 (1869) S. 233–236. – Der im folgenden genannte: Felix Graf von Wimpffen (1827–1883), österreichisch-ungarischer Gesandter 1866–1871. 100  John Arthur Douglas, Lord Bloomfield (1802–1879), englischer Botschafter in Wien 1860–1871.

110

72*. Oubril an Gorčakov, Berlin, 27. April 1869

Der Minister Giskra101, dem ich auch in derselben Gesellschaft begegnete, suchte es mir gegenüber zu bestätigen, daß man dem Grafen Beust Unrecht thäte, ihm besagte Publikation zuzuschieben; Letzterer bedauere sie selber aufrichtig und habe ihm anvertraut, daß der Oesterreichische Generalstab, der jenes Werk ganz selbstständig ausgearbeitet, das publizirte Telegramm vom 20ten Juli 1866 von französischer Seite, ganz ohne Mitwirkung des hiesigen Ministeriums des Äußern, mitgetheilt bekommen habe. Die Verantwortung einer solchen amtlichen Publikation politischen Inhalts über Friedens-Verhandlungen fällt natürlich auf das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten, doch nach vorstehenden Umständen möchte ich wirklich glauben, daß Graf Beust den Fehler begangen, diese Veröffentlichung gar nicht zu controlliren, und wahrscheinlich dabei Collisionen mit den Militair-Autoritäten hat vermeiden wollen. Als ich ihm im Laufe unsres Gesprächs bemerkte, daß nicht nur die Veröffentlichung des Telegramms von Graf Goltz, sondern die ganze geschäftige Tendenz der Darstellung des Buches und respectiven Entstellung der wahren Verhältnisse zu tadeln wäre, sagte er mir, es wäre leider dabei ein Offizier beteiligt gewesen, der schon als Schriftsteller und Geschichtsschreiber der Revolutionskriege sich immer fanatisch antipreußisch bewährt habe. Dies wäre der Hauptmann von Vivenot102, der im Jahre 1866 als Organisator des Landsturms in OesterreichischSchlesien sich ohne Erfolg hervorgethan hat. Die oberste Leitung dieser Publikation des Oesterreichischen Generalstabs hatte, soviel ich weiß, ein Oberst Fischer, doch mag der p. Vivenot wohl dabei der Haupt-Redacteur gewesen sein. 72*. Oubril an Gorčakov Becker, „Diversion“ I S. 143–145. Bericht.

Verschiedentlich aufgetauchte Forderungen (so seitens Italiens), Preußen solle für die Bildung eines süddeutschen Bundes territoriale Entschädigungen anbieten, hat Bismarck abgewiesen. Bei einem künftigen Krieg könne Preußen 1.300.000 Mann ins Feld schicken. Berlin, 27. April 1869

101  Karl Giskra (1820–1879), österreichischer Minister des Innern 1867–1870; Präsident des Abgeordnetenhauses 1867 (vor der Ernennung zum Innenminister). 102  Alfred Ritter von Vivenot (1836–1874), österreichischer Offizier und Historiker. – Der im folgenden genannte: Friedrich von Fischer (1826–1907), Oberst; Vorstand des Büros für Kriegsgeschichte seit 1866; a. D. als Feldmarschalleutnant.

111

74. Bernstorff an Bismarck, London, 29. April 1869

73*. Bismarck an Solms Bismarck, GW VIb S. 63–69. Vertraulicher Erlaß.

In der griechisch-türkischen Nationalitätenfrage (Übertritt griechischer Untertanen in die türkische Nationalität während des Kreta-Konflikts 1868/69) soll er bemüht sein, ein klares Einverständnis zwischen Preußen und Rußland zu demonstrieren. Berlin, 29. April 1869 74. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4312, S. 241–242. Telegramm. Entzifferung.

No. 41.

London, 29. April 1869, 3 Uhr 20 Min. Vorm. Ankunft: 29. April 1869, 6 Uhr 4 Min. Nachm.

Der Staatssecretair für die auswärtigen Angelegenheiten sagt mir eben, daß er gestern aLord Loftusa beauftragt habe, Ew. Excellenz auf das Aufrichtigste Glück zu wünschen zu der Haltung, welche die Regierung des Königs der Französisch-Belgischen Angelegenheit gegenüber beobachtet und welche wesentlich mit dazu beigetragen habe, dieselbe einen friedlichen Ausgang nehmen zu lassen103. Für die Sicherheit Belgiens hat England die allerbestimmtesten Zusicherungen von Frankreich erhalten. Näheres durch meinen nächsten Courier. Lord Clarendon tadelt und bedauert lebhaft die neuen Oesterreichischen Hetzereien gegen uns. a–a

Von König Wilhelm I. unterstrichen. Dazu am Rand sein Vermerk: Dem Lord wird also unsere Genugthuung über diese bonne entente auszusprechen sein. Unsere Devise: Tout à Vous; aber keine Kastanien hat sehr schöne Früchte getragen!

103  Nach mehrwöchigen Verhandlungen in Paris mit dem belgischen Ministerpräsidenten Frère-Orban wurde am 27. April 1869 ein Protokoll zur Beilegung des Eisenbahnkonflikts unterzeichnet. Es sah die Bildung einer nichtpolitischen Kommission vor. Diese begann Anfang Juni ihre Arbeit. Am 10. Juli wurde schließlich in Paris ein Protokoll unterzeichnet, das die Eisenbahndifferenz endgültig beseitigte. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 424–425. Text des Protokolls in: Archives Dipl. 37 (1869) S. 287–290.

112

76. Werther an Bismarck, Wien, 4. Mai 1869

75*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 67–70. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 72– 73, 127–128; OD XXIV S. 305–306, 307–308, 350–351, 420–431; XXV S. 7–8, 27, 92–93, 96; XXVI S. 124–125.

Zur persönlichen Orientierung wird ihm mitgeteilt, daß die englische Regierung das Einverständnis mit Preußen in der französisch-belgischen Eisenbahn-Frage benutzt hat, um der französischen Regierung zu demonstrieren, daß es ihr nur um die belgische Frage gehe und nicht um ein allgemeines englisch-preußisches Zusammengehen. Berlin, 4. Mai 1869 76. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8437, S. 274–277. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. Juli 1869.

No. 128.

Wien, 4. Mai 1869

Der Kaiserlich Russische Geschäftsträger104 hat mir vertrauliche Einsicht in ein angeblich von einem Berliner Agenten herrührendes Schriftstück gegeben, welches keine Unterschrift trug. Dasselbe könnte möglicher Weise aber auch aus dem Königlichen Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten stammen. Hierin findet sich unter Anderem der Gedanke niedergelegt, daß Graf Beust immer noch für den Fall extremer Eventualitäten an der Idee festhält, ein independentes Polenreich zunächst aus Galizien zu schaffen, dafür Oesterreich durch Annexion gewisser Donauländer105 zu entschädigen. Weder ich noch Baron Üxküll haben Gelegenheit gefunden, derartige Dispositionen aus den Reden des Reichskanzlers zu entnehmen. Selbstverständlich will ich aus diesem Umstande nicht den Schluß ziehen, daß der intime Ideen­ gang des Leiters der oesterreichischen Politik nicht in jener Richtung sich bewege, wie ich sogar auch in meiner früheren Berichterstattung auf die allerdings entfernte Möglichkeit einer solchen Entwicklung der oesterreichischen Politik hingewiesen habe. Auch steht es fest, daß Graf Beust immer der Ansicht ist, Oesterreich müsse aus den Galizianern die zufriedensten aller Polen, namentlich im Gegensatz zu den preußischen und russischen, heranbilden, und mag vielleicht auch das Gefühl hierbei maßgebend mitwirken, 104  Karl Alexander Peter Frhr. von Uexküll-Güldenband (1817–1894), Botschaftsrat an der russischen Gesandtschaft in Wien 1863–1869, dort Geschäftsträger 1867– 1869; Gesandter in Florenz 1869–1871, in Rom 1871–1876; dort Botschafter 1876– 1891. 105  Gemeint: die Moldau und die Walachei.

113

76. Werther an Bismarck, Wien, 4. Mai 1869

daß Concessionen in dieser Richtung im entscheidenden Momente den französischen Succurs sichern dürften. Nichts desto weniger erscheint dies Alles noch in zu weitem Felde und mit zu vielen inneren Schwierigkeiten umgeben, als daß gegenwärtig bereits sichere Anhaltspunkte zur Beurtheilung zukünftiger Eventualitäten vorlägen. Unter den verschiedenen inneren Schwierigkeiten, welche solchen Plänen entgegenstehen würden, erlaube ich mir nur diejenige hervorzuheben, welche in dem Umstande liegt, daß gegenwärtig die leitenden Personen in Ungarn die Vergrößerung jener Reichshälfte durch nicht-ungarische Elemente, wie sie aus den Donauländern – namentlich Rumänen – hervorgehen würde, nicht wünschen, vielmehr in ihr die Quelle einer Schwächung des ungarischen Einflusses erblicken. – Herr von Oubril spricht sich in seiner mir bekannt gewordenen Berichterstattung dahin aus, daß jedenfalls in einem Preußisch-Französischen oder Preußisch-Österreichischen Conflikt wir uns auf polnische Verwicklungen, auf einen Angriff, sei es einen offenen oder verdeckten, von Seiten Polens, begünstigt durch Oesterreich respective Frankreich, immerhin gefaßt machen müßten. In Abgeordnetenkreisen herrschen noch Zweifel vor, ob die galizischen Resolutionen, welche bisher nur im Ausschuß106 behandelt und zurückgewiesen worden sind, einst am besten gar nicht mehr zur Plenarverhandlung zugelassen werden sollen, um auf diese Weise einer formellen negativen Beantwortung der galizischen Postulate vorläufig aus dem Wege zu gehen, welche doch schließlich in ihren Consequenzen einen Austritt der polnischen Abgeordneten107 nach sich ziehen könnte. Persönliche Motive ganz specieller Natur, welche verschiedene urlaubssüchtige Abgeordnete die Befürchtung hegen lassen, daß in diesem Fall, um die Beschlußfähigkeit der Versammlung zu erhalten, jede Urlaubsertheilung unmöglich werden würde, mögen hierbei wohl auch nicht wenig zu solchen Vorschlägen beitragen.

106  Der

ten.

Ausschuß für gemeinsame (österreichische und ungarische) Angelegenhei-

107  Aus dem Reichsrat (Abgeordnetenhaus). Vgl. zur Behandlung der galizischen Frage im Reichsrat: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 100 (1869) S. 229– 230.

114

77. König Leopold an König Wilhelm I., Palais de Bruxelles, le 9 mai 1869

77. König Leopold an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/4312, S. 482–483. Handschreiben. Behändigte Abschrift. P ­ raes.: 14. Mai 1869.



Palais de Bruxelles, le 9 mai 1869 Sire.

J’ai su que votre Majesté s’était tenue au courant de l’incident qui s’est élevé entre la France et la Belgique; je viens ici L’en remercier; l’intérêt avec lequel Votre Majesté a bien voulu suivre une question fort importante pour nous me donne le désir de L’entretenir un instant directement de la phase nouvelle où est entrée cette affaire. Des traités de vente avaient, comme Votre Majesté le sait, malgré nos protestations été conclus entre deux sociétés Belges de chemin de fer et la société de l’Est Français. A Paris on nous reprochait comme un mauvais procédé, le refus de ratifier ces conventions. Nous avons cherché à écarter ce sentiment tout en affirmant nos droits indépendants et en restant fidèles, cela va sans dire, à nos devoirs de neutralité. Nous avons offert à la France toutes les facilités de trafic qu’elle pouvait désirer. Tel a été le but du voyage de M. Frère Orban108 et de ses entretiens avec l’Empereur Napoléon et ses ministres. Après de longues négociations on est tombé d’accord pour signer un protocole. La France s’engage à examiner les propositions faites par mon ministre. Une commission mixte a été nommée et c’est de ses délibérations que dépendra beaucoup désormais la solution des difficultés existantes. J’ai été bien sensible à la façon si bienveillante dont Votre Majesté a jugé la conduite de mon Gouvernement. La Belgique s’efforcera toujours de mériter l’assentiment des Puissances garantes109. Les sympathies si constantes de Votre Majesté sont pour nous un sujet de vive reconnaissance; je Vous prie, Sire, d’en recevoir ici la nouvelle expression. C’est avec un inaltérable attachement et une sincère amitié que je me dis pour [Vous] de Votre Majesté le bon Frère et Cousin

108  Hubert Frère-Orban (1812–1896), belgischer Ministerpräsident 1868–1870. – Zum folgenden oben Anm. 103. 109  Die Garantiemächte sind die europäischen Großmächte, die im Londoner Protokoll von 1839 die Neutralität des (aus den „Vereinigten Niederlanden“) neugebildeten Staates Belgien garantiert hatten.

115

81*. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 12. Mai 1869

78*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 76–77. Vertraulicher Erlaß.

Beust hält im Eventualfall noch immer an der Schaffung eines unabhängigen Polenreiches fest. Berlin, 11. Mai 1869 79*. Bismarck an Solms Bismarck, GW VIb S. 78–82. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch OD XXIV S. 285– 287, 303–304.

Benedetti110, von Paris zurückgekehrt, hat angedeutet, daß in Paris die Kandidatur eines katholischen Hohenzollernprinzen für den spanischen Thron ungern gesehen würde. Berlin, 11. Mai 1869 80*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 77. Vertraulicher Erlaß.

Erzherzog Ludwig Victor hat in Nizza die Begegnung mit dem Prinzen Karl111 geflissentlich gemieden. Berlin, 11. Mai 1869 81*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 82–83. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 83–84, 111; OD XXIV S. 306–307, 315–316, 317–318, 332–333, 335–336, 337–338.

Die englische Regierung möchte ein Kriegsschiff zur Eröffnung des Jadehafens112 entsenden. Er befürwortet das. Berlin, 12. Mai 1869

110  Vincent (1869 Graf) Benedetti (1817–1900), französischer Botschafter in Berlin 1864–1870. – Seine für den Zeitraum 1869/71 wichtigen Erinnerungen: Benedetti, Ma mission. 111  Ludwig Victor (1862–1919), Erzherzog; Bruder Kaiser Franz Josephs. – Karl (1801–1883), Prinz; Bruder König Wilhelms I. 112  Wilhelmshaven.

116

83. Arnim an Bismarck, Rom, 17. Mai 1869

82*. Arnim an Bismarck StA XXIV S. 108–111. Bericht.

Die Depesche des Fürsten Hohenlohe zum Ökumenischen Konzil113 ist wahrscheinlich von Döllinger inspiriert. Der Staat soll sich in theologische Schulmeinungen nicht einmischen, aber Stellung nehmen, wenn Konzilsbeschlüsse in das Verhältnis von Kirche und Staat eingreifen. Hohenlohe will darüber ein Einvernehmen unter den europäischen Regierungen erreichen. Damit Deutschland seinen legitimen Einfluß auf das Konzil sichert, sollten „Oratores“ (ein oder mehrere Botschafter) nach Rom entsandt werden. Wie das am meisten betroffene Frankreich sich äußert, ist noch nicht bekannt. Rom, 14. Mai 1869 83. Arnim an Bismarck PA Berlin, 201/7566, S. 323–324. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 23. Mai 1869.

No. 15.

Rom, 17. Mai 1869

Meiner durch die Depesche des Fürsten Hohenlohe hervorgerufenen Berichterstattung über das Konzil, welche heute mit sicherer Gelegenheit bis Deutschland expedirt wird, füge ich zum Schluß ein kurzes résumé der Eurer Excellenz in meinen Berichten unterbreiteten Erwägungen bei. Dieselben fassen sich in folgende Sätze zusammen: 1) Zu wünschen wäre, wenn alle Europäischen Regierungen in stillschweigendem Einverständniß den Konzilberathungen fern blieben. Denn die Verantwortlichkeit für den Widerspruch, in welchen die Regierungen möglicher Weise mit dem Gewissen ihrer katholischen Unterthanen treten, ist leichter zu tragen oder ganz bedeutungslos, wenn sich alle Regierungen der Kirche gegenüber in gleicher Lage befinden. 2) Wenn jedoch andere Regierungen, namentlich die Französische, im Konzil vertreten sind, so fordert die Vorsicht sowohl als die eigne Würde, daß die Preußische Regierung dieselbe Stellung in Anspruch nimmt.

113  Oben Anm. 95. – Der im folgenden genannte: Ignaz Döllinger (1799–1890), katholischer Theologe; ursprünglich ultramontan ausgerichtet, begann er Anfang der 1860er Jahre sich gegen die weltliche Gewalt des Papstes zu äußern; den „Syllabus“ von 1864 kritisierte er bereits scharf, besonders aber die Unfehlbarkeitslehre; in zwei Gutachten während des Konzils warnte er vor der Verkündung der päpstlichen Unfehlbarkeit und gab damit den Anstoß zur Entstehung des Altkatholizismus. – Wichtig für den hier dokumentierten Zusammenhang: Ketteler, Briefwechsel II,5–6.

117

84. Werther an Bismarck, Wien, 18. Mai 1869

3) Wenn dieser Fall eintritt, ist es von höchster Wichtigkeit, in Gemeinschaft mit Baiern und dem übrigen Deutschland zu handeln und Vorkehrungen zu treffen, daß v o n R o m a u s bei Behandlung dieser Frage kein Unterschied zwischen protestantischem und katholischem Deutschland gemacht werden und daß i n R o m ein auf confessioneller Verschiedenheit beruhender Zwiespalt nicht zu Tage treten kann. 84. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8437, S. 465–472. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung [ohne Anhang]. Praes.: 21. Mai 1869.

No. 144.

Wien, 18. Mai 1869

Euere Excellenz wollen mir möglichst gestatten, meinen besonderen Dank für die umgehenden Aeußerungen zu sagen, welche mein gehorsamster Bericht No. 128 vom 4ten d.Mts.114 inhaltlich des hohen Erlasses No. 168 vom 11ten ej. in Betreff der oesterreichischen Politik bezüglich Galiziens hervorgerufen hat. Die desfallsigen Bemerkungen Euerer Excellenz, welche meinen hiesigen Wahrnehmungen durchaus entsprechen, mögen mich entschuldigen, wenn ich es heute im dienstlichen Interesse für ersprießlich erachte, nochmals daran anzuknüpfen und Euerer Excellenz diejenigen weiteren Betrachtungen vorzuführen, welche Euerer Excellenz Aeußerungen bei mir anregten. Nicht nur in Betreff der vorliegenden Frage, sondern auch im Allgemeinen dürfte d i e Te n d e n z der Politik des Grafen Beust als feststehend zu betrachten sein, nicht aber dieser oder jener specielle Plan. Insofern die eine oder die andere offene oder erledigte Frage eine Handhabe g e g e n Preußen bieten kann, wird dieselbe als solche von dem Reichskanzler gepflegt und für künftige Eventualitäten respective für die Zeit der wirklichen oder vermeintlichen materiellen Kräftigung Oesterreichs aufgespart werden. So sehr ich von meinem hiesigen amtlichen Standpunkte aus bestrebt war, seit dem Eintritt des Reichskanzlers in seinen auf die Oesterreichische Politik einflußreichen Wirkungskreis, dessen Richtung als nicht absolut Preußenfeindlich von Anbeginn zu betrachten [ist] (obwohl ein empirischer Schluß nicht zu einer solchen Annahme berechtigte), so liegen meine eigenen nunmehr bald 3jährigen Erfahrungen auf dem hiesigen Terrain seit 1866 zu offen vor Euerer Excellenz, als daß Hochdieselbe vermuthen sollten, ich gebe mich etwa der Illusion hin, als sei die Oesterreichische Politik, insoweit diese durch den gegenwärtigen Reichskanzler bestimmt wird, nicht als specifisch anti-Preußisch zu betrachten. Daher die Haltung in Betreff Galiziens, daher gleichzeitig die in einem gewissen Grade in neuerer Zeit erkennbaren Versuche, 114  Oben

118

Nr. 76. Zum folgenden oben Nr. 78*.

84. Werther an Bismarck, Wien, 18. Mai 1869

Rußland von Preußen abzuziehen, respective das eigene Verhältniß zu jener Macht zu bessern, daher Allianz-Politik oder wenigstens das stete Hinneigen zu Frankreich und der beinahe ängstliche Wunsch, materiell und formell selbst in den unbedeutsamen Etiquetten-Fragen ein gleiches Verfahren zu beobachten, und dergleichen Symptome mehr, welche alle aufzuzählen den engen Rahmen meiner gehorsamsten Berichterstattung mir verbietet. Wenn somit d i e Te n d e n z in dem oben angedeuteten Sinne auch als unzweifelhaft zu betrachten sein dürfte, so erscheint mir jedoch practisch die Frage noch in solange nicht erledigt, als zu erwägen erübrigt, ob der Reichskanzler persönlich mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln auch wirklich seine Tendenzen zur practischen Durchführung bringen könne. In dieser Hinsicht ist zunächst zu bedenken, daß die große Masse der oesterreichischungarischen Bevölkerung die Friedensbedürftigkeit auf das Lebhafteste fühlt, in keiner Weise von Antipathie oder Wiedervergeltungs-Gefühlen uns gegenüber beseelt ist und hiervon nur die Aristokratie und der Hof eine Ausnahme bildet, bei welchen, z u n ä c h s t allerdings maßgebenden Kreisen, alle Feindseligkeits-Gefühle in um so verstärkter Weise sich concentriren. Daß ein irgendwie marquirtes Hervortreten dieser letzteren Tendenzen bei den verschiedenen Vertretungskörpern eine allgemeine Opposition hervorrufen würde, welche zu überwinden dem Reichskanzler nicht leicht werden dürfte, erscheint mehr als wahrscheinlich und drängt in mir die Frage auf, ob nicht Graf Beust, bei den Fähigkeiten, welche ihm doch zu Gebote stehen, nicht die Unmöglichkeit fühlt, seinen persönlichen Tendenzen freien Lauf zu lassen und einen mehr practischen Ausdruck als bisher in dieser oder jener Frage, also auch in der Polnischen, demselben zu verleihen; zumal er sich schwerlich selbst den unfertigen Zustand der Wehrkraft und den bisherigen problematischen Effect der neuen Militair-Reorganisation verhehlen dürfte. Wenn also auch die Tendenz der maßgebenden Kreise und ernstlichen Personen als eine Preußen feindliche sich characterisirt, so mag die Thätigkeit jener Elemente sich doch zunächst absichtlich darauf beschränken, das Mißverhältniß zwischen Wien und Berlin ungeschwächt zu erhalten, durch Preß-Einflüsse die öffentliche Meinung gegen Preußen und dessen Organe aufzureizen und b e i v o r k o m m e n d e n Eventualitäten weniger Opposition zu finden. O h n e die Beihülfe des Eintritts solcher Eventualitäten, welche ich mir in diesem Sinne als Extreme im Bericht vom 4ten dMts. zu bezeichnen erlaubte, glaube ich fast, dürfte Graf Beust sich nicht in der Lage fühlen, Volk und Zukunft Oesterreichs den Wechselfällen einer selbstthätigen und activen Politik auszusetzen, deren Ini­ tiative ihm allein zufiele, weshalb es mir zweifelhaft erscheinen müsse, ob derselbe es versuchen wird, Fragen wie die angeregte Polnische independent von anderen Ereignissen in dem angedeuteten Sinne zu entwickeln. Nachschrift zu dem vertraulichen Bericht No 144 vom 18. Mai. […] 119

85. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 19. Mai 1869

85. Reuß an Bismarck PA Berlin, R 201/6159, S. 277–281. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. Mai 1869.

No. 67.

St. Petersburg, 19. Mai 1869

Baron Jomini115, welcher vor wenigen Tagen von Paris zurückgekehrt ist, wo er sich nach dem Tode seines Vaters ungefähr 6 Wochen lang aufgehalten hat, theilte mir heut über seine Eindrücke einiges mit. Ich glaube diese Anschauungen Euerer Excellenz nicht vorenthalten zu sollen, weil dieselben beim Fürsten Gortschakoff ohne Zweifel nicht geringe Anerkennung finden. Der allgemeine Eindruck, den Baron Jomini aus Paris mitbringt, ist der, daß der Kaiser sowohl wie die Nation den festen Willen haben, Frieden zu halten. Dabei kann er sich jedoch der Beobachtung nicht verschließen, daß das zweite Kaiserreich offenbar an Ansehen bedeutend abgenommen hat. Die verschiedenen Mittel, die angewendet werden, um die Popularität zu erhalten und um den Franzosen die Verdienste des Kaisers und seines Regime’s immer wieder in’s Gedächtniß zurück zu rufen, sprechen dafür, daß man sich schwach fühlt. Ein auswärtiger Krieg könnte eine gute Wirkung haben; er müsse aber glücklich sein, und daran zweifelten doch viele kluge Leute in Frankreich, und vielleicht sei der Kaiser selbst seiner Sache nicht ganz gewiß. Deshalb scheine es, als wenn Napoleon III. eine Transaktion suche, um seiner Dynastie einige Festigkeit zu geben, ohne zu Gewalt-Mitteln seine Zuflucht nehmen zu müssen. Eine solche Transaktion scheine man in einer größeren Ausdehnung des parlamentarischen Systems zu erblicken, und die Tendenzen des Kaisers gingen dahin, allmälig immer mehr in dasselbe einzulenken. Baron Jomini bemerkte hiebei, daß, sobald den Franzosen wieder die vollkommene Freiheit der Discussion gegeben sein würde, die Gefahr für die Nachbarn abnehmen müsse. Der Parlamentarismus in Frankreich sei der Friede in Europa. Man würde sich übrigens täuschen, wenn man glauben wolle, daß die Macht des Kaisers bereits vollkommen gebrochen sei; die Wahlen würden eine starke Majorität für die Regierung liefern, und nach den Wahlen würde die vielfach erwartete Demaskirung der eigentlichen Regierungs-Absichten wahrscheinlich nicht stattfinden; höchstens in einem liberalisirenden Sinne, wie vorhin angedeutet.

115  Alexander [Aleksandr Genrichovič] Jomini (1814–1888), Vortragender Rat im russischen Außenministerium. – Der im folgenden genannte Vater: Antoine-Henri Jomini (1779 – 24. März 1869), Schweizer Offizier und Militärtheoretiker.

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85. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 19. Mai 1869

Was die Belgische Eisenbahn-Angelegenheit betrifft, so glaubt Herr von Jomini nicht, daß bei Einfädelung derselben ein schon fertiger Kriegsplan gegen Preußen vorgelegen habe. Der Plan des Kaisers Napoléon sei allerdings, um ein Gegengewicht gegen Preußens wachsende Macht zu bilden und um der Französischen Eigenliebe angenehm zu sein, Belgien allmählig immer fester an Frankreich zu ketten. Hierzu sollte der Anfang durch die Eisenbahn-Sache gemacht, allmählig auf die Douanen- und Handels-Fragen und endlich auch auf eine militairische engere Verbindung übergegangen werden. Und wenn dann Belgien einmal gleich einem Norddeutschen Bundesstaate so fest an Frankreich gebunden worden wäre, wie solche an Preußen, dann, so dächte man in Paris, sei der Weg bis zur freiwilligen Inkorporirung nicht mehr weit. Wenn nun auch augenblicklich die Eisenbahn-Frage ungünstig für Frankreich gelöst worden wäre, so würde man den ursprünglichen Plan doch nicht aufgeben und mit kleinen Schritten vorgehen. Wie eine solche Politik auf die Gemüther in Belgien wirkte, dafür wollte Baron Jomini Beweise aus Aeußerungen angesehener Belgier schöpfen, welche er in der Intimität in Paris gesehen habe. Dieselben sagten, sie würden ihre Neutralität vertheidigen, so lange sie könnten. Diese Neutralität sei nicht der Wunsch des Belgischen Volkes, sondern das Werk des Europa’s von 1815 [!]; Letzteres bestehe aber nicht mehr, die Verhältnisse, welche jene Neutralität nöthig gemacht hätten, seien verändert, es sei daher eine große Frage, ob Belgien in dieser Neutralität geschützt werden werde. Man liebe Frankreich in Belgien nicht, man würde aber allmälig durch die Macht der materiellen Interessen immer mehr in dessen Planetarium hineingezogen werden und schließlich wohl oder übel von selbst wünschen müssen, ganz zu Frankreich zu gehören. Es ist begreiflich, daß, wenn solche Ansichten in Belgien selbst grassiren, man dadurch in Paris nur ermuntert werden kann, auf dem einmal betretenen Pfade fortzuwandern. Herr von Jomini wollte übrigens nicht bemerkt haben, daß die Aufregung und der Haß gegen Preußen in Paris noch vorzugsweise an der Tagesordnung gewesen seien. Von Marquis Lavalette spricht er mit nicht sehr viel Anerkennung; er sei zu wenig arbeitsam und scheine auch nicht grade sehr fest zu stehen. Man müsse ihm jedoch das Verdienst lassen, daß er ein Friedens-Fanatiker sei und dies aus mehr als einem triftigen Grunde.

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86. Werthern an Bismarck, München, 20. Mai 1869

86. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7566, S. 284–287. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. Mai 1869.

No. 37.

München, 20. Mai 1869

Der Fürst Hohenlohe ist erst gestern zurück gekommen. Ich habe ihm daher auch erst heute Mittheilung machen können von der Depesche No. 47 vom 5t Mai bezüglich des oecumenischen Concil’s. Der Inhalt derselben war ihm außerordentlich willkommen. Auf Angriffe der Ultramontanen ist er vorbereitet, besonders nach seiner letzten Rede in der Kammer, die ihm den Beifall der liberalen Partei & vorurtheilsloser Katholiken erworben und zu dem Ausfalle der Wahlen in München nicht wenig beigetragen habe116. Mit Euerer Excellenz stimmt er darin überein, daß eine Verständigung mit den Ultramontanen unmöglich ist; daß Rom aber den energischen Vorstellungen der Cabinette weichen wird, und leitet daraus die Nothwendigkeit & den Willen ab, in der eingeschlagenen Politik zu beharren. Des Rückhaltes an Sr.M. dem Könige hält er sich für sicher; unsere Zurückhaltung billigt er. Die Haltung der Höfe von Wien117, dem Haag, Brüssel, Stuttgart & Darmstadt, von welcher Euere Excellenz die Gewogenheit gehabt haben, mich durch abschriftliche Mittheilung der Berichte der K. Gesandten zu unterrichten, war ihm zum größten Theil bekannt. Das Mobil der Ablehnung des Grafen Beust sucht er beim Kaiser; vom Baron Dalwigk hat er nichts erwartet als das Echo von Wien; von Baron Varnbühler nur Zweifel. Die Befürchtungen dieser Minister, durch unzeitige Demonstration die Fanatiker zu reizen, widerlegt er mit der Nothwendigkeit, die gemäßigten Cardinäle zu stärken, die aus der Anlehnung an die Regierungen ihre wesentliche Widerstandsfähigkeit ziehen würden. Mit großer Theilnahme sei ihm der Marquis Lavallete entgegengekommen. Der Fürst wird nun die Ergebnisse der Aufnahme seines Vorschlages Seitens der Cabinette in einer Depesche zusammen stellen & dieselbe in den 116  Die Landtagswahlen in Bayern am 22. Mai hatten ein leichtes Übergewicht der „Patriotischen Partei“ (der Ultramontanen und Bayerntreuen) erbracht. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 178, 181, 117  Die Haltung der österreichischen Regierung auf das Zirkular Hohenlohes vom 9. April 1869 in Sachen Konzil ist gedruckt in dem Erlaß Beusts vom 15. Mai 1869 in: Correspondenzen des […] Ministeriums des Äußern No. 3 S. 48–50. – Über die hinhaltende Stellungnahme der im folgenden genannten Höfe ist nichts im Staatsarchiv und in den Archives Diplomatiques veröffentlicht. – Der im folgenden genannte: Reinhard Frhr. von Dalwigk (1802–1880), hessischer Ministerpräsident und Außenminister 1850–1871. – Seine „Tagebücher“ sind für die hier behandelten Monate von Belang: Dalwigk, Tagebücher. – Dalwigk war ein seit jeher entschiedener Gegner Preußens, was durch die hier veröffentlichten Quellen erneut deutlich wird.

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87*. Metternich an Beust, Paris, 20. Mai 1869

allernächsten Tagen durch Baron Perglas auch zu Euerer Excellenz Kenntniß bringen. Diese Depesche knüpft an den von Euerer Excellenz in [der] Depesche No. 46 vom 2. d.M. geäußerten Wunsch um Mittheilung einer bestimmten Grundlage für die Verständigung & der in Rom vorbereiteten Arbeiten für das Concil [an] & enthält noch für Berlin, Stuttgart & Carlsruhe die Aufforderung, über das Verhältniß von Kirche zu Staat und drei näher bezeichnete theologische Punkte das Gutachten einer theologischen Facultät einzuholen. Mir scheint es, daß der Fürst auf dieses Gutachten besondern Wunsch legt, da er in den Professoren der Münchener Universität seine kräftigsten Stützen findet. Gesprächsweise äußerte der Fürst noch, er begreife nicht, wie sich mehrere Minister, namentlich Graf Beust, dahinter verstecken wollten, daß man noch gar nicht wisse, was das Concil bringen werde; oder daß sie, wie z. B. Baron Varnbühler (auf Grund der Mittheilungen des Dr. Hefele118), die Infallibilitätserklärung für unwahrscheinlich halten, da doch die „gereifte“ Civiltá cattolica119 dieselbe so wie den Syllabus verlange & noch heute keines von beiden aufgegeben sei. – Es bedarf keiner Bemerkung, daß der Fürst durch den Cardinal, seinen Bruder, gut unterrichtet ist. 87*. Metternich an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 185–188. Geheimer Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 188–193, 194–204, 215–216, 224–225, 228–229.

Der von Kaiser Napoleon III. genehmigte Tripelvertrag vom 10. Mai: Gemeinsame Politik in allen europäischen Fragen; gegenseitige Territorialgarantie; gemeinsame Regelung eventueller Territorialveränderungen. – Dreierprotokoll vom 10. Mai: Italien steuert im Kriegsfall 200.000 Mann bei; im Fall eines österreichisch-preußischen Krieges treten Frankreich und Italien mit allen militärischen Kräften an Österreichs Seite. – Gemeinsame Verständigung bei der Wahl eines Nachfolgers Pius’ IX. – Italien erklärt sich bereit, in Tunesien einen Marinestützpunkt anzulegen. – Verletzt die Schweiz ihre 118  Karl Joseph von Hefele (1809–1893), katholischer Theologe; ordentlicher Professor für katholische Kirchengeschichte in Tübingen seit 1840 und am 17. Juni 1869 Bischof von Rottenburg; deutlicher Gegner der Infallibilitätslehre. 119  Italienische Zeitschrift, 1850 in Neapel gegründet; von den Jesuiten herausgegeben. – Der im folgenden genannte: Syllabus errorum, eine Liste von 80 Thesen, die Papst Pius IX. 1864 als falsch, als Irrtümer bezeichnete. Mit der Veröffentlichung trug er zur Verschärfung des Konflikts zwischen Staat und Kirche im 19. Jahrhundert bei. – Der im folgenden weiterhin genannte: Gustav Graf zu Hohenlohe-Schillingsfürst (1823–1896), Kardinal 1866; Schüler Döllingers und Gegner des Infallibilitätsdogmas.

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88. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 21. Mai 1869

Neutralität120, kann Italien den Kanton Tessin annektieren. Nach siegreichem Krieg erhält es Südtirol und Rovereto, wobei Österreich eine Kompensation an anderer Stelle bekommt; Italien erhält ferner eine zu bestimmende Grenzberichtigung bei Nizza. Paris, 20. Mai 1869 88. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12129, S. 422–431. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 26. Mai 1869.

No. 69.

St. Petersburg, 21. Mai 1869

Der Flügel-Adjutant Seiner Majestät des Kaisers, Fürst Dolgorouky121, welcher den Fürsten von Montenegro in sein Land begleitete, um den dortigen Tauffeierlichkeiten beizuwohnen, ist vor nicht gar langer Zeit wieder hier eingetroffen. Ob die Anschauungsweise, die er von dort mitgebracht und über die er mir gestern sehr ausführlich gesprochen, im hiesigen Asiatischen Departement122 sehr gefallen hat, lasse ich dahin gestellt sein. Vor Allem tadelt er die Haltung der Russischen Consular-Agenten in der Balkan-Halbinsel. Ein jeder derselben halte sich für den Mittelpunkt der orientalischen Angelegenheiten und bilde sich ein, den Beruf zu haben, die orientalische Frage zu lösen. Ein jeder beeile sich, bei seiner Ernennung ein bestimmtes System aufzustellen, wie er es sich nach einem oberflächlichen Blick auf die Verhältnisse schaffe, und hernach werde dann gehandelt und berichtet, ohne den faktischen Verhältnissen viel Rechnung zu tragen. Daraus folge dann selbstredend, daß man in St. Petersburg sehr oft ein ganz falsches Bild der Verhältnisse erhalte. So übertreibe man sich dort durchaus die Bedeutung Montenegro’s und die Rolle, welche jenes Ländchen eventuell in einem orientalischen Fatalismus [= Kataklysmus] spielen könnte. Von Montenegro sei in Wirklichkeit nur erstaunlich wenig zu erwarten. Von der Natur vernachlässigt, würde selbst bei Aufwendung bedeutender Mittel ein besserer Kulturzustand kaum zu erwarten sein. Der beliebte Satz, daß dem Lande nur ein Hafen fehle, um es zum Aufblühen zu bringen, sei durchaus trügerisch. Denn wolle man auch den Hafen von Spizza an Monte120  Die Schweiz befolgte seit Beginn des 16. Jahrhunderts eine Politik der Neutralität. Auf ihr Ersuchen wurde am 20. November 1815 ihre „dauernde Neutralität“ völkerrechtlich sanktioniert. 121  Nikolaj Sergeevič Dolgorukov (1840–1913), Flügeladjutant des Zaren seit 1867. 122  Eine Abteilung des russischen Außenministeriums.

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88. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 21. Mai 1869

negro geben, so gehörten bedeutende Capitalien dazu, um diesen Hafen einigermaßen brauchbar zu machen, und sei dies geschehen, so würden kaum Schiffe in denselben einlaufen, weil eben nichts zu verschiffen vorhanden sei. Ein wirklicher Gewinn für das Land würde es sein, wenn es Cattari [= Cattaro] nebst dem dazu gehörenden fruchtbaren Gebiete erhalten könnte, aber dies könne auf gütlichem Wege niemals erreicht werden. Aus der Armuth und Mittellosigkeit, in welcher sich jenes Bergvolk befände, folge, daß es von allen möglichen äußeren Einflüssen abhängig sei. Komme das Geld von den Russen, so sei man Russisch, thäten die Oesterreicher ihren zu solchen Zwecken stets offenen Beutel auf, so leihe man Oesterreichischen Einflüssen das Ohr; nur der Französische Einfluß scheine sehr abgenommen zu haben. Die Demoralisirung durch Geld habe im Lande eine ziemlich große Ausdehnung gewonnen, und der neue Fürst123, der schwach und haltlos sei, wisse oft nicht, auf wen er hören solle. Aus diesen Umständen folge, daß Montenegro nicht das Centrum einer christlichen Bewegung im Orient sein könne. Eine solche würde dort aber immer tausende von kräftigen Armen finden; denn trotz des materiellen Elendes, trotz der Corruption der Großen im Lande würde der Ruf zum Kampfe gegen die verhaßten Türken stets ein Echo im Volke finden. Dieser Haß sei das einzige bemerkbare National-Gefühl, eine Vorliebe für die eine oder andere Europäische Macht sei nicht zu entdecken. Wolle man dieses National-Gefühl benutzen, so sei nichts leichter als dies. Im geeigneten Moment müsse man nur die nöthigen Summen sowie Kriegsmaterial und einige tüchtige Führer den Montenegrinern zu Gebot stellen, dann würde der Aufstand aus der Bergfeste hinabsteigen und sich mit Leichtigkeit über die anliegenden Landschaften verbreiten. Letztere lebten zwar jetzt in einer gewissen Apathie. Nicht so kriegerisch als die Montenegriner trügen sie das Türkische Joch mit mehr Geduld; es würde indessen nicht allzu schwer sein, sie mit fortzureißen, wollte man ihnen Geld, Waffen und den nöthigen Anstoß geben. Fürst Dolgorouky erzählte mir, um zu beweisen, wie leicht jeder Funke dort zünden werde, daß, als er auf eine Rundreise im Lande sich der Gränze und den Türkischen Blockhäusern124 genähert, die benachbarten Stämme bereits unruhig geworden wären. Das Gerücht habe sich über die Gränze hinaus verbreitet, die Montenegriner beabsichtigten, unterstützt von den Russen, die Türken zu vertreiben. Diesen kriegerischen Gerüchten sei durch das viele Freudenschießen in den schwarzen Bergen jedenfalls absichtlich Nahrung gegeben worden, und die Türkischen Besatzungen seien so besorgt gewesen, daß sie den Bosnischen Bewohnern das Ueberschreiten der Gränze 123  Fürst 124  Im

posten.

Nikolaus (oben Anm. 2). Bereich der türkisch-montenegrinischen Grenze errichtete türkische Grenz-

125

88. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 21. Mai 1869

auf das strengste untersagt hätten. Trotzdem aber hätten sich Deputationen beim Kaiserlichen Flügel-Adjutanten eingefunden, um ihn zu fragen, ob es wahr, daß er zu ihrer Befreiung erschienen sei. Nach seinen Beobachtungen hält Fürst Dolgorouky Serbien allein für fähig, den Mittelpunkt einer allgemeinen Erhebung zu bilden. Montenegro würde nach ausgefochtenem Kampfe dann aber ohne Zweifel der Serbischen Suprematie zum Opfer fallen, weil es ihm eben an Lebensfähigkeit fehle. Daß Oesterreich jene Dispositionen der Bevölkerungen für seine Zwecke auszubeuten beabsichtigt, dafür will Fürst Dolgorouky verschiedene Symptome bemerkt haben. Er glaubt, man würde in Bosnien und in der Herzegowina nicht viel darnach fragen, ob der Anstoß zur Vertreibung der Türken von Serbien her oder von Oesterreich oder Rußland komme. Oesterreich wisse dies und bereite sich auf alle Fälle vor. Nicht allein würden Schmeicheleien und Geld verschwendet, sondern der Oesterreichische Generalstab habe sich auch sehr fleißig mit der topographischen Aufnahme jener Länder beschäftigt. Die Kriegführung dort würde sehr schwierig und derjenigen im Kaukasus sehr ähnlich sein. Wenn, wie gesagt, der Stoß nachhaltig erfolge, so würde es den Türken unmöglich sein, sich in jenen Bergen zu behaupten, namentlich auch wenn es möglich wäre, Albanien gleichzeitig zur Erhebung zu bringen. Nach dem, was mir der Fürst erzählt, hat der Preußische Name in Montenegro einen sehr guten Klang. Man wisse dort, der Preußische König habe das starke Oesterreich, vor dessen Macht man bis dahin allein Respekt gehabt, bezwungen; dazu komme die gute Aufnahme, die der Fürst Nicolaus in Berlin gefunden125, und in Folge dessen fingen die Blicke der Montenegriner an, sich nach Preußen zu wenden, und glaubten sie dort einen neuen Hoffnungsanker für ihre Wünsche zu entdecken. Sehr viel zur Achtung für den Preußischen Namen trage die Persönlichkeit des Norddeutschen Consuls in Ragusa, Herrn von Lichtenberg126, bei. Derselbe sei beim Fürsten und im Lande sehr angesehen; man zöge ihn bei schwierigen Fragen zu Rathe, und genieße er unstreitig mehr Vertrauen als die sämmtlichen Vertreter der anderen Mächte. Fürst Dolgorouky, den wir an Herrn Lichtenberg sehr warm empfohlen hatten, konnte sich nicht lobend genug über ihn aussprechen. Er meinte, derselbe habe ihm die Augen erst über viele Verhältnisse geöffnet, die er sonst vielleicht nicht richtig beurtheilt haben würde. Er besäße eine tiefe Kenntniß der dortigen Angelegenheiten, halte sich von allen Intriguen fern und bilde einen bedeutenden Contrast gegen seine Collegen. Er war der Ansicht, daß, wenn Preußen in einer eventuellen Europäischen Complication 125  Oben

Anm. 2. Frhr. von Lichtenberg (1817–1877), preußischer (1871 Deutschlands) Wahlkonsul in Ragusa 1854–1877. 126  Friedrich

126

90*. Bismarck an Arnim, Berlin, 26. Mai 1869

das Bedürfniß haben sollte, der Oesterreichischen Macht von Süden aus Schwierigkeiten zu bereiten, es jedenfalls mit Erfolg bedient werden würde. Wie mir der Fürst vertraulich sagte, so hat er dem Kaiser in der freimüthigsten Weise über alle diese Verhältnisse sowohl mündlich wie schriftlich Bericht erstattet. Als er über das Unwesen der Russischen Consuln gesprochen, hat der Kaiser mit den Achseln gezuckt und gesagt: Er wisse das wohl! Ob diesem Unwesen durch den Bericht dieses unpartheiischen Beobachters, der die Sachen mit frischem Blick, theilweis durch die Lichtenbergische Brille, betrachtet hat, gesteuert werden wird, lasse ich dahin gestellt sein. Es kann aber nichts schaden, daß Seine Majestät dies Alles einmal durch einen ihm ergebenen Offizier gehört hat. Ich darf Eure Excellenz wohl bitten, diesen gehorsamsten Bericht ganz vertraulich behandeln zu wollen. 89*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 84–85. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 86–88, 90– 91, 96–97.

Er ist mit dem Vorschlag des Gesandten Arnim einverstanden, daß man zusammen mit den süddeutschen Staaten in Rom protestieren solle, wenn auf dem Konzil Beschlüsse gefaßt würden, die das Verhältnis zwischen Staat und Kirche tangierten. Nicht einverstanden ist er mit Arnims Vorschlag, zum Konzil staatliche Abgesandte zu entsenden127. Berlin, 25. Mai 1869 90*. Bismarck an Arnim StA XXIV S. 113–115. Erlaß. – Vgl. auch Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 366–368.

Arnims Vorschlag, Preußen solle „Oratores“ (Abgesandte) zum Ökumenischen Konzil entsenden, kann nicht angenommen werden. Weder als Individuen noch als Laiengruppe hätte ihr Einspruch oder Protest Wirkung. Preußen kann nur den Standpunkt einnehmen, der Kirche volle Freiheit in kirchlichen Dingen zu lassen, Übergriffe auf das staatliche Gebiet aber abzuwehren. Über die ganze Frage sollen mit den süddeutschen Staaten Verhandlungen aufgenommen werden. Berlin, 26. Mai 1869

127  Oben

Nr. 82* und die folgende Nr.  127

93. Werthern an Bismarck, München, 29. Mai 1869

91*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 88–89. Erlaß.

Es ist unangebracht, wenn der englische Gesandte in Wien128 Bismarck darauf aufmerksam macht, daß er den Kontakt mit dem österreichischen Gesandten in Berlin suchen solle, um die preußisch-österreichischen Beziehungen zu verbessern. Berlin, 27. Mai 1869 92*. Bismarck an Solms Bismarck GW VIb S. 89–90. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 91–92.

Mitglieder der Welfenlegion129 in Frankreich, die den Termin für die Amnestie haben verstreichen lassen, können mit Straffreiheit grundsätzlich nicht ohne weiteres rechnen. Berlin, 27. Mai 1869 93. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7566, S. 361–362. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 30. Mai 1869.

No. 42.

München, 29. Mai 1869

Der Fürst Hohenlohe sagte mir, die Württembergische Antwort auf seine Depesche bezüglich des oecumenischen Concil’s sei nun auch eingegangen. Sie schließe sich sehr an die Oestreichische an & hebe wie jene hervor, daß man Vertrauen in den Widerstand der Bischöfe haben müsse, deren Schicksal ausschließlich in der Hand des Pabstes liege, sowie die Unfehlbarkeit desselben erklärt sei, & die sich deshalb dieser Maßregel widersetzen würden. Er überzeuge sich indeß immer mehr, daß diese Voraussetzung falsch sei. Gerade die intelligenteren Bischöfe, unter denen er nur den zum Secretär des 128  Lord Bloomfield. – Der im folgenden genannte österreichische Gesandte: Graf Wimpffen. 129  Die Welfenlegion wurde nach dem verlorenen Krieg von 1866 aus Freischärlern des ehemaligen Königreichs Hannover gebildet. Sie hielt sich jenseits der deutschen Grenzen zunächst in den Niederlanden, dann in der Schweiz und 1868 schließlich in Frankreich auf. Sie zählte etwa 700 Mann und war bereit, im Kriegsfall an der Seite Frankreichs gegen Preußen zu kämpfen. Bei Kriegsausbruch im Juli 1870 hatte die Legion sich bereits aufgelöst. – Vgl. Stehlin, Bismarck and the Guelph Problem (besonders S. 67–97).

128

95*. Vimercati an König Viktor Emanuel, Paris, 1. Juni 1869

Concil’s gewählten Bischof Feßler von St. Pölten & Kettler von Mainz130 nennen wolle, seien f ü r die Unfehlbarkeit, & die übrigen könne man nur für bloße Figuranten ansprechen. Seiner Ueberzeugung nach sei es in Rom beschlossen, die Infaillibilität zu proclamiren; wahrscheinlich werde man das Concil mit dieser Proclamation eröffnen, vielleicht in überraschender Weise z. B. durch den Erzbischof Manning. Eine rechtzeitige Einsprache seitens der Cabinette halte er daher für durchaus nothwendig. Irre ich mich nicht, so ist es Döllinger, dessen Rath der Fürst in dieser Frage hört & befolgt. Man könnte dann annehmen, daß er in jeder Beziehung vortrefflich unterrichtet ist & die Lage ganz richtig taxirt. 94*. Bismarck im Gespräch mit Wilmowski131 Bismarck, GW VII S. 292–295. Niederschrift Wilmowskis.

Die Stimme der Volksvertretung ist für die preußische Innenpolitik wichtig; sie kann aber niemals die auswärtige Politik bestimmen. Auch in Fragen der Armee darf sich die Kammer nicht einmischen. Varzin, Mai 1869 95*. Vimercati an König Viktor Emanuel DDI I,11 S. 355–356. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 357–358, 361, 370, 377 u. Anm. 2, 400, 402, 410–414, 418, 425, 431, 435–447, 448–449, 450–451.

Wenn Österreich und Italien bereit sind, findet der Krieg (gegen Preußen) im September statt. Paris, 1. Juni 1869

130  Joseph

Feßler (1813–1872), Bischof von St. Pölten 1865–1872; Generalsekretär des Vatikanischen Konzils. – Wilhelm Emmanuel Ketteler (1811–1877), Bischof von Mainz 1850–1877. – Ketteler wurde bald Gegner des Unfehlbarkeitsdogmas, unterwarf sich aber schon im August 1870 und verteidigte das Dogma dann in verschiedenen Hirtenbriefen. – Henry Edward Manning (1808–1892), Erzbischof von Westminster 1865–1892. 131  Karl von Wilmowski (1817–1893), Kabinettsrat; Geheimer Kabinettsrat und Chef des Zivilkabinets 1870–1888. 129

96. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 6. Juni 1869

96. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/5360, S. 72–77. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 9. Juni 1869.

[o.Nr.]

St. Petersburg, 6. Juni 1869

Heute ist es mir endlich gelungen, den Fürsten Gortschakoff zu sehen, nachdem er sich über 4 Wochen lang für das diplomatische Corps vollständig unsichtbar gemacht hatte. Ich habe daher erst jetzt den mir unter dem 7. Mai ertheilten Auftrag ausführen und ihm den Auszug aus der Unterredung mit­ theilen können, welche Euere Excellenz am 3. v.M. mit dem Englischen Botschafter132 über die Haltung Preußens in der Belgischen Eisenbahnfrage gehabt haben. Dabei habe ich die in dem hohen an mich gerichteten Erlaß No. 225 vom 7. v.M. enthaltenen Betrachtungen zu Erläuterungen verwerthet. Der Kanzler bat mich, Euerer Excellenz für diese Mittheilung zu danken. Auch er findet es nützlich, daß man in Folge jener Angelegenheit in Paris den Eindruck gewonnen hat, daß es gewisse Punkte giebt, bei welchen England aus seiner bisherigen Reserve heraustreten kann, und daß man in England den Wunsch ausspricht, mit Deutschland Frankreich gegenüber Fühlung zu nehmen. Aber auch er ist der Ansicht, daß die Englischen Staatsmänner nicht klar sehen über den eigentlichen Punkt, auf den es ankommt. Ein eventuelles aktives Eingreifen für Belgien hält der Kanzler ebenfalls für möglich, aber nur wenn das Cabinet durch die Macht der öffentlichen Meinung dazu gedrängt würde. Lord Clarendon sowie die meisten seiner Collegen seien gegen einen Krieg, selbst um die Aufrechterhaltung der Belgischen Unabhängigkeit zu schützen. Je länger er aber diesen Staatsmann seit seinem Wiedereintritt in die Geschäfte133 beobachte, desto mehr sei es ihm klar, daß derselbe mehr wie je von dem Druck der öffentlichen Meinung abhängig sei. Wolle man sich die Mühe nehmen, die Sprache der bedeutendsten Organe zu studiren, welche die Prätention haben, die Stimme des englischen Volkes zu repräsentiren, so könne man fast immer voraussagen, was Lord Clarendon in dieser oder jener Frage thun oder sagen werde. Dies sei die Folge der Verhältnisse, unter denen er in das aus ziemlich heterogenen Elementen zusammengesetzten Cabinet eingetreten sei, wo man ihm nur aus Achtung vor seinen Erfahrungen und vor seinen Talenten und aus Mangel an ähnlichen Fähigkeiten Zutritt gegeben habe. Wenn daher jene öffentliche Meinung sich für Belgien den Kopf erhitze, so würde der Lord auch dazu zu bringen sein, den Degen zu ziehen. Dieser Fall würde aber wahrscheinlich nicht eintreten. 132  Lord

Loftus. 1868.

133  Dezember

130

96. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 6. Juni 1869

Die Lektion, welche das Französische Cabinet über die Englischen Auffassungen in diesem Frühjahr erhalten hat, wird nach der Ansicht des Kanzlers dasselbe vorsichtiger machen; wenn aber Preußen ohne gleichzeitige Bedrohung Belgiens von Frankreich angegriffen werden sollte, dann, so fürchtet er mit Bestimmtheit annehmen zu können, würde sich England nicht in die Angelegenheiten des Continents mischen. Die Gefahren, welche England von Amerika aus drohen könnten, wollte der Fürst nicht so hoch anschlagen; er meint, daß die Amerikaner mehr bellen als beißen; man lege dort die Worte nicht so auf die Waagschale, als man dies in Europa zu thun gewohnt sei, und dürfte den Amerikanern ein Krieg mit England durchaus unerwünscht sein, außerdem würde, wie auch Euere Excellenz bemerken, England nicht in Verlegenheit sein, dem Streite durch Entledigung des Objektes134 aus dem Wege zu gehen. Als ich schließlich von der Nothwendigkeit sprach, den Englischen Staatsmännern klar zu machen, wo die eigentlichen Gefahren und wo die Urheber der Europa fort und fort beängstigenden Politik zu suchen seien, stimmte der Kanzler diesem Wunsche bei, ohne jedoch sich darüber auszusprechen, daß er seinerseits die Aufmerksamkeit des Brittischen [!] Cabinets hierauf lenken würde. Er sieht vorläufig den Frieden als nicht bedroht an. Die Wahlen in Frankreich135 flößen ihm zwar nicht dasselbe Vertrauen ein, welches Euere Excellenz dem Herrn von Oubril ausgesprochen hatten, indessen scheine auch ihm, daß das Kaiserreich dadurch wieder mehr in’s Gleichgewicht gebracht werden würde. Unzweifelhaft scheine es ihm jedoch, daß der Kaiser Napoléon allmählig in ein liberales parlamentarisches System einlenken

134  Gemeint ist die Alabamafrage. Dabei handelt es sich um eine Streitfrage zwischen beiden Ländern, die durch den Schaden entstanden war, den die in England gekauften und ausgerüsteten Kaperschiffe der Südlichen Konföderation während des Sezessionskriegs dem Handel der Nordamerikanischen Union zugefügt hatten. Die Regierung der USA beschuldigte England, es habe nichts getan, um das Auslaufen der südstaatlichen Piratenschiffe aus England zu verhüten, und dadurch einen Neutralitätsbruch begangen. Sie verlangte Entschädigung für die Schäden, welche diese Schiffe – darunter die „Alabama“ unter Kapitän Semmes – verursacht hatten. Im Februar 1871 wurde eine gemeinsame Kommission eingerichtet; diese unterzeichnete am 8. Mai 1871 einen Vertrag, nach dem ein internationales Schiedsgericht die Alabamaforderungen der USA gegen England prüfen sollte. Im September 1872 war die Frage gelöst; England zahlte eine Entschädigungssumme von 15 Mio. Dollar. 135  Das französische Kaiserreich war auf dem Weg zu einer Parlamentarisierung des Regierungssystems. Die Neuwahlen zum Corps législatif vom 24. Mai 1869 ergaben für die Regierung knapp 4,5 Mio. Stimmen, für die Opposition beachtliche knapp 3,2 Mio. Im Juli 1869 entließ Kaiser Napoleon III. seinen Staatsminister, den „Vizekaiser“ Rouher, und ernannte am 2. Januar 1870 Émile Ollivier, der bisher Mitglied der Opposition war, zum Präsidenten eines aus gemäßigt liberalen Anhängern des Kaiserreichs gebildeten Ministeriums.

131

99*. Hohenlohe-Schillingsfürst im Gespräch mit Moltke, [Berlin] 8. Juni 1869

müsse. Der Wunsch darnach habe sich zu deutlich während der letzten Wahlen kund gegeben. Ich fragte den Kanzler, ob er, wenn er Napoléon’s Rathgeber wäre, ihm hierzu rathen würde? Er konnte mir nicht direkt hierauf antworten, meinte aber, es würde dem Kaiser nichts anderes übrig bleiben, als zu diesem Mittel zu greifen. Es war mir dies interessant zu hören, weil ich darin die Äußerungen wiedererkannte, welche mir Herr von Jomini nach seiner Pariser Reise gemachte hatte und über welche ich seiner Zeit zu berichten die Ehre hatte136. 97*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 92–95. Geheimer Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 97–98.

Es ist durchaus möglich, daß Kaiser Napoleon Belgien schlankweg okkupieren und dann die Reaktion der anderen Mächte abwarten werde. Österreich-Ungarn könnte von diesem Coup Napoleons profitieren. Bernstorff soll auf seinem Posten Beobachtungen in der Sache anstellen. Berlin, 7. Juni 1869 98*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 98–99. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 100–103.

Die Neuwahlen zum Gesetzgebenden Körper in Frankreich haben einerseits die legitimistischen und orleanistischen Kräfte137 an den Rand gedrängt, andererseits dem Kaiser Napoleon große Schwierigkeiten bereitet. Berlin, 8. Juni 1869 99*. Hohenlohe-Schillingsfürst im Gespräch mit Moltke Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 372–373. Niederschrift.

Moltke mahnt Bayern zu verstärkten Rüstungen. Frankreich werde keinen Krieg ohne Österreich beginnen; dieses sei aber nicht gerüstet. Wenn es doch zum Krieg mit beiden Mächten komme, werde man sich erst auf Frankreich werfen. [Berlin] 8. Juni 1869

136  Oben

Nr. 85. der (gestürzten) Häuser Bourbon und Orléans.

137  Anhänger

132

102*. Runderlaß Bismarcks an die preußischen Missionen, Berlin, 12. Juni 1869

100*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 99–100. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 128–130; Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 375–376.

Er hat dem in Berlin weilenden Fürsten Hohenlohe erklärt, daß Gutachten preußischer (Theologischer und Juristischer) Fakultäten über die Fragen des Konzils inopportun seien. Berlin, 10. Juni 1869 101*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 103. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 111–115.

Er soll Gorčakov gegenüber gelegentlich zur Sprache bringen, daß die Okkupation Belgiens für Kaiser Napoleon ein immerwährendes Ziel bleibe, auch wenn er nur gegen Deutschland vorgehen sollte. Berlin, 10. Juni 1869 102*. Runderlaß Bismarcks an die preußischen Missionen Bismarck, GW VIb S. 105–106.

Beim Besuch des ägyptischen Vizekönigs138 sind folgende Fragen besprochen worden: die europäische Konsulargerichtsbarkeit; die Ansiedlung von Kolonisten; ein Reglement für die Benutzung des Suezkanals. Berlin, 12. Juni 1869

138  Ismail Pascha (1830–1895), Khedive (Vizekönig) von Ägypten 1863–1879. – Zu seinem Aufenthalt in Berlin vgl. Friedrich III., Tagebücher S. 143. – Ismail Pascha war im Mai/Juni 1869 auf der Reise in den Hauptstädten der europäischen Großmächte, um die Souveräne zur Eröffnung des Suezkanals einzuladen und mit den Regierungen über die Aufhebung der „Kapitulationen“ (Konsulargerichtsbarkeit) zu unterhandeln.

133

103. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 14. Juni 1869

103. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9863, S. 210–217. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 19. Juni 1869.

No. 82.

St. Petersburg, 14. Juni 1869

Euerer Excellenz hohen Erlaß No. 263 vom 8ten d.Mts. nebst den anliegenden Auszügen aus der Moskauer Zeitung habe ich durch den Königlichen Feldjäger zu erhalten die Ehre gehabt. Zur Erwiederung des dabei mir ertheilten Auftrages wegen Refutation der Polemik des Herrn Katkoff139 wollen Euere Excellenz mir erlauben, Folgendes vorauszuschicken. Wie Hochdenselben [!] bekannt ist, hatte ich durch die Vermittelung des Obersten von Schweinitz140 in der Person des Herrn Feoktistow Beziehungen mit der Moskauer Zeitung anzuknüpfen versucht. Nachdem dieser Herr einige Male sich mit dem Obersten besprochen hatte, wurde eine Zusammenkunft mit mir eingerichtet. Bei dieser Gelegenheit konnte ich alles das bestätigt finden, was mir Herr von Schweinitz über die Auffassungen jenes Herrn, der mittlerweile Besprechungen mit Herrn Katkoff selbst gehabt, berichtet hatte. Ich nahm aus dieser Unterredung den Eindruck mit, daß es jenen Herren durchaus nicht daran gelegen sei, sich irgendwie mit uns einzulassen, ja daß sie eine ängstliche Scheu davor hatten, vielleicht vor dem Russischen Publikum in den Verdacht zu gerathen, mit der Preußischen Regierung in irgend welchen Beziehungen zu stehen. Trotzdem versprach am Schluß der Unterredung Herr Feoktistow mir, einen Mann zu empfehlen, wie ich ihn zum Uebersehen der Russischen Presse wünschte, und wir kamen überein, daß durch diesen Canal die Beziehungen mit dem Moskauer Journal unterhalten werden sollten. Daß diese Beziehungen nur sehr lose sein würden, daß konnte man wohl aus den vorsichtigen Reden des Herrn Feoktistow herausfühlen. Hierüber sind etwa 6 Wochen vergangen. Herr Feoktistow ließ sich nicht mehr, weder bei Herrn von Schweinitz noch bei mir, sehen und unterließ, uns die bezeichnete Persönlichkeit zuzusenden. Ich habe immer gezögert, hierüber zu berichten, weil ich noch warten wollte, ob von jener Seite etwas 139  Michail

Nikiforovič Katkov (1820–1887), einflußreicher (deutschfeindlicher) Publizist; Herausgeber der „Moskauer Zeitung“; Propagandist der Autokratie Alexanders III. 140  Hans Lothar von Schweinitz (1822–1901), Flügeladjutant (ab 1875 General­ adjutant) Wilhelms I. und Militärbevollmächtigter in St. Petersburg 1865–1869; Gesandter (ab 1871 Botschafter) in Wien 1869–1875; Botschafter in St. Petersburg 1876–1892.  – Der im folgenden genannte (vermutlich) Evgenij Michajlovič Feoktistov (1829–1898), Journalist. 134

103. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 14. Juni 1869

geschehen würde. Da dies nun aber nicht der Fall war, so muß ich annehmen, daß mein erster Eindruck der richtige war und daß das Moskauer Blatt keine Beziehungen mit uns haben will. Diese Ueberzeugung wäre daher wohl das einzige Resultat, welches wir aus unseren Unterhandlungen über diesen Gegenstand gewonnen haben. Es wäre daher nach anderen Mitteln zu suchen, um der schädlichen Polemik jener Zeitung irgendwie entgegenzutreten. Ich habe Euerer Excellenz schon öfters meine ganz gehorsamste Ansicht ausgesprochen, daß Artikel in anderen Zeitungen eben nicht gelesen werden, es sei denn, daß sie Mittheilungen oder Uebersetzungen aus deutschen, hier populären Blättern brächten. Herr Besobrasoff141 rieth mir schon vor einigen Monaten, und ich berichtete darüber, daß, wenn die National-Zeitung solche Artikel bringen würde, man denselben wohl Eingang in eine oder die andere hiesige Zeitung verschaffen könnte. Ich besprach gestern gelegentlich mit Graf Schouwaloff142 die Serie von Artikeln der Moskauer Zeitung, welche den Gegenstand Euerer Excellenz hohen Erlasses bilden, und machte ihn darauf aufmerksam, daß in jenem Blatt dieselbe Luft wehe, welche von Hietzing143 aus Französische und Deutsch-welfische Blätter durchdringen, eine Beobachtung, welche der Graf auch bereits gemacht haben wollte. Ich wies darauf hin, daß, wenn jenes Blatt in diesem gegen Preußen aufhetzenden Tone fortfahre, es dahin kommen müsse, daß sich die guten Beziehungen, welche zwischen beiden Staaten befänden, trüben würden. Daß ein solches Unglück aber in den Absichten des Kaisers liegen sollte, daß könne ich nicht annehmen. Ich sagte, daß mich die Sache sehr ernsthaft präoccupire, und fragte ihn schließlich ganz offen, ob er mir keine Mittel angeben könnte, um solchem Uebel vorzubeugen und dem lesenden Publikum in Rußland die Augen darüber zu öffnen, wie es von Katkoff fast tagtäglich belogen werde. Der Graf war ganz meiner Ansicht, beklagte die bestehenden Verhältnisse, versicherte, daß Seine Majestät der Kaiser durchaus gegen solches Treiben sei und er in der auswärtigen Politik nur e i n e Sympathie habe, welche Preußen angehöre. Er beschuldigte den Fürsten Gortschakoff, welcher in fortwährender Verbindung mit Katkoff steht, die Beziehungen zu einem sicheren 141  Nicht identifiziert. – Die im folgenden genannte „National-Zeitung“ ist offenbar die „Moskauer Zeitung“ („Moskovskie Vedomosti“). 142  Von den in Frage kommenden Personen dieses Namens ist vermutlich gemeint: Pëtr Andreevič Šuvalov (1827–1889), Flügeladjutant des Zaren; später Botschafter in London 1874–1879. 143  Nach Hietzing bei Wien war König Georg V. von Hannover geflohen. Dort war er Mittelpunkt der antipreußischen Agitation, und dort rief er 1867 die Welfische Legion ins Leben.

135

103. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 14. Juni 1869

Freunde wie Preußen dem Vergnügen zu opfern, von der Moskauer Zeitung gepriesen zu werden. Er wundere sich, daß Euere Excellenz diesem Scandal bis jetzt so ruhig zugesehen hätten, und wünschte, daß Sie sich einmal ernstlich dem Russischen Gesandten144 gegenüber beklagen möchten, damit der Kaiser einmal erführe, wie wenig man im auswärtigen Amte bemüht sei, sich nach seinem Willen zu regeln. Es sei schwierig zu rathen, weil kein anderes Blatt die Autorität besäße, der Moskauer Zeitung entgegen zu treten; Niemand würde das lesen. Er warnte mich übrigens davor, die Bedeutung Katkoff’s zu überschätzen; dieser Mann und sein Blatt fingen an, immer mehr an Achtung und Terrain zu verlieren – eine Bemerkung, welche mir übrigens vor einigen Tagen auch Herr von Bojanowski145 aus Moskau schrieb. Was nun den Zweck betreffe, den das Moskauer Blatt mit seiner gegen Preußen gerichteten Polemik verfolge, so sei dies in letzter Hand immer der, im Hinblick auf die Ostsee-Provinzen den Racenhaß im Russischen Volk wach zu erhalten. Jene Parthei habe nur eine Idee, dies sei die Russifizirung jener Provinzen. Sie glaube einerseits, daß der Preußische Einfluß dieser Russifizirung bis jetzt entgegengetreten sei, andererseits lasse sie es sich angelegen sein, der Regierung Angst zu machen vor den von Preußen gewährten deutschen Sympathien der Balten, und deshalb würde Preußen fortwährend als schlechter, auf Uebelthaten sinnender Nachbar und falscher Freund dargestellt. Auf den Kaiser mache dies keinen Eindruck; er wolle sich ebensowenig durch das leidenschaftliche Vorgehen jener Partei hinreißen lassen, als den Einflüsterungen Gehör schenken, welche die Königliche Regierung bei ihm anzuschwärzen suchten. Ich bemerkte bei dieser Gelegenheit auf’s Neue, daß Graf Schouwaloff darnach strebt, den Fürsten Gortschakoff zu beseitigen. Er ließ sich sehr heftig gegen diesen „alten, halb kindisch gewordenen eitelen Narren“ aus. Sein Candidat ist Herr Waloujeff146. Die Klagen, die ich über die mit dem Cabinet des Kanzlers in Verbindung stehende Zeitung führte, schienen ihm willkommen zu sein, und glaube ich, daß er deshalb auch wünschte, Euere Excellenz möchten Sich beklagen, damit der Kaiser die Sache erführe. Sollte der Gegenstand einmal in einem Gespräch mit dem Kaiser Erwähnung finden können, so werde ich ihm über die Polemik der Moskauer Zei-

144  Oubril.

145  Victor von Bojanowski (1831–1892), preußischer Konsul in Moskau 1865– 1869, des Norddeutschen Bundes in St. Petersburg Dezember 1869–1871. 146  Pëtr Aleksandrovič Valuev (1814–1892), russischer Innenminister 1861–1868; Minister der Reichsdomänen 1872–1879.

136

106*. Bismarck an Reuß, Berlin, 22. Juni 1869

tung gewiß reinen Wein einschenken, mich aber hüten, den Fürsten Gortschakoff dabei zu erwähnen. Schouwaloff ist zwar sehr stark, aber nicht so stark, um den Kanzler jetzt mir nichts dir nichts aus dem Sattel zu heben. 104*. Launay an Menabrea DDI I,11 S. 403–404. Bericht.

Beim Besuch des ägyptischen Vizekönigs hat der türkische Gesandte in Berlin147 stets darauf geachtet, daß die Suzeränität des Sultans nicht verkürzt werde. Nubar Pascha hat Bismarck gebeten, deutsche Kolonisten nach Oberägypten zu entsenden, was dieser abgelehnt habe, da die deutsche Auswanderung nach Rußland und Amerika schon bedauerliche Ausmaße angenommen habe. Wiesbaden, 15. Juni 1869 105*. Solms an Bismarck Oncken, Rheinpolitik III S. 206–208. Sehr vertraulicher Bericht.

Kaiser Napoleon III. geht mit dem Gedanken um, Europa eine allgemeine Abrüstung vorzuschlagen. Außenminister La Valette: Die überspannte Aufrüstung sei eine Gefahr für den europäischen Frieden. Könne Preußen abrüsten? – Antwort: Bei dem preußischen Wehrsystem sei das nicht möglich. Paris, 17. Juni 1869 106*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S.106–108. Vertraulicher Erlaß.

Er glaubt weiterhin nicht an ein italienisch-französisch-österreichisches Bündnis. Berlin, 22. Juni 1869

147  Aristarchi Bey. – Der im folgenden erwähnte: Abd ül-Asis (1830–1876), Sultan 1861–1876. – Er war Oberlehnsherr des ägyptischen Vizekönigs. Dieser versuchte, sich aus diesem Abhängigkeitsverhältnis zu befreien.

137

110*. Bismarck an Tresckow, Berlin, 29. Juni 1869

107*. Bismarck im Gespräch mit Hohenlohe-Schillingsfürst Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 377–380. Aufzeichnung.

Bismarck: Solle man nicht die Festung Landau aufgeben und das bewegliche Material nach Germersheim verbringen? Im Fall eines Krieges mit Frankreich werde dieser für Preußen siegreich ausfallen, da es besser gerüstet sei. – Erinnerungen an 1866. – Er wünscht einen schriftlichen Gedankenaustausch über das Projekt eines weiteren Bundes zwischen Nord- und Süddeutschland. Berlin, 23. Juni 1869 108*. Bismarck an Solms Bismarck, GW VIb S. 108–110. Erlaß.

Preußen hat der badischen Regierung keinerlei Ankündigungen über ein angebliches Brückenmanöver bei Kehl gemacht. Die französische Regierung darf über innerdeutsche Angelegenheiten keine diplomatischen Anfragen stellen. Berlin, 23. Juni 1869 109*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 110–111. Erlaß.

Er soll sich in London vertraulich über den Fortgang der Alabamafrage148 orientieren.

Berlin, 24. Juni 1869 110*. Bismarck an Tresckow149 Bismarck, GW VIb S. 115–116. Schreiben.

Aus dem Militärlager von Châlons sind drei preußische Offiziere ausgewiesen worden. Dagegen sind französische Offiziere in Preußen jederzeit willkommen. Berlin, 29. Juni 1869 148  Oben

Anm. 134. von Tresckow (1818–1900), Generalmajor; Chef des Militärkabinetts

149  Hermann

1865–1871. 138

113*. Vimercati an König Viktor Emanuel, Paris, 15. Juli 1869

111*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 116–117. Immediatbericht.

Kaiser Napoleon wird die französischen Truppen derzeit nicht aus Rom abziehen. Berlin, 29. Juni 1869 112*. Lefebvre de Béhaine150 an La Valette OD XXV S. 86–87. Bericht.

Bismarck hat einem Korrespondenten des „New York Herald“ ein Interview gegeben. Dieser hat gefragt, ob in der aktuellen Situation Europas Preußen nicht seine Militärausgaben reduzieren könne. Antwort: „Nein, Norddeutschland muß bewaffnet und wachsam sein, da es seitens der Politik Frankreichs und Österreichs keine Garantie hat.“ Berlin, 12. Juli 1869 113*. Vimercati an König Viktor Emanuel DDI I,11 S. 452–453. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 453, 458–459, 464, 466–467, 475–476, 481, 482–483, 547; I,12 S. 101, 103, 104, 106, 108, 123, 150–151, 166–167, 175.

Kaiser Napoleon hält weiterhin – trotz des Ministerwechsels151 – an der Tripelallianz fest. Paris, 15. Juli 1869

150  Édouard comte Lefebvre de Béhaine (1829–1987), Erster Sekretär an der französischen Botschaft in Berlin 1864–1869, in Rom 1870–1872. 151  Am 17. Juli 1869 war in Paris Ministerwechsel; Außenminister La Valette wurde abgelöst von Henri prince de La Tour d’Auvergne-Lauragais (1823–1871); französischer Botschafter in London 1863–1869; Außenminister Juli  –  Dezember 1869.

139

114. Reuß an König Wilhelm I., St. Petersburg, 16. Juli 1869

114. Reuß an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/6160, S. 72–78. Ganz vertraulicher Immediatbericht. Behändigte Abschrift. Praes: 19. Juni 1869.

o.Nr. [91].

St. Petersburg, 16. Juli 1869

Allerdurchlauchtigster, Großmächtigster König, Allergnädigster König und Herr! Als sich Seine Majestät der Kaiser am 13n Abends in Peterhof einschiffte, hatte Er soeben ein Telegramm des Grafen Stackelberg152 aus Paris erhalten, welcher die am 12n im Corps législatif erfolgte Mittheilung der Kaiserlichen Botschaft sowie das Zurücktreten des gesammten Ministeriums meldet und dabei bemerkt, jene Mittheilung habe auf die Versammlung den Effekt einer kalten Dusche gemacht. Seine Majestät der Kaiser war sehr präoccupirt durch diese Nachrichten. Er hält dafür, daß es sehr gefährlich für den Kaiser Napoléon ist, sich so bedeutender Prärogative zu begeben; um so gefährlicher, als die gesetzgebende Versammlung durch die Zugeständnisse nicht einmal befriedigt worden ist. Er ist der Ansicht, daß man in Frankreich einer Katastrophe immer näher rücke, welche dem Bestehen des jetzigen Kaiserreichs gefährlich werden dürfte153. So ernsthaft die Ereignisse in Paris sind, so kann ich doch die letzteren Befürchtungen des Kaisers nicht ganz theilen und glaube, daß dieselben hauptsächlich durch einen Brief des Grafen Stackelberg hervorgerufen worden sind, der die Situation in sehr schwarzen Farben malt. Der Kaiser hatte die Gnade, mich in seine Cabine zu rufen und mir diesen Brief vorzulesen. Graf Stackelberg schildert darin, wie das Gebäude des zweiten Kaiserreiches Stück vor Stück einzustürzen anfange, weil der Baumeister selbst immer mehr an derjenigen Energie und Klugheit einzubüßen anfange, welche die Welt zu Anfang seiner Regierung so sehr an ihm bewundert habe. Der 19e Januar mit seinen Concessionen sei der Anfang des Endes gewesen154; die heutigen Zugeständnisse nur eine natürliche Folge der damaligen, und so würde es immer weiter gehen, bis die Wellen der Revolution über der Kaiserkrone zusammenschlagen würden. Jene Katastrophe sei nur eine Zeitfrage. 152  Ernst Graf von Stackelberg (1813  – 30. April 1870), General und General­ adjutant; russischer Gesandter in Wien 1864–1868, in Paris 1868–1870. 153  Einen Überblick über das Ende des Kaiserreichs bietet: Plessis, De la fête impériale. Vgl. auch den neuesten Gesamtüberblick Bourguinat/Vogt, La guerre francoallemande. 154  Gemeint ist die Thronrede Napoleons III. bei Eröffnung der Kammern am 18. Januar 1869: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 324–325.

140

114. Reuß an König Wilhelm I., St. Petersburg, 16. Juli 1869

Was den Einfluß anbetrifft, welchen die Volksvertretung auf den Gang der Französischen Politik haben wird, so ist der Botschafter der Ansicht, daß es der Regierung allerdings schwer werden dürfte, einer so friedlichen Kammer gegenüber sich auf kriegerische Abenteuer einzulassen; er will indessen keine Garantie übernehmen, ob nicht der Kaiser, durch die steigende Gefahr im Innern gedrängt, doch nicht eines Tages den Versuch machen sollte, die Situation durch einen Krieg, und zwar einen populären Krieg mit Preußen, zu retten. Graf Stackelberg geht hiebei auf das so beliebte Capitel der Prätexte über und macht auf die Gefahren aufmerksam, welche für den Frieden Europa’s entspringen würden, wenn man, d. h. Preußen, irgend welche Prätexte geben sollte. Er spricht bestimmt aus, daß das Ueberschreiten der Mainlinie den Franzosen von der Kriegspartei den gewünschten Vorwand geben würde, „pour prendre leur revanche de Sadowa“155, denn das sei immer noch die fixe Idee der Chauvinisten. Diesen Punkt entwickelt der Brief näher. Er meint, daß, wenn es wahr wäre, daß Preußen die Absicht hätte, seine Militair-Conventionen, welche es mit Hessen und theilweis auch mit Baden abgeschlossen, auch auf Bayern und Württemberg auszudehnen156, so würde dies in Paris ohne Zweifel als ein Ueberschreiten der Mainlinie angesehen werden. Das Gerücht, daß sich Graf Bismarck über diese Frage mit dem Kriegsmin. v. Roon entzweit und sich theilweis deshalb vorläufig von den Geschäften zurückgezogen habe, sei allerdings beängstigend: „si l’Empereur voulait user de son influence sur le Roi, son oncle157, au nom de l’amitié qui unit si heureusement les deux Souverains, Lui conseiller de prendre en considération la situation extrêmement délicate dans laquelle se trouve placée en ce moment la question de paix ou de guerre, ce serait rendre un grand service à toute l’Europe“, so ungefähr lautete die betreffende Phrase, die ihren Eindruck auf das Gemüth des Kaisers nicht ganz verfehlt zu haben schien. Er sagte mir, sich im Lesen unterbrechend: „Wenn Sie dem Könige schreiben, so theilen Sie ihm dies mit, es wäre gewiß sehr zu wünschen, daß man den Franzosen keinen Vorwand zum Kriege gäbe.“ Der Brief schloß mit der Ansicht, daß, selbst wenn man alle äußern Vorwände vermeiden würde, dies doch die Katastrophe höchstens nur für ein Paar Monate aufschieben könnte. Ich kann Ew.M. nicht verbergen, daß mich diese Ermahnungen zur Vorsicht ärgerten und daß mir das Blut etwas zu kochen anfing. Ich antwortete 155  Französischer

1866.

Begriff für den preußischen Sieg bei Königgrätz vom 3. Juli

156  Dazu vgl. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte III S. 597–601. – Zum folgenden vgl. Schulze-Wegener, Roon S. 205–206. 157  Alexanders II. Vater, Zar Nikolaus I., war verheiraet mit Charlotte (Alexandra), ältester Tochter König Friedrich Wilhelms III. von Preußen; ihr Bruder war König Wilhelm I. Daher das Verwandtschaftsverhältnis.

141

114. Reuß an König Wilhelm I., St. Petersburg, 16. Juli 1869

aber erst, nachdem der Kaiser die Lectüre beendet hatte. Ich sagte, es sei mir nicht bekannt, daß E.M. Regierung die Absicht hätte, die Militair-Conventionen auf ganz Süddeutschland auszudehnen; wenn jene Regierungen dies wünschen sollten, so könne man Preußen jedenfalls nicht dafür verantwortlich machen. Auch wisse ich nicht von einer brouille zwischen jenen beiden Räten Ew. Majestät. Es sei seit einiger Zeit ordentlich zur Gewohnheit geworden, der Regierung Ew.M. Rathschläge zu ertheilen, damit ja nichts geschähe, was die Franzosen verletzen könne. Solche Rathschläge, die uns von England und von Italien her gekommen, seien aber, als ihr Ziel vollständig verfehlende, gebührend zurückgewiesen worden. Ich bat den Kaiser, sich der Vorgänge zu erinnern, welche dem Jahr 1866 gefolgt seien: Er würde finden, daß E.K.M. mit der größten Gewissenhaftigkeit Alles vermieden hätten, was wie eine Provocation Frankreichs habe ausgelegt werden können. Außerdem sei jeder Act der K. Regierung ein Beleg dafür, daß Preußen den Krieg nicht wünsche, sondern den Frieden wolle. Daß dieses noch heute der Wille des Königs, m.A.H., sei, das könne ich auf das Bestimmteste versichern, daß Ew.M. den Krieg nicht fürchtete und daß es gut sei und den Frieden weit mehr sichern werde, wenn man dies in Paris wisse. Nichts wäre gefährlicher als der Glaube, Preußen weiche der Kriegsgefahr ängstlich aus; einem Nachbarn wie Frankreich gegenüber würde es zur unausbleiblichen Folge haben, daß man dort nur noch empfindlicher und erfinderischer in der Theorie der Vorwände werden und daß man sich herausnehmen könnte, sich in unsere inneren Verhältnisse einzumischen. Ich bat schließlich den Kaiser, selbst zu entscheiden, ob ein solcher Zustand möglich sei. Seine Majestät erwiederten mir, daß Sie weit davon entfernt seien, meine Argumentation zu bestreiten und daß es einen Augenblick geben könne, wo man gezwungen wäre, den Degen zu ziehen. Der Kaiser schien übrigens meine entschiedene Sprache nicht ungnädig aufzunehmen, im Gegentheil, es schien ihm Freude zu machen zu hören, daß man sich in Preußen nicht fürchtet. Ich hatte die Ehre, im vergangenen Frühjahr einmal dem Minister-Präsidenten Ewr Königl. Majestät zu schreiben, daß es mir bei der Persönlichkeit des Kaisers Alexander nützlich erscheine, Ihm zuweilen zu zeigen, daß sich andere nicht so leicht einschüchtern lassen, um so nützlicher bei der wahren Freundschaft und dem entschiedenen Vertrauen, welche der Kaiser zu Ewr. Majestät hat. Es war mir deshalb sehr lieb, eine Gelegenheit zu finden, um mich gerade Ihm gegenüber gegen dieses Einschüchterungs-System entschieden auszusprechen, und ich wage zu hoffen, daß ich hiermit der Allerhöchsten Intention Ewr. Königl. Majestät nicht entgegengehandelt habe.

142

116. Werther an Bismarck, Wien, 21. Juli 1869

115. Abeken158 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6160, S. 81–82. Telegramm. Entzifferung.

No. 3.

Ems, 21. Juli 1869, 12 Uhr 20 Min. Nachm. Ankunft: 21. Juli 1869, 1 Uhr 35 Nachm.

Für Prinz Reuß in St. Petersburg. Se. Majestät ist in hohem Grade befriedigt von Ihrer Aeußerung gegen Se. Majestät den Kaiser Alexander, nach Bericht Nr. 91 vom 16. d.M.159, befiehlt, dem Kaiser zu sagen, Sie hätten sich Seines Auftrages entledigt, und der König dankte Ihm dafür, vertraute zugleich darauf, daß der Kaiser Ihn genugsam kenne, um zu wissen, daß er den Krieg weder suchte noch fürchte, daß Er Alles vermeiden werde, was provociren oder reizen könne, aber auch Preußen für stark genug halte, um unbeirrt seinen Weg zu gehen und mit Gottes Hülfe jede Einmischung Frankreichs abzuweisen. Es liege übrigens nichts vor, was Frankreich Anstoß geben könne, und die Gerüchte über politische Differenzen zwischen den Ministern seien ganz unbegründet. 116. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8420, S. 180–182. Vertraulicher Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 24. Juli 1869.

[o.Nr.]

Wien, 21. Juli 1869

Die Anerkennung, welche das Russische Cabinet dem Grafen Beust für die in Lemberg stattgefundene Verhinderung einer demonstrativen Feier des dreihundertjährigen Gedenktages der Lubliner Union160 ausgesprochen, hat der Reichskanzler mit großer Genugthuung entgegengenommen, und hat er darin Russischer Seits eine besonders freundliche Aufmerksamkeit erblicken wollen, obgleich in der ganzen Form der Russischen Eröffnung dazu eigentlich kein Grund vorlag. Dieser Eindruck der Befriedigung hat ihn veranlaßt, sich bei dieser Gelegenheit dem Russischen Geschäftsträger161 gegenüber in weitere politische Unterhaltung einzulassen. Er hat dabei weit von sich gewiesen, als ob das Zeitungsgerücht einer Austro-Italienischen Allianz irgend 158  Heinrich Abeken (1809–1872), seit 1848 als Legationsrat im AA, 1866 Wirklicher Geheimer Legationsrat; enger Mitarbeiter Bismarcks. – Seine Erinnerungen: Abeken, Leben. 159  Die vorangehende Nr. 160  Auf dem Reichstag in Lublin 1568–1569 kam unter König Siegmund II. August die Vereinigung Polens und Litauens zustande. 161  Uexküll (oben Anm. 104).

143

116. Werther an Bismarck, Wien, 21. Juli 1869

Begründung haben könne. Oesterreich und Italien wären nur beide in derselben Lage, dringend die Beibehaltung des Friedens zu bedürfen [!], und hierüber herrschte in Wien und Florenz die vollste Uebereinstimmung. Ueberdies hätte sich zwischen den beiden Ländern ein sehr gutes und freundschaftliches Verhältniß gebildet, weil sie beide als Nachbarländer nichts mehr von einander zu verlangen und zu wünschen hätten, es lägen keine Interessen vor, die dabei collidirten. Eine Prätension auf das Trentino sähe er nicht als Ernst an, und würde sie auch von der Italienischen Regierung gar nicht begünstigt. Zwischen Oesterreich und Preußen dagegen könne man nicht behaupten, daß alle collidirenden Interessen verschwunden wären, und darin liege der Grund, daß noch nicht, wie mit Italien, sich befriedigende Verhältnisse wieder hergestellt hätten. Der Prager Frieden162 bleibe immer in der Politik ein Fragezeichen. Es wäre zu bedauern, daß dieser Frieden ein französisches Werk (une œuvre française) wäre und daher Frankreich nicht unbetheiligt lasse. Er bewundere aufrichtig die Genialität, mit der die Preußische Politik geleitet werde, doch begreife er nicht, wie damals zur Zeit des Prager Friedens, als Oesterreich darniedergeworfen und Frankreich militairisch ohnmächtig war, wie anstatt der Stiftung des Nordbundes nicht gleich ganz Deutschland unter Preußen [sich] vereinigt hätte. Jetzt bleibe Süddeutschland das Fragezeichen. Wir befolgten dabei gegenwärtig und in den letzten Jahren eine sehr weise Mäßigung und Zurückhaltung, allein es wäre nur eine Frage der Zeit, daß Süddeutschland sich enger am Nordbunde anschließen müßte. Ein für uns günstiger Krieg würde diesen Zeitpunkt befördern. Doch käme dieser Moment heran und würde das vereinigte Deutschland bis an die Thore von Salzburg reichen, dann wäre das Fragezeichen da, wie Oesterreich und Frankreich diese Umstände aufnehmen würden. Er, Graf Beust, sehe definitiv Oesterreich aus Deutschland als verdrängt an, und wolle er nach wie vor bei der Friedenspolitik beharren, doch man könne nicht wissen, wie lange sein Ministerium dauern und ob seine einstigen Nachfolger dieselben friedlichen Anschauungen hätten. An sich haben diese Aeußerungen keinen besonderen Werth und sind mehr akademischer als practischer Natur, es bleibt aber immer eigenthümlich, daß Gf. Beust sie im vertraulichen Gespräch mit dem Russischen Geschäftsträger entwickelt hat.

162  Vom

144

23. August 1866 nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg.

118. Promemoria Abekens, Ems, 29. Juli 1869

117*. Bismarck an Eichmann163 Bismarck, GW VIb S. 118–120. – Vgl. auch ebenda S. 123–124.

Er soll angesichts der Anschuldigungen Beusts aus Wien dem sächsischen Außenminister Friesen das volle Vertrauen aussprechen. Varzin, 22. Juli 1869 118. Promemoria Abekens PA Berlin, RZ 201/7567, S. 244–249. Eigenhändig. Praes.: (in Varzin) 1. August 1869

Ems, 29. Juli 1869 1) Der Gedanke, d e n d e u t s c h e n B i s c h ö f e n g e g e n ü b e r die deutschen Regierungen zu einem gemeinsamen oder identischen Schritt zu vereinigen, wurde zuerst von Herrn von Arnim in einem Bericht aus Rom angeregt. Des Herrn Chefs Excellenz billigte denselben und bestimmte, daß darüber mit Fürst Hohenlohe und mit dem Herrn Cultus-Minister164 communicirt werden, auch des Herren Justiz-Ministers Aeußerung über die rechtlich verfassungsmäßige Seite der Verhältnisse erbeten werden sollte. Mit dem Fürsten Hohenlohe habe ich die Sache besprochen – wie das ganz ergebenst wieder beigefügte P.M. ausweist, welches dem Herrn Chef und Sr Majestät dem Könige vorgelegen hat. Dann kam von Dresden die erste Nachricht über die beabsichtigte Zusammenkunft der Bischöfe in Fulda165, und der Herr Chef bestimmte, daß dies 163  Friedrich von Eichmann (1826–1875), preußischer Gesandter in Dresden 1867–1873. – Zum folgenden: In dem soeben veröffentlichten Rotbuch der österreichischen Regierung war eine Depesche Beusts vom 8. Juli 1869 an den österreichischen Gesandten in Dresden abgedruckt, in dem das sächsische Kabinett beschuldigt wurde, in dem französisch-belgischen Eisenbahnstreit eine Österreich „ungünstige Auffassung“ vertreten zu haben. Der Erlaß Beusts in: Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern 3 (1869) S. 34–25. Vgl. auch Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 104. – Der im folgenden genannte: Richard von Friesen (1808–1884), sächsischer Außenminister 1866–1876, Finanzminister 1858–1876. – Seine „Erinnerungen“ III sind von Belang für den Zeitraum dieser Edition. – Friesen und Beust waren als sächsische Staatsminister einander feindlich gesinnt. 164  Mühler. – Der im folgenden genannte: Adolf Leonhardt (1815–1880), preußischer Justizminister 1867–1879. 165  Der Bischof von Fulda lud Ende Juli 1869 die deutschen Bischöfe zu einer Konferenz ein, um sich über ihre Stellung zum Vatikanischen Konzil zu verständigen. Die Konferenz fand vom 1. bis 6. September in Fulda statt. Vgl. deren Hirtenbrief in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 111–116.

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118. Promemoria Abekens, Ems, 29. Juli 1869

dem Herrn von Mühler mit Rücksicht auf den früheren Gedanken mitgetheilt werden solle, da dies vielleicht einen Anknüpfungspunkt für eine Erklärung an die Bischöfe geben könne. Auch Fürst Hohenlohe hat nach einem späteren Bericht des Freiherrn von Werthern den Gedanken praktisch gefunden, an diese Zusammenkunft anzuknüpfen. Nun wurde Herr von Mühler um eine Aeußerung gebeten, ob er einen solchen Schritt ebenfalls billige, und in welcher Form und mit welchem Inhalt nach seiner Ansicht derselbe gethan werden könne? Vorschläge wurden ihm nicht gemacht, sondern nur die A n f r a g e : darauf seine jetzige Antwort, in welcher er sich g e g e n einen solchen Schritt erklärt, i n w e l c h e r F o r m es auch sei . 2) Der Herr Cultus-Minister geht aber noch weiter und erklärt sich, im Gegensatz gegen alle bisher mit München nach der Bestimmung des Herrn Chefs getroffenen Einleitungen, überhaupt g e g e n e i n g e m e i n s a m e s Auf­treten der deutschen Regierungen a u c h i n R o m , z. B. durch die vom Grafen Bismarck dem Fürsten Hohenlohe vorgeschlagene und von letzterem acceptirte Sendung eines bayerischen Bevollmächtigten, welcher zugleich im Namen der übrigen deutschen Regierungen zu sprechen hätte. Er wünscht n u r isolirte Vorstellungen der deutschen Regierungen bei der Römischen Curie. Meines unmaßgeblichen Erachtens würde dadurch der Sache gerade die wesentliche Bedeutung genommen werden, welche in der E i n i g k e i t der deutschen Regierungen liegt. Isolirte Vorstellungen würden (abgesehen davon, daß Württemberg und Baden gar keine Agenten in Rom haben) wahrscheinlich wenig wirken, während gerade die Einigkeit Deutschlands einen gewissen Eindruck in Rom nicht verfehlen wird und es auch politisch wohl nur günstig wirken kann, wenn auch auf diesem Felde die Einheit Deutschlands hervortritt, auch für Preußen scheint mir die Stellung gegenüber von Rom dadurch erleichtert. Auch die Befürchtungen des Herrn Cultus-Ministers wegen einer Erklärung an die Bischöfe kann ich nicht theilen. C o l l e c t i v braucht der Schritt nicht zu sein, nur möglichst i d e n t i s c h , damit die Regierungen von vornherein Stellung nehmen. Gerade die O e f f e n t l i c h k e i t dieser Stellung wird wirken und die gemäßigten Elemente in Deutschland ermuthigen und stärken, während die Vorstellungen in Rom sich doch mehr der Oeffentlichkeit entziehen. Von einem Eingehen in einzelne Materien kann natürlich nicht die Rede sein, nur von einer bestimmten Erklärung, daß die Regierung ihre Rechte wahren werde und von den Bischöfen erwarte, daß sie zu keinen Beschlüssen die Hand bieten werden, welche in den bestehenden Rechtszustand einzugreifen und den confessionellen Frieden wie den Frieden zwischen der Kirche und dem Staate zu stören drohen könnten. 146

119. Promemoria Buchers, Varzin, 31. Juli 1869

Ich hatte des Herrn Chefs Excellenz diese Auffassung zu hochgeneigter Prüfung vorzulegen. Für die Schritte nach Rom dürfte natürlich die weitere Eröffnung des Fürsten Hohenlohe abzuwarten sein – welche noch immer ausbleibt, wahrscheinlich weil er keine geeignete Persönlichkeit zur Sendung nach Rom finden kann! Mit Herrn von Arnim habe ich bei seiner hiesigen Anwesenheit auch über das Concil gesprochen. Er läßt seine früheren Gedanken von Beschickung des Concils fallen, aber schlägt die Absendung e i n e s a u ß e r o r d e n t l i c h e n B e v o l l m ä c h t i g e n t e n a n d e n P a p s t während des Concils vor, eines K a t h o l i k e n , welcher dann l e i c h t e r etwas e r f a h r e n und leichter im Sinne der Regierung auf die deutschen Bischöfe im Concil selbst einwirken kann, als es ihm (H. von Arnim) selbst möglich sein würde. Ich fürchte, daß dieser Gedanke an Allerhöchster Stelle Eingang finden könnte. 119. Promemoria Buchers166 PA Berlin, RZ 201/7567, S. 259–261. Eigenhändig. Praes.: 2. August 1869 (im AA).

Varzin, 31. Juli 1869 Das Promemoria des W.G.L.R. Abeken, d.d. Ems, den 29. d.Mts, in Betreff des öcumenischen Concils167 hat des Herrn Chefs Excellenz vorgelegen. Derselbe dictirte mir folgende Bemerkung darüber. Seine Auffassung von dem Vorschlage des Gesandten von Arnim müßte in der Mittheilung an Herrn v. Mühler, nach dessen Antwort zu schließen, etwas verwischt erschienen sein. Es sei nie seine Absicht gewesen, mit dem „Episcopat“, mit der Gesammtheit der deutschen Bischöfe wie mit einer Macht oder als mit einem corpus zu verhandeln. Er sei der Meinung gewesen, daß die Beziehungen, in welchen das Cultusministerium durch seine katholische Abtheilung stehe, so viel auf die diplomatische Befähigung abgefärbt haben würden, daß das Ministerium im Stande sei, auf einzelne Bischöfe oder deren vertraute Rathgeber vertraulich einzuwirken im Hinblick auf die Versammlung in Fulda. An ein Ministerialreskript oder eine Note mit Journalnummer habe er nicht gedacht. Ebenso solle der nach Rom zu entsendende Bayer dort nichts [weiter] bekunden – und zwar vertraulich –, als daß die deutschen Regierungen ganz einig im Entschluß der Abwehr wären, und mahnen, die Sache mit Vorsicht zu behandeln. Den Vorschlag des Herrn 166  Lothar Bucher (1817–1892), Vortragender Rat im AA 1867–1886 (ab 1876 Geheimer Legationsrat). 167  Die vorangehende Nr. 

147

121. Keyserling an Bismarck, Bukarest, 9. August 1869

v Arnim, einen außerordentlichen Bevollmächtigten nach Rom zu schicken, vermöge er nicht zu billigen. Man würde dadurch das Concil in die Höhe schrauben, indem man gleichsam bei demselben antichambrire. 120*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 124–126. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 130–133.

Graf Beust hat bedauert, daß Preußen durch den Abschluß der Schutz- und Trutzbündnisse mit den süddeutschen Staaten den Prager Frieden168 mit Österreich verletzt habe. Das ist unrichtig, da jedem Staat der Abschluß von Bündnissen freistehe. Auch ist die Behauptung Beusts falsch, daß Preußen die von Österreich ausgestreckte Hand zu besseren Beziehungen nicht ergriffen habe. Berlin, 4. August 1869 121. Keyserling169 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12100, S. 326–333. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 15. August 1869.

No. 84.

Bukarest, 9. August 1869

Im Gegensatze zu Herrn Steege ist Herr Cogalniceanu170 anscheinend ganz entzückt von seinem Aufenthalte in Preußen zurückgekehrt. Er besuchte mich gestern unmittelbar nach seiner Ankunft und konnte nicht müde werden in den Darstellungen der Huld und Gnade Seiner Majestät des Königs, Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen sowie der Freundlichkeiten, welche ihm seitens des Ministeriums erwiesen worden waren. Die Verleihung des Rothen Adler-Ordens Ier Classe hatte wohl seine kühnsten Hoffnungen übertroffen, und der Aufenthalt in Ems hatte ihm Gelegenheit geboten, sich Seiner Majestät zu verschiedenen Malen vorzustellen sowie zur Tafel befohlen zu werden.

168  Von

1866. Graf von Keyserling-Rautenberg (1831–1874), preußischer Generalkonsul in Bukarest 1867 – Oktober 1869; Gesandter des Norddeutschen Bundes in Konstantinopel 1869–1871; dann Krankenurlaub und 1872 a. D. 170  Michail Kogălniceanu (1817–1891), rumänischer Innenminister 1868–1870; seit September 1879 Präsident der historischen Sektion der rumänischen Akademie der Wissenschaften. 169  Heinrich

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121. Keyserling an Bismarck, Bukarest, 9. August 1869

In Paris hatte Herr Cogalniceano nur den Prinzen Latour d’Auvergne gesprochen, welcher in seiner mir noch von früher wohlbekannten phlegmatischen und oberflächlichen Weise die orientalischen Fragen berührt und für Rumänien hauptsächliches Gewicht auf die Judenangelegenheit171 gelegt hatte, bei welcher der Nachbarstaat Oesterreich so sehr betheiligt wäre. Die französischen innern Zustände schildert Herr Cogalniceano als so sehr bedenklich, daß die kaiserliche Regierung binnen Kurzem in die ernstesten Verlegenheiten kommen müßte. In Wien hatte Herr Cogalniceano außer Baron Werther hauptsächlich den Herzog von Grammont172 gesehen, welcher ihm in der ungeschminktesten Weise von den wenig wohlwollenden Tendenzen Frankreichs und Oesterreichs gegen die Regierung des Fürsten Carl gesprochen hatte. Nach Angabe des Herzogs von Grammont folge Frankreich in Bezug auf die Donau-Fürstenthümer ganz den österreichischen Inspirationen; auch hatte Herr Mellinet, als er sich auf seinen Posten hierher begeben, keine anderen Instructionen erhalten, als sich unbedingt der Leitung seines österreichischen Collegen anzuvertrauen, da man dessen Instructionen für competent hielt. Herr von Zulauf173 sei in Folge dessen wiederum auf das engste Zusammengehen mit Herrn Mellinet angewiesen worden. Die österreichische Politik in Bukarest werde bedingt durch das souveräne Mißtrauen, welches Fürst Carl als preußischer Prinz einflöße. Man betrachte ihn als einen, „en tout cas“, als einen vorgeschobenen Posten, den sich das bisher in der orientalischen Frage so indifferente preußische Cabinet geschaffen. Das französische sowie das österreichische Cabinet würden ohne Zweifel in der Consular-Conventionsfrage174 viel coulanter sein, da sie die Nothwendigkeit der Abänderung des gegenwärtigen Zustandes vollkommen anerkennen, wenn man nicht befürchtete, dadurch den Fürsten Carl im Lande populär zu machen. Alles, was zur Consolidirung des Fürsten Carl beitragen könne, werde aber in Wien sorgfältig gemieden. Schon zu wiederholten Malen sei man in den letzten Jahren im Begriffe gewesen, den Sturz des Fürsten zu veranlas-

171  Unterdrückung

der Juden. Agénor duc de Gramont (1819–1880), französischer Botschafter in Wien 1861 – Mai 1870; Außenminister Mai – August 1870. 173  Nikolaus Zulauf von Pottenburg (1822–1884); österreichischer Politischer Agent und Generalkonsul in Bukarest 1868–1871. 174  In den Donaufürstentümern – als von Konstantinopel abhängiger Provinz – galt die europäische Konsulargerichtsbarkeit: Die europäischen Konsuln waren in Rechtsstreitigkeiten oberste Gerichtsherren; aus dieser Abhängigkeit versuchten die Fürstentümer sich zu befreien, indem sie auf eigene Gerichtszuständigkeit pochten. 172  Antoine

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121. Keyserling an Bismarck, Bukarest, 9. August 1869

sen, und nur durch die Schwierigkeit der Frage, „was auf den Sturz des Fürsten folgen solle“, davon abgehalten worden. Herr Cogalniceano behauptet, dem Herzog auf diese Auslassungen erwidert zu haben: „Je puis vous prédire les conséquences presque inévitables d’un renversement du Prince Charles si jamais pareil malheur nous arrivait, la Moldavie irait à la Russie et en Valachie on proclamerait la république avec Monsieur Bratiano175 et compagnie comme présidents. L’étincelle serait mise ainsi à la poudrière d’Orient.“ Der Herzog hatte darauf bemerkt: „Ce sont précisément ces considérations là et nos conseils de modération qui jusqu’à l’heure qu’il est ont arrêté une action ouvertement hostile de Vienne.“ Während Herr Cogalniceano hiernach ohne Hoffnung auf freundschaftliche Beziehungen zu dem Beust’schen Oesterreich zurückgekehrt ist, glaubt er nach seinen Gesprächen mit dem Grafen Andrássy einen befriedigenden modus vivendi mit Ungarn herstellen und erhalten zu können. Bei dem ungarischen Premier hatte er durchaus keine prinzipielle feindselige Tendenz gegen den Fürsten Carl entdeckt, sondern im Gegentheil Rücksichten für ihn als preußischen Prinzen sowie Anerkennung der preußischen Politik gefunden. Inwieweit der liebenswürdige ungarische Graf der persönlichen Eitelkeit des rumänischen Ministers bei dieser Gelegenheit reichen Weihrauch gespendet und seiner nur zu leicht erregbaren Phantasie Nahrung gegeben, muß ich dahin gestellt sein lassen; jedenfalls scheint mir aber die von Herrn Cogalniceano heimgebrachte Ansicht von der Möglichkeit guter Beziehungen zu Ungarn unter eventueller preußischer Vermittelung für die Angelegenheiten des Fürsten Carl recht vortheilhaft. Herr Cogalniceano glaubte sich durch seine in Wien und in Pesth gemachten Beobachtungen zu der Annahme berechtigt, daß der Stern des Grafen Beust bereits im Sinken sei und sich von den verschiedenen maßgebenden Teilen Unzufriedenheit über seine fieberhafte aufregende und verzettelnde Thätigkeit manifestire. Baron Werther wird sowohl über letzteren Punkt als über die Zuverlässigkeit der politischen Gesinnungen des Grafen Andrássy Euerer Excellenz maßgebend zu berichten ohne Zweifel Gelegenheit gehabt haben.

175  Ion C. Brătianu (1821–1891), teils rumänischer Innen-, teils Finanzminister 1866–1868; danach in der Opposition; Ministerpräsident 1876–1881, 1881–1888.

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123. Dönhoff an Bismarck, Stuttgart, 11. August 1869

122*. Bismarck an Hohenlohe-Schillingsfürst Hohenlohe-Schillingsfürst, Denkwürdigkeiten I S. 385–386. Schreiben.

Er ist einverstanden mit dem Vorhaben Hohenlohes, eine Person ausfindig zu machen, die im Namen aller deutschen Regierungen in Rom während des Konzils die Interessen des Staates vertritt. Varzin, 11. August 1869 123. Dönhoff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8421, S. 151–154. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 12. August 1869.

[o.Nr.]

Stuttgart, 11. August 1869

Freiherr von Varnbüler, den ich176 gestern Gelegenheit hatte, zum ersten Male seit der Rückkehr von seinen verschiedenen Reisen zu sehen, sprach mir seine volle Befriedigung über das Resultat der Münchener Commissionsverhandlungen in der Bundesliquidations-Angelegenheit aus. Selten sei er von einer Angelegenheit so unangenehm berührt gewesen wie von dieser. Die Phasen, die sie durchgemacht habe und die einen Augenblick gedroht hätten, sehr ernst zu werden, hätten ihn um so mehr erregt, als die ganze Frage nur durch Verschulden Bayerns entstanden [sei] und ganz hätte vermieden werden können. Da sie nun, und zwar in einem seinen Wünschen und Anträgen entsprechenden Sinne, entschieden sei, so sei es ihm angenehm, daß dieselbe endlich ihre definitive Regelung erfahren habe. In Bezug auf den durch das Oesterreichische Rotbuch hervorgerufenen Depeschenwechsel zwischen Preußen, Sachsen und Oesterreich177 sagte mir der Minister im weiteren Verlauf des Gesprächs, daß, da er während dieser Zeit auf Reisen gewesen sei, er dieser Angelegenheit nicht so habe folgen können, wie er es gewünscht hätte. Die Manie des Oesterreichischen Reichskanzlers, über jede auch außerhalb seiner Sphäre liegende Sache zu schreiben, würde noch einmal dahin führen, seine Stellung ernstlich zu compromittiren. Dieselbe entspringe wohl hauptsächlich aus seiner großen Lust am arbeiten. Er habe in seiner jetzigen Stellung, nach Constituirung der Ministerien der beiden Reichshälften, verhältnismäßig wenig zu thun und suche seine Arbeitskraft auf solche Weise zu verwerthen. Er, der Minister, habe diese

176  Carl Graf von Dönhoff (1833–1906), Legationsrat des Norddeutschen Bundes in Stuttgart 1867 – Mai 1870; Botschaftsrat in Wien Mai 1870–1878. 177  Oben Anm. 163.

151

124*. Clarendon an Königin Victoria, Wiesbaden, 21. August 1869

„Arbeitssucht“ des Grafen Beust an ihm schon als Sächsischer Minister178 zu beobachten gehabt. Es sei ihm damals aufgefallen, daß die Dresdener Zeitung und ein anderes Blatt, dessen Namen ihm entfallen sei, mit solcher Consequenz und Treue die Ansichten des damaligen Sächsischen PremierMinisters vertrete, und habe er denselben gefragt, wie er es möglich mache, die Zeitungen zu so treuen Anwälten seiner Ideen zu machen. Einfach dadurch, habe ihm Freiherr von Beust geantwortet, daß er der eigentliche Redakteur en chef derselben sei. Jeden Morgen kämen die Redakteure mit den Correkturbogen zu ihm. Er corrigire dann, er inspirire die Redakteure und schreibe oft selbst Artikel. Das sei seine Beschäftigung in den Mußestunden. Bei dieser Gelegenheit glaube ich einer Mittheilung erwähnen zu sollen, welche die Stellung des Grafen Beust zum Freiherrn von Varnbüler characterisiren dürfte und die mir von dem hiesigen Französischen Gesandten, Grafen St. Vallier179, als aus einer sicheren Quelle v e r t r a u l i c h gemacht wurde. Vor einiger Zeit, behauptet der Französische Diplomat, seien dem Freiherrn von Varnbüler von München Anerbietungen gemacht worden, das MinisterPräsidium und das Portefeuille des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten an Stelle des Fürsten Hohenlohe zu übernehmen. Diese Wahl sei in München durch den Grafen Beust sehr warm befürwortet worden. Frh. v. Varnbüler habe aber abgelehnt. Den Zeitpunkt, wann diese Verhandlungen stattgefunden, konnte Graf St. Vallier nicht näher bezeichnen, glaubt aber, daß es im Frühjahr vor den Bayerischen Wahlen gewesen sei. 124*. Clarendon an Königin Victoria180 Victoria, Letters II,1 S. 623–624. Immediatbericht.

Unterredung mit Königin Augusta in Koblenz: Diese hält Beust als Haupthindernis für bessere Beziehungen zwischen Preußen und Österreich; sie betrachtet den „demokratischen Geist“, den Sozialismus, als wachsende Gefahr für Europa. Die preußische Herrschaft in den Rheinlanden ist un­ populär. Wiesbaden, 21. August 1869

178  Als er sächsischer Ministerpräsident, Außen- und Innenminister 1858–1866 war. – Die im folgenden erwähnte „Dresdner Zeitung“ erschien 1859–1871 und 1878–1907. 179  Charles comte de Saint-Vallier (1833–1886), französischer Gesandter in Stuttgart 1868 – Juli 1870. 180  Victoria (1819–1901), Königin von Großbritannien und Irland 1837–1901. – Die im folgenden genannte: Augusta (1810–1890), Gemahlin Wilhelms I.; Königin von Preußen 1861–1888; Deutsche Kaiserin 1871–1888.

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125. Abeken an das Auswärtige Amt, Frankfurt a. M., 24. August 1869

125. Abeken an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/7567, S. 316–317. Privatdienstbrief. Abschrift. Auszug.

Frankfurt a. M., 24. August 1869 Auszug aus einem Privatbrief des Wirklichen Geheimen Legations-Raths Abeken, d.d. Frankfurt a. M., 24. August 1869 Seine Majestät der König trug mir gestern bei dem letzten Vortrag auf, nach Berlin zu schreiben: daß Er am Sonntag181 mit dem Bischof von Fulda, der zum Diner geladen war und den Ehrenplatz neben dem Könige hatte, auch über das Concil gesprochen und ihm gesagt habe: Das Concil errege die allgemeine Aufmerksamkeit; um die dogmatische Seite werde man sich nicht kümmern, sondern darin der Kirche volle Freiheit lassen; aber nach dem, was man höre, werde so manche Frage berührt werden, die auch das politische Gebiet anginge; darauf müßten die Regierungen aufmerksam sein, und es wäre natürlich, daß diese sich unter einander beriethen, um sich zu einigen, wie sie sich dazu verhalten sollten; es wäre gut, daß sie, die Bischöfe, dies wissen, und darum habe Er es ihm sagen wollen; die Regierungen würden einig darüber sein, keine Uebergriffe in das staatliche Gebiet zu dulden, sowenig wie sie selbst in das kirchliche Gebiet übergreifen würden. Der Bischof von Fulda habe darauf erwidert, „er glaube gewiß zu sein, daß keine Uebergriffe vorkommen würden; die Zusammenkunft der Bischöfe in Fulda im September, wenn sie auch das Concil darin besprechen würden, sei übrigens nur die gewöhnliche Zusammenkunft, welche sie alle 2 Jahre hielten, es würden 17 zusammenkommen.“ Ich erlaubte mir, Sr. Majestät zu bemerken, daß ich es für sehr günstig hielte, daß E r s e l b s t ein Wort in diesem Sinne an den Bischof habe richten können; das wirke immer noch mehr als eine Aeußerung des Ministers. Was diese letztere betrifft, so sagte ich Ihm, daß ich eben an Sie geschrieben und Sie gebeten hätte, die Sache bei Herrn v. Mühler wieder in Anregung zu bringen resp. mit Lehnerdt mündlich zu besprechen; was Ihm sehr recht war; Er bemerkt selbst dazu, daß es hohe Zeit sei. – Obige Aeußerung gegen den Bischof von Fulda haben Sie wohl die Güte, Herrn v. Mühler resp. Lehnert mitzutheilen.

181  22. August 1869. – Der im folgenden genannte: Christoph Florentius Kött (1801–1873), Bischof von Fulda 1848–1873.

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127*. Bismarck an Limburg-Stirum, Berlin, 4. September 1869

126. Promemoria Buchers PA Berlin, RZ 201/60, S. 12–14. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 1. September 1869.

Varzin, 31. August 1869 Die hohen Erlasse an mich vom 28. und 29. d.Mts betreffend die Eröffnung des Suezcanals182 habe ich nebst den gehorsamst wieder beigefügten Anlagen dem Herrn Minister vorgetragen, der sich folgendermaßen darüber aussprach: Er stimme für die Reise S.K.H. des Kronprinzen, weil sie für unser Ansehen und unsere Interessen von Nutzen sein werde, und halte es für eine sehr glückliche Idee S.K.H., den Weg über Constantinopel zu nehmen. Was andere Souveräne, namentlich die Kaiserin Eugenie183, thäten, sei einflußlos auf die Thatsache, daß die Reise für uns von Nutzen sei. In welchem Verhältniß zu demselben die Kosten ständen, könne er nicht beurtheilen, weil ihm jeder Anhalt für die Schätzung der letzteren fehle. Sie würden sich ermäßigen, wenn S.K.H. ein Kriegsschiff zur Verfügung gestellt würde, was seines Erachtens durch den concurrirenden Staatsprunk gerechtfertigt sei. Da, wie er fürchte, sein in neuester Zeit weniger guter Gesundheitszustand ihm nicht gestatten werde, zu der Begrüßung S.M. nach Stettin zu gehen, so bäte er, diese seine Ansicht in Erledigung des Allerhöchsten Befehls zur Kenntniß S.M. zu bringen. 127*. Bismarck an Limburg-Stirum184 Bismarck, GW VIb S. 141–142. Erlaß.

Er soll dem Kardinalstaatssekretär Antonelli deutlich zu verstehen geben, daß die feindselige Haltung der „Correspondance de Rome“ den guten Beziehungen zwischen Preußen und dem Heiligen Stuhl schade. Berlin, 4. September 1869

182  Der Khedive von Ägypten hatte auf seiner Rundreise durch die europäischen Hauptstädte (oben Anm. 138) zur Eröffnung des Suezkanals, die für November 1869 vorgesehen war, eingeladen. 183  Eugénie (1826–1920), geb. de Montijo; Kaiserin der Franzosen 1853–1870. 184  Friedrich Graf zu Limburg-Stirum (1835–1912), Legationssekretär an der Gesandtschaft in Rom (Vatikan) 1869–1870. – Der im folgenden genannte: Giacomo Antonelli (1806–1876), Kardinalstaatssekretär 1848–1876.

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129*. Tagebucheintragung Wertherns, [München] 14. September 1869

128. Balan an Schweinitz PA Berlin, RZ 201/8422, S. 51–55. Erlaß. Abschrift (Auszug).

No. 247.

Berlin, 8. September 1869

Aus Ew.p. gefälligen Bericht vom 30. v.Mts. habe ich mit Interesse das Nähere über die Unterredung ersehen, welche Sie in Gemäßheit meines Erlasses vom 27. dess[elben Monats] mit dem Herrn Reichskanzler Grafen Beust gehabt hatten. […] Ewp. haben vollkommen unserer eigenen Auffassung Ausdruck gegeben, indem Sie dem Herrn Reichskanzler Ihre Ansicht dahin aussprachen, daß der Grund der weniger freundlichen Beziehungen zwischen beiden Cabinetten hauptsächlich in der Publication seiner drei Rothbücher185 zu suchen sei. Der Eindruck dieser Publicationen hat nur vermehrt werden können durch die Eile, mit welcher theils unsere diplomatischen Mittheilungen, theils hierher gerichtete Oesterreichische Depeschen, die kaum zu unserer Kenntniß gelangt waren, in Oesterreichischen Blättern veröffentlicht wurden, deren gehässige Tendenz gegen Preußen notorisch ist. Im Zusammenhang hiermit steht, daß die Agitation der von Oesterreich inspirirten Presse eine stets erneute Rührigkeit entfaltet und daß die officiellen Dementis uns nicht davon haben überzeugen können, diese Agitation – die als Welfische Ihren Hauptsitz in Wien hat – sei der Kaiserl. Botschaft in Paris ganz fremd. Ew.p. werden, indem Sie sich gef. nach Maßgabe der vorstehenden Bemerkungen gegen den Herrn Reichskanzler äußern, diesen Mittheilungen den Charakter eines freundschaftlichen, jeder Bitterkeit entkleideten Gedankenaustausches zu geben wissen. Es wird uns in der That aufrichtig freuen, wenn die ganze Phase der jüngsten Verstimmung nur noch ein historisches böte. Denn ich kann versichern, daß wir diese Verstimmung lebhaft bedauert haben und von dem Bewußtsein getragen worden sind, dabei lediglich in der Defensive geblieben zu sein. 129*. Tagebucheintragung Wertherns Werthern, Tagebuch S. 59–61.

Ich habe schon im Herbst 1866 dem spanischen Sondergesandten Salazar186 gesagt, der einzig mögliche Kandidat für den spanischen Königsthron 185  Sie waren 1868 und 1869 in Wien erschienen: Correspondenzen des … Ministeriums des Äußern No. 1–3. 186  Eusebio de Salazar y Mazarredo (1827 – 19. Februar 1871), Cortes-Abgeordneter; Sondergesandter zu Verhandlungen über die spanische Thronkandidatur 1869–

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131. Uebel an Bismarck, Konstantinopel, 17. September 1869

sei Erbprinz Leopold von Hohenzollern. Drei Jahre später habe ich Fürst Karl Anton in Düsseldorf dieselbe Idee entwickelt. Dieser verhielt sich indes skeptisch. [München] 14. September 1869 130. Bucher an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/60, S. 36. Telegramm. Entzifferung.

Nr. 11.

Varzin, 17. September 1869, 10 Uhr 60 Min. Vorm. Ankunft: 17. September 1869, 12 Uhr 22 Min. Nachm.

Chef meint, es wäre höflicher, in Constantinopel zunächst nur Besuch187 anzumelden, nicht von Passage der Dardanellen zu sprechen, die überhaupt nur e i n e m Kriegsschiff werde gestattet werden können. Freiherr von Werther möche telegraphisch ersucht werden, Besuch188 vorläufig vertraulich anzumelden und als Beweis freundnachbarlicher Gesinnung zu bezeichnen. 131. Uebel189 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/60, S. 39–41. Telegramm. Entzifferung.

No. 6.

Konstantinopel, 17. September 1869, 4 Uhr Min. Nm. Ankunft: 18. September 1869, 2 Uhr 4 Min., Vorm.

Antwort auf Telegramm No. 8. Aali Pascha drückte schon früher auf Benachrichtigung Aristarchi Bey’s und heute wiederum seine große Freude über Besuch SrKgl. Hoheit des Kronprinzen aus, ließ durchblicken, daß der Besuch nicht zusammenfallen möge mit Aufenthalt der Kaiserin der Franzosen, wahrscheinlich wegen des zur Verfügung zu stellenden Palastes. Die Kaiserin der Franzosen bleibt vom 13. bis 18. October hier. Wegen Dardanellen-Passage der Corvette gab Aali Pascha zwar keine directe abschlägliche Antwort, verwies aber auf die von mir unter dem 1. Oc1870. – Der im folgenden genannte: Karl Anton (1811–1885), Fürst von Hohenzollern-Sigmaringen; Militärgouverneur der Rheinprovinz und Westfalens mit Sitz in Düsseldorf 1868–1873. 187  Des Kronprinzen von Preußen zur Eröffnung des Suezkanals. 188  In Wien (auf der Reise nach Konstantinopel). 189  Xaver Uebel (1824–1906), Legationssekretär an der Gesandtschaft des Norddeutschen Bundes in Konstantinopel 1867 – Oktober 1869, in Brüssel Oktober 1869 –  Mai 1871. 156

132. Promemoria Buchers, Varzin, 21. September 1869

tober d. J. [1868?] eingereichte Pforten-Note, welche die Passage definitiv geregelt hat, und auf den Prinzen von Wales190, der durch Weglassen der Kanonen sich dieser letzteren Stipulation conformirte. Soll ich dennoch auf Passage mit Kanonen bestehen und zu erwägen geben, daß andere Vertreter protestiren könnten, wie früher englischerseits geschehen? Nach Aeußerung von Fachmännern können Kanonen z. B. in den Dardanellen leicht abgelegt werden. Daß Se Königliche Hoheit aber auf Kriegschiff eintreffe, ist im Interesse des äußeren Ansehens nach orientalischen Begriffen und Präcedenzfällen durchaus erforderlich. 132. Promemoria Buchers PA Berlin, RZ 201/60, S. 87–89. Eigenhändig.

[o. Nr.]

Varzin, 21. September 1869

Des Herrn Chefs Exc. ist der Ansicht, daß es besser gewesen wäre, in Constantinopel zunächst nur den Besuch des Kronprinzen anzumelden und erst nachher die Passirung der Dardanellen zur Sprache zu bringen. Bei der ablehnenden Haltung, welche die Pforte anfangs beobachtet, sei es peinlich, ein Verlangen zu stellen, das auch abgelehnt werden könnte, umsomehr daß in Constantinopel vielleicht beabsichtigt werde, zwischen S.K.H. und der Kaiserin der Franzosen einen Unterschied zu machen. Die Bedingung, daß die Schiffe die Geschütze ablegen, erscheine ihm als eine unwürdige Zumuthung, ein verletzendes Mißtrauen, dem militärischen Gefühl widerstrebend; werde auch zu unangenehmen Commentaren im Publikum Anlaß geben, denn auf das tactvolle Benehmen, welches die englische Presse mit Bezug auf den Prinzen von Wales beobachtet habe, sei bei uns nicht zu rechnen. S.E. würde es lieber sehen, daß der Kronprinz die Reise nach Constantinopel ganz aufgäbe. Da das aber wahrscheinlich nicht den Intentionen S.K.H. entsprechen werde, so bäte er, demselben vorzuschlagen entweder nur mit der Grille191 einzufahren oder dem Kanonenboot, das wohl zur Verfügung der Gesandtschaft stehe, eventuell von der Donau zu citiren sei, oder 190  Edward (1841–1910), Prince of Wales; erster Sohn Victorias und Alberts. – Er nahm als englischer Repräsentant an den Feierlichkeiten zur Eröffnung des Suezkanals teil. 191  SMS „Grille“, Königliche/Kaiserliche Yacht; Dienst 1858–1892; danach Schulschiff.

157

134*. Kaiser Napoleon III. an Kaiser Franz Joseph, St. Cloud, 24. September 1869

die Reise zu Lande zu machen oder auf einem türkischen Kriegsschiffe, was freilich wegen des backschisch sehr theuer werden würde. Der Generalconsul Theremin192 werde, auch wenn sein Urlaub noch läuft. auf seinen Posten zu beordern sein. 133. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 70. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 24. September 1869.

[o.Nr.]

Wien, 21. September 1869

Telegraphisch habe ich bereits gemeldet, welche Aufnahme meine Ankündigung des beabsichtigten Besuches des Kronprinzen als eines Actes freundnachbarlicher Gesinnungen hier gefunden. Auf den desfallsigen Bericht des Geh. Rath[s] v. Hoffmann193 an den Kaiser hat letzterer telegraphisch geantwortet: „Ich werde den Kronprinzen von Preußen mit dem größten Vergnügen in Wien empfangen.“ H. v. Hoffmann hat mir die eigenen Worte des Kaisers zugestellt, damit ich daraus die unzweifelhafte Befriedigung des Kaisers über den angekündigten Besuch entnehmen könne. Er fügte hinzu, er wäre überzeugt, daß derselbe auf einem neuen glücklichen Gedanken beruhe, von dem man nur erfreuliche Folgen erwarten könne. 134*. Kaiser Napoleon III. an Kaiser Franz Joseph Oncken, Rheinpolitik III S. 236–237. – Vgl. auch ebenda S. 237–241, 243–246, 247–258, 261–264, 268, 270–274.

Im Fall einer Bedrohung Österreichs werde ich meine gesamten Streitkräfte zur Verfügung stellen. Bei allen Verhandlungen gilt eine vorherige Verständigung. Bei einer schriftlichen Festlegung mit dem König von Italien besteht die Gefahr von Indiskretionen. St. Cloud, 24. September 1869

192  Leo

1870.

Theremin (1813–1877), preußischer Generalkonsul in Alexandria 1867–

193  Leopold Frhr. von Hofmann (1822–1886), Sektionschef im österreichisch-ungarischen Ministerium des Äußern 1869–1875.

158

137. Heydebrand an Bismarck, Kopenhagen, 4. Oktober 1869

135*. La Tour d’Auvergne an Contades194 OD XXV S. 264–265. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 286–287, 289– 297, 299–303, 306–312, 318, 332–334.

Nach vielfältigen Presseveröffentlichungen soll die badische Regierung den Eintritt des Großherzogtums in den Norddeutschen Bund vorbereiten. Die preußische Regierung lehnt dieses Vorhaben nach wie vor ab, das in Frankreich mit Mißgunst gesehen würde. Die englische Regierung soll möglichst ihren Einfluß geltend machen und vor dem badischen Ansinnen warnen. Paris, 28. September 1869 136. *Friesen im Gespräch mit Bismarck Bismarck, GW VII S. 301–302. Aufzeichnung (Friesens).

Bismarck: Ein baldiger Krieg mit Frankreich sei fest zu erwarten. Kaiser Napoleon brauche ihn, um von seinen vielen inneren Schwierigkeiten abzulenken. Die preußische Militärverfassung sei wegen der Einbindung mit den neuen Provinzen noch nicht fertig; in vier bis fünf Jahren sehe es besser aus. [o. O.] Herbst 1869 137. Heydebrand195 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/5125, S. 196–198. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Kopenhagen, 4. Oktober 1869, 10 Uhr 30 Vorm. Ankunft: 5. Oktober 1869, 2 Uhr - - Nachm.

Reichstag wurde heute vom König von Dänemark196 mit Rede eröffnet, in welcher es unter Bezug auf Heirat des Kronprinzen wörtlich heißt: Auch von jenseits der Landes-Grenze, namentlich von dänischen Männern und Frauen in Schleswig, haben wir und das junge Paar rührende Beweise 194  Henri vicomte de Contades (1830–1872), Erster Sekretär und Geschäftsträger an der französischen Gesandtschaft in Brüssel 1866–1869, an der Botschaft in London 1869–1870. 195  Tassilo von Heydebrand und der Lasa (1818–1899), preußischer (1868 des Norddeutschen Bundes, 1871 deutscher) Gesandter in Kopenhagen 1864–1878. 196  Christian IX. (1818–1906), König von Dänemark 1863–1906. – Der im folgenden genannte Friedrich (1843–1912), Kronprinz; verheiratet 28. Juli 1869 mit Luise (1851–1926), Tochter des Königs Karl XV. von Schweden. – Zum folgenden vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 429–430.

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138. Balan an König Wilhelm I., Berlin, 5. Oktober 1869

der Theilnahme und Ergebenheit empfangen. Gleichwie unsere Freude von ihnen geteilt wurde, ist auch ihr Leid das unsrige. Eben so fest wie sie glauben wir an eine Wiedervereinigung dessen, was Dänisch ist und sein will. Zwar hat die Königlich Preußische Regierung nicht hinreichende Veranlassung in den Verhältnissen gefunden, um die begonnenen Verhandlungen über diese Sache wieder aufzunehmen, aber unsre Ueberzeugung von dem, was die Gerechtigkeit und das wohlverstandene Interesse der beiden Staaten fordert, ist so unerschütterlich, daß wir demungeachtet unsere Erwartung nicht aufgeben können, es werde sich eine entsprechende Erkenntniß bei der Preußischen Regierung geltend machen und zu einem Abschluß führen, der ein dauernd freundschaftliches Verhältniß zwischen Dänemark und dem Norddeutschen Bunde befestigen kann. 138. Balan an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/60, S. 139–140. Vortrag. Von Schreiberhand. Vermerk des Königs am Kopf: „Ich werde ihn morgen dem 7n um 12 Uhr hier empfangen.“

[o.Nr.]

Berlin, 5. Oktober 1869

Eurer Königlichen Majestät habe ich die Ehre, allerunterthänigst zu melden, daß der türkische Gesandte Aristarchi Bey mir angezeigt hat, er habe den telegraphischen Befehl erhalten, sich nach Konstantinopel zu begeben, um dort während des Besuchs Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen anwesend zu sein. Zu diesem Behuf wird er die Reise baldmöglichst antreten müssen, hat sich aber auf die Nachricht, daß Eure Königliche Majestät zur Eröffnung des Landtags hier eintreffen würden, entschlossen, noch bis zum 7ten d.Mts. hier zu verweilen, um etwaige persönliche Befehle Eurer Königlichen Majestät noch entgegennehmen zu können. Eure Königliche Majestät wollen mir die ehrfurchtsvollste Bemerkung gestatten, daß, Falls Allerhöchstdieselben ihm im Interesse der Aufnahme Seiner Königlichen Hoheit noch eine Audienz zu gewähren geruhen sollten, ob für das Gelingen des von Seiner Königlichen Hoheit auszusprechenden Wunsches einer Schenkung der Ruinenstätte des ehemaligen JohanniterKonvents in Jerusalem sehr förderlich sein dürfte, wenn Eure Königliche Majestät dem Gesandten Aristarchi Bey AllerhöchstIhr persönliches Interesse an dieser Sache mit einigen Worten auszusprechen geruhten. Aristarchi Bey hat den lebhaften Wunsch, Eurer Königlichen Majestät sich dienstwillig zu erweisen; ein direkt an ihn gerichtetes Wort dürfte die Sache wesentlich erleichtern. Ueber die Zeit, w a n n Eure Königliche Majestät Aristarchi Bey eventuell empfangen wollten, darf einer allergnädigsten Eröffnung ich wohl allerunterthänigst entgegensehen. 160

140. Mühler an Melchers, Berlin, 8. Oktober 1869

139*. Vitzthum an Beust OD XXV S. 421–423. Geheimer Privatdienstbrief. – Zu den Gesprächen über eine Tripelallianz vgl. ebenda S. 385–420, 423–432.

Unterredung mit Staatsminister Rouher: Dieser nimmt den Gesprächsfaden für den Abschluß einer Tripelallianz wieder auf. Kaiser Napoleon hat ihm gesagt, daß unsere Dreierkonvention als „moralisch abgeschlossen“ zu betrachten ist: Rom solle in einer Konzilspause von den französischen Truppen evakuiert werden; im nächsten Frühjahr könne Österreich auf 500.000–600.000 Mann französischer Truppen zählen; Preußen möge uns also angreifen. Paris, 7. Oktober 1869 140. Mühler an Melchers PA Berlin, RZ 201/7567, S. 427–429. Schreiben. Abschrift. – Teildruck: Huber, Staat und Kirche II S. 418.

No. 1672. PI.

Berlin, 8. Oktober 1869

Ewr. Erzbischöflichen Gnaden197 sage ich für die gefällige Mittheilung vom 15ten v.Mts. – betreffend das in Rom bevorstehende Allgemeine Concil – meinen Dank. Zugleich unterlasse ich nicht, bei dieser Gelegenheit Ewr. Erzbischöflichen Gnaden in der Kürze von der Auffassung zu unterrichten, welcher die Regierung Seiner Majestät des Königs in dieser Angelegenheit folgt. Wenn die Preußischen Bischöfe, der ergangenen Einladung gemäß, an dem Concil in Rom theilnehmen, um über Angelegenheiten der katholischen Kirche zu berathen, so machen sie damit nur von einem Rechte Gebrauch, welches die Verfassung des Landes ihnen giebt. Die bis dahin bewährten verfassungsmäßigen Prinzipien der religiösen und kirchlichen Freiheit finden auch auf den vorliegenden Fall ihre volle Anwendung. Auch haben die Grenzen, innerhalb deren sich die Freiheit der Kirchen bewegt, sowie andererseits die Gegenstände und Fragen, für welche die Gesetzgebung des Staats und deren Handhabung durch staatliche Organe vorbehalten bleiben muß, durch die innere Entwickelung des Preußischen Staatsrechts, durch Legislative und Verwaltung, im Einzelnen eine so klare und erschöpfende Bestimmtheit erhalten, daß über den Umfang derselben kaum noch in irgend einer einzelnen Beziehung ein Zweifel übrig ist. Diese Grenzen zu wahren und den Zustand gesicherter Rechtsordnung aufrecht zu erhalten, ist nicht ein Interesse des Staats allein, sondern in nicht geringerem Maße ein Interesse und eine Aufgabe auch der Kirchen. 197  Paulus

Melchers (1813–1895), Erzbischof von Köln 1866–1875/85. 161

141. Werther an Bismarck, Wien, 15. Oktober 1869

Die Königliche Staatsregierung hegt das Vertrauen, daß die Preußischen Bischöfe auch außerhalb des Heimatlandes der Rechte und Pflichten sich bewußt bleiben, welche ihnen als Bürger des Reichs und als Unterthanen Seiner Majestät des Königs zukommen. Sie ist aufrichtig gewillt, den bestehenden Rechts- und Friedenszustand innerhalb des Landes aufrecht zu erhalten. Sie wird aber darüber wachen, daß nicht Störungen herbeigeführt werden, und denselben, wenn nöthig, entgegentreten, und sie ist sich in diesem Punkte, sofern es sich um die Abwehr von Uebergriffen auf das staatliche Rechtsgebiet handeln würde, der Uebereinstimmung mit allen christlichen Regierungen bewußt. Wird der hier bezeichnete Standpunkt von allen Seiten gleichmäßig anerkannt und gewahrt, so kann auch die Abhaltung des bevorstehenden Concils dazu beitragen, die Auffassungen zu klären und eine richtige Würdigung der Verhältnisse zu fördern. 141. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/60, S. 212–214. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. Oktober 1869.

No. 286.

Wien, 15. Oktober 1869

In Gemäßheit des mir direct von Seiner Majestät dem König aus BadenBaden zugekommenen Befehls habe ich meine gestrige Unterredung mit Graf Beust dazu benutzt, ihm zu eröffnen, wie Seine Majestät mich beauftragt haben, AllerhöchstIhre Anerkennung für den freundlichen Empfang, welcher von Seiten des Kaiserlichen Hofes Seiner Königlichen Hoheit dem Kronprinzen zu Theil geworden198, auszudrücken. Der Reichskanzler hat mir versprochen, dem gerade gestern von Ischl eingetroffenen Kaiser von dieser Anerkennung des Königs sofort Kenntniß zu geben. Er fügte hinzu, Graf Wimpffen habe überdies den Befehl, nach der Rückkehr des Königs nach Berlin sich eine Audienz bei Seiner Majestät zu erbitten, um den Dank des Kaisers für den Besuch des Kronprinzen Seiner Majestät auszusprechen. Graf Andrassy, der in Geschäften gestern auf einen Tag hier gewesen, hat mich besucht, um mir sein Bedauern zu bezeigen, während des Aufenthalts des Kronprinzen nicht hier anwesend gewesen zu sein. Er wäre tief in Ungarn auf dem Lande gewesen, woselbst er, von Geschäften übermüdet, sich einige Wochen gänzlich Ruhe habe zu Theil werden lassen müssen. Er wisse, daß ich seiner Abwesenheit bei dieser Gelegenheit keinen politischen Grunde beilege, da mir bekannt wäre, wie sehr er aufrichtig freundschaftliche Ver198  Kronprinz Friedrich Wilhelm weilte auf seiner Reise in den Orient vom 6. bis 9. Oktober in Wien. Vgl. Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 3–7.

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143*. Bismarck an König Wilhelm I., Varzin, 17. Oktober 1869

hältnisse zwischen Preußen und der Oesterreich-Ungarischen Monarchie wünsche. Er lege daher auf den Besuch des Kronprinzen am Kaiserlichen und Königlichen Hofe den größten Werth und [er]hoffe davon die erfreulichsten Folgen. Alle Nergeleien zwischen den Cabineten von Berlin und Wien hätten ihn immer betrübt, hoffentlich wären dieselben gründlich verschwunden. Selbst die Süddeutsche Frage in ihrer fortschwelenden Lage schiene ihm dazu keine Veranlassung zu geben, da nach seiner Meinung auch Oesterreich dieselbe in ihrem weiteren Verlauf ruhig den zukünftigen Eventualitäten überlassen könne, in welcher Art diese sich auch entwickeln möchten. Wenn auch der Status quo in Süddeutschland einstweilen unverändert bleibe, so sieht Graf Andrassy selbst in einem ganz geeinigten Deutschland kein Hinderniß, daß dasselbe mit der Oesterreichisch-Ungarischen Monarchie in den freundschaftlichsten Beziehungen stände. Unser Gespräch über den Kronprinzlichen Besuch brachte ihn dazu, auch dieser Ansicht Ausdruck zu geben. 142*. Aufzeichnung König Wilhelms I. Oncken, Rheinpolitik III S. 258–260. Diktat.

Gorčakov bemerkte, er habe mit Clarendon außer den europäischen Fragen auch die mittelasiatische besprochen. Dieser habe auch die Abrüstungsfrage behandelt. – König Wilhelm I. hat dazu bemerkt, bei dem preußischen Wehrsystem sei eine Abrüstung nicht möglich. – Gorčakov habe auch die republikanische Agitation in Spanien, Frankreich und Deutschland, besonders in Württemberg, angesprochen. – Graf Beust. – Die Orientalische Frage.

Baden-Baden, 16. Oktober 1869 143*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 149–151. Immediatbericht.

Die Bundestelegraphenverwaltung ist angewiesen, Telegramme, die „an den König von Hannover“ oder „an den Kurfürsten von Hessen“ gerichtet sind, nicht zu befördern. Das gilt auch für ein Telegramm, das der Großherzog von Oldenburg199 an „Ihre Majestät die Königin von Hannover“ gerichtet hat. Bitte um Einverständnis. Varzin, 17. Oktober 1869 199  Peter II. (1827–1900), Großherzog von Oldenburg 1853–1900. – Die im folgenden genannte: Marie (1818–1907), Königin von Hannover 1851–1866; sie war 1867 ihrem Gemahl, Georg V., ins Exil nach Österreich gefolgt.

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145. Bismarck an Thile, Varzin, 27. Oktober 1869

144. Thile an F.A. zu Eulenburg PA Berlin, RZ 201/5125, S. 230. Schreiben. Konzept.

[o.Nr.]

Berlin, 27. Oktober 1869

Ich bitte sehr, folgende Depesche chiffrirt an Graf Bismarck abzusenden: An Graf Bismarck, Varzin. Graf Eulenburg bittet, Folgendes zu telegraphiren: „Deputation aus dem nördlichen Schleswig will Seiner Majestät die Ihnen bekannte Adresse mit 27.000 Unterschriften überreichen. Ich meine, es ist gut, wenn nicht Seine Majestät sie empfängt, sondern ich. Würde dann die Adresse entgegennehmen und allgemeine Redensart machen. So wäre der Sache die Spitze abgebrochen, denn wenn sie nirgends empfangen werden, wollen sie nach Wien gehen.

gez. Eulenburg“ 145. Bismarck an Thile

PA Berlin, RZ 201/5125, S. 231–232. Telegramm. Entzifferung.

No. 1.

Varzin, 27. Oktober 1869, 9 Uhr - - Min. Nachm. Ankunft: 9 Uhr 40 Min. Nachm.

Für Graf Eulenburg: Meines Erachtens kann Deputation als gänzlich unlegitimirt zur Sache und nachdem Regierung in Schleswig das Vorgehen ihrer Auftraggeber als strafbar bezeichnet, weder von Seiner Majestät noch von Eurer Excellenz empfangen werden. Mangel jeder Berechtigung erhellt am klarsten daraus, daß, wenn wir uns mit Oesterreich über Aufhebung des Artikels 5200 verständigen, Niemand übrig bleibt, der alsdann noch ein Recht nach dem dem frühern Artikel des Prager Friedens ableiten könnte.

200  Artikel 5 des Prager Friedens vom 23. August 1866 bestimmte, daß „die nördlichen Distrikte von Schleswig“ darüber abstimmen könnten, mit Dänemark vereinigt zu werden. Die Abstimmungsklausel war auf französischen Druck eingefügt worden. Nach dem Berliner Kongreß wurde sie am 11. Oktober 1878 durch eine geheime deutsch-österreichische Vereinbarung aufgehoben.

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146. Radowitz an Bismarck, München, 28. Oktober 1869

146. Radowitz201 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3351, S. 355–362. Vertraulicher Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 30. Oktober 1869.

No. 61.

München, 28. Oktober 1869

Der König von Württemberg202 ist am 23. d.M. zum Besuch bei dem hiesigen Hoflager hier eingetroffen und hat München nach 3tägigem Aufenthalt wieder verlassen. Seine Majestät hat während dieser Zeit zwar das strengste Incognito bewahrt wissen wollen, welches jedoch nicht ausschloß, daß dieselbe von Seiten des Hofes mit den allergrößten Aufmerksamkeiten empfangen und in jeder Weise gefeiert wurde. Auch das Münchener Publikum widmete der Anwesenheit des Königs besonderes Interesse und begrüßte Ihn, wo Er sich öffentlich zeigte, mit lebhaften Acclamationen. Ich glaube, einige vertrauliche Informationen aus der sichersten und competentesten Quelle, welche sich auf die hiesige Anwesenheit des Königs bezieht, zu Ew. Excellenz hochgeneigter Kenntniß bringen zu sollen. Nach Allem, was ich Gelegenheit gehabt habe zu constatiren, ist das Auftreten des Königs von Württemberg keineswegs ohne eine bestimmte politische Färbung gewesen, und zwar in einem Sinne, der durchaus nicht als ein für Preußen und die allgemeinen nationalen Interessen günstiger bezeichnet werden kann. Ich will nicht behaupten, daß der König geradezu gegen Preußen agitiert habe, aber ich kann auch auf das Bestimmteste versichern, daß diejenigen Personen, welche mit Ihm Unterredungen über allgemeine oder specielle politische Fragen hatten, den Eindruck einer den gegenwärtigen Verhältnissen in Deutschland und namentlich der Ausbreitung des Preußischen Einflusses sehr abgeneigten Stimmung erhielten. Ganz besonders scheint diese auch, und zwar zur Verwunderung der Bayern, auf militairischem Gebiete hervorgetreten zu sein; ich weiß, daß z. B. General v.d. Tann203, mit dem der König sich eingehend über militairische Angelegenheiten gesprochen hat, welcher sein Erstaunen darüber an den Tag legte, wie wenig „preußenfreundlich“ Se Majestät Sich ausgedrückt hatten. 201  Joseph Maria von Radowitz (1839–1912), Legationsrat an der Gesandtschaft des Norddeutschen Bundes in München 1867 – Dezember 1869; Generalkonsul in Bukarest Dezember 1869 – 1873. 202  Karl I. (1823–1891), König von Württemberg 1864–1891. 203  Ludwig Frhr. von der Tann(-Rathsamhausen) (1815–1881), bayerischer General der Infanterie.  – Der im folgenden genannte: Ivan Petrovič Ozerov (1806–1880), russischer Gesandter in München 1864–1880. – Der dann genannte: Sigmund Frhr. von Pranckh (1827–1888), bayerischer Generalleutnant; Kriegsminister 1866–1875.

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146. Radowitz an Bismarck, München, 28. Oktober 1869

Unter den hiesigen Ministern, die der König einzeln empfing, hat ihm, wie er selbst dem Russischen Gesandten sagte, „Keiner besser gefallen als der Kriegsminister von Pranckh, mit welchem Er Sich vollkommen verständigt habe“. Das ist schon genügend; ich brauche wohl nach den Erfahrungen, welche die Preußischen Herren Mitglieder der Liquidations-Commission hier gemacht haben, kaum noch besonders zu erwähnen, daß Herr von Pranckh, trotz aller Phrasen und Scheinconcessionen, der Hauptrepräsentant des militairischen Stock-Bayernthums ist. Der andere Minister, dessen Seine Majestät mit besonderem Wohlwollen erwähnten, ist der Handels-Minister von Schlör204. Wenn auch das Ressort desselben kein unmittelbar politisches ist, so hat doch gerade in der letzten Zeit seine zweifelhafte Haltung gegenüber dem Fürsten Hohenlohe die Persönlichkeit des Herrn von Schlör zu einer so unsichern gestempelt, daß er sogar auf ultramontanen Ministerlisten mit figuriren konnte. Er wird daher keinenfalls als ein sehr energischer Vertreter der durch das Ministerium Hohenlohe angeblich dargestellten nationalen Richtung aufgetreten sein! Um so kühler, ja beinahe verletzend, hat der König den Fürsten Hohenlohe selbst behandelt. Derselbe sprach sich mir gestern in ziemlich gereiztem Tone gegen die Württembergische Majestät aus und erzählte unter anderem, der König habe, wohl wissend, daß Fürst Hohenlohe am Montage ein officielles Diner für Minister und Staatsräthe gab, mitten vom Tisch weg die Herren v. Schlör und v. Pranckh zu sich rufen lassen, obschon denselben vorher andere Stunden zur Audienz angesagt und der König von Seinem Gesandten, Herrn v. Soden205, speciell darauf aufmerksam gemacht worden. Fürst Hohenlohe betrachtete dieses als einen ihm absichtlich zugefügten Affront und erwähnte dabei, daß der König von Württemberg grundsätzlich die Familie Hohenlohe schlecht behandele, weshalb auch seine in Württemberg angesessenen Vettern nicht mehr an den dortigen Hof gingen. Was nun die persönlichen Beziehungen anlange, welche zwischen dem Könige Ludwig und seinem hohen Gaste stattgefunden, so höre ich aus der Umgebung der hiesigen Majestät, daß die beiden Monarchen anfänglich auf einem etwas steifen, zum Schlusse aber auf sehr herzlichem Fuße mit einander verkehrt haben. Der König von Württemberg hat zu dem K. Russischen Gesandten H. v. Ozeroff, den er genau kennt, Seine große Befriedigung über den Ihm von Seiten des Königs Ludwig gewordenen Empfang geäußert. Er hat ausdrücklich hervorgehoben, daß Er recht wohl wisse, es sei eigentlich die Sache des jüngeren Königs von Bayern gewesen, Ihm den ersten Besuch zu machen; Er habe sich aber doch im Interesse der gemeinschaftli204  Gustav von Schlör (1820–1883), bayerischer Minister für Handel und öffentliche Arbeiten 1866–1871. 205  Oskar Frhr. von Soden (1831–1906), württembergischer Gesandter in München 1868–1906.

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147. Mohl an Freydorf, München, 30. Oktober 1869

chen Aufgaben und Beziehungen entschlossen, Seinerseits den ersten Schritt zu thun und hier die genauere Bekanntschaft Seines hohen Nachbarn zu machen. Von der gemeinsamen Unterredung sei er sehr befriedigt; Er glaube mit dem König Ludwig über alle wesentlichen Punkte der Politik ganz einverstanden zu sein. Auch habe er dem jungen Könige einige gute Rathschläge ertheilt, die derselbe sehr gut aufgenommen, so z. B., daß er mehr sein Land kennenlernen, in demselben Rundreisen machen und dem Volke sich zeigen müsse. Fürst Hohenlohe glaubt nicht, daß wirklich eingehende politische Besprechungen zwischen den beiden Monarchen stattgefunden haben, hält aber allerdings für den Zweck des Württembergischen Besuches, eine nähere politische Entente der beiden süddeutschen Königreiche einzuleiten. Für die Richtung, in welcher diese engere Verständigung württembergischer Seits gewünscht zu werden scheint, giebt das Auftreten des Königs die Anhaltspunkte. 147. Mohl an Freydorf PA Berlin, RZ 201/2701, S. 339–345. Bericht. Abschrift. Praes. (im AA): 3. November 1869.

[o.Nr.]

München, 30. Oktober 1869

Ich206 habe mich selbstverständlich bemüht, über den Zweck u. das Ergebniß der jüngsten Anwesenheit S.M. des Königs von Württemberg in München zuverlässige Nachrichten einzuziehen. Es hatte dies freilich die eigenthümliche Schwierigkeit, daß die beiden Monarchen immer ganz ohne Zeugen zusammen waren, somit von dem Gegenstande ihrer Unterhaltungen nur das bekannt sein k a n n , was sie selbst mitzutheilen für gut fanden u. was von den damit Betrauten weiter gesagt wird. Eine kritische Sichtung des Gehörten läßt mich denn aber Nachstehendes als wenigstens relativ richtig annehmen. Ueber die Absichten des Königs von Württemberg scheint kein gegründeter Zweifel vorzuliegen. Er sprach sich gegen verschiedene Personen unverholen [!] dahin aus: Der Zweck seines Hierherkommens sei nicht der Besuch der Kunstausstellung, sondern ein politischer. Allerdings hätte er einen Besuch des Königs von Bayern erwarten können; er sei jedoch auf der Etiquette nicht bestanden, da er wisse, wie schwer der junge Herr ein Heraustreten aus

206  Robert von Mohl (1799–1875), Staatsrechtslehrer; badischer Gesandter in München 1866–1871. – Der anschließend genannte: Rudolph von Freydorf (1819– 1882), badischer Minister des Äußern 1866–1871.

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seiner Zurückgezogenheit nehme u. er ihm doch seine eigenen Erfahrungen u. Ansichten habe mittheilen wollen. Ueber die Gegenstände dieser Mittheilungen liegen denn freilich noch keine klaren u. zuverlässigen Nachrichten vor; doch hat es wenigstens viele innere Wahrscheinlichkeit, was ich theils von Frh. v. Soden, theils von anderen Seiten hörte. Es habe sich nämlich die politische Unterhaltung um zweierlei gedreht. Einmal habe König Karl auf ein vollkommenes Unterlassen jeder weiteren Annäherung an Preußen gedrungen, zu dem Zwecke aber sich einerseits entschieden gegen den Fürsten Hohenlohe ausgesprochen u. zu dessen Entfernung gerathen; andererseits namentlich gegen weitere Veränderungen im Militair nach preuß. System gesprochen u. den Kriegsminister von Pranckh sehr hochgestellt. Zweitens habe er S.M. von Bayern an das Herz gelegt, daß er doch aus seiner Isolirung heraustreten u. sich seinem Volke nähern möge. Er könne ihm nicht verhehlen, daß seine Popularität entschieden Noth leide. Er gebe gern zu, daß es kein Vergnügen sei, Eisenbahnen zu eröffnen u. dergl. oder sich mit Menschen zu unterhalten, für welche man keine Sympathien oder kein Interesse habe; allein es sei dies eben nothwendig. Er dürfe sich auf seine eigene Erfahrung berufen. Als er auf den Thron gekommen, sei er systematisch verläumdet gewesen, u. es habe ihn viel Mühe gekostet, bis er sich allmälig seine jetzige Popularität erworben habe. Befragt von mir (freilich nicht mit der Hoffnung einer unbedingt zuverlässigen Antwort), ob denn etwa bestimmte Verabredungen getroffen worden seien? antwortete mir Frh. v. Soden sehr lebhaft: Davon sei keine Rede; es habe sich nur von dem Austausche persönlicher Ansichten gehandelt u. von der Gründung näherer freundschaftlicher Beziehungen. Von der Aufnahme dieser Ermahnungen von Seiten König Ludwigs wird nichts Sicheres berichtet; nur ist mir aus sicherer Quelle zu Ohren gekommen, S.M. habe gegen den gegenwärtigen provisorischen Cabinetssecretair Eisenhardt207 geäußert: Es seien ihm vom Könige von Württemberg viele Dinge gesagt worden, welche er sonst von Niemandem ertragen hätte, allein es sei alles höchst freundlich u. gutmüthig gemeint gewesen, daß er es nicht habe übel nehmen können, u. Manches möge auch ganz richtig sein. Dafür daß die persönlichen Besprechungen zum mindesten keinen ungünstigen Eindruck gemacht haben, spricht übrigens der Umstand, daß König Ludwig sich bis zum letzten Augenblicke in Aufmerksamkeiten gegen seinen Gast erschöpfte u. daß auch, wie ich höre, seit der Abreise die freundlichsten Telegramme gewechselt werden. Wie es sich aber mit dem persönlichen Verkehr der beiden Monarchen verhalten mag, jedenfalls liegt offen zu Tage, daß S.M. von Württemberg 207  Johann August von Eisenhart (1826–1905), Kabinettssekretär Ludwigs II. 1869–1876.

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seine Abneigung gegen den Fürsten Hohenlohe geflissentlich gezeigt hat. Nicht nur bildet sein Verhalten in dieser Beziehung das allgemeine Tagesgespräch, sondern es macht selbst Frh. v. Völderndorff208 gar kein Geheimniß daraus gegen mich. Der König sei sehr trocken u. wenig verbindlich gewesen gegen den Fürsten, habe ein ihm von demselben angebotenes Fest in gleicher Weise abgelehnt und sich überhaupt gegen Jedermann ganz ungenirt wider dessen angebliche Neigung zur Annäherung an den Nordd. Bund ausgesprochen, während doch die einzige richtige Politik der süddeutschen Staaten nur ein absolutes Abwarten der Ereignisse sein könne. Auch der Russische Gesandte v. Ozeroff theilt mir mit, daß nach seinen Nachrichten der König von Württemberg sehr gegen den Fürsten von Hohenlohe zu wirken gesucht habe; u. Frh. v. Soden erzählte mir sogar gelegentlich, sein König habe ihn gefragt, wer denn wohl der Nachfolger des Fürsten v. Hohenlohe sein könnte? Endlich dürfte noch die Verleihung der Württembergischen Krone209 an den Prinzen Luitpold kaum in einem anderen Sinne als in dem einer zur Schau getragenen Feindseligkeit gegen die Politik des Fürsten aufzufassen sein, da dieser Prinz bekanntlich der Hauptgegner des Premier-Ministers u. der eifrigste Verfechter einer Verbindung mit Oesterreich u. einer Lostrennung von Preußen ist. Ich habe nicht erst zu bemerken, daß diese verschiedenen Thatsachen u. Gerüchte der Gegenstand der allgemeinsten Besprechungen u. Vermuthungen sind und daß man sehr darauf gespannt ist, einen thatsächlichen Beweis zu erhalten, ob die angenehme persönliche Berührung u. die unmittelbare freundliche Aufnahme des unerbetenen Rathes auch nachhaltige Folgen haben wird. Als die wohl zunächst eintretende Probe wird die Besetzung der jetzt erledigten Stelle des Cabinetschefs betrachtet. Sollte der gegenwärtige Verweser, so meint man, ernannt werden, so wäre dies ein ziemlich sicherer Beweis, daß alles beim Alten bliebe, während eine Besetzung in oesterr. u. ultramontanem Sinne dagegen dem Fürsten von Hohenlohe das Verbleiben im Amte schon wegen der dann zu erwartenden täglichen Reibungen u. Zurückweisungen seiner Anträge unmöglich machen müßte. Bis jetzt verlautet noch gar nichts hierüber; allein lange kann die in der hiesigen Organisation u. bei den Gewohnheiten des Königs so höchst wichtige Stelle unmöglich erledigt bleiben.

208  Otto Frhr. von Völderndorff und Waradein (1825–1899), Ministerrat im bayerischen Ministerium des Äußern 1867–1895. 209  Orden der Württembergischen Krone, Zivil- und Militärverdienstorden, gestiftet 1817. – Der im folgenden genannte: Luitpold (1821–1912), Prinz von Bayern; Onkel Ludwigs II.; seit 1886 Prinzregent.

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148. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I., 30. Oktober 1869

148. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/60, S. 364–376. Handschreiben. Abschrift.

[o.Nr.]

An Bord Ewr. Majestät Schiff Hertha, 30. Oktober 1869

Euerer Königlichen Majestät beehre ich mich, über meinen Aufenthalt in Constantinopel allerunterthänigst zu berichten, wie derselbe nach allen Richtungen hin einer der reichsten gewesen ist, den man erleben kann210. Wie großartig schön die Natur sich hier entfaltet, ist bekannt, wie voll das Weltleben sich hier zeigt, ergiebt die Lage an der einzigen Verbindungsstraße zweier großer für den Handel wichtigen Meere; wie eigenthümlich und mannigfaltig das innere Treiben, erklärt sich aus dem Umstande, daß hier der Centralpunkt dreier Welttheile und der allerverschiedensten Menschenracen sich befindet. Wie prächtig endlich grade meine Existenz hier gewesen, folgert daraus, daß ich der Gast des Sultans gewesen, in welchem allein sich alle Macht und alle Reichthümer concentriren, und daß er die letzteren zumal in einer Fülle zur Schau trägt, in Bauten, Einrichtungen u.s.w. zum Ausdruck bringt, welche den Maaßstab einer geordneten Wirtschaftlichkeit nicht vertragen. Der Sultan gehört zu jenen Monarchen, welche die Größe ihrer Stellung in der Pracht ihrer Existenz und in den Zeichen tiefster Unterthänigkeit ihrer Umgebungen suchen. Die wirkliche Macht gehört dem den Verhältnissen näherstehenden Großvezier211. – Der Sultan ist ein Freund des Fortschritts; er glaubt den letzteren zum Ausdruck zu bringen, indem er sich selbst, seine Umgebungen und seine Genüsse französisirt. Paris liefert ihm Alles, was er braucht. Das Komischste in dieser Art ist, daß der Sultan sich eine Garnitur der elegantesten Stadtwagen hat aus Paris kommen lassen, daß die Straßen Constantinopels aber nicht gestatten, damit zu fahren. Für den Luxus seines Privatlebens kennt der Sultan keine Grenzen, und oft genug sollen die Kaiserlichen Kassen so erschöpft sein, daß zur Deckung der allergewöhnlichsten Bedürfnisse die einzelnen bei der städtischen Thorsteuer eingehenden Rollen abgeholt werden. Die ganze Macht des Staates concentrirt sich im Großvezier. Er ist der einzige Mensch, welcher einen positiven Willen hat und Alles entscheiden muß. Als Belag [= Beleg] hierfür will ich erwähnen, einmal daß der Groß­ vezier nicht nur das ganze Ceremoniell, sondern auch die Art meiner Küche u.s.w. während meines Aufenthaltes bestimmt hatte, dann aber, daß, als ich 210  Dieser Bericht und die weiter noch folgenden ergänzen das Tagebuch seiner Orientreise; sie sind nicht mit ihm identisch. Vgl. Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 36–37. 211  Aali Pascha.

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mich für zwei im Avancement zurückgebliebene der in der Türkischen Armee als Instructeure befindlichen Preußen verwenden wollte, man mich an den Großvezier verwies, weil der Kriegsminister212 gar nichts thun könne. Der einzige Regulator der Macht, der Großvezier, ist der, daß jene keinen Tag sicher ihres Amtes sind, sondern plötzlich in Ungnade gefallen, vollständig von der Bühne verschwinden. Sie benutzen die Zeit ihrer Macht daher mehr dazu, sich ein Vermögen zu sammeln, als Ruhm und Anerkennung zu erwerben. Man behauptet, daß die Aegyptische Frage in Constantinopel gern offen gehalten wird, weil sie die Gelegenheit ist, vom Vice-König Geld zu erpressen. Der jetzige Großvezier wünscht ebenfalls Reformen und eine kräftigere Entwickelung der Industrie; da aber die Grundlage der Türkischen Herrschaft die Beherrschung der verschiedensten Nationalitäten und Religionen durch die Türken und Mohamedaner ist, so kann nirgends die Freiheit gewährt werden, welche zur Entwickelung schaffender Individuen nothwendig ist. – Daß die Türkische Herrschaft langsam zu Grunde geht, ist ohne Zweifel, da die Türken sich alljährlich vermindern, während die Christen sich vermehren, und da mit dieser Verminderung das Gefühl der Sicherheit und auch die Energie des Charakters der Türken abnimmt. Es ist heute schon merkwürdig, wie jeder Türke, mit dem man spricht, über die Zustände die bitterste Kritik ausübt, aber keiner einen Weg anzugeben versucht, wie reell zu helfen sei. Man begnügt sich, die Nachahmung des Westens vorzuschlagen, ohne Glauben an den Erfolg zu haben. Daß der Fall der Türkei schon nahe, möchte man nicht glauben, wenn man ihre Truppen sieht. Ich habe 12 Bataillone Infanterie, 1 Regiment Cavallerie und 2 Regimenter Artillerie gesehen. Durchgehends schöne, große und kräftige Leute, mit einer gewissen Intelligenz des Ausdrucks. So ansprechend die Leute aussehen, so unangenehm fielen zwischen ihnen die Officiere aus. – Stumpfe, abgelebte Menschen, viele, zumal die höheren Officiere, sehr starken Leibes. Die Lieutenants gehen aus dem Unterofficierstande hervor, die Hauptleute werden zwei durch Anciennität, einer durch Wahl befördert. Zu Stabsofficieren beruft nur die Gnade, und alles fernere Avancement ist auf Protection gegründet. Die Truppen waren überall, wo ich sie gesehen, sehr gut bekleidet und sahen kräftig genährt aus. Der jetzige Sultan hat mit Ausnahme der Officiere wieder die alte Türkische Tracht eingeführt. Man ist aber allgemein nicht damit einverstanden; die Truppen in Creta sollen sogar während des Krieges213 sich die Hosen selbst enger und geschlitzt gemacht haben. Die Infanterie bewegte sich ganz leidlich in der Cadence von 118 in der Minute, aber mit kleinen Schritten. Die Artillerie ist ganz nach Preußischem Reglement ausgebildet und exercirte ganz gut, hatte auch ein vortreffliches 212  Mütercim Mehmed Rüşdi Pascha (1811–1882), türkischer Kriegsminister 1851–1869; fünfmal Großwesir. 213  Zwischen 1866 und Anfang 1869.

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Material an Pferden. Höchst mangelhaft war die Cavallerie, sowohl in ihrer Bewegung als in Ausbildung, Ausrüstung und zumal in Pferden. Casernen und Stallungen sind nach allen Richtungen hin nur Massenquartiere zu nennen. – Für die Hebung des Offizier-Corps ist in der Neuzeit durch Vermehrung der Militairschulen etwas geschehen. Ob hinreichend, kann ich nicht beurtheilen. – Die Leute haben eine fünfjährige Dienstpflicht. Im Fall eines Krieges soll man nicht im Stande sein, mehr als 80.000 Mann aufzustellen. Die Infanterie ist durchgängig mit Snider-Gewehren214 ausgerüstet. Die Artillerie hat Krupp’sche Hinterlader, ist aber im Uebergang zu einem anderen, noch nicht bestimmten System begriffen. An der Spitze der gesammten Artillerie steht nämlich ein Pascha, welcher als Arbeiter Studien in England gemacht hat und die Artillerie mehr als Arbeiter-Etablissement denn als eine Waffe ansieht. Er hat die Fabrication aller Kleidung, Ausrüstung, Waffen und Munition für das Türkische Reich in Constantinopel concentrirt. Ich habe diese Werkstätte besichtigt und bin dabei von einer Schmiede, daneben in eine Holzwerkstätte, darüber in eine Schneiderstube, zu den Schustern, Patronenfabriken, Kugelgießereien, Laboratorien u.s.w. gegangen. Ebenso bunt wie diese einzelnen Werkstätten lagen, ebenso bunt war der Charakter der einzelnen Maschinen. Hier stand das Kind der neuesten Industrie unmittelbar neben der ursprünglichsten Maschine längstvergangener Zeiten. Man bearbeitete Metall mit der Hand, während nebenan Holz mit Maschinen behandelt wurde; und die das ganze treibende Dampfmaschine war von so geringer Kraft, daß die Werkzeuge nicht voll zur Geltung gebracht werden konnten. Soldaten waren die Handwerker; sie wechseln zu häufig, um routinirt zu werden. Das Spaßhafte war, daß man Kugeln zu Geschützen anfertigte, welche noch nicht existirten. Der gute Pascha soll, um dieses Etablissement auch ferner sich zu erhalten, aus seinen Nebenverdiensten dabei alljährlich große Summen an die betreffenden Herren im Kriegs-Ministerium bezahlen. Nirgends überhaupt ist die Verwaltung so concentrirt wie hier in der Türkei, weil jede Verwaltung nur eine Geldquelle des an der Spitze Stehenden ist und die Minister sowohl die Staatskasse als auch ihren eigenen Beutel dadurch am Bequemsten füllen, daß sie mit einzelnen Menschen zu thun haben. So wird die Willkür systematisch groß gezogen und erhalten. Bei einer Fahrt mit dem Sultan über das Weichbild der Stadt hinaus wurde mir auch ein Blick in die nächste Umgegend von Constantinopel. Dicht am Wege zogen sich Felder hin, darüber hinaus, soweit das Auge reicht, sah man nichts als Oede. Es liegt in der letzteren entschieden ein besseres Vertheidigungsmittel der Stadt gegen die Annäherung eines Landheeres als in den ganz in Verfall gerathenen Umwallungen. Die letzteren zeigen in ihren Rui214  Jacob Snider (1811–1866), amerikanischer Erfinder; sein Hinterladegewehr wurde zuerst in der englischen Armee (1866) eingeführt.

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nen ein Bild des ganzen Türkischen Reichs. Großartig und fest angelegte Fundamente, deren Zerstörung nicht äußere Gewalt, sondern die Zeit übernommen hat. In diesem langsamen Proceß wird immer mehr und mehr die hiesige Diplomatie eine Rolle spielen und deshalb Ew. Königl. Majestät Vertretung hier immer wichtiger werden. Ich glaube, daß Graf Keyserling der Stellung wohlgewachsen ist, und möchte hier nur noch einmal darauf hinweisen, daß zur Wahrung der Stellung ein geeigneteres Gesandtschafts-Gebäude nothwendig sein dürfte als die jetzige Holzbaracke, welche in ihrem ganzen Bestande mehr einem untergehenden als einem aufstrebenden Staate correspondirt. Von großer Bedeutung für die Vertretung hier sind die Dragomans, welche ganz allein im ununterbrochenen Verkehr mit dem Türkischen Ministerium stehen. Der zur Zeit fungirende erste Dragoman Dr. Busch215 hat mir sehr wohlgefallen, und ich glaube, es würde im Interesse der Sache sein, wenn man ihm wie bei den Gesandtschaften der anderen Mächte einen positiven Range verliehe. In Betreff der Politik will ich noch bemerken, daß mir hier von anderer Seite die Ansicht ausgesprochen worden ist, der für die Vertheidigung unserer Nordsee-Küste und für die Entwickelung unserer Marine so wichtige Punkt Helgoland ließe sich vielleicht von den Engländern erlangen, wenn man bei den sich in Constantinopel immer mehr spannenden Fragen, z. B. jetzt schon bei Behandlung des Aufsichtsrechts über den Suez-Canal, dafür England hier die Unterstützung seiner Wünsche verspreche. Helgoland verursacht England alljährlich eine Ausgabe von 4.000 Pfund St. Bei Besuch der Protestantisch-deutschen Schule, Kirche und Krankenhaus habe ich meine Freude über die gute Fundirung des Ganzen aussprechen können. Der Prediger216 aber gilt für einen gemeinschädlichen Zeloten. In Betreff der Gewinnung für eine Protestantische Kirche in Jerusalem habe ich bei dem Großvezier sehr viel Entgegenkommen gefunden; ich hoffe in Jaffa bei meiner Landung telegraphisch die Nachricht zu finden, daß ich selbst in Jerusalem in Ew. Königl. Majestät Namen von dem besprochenen Grundstück Besitz ergreifen kann. Noch ehe dieser Bericht bei Ew. Majestät eintrifft, werde ich darüber telegraphische Meldung gemacht haben. Schriftlichen Bericht behalte ich [mir] von Jerusalem aus vor.

215  Clemens August Busch (1834–1895), Erster Dolmetscher an der preußischen (1871 deutschen) Gesandtschaft in Konstantinopel 1867–1872. 216  Carl Hofmann (1836–1903), protestantischer Pfarrer in Jerusalem 1866–1869; Sohn des Berliner Dompredigers Wilhelm Hofmann. – Zum folgenden: Auf dem Grundstück in Jerusalem, das der Sultan 1869 dem preußischen Staat schenkte, wurde hernach die Erlöserkirche erbaut, die 1898 eingeweiht wurde. – Vgl. Carmel, Palästina-Chronik S. 114–117. Ferner unten Nr. 153.

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149. Reuß an König Wilhelm I., St. Petersburg, 31. Oktober 1869

149. Reuß an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/9866, S. 84–90. Ganz vertraulicher Immediatbericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 3. November 1869.

No. 125.

St. Petersburg, 31. Oktober 1869 Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König! Allergnädigster König und Herr!

Seine Majestät der Kaiser Alexander hatte die Gnade, gestern vor der Jagd mich in Sein Cabinet zu rufen und ein Gespräch mit mir anzuknüpfen. Vor allem Andern erkundigte sich der Kaiser sehr angelegentlich darnach, wie ich Euere Majestät verlassen hätte, und war erfreut, als ich Ihm die besten Nachrichten geben konnte. Er trug mir auf, Euerer Majestät nochmals für die Aufnahme Allerhöchstseines Bruders217 und der anderen Offiziere zu danken, welche nicht genug von demjenigen zu erzählen wüßten, was sie bei den Manövern in Preußen gesehen hätten. Hierauf sprach mir der Kaiser von der Reise des Kaisers Franz Joseph nach dem Orient. Er hatte soeben das oesterreichische Circular218 über diese Reise gelesen und sagte: qui s’excuse s’accuse! Die Gründe, welche für diesen unerklärlichen Entschluß angeführt würden, seien rein lächerlich, während der wahre Grund, nämlich der, der Reise des Kronprinzen ein paroli zu bieten, natürlich verschwiegen würde. So gereizt der Kaiser über diese Reise des oesterreichischen Monarchen zu sein schien, so anerkennend sprach er sich darüber aus, daß Eure Majestät versucht hätten, durch die sich ganz natürlich darbietende Gelegenheit des Kronprinzlichen Besuches die Hand zu freundlicheren Beziehungen zwischen Euerer Majestät und dem Wiener Hofe zu bieten. Auch Er würde sehr gerne wieder in ein besseres Verhältniß mit jenem Hofe treten; von Ihm, das wisse Jedermann, sei die Brouille niemals weder gewünscht noch herbeigeführt worden, und Er beklage das bestehende Verhältniß. Er könne aber, solange Graf Beust dort Minister sei, nicht auf eine Besserung hoffen, da man mit diesem Staatsmann niemals wisse, woran man wäre. Dieser habe zwar dem Fürsten Gortschakoff die freundschaftlichsten Versicherungen gemacht und gesagt, abgesehen davon, daß er persönlich den Kanzler zu sprechen gewünscht, so habe ihm der Kaiser, sein Herr, den bestimmten Befehl ertheilt, diesen aufzusuchen. „Das sind gewiß freundschaftliche Demarschen“, setzte der Kaiser hinzu, „die ich auch gern anerkennen will, aber trauen kann ich den Leuten doch 217  Konstantin

Nikolaevič (1827–1892), Großfürst; Großadmiral. 23. Oktober 1869. Text: Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern 4 (1870) S. 47. 218  Vom

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nicht. Es ist auch möglich, daß diesen Annäherungsversuchen etwas anderes zu Grunde liegt als reine Freundschaft. Frankreich, auf welches sich Oesterreich als auf seine sicherste Stütze bisher anzulehnen gewöhnt hatte, scheint ihm keine rechte Sicherheit mehr zu bieten, und dürfte es daher für den Wiener Hof angezeigt sein, wieder anderwärts Beziehungen anzuknüpfen.“ Ueber die Zustände in Frankreich äußerte sich der Kaiser besorgt. Er meinte, daß die revolutionären Tendenzen dort in demselben Maaße zu wachsen anfingen, als die kaiserl. Macht abzunehmen schien. Man sage zwar, die Armee sei dem Kaiser ergeben; dasselbe habe man aber auch von der Französischen Armee im Jahre 1848 gesagt, wo die regierende Familie in der Armee durch den sehr beliebten Prinzen viel populärer gewesen sei als der jetzige219. Der Ausbruch einer revolutionären Bewegung in Frankreich würde aber unausbleiblich einen Rückstoß auf die Monarchien des übrigen Europa’s ausüben, und man müsse nicht vergessen, daß heute die Umsturzpartei weit besser organisirt sei als im Jahre 1848. Ich erlaubte mir, dem Kaiser zu erwidern, daß ich diese Besorgniß nicht ganz zu theilen vermöge. Wenn die Umsturzpartei heute besser organisirt und mächtiger sei wie damals, so fände sie auch eine besser organisirte conservative Parthei vor, die leider sich im Jahre 1848 ihre Niederlage theilweis selbst zuzuschreiben gehabt habe, weil sie in Ueberschätzung der Macht des Bestehenden nicht wachsam genug der Zeitbewegung gefolgt und nicht auf ihrer Hut gewesen sei. Auch begegnete die Revolution in dem gekräftigten Deutschland einem ganz anderen Wall wie damals, wo sie in den schwachen u. unzusammenhängenden Deutschen Kleinstaaten ein fruchtbares Feld für ihre Arbeit gefunden hatte. Ein solches Zusammenhalten der alten Monarchien sei aber gewiß das beste Mittel, einer etwaigen von Frankreich ausgehenden revolutionären Bewegung wirksam entgegenzutreten. Ich könne dem Kaiser auf’s Neue versichern, daß es der entschiedene Wille Ew.K. Majestät wie Allerhöchstdero Cabinet sei, in allen wichtigen Fragen der Europäischen Politik sich im Einverständnisse mit dem Kaiserl. Hofe zu befinden, und daß Ew. Majestät überzeugt seien, hier fortdauernd derselben Offenheit zu begegnen, von welcher Allerhöchstdieselben dem Kaiser gegenüber niemals abgegangen seien. Der Kaiser antwortete mir: „Sie wissen, ja, wie ich hierüber denke.“

219  Gemeint sind: 1. Louis Philíppe Albert d’Orléans (1838–1894), Graf von Paris; Enkel des Königs Louis Philippe; er war seit dem Tod seines Vaters in der Position des designierten Nachfolgers (Prince Royal); 2. Napoléon Eugène Louis Bonaparte (1856–1879), Sohn Napoleons III. und der Kaiserin Eugénie; Prinz von Frankreich (Prince Impérial).

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150. Katte an Bismarck, London, 1. November 1869

Seine Majestät sprachen mir hierauf noch von der Ernennung des General[s] Fleury220 zum Französischen Botschafter. Er sagte, er verstände nicht recht, warum man Ihm gerade diese Persönlichkeit schicke; Er könne sich diese Mission nur so erklären, daß Fleury, qui est un fin renard, nicht mehr viel Vertrauen in die Solidität des Kaiserlichen Thrones habe und einer Katastrophe lieber vom Auslande aus zusehen, als daran persönlich Theil nehmen möchte. Aus diesen wenigen Worten kann man wohl den Schluß ziehen, daß der neue Botschafter nicht gerade mit hervorragendem Vertrauen von Seiner Majestät dem Kaiser angesehen werden wird. Ich darf annehmen, daß Seine Majestät mir dies mit Absicht zu verstehen gegeben hat. In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich Euerer Königlichen Majestät 150. Katte an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6160, S. 114–118. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 4. November 1869.

[o.Nr.]

London, 1. November 1869

Als ich221 mich heute bei Lord Clarendon befand, um ihn der mir im Erlaß vom 27n v.Mts. ertheilten Anweisung zufolge zu bitten, mir die Antwort mitzutheilen, welche Englischerseits auf die von Oesterreich angeregte Frage der Anerkennung der neuen Rumänischen Flagge ertheilt worden sei, lenkte der Minister das Gespräch auf die durchaus friedliche Strömung, welche jetzt in den großen Europäischen Cabinetten herrsche. Er hob hierbei hervor, wie völlig er von den friedlichen Intentionen der Königlichen Regierung überzeugt sei und wie er glaube, daß dieselbe weit davon entfernt sei, einen Druck auf Süddeutschland ausüben zu wollen, um es zum Eintritt in den Norddeutschen Bund zu veranlassen. Ein solcher Eintritt liege auch, seiner Meinung nach, zur Zeit gar nicht in unserem Interesse, denn durch die mit demselben verbundene Zuführung des ultramontanen und süddeutsch-liberalen Elements würden die bestehenden Schwierigkeiten der Assimilirung nur vermehrt werden. Sei aber, fuhr der Minister fort, eine auf die Einfügung des Südens in den Norddeutschen Bund gerichtete Tendenz bei letzterem nicht vorhanden, so bestehe auch keine Gefahr, daß Norddeutschland mit Frank220  Émile Félix comte Fleury (1815–1884), französischer General; Erster Stallmeister (1866 Oberster Stallmeister) 1862–1869; Botschafter in St. Petersburg Oktober 1869 – September 1870. – Seine Erinnerungen über seine Rußlandmission sind nicht allzu ergiebig: Fleury, La France et la Russie. 221  Friedrich von Katte (1827–1874), Legationssekretär (1863 Legationsrat) an der preußischen Gesandtschaft in London 1862 – Oktober 1869.

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150. Katte an Bismarck, London, 1. November 1869

reich in Collision gerathe. Hierüber habe sich der Kaiser Napoléon gegen ihn bei seiner jüngsten, im verflossenen September stattgehabten Anwesenheit in Paris sehr offen ausgesprochen. Der Kaiser habe geäußert, er wolle den Krieg mit Preußen nicht, und er glaube, daß, wenn Preußen Süddeutschland nicht in den Norddeutschen Bund hineinziehe, er im Stande sein werde, die in Frankreich noch vorhandene kriegerische Stimmung gegen Preußen niederzuhalten; daß, sollte jedoch Preußen die Einverleibung Süddeutschlands in den Norddeutschen Bund in’s Werk setzen, „alors“, dies seien die ipsissima verba des Kaisers Napoleón gewesen, „les canons partiraient d’euxmêmes.“ Lord Clarendon bemerkte sodann, daß eine Einfügung Badens in den Norddeutschen Bund die Gemüther der Franzosen vorzugsweise aufregen und den Kaiser Napoléon zum Kriege treiben würde. Baden sei Frankreich benachbart, und eine Nachbarschaft mit einem so mächtigen Körper wie der Norddeutsche Bund würde für die leicht empfindlichen Franzosen einen unerträglichen Zustand bilden. Jedoch glaube er entschieden nicht an eine Eroberungslust auf Seiten Frankreichs. Die Zeiten der Eroberungskriege seien vorüber, Eroberungsgedanken passen nicht mehr für unsere Epoche, sie seien nicht mehr, wie Lord Clarendon sich ausdrückte, „à la mode“, und so gut, wie es eine Mode in den Kleidern gebe, welche sich verändern, ebenso gut gebe es eine Mode in den allgemeinen Ideen, welche dem Wechsel unterworfen sei. Ich erwiederte dem Staatssecretair für die auswärtigen Angelegenheiten, daß ich glaube, ihm versichern zu können, daß auf Einverleibung des Südens von Deutschland in den Nordbund gerichtete Bestrebungen uns zur Zeit sehr fern liegen [= lägen] und daß ich seine desfallsige bereits ausgesprochene und oben von mir wiedergegebene Ueberzeugung nur befestigen könne. Lord Clarendon sprach mir ferner mit lauter Anerkennung von der großen Offenheit und Freimüthigkeit, mit welcher Seine Majestät der König, unser Allergnädigster Herr, Allerhöchstsich im vergangenen Sommer gegen ihn geäußert habe. Seine Majestät habe bemerkt, daß der Einheitszug in unverkennbarer Weise sich in Deutschland zeige, daß es aber der Zeit überlassen bleiben müsse, dieses Streben zur Realisation zu bringen. Auch Lord Clarendon glaubt an die endliche Unification Deutschlands, sieht sie jedoch noch in weiter Ferne; denn er bemerkte ausdrücklich, daß weder er noch sein Sohn222 sie erleben werde. Ich hatte bei dieser ganzen einen sehr vertraulichen Charakter tragenden Unterredung den Eindruck, daß Lord Clarendon jetzt viel wohlwollender gegen Preußen gestimmt ist als früher, und dieser Eindruck befestigte sich 222  Edward Hyde Villiers, 5th Earl of Clarendon (1846–1914), ältester (überlebender) Sohn Clarendons.

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151. Promemoria Thiles, Berlin, 3. November 1869

noch besonders durch die Schlußbemerkung des Ministers, daß die vollen­ deten Thatsachen des Jahres 1866 jetzt von allen Theilen anerkannt werden [= würden] und die Geschlagenen sich als Geschlagene betrachten müßten. 151. Promemoria Thiles PA Berlin, RZ 201/7567, S. 463–467. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 4. November 1869.

Berlin, 3. November 1869 Der königliche Gesandte v. Arnim hat wiederholt bemerkt, daß er die der königl. Gesandtschaft in Rom während des Concils zufallende Aufgabe der Beobachtung nur dann erfüllen könne, wenn ihm in der Zutheilung eines zuverläßigen und einsichtigen katholischen Theologen oder Geistlichen ein Mittel gegeben werde, mit den Bischöfen in Verbindung zu bleiben und genauere Kenntniß über den Gang der Verhandlungen sowie über die Bedeutung der einzelnen Vorkommnisse zu erlangen. Er hat für diesen Zweck auf den Münsterschen Domherrn Gise223 hingewiesen, der ihm aus früherem Aufenthalt in Rom persönlich bekannt sei und den er für die Regierung ergeben und im besten Sinne von freieren und höheren Ansichten beseelt halte, während er zugleich nicht nur kirchlich unangefochten, sondern beliebt und angesehen sei. Se. Majestät der König hat sich bei meinem mündlichen Vortrage hiermit vollständig einverstanden erklärt. Der Herr Minister von Mühler stimmt den Wünschen des Hrn. v. Arnim sowohl im Princip, als [auch] was die Person betrifft, vollkommen bei. Er hält das Verbindungsglied einer solchen Persönlichkeit den Bischöfen gegenüber ebenfalls für nothwendig. Ueber den Domherrn Gise hat er bereits Erkundigungen eingezogen und findet die Angaben des Hrn. v. Arnim durchaus bestätigt. Gise ist von guter Westphälischer Familie und hat gute Verbindungen. Er ist bereit, an den letzteren durch den Ober-Präsidenten v. Duesberg224 eine Anfrage gelangen zu lassen, ob er den Auftrag übernehmen würde, in freier Form der Gesandtschaft behufs Information und Beurtheilung der kirchlichen Verhältnisse, einstweilen für den Winter, beigegeben zu werden.

223  Joseph Giese (1827–1914), Domkapitular zu Münster 1867–1871. – Giese nahm das Angebot nicht an; Arnim bekam dafür als Ersatz Professor Thiel aus Braunsberg. Vgl. unten Nr. 192. 224  Franz von Duesberg (1793–1871), Oberpräsident der Provinz Westfalen 1850– 1871.

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153. Alten an Bismarck, Jerusalem, 9. November 1869

Zu diesem Behufe wünscht der Hr. Minister v. Mühler, daß Seitens des Königlichen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten ein Schreiben an ihn gerichtet werde, worin der Wunsch nach Beiordnung einer solchen Persönlichkeit ausgesprochen und er um seine Vermittelung zu ersuchen sein würde.a a

Auf S. 463 folgender Randvermerk von Buchers Hand vom 5. November 1869: Des Herrn Chefs Excellenz ist einverstanden und bittet, das Schreiben an den H. Cultusminister zu entwerfen und ihm vorzulegen. Zugleich wünscht er, daß Herr v. Arnim und Rom nicht den Eindruck empfangen oder bewahren mögen, daß wir dem Concil eine Wichtigkeit beilegten. Beiden dürfe kein Zweifel darüber gelassen werden, daß wir in der Gesetzgebung die Mittel besitzen, nicht nur Uebergriffe abzuwehren, sondern auch uns eine freiere Stellung gegenüber der katholischen Kirche zu verschaffen.

152. Thile an Keyserling PA Berlin, R 201/60, S. 352. Telegramm in claris. Abschrift.

[o. Nr.]

Berlin, le 9 Novembre 1869

Sa Majesté Vous ordonne d’exprimer à Sa Majesté le Sultan Sa plus vive gratitude pour la réception aussi magnifique que cordiale de Son Fils le Prince Royal, qui L’a profondément touchée; et Sa reconnaissance pour la preuve d’amitié que S.M. le Sultan Lui a donnée en Lui faisant cadeau d’un terrain à Jérusalem si plein de souvenirs historiques. 153. Alten an Bismarck PA Berlin, RZ 201/60, S. 380–389. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. November 1869.

No. 14,843.

Jerusalem, 9. November 1869

Hochgeborener Graf, Hochzuverehrender Herr Bundeskanzler! Ew. Excellenz habe ich225 gehorsamst zu berichten, daß S.K. Hoheit der Kronprinz am Donnerstage d. 4. d.Mts. Seinen feierlichen Einzug in Jerusalem gehalten, und, nachdem Er am Sonntag Nachmittags die heilige Stadt wieder verlassen hatte, Sich gestern Abend in Jaffa nach Beirut eingeschifft

225  Georg von Alten (1815–1882), Konsul (Charakter als Generalkonsul) des Norddeutschen Bundes (1871 Deutschlands) in Jerusalem 1869–1873. – Zum folgenden vgl. auch ausführlich: Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 38–51.

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153. Alten an Bismarck, Jerusalem, 9. November 1869

hat. Der Prinz kam wegen einer durch Mangel an Kohlen auf der Hertha226 eingetretenen Verzögerung um einen Tag später im Hafen von Jaffa an, wurde dort von mir und dem Consular-Agenten Simeon Murad bewillkommnet; besah auf mein Gesuch die Colonie der Hoffmannianer (Tempel-Gesellschaft, aus Württembergern bestehend), den Orangengarten des Herrn Simeon Murad, und gelangte sodann bei Sonnen-Untergang nach einem scharfen Ritte von etwa 6 Stunden in das Nachtlager bei Bab el Wad. Am folgenden Morgen ward noch in der Dämmerung aufgebrochen, und dann bei Calonieh unter Zelt die Uniform angelegt, um auf der Höhe, wo Jerusalem zuerst sichtbar wird, nach alter Sitte die Bewillkommnung der türkischen Autoritäten, der Hohen Geistlichkeit und des Consular-Corps anzunehmen; sofort nach dem Betreten der Stadt begab sich S.Kgl. Hoheit noch in Uniform und unter Vortritt der mitgebrachten 30 Mann Bundes-See-Soldaten sowie türkischen Truppen in die Grabeskirche. Der Eindruck war, wenn auch in sehr verschiedenartiger Richtung, wohl ein tiefer; als die fremde Truppe deutscher Krieger im Vorhof jenes ehrwürdigen Gebäudes ihre Waffen zusammenstellte, um unter Führung des Fürsten227 dasselbe zu betreten. Türkische Soldaten sind dort [ein kurzes Wort im Falz nicht lesbar] stets gegenwärtig, um die oft so blutigen Zänkereien fanatischer Christen an heiliger Stätte mit Kolbenschlägen niederzuhalten. Nach Besichtigung der Heiligthümer stieg der Kronprinz im nahegelegenen Bundes-Consulat und im angrenzenden Johanniter-Hospital ab, da Er in diesen Räumlichkeiten zu wohnen respective zu übernachten mir Allergnädigst zugesagt hatte. Nachdem die Uniform abgelegt und ein Allen erwünschtes spätes Frühstück eingenommen war, ward die Omar-Moschee nebst den damit verbundenen muhamedanischen Heiligthümern besichtigt und der Oelberg bestiegen. Leider konnte der Prinz nur von diesem Punkte aus des todten Meeres ansichtig werden, denn die Kürze der für Jerusalem angesetzten Zeit gestattete nicht, dorthin sowie an den Jordan einen Ausflug zu machen. Gegen Abend fanden sich die Paschas, der Armenische Patriarch sowie das Consular-Corps bei mir ein, um mit Sr.Königl. Hoheit zu diniren. Der Tag ward recht passend mit der Ueberreichung einer wohlgesetzten Adresse seitens der unter dem Bundes-Consulat stehenden Deutschen und Schutzbefohlenen sowie einer zweiten der zahlreichen schutzbefohlenen Juden beschlossen. Der Kronprinz erwiderte, namentlich die erste Adresse, mit einer 226  SMS „Hertha“, gedeckte Korvette; Stapellauf 1864; a. D. 1884. – Der im folgenden genannte Simeon Murad wurde nicht weiter identifiziert. Zum ganzen vgl. Carmel, Siedlungen S. 1–47. – Die darauf genannten Hoffmannianer: Christoph Hoffmann (1815–1885), Stifter der „Tempelgesellschaft“ in Palästina; lebte seit 1868 in Palästina; gründete 1869 die württembergischen Templer-Siedlungen in Haifa, Jaffa und Sarona. 227  des Kronprinzen.

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153. Alten an Bismarck, Jerusalem, 9. November 1869

ausführlichen Rede, welche durch verschiedene sehr glückliche Wendungen und durch Hervorhebung des Umstandes, wie hier unter den Schutzgenossen sich Angehörige aller Stämme Deutschlands befänden, welche gekommen, Ihn zu begrüßen, einen sichtbar tiefen Eindruck machte und in der That eines der gelungensten Impromptüs war, welche ich je gehört. Die Meisten der Versammelten waren übrigens schon am Morgen dem Prinzen bis Calonieh entgegengeritten und auf dem Weiterritt von da durch meine Vermittlung einzeln vorgestellt worden. Der Freitag und die Hälfte des Sonnabends228 ward zu einer Excursion nach Hebron und Bethlehem benutzt, auf welcher ich den Kronprinzen mit dessen Genehmigung nicht begleitete, da ich etwas unwohl von den Anstrengungen der letzten Tage, namentlich von einem etwas forcirten Ritt nach Jaffa hinab zum Empfang des gnädigen Herrn, mich schonen sollte. Nach der Rückkehr von dieser beschwerlichen und nach dem Frühstück ward die Zeit am Sonnabend der gründlichen Besichtigung der Ruinen der alten Kirche und des anstoßenden Hospitals gewidmet, , einst die Wiege des Johanniter-Ordens bildend, der während des Besuchs in Constantinopel in so höchst erfreulicher Weise erfolgten Schenkung dieser dem heiligen Grabe nahegelegenen Stätten, nunmehr in das Eigenthum Sr. Majestät des Königs übergegangen sind. Ich werde mir erlauben, auf diese Angelegenheit zurückzukommen. Nach Besichtigung mehrerer deutscher mildthätiger Anstalten und der Schickschen229 Modelle der Grabeskirche und des alten Tempels Salomos im Lauf des Tages ward das Diner wiederum im Consulat eingenommen, diesmal in Gesellschaft einer Anzahl der hier wohnenden Norddeutschen. Am Sonntag Morgen früh wohnte der Kronprinz dem deutschen Gottesdienste in der deutsch-englischen Kirche bei und begab sich sodann nochmals zu den Johanniter-Ruinen, zu denen Tags zuvor von den deutschen Seesoldaten ein Eingang durch ein vermauertes, aber ziemlich erhaltenes Portal gebrochen und sodann mit einer Thür versehen worden war. Nunmehr erfolgte die förmliche Uebergabe dieser Trümmer. Nachdem der Pascha von Jerusalem230 dem Prinzen den Schlüssel zur fraglichen Thür übergeben und dieselbe geöffnet war, erklärte S.Königl. Hoheit, damit im Namen Sr. Majestät des Königs von dem Geschenke des Sultans Besitz ergreifen zu wollen, ließ den Preußischen Adler über der Thür anheften, brachte ein Hoch auf Seine Majestät aus und 228  5.

und 6. November 1869. Schick (1822–1901), Architekt, Archäologe und evangelischer Missionar; war seit 1846 in Jerusalem tätig; er baute verschiedene Modelle des Jüdischen Tempels, des Tempelbergs und des Felsendoms. 230  Nicht ermittelt. – Im Tagebuch Friedrich Wilhelms wird in diesem Zusammenhang Kiamil Pascha, Gouverneur der Provinz Jerusalem, genannt: Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 43. 229  Conrad

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153. Alten an Bismarck, Jerusalem, 9. November 1869

unterschrieb gemeinsam mit dem Pascha ein hierüber aufgenommenes Protocoll. Nach der Rückkehr ins Consulat, wo das Frühstück wartete, wurden die Vorkehrungen zur Abreise getroffen und einige Gnadenbezeigungen an hieselbst Einheimische vertheilt. Dem Bundes-Consulate ließ der Kronprinz Seine Bronze-Büste zum Andenken Seines Besuchs zurück, und ich hatte die Ehre, mit einem lebensgroßen Brustbilde des Hohen Herrn von entschiedenem Kunstwerthe begnadigt zu werden. Bald nach Mittag verließ S.Königl. Hoheit die heilige Stadt wieder, anscheinend sehr befriedigt von Seinem hiesigen Aufenthalte, indem er mir noch bei meinem erneuerten Unwohlsein gestattete, Ihn nicht wiederum nach Jaffa hinab zu begleiten. Die schon erwähnte Schenkung der Trümmer der Johanniter-Kirche sammt dem des gleichnamigen Hospitals anlangend, habe ich noch folgendes gehorsamst zu bemerken. Da nach der gütigen Aufnahme, welche mein im vorigen Sommer Sr. Majestät in Ems gehaltener Vortrag gefunden hatte, es mir nicht zweifelhaft ist, daß es in der Allerhöchsten Absicht liegt, den langgehegten Wunsch des Johanniter-Ordens zu erfüllen und die Trümmer der alten Kirche Sta Maria Latina Major, nach der nunmehr erfolgten Erwerbung derselben, dem Orden zum Wiederaufbau zu überlassen, so entstand die Frage: welche Bestimmung den übrigen Trümmern zu geben, welche wahrscheinlich die Ueberbleibsel des Johanniter-Hospitals sind? Von Sr. Königl. Hoheit aufgefordert, einen Vorschlag wegen der passendsten Verwendung derselben zu machen, habe ich, nachdem ich die Ansichten der hier seit Langem angesiedelten Deutschen, namentlich der Aerzte unter denselben, eingeholt, nicht angestanden, die Stiftung eines Hospitals für Kinder in Anregung zu bringen, welches unter das Protectorat Ihrer Königl. Hoheit der Kronprincessin gestellt und mit dem Namen „Victoria-Stiftung“ (oder -Hospital) beehrt, zugleich dazu dienen würde, das Andenken an die Anwesenheit Sr Königl. Hoheit in der heiligen Stadt zu verewigen; jede Susceptibilität der Engländer wegen der nunmehr endlich wohl bevorstehenden Gründung einer deutschen Kirche (unter ausdrücklicher Aufrechterhaltung der geistlichen Autorität des Bischofs Gobat231 für seine Person) zu beseitigen, besonders aber dem entschieden hier hervortretenden Bedürfnisse einer größeren Sorgfalt und Pflege für das körperliche Wohl des kommenden Geschlechtes abzuhalten. Ich hatte die Freude, diese Idee von Sr Königl. Hoheit sehr lebhaft aufgegriffen zu sehen, und sagte mir Hochderselbe, vorbehaltlich der Genehmigung des Königs, Seine und Seiner Hohen Gemahlin Protection und thätige Betheiligung an diesem Plan zu. Hätte aber auch die erwähnte, der nächsten Generation zugedachte Bestimmung des Restes der fraglichen Ruinen nicht einen so entschiedenen Beifall gefunden, so konnte ich darüber nicht in Zweifel sein, 231  Samuel Gobat (1799–1879), Bischof des preußisch-englischen Bistums Jerusalem 1846–1879.

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153. Alten an Bismarck, Jerusalem, 9. November 1869

daß dieselben früher oder später und unter irgend einer andern Form ihrer ehemaligen Bestimmung wieder zugewandt werden würden. Für diese reichen die unter den Trümmern vergrabenen Substructionen und die darauf zu errichtenden Gebäude völlig aus, nicht aber für die Herrichtung eines genügenden Hofraumes und eines irgend geräumigen Gartens, was Beides doch ein dringendes Bedürfniß für leichte Kranke oder Genesende sein dürfte. In diesem Sinne hatte ich nach Eingang der Nachricht von der erfolgten Schenkung jener Trümmer in Constantinopel telegraphisch dahin zu wirken gesucht, daß dem hiesigen Pascha außer dem Befehl zur Ueberweisung des unbestrittenen Eigenthums des Sultans auch die Anweisung ertheilt werde, die höchst zweifelhaften Anrechte des griechischen Patriarchen232 an das anstoßende, ebenfalls mit Schutt von dem ehemaligen Johanniter-Palaste bis zu 20 und mehr Fuß angefüllten, übrigens ganz unbrauchbaren Trümmerfeldes (ettaristan genannt) zu untersuchen und ihn eventuell zur Herausgabe eines hinreichenden Teiles desselben zu beregtem Zwecke zu veranlassen. – Eine Cession dieses kaum rentablen Terrains Seitens des Patriarchen schien von dem Augenblick an leicht erreichbar, wo es diesem klar geworden sein mußte, daß ihm der Besitz der fraglichen Ruinen nach der eben erfolgten Schenkung an den König ein für alle Mal entgangen sei, daß also der einzige Zweck seines heimlichen und allmähligen Umsichgreifens auf jenem Trümmerfelde völlig vereitelt sei. – Der hiesige neue Pascha233 – höchst auffallender Weise des Arabischen unkundig, und soweit unfähig, etwaige arabische Schriftstücke selbstständig zu prüfen, durch welche der Werth der griechischen Ansprüche auf das rechte Maaß zurückgeführt werden könnte, als neuer Verwaltungsbeamter überhaupt in den Händen seines Secretärs, Herrn Asteriades, welcher, selbst Grieche, den Interessen seines Patriarchen gänzlich gewonnen ist, war höchst unentschlossen oder geradezu abgeneigt, mit dem Patriarchen dieserhalb in Verhandlung zu treten. Die vor und während der Anwesenheit des Kronprinzen gehabten Besprechungen führten die Sache kaum weiter. Als jedoch Seine Königliche Hoheit, von der Nothwendigkeit der Erwerbung eines ferneren Theiles des Trümmerfeldes durch mich überzeugt, die Sache sehr entschieden in die Hand nahm, scheint endlich die Aussicht auf Erlangung des Rothen Adlers erster Classe, welche dem Pascha wie dem Patriarchen eröffnet wurde, die Wirkung gehabt zu haben, daß sie noch im letzten Augenblick den Wünschen des Hohen Herrn sich fügten. In Jaffa, wo vor der Einschiffung Sr. Königliche Hoheit Sich noch persönlich mit dem Patriarchen in[s] Vernehmen gesetzt haben, ist demnach noch ein Abkommen getroffen worden, wonach der Patriarch jedenfalls ein nicht unbeträchtliches Stück des von ihm beanspruchten Trümmerfeldes dem Könige 232  Kyrillos

1872.

233  Nicht

II. (1792–1877), griechisch-orthodoxer Patriarch von Jerusalem 1845–

identifiziert ebenso wie der im folgenden genannte Asteriades. 183

155*. Fleury an La Tour d’Auvergne, St. Petersburg, 13. November 1869

von Preußen cedirt. Das darüber aufgenommene Schriftstück ist jetzt in meinen Händen, trägt aber leider in seiner Undeutlichkeit wegen der Abgrenzung der cedirten Länderei solche Spuren einer übereilten Abfassung an sich, daß es vielleicht noch zu neuen Verhandlungen führen muß. Hierüber werde ich demnächst zu berichten die Ehre haben. Seine Königl. Hoheit der Kronprinz hat die Gnade gehabt, mir zu gestatten, mich Seinem Gefolge während der Festlichkeiten in Suez und während der Mitfahrt anzuschließen. Mich auf die Urlaubsbewilligung beziehend, welche Ew. Excellenz für diesen Fall mir schon im Lauf des vorigen Sommers und sodann unter dem 1. September von Varzin aus ertheilt haben, werde ich – wenn irgend meine Gesundheit es erlaubt – am 14. d.Mts von hier nach Jaffa mich begeben; woselbst auf Befehl des Kronprinzen das Canonenboot Delphin234 an jenem Tage auf mich warten wird, um mich nach Port Said zu führen. Dort werde ich etwa zu gleicher Zeit mit dem Hohen Herrn eintreffen am 15t. Genehmigen 154*. Reuß an Bismarck Bismarck und die Nordschleswigsche Frage S. 327–329. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 330–332.

Der Zar über den Empfang des neuen französischen Botschafters Fleury: Kaiser Napoleon wolle den Frieden; die französische Nation sei aber durch den Machtzuwachs Preußens verletzt; sie verlange, daß Artikel V des Prager Friedens ausgeführt werde; Fleury hat den Auftrag, in St. Petersburg für die Verwirklichung des Artikels zu werben; er hat auch den Vorschlag einer allgemeinen Abrüstung vorgebracht. St. Petersburg, 13. November 1869 155*. Fleury an La Tour d’Auvergne OD XXV S. 377–383. Streng vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda XXVI S. 10–14, 21–24.

Fleury in einer Unterredung mit Gorčakov: Es ist bedauerlich, daß die preußische Regierung noch keine Volksabstimmung in Nordschleswig zugelassen habe; der Zar möge in dieser Sache seinen Einfluß auf seinen Onkel geltend machen.  – Gorčakov: Leider sei der preußische König taub auf die234  SMS „Delphin“, Kanonenboot, in Dienst gestellt 1864; 1865–1870 Stationsschiff in Konstantinopel; 1881 abgewrackt.

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157. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I., Port Said, 16. November 1869

sem Ohr. – Audienz beim Zaren: Auch hier wurde die Nordschleswigfrage angeschnitten; dieser bedauert den deutschen Nationalismus. St. Petersburg, 13. November 1869 156*. Launay an Menabrea DDI I,12 S. 70–71. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 72–73.

Die Dänische Partei in Nordschleswig hat dem König von Preußen eine Petition betreffend die Nordschleswigfrage mit über 27.000 Unterschriften überbringen wollen. Weder der König noch der preußische Innenminister hat die Delegation empfangen, letzterer hat ihr nur eine lakonische Antwort gegeben. Die Delegation kann jetzt mit ihrem Anliegen nach Wien weiterreisen. – Das deutsche Element in Nordschleswig wird immer stärker. Berlin, 13. November 1869 157. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/60, S. 431–437. Handschreiben. Abschrift. Auszug.

[o.Nr.]

Port Said, 16. November 1869

Eure Königl. Majestät. Den bestcultivirten Theil des Türkischen Reichs habe ich bei meinem Ausfluge von Beirut durch den Libanon nach Damascus und über Baalbeck zurück gefunden. Den 9. d.Mts. habe ich auf die Besichtigung von Beirut verwendet235, das neben seiner prächtigen Lage dadurch interessant ist, daß es der Centralpunkt für die Wirksamkeit der christlichen Orden in Syrien ist. Die Französischen Schwestern von St. Vincent da Paula sind die längste Zeit hier etablirt und haben die intensiv größte Wirksamkeit; sie haben über 800 Köpfe in ihrer Anstalt. Die Engländer, kein Orden, aber immerhin auf kirchlichen Institutionen ruhend, haben über 1.000 Kinder unter ihrer Leitung. Die Diakonissen aus Kaiserswerth beschränken sich auf 220 Mädchen und müssen, um ihre Wirksamkeit von Werth zu machen, sich der Französischen Sprache in ihrer Schule bedienen. Von den drei Anstalten machte mir die letztere in ihrer ganzen Art und Weise den besten Eindruck, sowohl was die Einrichtung, den Unterricht, die Reinlichkeit u.s.w. betrifft als auch in dem Geiste, welcher überall waltet. Der Zweck der christlichen Schulen hier ist 235  Vgl. auch Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 51–55. – Der im folgenden genannte: Vincent de Paul (1581–1660), französischer Priester; Begründer der neuzeitlichen Caritas; 1737 heiliggesprochen.

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157. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I., Port Said, 16. November 1869

nicht, Proselyten zu machen, sondern nur der, die Cultur zu verbreiten. Die Kinder gehören mit sehr einzelnen Ausnahmen der christlichen Kirche an, sind aber Kinder Türkischer Unterthanen, daher meist griechisch-katholisch. Die Vorstände der verschiedenen Schulen sind der Ansicht, daß die größere Cultur, welche man im Libanon findet, vor allen Dingen ihren Wirkungen zuzuschreiben sei. Diese Ansicht findet darin ihre Bestätigung, daß in den Dörfern dort von den Gemeinden selbst Schulen gegründet werden. Beirut ist ein schön gelegener, von üppigen Anlagen und reicher Cultur umgebener Ort. Ich wohnte auf einer Höhe mit weiter Aussicht über Meer und Stadt. Der Sultan hatte die Ordre gegeben, mich auf dieser Tour von Beirut an als seinen Gast zu behandeln, und so war jenes Haus gemiethet, eingerichtet u.s.w. So ist in diesen Tagen überall für mich auf das Beste gesorgt worden. Am 10ten reiste ich nach Beit-eddin, den Sitz Franco Pascha’s236, dem durch die 6 Schutzmächte eingesetzten christlichen Gouverneur des Libanon. Die Reise führte durch eine sehr pittoreske und gut cultivirte Landschaft, welche den Hauptsitz der Maroniten bildet und welche den Schauplatz für die furchtbaren Mordscenen der Drusen 1860 abgab. Die Bevölkerung des Libanon beugt sich nur unwillig der Türk. Herrschaft, und der hier eingesetzte Pascha bedarf einer kräftigen Hand und eines intelligenten Kopfes, wenn er Frieden erhalten und gedeihlich wirken will. Franco Pascha, mein liebenswürdiger Wirth, scheint beides in sich zu vereinen. Um eine stets sichere Truppe zu haben, ist dem Pascha an Infanterie die Bildung einer eigenen Truppe, an Cavallerie eine Art Fremden-Legion überlassen. Die erstere wird im Lande recrutirt und hat einen eigenen Instructeur, früheren Französischen Officier; die Officiere der Truppe sahen viel besser, intelligenter, charakterfester aus als die übrigen Türkischen Truppen, welche ich bisher gesehen. Die Fremdenlegion ist aus der Polnischen Legion des Krimkrieges hervorgegangen. Die Officiere sind bis auf einen Engländer heute noch Polen, darunter keiner von Eurer Majestät Unterthanen; unter den 800 Gemeinen sind nur noch 30 – 40 Polen, die übrigen sind christliche Unterthanen des Sultans, meist Bulgaren. Die Truppe bildet ein Dragoner-Regiment mit Snider-Gewehren und hat sich den Respect der Bewohner des Libanon zu verdienen gewußt.

236  Franko Pascha (1814–1873), Gouverneur der Provinz Libanon 1868–1873. – Die im folgenden genannten sechs Schutzmächte sind: England, Frankreich, Italien, Österreich, Preußen, Rußland; sie hatten nach dem Massaker von Damaskus 1860 das türkische Mutessariflik Libanon unter ihren Schutz genommen. In jenem Jahr kamen ca. 20.000 christliche Maroniten in einem von Drusen (die aus dem Islam hervorgegangen waren) angezettelten Aufstand ums Leben.

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157. Kronprinz Friedrich Wilhelm an König Wilhelm I., Port Said, 16. November 1869

Am 11. reiste ich nach Damaskus theils zu Pferde, theils zu Wagen237. Das letztere auf der Straße und mit den Fahrzeugen der Französ. Gesellschaft, welche eine Straße von Beirut nach Damaskus gebaut und auf derselben einen regelmäßigen Personen- und Transport-Verkehr eingerichtet hat. Die Gesellschaft besitzt circa 600 Pferde und will mit der Zeit den ganzen Verkehr dieser lebhaften und wichtigen Straße in die Hand bekommen; ob ihr dies gelingen wird, will ich dahin gestellt sein lassen. An Intelligenz in der Leitung scheint es der Gesellschaft nicht zu fehlen. Aber so groß der Französ. Einfluß hier auch ist, so kann doch die Regierung und noch viel weniger die sehr naturwüchsige Bevölkerung zugeben, daß die letztere ganz von dem sehr lohnenden Geschäfte entfernt werde. Noch habe ich großen Caravanen von Mauleseln und Kameelen begegnet [!]. Den 12. verbrachte ich in Damas­ cus, die Perle des Orients genannt. Die Stadt ist reich an Wasser und ist rings von Gärten umgeben. Letztere genießt man aber nur, wenn man sie von Weitem sieht; zwischen ihnen ist man von himmelhohen Mauern umgeben, welche die Frauen vor den Blicken der Vorüberziehenden zu sichern bestimmt sind. In Damascus sah ich eine Batterie exercieren, ganz nach Französ. Reglement, aber mit noch weniger Präcision wie die Franzosen. Am 13. besichtigte ich die mächtigen Ruinen von Heliopolis, das heutige Baalbeck, am 14. kehrte ich nach Beirut zurück. Auf einem Ruhepunkte war eine Abtheilung Kameel-Reiterei aufgestellt. Es war eine Escadre von 4, welche in Hamar zur Beherrschung der Wüste stationirt sind. Die Abtheilung bestand aus 80 Kameelen und 150 Mann. Die Kameele sind hauptsächlich Transportmittel, sie können 12 Meilen den Tag machen. Die Truppe ist Infanterie. Die Gemeinen sitzen zu zwei auf einem Kameel, die Officire auf Mauleseln. Bei einem Feuer, auf dem die Leute aufgesessen, ladet der Hintersitzende für den Vorderen. Will man die Leute nur als Infanterie benutzen, kann man nur die Hintersitzenden oder alle bis auf einen Mann für je 6 Kameele detachiren. Die Kameele werden mit der Stimme und mit den Halfterketten gelenkt und scheinen gerade kein willfähriges Element zu bilden. Als ich von Beirut ankam, wurde ich an der Grenze des Paschaliks Libanon von Franco Pascha, meinem obengenannten liebenswürdigen Wirth, mit allen seinen Truppen empfangen, die er hier heran gezogen, gleich darauf von den Autoritäten der Stadt pp. Die Bevölkerung war mir hier, wie fast bei allen Orten, ebenfalls entgegengekommen. In den kleinen Orten, die Männer mit Palmzweigen, welche sie meinem Pferde vor die Füße warfen; die Weiber bespritzten mich mit Rosenwasser oder hielten mir Kohlenpfannen mit wohlriechendem Holze hin und schrien dabei gotteserbärmlich. Türkische Musik hat überall das Preußenlied wiederzugeben versucht. Kurz, es zeigte sich allgemein eine reiche Theilnahme für meine Reise und bei dem phantasierei237  Vgl.

Friedrich Wilhelm, Tagebuch S. 55–59. 187

160. Thile an Werther, Berlin, 23. November 1869

chen Charakter der Orientalen darf ich annehmen, daß die Reise von einigem Einfluß für die Stellung der Deutschen in diesen Gegenden sein wird. Da ich überall Truppen gesehen, von allen Behörden empfangen, Gast in verschiedenen Häusern gewesen bin und rasch hintereinander mehrere Orte besucht habe, bin ich genöthigt gewesen, im Namen Ewr. Königl. Majestät mehr Orden zu verleihen, als ich selbst gewünscht. Dieselben sind die nachstehend bezeichneten. [Es folgen die Namen der mit den Orden ausgezeichneten Personen und die Namen der übergebenen preußischen Orden.] 158*. Runderlaß Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 161–163. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 173–174; Hähnsen, Ursprung S. 268–269.

Bitte an Reuß telegraphieren, daß die von General Fleury aufgerührte nordschleswigsche Frage zu einem Krieg führen könnte. Varzin, 20. November 1869 159*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 163–168. Immediatschreiben; in der Anlage Diktat.

Der württembergische Minister Varnbüler, der mich besucht hat, behauptet geflissentlich, daß er nicht der Urheber der Reise seines Königs Karl nach München sei. – Diktat: Die nationale Einigung muß reifen, darf nicht übereilt werden. In diesem Sinne will sich auch Varnbüler verhalten. Baden darf nicht zur Vereinigung mit dem Norddeutschen Bund drängen und dadurch Bayern verprellen. Varzin, 20. November 1869 160. Thile an Werther PA Berlin, RZ 201/6160, S. 137–142. Erlaß. Reinschrift.

No. 392.

Berlin, 23. November 1869

Ew.pp. erhalten in der Anlage Abschrift dreier Berichte des Königlichen Gesandten in St. Petersburg vom 13n, 14n u. 15n d.Mts. über das Auftreten des neuen Französischen Botschafters, General Fleury. Es ist dies Auftreten des Generals seit zwei Jahren das erste Symptom, daß der Kaiser Napoléon sich wieder ernstlich mit der nordschleswigschen Frage beschäftigt. Damals hatte der Geschäftsträger Herr v. Lefebvre die Frage in wiederholten Unter188

160. Thile an Werther, Berlin, 23. November 1869

redungen mit mir angeregt, worüber ich die Erlasse vom 26n (No. 407) und 28n Juli (No. 409) an den damaligen Königlichen Botschafter nachzulesen bitte, war aber von seiner Regierung, wie Graf Goltz schon durch Telegramm vom 28n Juli (No. 115) und später ausführlicher meldete, gewissermaßen desavouirt worden238. Jetzt wird die Angelegenheit in St. Petersburg zur Sprache gebracht und in so auffälliger und entschiedener Weise, daß der Königl. Gesandte Grund zu der Annahme hat, es geschehe dies mit bestimmter Absicht und in ausdrücklichem Auftrage des Kaisers Napoléon, wenn auch die einigermaßen brüske Form zum Theil auf Rechnung der Persönlichkeit des neuen Botschafters zu schieben sein mag. Wie weit wirkliche und ernste Absichten des Kaisers oder seiner Regierung dabei zu Grunde liegen, das durch eine sorgfältige und vorsichtige Beobachtung zu ermitteln wird Ew.pp. besondere Aufgabe sein. Es ist aber von großer Wichtigkeit, daß wir von vorne herein unsere Stellung zu der Sache nehmen und vor Allem keinen Zweifel darüber lassen, daß wir keine fremde Einmischung zu dulden Willens sind. Die Depeschen des Prinzen Reuß haben dem Herrn Ministerpräsidenten in Varzin vorgelegen. Auf seinen Antrag hat S.M. der König genehmigt, daß Prinz Reuß sofort telegraphisch dabei angewiesen worden ist, auf jede Andeutung von Verdrießlichkeit über Nordschleswig fest und hart zu antworten und ihm, wenn er auf mögliche Gefährdung des Friedens hinweisen sollte, zu sagen, wir würden dem deutschen Volk die Frage vorlegen, um welchen Preis die Nation den Frieden erkaufen wolle. Was wir in der Sache gegenüber der deutschen Bevölkerung von Nordschleswig, welche ein Recht auf unsern Schutz hat, thun könnten, das thäten wir schon dem Kaiser Alexander zu Gefallen; jede Einmischung Frankreichs aber mache die Sache zur Kriegsfrage, und wir würden alsdann genöthigt sein, sie sofort in die Oeffentlichkeit zu werfen. S.M. der König haben ferner genehmigt, daß Ew.pp., ohne nach außen hin zu benutzen, was der Kaiser von Rußland selbst von [= zu] Prinz Reuß gesagt hat, sich von dem Auftreten des General[s] Fleury unterrichtet zeigen und auch Ihrerseits eine abmahnende Sprache führen, indem Sie auf die ernsten Folgen einer Einmischung hinweisen, ohne jedoch irgend welche Besorgniß zu verrathen. Es ist gut, wenn man in Paris keinen Zweifel darüber hat, welche Aufnahme eine von dort an uns kommende Anregung hier finden würde. Graf Bismarck hat ausdrücklich den von S.M. dem Könige genehmigten Wunsch ausgesprochen, daß Ew.pp äußern möchten, wir würden Alles, was wir über diese Sache erführen, sofort amtlich veröffentlichen.

238  Vgl.

OD XXV S. 114–115. 189

163*. Werthern an Bismarck, München, 24. November 1869

161*. Reuß an Bismarck Bismarck und die Nordschleswigsche Frage S. 334–335. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 337–338, 339–343, 344–347, 353–354, 356–357.

Botschafter Fleury hat jetzt auch mit mir über die Nordschleswigsche Frage gesprochen. Ich habe geantwortet, daß die Frage nur Österreich und Preußen allein etwas angehe. – Zar Alexander will dem preußischen König darüber rein privat, nicht amtlich, schreiben. St. Petersburg. 23. November 1869 162*. Zar Alexander II. an König Wilhelm I. Bismarck und die Nordschleswigsche Frage S. 335–336. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 339, 343–344; Hähnsen, Ursprung II S. 272–273.

Das Fest zum hundertjährigen Bestehen des St. Georgs-Ordens. – Botschafter Fleury hat mit mir über die Nordschleswigsche Frage gesprochen. Ich hege die Hoffnung, daß der preußische König den derzeit einzigen schwarzen Punkt am Horizont beseitigen werde. St. Petersburg, 23. November 1869 163*. Werthern an Bismarck Werthern, Tagebuch S. 304–307. Vertraulicher Bericht.

Die Ursache für die schlechten Wahlen in Bayern ist „die Stagnation, die seit ein Paar Jahren in der deutschen Frage eingetreten ist“. – Eine Allianz zwischen den beiden süddeutschen Königreichen ist unwahrscheinlich. München, 24. November 1869

190

164. Notiz Thiles, [Berlin, 25. November 1869]

164. Notiz Thiles PA Berlin, RZ 201/3022, S. 178–181. Behändigte Abschrift (mit Thiles Unterschrift). Praes.: 25. November 1869.

[o.Nr.]

[Berlin, 25. November 1869]

Auszug aus einem Berichte des Geheim Regierungs-Rath[s] Stieber239 über die in die Provinz Hannover zurückgekehrten Legionaire Geheimer Regierungs-Rath Stieber ist im Auftrage des Geheim Raths Wehrmann in der Provinz Hannover gewesen, um sich näher zu informiren, wie die aus Frankreich zurückgekehrten Legionaire sich verhalten. Er hat etwa 25 ermittelt, die nicht zu den Militairpflichtigen gehörten; sie sind bei ihrem Eintreffen in der Heimath vorläufig in Haft genommen, verantwortlich polizeilich und gerichtlich vernommen und mit Vorbehalt des Weiteren wieder auf freien Fuß gesetzt. Sie leben an verschiedenen Orten verstreut, ernähren sich als Arbeiter und haben zu keiner Klage Veranlassung gegeben; einige haben sogar ihre Einstellung in das Preußische Militair nachgesucht. Sie sollen alle von Welfen-Fanatismus gründlich geheilt sein und sind der Welfen-Parthei ein Dorn im Auge. – Stieber glaubt, daß die, welche aus Furcht vor Algier240 jetzt zurückkehren möchten, ganz eben so auftreten würden. Er meint, man solle die jetzt ankommenden eben so behandeln, sie einzeln vernehmen und dann unter Vorbehalt laufen lassen – aber auch keine allgemeine Amnestie verheißen. Die Furcht vor Algier sei so groß, daß sie lieber im Vaterland bestraft und gefangen, als in Afrika von den Löwen gefressen werden wollten, und daher auch ohne solches Versprechen Alle, die nicht zu den Schlimmen und den Verführern gehören, kommen ja, sich durchbetteln würden, wenn ihnen von der Botschaft keine Unterstützung gegeben werde. [Satz sic] Er trägt daher darauf an, daß diese bisher meist den Einzelnen auf der Botschaft sich meldenden gewährte Unterstützung nicht mehr verabreicht werde. Nach den von ihm eingezogenen Nachrichten besteht die Legion in Frankreich noch aus circa 650 Köpfen unter Führung von 8 Offizieren und 48 Unteroffizieren. Davon gehörten 1. 300 Mann dem Beurlaubten2. 167 Mann dem wehrpflichtigen Stande an, letztere hätten sich der Aushebung durch die Flucht entzogen. 3. 146 Mann gehörten gar nicht zum Militair, theils zu jung, theils in einzelnen Fällen zu alt. 239  Wilhelm

1871.

Stieber (1818–1882), Chef der politischen Polizei in Preußen 1866–

240  Dorthin sollten sie auf Veranlassung der französischen Regierung verbracht werden.

191

166*. Benedetti an La Tour d’Auvergne, Berlin, 30. November 1869

Die ersten beiden Kategorien würden wahrscheinlich gar nicht kommen; von der letzteren Kategorie dagegen die meisten, und wahrscheinlich würden sehr bald schon viele aus Furcht vor Algier sich auf der Botschaft in Paris melden. Wenn hiernach der Erlaß einer allgemeinen Amnestie wohl sicher ausgeschlossen erscheint, so entsteht hauptsächlich die Frage, ob den Einzelnen, die sich auf der Botschaft melden, wenn sie sich bereit erklären, sich auf ihre eigene Gefahr hin den Heimathbehörden zu stellen, ohne irgend ein Versprechen von Straflosigkeit doch eine Unterstützung zum Fortkommen gewährt oder sie ganz ihrem Schicksal und dem Durchbetteln überlassen werden sollen? 165*. Promemoria Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 170–171. – Vgl. auch ebenda S. 171–173 (sein Schreiben vom 28. November 1869 über die unkluge Niederreißung des Langensalza-Denkmals in Celle).

Eine Rechnungslegung über den Welfenfonds vor dem Landtag ist nicht statthaft; doch können einigen Vertrauensmännern allgemeine Mitteilungen darüber zugehen. Varzin, 27. November 1869 166*. Benedetti an La Tour d’Auvergne OD XXVI S. 27–33. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 40–43, 79–81, 82–83, 94–97, 111–112, 205–207, 210–211.

Seine Auffassung über Fleurys Vorstoß in St. Petersburg wegen der Nordschleswig-Frage: Darüber gibt es eine Meinungsverschiedenheit zwischen Bismarck und König Wilhelm I.; Bismarck will sie im Sinne des Prager Friedens regeln, der König will aus militärischen Ehrengesichtspunkten keine Grenzverschiebung in Schleswig; er versucht den Zaren davon zu überzeugen. Bismarck stellt sich nun auf den Standpunkt, daß die Angelegenheit nur die Vertragspartner von Prag etwas angehe. – Unser Vorstoß in St. Petersburg wird immerhin aufklärend wirken über die Gefahr, die der Norddeutsche Bund für Europa darstellt. Falls Preußen sich durch den neuerlichen Vorstoß nicht beeindrucken läßt, bleibt dennoch das gute Verhältnis zwischen Berlin und Petersburg erhalten; eventuell wird Preußen Rußland in der Orientalischen Frage unterstützen. Insgesamt: Es ist nicht opportun, daß wir weiter an der Nordschleswig-Frage rütteln. Berlin, 30. November 1869 192

167. König Wilhelm I. an Zar Alexander II., [Berlin] - - November 1869

167. König Wilhelm I. an Zar Alexander II. PA Berlin, RZ 201/5126, S. 117–126. Handschreiben. Abschrift des eigenhändigen Konzepts in deutscher Sprache (dieses S. 101–104). Danach übersetzt und mehrfach revidiert; nicht abgeschickt. Ersetzt durch ein von Bismarck mehrfach revidiertes Schreiben und schließlich am 8. Januar 1870 abgesandt (vgl. unten Nr. 189).

[o.Nr.]

[Berlin] - - November 1869

Mon cher Neveu, Je Vous remercie avant tout d’avoir bien vouloir m’informer que le Jubilé centenaire de la fondation de l’Ordre de St. Georges sera célébré le 26 Novembre/8 Décembre à St. Pétersbourg. Je Vous prie d’être persuadé que ce serait un vrai plaisir pour moi de pouvoir assister à la fête commémorative de cet Ordre et que je regrette beaucoup que les circonstances ne me permettent pas d’en profiter. Vous ne Vous trompiez pas en supposant que j’étais informé par le Pce Reuss et le Gl de Schweinitz des ouvertures qui Vous ont été faites à l’occasion de la remise des lettres de créance par le Gl de Schweinitz relativement à la question du Schleswig à l’art. 5 du traité de Prague. L’opinion que Vous avez exprimée sur ces points dans nos derniers entretiens de l’année passée est toujours présente à ma mémoire et je puis espérer que Vous n’avez pas oublié ce que j’ai eu l’occasion de Vous dire moi-même à ce sujet. Vous Vous rappelez sans doute qu’en résumant ma manière de voir, je Vous ai donné l’assurance que je n’avais jamais refusé d’accomplir les stipulations de l’art. 5, mais que cela m’était impossible aussi longtemps que je n’aurais pas obtenu du Gouvernement danois des garanties sur le sort futur des populations allemandes dans les districts qui feront retour au Danemark. Je me suis fait une loi de respecter et de conserver la nationalité des habitants danois qui se trouvent momentanément réunis à la Prusse, et je me borne à demander la réciprocité au Gouvernement danois en stipulant qu’il prenne le même engagement à l’égard des habitants Allemands. Il ne serait ni juste ni équitable d’accorder plus d’intérêt aux habitants danois que l’on s’efforce de détacher de la Prusse, qu’aux Allemands qui doivent retourner sous la domination danoise. En lieu on n’est pas d’accord jusqu’à présent sur la ligne de démarcation qui forment à l’avenir la frontière entre la Prusse et le Danemark, et ce point offre de sérieuses difficultés attendu qu’il est impossible de fixer équitablement la démarcation en la réglant seulement sur la langue des habitants et la nationalité. En admettant toutefois qu’il s’agirait de céder un district situé au-delà d’une ligne qui irait de la ville de Ribe à travers le pays jusqu’à la baie de Heilsmünde en laissant Christiansfelde à la Prusse, il serait possible à la rigueur de renoncer aux garanties dont je viens de parler. Si on veut fixer une autre ligne de démarcation qui pourtant ne pourrait jamais être 193

167. König Wilhelm I. an Zar Alexander II., [Berlin] - - November 1869

placée plus au Sud que du Fjord de Hadersleben à travers le pays à Reisby, en laissant la ville de Hadersleben à la Prusse, il faudrait absolument au préalable obtenir des garanties en faveur de la nationalité allemande. Vous vous souvenez sans doute par expérience qu’il n’a pas été possible jusqu’à présent d’amener une entente ni sur la question des garanties ni sur celle de la ligne de démarcation. Si le Gouvernement [Français?] en protestant du désir de son Souverain de maintenir la paix, a exprimé l’opinion qu’il fallait lui faciliter cette tâche, je crois pouvoir dire qu’il n’a fait qu’exprimer une pensée dont Vous êtes aussi pénétré que moi, notre désir de conserver la paix n’était certes pas moins vif, peut-être même plus sincère que celui qu’on éprouve à Paris. La manière peu ambiguë dont le Gl Fleury s’est exprimé vis-à-vis du Pce Reuss en parlant d’un cas de guerre relativement à l’art. 5, Vous est connue, et Vous savez sans doute également que l’Empereur Napoléon dans un entretien avec Lord Clarendon s’est prononcé d’une façon analogue sur le passage de la ligne du Main. Il est difficile si on tient compte de cette circonstance de prévoir de combien de conditions dépendra dans l’avenir le désir de paix dont le Gl Fleury est en ce moment l’interprète, et il est peut-être à craindre que la question soulevée aujourd’hui, ainsi que d’autres points noirs que l’on trouvera en temps et lieu, ne nous mènent de concessions en concessions jusqu’à un point où il ne serait plus possible de s’y soumettre. Il me semble par conséquent qu’on ne saurait user de trop de prudence sous ce rapport. En général la pression de la France dans la question du Schleswig ne semble nullement justifiée, le traité de Prague n’ayant pas été conclu avec elle, mais avec l’Autriche. Si la France a exercé une certaine influence sur la rédaction de l’art. 5, il n’en est pas moins hors de doute qu’il n’appartient qu’à l’Autriche d’en observer l’exécution, aucune des Grandes Puissances n’ayant assumé la garantie du traité. Si l’Autriche de son côté observe une entière réserve dans cette question, cette manière d’agir prouve avant tout qu’elle sait bien qu’en soulevant la question d’une cession des habitants allemands du Schleswig au Danemark, elle déchaînerait une tempête en Allemagne qu’elle n’a certes pas l’intention de faire tourner au profit de la Prusse. Il y a là encore un point de vue auquel je Vous prie d’accorder Votre attention si Vous voulez Vous mettre un instant à ma place pour juger la question. Si le Gouvernement danois ne se décide pas à me faire des propositions acceptables, je crains à mon grand regret qu’il ne sera pas possible de sitôt de trouver une solution satisfaisante à la difficulté qui nous occupe.

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169. Werthern an Bismarck, München, 5. Dezember 1869

168*. Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 175–176. Vertrauliches Schreiben.

Eichmann in Dresden ist mitzuteilen, daß das barsche Verhalten des französischen Gesandten241 auf der Festung Königstein nicht hingenommen werden könne. Varzin, 3. Dezember 1869 169. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/2701, S. 381–383. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. Dezember 1869.

No. 70.

München, 5. Dezember 1869

Der Fürst Hohenlohe ist gestern Abend von Hohenschwangau zurückgekommen, & das Ergebniß seiner Reise besteht darin, daß vorläufig Alles beim Alten bleibt242 & nur die Minister des Innern & des Cultus, Hörmann & Gresser, ausscheiden. Interessant & erfreulich ist aber die Haltung, in welcher der Fürst Seine Majestät gefunden hat. Allerhöchstderselbe war durch Telegramm & Correspondenz mit hervorragenden Personen aller Partheien vollkommen über alle Details der Situation unterrichtet & sagte, er gehe nur deshalb nicht nach München, weil man ihn dort überlaufen werde & er sich die Freiheit des Entschlusses nicht trüben lassen wolle. Die Demission des Fürsten nehme Er unter keinen Umständen an; Er habe ihn berufen, um eine nationale Politik zu befolgen; diese Politik gebe er nicht auf; in seinem Verhältniß zu Preußen 241  Aloys comte de Rayneval (1825–1911), französischer Gesandter in Dresden 1867–1870. – Zum folgenden: Die Festung Königstein bei Pirna in Sachsen hatte seit 1867 eine preußische Besatzung, die erst nach dem Frieden von 1871 von einer sächsischen abgelöst wurde. Sie hatte keine militärische Bedeutung mehr und diente seit altersher zur Verbüßung von Festungshaft. Der französische Gesandte in Dresden hatte die Festung besucht und beschwerte sich hernach, daß er von den preußischen Diensthabenden nicht mit der gebührenden Rücksicht behandelt worden sei. Sein Bericht nach Paris ist nicht in den „Origines Diplomatiques“ abgedruckt. Zur Deutung der Sache vgl. Bismarck, GW VIb S. 175 (Vorbemerkung). 242  In Bayern hatten am 25. November Landtagswahlen stattgefunden. Die partikularistische und ultramontane Patriotenpartei hatte die Mehrheit erreicht. Daraufhin bot das Ministerium dem König seine Entlassung an. – Die im folgenden genannten: Winfried Hörmann von Hörbach (1821–1896), bayerischer Innenminister 1868 – Dezember 1869. – Franz von Greßer (1807–1880), bayerischer Kultusminister 1866 – Dezember 1869. – Vgl. zur damaligen Lage in Bayern auch: Werthern, Tagebuch S. 72–74.

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171*. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 7. Dezember 1869

werde Er nichts ändern. Wanke Er darin, entlasse Er den Träger der bisherigen Politik, so werde nicht dieser, sondern Er selbst, der König, „blamirt“. Alles, wozu Er sich verstehen könne, sei, den Fürsten mit der Bildung eines neuen Cabinettes zu beauftragen, & dazu entschließe Er sich um so eher, als ihm der Austritt der Herren von Hörmann und Gresser persönlich erwünscht sei. Der Fürst entgegnete hierauf, zur Bildung eines neuen Ministeriums seien die Verhältnisse nicht angethan; auch werde er sich zu dem einzig Denkbaren beim Wechsel, einem Coalitionsministerium, nie verstehen, da er mit jeder Annäherung an die Ultramontanen seinen Boden im Lande verlieren würde; Allerdings sähe er ein, daß der Unwille gegen die beiden Minister nicht ganz unverschuldet sei; er willige daher in ihren Austritt. Auf Grund dieses Compromisses hat die Crise ihr Ende erreicht. Wer die beiden Lücken ausfüllen wird, ist noch unbestimmt; heute höre ich die Namen des Präsidenten Feder & Minsterialrath’s Schubert243 in den Vordergrund treten; doch halte ich eine interimistische Verwaltung bis zur Abklärung der Situation vor den Kammern nicht für unwahrscheinlich. Der Kriegsminister Prankh, der mit dem Fürsten in Hohenschwangau war, ist gestern zum Chef des 8ten Infanterie-Regiments ernannt worden. 170*. Benedetti an La Tour d’Auvergne OD XXVI S. 72. Bericht.

Das preußische Abgeordnetenhaus hat den Haushalt des Außenministeriums diskutiert und dabei die Abschaffung der diplomatischen Posten in Hamburg, Weimar und Oldenburg vorgeschlagen; die Gesandtschaft in Dresden soll erhalten bleiben. Das ganze bedarf der Zustimmung beider Kammern und der Regierung. Berlin, 5. Dezember 1869 171*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 176–177. Immediatbericht.

Er unterbreitet dem König den Entwurf eines Antwortschreibens an Zar Alexander II. bezüglich der nordschleswigschen Angelegenheit. Berlin, 7. Dezember 1869 243  Gottfried von Feder (1806–1892), Präsident des Regierungsbezirks Mittelfranken 1866–1879. – Heinrich von Schubert, Ministerialrat im bayerischen Innenministerium (keine weiteren Daten ermittelt).

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173. Bernstorff an Bismarck, Londres, le 7 Décembre 1869

172*. Bismarck an Roon Bismarck, GW VIb S. 178. Schreiben. – Vgl. auch Oncken, Rheinpolitik III S. 242–243, 246–247.

Dem Drängen Badens, eventuell auch allein in den Norddeutschen Bund aufgenommen zu werden, kann im allgemeinen Interesse der preußischen Außenpolitik nicht nachgegeben werden. Berlin, 7. Dezember 1869 173. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/5362, S. 265–170. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Dezember 1869.

No. 175.

Londres, le 7 Décembre 1869

Sire, Quand le Sous-Secrétaire d’État au Département des affaires étrangères, M. Otway244, m’a demandé, après mon retour du Continent, comment j’y avais trouvé la situation générale, et a fait mention de l’aspect pacifique que les choses avaient pris en France, il m’a dit confidentiellement, qu’il était fort important pour nous que l’Empereur de Russie vécût encore longtemps puisqu’il était sûr que son successeur245 nous donnerait du fil à retordre, et il a ajouté que le Gouvernement anglais recevait beaucoup de renseignements dans ce sens, donnant à entendre que toute la famille Impériale à l’exception de l’Empereur Alexandre était très hostile à la Prusse. Il n’a pu pas toucher la question de Schleswig Septentrional qui a sans doute une grande part dans l’animosité du Grand-Duc héritier, mais il a conclu de cette disposition du futur Empereur de Russie qui est en harmonie avec celle de la nation russe, qu’un rapprochement de l’Allemagne du Nord avec l’Autriche était ce qu’il y avait de plus désirable pour les deux Puissances. J’ai répondu à M. Otway que je lui serais très reconnaissant s’il pouvait m’indiquer un moyen pour la Prusse de se rapprocher de l’Autriche – que jusqu’à présent je ne connaissais pas et ne voyais pas de désir de la part du Gouvernement autrichien de nous l’offrir. Il n’a, en effet, pas pu me l’indiquer. En même temps je l’ai trouvé préoccupé de l’idée qu’il se préparait une révolution en Bavière, ou un parti (sans doute celui des Ultramontains) vou244  John

1871.

Arthur Otway (1822–1912), Unterstaatssekretär im Foreign Office 1868–

245  Aleksandr Aleksandrovič (1845–1894), Großfürst und Thronfolger; als Alexander III. Zar 1881–1894.

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176*. Vitzthum an Beust, Paris, 10. Dezember 1869

lait remplacer le Roi par le Prince Louis, fils du Prince Luitpold246. Dans ce cas, pense-t-il, ni la Russie, ni l’Autriche ni la France ne s’abstiendrait d’intervenir, et de cette manière la guerre s’engagerait dans le cœur de l’Allemagne malgré tous les efforts qu’on a faits pour l’éviter. Ce serait une position fort dangereuse pour la Prusse, selon M. Otway. Je suis avec le plus profond respect Sire, de Votre Majesté 174*. Bismarck an Eichmann Bismarck, GW VIb S. 178–179.Vertraulicher Erlaß.

Er hätte mit dem sächsischen Minister Friesen nicht über das Parteitreiben gegen ihn – Friesen – sprechen sollen. Berlin, 8. Dezember 1869 175*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 180–182. Erlaß.

Er soll in seinen Berichten deutlicher machen, wie er selbst die von ihm so pessimistisch dargestellte Zukunft der Deutschen Frage in Bayern beurteilt. Berlin, 10. Dezember 1869 176*. Vitzthum an Beust OD XXVI S. 420. Geheimer Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 420–425.

Staatsminister Rouher bestätigt mir, daß die Tripelallianz abgeschlossen sei. Die zwischen den beiden Kaisern ausgetauschten Briefe hätten dieselbe Kraft wie ein internationaler Vertrag. Auch das Einverständnis König Viktor Emanuels sei sicher. Paris, 10. Dezember 1869

246  Ludwig (1845–1921), Prinz von Bayern und Thronfolger; König von Bayern als Ludwig III. 1913–1918.

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179. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 12. Dezember 1869

177*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 186–187. Vertraulicher Erlaß.

Durch den Ordensaustausch zwischen Petersburg und Berlin ist die preußisch-russische Freundschaft manifestiert worden. Der Versuch des französischen Botschafters Fleury, sie zu stören, ist ins Leere gelaufen. Berlin, 12. Dezember 1869 178*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 187–189. Erlaß.

Preußen ist von den orientalischen Angelegenheiten nicht unmittelbar betroffen, sondern nur durch deren Rückwirkung auf die allgemeine Gestaltung der europäischen Verhältnisse. Der Sultan hat allerdings Preußens türkenfreundliches Verhalten in der griechisch-türkischen Differenz nicht richtig zu würdigen gewußt. Berlin, 12. Dezember 1869 179. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9866, S. 320–325. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 16. Dezember 1869.

No. 149.

St. Petersburg, 12. Dezember 1869

Als ich gestern den Fürsten Gortchakoff besuchte, sprach mir derselbe sogleich von der Verleihung des St. Georgs-Ordens 1ter Klasse an Seine Majestät den König247. Er sagte, er wolle mir nicht verbergen, daß er von Seiner Majestät dem Kaiser vorher consultirt worden wäre. Wenn sich auch vielleicht Manches hätte anführen lassen, was Bedenken erregen konnte, so habe er doch den Kaiser in einer so gehobenen und freudigen Stimmung gefunden, daß er seine Bedenken für sich behalten hätte. Außerdem, setzte er hinzu: „Nous sommes assez grande Puissance pour que l’Empereur puisse se permettre d’obéir à la voix de son cœur, même si un acte pareil pourrait éveiller la susceptibilité des autres. Après tout, l’histoire reste l’histoire, et si dans une journée comme cet anniversaire d’un ordre militaire, on invoque les souve247  Der St. Georgs-Orden wurde statutengemäß nur für eine gewonnene Schlacht verliehen. Darunter konnte in diesem Fall nur die Schlacht von Königgrätz (Sadowa) gemeint sein.

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179. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 12. Dezember 1869

nirs d’un passé glorieux, personne n’a le droit de s’en montrer blessé. Personne m’en a dit un mot et je ne conseillerai à personne de me faire des observations malveillantes.“ Aus dieser Rede des Kanzlers konnte ich entnehmen, daß er offenbar den ungünstigen Eindruck jenes kaiserlichen Aktes und der denselben begleitenden Worte gefürchtet hatte, daß er aber nicht gewagt hat abzurathen, weil ihm dies wahrscheinlich nichts genutzt hätte und er den Kaiser durch seine Bedenken sicherlich verstimmt haben würde. Endlich ist es mir sehr zweifelhaft, ob der Kaiser den Fürsten wirklich consultirt haben sollte; von verschiedenen Seiten ist mir gesagt worden, Letzterer sei ebenso überrascht gewesen als alle Welt. Ebenso wie ich die Ueberzeugung gewonnen habe, daß der Kanzler diese preußenfreundliche Demonstration bisher vermieden gesehen hätte, ebenso vermuthe ich, daß es in der Absicht des Kaisers lag, eine solche Demonstration zu machen. Wenn der Kaiser sich auch noch nicht recht an die neue Gestalt Preußens und Deutschlands hat gewöhnen können, so ziehen ihn doch seine persönlichen Sympathien zu Preußen, seinem Könige und dessen Armee. In letzter Zeit ist von innen und von außen vielfach daran gearbeitet worden, das hiesige Kabinet von der Preußischen Freundschaft zu trennen. Die Katkovianer und unter deren Nationalitäts-Fahne die Russischen Demokraten warnten täglich in der Presse vor der Freundschaft des gefährlichen auf Russischen Länderbesitz ausgehenden Preußen und empfahlen die französische Freundschaft. Dieses Geschrei war aber nicht nur gegen das Ausland gerichtet, sondern hauptsächlich gegen die conservativen Gegner jener Parthei im Innern, welche gewöhnlich mit den Freunden Preußens identificirt werden. Diese Preußenfreundliche Demonstration wird daher hier allgemein so aufgefaßt, als sei sie gegen jene Parthei gerichtet und als habe der Kaiser dem Lande andeuten wollen, wo seine Sympathien in der auswärtigen wie in der inneren Politik zu suchen seien. Sollte der Kaiser dies nicht beabsichtigt haben, so ist der Erfolg der gleiche; die Moskowiter ärgern sich und die Freunde Schouwaloffs248 triumphiren. Ob man in der inneren Politik an der angedeuteten Richtung festhalten wird, ist freilich eine andere Frage. Ich konnte nicht umhin, durch die Aeußerung frappirt zu werden, welche ich ab und zu in den letzten Tagen hier gehört habe, daß nämlich die demokratische Parthei in Rußland über die intime Annäherung des hiesigen Hofes an Preußen wüthend sei und darin eine reactionäre Tendenz erblicke. In den

248  Die Moskowiter = die Preußenfeinde; die Freunde Schouwaloffs = die Preußenfreunde.

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180. Eichmann an Bismarck, Dresden, 13. Dezember 1869

Jahren nach 1848 hörte man in Preußen ganz ähnliche Ansichten aussprechen, nur sind jetzt die Rollen vertauscht. In der ersten offiziellen Beschreibung des Georgsfestes war nur vorübergehend von der Ansprache des Kaisers an den Prinzen Albrecht249 die Rede. Heute bringt „Der Invalide“ die anliegende Uebersetzung der zwischen den beiden Allerhöchsten Souverainen am 8ten d.Mts gewechselten Telegramme. Diese Publikation kann nur auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers gemacht worden sein und gewinnt dieselbe daher an Bedeutung. Man hat jenen Telegrammen noch dasjenige hinzugefügt, welches Kaiser Franz Joseph an den Kaiser Alexander gerichtet und worin er sein Nicht-Erscheinen beim Feste bedauert. Persönlich eingeladen ist der Kaiser nicht worden, und bezieht sich sein Telegramm daher nur auf die an alle Georgs-Ritter im Auslande ergangene Aufforderung, beim Feste zu erscheinen. Nach der heutigen Tafel fragte mich der Kaiser, ob ich jenes Telegramm gesehen hätte, und setzte hinzu: „Es ist dies die Antwort auf alle Bemühungen, mich von Preußen zu trennen.“ 180. Eichmann an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3193, S. 361–367. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Dezember 1869.

No. 132.

Dresden, 13. Dezember 1869

Eurer Excellenz beehre ich mich über eine Unterredung gehorsamsten Bericht zu erstatten, die ich im Laufe des gestrigen Vormittags mit dem Herrn Minister von Friesen gehabt habe. In Folge einer mir zugegangenen Aufforderung, so sagte ich Herrn von Friesen, sei ich auf einen Tag nach Berlin gegangen und hätte dort die Ehre gehabt, von Euerer Excellenz empfangen zu werden. Hochdieselben hätten mir mitgetheilt, daß es in Ihren Wünschen gelegen hätte, auch dieses Jahr wie im vergangenen nach Dresden zu kommen, um persönlich Seiner Majestät dem Könige von Sachsen250 Ihre Glückwünsche zu Allerhöchstdessen 249  Albrecht (1809–1872), Prinz von Preußen; er nahm in Vertretung des preußischen Königs an den Feierlichkeiten teil. – Die im folgenden genannte Zeitung: Russkij Invalid, von 1813 bis 1917 erscheinende St. Petersburger Zeitung; Organ des russischen Kriegsministeriums. – Die im folgenden angesprochenen Telegramme sind abgedruckt in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 441–442. – Das weiterhin angesprochene Telegramm Kaiser Franz Josephs ist nicht im Schulthess veröffentlicht. 250  Johann (1801–1873), König von Sachsen 1854–1873. – Sein Geburtstag war am 12. Dezember 1869.

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180. Eichmann an Bismarck, Dresden, 13. Dezember 1869

Geburtstage darzubringen, daß Eure Excellenz aber mit Rücksicht auf Ihren noch Schonung erheischenden Gesundheitszustand davon hätten absehen müssen und mich beauftragt hätten, hier der Dollmetscher [!] der Gesinnungen zu sein, welche Eure Excellenz für den König beseelten. Der Minister war sichtbar über diese Mittheilung erfreut und versprach, alsbald seinem Souverän davon Meldung zu machen. Er erkundigte sich zugleich auf das Theilnehmendste nach dem Befinden Eurer Excellenz und vernahm mit Befriedigung von mir, daß der Karlsbader Brunnen von guter Wirkung gewesen sei. Ich sagte darauf, daß Euere Excellenz auch dieses Mal das lebhafteste Interesse für sächsische Zustände bekundet hätten. In dieser Beziehung sei ich bei Hochdenselben[!] dem unbedingtesten Vertrauen in die bundestreuen Gesinnungen Seiner Majestät des Königs Johann und in die Festigkeit begegnet, mit welcher der Minister von Friesen die Stellung Sachsen’s im Norddeutschen Bunde auf die verfassungsmäßige Linie zu halten wisse. Eure Excellenz würden es daher vorgezogen haben, wenn ich gewisse Gerüchte lieber gar nicht bei dem Minister von Friesen zur Sprache gebracht hätte, da weder diese Gerüchte noch gewisse Vorgänge in den Kammern irgendwie jemals Vertrauen zu verschütten vermocht hätten und Eure Excellenz nicht glauben könnten, daß ein so bedeutsames Unglück, wie der Rücktritt des Ministers von Friesen von den Geschäften oder von der Leitung der auswärtigen Politik sein würde, zu besorgen sei. Herr von Friesen erwiederte mir darauf, daß Eure Excellenz hiermit die Situation vollständig richtig beurtheilt hätten und daß namentlich in den bundestreuen Gesinnungen Seiner Majestät des Königs von Sachsen auch nicht im allerentferntesten eine Aenderung eingetreten sei, im Gegentheil sei der König jetzt darin fester als je. Auf meine frühere Bemerkung, daß das Gerücht von einer Intrigue spreche, die seine Stellung bedrohe, habe der Minister mir damals sagen wollen, daß eine solche Intrigue nicht bestehe, wohl aber im Lande sich eine gewisse Opposition gegen die Regierung zeige. Hieran anknüpfend erwähnte ich, daß diese Opposition auch bei dem Abrüstungsantrag der zweiten Kammer hervorgetreten sei251 und daß Eure Excellenz daher die passive Haltung des Königlich Sächsischen Kriegsministeriums in dieser Frage frappirt habe, da doch gerade das Kriegsministerium als politische Behörde berufen gewesen wäre, den Antrag zu bekämpfen. Herr von Friesen sagte, daß Euere Excellenz auch bereits dem Sächsischen Ge251  In der Zweiten Kammer in Dresden hatte die Fortschrittspartei am 4. November 1869 einen Antrag auf Senkung der Militärlasten (auf Abrüstung) eingebracht. Nach heftigen Diskussionen wurde dieser am 24. November angenommen. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 129–130 und 137. – Der im folgenden genannte: Hans Frhr. von Könneritz (1828–1883), sächsischer Gesandter in Berlin 1867–1873.

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180. Eichmann an Bismarck, Dresden, 13. Dezember 1869

sandten in Berlin, Herrn von Könneritz, diese Bemerkung gemacht hätten und daß er mich daher bitten müsse, Hochdenselben seine desfallsigen Aufklärungen zugehen zu lassen. Nach Ansicht der Sächsischen Regierung sei der zweiten Kammer allerdings formal das Recht nicht zu bestreiten gewesen, ihre Wünsche über eine thunliche Verminderung der Militairlast auszusprechen, dagegen sei diese Kammer nicht die richtige Stelle gewesen, an welcher das Materielle einer solchen Frage seitens der Regierung hätte erörtert werden können. Ebendeshalb habe der Minister von Friesen sich darauf beschränkt, ohne sich irgendwie auf die Discussion selbst einzulassen, der Kammer bemerklich zu machen, daß die Regierung dem Antrage, wenn er an sie gelangen sollte, gar keine Folge geben könne. Aus gleichem Grunde würde er es lieber gesehen haben, wenn sein College von Fabrice252 überhaupt nicht in die betreffende Sitzung gekommen und so durch die Abwesenheit des anscheinend competenten Ministers markirt worden wäre, daß die Regierung die Discussion über das Materielle des Antrages für eine Art Monolog der Kammer halte, in dem sie sich nicht zu mischen habe. Jetzt, wo die Frage an die erste Kammer gelangt sei und wo, wenn diese dem Beschlusse der zweiten Kammer beiträte, ein förmlicher ständischer Antrag vorliegen würde, stehe die Sache anders und würde die Regierung daher nicht unterlassen, in die Discussion einzutreten und den Antrag mit der allergrößesten Entschiedenheit zu bekämpfen. Indessen hoffe der Minister, daß es dazu gar nicht kommen würde. Den außerordentlich dankenswerthen und eifrigen Bemühungen Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen253 sei es gelungen, eine große Anzahl der Mitglieder der ersten Kammer von der ­Unstatthaftigkeit des Abrüstungsantrages zu überzeugen, so daß man denselben vielleicht auf sich beruhen lassen werde. Sollte dies aber nicht ganz zu erreichen sein, so beabsichtige die betreffende Commission, einen Beschluß vorzuschlagen, in welchem zwar ausgesprochen werden solle, daß es wünschenswerth sei, sobald die Verhältnisse es gestatteten, die Militairlast zu verringern, daß die Kammer aber es vertrauensvoll der Beurtheilung der Regierung anheimstelle, in welchem Augenblick eine desfallsige Anregung erfolgen könne. Die Regierung werde indessen auch einen solchen Beschluß nur dann hingehen lassen, wenn dabei j e d e D i s k u s s i o n vermieden werde. Hiermit endete meine Unterredung mit dem Minister von Friesen. Am Abend auf der Soiree des Ministers von Fabrice hatte Seine Königliche Hoheit der Kronprinz die Gnade, mich anzureden und mir zu sagen: „Er höre, ich sei in Berlin gewesen, es sei das sehr gut, denn in der hiesigen zweiten Kammer, wo eine Menge unerfahrener Leute säßen, seien sonderbare Beschlüsse gefaßt worden.“ 252  Alfred von Fabrice (1818–1891), Generalleutnant; sächsischer Kriegsminister 1866 – Dezember 1870. 253  Albert (1818–1902), Kronprinz von Sachsen; König 1873–1902.

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182*. de Launay an Visconti Venosta, Berlin, 17. Dezember 1869

Ueber die Bundescompetenz-Frage und den darauf bezüglichen Antrag des Grafen Hohenthal254 habe ich noch keine Gelegenheit gefunden, mich zu äußern, werde das aber, sobald sich eine solche bietet, in dem mir von Eurer Excellenz mündlich und durch den hohen Erlaß No. 236 vom 8. d.M. angedeuteten Sinne thun. 181*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 189–191. Vertraulicher Erlaß.

Seine Unterredung mit dem Unterstaatssekretär Otway255: Es ist richtig, daß Preußen vorsichtige Versuche gemacht hatw, mit Österreich in bessere Beziehungen zu gelangen; Otways Deutung der Verhältnisse in Bayern ist dilettantenhaft. Berlin, 15. Dezember 1869 182*. de Launay an Visconti Venosta DDI I,12 S. 114–116. Bericht.

Der Ordensaustausch zwischen Petersburg und Berlin: Er hätte eigentlich schon nach der Schlacht von Königgrätz erfolgen können; aber damals hat man die Machterhöhung Preußens in Petersburg nicht gern gesehen. Seitdem sind die Beziehungen besser geworden; jeder unterstützt jetzt die Interessen des andern. Die Ohnmacht Österreichs und die inneren Schwierigkeiten Frankreichs deuten derzeit nicht auf einen europäischen Krieg hin. Berlin, 17. Dezember 1869

254  Karl

Adolf Graf von Hohenthal (1811–1875), Mitglied der Ersten Kammer in Dresden. – Er hatte am 6. Dezember 1869 in der Ersten Kammer den Antrag gestellt, diese möge im Verein mit der Zweiten Kammer im Bundesrat dahin wirken, daß Bestimmungen im Entwurf eines Strafgesetzbuches des Norddeutschen Bundes betreffend das Polizeistrafrecht nicht angenommen werden sollten. Das würde sonst die Selbständigkeit der Einzelstaaten untergraben. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 10 (1869) S. 411. 255  Oben Nr. 173. 204

183. Arnim an König Wilhelm I., Rom, 24. Dezember 1869

183. Arnim an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/7568, S. 181–185. Behändigter Immediatbericht. Praes.: 30. Dezember 1869.

No. 57.

Rom, 24. Dezember 1869 Allerdurchlauchtigster Großmächtigster König Allergnädigster König und Herr!

Euere Königliche Majestät wollen mir Allergnädigst gestatten, zu dem neuen Jahre meine Segenswünsche für Allhöchstdieselben Ausdruck zu geben. Auch bitte ich unterthänigst, mir das gnädige Vertrauen bewahren zu wollen, welches Euere Majestät bewogen hat, mich gegen meine Bedenken auf dem hiesigen Posten zu lassen. – Ich werde fortfahren in dem Bemühen, dazu nach Maßgabe der Verhältnisse beizutragen, daß Euerer Majestät katholische Unterthanen vor dem Joche einer einseitigen und herrschgewohnten Partei bewahrt werden, damit nicht aus der unvermeidlichen Reaction gegen dasselbe eine Bewegung hervorgehe, welche, wahrscheinlich über den nächsten Zweck hinausschießend, alle Autorität untergraben, die Religion aus dem Herzen der Menschen entfernen und die Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft erschüttern würde. Wie wenig Aussicht vorhanden ist, daß in dieser Beziehung wesentliche Resultate erreicht werden – davon geben meine Berichte Kenntniß, namentlich auch derjenige, den ich gleichzeitig mit diesem allerunterthänigsten Immediatbericht durch den Obersten von Stein256 nach Berlin schicke. Ich habe demselben nichts Wesentliches hinzuzufügen. – Nur eines möchte ich mir gestatten, noch besonders hervorzuheben. Wie Euere Königliche Majestät aus meinen Berichten ersehen werden, stehen zwei Preußische Bischöfe entschieden auf der Seite Roms gegen die Mehrzahl des deutschen Episcopats, der Erzbischof von Posen und der Bischof von Paderborn257. Es ist nicht zu verkennen, daß die Absonderung dieser beiden Männer für die Bestrebungen der deutschen sehr unbequem ist. Ich würde jedoch eine mir obliegende wesentliche Pflicht versäumen, wenn ich nicht meinestheils versuchen wollte, Euere Königliche Majestät 256  Vermutlich Oskar Stein von Kaminski (1820–1894), Oberst; Militärattaché in Paris 1860–1863; Chef des Stabes des I. Armeekorps in Königsberg 1866–1870; a. D. als Generalleutnant 1878. 257  Mieczysław Graf von Ledóchowski (1822–1902), Erzbischof von Gnesen und Posen 1866–1874/76. – Konrad Martin (1812–1879), Bischof von Paderborn 1856– 1879.

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183. Arnim an König Wilhelm I., Rom, 24. Dezember 1869

gegen den Eindruck zu verwahren, als seien diese beiden Bischöfe darum weniger treue Diener Euerer Majestät. Von dem Grafen Ledochowski hat man im Grunde eine andere Haltung nie erwarten können. – Seine theologische Erziehung ist ausschließlich römisch und auch vielleicht nicht sehr gründlich. – Er sieht in dem Concil zunächst nur ein Mittel, die Autorität in religiösen wie in politischen Dingen zu wahren, giebt nicht zu, daß auf dem hier beliebten Wege vielleicht das entgegengesetzte Resultat herbeigeführt werden könne, und spricht aus, daß er mit andern Principien seine Aufgabe in Posen nicht würde erfüllen können. – Uebrigens verfährt er in allen diesen Dingen ohne Leidenschaftlichkeit und ohne sich hervorzudrängen. – Für die politischen Interessen Preußens dagegen zeigt er ein größeres und sympathischeres Verständniß als die Meisten unserer Bischöfe und sieht bei jeder Gelegenheit davon ab, wie sehr er als Bischof und Katholik Grund habe, in seinem neuen Vaterlande zufrieden zu sein. Ich halte dafür, daß der Graf Ledochowski einer der treusten und nützlichsten Diener Euerer Majestät ist. In Betreff des Bischofs von Paderborn, der die Römischen Ideen mit einer Art Schwärmerei sich zu eigen gemacht hat und zu den treibenden Elementen gehört, kann ich auch nur der Wahrheit gemäß constatiren, daß er nicht bloß gegen mich, sondern aller Orten – auch wo er nicht glauben kann, daß ich es wieder erfahre – als specifisch-Preußischer Patriot auftritt. Der Bischof von Mainz, über dessen Verhalten Euerer Majestät einige Notizen nicht uninteressant sein werden, hat mich bald nach seiner Ankunft aufgesucht. Er steht bis jetzt auf demselben Boden wie die Bischöfe von Breslau und Trier258. Herr von Ketteler hat aber eine so große persönliche Liebe für den heiligen Vater, daß ich von ihm einen lang vorhaltenden Widerstand nicht erwarte. Daß Preußen ihm von allen modernen Staaten immer noch der am Meisten sympathische ist, kann ich nicht bezweifeln. In tiefster Ehrfurcht ersterbe ich Euerer Majestät allerunterthänigster und treu gehorsamster Diener und Unterthan

258  Heinrich Förster (1799–1881), Fürstbischof von Breslau 1853–1881. – Mat­ thias Eberhard (1815–1876), Bischof von Trier 1867–1876.

206

185. Bernstorff an Bismarck, London, 1. Januar 1870

184*. Fleury an La Tour d’Auvergne OD XXV S. 131–136. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 148, 153–155, 173–176, 241–243.

König Wilhelm I. hat den Brief des Zaren wegen der Nordschleswig-Frage beantwortet259: Er anerkenne die Bedeutung des Problems, wolle derzeit aber keinen endgültigen Entschluß fassen.  – Unterredung mit Gorčakov: Dieser meint, es sei gut, daß die Nordschleswig-Frage auf der Tagesordnung stehe und die dänische Politik sich jetzt stärker darum kümmere. Die Verleihung des St. Georgs-Ordens an den preußischen König habe nichts mit Königgrätz zu tun, sondern mit der Erinnerung an Leipzig und Waterloo 1813/15. St. Petersburg, 29. Dezember 1869 185. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/5363A, S. 10–11. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 4. Januar 1870.

No. 3.

London, 1. Januar 1870

Lord Clarendon sagte mir heute gelegentlich, daß die Sächsische Regierung an allen Thüren anklopfe, um zu verhindern, daß der Posten eines Englischen Geschäftsträgers in Dresden wieder aufgehoben werde, wie das Committee des Unterhauses es verlange, sie führe dazu an, daß eine abermalige Zurückziehung der Englischen Vertretung in Dresden, nachdem sie einmal wiederhergestellt sei, der Sächsischen Diplomatie den Gnadenstoß geben würde. Lord Clarendon gab zu verstehen, daß man sich von Sächsischer Seite auch an die Königin gewandt habe, um jenen Schlag zu verhüten. Die letzte Anwesenheit des Herrn von Fabrice, welchen ich hier fand, als ich von meinem Urlaub zurückkehrte, der aber dann bald darauf verschwand, wird also wohl vorzugsweise diesen Zweck gehabt haben. Es bleibt jedenfalls eine sonderbare Anomalie, daß der Sächsische Hof Alles in Bewegung setzt, um sein Gesandtschaftsrecht ostensibel auszuüben, während er uns nicht nur die Geschäftsführung, also die wirkliche Vertretung seiner Interessen, bereitwilligst überläßt, sondern sogar dringend gebeten hat, daß wir trotz der Wieder-Beglaubigung eines Sächsischen Gesandten hierselbst fortfahren möchten, uns den Geschäften zu unterziehen.

259  Oben Nr. 162* und 171*. Fleury geht irrtümlich davon aus, daß Wilhelm I. tatsächlich schon an den Zaren in der Nordschleswigfrage geschrieben hatte. Vgl. die ausführliche Anmerkung dazu in Bismarck, GW VIb S. 176–177.

207

188*. Bismarck an Arnim, Berlin, 5. Januar 1870

186*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 195–197. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 201; Abeken, Leben S. 489–490; DDI I,12, S. 209–211; OD XXVI S. 178–184, 185–186, 197, 213–215, 222–223, 264–266; Oncken, Rheinpolitik III S. 302–304.

Er bittet um Order für die Umbenennung des „Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten“ in „Auswärtiges Amt“. Berlin, 4. Januar 1870 187*. Brassier de St. Simon260 an Bismarck Becker, „Diversion“ I S. 248–249. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 249–250; OD XXV S. 313–316.

Außenminister Visconti Venosta sagt, Italiens Interesse an der spanischen Thronkandidatur sei nicht groß. Kaiserin Eugénie interessiere sich sehr für den Prinzen von Asturien. Möglicherweise kommt auch der junge Prinz Leopold von Hohenzollern in Frage. Florenz, 4. Januar 1870 188*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 197–200. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 204–205, 219–220, 242–243, 409.

Er soll sich gegenüber dem gerade eröffneten Konzil abwartend und ruhig verhalten. Die von ihm empfohlene Bildung eines Antikonzils (aus Regierungsvertretern bestehend) ist nicht angemessen. Auf liberal gesinnte Bischöfe kann er einwirken. Berlin, 5. Januar 1870

260  Maria Joseph Anton Brassier de Saint-Simon (1799–1872), Gesandter des Norddeutschen Bundes (1871 Deutschlands) in Florenz März 1869–1872. – Der im folgenden genannte: Emilio marchese Visconti Venosta (1829–1914), italienischer Außenminister 1863–1864, 1866–1867, 1869–1876. – Zur sodann angesprochenen Spanischen Thronkandidatur ist grundlegend die dreibändige Edition: Becker, „Diversion“ (Literatur bis 2007 in Bd. III S. 507–537). – Der dann genannte Prinz: Alfons (XII.) (1857–1885), Prinz von Asturien; König von Spanien 1874–1885.

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191*. Launay an Visconti Venosta, Berlin, 11. Januar 1870

189*. König Wilhelm I. an Zar Alexander II. Bismarck und die Nordschleswigsche Frage S. 347–350. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 351–353, 355; OD XXVII S. 37–40; Hähnsen, Ursprung II S. 283– 284, 287–289.

Es hat allen Anschein, daß General Fleury in St. Petersburg die Nordschleswigsche Frage nicht amtlich, sondern aus persönlicher Inspiration vorgetragen habe. Wenn Kaiser Napoleon einen Anlaß zum Krieg suchen wollte, so fände er ihn leicht auf einem anderen Feld. – In der Nordschleswig-Frage geht es eigentlich nur um die dortigen „nördlichen Distrikte“ auf einer bestimmten Linie (Ripe bis zur Bucht von Heilsminde); auch dort wohnen noch Deutsche, die Preußen nicht alleinlassen darf. Berlin, 8. Januar 1870 190*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 201–203. Vertraulicher Erlaß.

Gegenüber den friedensgestimmten Worten des neuen französischen Außenministers Daru261 soll er – zu seiner eigenen Orientierung – davon ausgehen, daß eine Einmischung des Auslands in die inneren Angelegenheiten Deutschlands nicht akzeptiert werden könne, „auch auf die Gefahr des Krieges“ hin. Berlin, 11. Januar 1870 191*. Launay an Visconti Venosta DDI I,12 S. 180–183. Privatdienstbrief.

Privatgespräch mit Bismarck: Er glaubt nicht an die Gerüchte über eine französisch-österreichisch-italienische Allianz. Nach außen wolle er eine friedliche Politik treiben, im Innern sich nur um die Konsolidierung des bisher Geschaffenen kümmern. Bei der Einheitsbewegung in Deutschland sagt er, daß die Zeit dafür allein sorge. „Wenn unsere Brüder im Süden uns ernsthaft die Hand reichen wollen, werden wir sie nicht ausschlagen, auch wenn daraus ein Krieg mit dem Ausland hervorgehen sollte.“ Der Norddeutsche Bund verfüge über eine Million Kämpfer. – General Fleury, der neue Bot-

261  Napoléon comte Daru (1807–1890), französischer Außenminister 2. Januar – 15. Mai 1870.

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194*. Bismarck an Schweinitz, Berlin, 12. Januar 1870

schafter in Petersburg, sei mit dem Ansinnen einer französisch-russischen Entente abgeblitzt. Berlin, 11. Januar 1870 192*. Bismarck an Mühler Bismarck, GW VIb S. 204. Schreiben.

Professor Thiel262 in Braunsberg kann als geeigneter Berater des Gesandten Arnim in Rom gelten. Bitte die Zustimmung des zuständigen Bischofs Krementz von Ermland, der derzeit in Rom ist, einholen. Eine päpstliche Sanktion ist indes nicht nötig. Berlin, 12. Januar 1870 193*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 205–206. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch OD XXVI S. 211–213.

Er soll gegenüber General Fleury deutlich machen, daß die europäische Abrüstungsfrage nicht von Berlin ausgegangen sei. Auch für eine Reduktion der französischen Gardekorps würde er – Bismarck – sich nicht aussprechen. Berlin, 12. Januar 1870 194*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 206–210. Zwei vertrauliche Erlasse.

Er soll gegenüber dem ungarischen Ministerpräsidenten Andrássy deutlich machen, daß die deutschfreundlichen Kreise in der russischen Politik auch Ungarn zugute kommen. – Wie kann die Zukunft des schwierigen Verhältnisses zwischen Zis- und Transleithanien aussehen? Berlin, 12. Januar 1870

262  Andreas Thiel (1826–1908), Professor für Kirchengeschichte und -recht; Domkapitular in Braunsbeg 1870; Bischof von Ermland 1886–1908. – Philipp Krementz (1819–1899), Bischof von Ermland 1867–1886.

210

197*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 17. Januar 1870

195. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/12101, S. 92–94. Immediatbericht. Abschrift.

[o. Nr.]

Berlin, 13. Januar 1870

Eurer Majestät berichte ich auf die Allerhöchste Randbemerkung zu der Depesche des Grafen Keyserling vom 2ten Januar cr. über die officielle Anerkennung des Titels „Fürst und Fürstenthum Rumänien“ allerunterthänigst, daß diese Frage bisher hier nicht zur Sprache gekommen war. Meiner Ansicht nach hat sie für Seine Hoheit nicht den Werth, um für ihre Durchsetzung andere Interessen des Fürsten zu opfern oder das Wohlwollen der Pforte auf’s Spiel zu setzen. Der hier ehrfurchtsvoll angeschlossene Bericht desselben Gesandten vom 22ten December v.J., welcher verspätet und nach dem obigen hier eingetroffen ist, weil der betreffende Feldjäger Umwege zu machen hatte, benachrichtigt uns, daß außerdem ein untergeordneter Punkt in der Münzangelegenheit und dann das Recht der Ordensverleihung in Constantinopel angeregt ist. Es gilt davon, meines ehrfurchtsvollen Erachtens, dasselbe, was von der Frage der Benennung des Landes [gilt]. Ich würde den Gesandten Eurer Majestät mit Unterstützung eines dieser Anliegen bei der Pforte nur beauftragen, wenn Eure Majestät es ausdrücklich befehlen, da uns jede von uns erlangte Concession demnächst bei Verhandlungen wichtigerer und eigener Interessen von der Pforte angerechnet werden würde und der Schein, als ob Eurer Majestät Gesandter in Constantinopel zugleich die Interessen Rumäniens als eines Preußischen Schutzstaates zu vertreten habe, weder den Interessen des Fürsten Carl noch den unsrigen förderlich ist. 196*. Bismarck an Radowitz Bismarck, GW VIb S. 210–211. Telegramm. – Vgl. ebenda S. 211–212.

Fürst Karl von Rumänien soll seinen Wunsch nach der Bezeichnung „­Rumänien“ statt „Principautés unies de la Moldavie et de la Valachie“ nur inoffiziell verfolgen. Berlin, 13. Januar 1870 197*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 212–218. Vertraulicher Erlaß.

Er erläutert die Gründe, warum nicht schon 1866 (was Außenminister Clarendon bedauert) der Kaisertitel für König Wilhelm I. angenommen wurde 211

198. Mühler an Thiel, Berlin, 18. Januar 1870

(Gründe: Kriegsdrohung Frankreichs; Beschränkung auf Norddeutschland; bayerischer Widerstand). Wie ist derzeit die Ansicht Clarendons? Berlin, 17. Januar 1870 198. Mühler an Thiel RZ 201/7568a, S. 217–219. Schreiben. Abschrift. Auszug.

No. 327 B.

Berlin, 18. Januar 1870

Euer Hochwürden habe ich bereits auf vertraulichem Wege von dem Wunsche des Königlichen Gesandten in Rom in Kenntniß setzen lassen, daß ihm in der Zutheilung eines einsichtsvollen katholischen Geistlichen ein Mittel gegeben werden möge, während des Concils mit den Herren Bischöfen in Verbindung zu bleiben, um genauere Kenntiß über den Gang der Verhandlungen sowie über die Bedeutung der einzelnen Vorkommnisse zu erlangen. Nachdem Ew. Hochwürden Ihre Bereitwilligkeit zur Annahme einer solchen Stellung zu erkennen gegeben, eröffne ich im Einverständnisse mit des Herrn Kanzlers des Norddeutschen Bundes Excellenz Ihnen bezüglich der näheren Bedingungen, daß dieselbe einer Namens der Königlichen Regierung geschehenden vollkommen freien Zuordnung zur Königlichen Gesandtschaft, etwa mit der Bezeichnung „als Consultor für kirchliche Angelegenheiten“, seine und Ihre Aufgabe darin bestehen wird, dem Königlichen Gesandten mit Ihrem Rath und Antheil vom k a t h o l i s c h k i r c h l i c h e n G e s i c h t s p u n k t e zur Seite zu stehen, ohne daß irgend etwas von Ihnen gefordert werden wird, was Sie mit Ihren k i r c h l i c h e n Pflichten in Collision bringen könnte. Wünscht der Königliche Gesandte sich Ihrer zu Mittheilungen an die Herren Bischöfe oder sonst irgend Jemanden zu bedienen, so wird dies immer nur im gegenseitigen Einverständnisse und mit voller Offenheit und Rücksicht auf Ihre Stellung geschehen. Der Auftrag ergeht mit Rücksicht auf die zugesicherte Freiheit des Verhältnisses auf unbestimmte Zeit. [Einzelheiten über Reisekosten, Abreise etc.]

212

202*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 26. Januar 1870

199*. Cadore263 an Daru OD XXVI S. 191–193. Bericht. – Vgl. dazu ebenda S. 203–205, 277–279, 286– 290.

König Ludwig II. hat die Landtagssession eröffnet. Der wichtigste Satz in seiner Thronrede hinsichtlich der Deutschen Frage ist folgender: „So sehr ich die Wiederherstellung einer nationalen Verbindung der deutschen Staaten wünsche und hoffe, so werde ich doch n u r in eine solche Gestaltung Deutschlands willigen, welche die Selbstständigkeit Bayerns nicht gefährdet.“ München, 18. Januar 1870 200*. Bismarck an Moltke Bismarck, GW VIb S. 221–222. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 258–259.

Er möge sich zu Verhandlungen über einen von den USA vorgeschlagenen Vertragsentwurf zum Schutz überseeischer Kabel und zu bestimmten Änderungen preußischerseits dazu äußern. Berlin, 19. Januar 1870 201*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 224. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 225, 227–229, 315–316.

Was erfährt er über die gefährliche Lage an der Grenze zu Montenegro? Berlin, 26. Januar 1870 202*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 223–224. Erlaß.

Aus wessen Feder stammt der Artikel der „Pall Mall Gazette“ über die schwierige Lage Kaiser Napoleons III.? Von Prévost-Paradol264? Berlin, 26. Januar 1870 263  Jérôme Paul marquis de Cadore Nompère de Champagny (1809–1893), französischer Gesandter in München 1867 – Juli 1870. 264  Lucien Prévost-Paradol (1829 – 20. Juli 1870), französischer Schriftsteller und Journalist; vom Kabinett Ollivier 1870 zum Gesandten in Washington ernannt;

213

203. Werthern an Bismarck, München, 26. Januar 1870

203. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/2702, S. 76–79. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. Januar 1870. Auszug.

No. 9.

München, 26. Januar 1870

[Beratung der bayerischen Reichsräte über die Adresse auf die Thronrede. Wie kann die Regierungskrise in München beendet werden?] Doch theile ich die Auffassung, die ich alle Tage mehr Boden gewinnen sehe, daß ein ultramontanes Cabinet die Verwirrung auf den Gipfel treiben muß, bevor von einer Abklärung die Rede sein kann. Beide Partheien, die liberale wie die ultramontane, sind zu sehr verbittert, sie haben den unbefangenen Blick ganz verloren, & die Vermengung von Religion & Politik ist zu intensiv geworden. Es ist deshalb auch auf das lebhafteste zu wünschen, daß sich das Concil in der befürchteten Weise überstürze. Denn nur dadurch können die blöden Augen geöffnet, klare Vorstellungen über Zweck, Mittel & Ideenkreis der Ultramontanen verbreitet, ein Schisma in der katholischen Kirche & daraus folgend Landeskirchen angebahnt werden. Erst wenn die Katholiken in Süddeutschland aufhören, die Blicke nach Rom zu wenden, können sie den Schwerpunkt in Deutschland finden, können sich die großen Gegensätze lösen. Es ist merkwürdig, welchen ungeheuern Anklang jeder Act der Nothwehr gegen Rom findet. In der heutigen Magistratssitzung ist der Stiftsprobst Doellinger für seine letzten Briefe gegen die Unfehlbarkeit (die er zum ersten Male mit seinem Namen unterzeichnet hat) mit 22 gegen 6 & auch nur aus formellen Bedenken dissentirende Stimmen zum Ehrenbürger von München ernannt worden265.

Selbstmord dort 20. Juli 1870. – Zur Sache vgl. die Anmerkungen in: Bismarck, GW VIb S. 223. 265  Döllinger hatte in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ vom 19. Januar eine scharfe Kritik gegen die Unfehlbarkeitslehre publiziert; schon am 14. Januar waren „Briefe vom Concil“ in der Zeitung veröffentlicht worden (vermutlich von ihm). Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 149, 412. Vgl. auch Döllinger, Briefe II S. 91 und 126. 214

206*. Bismarck an Mühler, Berlin, 1. Februar 1870

204*. Lyons an Clarendon Newton, Lord Lyons I S. 248–250. Privatdienstbrief. – Vgl. ebenda S. 251–252; OD XXVI S. 230–234, 247–251, 261–263; XXVII S. 40–42; Oncken, Rheinpolitik III S. 298–300.

Unterredung mit Ministerpräsident Ollivier266. Dieser beschäftigt sich sehr mit der allgemeinen Entwaffnung; sie sei wichtig für die Stimmung in der Bevölkerung, die unter den hohen Steuern stöhne; man müsse Preußen für die Sache gewinnen. – Meine Antwort: Man könne nur durch einen streng vertraulichen Fühler an Preußen herantreten. – Ollivier: Eine öffentliche Ablehnung durch Preußen wäre fatal, „un échec, c’est la guerre“; England solle sich dafür stark machen. Paris, 30. Januar 1870 205*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 225–226. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 229–230.

Er soll in Wien der hohen Zufriedenheit über den Besuch des Erzherzogs Carl Ludwig267 in Berlin Ausdruck geben. Berlin, 31. Januar 1870 206*. Bismarck an Mühler Bismarck, GW VIb S. 226–227. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 275.

Der feindseligen Haltung der katholischen und evangelischen Geistlichkeit in der Provinz Hannover kann durch Zusammenlegung von kleinen Konsistorien und dann stattfindende Neubesetzung begegnet werden. Berlin, 1. Februar 1870

266  Émile Ollivier (1825–1913), französischer Ministerpräsident, Justiz- und Kultusminister 2. Januar – 9. August 1870. 267  Karl Ludwig (1833–1896), Erzherzog von Österreich. – Er war am 23. Januar 1870 am Berliner Hof als Antwort auf den letztjährigen Besuch des Kronprinzen von Preußen in Wien.

215

209. Eichmann an Bismarck, Dresden, 4. Februar 1870

207. Bismarck an Keyserling PA Berlin, RZ 201/12130, S. 91–92. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 2

Berlin, 1. Februar 1870 Abgangsvermerk: zur Station 1. Februar 1870, 11 Uhr 05 Abds

Rußland ist durch die Truppenbewegungen gegen Montenegro268 beunruhigt und wünscht, daß Uebereinstimmung der Mächte hergestellt werde, um auf die Pforte im Sinne der Mäßigung und der Erhaltung des Europäischen Glaubens [gemeint: Gleichgewichts] an den Frieden zu wirken. Ew.p. sind ermächtigt, zu einer Verständigung behufs solcher Einwirkung die Hand zu bieten, sobald Ihre Collegen Instructionen in derselben Richtung erhalten haben werden. 208*. Pergler von Perglas an König Ludwig II. Becker, „Diversion“ S. 252–254. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 260–261, 264–267; OD XXVI S. 309–312.

Unterhaltung mit Unterstaatssekretär Thile: Dieser meint, sowohl in München als auch in Berlin wolle man die Auflösung der preußisch-bayerischen Verträge (von 1866). Perglas bestreitet dies. Bismarck wolle sie erhalten wissen, um allmählich die bayerische Militärhoheit zu untergraben. Berlin, 3. Februar 1870 209. Eichmann an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3194, S. 50–55. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 5. Februar 1870.

No. 11.

Dresden, 4. Februar 1870

In ihrer vorgestrigen und gestrigen Sitzung hat die Sächsische zweite Kammer die Frage discutirt, ob fernerhin ein besonderes Königlich-Sächsisches Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und Königlich Sächsische Gesandtschaften im Auslande bestehen sollen269. Ich werde nicht er268  An der türkisch-montenegrinischen Grenze war es zu Streitigkeiten wegen Weiderechten gekommen. Die Pforte hatte dort Truppen zusammengezogen. 269  Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichskalender 11 (1870) S. 42. – Der im folgenden genannte: Karl Biedermann (1812–1901), außerordentlicher Professor für Staatswissenschaften in Leipzig; Abgeordneter im sächsischen Landtag 1869–1871

216

209. Eichmann an Bismarck, Dresden, 4. Februar 1870

mangeln, die desfallsigen stenographischen Berichte, sobald sie mir zugegangen sind, Eurer Excellenz gehorsamst einzureichen. Für jetzt erlaube ich mir nur einige kurze Bemerkungen über diese Discussion, die ich mit angehört habe, Eurer Excellenz zu unterbreiten. Der Abgeordnete Biedermann, das Haupt der national-liberalen Partei in Sachsen, entwickelte nicht ohne Talent und in maßvoller Sprache die Gründe, aus denen ihm die Beibehaltung der Gesandtschaften im Bundesauslande unnütz und selbst schädlich erschiene. Er machte dabei auf mehrere, auch Eurer Excellenz bekannte Umstände aufmerksam, welche dazu angethan seien, die Bundesfreundlichkeit der Sächsischen Regierung vor dem Lande in zweifelhaftem Lichte erscheinen zu lassen. Verschiedene Redner vertraten gleichfalls diese Auffassung, andere bekämpften sie. Unter den letzteren befand sich der Abgeordnete Walther, welcher bei dieser Gelegenheit die Depesche des Oesterreichischen Reichskanzlers Grafen Beust vom 6. Juli v.J.270 als eine Sachsen bewiesene Aufmerksamkeit lobte, den Ton der darauf sächsischerseits erfolgten Zurückweisung tadelte und als eine der Wirkungen des Norddeutschen Bundes die vermehrte Auswanderung nach Amerika bezeichnete. Es müßte mich daher einigermaßen verwundern, daß der Minister von Fabrice mich gestern Abend auf diese Rede des Abgeordneten Walther als eine besonders gelungene hinwies. Im Allgemeinen hatte die Discussion für die Regierung keinen günstigen Verlauf genommen, als gegen das Ende der gestrigen Sitzung der Herr Minister von Friesen durch eine, wie mir schien, in hohem Grade gelungene, ebenso feine als gewandte Rede großen Eindruck auf die Kammer machte. In derselben hob der Herr Minister hervor, daß nach der Bundesverfassung Sachsen das Gesandtschaftsrecht geblieben sei und daß keine Veranlassung vorliege, jetzt auf die Ausübung dieses Rechtes zu verzichten und damit die Selbstständigkeit des Landes noch mehr zu beeinträchtigen. Zugleich sprach sich Herr von Friesen über die Stellung Sachsens im Norddeutschen Bunde in einer Weise aus, welche in vielen Punkten Eurer Excellenz sicherlich zu hoher Befriedigung gereichen wird. Der Minister stellte übrigens nicht in Abrede, daß der Zeitpunkt kommen könne, wo Sachsen auf sein Gesandtschaftsrecht verzichten werde, ja, doch vermied er es, in bestimmter Weise zuzugeben, unter welchen Voraussetzungen die Regierung diesen Zeitpunkt für gekommen erachten werde.

(Nationalliberal). – Der dann genannte: August Walter (1827–1888), Abgeordneter im sächsischen Landtag 1869–1885 (Fortschritt). 270  Sie ist im Rotbuch nicht veröffentlicht: Correspondenzen des … Ministeriums des Äußern 3 (1869). 217

209. Eichmann an Bismarck, Dresden, 4. Februar 1870

Die Kammer bewilligte schließlich sämmtliche Forderungen der Regierung, faßte dazu aber auf den Antrag des Abgeordneten Jordan271 mit einer ganz kleinen Majorität folgende Beschlüsse: „1. Die Regierung wolle auf dem ihr geeignet erscheinenden Wege mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin wirken, daß sämmtliche zum Norddeutschen Bunde gehörigen Staaten ihre besonderen diplomatischen Vertretungen an auswärtigen Höfen aufgeben und sich in ihren besonderen Angelegenheiten durch die ausschließlich als Vertreter des Norddeutschen Bundes zu beglaubigenden Gesandten mit vertreten lassen; 2. im Falle eines Erfolges des unter 1. gestellten Antrages aber diese besonderen Vertretungen unverweilt einzuziehen.“ Es läßt sich voraussehen, daß die erste Kammer diesen Beschlüssen nicht beitreten wird. Auch in dieser Angelegenheit hat es sich gezeigt, daß das Gefühl particularistischer Selbstständigkeit Sachsens im Gegensatz zu den auf Befestigung der nationalen Zusammengehörigkeit Deutschlands gerichteten Bestrebungen an Kraft gewonnen hat. Als die sächsischen Kammern im Dezember v.Js. zusammentraten, wurde mir von verschiedenen den conservativen Kreisen angehörigen Personen versichert, daß sich in der zweiten Kammer nicht 12 Stimmen für die Beibehaltung der Sächsischen Gesandtschaften finden würden, bald darauf hörte ich, daß die Regierung hoffe, wenigstens nicht eine 2/3 Majorität gegen sich zu haben, und nun hat sie die Majorität f ü r sich gehabt. Wenn aus dieser Abstimmung eine Befestigung der Stellung des Herrn Ministers von Friesen hervorgeht, so glaube ich, daß man sich dazu selbst vom Standpunkte des Bundes wird Glück wünschen können. Es dürfte dies indessen abzuwarten sein, denn, was auch immer von den Freunden eines specifischen Sachsenthums über ihre Bundestreue in beiden Kammern gesagt worden sein mag, so beweist doch das Bestehen eines Organes wie die „Sächsische Zeitung“, daß es zahlreiche Personen im Lande giebt, welche den Norddeutschen Bund nicht als eine definitive Einrichtung ansehen, sondern für irgend welche Eventualitäten die militairische und diplomatische Selbstständigkeit Sachsens möglichst intakt zu bewahren suchen. Diese Personen, welche Gesinnungsgenossen unter den zahlreichen hier lebenden freiwillig Exilirten aus Hannover und Kurhessen finden, wagen es freilich jetzt nicht, als Partei offen hervorzutreten, aber wenn sie noch vor Kurzem von dem Versuche abgestanden sind, in der Regierung einen Personenwechsel herbeizuführen, so war es, weil sie noch rechtzeitig zur Erkenntniß der

271  Ernst Albert Jordan (1831–1892), Abgeordneter im sächsischen Landtag 1863– 1892 (Nationalliberal).

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211. Werther an Bismarck, Paris, 8. Februar 1870

Consequenzen gebracht wurden, die das Gelingen eines solchen Versuches hätte nach sich ziehen müssen. 210*. Salazar an Werthern Becker, „Diversion“ I S. 256–259. Privatdienstbrief. – Vgl. auch OD XXVI S. 266–269, 275–277.

Die Kandidaturen des Herzogs von Genua als auch des Herzogs von Montpensier272 für den spanischen Thron haben keine Chancen. Unter den verbliebenen Kandidaturen sind noch zwei Hohenzollernprinzen und drei bayerische Prinzen. Die Chancen der ersteren stehen am besten: also entweder Prinz Leopold oder Prinz Friedrich. Madrid, 5. Februar 1870 211. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3022, S. 296–302. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Februar 1870.

No. 35.

Paris, 8. Februar 1870

Am Sonntag Vormittag273 ließ sich der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten durch einen seiner Secrétairs de cabinet zu einer Unterredung bei mir ansagen. Auf meine Bemerkung, daß ich gern bereit wäre, den vielbeschäftigten Grafen Daru zu diesem Behufe auf dem Ministerium zu besuchen, ward mir die Antwort, daß derselbe es vorzöge, mich in meinem Hause zu sprechen, und daß er sich am Montag Abend gegen 9 Uhr bei mir einfinden würde. Die Art und Weise, in der diese Besprechung stattfinden sollte, ließ mich vermuthen, daß mir der Minister Eröffnungen zu machen habe, welche ihrer nicht angenehmen Natur wegen ihn zu der Wahl einer so zuvorkommenden Form veranlaßt habe. Gestern Abend ließ sich Graf Daru zur bestimmten Stunde bei mir melden. Nach einigen vorangehenden Bemerkungen brachte er den Zweck seines Besuches zur Sprache.

272  Thomas (1854–1931), Herzog von Genua; Prinz von Savoyen. – Antoine d’Orléans: oben Anm. 68. – Der im folgenden genannte: Friedrich (1843–1904), Prinz von Hohenzollern-Sigmaringen, Bruder Leopolds; vierter Sohn des Fürsten Karl Anton. 273  6. Februar 1870.

219

211. Werther an Bismarck, Paris, 8. Februar 1870

Er sei gekommen, um mir mitzutheilen, daß der Kaiser mit dem Gedanken umgehe, die sich in Frankreich aufhaltenden etwa 1.000 Mann zählenden hannoverschen Legionaire nach Algerien zu schicken und dort anzusiedeln. Bevor dieser Plan zur Ausführung käme, habe er mich vertraulich hiervon unterrichten wollen, wenn er auch der Ansicht sei, daß wir gegen eine solche Maßregel nichts einzuwenden haben würden. Die ganze Angelegenheit der Hannoverschen Legion sei ihm erst vor Kurzem bekannt geworden, da ihm sein Amtsvorgänger der Fürst de la Tour d’Auvergne niemals hierüber gesprochen, weshalb er noch nicht eingehend mit den einzelnen Phasen derselben bekannt geworden sei. Was die näheren Details über die Ansiedelung selbst anbetreffe, so seien dieselben noch nicht festgestellt, doch habe man bereits den Kostenpunkt in Erwägung gezogen und sei zu dem Resultate gekommen, daß der zur Herstellung der Gebäude, Anschaffung von Vieh und der sonst zum Ackerbau nöthigen Gegenstände erforderliche Kostenaufwand auf etwa 800.000 francs sich belaufen würde. Zwar seien diese Geldopfer nicht unbedeutend, doch kämen sie andererseits der gedachten Provinz zu Gute. Ich sprach dem Minister meinen Dank für dieses so offene und vertrauliche Entgegenkommen aus und theilte ihm in großen Zügen die Entstehung und jetzige Lage der sogenannten Legion mit. Ich sagte ihm, wie nach meinen in Wien gemachten Wahrnehmungen der König Georg in der trügerischen Hoffnung, durch kriegerische Ereignisse wieder in Besitz von Hannover zu gelangen, diese Legion habe bilden lassen, um sie an der Spitze einer gegen Preußen anrückenden fremden Armee fechten zu sehen. Später seien diese Leute von der Schweiz auf den französischen Boden übergetreten und von der Kaiserlichen Regierung ihnen Asyl gewährt worden. Ich berührte die Versammlungen wegen Trennung der Offiziere von den Mannschaften und der Entfernung derselben aus den östlichen Departements. Später habe S.M. der König eine Amnestie erlassen, die aber fast gar nicht benutzt, vielmehr in einer durch die Hannoverschen Offiziere hervorgerufenen Adresse einer großen Anzahl Legionaire in unpassender Weise abgelehnt worden sei. Wenn mir nun auch, in Anbahnung der den größtentheils verführten Leuten drohenden Verwahrlosung und des materiellen Verderbens, welches das über Kurz oder Lang vom König Georg in Aussicht gestellte Aufhören der Löhnungszahlungen über die Legionaire bringen werde, eine Uebersiedelung nach Algier nicht unzweckmäßig erschiene, so müsse ich ihm aus Humanitäts-Rücksichten anheimstellen, durch die betreffenden französischen Behörden die Sache so einzuleiten, daß, insofern kein moralischer Druck auf die Leute ausgeübt werden könne, ihnen unvorbereitet die Alternative gestellt würde, sich entweder dem Elende oder der von ihnen ebenfalls gefürchteten Auswanderung nach Afrika preisgegeben zu sehen.

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212*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 9. Februar 1870

Zu wiederholten Malen haben die Legionaire diesen Besorgnissen hier auf der Botschaft Ausdruck gegeben. Ich erwähnte hierbei der in meinem Telegramm vom 29. v.M. und in dem gehorsamsten Bericht No vom [Lücke nicht ausgefüllt] gemeldeten Deputationen aus Troyes und nahm die Gelegenheit wahr, um ihn mit der durch Allerhöchste Gnade verheißenen milden Behandlung der rückkehrenden Leute bekannt zu machen. Er könne hieraus entnehmen, daß von Seiten der Königlichen Regierung Alles nur Thunliche geschehe, um den Verführten die Heimkehr in das Vaterland zu erleichtern. Wenn ich die in dem gedachten gehorsamsten Berichte und in meinem Telegramm No 6 vom 29. Januar erwähnte nahe bevorstehende Entscheidung über das Loos der Legionaire mit der Thatsache zusammenhalte, daß, wie Graf Daru mir sagte, die ganze Angelegenheit vorläufig nur als eine Idee des Kaisers zu betrachten sei, so muß ich annehmen, daß die französische Regierung Behufs des Kostenanschlags für die Gründung einer Colonie sich zuvörderst über die Zahl der Colonisten habe versichern wollen. Wenn nun der Zweck des Besuchs des Grafen Daru an sich auch nicht von der Wichtigkeit war, welche ich Anfangs demselben beimessen zu müssen glaubte, so bin ich durch das offene Entgegenkommen des Ministers in dieser Angelegenheit in dem Eindruck bestärkt worden, daß derselbe nicht allein die Absicht hat, das gute Einvernehmen mit uns zu erhalten, sondern auch durch einen vertraulichen Verkehr mit mir so viel als möglich Mißstimmungen, welche zwischen den beiden Regierungen entstehen könnten, bei Zeiten vorzubeugen. 212*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 231–234. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 234–238; Victoria, Letters II,2 S. 8–9; Newton, Lord Lyons I S. 254–261, 267–274, 276–277; OD XXVI S. 280–282, 301–304, 312–313, 345–348, 356–359.

Antwort auf den von Clarendon erneut vorgebrachten Vorschlag einer allgemeinen Entwaffnung: Im Gegensatz zu den anderen Großmächten hat Deutschland mehrere Grenzen zu verteidigen; die Friedensstärke der anderen Mächte ist jeweils höher als diejenige Preußens; schließlich kann die Stimmung eines Volkes plötzlich künstlich erregt werden. – Der Brief kann Clarendon vorgelesen werden. Berlin, 9. Februar 1870

221

216*. Bismarck an Werthern, Berlin, 15. Februar 1870

213*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 238–239. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 240–241.

Er soll jeden Versuch unterlassen, König Ludwig II. zu drängen, seinen schon öfters angekündigten Besuch in Berlin anzutreten. Berlin, 9. Februar 1870 214*. Bismarck an Eichmann Bismarck, GW VIb S. 239–240. Erlaß.

Er soll dem Minister Friesen Dank für dessen staatsmännische Rede vom 3. Februar über die Beziehungen zwischen Sachsen und dem Norddeutschen Bund274 aussprechen. Berlin, 10. Februar 1870 215.* Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 241–242. Erlaß.

Das neue Ministerium in Wien275 kann eigentlich nicht eine „parlamentarische Regierung“ genannt werden. In England ist diese über Jahrhunderte gewachsen und gereift. Hauptsache in Wien ist, daß die neuen Minister unter sich einig sind. Berlin, 12. Februar 1870 216*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 243–245. Erlaß. – Vgl. auch OD XXVI S. 314–317, 323.

Da König Ludwig seinen Minister Hohenlohe gegenüber der ultramontanen Mehrheit in den Reichsräten fest stützt, wäre es politisch gefährlich, wenn der Minister jetzt zurückträte. Berlin, 15. Februar 1870

274  Kurze Zusammenfassung de Kammerdebatte in Dresden in: Schulthess’ Europäischer Geschichskalender 11 (1870) S. 42. 275  Zur Zusammensetzung ebenda S. 258–259.

222

220*. Bismarck an Schweinitz, Berlin, 16. Februar 1870

217*. Bismarck an Loos276 Bismarck, GW VIb S. 245. – Schreiben. – Vgl. auch OD XXVI S. 290–292, 339– 341.

Wie könnten sich die Verhältnisse in Stuttgart nach einem etwaigen Rücktritt Varnbülers entwickeln? Berlin, 15. Februar 1870 218*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 245–247. Immediatbericht.

Da bei einer generell erlaubten Rückkehr von Mitgliedern der Welfenlegion aus Frankreich nach Hannover diese sich dort zu Werkzeugen antipreußischer Agitation mißbrauchen lassen könnten, sollte es bei dem Grundsatz bleiben, daß sie in einzelnen Fällen zurückkehren könnten, aber ohne Aussicht auf Straflosigkeit. Berlin, 16. Februar 1870 219*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 247–248. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 250–251.

Der letzte Bericht des Konsuls Bamberg277 ist derart alarmistisch, daß er Werthers eigene Meinung dazu wünscht (so auch künftig). Berlin, 16. Februar 1870 220*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 248–249. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 251–252, 255–256, 260, 280–291, 292–296, 297, 298–302, 309, 312–314, 318–320, 326.

Ein österreichischer Bischof hat Arnim eröffnet, daß die beim Vatikanischen Konzil opponierenden österreichischen Bischöfe eventuell abreisen

276  Alwin von Loos (1823–1883), preußischer Militärbevollmächtigter in Stuttgart 1868 – Juli 1870. 277  Felix Bamberg (1820–1893), seit 1851 an der preußischen Gesandtschaft in Paris tätig; dort Konsul 1867–1870; danach im Hauptquartier in Versailles und beim Oberkommando der Okkupationsarmee in Frankreich 1870–1873.

223

223*. Loftus an Clarendon, Berlin, 19. Februar 1870

würden. Könne von Berlin aus in Wien darüber sondiert werden? Das ist nicht inopportun. Berlin, 16. Februar 1870 221*. Bismarck an Stolberg-Wernigerode Bismarck, GW VIb S. 249–250. Vertraulicher Privatdienstbrief.

Es ist unangebracht und unrichtig, wenn die Presse im Hannoverschen zum Zweck der Assimilierung neuerdings des öfteren auf die ältere brandenburgische Geschichte zurückgreift. Berlin, 17. Februar 1870 222*. Prim278 an Erbprinz Leopold Becker, „Diversion“ I S. 271–272. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 272–274.

Da er – Leopold – als geeigneter Kandidat für die spanische Thronfolge in Frage kommt, bittet er, dem Cortes-Abgeordneten Salazar eine günstige Antwort zu erteilen. Madrid, 17. Februar 1870 223*. Loftus an Clarendon Becker, „Diversion“ I S. 275–277. Sehr vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 278–279, 326, 431.

Bismarck hat mir deutlich ausgesprochen, daß bei ernsten Unruhen in Bayern Preußen dort sofort einmarschieren würde. – Die ultramontane Partei in München hat nun die Entfernung des Fürsten Hohenlohe erreicht279; sie propagiert offen, daß sie im Ernstfall auf militärische Hilfe Frankreichs und Österreichs zählen könne. Berlin, 19. Februar 1870 278  Juan

Prim y Prats (1814–1870), Marques de los Castilleyos; spanischer General; führend am Sturz der Königin Isabella beteiligt; Kriegsminister 1868–1869; Ministerpräsident 1869–1870. 279  Hohenlohe hatte am 15. Februar 1870 den König infolge eines Mißtrauens­ votums der Patriotischen Partei beider Kammern um seine Entlassung gebeten. Im vorangegangenen Streit ging es um die Frage des Casus foederis in einem möglichen Krieg. Vgl. ausführlich Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 148–170. 224

226*. Runderlaß Bismarcks, Berlin, 21. Februar 1870

224*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 253–254. – Vertraulicher Erlaß.

Es ist unrichtig, wie Innenminister Giskra sagt, daß die „Correspondance Tchèque“280 in Berlin preußischerseits subventioniert werde. Umgekehrt polemisiert die „Sächsische Zeitung“ unvermindert gegen Preußen. – Dem parlamentarischen System in Wien ist Erfolg zu wünschen. Berlin, 20. Februar 1870 225*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 252–253. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 439–440; Beust, Erinnerungen II S. 431–433.

Die Anstellung des polnischen Publizisten J. Klaczko281 in der Wiener Staatskanzlei deutet auf „gewagte Operationen“ des Grafen Beust „in und mit Galizien“ hin. Berlin, 20. Februar 1870 226*. Runderlaß Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 255–256. Vertraulicher Runderlaß.

Durch die neueste Entwicklung auf dem Vatikanischen Konzil282 entsteht die Gefahr, daß die Grenze zwischen dem kirchlichen und dem staatlichen Gebiet überschritten werde. Der österreichische Botschafter in Rom wird von seiner Regierung beauftragt, dort vor gefährlichen Abwegen zu warnen. Dem österreichischen Botschafter in Berlin ist gesagt worden, daß eine entsprechende Initiative von einer katholischen Macht ausgehen müsse. Berlin muß weiterhin Zurückhaltung üben. Berlin, 21. Februar 1870

280  Eine in Berlin erscheinende Zeitung, die von der preußischen Regierung subventioniert wurde. 281  Julian Klaczko (1825–1906), polnischer Schriftsteller. 282  Ältere gute Quellensammlung zum Vatikanischen Konzil: Kremer-Auenrode, Actenstücke I–II. Darstellung u. a.: Schatz, Vaticanum I Bd. 1–3.

225

229*. Salazar an Fürst Karl Anton, Düsseldorf, 24. Februar 1870

227*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 256–258. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ I S. 274–275, 277–278, 294–297, 314–315; OD XXVI S. 294–300, 309–312, 318–321, 327–332, 342–344, 349–350, 353–355, 395–398.

Der württembergische Minister Varnbüler möge sich konkret äußern, ob er angesichts der derzeit herrschenden Pressepolemik über die Geltung der Schutz- und Trutzbündnisse von 1866 diese weiterhin voll anerkenne oder ob er tatsächlich der Meinung sei, daß der Casus foederis in jedem Falle eigens geprüft werden müsse. Berlin, 21. Februar 1870 228*. Bismarck an Keyserling Independenţa Romăniei. Documente II,1 S. 42–43. Erlaß.  – Vgl. auch ebenda S. 44–46.

Die Regierung in Bukarest hat die Schutzmächte ersucht, bei der Pforte die Umwandlung der Bezeichnung „Vereinigte Fürstentümer der Moldau und der Walachei“ in „Rumänien“ zu befürworten. Preußen wird wie ÖsterreichUngarn die Anerkennung der Titelveränderung davon abhängig machen, wie die Pforte dazu selbst stehe. Berlin, 21. Februar 1870 229*. Salazar an Fürst Karl Anton Becker, „Diversion“ I S. 280. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 280–281, 324–325, 329–333, 334–336; Empress Frederick, Letters S. 71; OD XXVI S. 377–379.

Er ist Überbringer von je einem Schreiben an Prinz Leopold, an den König von Preußen und an Bismarck. – Bitte um eine Audienz. Düsseldorf, 24. Februar 1870

226

233*. Bismarck an Flemming, Berlin, 28. Februar 1870

230*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 259. Telegramm. – Vgl. auch OD XXVI S. 403–405, 407– 410; XXVII S. 10–11, 19–23, 53–57, 58–63.

Er ist mit der Berufung des Grafen Bray283 zum Nachfolger Hohenlohes in München sehr einverstanden. Berlin, 25. Februar 1870 231*. Fürst Karl Anton an König Wilhelm I. Becker, „Diversion“ I S. 281–282. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 283–287, 293–294, 297–300, 304–305, 307–314, 322–329, 326–327, 329–333, 337.

Meinem Sohn Leopold wird die spanische Krone angeboten. Nach eigenem Gefühl sollte „die zweifelhafte Ehre“ unbedingt abgelehnt werden. Wenn indes höhere Interessen es erheischen, so möge er – der König – die Entscheidung treffen. Düsseldorf, 25. Februar 1870 232*. König Wilhelm I. an Bismarck Becker, „Diversion“ I S. 292. Schreiben.

Das spanische Angebot „fällt mir wie ein Blitz aus heiterer Luft auf den Leib“. Von Hause aus bin ich dagegen. Berlin, 26. Februar 1870 233*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 260–264. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 264–265, 276–279; Becker, „Diversion“ I S. 287–291, 306, 316–322, 328, 333, 339–340, 373; Bismarck, GW XI S. 98–108; DDI I, 12 S. 301–303, 308–313; OD XXVI S. 365– 372, 381–389, 393–395, 405–407, 412–418; XXVII S. 23–28, 65–67.

Die Gründe, daß er im Reichstag am 24. Februar auf das Drängen des Nationalliberalen Lasker284, das Großherzogtum Baden solle sich jetzt schon 283  Otto Graf von Bray-Steinburg (1807–1899), bayerischer Gesandter in Wien 1860–1870; Ministerpräsident und Außenminister 1870–1871; Gesandter in Wien 1871–1897. 284  Eduard Lasker (1829–1886), führender liberaler Politiker; Mitglied des Reichstags (Nationalliberal, Liberale Vereinigung) 1867–1884. – Zur Reichstagsdebatte über

227

234. Schweinitz an Bismarck, Wien, 28. Februar 1870

dem Norddeutschen Bund anschließen, ablehnend reagieren mußte, sind (und sie konnte er öffentlich nicht kundgeben): 1. Rücksicht auf die eigentümliche Persönlichkeit des Königs von Bayern; 2. Rücksicht auf Frankreich, wo gerade das konstitutionelle System Wurzel schlagen soll. Berlin, 28. Februar 1870 234. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/2702, S. 325–328. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 5. März 1870.

No. 57.

Wien, 28. Februar 1870

Am 25ten Februar besuchte mich der Königlich Bayerische Gesandte und zeigte mir – im engsten Vertrauen – einen Brief des Cabinets-Secretairs Eisenhardt des Inhalts: König Ludwig suche einen Minister, welcher, keiner der Parteien angehörend, deren Beruhigung herbeiführen könne und der mit reicher Erfahrung einflußreiche gesellschaftliche Stellung verbände; solch einen Mann glaube Seine Majestät im Grafen Bray zu finden; der FinanzMinister Pfretschner285 werde deshalb nach Wien geschickt, um mit dem Gesandten zu verhandeln. Graf Bray sagte mir, er werde sich dieser schweren Pflicht kaum entziehen können, hoffe indeß, derselben durch provisorische Uebernahme des auswärtigen Ministeriums zu genügen. Vorher aber sei es ihm Bedürfniß, sich zu vergewissern, daß er in Berlin nicht mißliebig sein würde. Ich antwortete sogleich, hieran sei nicht zu denken; doch würde ich, seinem bestimmt ausgesprochenen Wunsche folgend, telegraphisch fragen; Euere Excellenz hatten die Güte, mich in Stand zu setzen, dem Grafen noch an demselben Tage die ihn erfreuende Antwort zu bringen. In unseren mehrfachen Unterhaltungen äußerte Graf Bray: Nicht nur er, ein Unterzeichner der Verträge286, sondern auch jeder andere Minister müsse denselben treu bleiben, ein gutes Verhältniß zu Preußen sei nothwendig; vom Südbund scheine ja keine Rede mehr zu sein. Er, der Graf, wisse als Theilnehmer an den Berliner Verhandlungen, daß der Geist der Schutz- und Trutz-Bündnisse allerdings wesentlich auf Vertheiden Laskerschen Antrag vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 47–52. 285  Adolph (1880 Freiherr) von Pfretzschner (1820–1901), bayerischer Finanzminister 1866–1872. 286  Der Schutz- und Trutzbündnisse von 1866. 228

236. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 1. März 1870

digung ziele; sie sollten den süddeutschen Staaten den Schutz fortsichern, welchen ihnen früher die Bundes-Verfassung gewährte. Ich wandte ein: Norddeutschland müsse, wenn es die Vortheile seiner überlegenen Heeres-Organisation nicht opfern wolle, eine kriegerische Bedrohung durch strategische Offensive abweisen, eine Untersuchung, wer der Angreifer sei, habe weder 1859 noch 1864, noch 1866 zu einem allgemein anerkannten Ergebniß geführt. Im ferneren Verlauf unserer Gespräche bemühte ich mich, den Grafen, dessen Harthörigkeit leider zugenommen hat, zu überzeugen, daß es, wenn die Kammern etwa das Kriegs-Budget verkürzten, vor Allem darauf ankomme, die soldatische Tüchtigkeit, also die Präsenz, nicht zu benachtheiligen; lieber alte Gewehre, aber volle Compagnien. Nach seinen Verhandlungen mit dem Finanzminister sagte mir Graf Bray, er könne sich erst dann entscheiden, wenn er sich orientirt haben werde, namentlich in Betreff der Budget-Bewilligung, deshalb habe er die Königliche Erlaubniß zur Reise nach München erbeten und erlangt. Von anderer Seite höre ich, der Reichskanzler habe dem Bayerischen Gesandten zugeredet anzunehmen; noch Andere behaupten aber, Graf Beust sehe am liebsten Herrn von der Pfordten287 an der Spitze. 235*. Diktat Bismarcks Keudell, Erinnerungen S. 430–433.

Vorteile der Annahme der spanischen Königskrone durch den Erbprinzen Leopold von Hohenzollern für Preußen und Deutschland. Berlin, Ende Februar 1870 236. Rosenberg an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3352, S. 93–103. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 3. März. 1870.

No. 10.

Stuttgart, 1. März 1870

Euerer Excellenz vertraulichen Erlaß den casus foederis bei dem Schutzund Trutzbündniß betreffend habe ich durch Depeschenkasten zu erhalten die Ehre gehabt und mich beeilt, mich dem Inhalt gemäß zu Fhrn. von Varnbüler auszusprechen. 287  Ludwig Frhr. von der Pfordten (1811–1880), bayerischer Ministerpräsident und Außenminister (zuletzt) 1865–1866.

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236. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 1. März 1870

Ich hob hervor, daß die Bayerische Adreß-Debatte288 und die gegnerische Presse seinen frühern Äußerungen in der Württembergischen Kammer von 1867 eine größere Tragweite gegeben habe und ein weiteres Stillschweigen seinerseits damit nicht verträglich erscheine. Gleichzeitig entwickelte ich dem Minister aufs Neue die Gesichtspunkte, welche Euere Excellenz bei Beurtheilung der beiderseitigen Allianzverpflichtungen für maaßgebend erachten. Fhr. von Varnbüler erwiederte mir: Er habe, wie mir wohl bekannt sei, eine prinzipielle Abneigung gegen alle Zeitungspolemik und glaube, daß die Regierungen ihrer nicht bedürfen, ja sogar ihr Ansehen schädigten, indem sie ihre Politik in den Zeitungen darlegten. Was der vorliegende Fall anbetreffe, so sei seine Auffassung über die Verträge unverändert dieselbe geblieben, und er könne nur wünschen, daß Preußen im Kriegsfalle lauter so loyale Alliirte haben werde, als er es sei, jedoch glaube er, daß wie in jedem Privat-Vertrage so auch bei einem Allianz-Vertrage die einzelnen Contrahenten das Recht der Erwägung hätten, ob der Vertrag Platz greife oder nicht, denn sie seien ja Alliirte und nicht der eine dem andern untergeordnet, jedoch verwahre er sich dagegen, als ob in diesem Rechte die Befugniß liege, sich den vertragsmäßigen Verpflichtungen irgend zu entziehen. Auch sei, wie ihm scheine, Preußen in der CircularDepesche vom 12. April 1867289 von diesem Standpunkte ausgegangen, indem es die süddeutschen Regierungen befragt habe, ob sie die Verantwortung eines zum Schutz Luxemburg’s zu unternehmenden Kriegs mit Preußen thei­ len wollten. Der Minister recapitulirte mir hierauf die in dem qu. Circular gestellte Frage so wie die von ihm ertheilte Antwort. Ich entgegnete dem Fhrn. von Varnbüler, daß die Anfrage von 1867 von besonderer Natur gewesen sei und nicht zum Princip erhoben werden könne. Preußen hätte damals aus specifisch preußischen Interessen keinen Grund gehabt, einer legalen Abtretung Luxemburg’s an Frankreich mit den Waffen entgegen zu treten, wohl aber habe Preußen diese Pflicht gefühlt, sobald es sich herausgestellt haben würde, daß das Nationalgefühl Deutschlands durch ein solches Arrangement verletzt worden wäre. Um über die Stimmungen und Entschließungen der süddeutschen Regierungen, namentlich aber auch um über ihre militairischen Vorbereitungen sich zu orientiren, habe Euere Excellenz das qu. Circular erlassen, nicht aber um den süddeutschen Staaten die Prüfung und Entscheidung des Bündißfalls zu überlassen. Ich las hierauf die entscheidende Argumentation des Circulars dem Fhrn. von Varnbüler vor, der mir entgegnete: „Jedenfalls hat Preußen 288  Vgl. ausführlich Schulthess’ Europäsicher Geschichtskalender 11 (1870) S. 149–

169.

289  Nicht in Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 8 (1867). Vgl. aber dort S. 196.

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236. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 1. März 1870

das Bedürfniß gefühlt, vorher mit seinen Mitcontrahenten in Verhandlung zu treten, auch wir würden in einem ähnlichen Falle ein Gleiches thun, denn wir sehen die einzelnen Verbündeten wie uns selbst nicht als Willenso b j e k t e , sondern Willenss u b j e k t e an, und davon ist wohl auch Graf Bismarck ausgegangen, indem er die fragliche Erörterung herbeiführte. Ich bemerkte hierbei dem Herrn Minister, daß Euere Excellenz das Schutzund Trutzbündiß einfach so auffassen, daß an die Stelle des Prüfungsrechts das gegenseitige Vertrauen und das Gefühl der nationalen Zusammengehörigkeit getreten sei[en], jeder wisse, daß der Andre keine Eroberungskriege führen werde, und ein jeder Theil sei sich bewußt, daß die Gefahren des Einen auch Gefahren für den Andern seien, deshalb werde jeder dem Hilferuf des Andern ohne Weiteres Folge leisten. „Allerdings“, entgegnete mir Fhr. von Varnbüler, „auch ich fasse praktisch den Vertrag so auf, weil ich das Vertrauen habe, daß kein Preußischer Staatsmann von uns die Cooperation bei einem Kriege verlangen werde, der nicht unter die Bestimmungen des Vertrags fällt. Ich würde in der Auslegung des Vertrags sogar weiter gehen als z. B. Herr von Freidorf dies gethan hat, indem er die vertragsmäßige Verpflichtung nur auf den Vertheidigungskrieg beschränken wollte. Ich würde demselben auf jeden das deutsche Gebiet bedrohenden Fall ausdehnen. Wie kann man überhaupt glauben, daß ich einen Vertrag nicht in loyaler Weise ausführen werde, zu dem ich ja den Anstoß gegeben habe?“ Der Minister erwähnte bei diesem Anlaß auch Euerer Excellenz wohlbekannte Verdienste um die Erneuerung des Zollvereins und schloß mit der Bemerkung, daß er zwar Euerer Excellenz jeden wünschenswerthen Aufschluß über seine Auffassung rückhaltlos zu ertheilen bereit sei, denn ihm liege daran, daß Sie über seine Absichten vollkommen klar sähen und das vollste gegenseitige Vertrauen bestehe, dagegen fühle er kein Bedürfniß, wegen einzelner Vorgänge in der Bayerischen Kammer sich in eine Zeitungspolemik einzulassen. Ich entgegnete dem Minister, daß Euerer Excellenz vertrauliche Anregung kein Zeichen von Mißtrauen in sich schlösse, sondern nur ein freundschaftlicher Hinweis auf die Nothwendigkeit sei, mit seinem Standpunkt in Betreff des Allianzvertrags an die Öffentlichkeit zu treten, ebenso wie dies Seitens des Bundes-Präsidiums bei Eröffnung des Reichstags geschehen sei. Die Benutzung der Presse möge manche Übelstände mit sich führen, aber wenn alle anderen Württemberg nahe stehenden Regierungen sich der Presse bedienen, um ihren Auffassungen Geltung zu verschaffen, so ziehe Württemberg den Kürzeren, wenn es den Weg der Öffentlichkeit verschmähe; das Stillschweigen werde nur Mißdeutungen mit sich führen, wie die Lage der Sache beweise.

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236. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 1. März 1870

Fhr. von Varnbüler bemerkte mir hierauf, daß er über diesen Punkt anderer Meinung sei und namentlich zu einem Artikel im Staats Anzeiger keine Veranlassung sehe, dagegen habe er nichts dagegen, wenn in einer andern Zeitung ein Artikel erschiene, der die loyale Auffassung klar lege, und werde dann diesen in dem Staats Anzeiger reproduziren lassen. Um Mißverständnisse über die Äußerungen des Minister[s] von Varnbüler vorzubeugen, habe ich vorstehendes Referat ihm vorgelesen, und er hat es dem Sachverhalt genau entsprechend erklärt. Ein Beamter seines Ministeriums hat inzwischen den fraglichen Artikel für die Augsburger Allgemeine Zeitung verfaßt, und ich werde die betreffende Nummer des Staats Anzeigers, welche diesen Artikel abdruckt, Euerer Excellenz einzureichen nicht unterlassen. Die Wahl des Augsburger Blattes ist durch mich erfolgt, weil sie es gerade war, welche den letzten hiesigen offiziösen Artikel über die Auslegung der Verträge in partikularistischem Sinne brachte. Was speziell die Haltung des Fhrn. von Varnbüler in Betreff der Prüfung oder, wie er jetzt sagt, „Erwägung“ des casus foederis angeht, so erlaube ich mir, aus meiner hiesigen Geschäftsführung und den Akten Folgendes gehorsamst zu recapituliren. Am Anfange der Luxemburger Verwickelung äußerte Fhr. von Varnbüler im vertraulichen Gespräch: Ich bin kein Jurist, und wenn es zur Anwendung des Allianzvertrags290 kommen sollte, so werde ich nach politischen Gründen verfahren. Als nun die entscheidende Anfrage vom 12. April 1867 erfolgte und Fhr. von Neurath behauptete, es sei kein casus foederis vorhanden, nöthigte Fhr. von Varnbüler diese Collegen und den dem Preußischen Wehrsystem abgeneigten Kriegsminister zum Rücktritt, zog den von ihm damals abhängigen Herrn Mittnacht291 und den dem militärischen Anschluß geneigten Wagner ins Ministerium und ertheilte nach Berlin eine entgegenkommende Antwort, in der indeß die Bemerkung vorkam (Erlaß vom 30. April 1867), „er wolle es für jetzt dahin gestellt sein lassen, ob der casus foederis vorliege“. Auch bei zwei späteren Anlässen, nämlich bei der im November 1867 erfolgten Reklamation gegen seine Rede in der Kammer so wie bei der Anfrage vom Dezember 1868 wegen seiner Auslegung der Württembergischen Thron290  Zur

Diskussion in den süddeutschen Staaten (auch Württembergs) über die Anwendung der Schutz- und Trutzbündnisse während der Luxemburgkrise im März/ April 1867 vgl. ebenda 8 (1867) S. 191–197. 291  Hermann (1887 Frhr.) von Mittnacht (1829–1909), württembergischer Justizminister 1867–1878; Vorsitzender des Ministerrats 1870–1900. – Seine Erinnerungen („Rückblicke“) sind für diese Edition von einigem Belang. – Der danach erwähnte Rudolf Frhr. v. Wagner-Frommenhausen (1822–1891), Generalleutnanat; württembergischer Kriegsminister 1867 – 28. März 1870. 232

237. Arnim an Bismarck, Rom, 4. März 1870

rede gab Fhr. von Varnbüler über seine Auffassung der Allianzverpflichtungen zwar erfreuliche Aufschlüsse, vermied es indeß, das Prüfungsrecht des casus foederis zu besprechen, weil er es, wie ich glaube, weder ausdrücklich betonen noch weniger darauf verzichten wollte. 237. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7569, S. 350–363. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. März 1870. Auszug.

No. 33.

Rom, 4. März 1870

Der wichtigste Paragraph der in meinem Berichte No. 32 erwähnten Adresse der deutschen Bischöfe ist derjenige, in welchem dieselben die Befürchtung aussprechen, daß, wenn nicht ihrem Antrage gemäß das Majorisirungprincip bei dogmatischen Fragen ausgeschlossen bleibt, der ökumenische Charakter des Konzils angezweifelt und sein Ansehen als der Wahrheit und Freiheit entbehrend beim christlichen Volke untergraben werden könnte. […] Hierin liegt der Punkt, an den nach der Meinung kompetenter Personen die Regierungen anknüpfen könnten und sollten, um sich der Aktion der Bischöfe anzuschließen und in die Entwicklung der Dinge einzugreifen. Die Regierungen haben bisher freilich einen ganz anderen Standpunkt eingenommen. Die Äußerungen derselben stimmen mehr oder weniger dahin überein, daß sie das Konzil sich selbst überlassen, die Freiheit seiner Berathungen nicht stören wollen, während sie sich vorbehalten haben, etwaigen Uebergriffen mit den Landesgesetzen zu wehren. Aber indem man meinte, das Konzil sich selbst zu überlassen, hat man es dem Pabst überantwortet, der seine weltliche Macht mißbraucht, um dem Konzil die Grundlage seiner Existenz, die Freiheit, zu nehmen. Indem man glaubte, den eigenen Bischöfen vertrauen zu können, hat man übersehen, daß sie numerisch zu schwach und nach ihrer ganzen Vergangenheit in der Mehrzahl zu wenig staatsmännisch gebildet sind, um nicht in das Netz italienischer Ränke und Gewaltmaßregeln zu fallen, in welchem sie unter täglicher Gefahr des Erliegens mit redlichem Bemühen ringen, sich und den Völkern, welche sie vertreten, die Freiheit des Gewissens, ihren Ländern den reli­ giösen Frieden zu wahren. Was nun aber endlich den Vorbehalt betrifft, gegen etwaige übergreifende Beschlüsse des Konzils die Macht der Landesgesetze anzurufen, so hat es damit nicht viel zu bedeuten; denn es werden keine Uebergriffe geschehen, gegen welche die Gesetze in Anwendung gebracht werden könnten. – Wenn das Konzil wirklich die weitgehendsten Erwartungen des Pabstes erfüllen und dann auseinandergehen sollte, so würde für den Augenblick – ja für die

233

237. Arnim an Bismarck, Rom, 4. März 1870

nächsten Jahre – doch keine greifbare Änderung im Kirchenregiment und in dem Verhältnisse des Staats zur Kirche eintreten. – Darin liegt die Gefahr nicht. – Sie liegt vielmehr in der dann ins Maßlose gesteigerten Frechheit der fanatischen Parthei, welche die Gewissen der Katholiken terrorisiren, das Kirchenregiment und die Erziehung der Geistlichkeit wie der Jugend mehr und mehr an sich reißen wird, ohne grade mit den Gesetzen in Widerspruch zu gerathen. – Sind Konzilsbeschlüsse einmal perfekt geworden, so wird die bei Weitem größte Mehrzahl der Bischöfe sich Anfangs schweigend, später mit lauten Erklärungen unterwerfen, und in zehn Jahren wird kein Bischofsstuhl mehr in deutschen Landen sein, der nicht der ultramontanen Parthei gehörte, da man keinen Priester mehr finden wird, der nicht aus freiem Willen oder gezwungen ihre Prinzipien adoptirt hat. – Die theologische Wissenschaft aber wird unwiderstehlich in den Sumpf jesuitischer Formeln versinken und Nichts mehr dem deleteren292 Einfluß widerstehen, welchen Rom auf die Völker üben will. – Man muß Zeuge der giftigen Leidenschaftlichkeit sein, mit welcher hier jetzt schon die Religion zum Werkzeuge des Hasses und tobender Verfolgungssucht gemacht wird, um sich eine Vorstellung von den Zuständen zu machen, deren Zeugen wir sein werden, wenn die Drachensaat aufgeht, welche hier gesät wird. – Und man rechne nicht auf die Reaktion, welche innerhalb der Kirche zu Tage treten könnte! Wenn eine Reaktion n a c h dem Konzil eintritt, so wird sie in der Kirche Nichts mehr bedeuten. – Sie wird Einige Wenige aus der Kirche hinausdrängen; aber was dann in der Kirche bleibt – und es wird die Masse sein –, ist ein fanatisirter Haufen, dessen Instincte sich alle gegen die heutige geographische und politische Weltordnung richten. – Die unmittelbaren, greifbaren Folgen des Konzils, wenn es nach dem Sinne des Pabstes geht, kann man nicht gering genug anschlagen; aber es ist schwer, die Gefahr der Nachwirkungen zu übertreiben, welche das Konzil nach einem Jahrzehend haben wird. Wenn man sich diese Lage der Dinge vergegenwärtigt, so gewinnt man die Überzeugung, daß wir gerade im jetzigen Augenblick in eine Krisis von welthistorischer, dramatischer Bedeutung eingetreten sind, von unendlicher Wichtigkeit für das Konzil wie für die katholische Welt im Allgemeinen, namentlich in Österreich und Deutschland. – In letzter Beziehung ist die Wahrnehmung unabweisbar, daß durch die katholische Welt eine Fülle von Zweifeln geht, daß die lange Gewohnheit der blinden Folgsamkeit gegen Rom augenblicklich erschüttert ist und daß eine große Menge derjenigen, welche bisher über ihr Verhältniß zum Pabstthum nicht nachdachten, ihr Urtheil, ihre Überzeugung suspendiren, bis ein großer Erfolg oder eine große Niederlage Roms ihnen gezeigt haben wird, wo die siegende Wahrheit ist.

292  deletären:

234

tödlichen, verderblichen.

237. Arnim an Bismarck, Rom, 4. März 1870

Dieser allgemeinen, großen, zitternden Bewegung entspricht hier die Opposition der Bischöfe, welche sich nun endlich in der freilich noch viel umwickelten und verhüllten Frage nach der Rechtsbeständigkeit der Vatikanischen Versammlung zugespitzt hat. Die Frage: Wer bist Du, daß Du uns gebieten willst? klingt aus dem Aktenstück der Deutschen293 deutlich genug heraus und ist diejenige, mit der die Aktion der Opposition hätte beginnen sollen. – Mit einem Worte: Der alte Stamm ist geborsten, und es gilt, einen Keil einzutreiben, solange der Riß frisch ist. – Wenn die Rinde erst wieder darüber wächst, ist die Vitalität der römischen Organisation immer noch groß genug, um die Wunde so zu heilen, daß die nächste Generation die Stelle nicht mehr findet, wo sie war. Man könnte nun glauben, daß die eignen Kräfte der oppositionellen, namentlich des österreichischen und deutschen Episkopates genügen müßten, um den Zweck – die Bewältigung der römischen Despotie – zu erreichen. Das ist jedoch leider nach dem Zeugniß der Führer nicht der Fall. – Es hat große Mühe gekostet, die Opposition bis hierher zu führen, und, da bei der geringen Anzahl der opponirenden Bischöfe jeder Einzelne von Werth ist, hat es der Anwendung jeder Art von Überredungskünsten, Konzessionen an individuelle Liebhabereien und Marotten bedurft, um die Gruppe zusammen­ zuhalten. Für den äußersten entscheidenden Schritt, das Verlassen des Konzils, selbst auf Gefahr eines Schismas, ist aber auf eine kompakte Menge noch nicht mit Bestimmtheit zu rechnen. – Mit Rücksicht hierauf und um sowohl dem Vatikan gegenüber freier und gestützter zu erscheinen, als um den Schwankenden im eigenen Lager einen gewissermaßen zwingenden Rückhalt zu geben, glauben die Führer der Partei einer nachdrücklichen Mitwirkung der politischen Gewalten nicht entbehren zu können. Sie halten den gegenwärtigen Moment für das Eingreifen der Regierungen um so mehr für geeignet, als die Frage nach der Oekumenizität des Konzils keine dogmatische ist; sondern eine staatskirchenrechtliche und höchst politische. – In der That wird eine jede Regierung, welche über die Organisation der katholischen Kirche in ihrem Lande Verträge mit Rom geschlossen und durch diese Verträge dem römischen Pabst gewisse Regierungsrechte über die eigenen Unterthanen eingeräumt hat, wohl zu der Frage berechtigt sein, ob der Pabst seine nach alten Gesetzen begründete und nur in diesem Umfange anerkannte Gewalt noch in den alten Gränzen übt? Ob er noch derselbe ist, mit dem die Verträge geschlossen sind?

293  Gemeint vermutlich die von der Mehrzahl der deutschen (österreichisch-ungarischen und anderen) Bischöfe vom 26. Januar 1870 unterzeichnete Adresse an den Papst, in der dieser gebeten wurde, die Petition anderer Konzilsväter zugunsten der Infallibilitätslehre nicht zum Gegenstand der Diskussion zuzulassen: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1871) S. 414–415.

235

237. Arnim an Bismarck, Rom, 4. März 1870

Ob nicht namentlich die Verdrehung der freisten Lebensäußerung der Kirche, eines allgemeinen Konzils, in ein Mittel der Unterjochung (wozu es gemacht wird durch die willkürliche Art der Zusammensetzung, die Beschränkung der Freiheit und die augenscheinlich beabsichtigte Einführung des Majorisirungsprinzips) eine Überschreitung der päbstlichen Befugnisse implizirt? Ob nicht endlich durch den Mißbrauch der weltlichen Gewalt des Pabstes zur Beschränkung der gesetzlichen Freiheit der nach Rom berufenen Bischöfe die Versammlung im St. Peter vollständig den Charakter der Ökumenizität verloren hat? Wenn alle diese Fragen, wie ein Zweifel darüber kaum möglich ist, gegen die Ökumenizität der Vatikanischen Versammlung entschieden werden müssen, so würde – ich spreche nicht allein meine Meinung aus – eine jede Regierung wohl berechtigt sein, in feierlicher Weise zu erklären, nicht allein, daß sie die Publikation der von der fälschlich als Konzil auftretenden Versammlung gefaßten Dekrete nicht zulassen wird, sondern daß sie auch die Personen, welche zu jenen Beschlüssen mitwirken, sie anerkennen oder sich ihnen unterwerfen, nicht als berechtigte Organe d e r Kirche ansehen kann, welche auf Grund der Verträge und alten Rechtes in den verschiedenen Ländern eine anerkannte staatsrechtliche Stellung hat. Keinen Bischof, keinen Pfarrer, keinen theologischen Lehrer wird sie zulassen dürfen, welcher die Dekrete der Vatikanischen Versammlung anerkennt, der ganze Rechtszustand der Kirche ist suspendirt und das Schisma faktisch eingetreten. Unter allen Europäischen Regierungen ist nur Eine, welche in der Lage wäre, in dieser Richtung sowohl der Kurie als ihren Bischöfen gegenüber im Namen des eigenen Rechtes sowie in Vertretung der auf dem Konzil nicht zugelassenen Laien die Stimme zu erheben. Diese Regierung ist die Österreichische. Der Österreichische Episkopat ist der Einzige, welcher eine kompakte Gruppe bildet, welcher staatsmännisch gebildete Elemente in sich schließt und – ungeachtet aller innern Schwierigkeiten nicht abgeneigt scheint, sich über eine gemeinschaftliche Aktion mit seiner Regierung zu verständigen. – Anderseits ist grade in Österreich die öffentliche Meinung so leidenschaftlich gegen Rom erregt, daß die Kaiserliche Regierung mehr als irgend eine andere in der Lage ist, auf allgemeine Zustimmung im eigenen Lande zu rechnen für Alles dasjenige, was sie gegen römische Anmaßung zu thun sich entschließen sollte. Von kompetentester Seite wird mir die Meinung ausgesprochen, daß der Eindruck immens sein müßte, der im Vatikan hervorgebracht werden würde, wenn die Kaiserliche Regierung sich entschließen sollte, sowohl der Kurie gegenüber als den eignen Bischöfen kund zu geben, daß nach der Auffassung des Kaiserlichen Kabinets die Versammlung im Vatikan nicht die Bedingungen der Ökumenizität erfüllt, und an diese Kundgebung eine Darlegung der 236

239*. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 9. März 1870

Folgen zu knüpfen, welche es für den ganzen Rechtszustand der Kirche in Österreich haben muß, wenn die Vatikanische Versammlung zu beschließen fortschreitet, ohne die Schäden zu beseitigen, durch welche sie den Charakter eines wirklichen Konzils verliert. Es wird auf dieser Seite für möglich und wahrscheinlich gehalten, daß der Pabst unter dem Eindrucke einer solchen Kundgebung – namentlich wenn die deutschen Regierungen in der Haltung ihrer Bischöfe Veranlassung finden sollten, sich Österreich anzuschließen – wohl zu dem wünschenswerthesten aller Entschlüsse gebracht werden könnte, nämlich dem Entschlusse, das Konzil zu vertagen. Das würde der Wendepunkt in der Kirchengeschichte sein, auf welchem die katholische Kirche schon in Konstanz294 angekommen war und nach dem sie sich sehnt, seitdem in Trient die Päbstliche Despotie ihre Stelle innerhalb der modernen Welt gesichert hat. 238*. Fleury an Daru OD XXVII S. 5–7. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 28–32, 35–37, 75–80.

Dem Zaren geht es gesundheitlich besser. – Der Zarewitsch ist eine gute Karte in unserem Spiel; er repräsentiert die „russische Partei“, d. h. die antideutsche und antiausländische Partei. Er ist in die russische Außenpolitik gut eingeweiht. Bismarck fürchtet ihn; derzeit fürchtet er aber noch mehr das bessere Einvernehmen zwischen Rußland und Frankreich. St. Petersburg, 5. März 1870 239*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 266–274. Immediatbericht. Vgl. auch Becker, „Diversion“ I S. 343–355; 372–373, 376–377; Victoria, Letters II,2 S. 10–11, 22–29.

Aus folgenden Gründen plädiert er für die Annahme der von Spanien dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern angetragenen Krone: 1. Die spanische Kriegsmacht würde im Kriegsfall ein bis zwei französische Armeekorps binden; 2. der deutsche Handel würde mächtig wachsen; 3. das Ansehen der Hohenzollerndynastie würde gehoben; 4. das deutsche Nationalgefühl würde gekräftigt. – Bei einer Ablehnung würden sich die Wünsche der Spanier auf

294  Gemeint das 16. Ökumenische Konzil 1414–1418 in Konstanz, auf dem das Abendländische Schisma beseitigt und eine Reform der Kirche eingeleitet werden sollte. – Das danach erwähnte (19.) Konzil von Trient von 1545 bis 1563, auf dem mehrere Reformdekrete zustande kamen.

237

242. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 12. März 1870

Bayern richten; Spanien würde wahrscheinlich eine Republik werden. – Das Projekt sollte im kleinen Kreis weiterbesprochen werden. Berlin, 9. März 1870 240*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 275. Erlaß.

Die Verlegung der französischen Waffenfabrik von Mutzig ins Landesinnere deutet darauf hin, daß Frankreich vielleicht demnächst auf einen Konflikt mit Deutschland hinarbeitet. Berlin, 11. März 1870 241. Bismarck an Radowitz PA Berlin, RZ 201/12101, S. 169–170. Telegramm. In Ziffern. Superrevidiertes Konzept.

No. 3. Berlin, 11. März 1870 Abgangsvermerk: Zur Station 11. März 1870, 10 Uhr 50 Min. [Vorm.?] Nach einer Meldung des Frhr. v. Werther sind in Paris Nachrichten eingegangen über die Möglichkeit eines Eintritts Bratiano’s in das Ministerium und von revolutionären Umsturzplänen. Graf Daru hat Herzog v. Grammont beauftragt, mit Grf Beust zu sprechen, um eventuell in Gemeinschaft mit Oesterreich in Bukarest gegen dieses Treiben und für Beibehaltung des gegenwärtigen Ministeriums zu wirken. In der Juden-Verfolgungs-Frage wollen Ewp. sich unter Bezug auf analoge Schritte Englands und Frankreichs für wohlwollendere Behandlung derselben verwenden. 242. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12101, S. 174–175. Telegramm. Entzifferung.

No. 11.

Bukarest, 12. März 1870, 12 Uhr 30 Min. Vorm. Ankunft: 12. März 1870, 11 Uhr 30 Min. Nachm.

Antwort auf Telegramm No. 3 vom 11ten. Von Eintritt Bratiano’s in das Ministerium keine Rede. Revolutionäre Umtriebe allerdings stark, aber weniger von der rothen Partei als von Freunden 238

245*. König Wilhelm I. an Bismarck, [o. O.] 15. März 1870

des Fürsten Cuza295 ausgehend. Fürst Carl glaubt demnach an keine Gefahr, will Kammer auflösen, wenn Budget nicht votirt und in das Ministerium Johann Ghika berufen. Möglichst gemeinsame Haltung der Vertreter der Großmächte wäre im jetzigen kritischen Moment besonders wünschenswerth. 243*. Wimpffen an Beust Becker, „Diversion“ I S. 368–369. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch OD XXVII S. 12–18.

Bismarcks Endziel ist die Vereinigung von ganz Deutschland unter preußischer Herrschaft; sie ist für ihn nur eine Frage der Zeit. Sein Hauptaugenmerk richtet er auf Bayern. Berlin, 12. März 1870 244*. Bismarck an Arnim StA XXIV S. 177–179. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 316–319; Bismarck, GW VIb S. 285–291.

Der Norddeutsche Bund ist nicht dazu berufen, gegen das Ökumenische Konzil einen Kampf zu beginnen, solange es dort um kirchliche Fragen geht. Die deutschen Bischöfe allerdings sollten dazu Stellung beziehen. Der Staat kann sie dabei stärken und ermutigen. Berlin, 13. März 1870 245*. König Wilhelm I. an Bismarck Becker, „Diversion“ I S. 374. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 375–376; ferner die folgende Nr. 

Zur „spanischen Besprechung“ sind noch Hausminister Schleinitz296 und Staatssekretär Thile geladen. [o. O.] 15. März 1870

295  Alexandru Ioan Cuza (1820–1873), Fürst der Moldau und der Walachei (ab 1862 Rumäniens) 1859–1866. – Der dann folgende: Ion Ghika (1816–1897), Fürst; Ministerpräsident Dezember 1870 – März 1871. 296  Alexander Frhr. (1879 Graf) von Schleinitz (1807–1885), Minister des königlichen Hauses 1861–1885.

239

248*. Bismarck an Werther, Berlin, 16. März 1870

246*. Notiz König Wilhelms I. Becker, „Diversion“ I S. 378. – Vgl. auch ebenda S. 378–381, 385–397, 403–406, 411–414, 421–424, 455–456, 474–476; II S. 105–106.

Ergebnis der Besprechung mit dem Kronprinzen, dem Fürsten und dem Erbprinzen von Hohenzollern und Bismarck: Ich kann dem Erbprinzen den Befehl zur Annahme der spanischen Krone gegen seinen Willen nicht geben. [o. O., o.D.: ca. 15. März 1870] 247. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7569, S. 451–452. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Rom, 15. März 1870, 11 Uhr 15 Min. Vorm. Ankunft: 15. März 1870, 8 Uhr 40 Min. Nachm.

Graf Daru hat geheim Lord Lyons gesagt, wenn Frankreichs Bemühungen in Rom fruchtlos bleiben, müsse man an einen gemeinsamen Schritt aller Mächte in Rom denken. Dies sei aber sehr schwierig, weil Preußen sich daran nicht betheiligen werde. Stehen in dieser Beziehung unsere Entschlüsse ganz fest? Der Oesterreichische Botschafter297 hat, wie ich bestimmt weiß, ein Telegramm erhalten, welches ihn anweist, die letzten Französischen Demarschen zu unterstützen, Frankreich scheint aber selbst die Sache fallen zu lassen. Alles, was b i s h e r von Paris und Wien geschah, ist kopf- und planlos. 248*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 292–293. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 293– 296, 297, 298.

Arnim, der Gesandte in Rom, hatte ursprünglich vorgeschlagen, gegenüber dem Ökumenischen Konzil ein Gegenkonzil durch eine ständige Gesandtenkonferenz in Rom zu bilden, um auf die Kurie und das Konzil nachhaltig einzuwirken. Jetzt ist der Gedanke ausgesprochen worden, eine Verständigung der europäischen Regierungen in der Sache herbeizuführen. Wenn dazu von einer katholischen Regierung, besonders von Paris, eine derartige Auf-

297  Ferdinand Graf Trauttmansdorff (1825–1896), österreichisch-ungarischer Botschafter beim Vatikan 1868–1872.

240

249. Werthern an Bismarck, München, 16. März 1870

forderung kommt, kann sich Norddeutschland solch einer Initiative anschließen. Berlin, 16. März 1870 249. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7569, S. 494–499. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 17. März 1870.

No. 41.

München, 16. März 1870

Durch mein Telegramm No. 5 von heute früh sind Euere Excellenz von der Antwort des Grafen Bray auf die in der Depesche No. 88 vom 13. d.M. gestellte Anfrage, „ob er geneigt sei, in Rom zu erklären, daß er durch die in Aussicht stehenden Beschlüsse den ökumenischen Charakter des Concils & den bisherigen Rechtszustand der katholischen Kirche als aufgehoben erachte“, vorläufig unterrichtet. Im genauen Anschlusse an Euerer Excellenz Weisung hatte ich Sorge getragen, den Grafen darüber zu verständigen, daß Hochdieselben durchaus keine Aufforderung, sondern nur eine Anfrage an ihn zu richten beabsichtigten &, damit er den Gedankengang verstehe, in Folge dessen dieselbe gestellt wurde, ihn vorher von dem Inhalte des angeschlossenen Berichtes des Königlichen Gesandten in Rom so vollständig wie möglich zu unterrichten. Ohne sich auf eine Beurtheilung der Befürchtungen des Herrn von Arnim einzulassen, griff er sofort die Bemerkung desselben auf, daß die Frage nach der Oekumenizität des Concils keine dogmatische, sondern eine staatskirchenrechtliche & politische sei, & sprach sich unverzüglich für die Zweckmäßigkeit, ja Nothwendigkeit der in Rede stehenden Erklärung aus. Mit Herrn von Arnim ist der Graf Bray ferner der Ansicht, daß diese Erklärung am zweckmäßigsten von Oestreich ausgehen würde, da dessen Episcopat allein eine compacte Gruppe bilde & staatsmännisch gebildete Elemente enthalte. Endlich verhehlt er sich nicht, daß, wenn Bayern allein vorgehen wolle, ohne von uns, Oestreich, vielleicht auch Frankreich unterstützt zu werden, bei der gegenwärtigen Lage der Umstände in Rom auf gar keinen Erfolg zu rechnen sei. Auf der andern Seite ist er aber auch wieder mit Euerer Excellenz vollkommen über die Schwierigkeiten einverstanden, in denen sich der Graf Beust in kirchlichen Dingen zwischen der öffentlichen Meinung & den päpstlichen Sympathien der Kaiserlichen Familie befindet, & die nothwendig seine isolirte Action in Rom abschwächen müssen.

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250*. Bismarck an Werther, Berlin, 18. März 1870

Er ist daher zu dem bereits telegraphisch gemeldeten Entschlusse gekommen, Gf. Beust zur Abgabe einer identischen Erklärung aufzufordern, die dazu dienen soll, die opponirenden Bischöfe, von denen er sich nicht trennen will, zu unterstützen, & rechnet natürlich auch auf die von Euerer Excellenz in Aussicht gestellte Mitwirkung. Seine bezügliche Mittheilung geht heute Abend nach Wien ab; er hat aber zur Beschleunigung der Unterhandlungen den Grafen Beust um eine telegraphische Entscheidung gebeten & wird mir dieselbe sogleich nach ihrem Eingang mittheilen. Da ich hier gehört hatte, die Proclamirung des Dogma’s stehe wahrscheinlich schon am nächsten Sonnabend, St. Josephstag, bevor, so suchte ich den Grafen Bray, nachdem ich ihn am Tage mehrere Male verfehlt hatte, gestern Abend noch ganz spät auf. Heute früh hatte er die Güte, mir noch ein Telegramm an den Grafen Tauffkirchen298 mit zu theilen, welches die Anfrage enthält, ob die beabsichtigte Erklärung den Bischöfen willkommen sein [werde] & welchen Erfolg man sich von derselben versprechen dürfe. Auch sagte er mir, er müsse noch die Ansicht Sr.M. des Königs einholen, ehe er eine definitive Entscheidung treffe. Der Graf Bray ist der Meinung, daß eine kräftige Unterstützung der e r s t e n Depesche des Fürsten Hohenlohe, beim Beginnen des Concils, auf die Curie sicher nicht ohne großen Einfluß geblieben sein würde; von dem jetzt beabsichtigten Schritte verspricht er sich aber keinen Erfolg, da Rom zu weit gegangen sei, um umkehren zu können. Die matten Versuche einer Protestation, die kürzlich von Paris & Wien daselbst gemacht worden sind, dürften eher ermuthigt als abgeschreckt haben. Die Folgen, welche die Beschlüsse des Concils voraussichtlich auf Bayern äußern werden, fangen an, ihn jetzt, wo er den Zustand im Lande, den Fanatismus der extremen Mitglieder der ultramontanen Partei, die künstlich genährte Aufregung unter dem Landvolke mit eigenen Augen sieht, mit großer Besorgniß zu erfüllen. 250*. Bismarck an Werther Becker, „Diversion“ I S. 403. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 410, 417, 425– 429, 439–440, 447–450, 457–458, 464–474, 477–478; II 69, 71–72, 82, 106–108, 117, 205–206.

Ist Hohenzollernprinz Friedrich in Paris im Hotel „Bristol“ abgestiegen? Berlin, 18. März 1870 298  Carl Graf von Tauffkirchen (1826–1895), bayerischer Gesandter beim Vatikan 1869–1874.

242

254. Bartels an Bismarck, Jassy, 18. März 1870

251*. Bismarck an Radowitz Bismarck, GW VIb S. 296–297. Erlaß.

Wie schon bei der Münz- und Titelfrage geht Fürst Karl von Rumänien auch bei der Schaffung eines Ordens mit wenig Rücksicht auf die Pforte vor. Berlin, 18. März 1870 252*. Pergler von Perglas an König Ludwig II. Becker, „Diversion“ I S. 408–409.

Bismarck steht in engen Beziehungen zum französischen Militärattaché299; dieser ist aber von dem Gedanken beseelt, daß Frankreich besserer natür­ licher Grenzen gegenüber Deutschland bedürfe. Berlin, 18. März 1870 253*. Canitz300 an Bismarck Becker, „Diversion“ I S. 401–402. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 407–408, 415, 452–454.

Die Annahme der spanischen Krone durch den Erbprinzen Leopold würde für diesen, für das königliche Haus und für Preußen ein Unglück sein. Madrid, 18. März 1870 254. Bartels301 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12170, S. 5–7. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Auszug. Praes.: 1. April 1870.

No. 16.

Jassy, 18. März 1870

Das Vertrauen in die Haltbarkeit der gegenwärtigen Regierung kehrt allmählich zurück, trotz neuer Versuche zur Aufregung der Phantasie des Publi299  Eugène Stoffel (1821–1907), Major; französischer Militärattaché in Berlin 1866–1870. – Er schrieb: Rapports militaires écrits de Berlin 1866–1870. Paris 1871. 300  Julius Frhr. v. Canitz und Dallwitz (1815–1894), Gesandter des Norddeutschen Bundes (1871 Deutschlands) in Madrid 1866–1874. 301  Richard Bartels (1835–1897), Vizekonsul des Norddeutschen Bundes in Jassy 1869 – Mai 1870; kommissarischer Leiter des Konsulats in Konstantinopel Mai 1870 – 1873.

243

256*. Fürst Karl Anton an Fürst Karl, Berlin, 20. März 1870

cums. Namentlich hat die bisher nicht dementirte Nachricht, daß der Fürst an Stelle des entlassenen deutschen Dienstpersonals sich mit einer rumänischen Dienerschaft umgeben habe, nicht wenig zur Beruhigung der öffentlichen Stimmung beigetragen. Man findet in dieser Maßregel einen thatsächlichen Beweis für die erneute Consolidation der Dynastie. Neben den Agitationen gegen Se Hoheit werden fortwährend gehässige Aeußerungen gegen Preußen laut. Besonders ist Dr. Strousberg und sein Eisenbahnunternehmen den lächerlichsten Verläumdungen und Anfeindungen ausgesetzt. Er gilt selbst in einsichtsvollen Kreisen für einen Günstling des Fürsten. Tausend deutsche Arbeiter, welche gegenwärtig in meinem Bezirk unweit Roman und Bakau bei den Eisenbahnbauten Beschäftigung finden, werden von leichtgläubigen Leuten noch immer als verkappte preußische Soldaten betrachtet, die auf ein gegebenes Zeichen Hacke und Schaufel mit dem Zündnadelgewehr vertauschen sollen; zu welchem Zweck, ist nicht recht klar. Die im Bericht No. 15 erwähnte Judenbroschüre trägt den Titel: L’occident et la persécution israélite en Roumanie. Als Verfasser wird Armand Lévy302 genannt, welcher im vorigen Jahre Rumänien bereist hat. […] 255*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 298. Telegramm.

Für Süddeutschland genügt ein diplomatischer Vertreter Englands, ebenso beim Norddeutschen Bund. Berlin, 20. März 1870 256*. Fürst Karl Anton an Fürst Karl Charles Ier, Chroniques S. 570–571. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 572– 574, 576–577, 578–579.

Prinz Leopold hat das Angebot, die spanische Krone zu übernehmen, abgelehnt. Am 15. März hat unter Leitung König Wilhelms I. ein Kronrat stattgefunden; alle Teilnehmer haben sich für die Annahme ausgesprochen. Nach Leopolds Ablehnung kommt nun Bruder Friedrich dafür in Frage. Berlin, 20. März 1870 302  Armand Lévy (1827–1891), französischer Journalist; setzte sich für die jüdische Sache ein. – Die vorgenannte Schrift ist 1870 in Paris erschienen, ein Autor ist aber nicht zu ermitteln.

244

259*. Pergler von Perglas an Bray, [München] 25. März 1870

257*. Tagebucheintragung des Kronprinzen Friedrich Wilhelm Becker, „Diversion“ I S. 445. – Vgl. auch ebenda S. 482; II S. 71, 81, 260; Victoria, Letters II,2 S. 14–15; Hohenlohe, Denkwürdigkeiten II S. 6–7.

Bismarck nimmt die Kaiserfrage ernstlich in Angriff, um aus der Sackgasse, in die er mit der Deutschen Frage geraten ist, herauszukommen. [o. O.] 24. März 1870 258*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 302–309. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch Gladstone, Diaries VII S. 273; Benedetti, Ma mission S. 291–295; OD XXIX S. 183–186.

König Wilhelm ist von den von Clarendon erneut vorgetragenen Abrüstungswünschen schmerzlich betroffen. Clarendon selbst hat ja die Sache als illusorisch bezeichnet. Welche Bürgschaft gibt es, daß eine französische Regierung nach Ollivier/Daru sich an eine Entwaffnung halten würde? Es mag sein, daß von Rußland und Österreich derzeit gegen die Mitte Europas keine aggressiven Tendenzen gehegt werden. Im übrigen hat Preußen seine Armeeausgaben seit 1820 kontinuierlich herabgesetzt, wie die Zahlen zeigen; das gilt auch für den Norddeutschen Bund. Eine Frage an England: Würde es die Ausgaben für seine Marine herabsetzen? Berlin, 25. März 1870 259*. Pergler von Perglas an Bray Döllinger, Briefwechsel II S. 289–290 (Anm. 2). Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 306–307 Anm. 4; S. 308, 378 Anm. 1; Bismarck, GW VIb S. 299–302.

Neuerdings will Bismarck sich an Schritten katholischer Regierungen beteiligen, wenn auf dem Konzil in Rom Beschlüsse gefaßt würden, welche die Beziehungen zwischen Staat und Kirche gefährden könnten. Das Motiv für die Veränderung der preußischen Haltung liegt wohl in dem politischen Interesse, „Frankreich, insbesondere die dort leitenden Staatsminister, zu verbinden“. Bismarck ist es erwünscht, wenn sich katholische Regierungen schroff gegen die Kurie stellten. [München] 25. März 1870

245

260. Arnim an Bismarck, Rom, 26. März 1870

260. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7570, S. 107–111. Chiffrierter Bericht. Behändigte Entzifferung. Praes.: 30. März 1870.

No. 59.

Rom, 26. März 1870

Ich habe im Laufe des gestrigen Tages mehreren Personen davon gesprochen, wie schwer meine Stellung werden würde, wenn der Papst wirklich ex cathedra die Anklage gegen den Protestantismus schleudern wolle, daß er die Quelle aller Uebelstände sei303. Man möge sich vergegenwärtigen, welchen Eindruck es in Rom machen würde, wenn der König von Preußen einmal in einer Thronrede sagen wolle: Die Katholiken hätten – wie Montalambert sich ausdrückt – einen Götzen im Vatican, den sie anbeten. Sie seien daher allmälig Götzendiener geworden, und dieser Cultus sei die Wurzel aller Uebel, der Verdummung, landesverrätherischer Tendenzen u.s.w. Mein König habe bis jetzt den Papst mit Höflichkeiten überhäuft – wenn der Papst nun in dieser Weise darauf antworten wolle, würde der Mangel an Reciprozität zu deutlich werden. Die Sache einfach zu ignoriren sei nicht möglich, nachdem ein Bischof im Concil selbst das Unangenehme des betreffenden Passus hervorgehoben habe. Der Eindruck dieser Bemerkungen war verschieden. Bei einigen, und zwar den Einsichtigsten, trat entschieden die Ansicht hervor, daß es im Interesse der Sache wünschenswerth sei, wenn der Papst mit seiner Unvorsichtigkeit endlich einmal an einer harten Ecke sich stieße, und daß ein gewaltiger Rückschlag aufs Concil zu erwarten sei, wenn plötzlich Preußen, über welches die katholische Kirche nie zu klagen gehabt habe, sich von Rom in energischer Weise zurückzöge. Der Anlaß sei so günstig wie möglich, weil Niemand sagen könne, der König von Preußen mische sich unbefugter Weise in die Angelegenheiten der katholischen Kirche, wenn er vom Oberhaupt derselben nur ein kleines Maß von Höflichkeit verlange. Die öffentliche Meinung werde entschieden auf unserer Seite sein, und Preußen habe – da auf ein gemeinsames Handeln mit Frankreich und Oesterreich doch nicht mehr zu rechnen sei – ganz recht, wenn es die erste Gelegenheit, wo der Papst entschieden im Unrecht sei, ergriffe, um sich aus der durch die Leidenschaft der Fanatiker, die Schwäche der Opposition und die

303  Das ist der Tenor des „Schemas der dogmatischen Constitution von der Kirche Christi …“, das Papst Pius IX. den Konzilsvätern am 21. Januar 1870 vorgelegt hatte. Der Kernsatz im Schema heißt: „Außer der Kirche kann niemand selig werden.“ Vgl. Kremer-Auenrode, Actenstücke II S. 123–138. – Der im folgenden genannte: Charles Forbes, duc de Montalembert (1810–1870), französischer Journalist; 1870 stellte er sich gegen die Unfehlbarkeitslehre.

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262*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 29. März 1870

Halbheiten der Regierungen unhaltbar gewordenen Stellung zurückzuziehen. Man habe daher kein Interesse, den Vatican an dieser Thorheit zu verhindern. Andere waren der Meinung, es sei der Augenblick zu entschiedenem Auftreten noch nicht gekommen. Eine Einigung der Mächte immer noch möglich. Allerdings würde Preußen Grund zur Beschwerde haben. Man müsse suchen, den anstößigen Passus aus der Einleitung zum Schema zu entfernen. In diesem Sinne sollte die Frage gestern ohnehin in der deutschen Versammlung besprochen werden. Auch der Bischof von Orléans304 ist der Ansicht gewesen, die Minorität müsse bei der Schlußabstimmung über das ganze Schema gegen diesen Passus ausdrücklich protestiren. Meine persönliche Auffassung ist, daß wir, wenn es unserem Interesse entspreche, uns von Rom einstweilen zurückzuziehen, sehr gut diese Gelegenheit benutzen können, um unsere Verstimmung durch Entfernung des Gesandten (nicht der Gesandtschaft) und entsprechende Noten zu markiren. Wenn das Gegentheil der Fall ist, kommt es auf einen Fluch mehr oder weniger nicht an. 261*. Pergler von Perglas an König Ludwig II. Becker, „Diversion“ I S. 459–460. Bericht. – Vgl. auch OD XXVII S. 81– 97, 222–225.

Bismarck hat dem württembergischen Gesandten305 erklärt, er könne den Eintritt der süddeutschen Staaten in den Norddeutschen Bund nicht gebrauchen. Wenn allerdings die vier Südstaaten selbst die Initiative ergriffen, „dann fürchtet Graf Bismarck auch nicht den Krieg“. Berlin, 28. März 1870 262*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 310–312. Erlaß.

Er hat dem französischen Botschafter Benedetti gesagt, jeder Staat Süddeutschlands könne Verträge schließen, mit wem auch immer. Dem steht der Prager Frieden nicht entgegen. Berlin, 29. März 1870

304  Félix

Dupanloup (1802–1878), Bischof von Orleáns 1849–1878. Frhr. Hugo von Spitzemberg (1826–1880), württembergischer Gesandter in Berlin 1866–1880. 305  Karl

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263. Werthern an Bismarck, München, 29. März 1870

263. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7570, S. 120–123. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 30. März 1870.

No. 50.

München, 29. März 1870

Dem hohen Auftrage Euerer Excellenz in [der] Depesche No. 104 vom 25. d.M. entsprechend, habe ich heute dem Grafen Bray von dem zwischen Hochdenselben & Frankreich stattgefundenen Gedankenaustausche bezüglich des Concils Kenntniß gegeben & die Versicherung beigefügt, daß Euere Excellenz jeder Zeit bereit sein würden, alle von katholischer Seite ausgehenden Schritte & Mahnungen zur Mäßigung in Rom zu unterstützen, ihm aber die Entscheidung über die Opportunität der Initiative anheimstellen wollten. Der Graf las mir hierauf eine Depesche vor, die er gestern an Bon Perglas hat abgehen lassen. In derselben ist zunächst die Befriedigung ausgedrückt, sich mit Euerer Excellenz über die Nothwendigkeit eines Schrittes in Rom in Uebereinstimmung zu befinden. Ferner wird ganz besonderer Werth darauf gelegt, daß gerade die Preußische Regierung (mehr wie eine andere) sich an einer etwa gemeinsam vorzunehmenden Demarche betheilige, & endlich hinzugefügt, daß, wenn das geschehen sei, Bayern sich mit Vergnügen auch anschließen werde. Ich erwiderte dem Grafen Bray, so sei die Sache nicht gemeint: Euere Excellenz würden die Initiative nur einer katholischen Macht überlassen, selbst in zweiter Linie stehen, die Schritte, welche von einer katholischen Macht ausgingen, aber gern unterstützen. Hierauf entgegnete er mir, seiner Ueberzeugung nach könne nur Eine der g r o ß e n Mächte die Initiative ergreifen, nicht aber Bayern; „man würde ihn in Rom nur auslachen, wie man im Grunde den Fürsten Hohenlohe ausgelacht habe. Man werde sogar froh sein müssen, wenn ein von a l l e n Mächten combinirter Schritt überhaupt noch eine Wirkung habe, so sehr er die Nothwendigkeit desselben anerkenne. Er lege einen ganz besonderen Werth auf unsere Participation.“ Da es doch wahrscheinlich damit endigt, daß Frankreich vorgeht – & das bestätigt auch ein Bericht des Grafen Quadt306, der von einem Memoire spricht, welches Graf Daru den Cabinetten demnächst mittheilen werde –, so ließ ich die Unterredung fallen.

306  Friedrich von Quadt (1818–1892), bayerischer Gesandter in Paris 1868–1870. – Die im folgenden genannte Denkschrift Darus vom 4. April 1870 in: Kremer-Auenrode, Actenstücke II S. 192–199.

248

267*. Benedetti an Daru, Berlin, 7. April 1870

264*. Daru an Fleury OD XXVII S. 112–115. Erlaß.

Reflexionen zur russischen Broschüre „L’impasse politique“307: Die Grundfragen der europäischen Politik sind die Deutsche Frage und die Orientalische Frage. Für Rußland ist besonders die erste von Bedeutung: Preußen will seinen Einfluß auf Kurland und Estland ausdehnen, aber auch auf die skandinavischen Staaten; die Ostsee wird einmal ein deutsches Meer werden. In der Orientalischen Frage kann man dem Autor der Broschüre nicht folgen; man sollte den Nationalismus im Osmanischen Reich nicht unterstützen, sonst bricht das alte Gebäude zusammen. Paris, 29. März 1870 265*. Bismarck an Kronprinz Friedrich Wilhelm Bismarck, GW VIb S. 314–315. Schreiben. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ I S. 479–481; II S. 3–66, 75, 83–85, 86–90, 92–93, 95–97, 109–111, 112–114, 122–132, 136–137, 138, 145–147, 158–163; OD XXVII S. 211–213.

Legationsrat Bucher und ein von Moltke zu bestimmender Offizier reisen nach Spanien, um Fragen der Kandidatur eines Hohenzollernprinzen für den spanischen Thron zu klären. Berlin, 4. April 1870 266*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 315–316. Vertraulicher Erlaß.

Es hat überrascht, daß die Unterstützung, die Preußen dem russischen Kabinett zugunsten Montenegros in Konstantinopel geleistet hat, nicht anerkannt worden ist. Berlin, 5. April 1870 267*. Benedetti an Daru OD XXVII S. 152–153. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 158–160, 164–165, 166– 168, 180–181, 188–190, 262–263, 277.

Die offiziöse „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ hat einen Artikel über die Nordschleswig-Frage abgedruckt, in dem es heißt, daß eine Lösung der 307  „De

l’impasse politique actuelle“, Broschüre 1869 in Paris erschienen, 32 S.  249

268. Bernstorff an Bismarck, London, 9. April 1870

Frage nicht in Sicht sei, da eine Rückgabe von Düppel und Alsen308 vor der öffentlichen Meinung in Preußen nicht verantwortet werden könne. – Diese Argumentation entspricht nicht den Tatsachen: Der dänische Unterhändler hat zwar verlangt, daß die gesamte Bevölkerung von Nordschleswig befragt werden müsse, einschließlich von Düppel und Alsen; er hat das aber nicht als bedingungslose Forderung hingestellt. Berlin, 7. April 1870 268. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/61, S. 303–308. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 11. April 1870.

No. 95

London, 9. April 1870

Unter Bezugnahme auf meine gehorsamste telegraphische Anzeige No. 8 vom 7ten d.M. über die Aufnahme des Inhalts Eurer Excellenz ganz vertraulichen Schreibens an mich No. 155 vom 25ten März in Betreff der Entwaffnungs-Idee309 von Seiten Lord Clarendons habe ich die Ehre, Eurer Excellenz hierbei Abschrift des Privatbriefes zu überreichen, wodurch der Staatssecretair für die auswärtigen Angelegenheiten meine ihm am 6ten d.M. gemachte Mittheilung am folgenden Tage beantwortet hat. Da er hierin fragt, daß er mir die Bemerkungen schriftlich machen wolle, welche er mir sonst mündlich über den Brief Eurer Excellenz gemacht haben würde, mein Gesundheits-Zustand mir aber heute noch nicht erlaubte, zu ihm zu gehen, und er auch nicht das Bedürfnis zu haben scheint, den Gegenstand noch weiter mündlich zu besprechen, so habe ich geglaubt, auch meinerseits nicht durch Beauftragung des Botschaftsraths von Krause mit einer solchen Besprechung auf die Sache zurückkommen zu sollen, und habe mich daher darauf beschränkt, dem Minister für seine schriftliche Antwort zu danken und ihm mein Bedauern auszusprechen, nicht mehr zu ihm kommen zu können. Ich hielt dies um so mehr für das Discreteste, als er selbst recht leidend ist und heute noch vor seiner Abreise aufs Land einem Ministerrath beiwohnen muß. Die Antwort Lord Clarendons selbst scheint mir durchaus befriedigend zu sein, denn er erklärte die Frage für erledigt und verspricht, nicht wieder darauf zurückzukommen, obgleich er Eurer Excellenz Versicherung schwarz auf weiß hat, daß, wenn er nach den von Hochdenselben dargelegten Gedanken, 308  Die verlustreiche Eroberung der Düppeler Schanzen am 18. April und der Insel Alsen am 29. Juni 1864 während des Deutsch-Dänischen Krieges hatte in Deutschland und besonders in Preußen einen besonderen nationalen Klang. 309  Oben Nr. 258*. – Der im folgenden genannte Hugo von Krause (1835–1874), Erster Sekretär an der Botschaft in London Januar – Juli 1870, danach Militärdienst.

250

269. Waldersee an Moltke?, Paris, 12. April 1870

die ich ihm unverkürzt und unabgeschwächt mitgetheilt habe, noch Hoffnung hege, den Gegenstand in einer für uns möglichen Gestalt verfolgen zu können, Eure Excellenz Sich einer weiteren Discussion gewiß nicht entziehen werden. Auf der anderen Seite aber fühlt er sich gedrungen, sich ausdrücklich dagegen zu verwahren, als hätte er als Englischer Minister den Gedanken haben können, durch seine Rathschläge die Macht und das Prestige Preußens, welche für die Erhaltung des Friedens in Europa so nothwendig seien, schwächen zu wollen und zugleich die Hoffnung auszusprechen, daß Seine Majestät der König ihm trotz seiner mißliebigen Einflüsterungen nicht das Vertrauen entziehen werde, womit Allerhöchtsdieselben ihn bisher zu beehren geruht haben. Ich glaube, daß er in diesem Wunsche wie in jener Verwahrung nicht für unaufrichtig gehalten werden muß, sondern daß er sich eben durch die lange gehegte Lieblings-Idee einer allgemeinen Entwaffnung, deren Ausführung er als im wahren Interesse Preußens und des deutschen Volkes ebensosehr wie in demjenigen anderer Staaten und Völker liegend ansieht, zu unpractischen Wünschen und Anregungen hat verleiten lassen. Es ist daher sicherlich äußerst nützlich und zweckentsprechend gewesen, daß seine Täuschungen und unpractischen Auffassungen durch die schlagende Argumentation Eurer Excellenz hoffentlich ein für allemal zerstört worden sind, wenn er auch seinen Rückzug dadurch scheinbar zu decken sucht, daß er sich seine persönlichen Meinungen über die Sache vorbehält. 269. Waldersee an Moltke? PA Berlin, RZ 201/6189, S. 176–177. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 21. April 1870. Auszug.

[o.Nr.]

Paris, 12. April 1870

[…] Wenn ich310 das oben gesagte zusammenfasse, so muß ich mich dahin aussprechen, daß bei einer plötzlichen Mobilmachung – der Beginn derselben in beiden Armeen zur selben Zeit gedacht – die Preußische Armee um ein erhebliches schneller befähigt ist, mit großen Massen zur Offensive zu schreiten. Während bei uns der ganze Mechanismus um so sicherer arbeitet, je mehr die Mobilmachung eine vollständige, durch einen Befehl für die ganze Armee angeordnete ist und vorbereitende Maßnahmen nicht erforderlich sind, wird bei der Französischen eine plötzliche Mobilmachung der ganzen Armee die größten Verwirrungen mit sich bringen. 310  Alfred Graf von Waldersee (1832–1904), Major (Juli 1870 Oberstleutnant); Militärattaché an der Botschaft in Paris Januar – August 1870.

251

271*. Benedetti an Ollivier, Berlin, 19. April 1870

Außerdem sind Gründlichkeit und complicirte Vorbereitungen nicht die starke Seite der Franzosen, während bei uns erfahrungsmäßig die Voranschläge bis in die kleinsten Details sich als zutreffend erwiesen haben. Es bieten sich bei einem Kriege mit Frankreich gerade in den Anfängen günstige Chancen, die auszubeuten sind, im schleunigen mobilmachen [!] der ganzen Armee, im sofortigen Aufmarsch und unmittelbar darauf folgender Offensive. 270. Werther an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 40–41. Telegramm. Entzifferung.

No. 20.

Paris, 18. April 1870, 12 Uhr 35 Min. Vorm. Ankunft: 18. April 1870, 2 Uhr 52 Min. Nachm.

Gestern mit Ollivier als Minister der auswärtigen Angelegenheiten erste Unterredung gehabt, bei ihm in engstem Vertrauen Neigung gefunden, das auswärtige Departement definitiv zu behalten; hat die besten Hoffnungen für Erfolg des Plebiscits. In Instructionen an Mis de Banneville311 nichts geändert, ihn aber angewiesen, das Memorandum nur dann an das Concil mitzutheilen, wenn dagegen der Papst nicht zu große Abneigung zeigt, und sich sonst nur adarauf zu beschränken, es zur Kenntnis Sr. Heiligkeit und Cardinal Antonelli’s zu bringen.a a

Dazu am Rand eigenhändiger Vermerk König Wilhelms I.: oder ganz zurückzuziehen!

271*. Benedetti an Ollivier OD XXVIII S. 192–195. Vertraulicher Bericht. Entzifferung. – Vgl. auch ebenda S. 199–201.

Unterredung mit dem hessischen Gesandten in Berlin, Hofmann312: Dieser beklagt die Schwierigkeiten, die daraus entstehen, daß der nördliche Teil des Großherzogtums zum Norddeutschen Bund gehört, der südliche Teil indes nicht. Doch Hessen wie auch Bismarck sind mit diesem Zustand derzeit ein311  Gaston

marquis de Banneville (1818–1881), Erster Legationssekretär an der französischen Botschaft beim Vatikan 1868–1870; Botschafter in Wien 1871–1873. – Zum folgenden: Die französische Regierung hatte am 4. April 1870 eine Denkschrift für den Papst über die Infallibilitätslehre verfaßt, sie aber bis dato noch nicht überreicht. 312  Karl (1882 von) Hofmann (1827–1910), hessischer Gesandter in Berlin 1866– 1872; hessischer Ministerpräsident 1872–1876. – Seine Berichte aus Berlin: Zimmer, Vom Norddeutschen Bund. 252

273*. Aufzeichnung des Fürsten Karl Anton, Berlin, 22. April 1870

verstanden. Der Grund dafür, laut Hofmann, ist, daß, wenn man das südliche Hessen in den Norddeutschen aufnähme, man den Beitritt Badens nicht ablehnen könne. Ein weiterer Grund ist, daß daraus europäische Verwicklungen entstehen würden. Berlin, 19. April 1870 272. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 47–48. Telegramm. Entzifferung.

No. 17.

Rom, 20. April 1870, 2 Uhr – – Min. Nachm. Ankunft: 20. April 1870, 8 Uhr 10 Min. Nachm.

Aus Antonelli’s Mittheilungen entnehme ich, daß Marq. de Banneville hier überhaupt Nichts verlangt hat als eine Audienz beim Papst, um ihm das Memorandum313 zu übergeben. Diese Audienz hat er noch nicht gehabt. Es kommt mir nun darauf an zu wissen, ob Ew. Excellenz erachten, daß wir Frankreich auch dann noch unterstützen sollen, nachdem die ursprüngliche, übrigens unausführbare Idee der directen Mittheilung an das Concil aufgegeben ist. Die Antwort hängt meines Erachtens davon ab, ob wir die Gelegenheit benutzen wollen, uns über die Sachlage in einem – eventuell unseren Bischöfen mitzutheilenden – Schriftstück auszusprechen. Marq. de Banneville, seit 8 Tagen hier, hat mir weder einen Besuch noch irgend welche Mittheilungen über seine Verhandlungen gemacht.a a

Zu diesem Telegramm RZ 201/7571, S. 49, folgender Vermerk König Wilhelms I.: Frankreichs Rétirade [= Rückzug] ist fast complett!

273*. Aufzeichnung des Fürsten Karl Anton Becker, „Diversion“ II S. 74. – Vgl. auch ebenda S. 99, 111–112.

Heute ist die definitive Ablehnung der angetragenen spanischen Krone nach Madrid abgegangen. Berlin, 22. April 1870

313  Oben

Anm. 311. 253

276. Arnim an Bismarck, Rom, 28. April 1870

274. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 83. Telegramm. Entzifferung.

No. 18.

Rom, 23. April 1870, 3 Uhr 15 Min. Vorm. Ankunft: 23. April 1870, 7 Uhr 50 Min. Nachm.

Mis de Banneville hat gestern Papst als Präsidenten des Concils Memorandum314 übergeben. Papst hat gesagt, er werde dem Concil es nicht mittheilen. Mis Banneville hat mir gestern hiervon Mittheilung gemacht. 275*. Gramont an Ollivier OD XXVII S. 232–234. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 237–239.

Nach den Informationen des dänischen Gesandten in Wien315 sei Bismarck entschlossen, die Grenzen in Nordschleswig festzulegen, wobei Alsen und Düppel preußisch bleiben müßten. Reichskanzler Beust sagt, daß er darüber nicht informiert worden sei. Er habe vor 1 ½ Jahren vorgeschlagen, daß Preußen Düppel und Alsen zurückgeben solle; das habe Bismarck abgelehnt, und dafür sei er – Beust – in der deutschen Presse scharf angegriffen worden; Frankreich solle bei künftigen Besprechungen darüber einbezogen werden. Wien, 26. April 1870 276. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 143–146. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 3. Mai 1870.

No. 83.

Rom, 28. April 1870

Herr Odo Russell war von Lord Clarendon beauftragt worden, die Französische Demarche gleichfalls, jedoch nur mündlich, zu unterstützen. In Folge dessen hatte er sich am 26ten zum Cardinal begeben. Bei Gelegenheit meiner Unterredung mit dem Letzteren fragte ich ihn, ob Herr Russell bereits bei ihm gewesen sei, um seinen Auftrag auszuführen. Der Cardinal sagte, er habe soeben Herrn Russell gesehen und von demselben die Versicherung erhalten, daß die englische Regierung sich um die Konzilfrage nicht bekümmern könne und jede Aeußerung darüber vermeiden

314  Oben

Anm. 311. Frederick Falbe (1828–1896), Gesandter in Wien 1865–1880.

315  Christian

254

277*. Loftus an Clarendon, Berlin, 30. April 1870

wolle. – Dem Ausdruck meiner höchsten Verwunderung gegenüber wiederholte der Cardinal die erwähnte Mittheilung. Dem Französischen Botschafter hat er einige Stunden später ganz dasselbe gesagt. Herr Russell sei bei ihm gewesen und habe mit ihm über das Französische Memorandum gesprochen. Unterstützt habe er es nicht. – „Il l’a peutêtre oublié.“ Ich fuhr sogleich zu Herrn Russell, um ihm zu sagen, welche Interpretation seine Eröffnungen bei dem Cardinal Antonelli gefunden hatten. Er war dafür sehr dankbar, und da er sich in keiner Weise erklären konnte, wie es dem Cardinal Antonelli möglich gewesen sei, ihn nicht zu verstehen, da er das Französische Memorandum gewissenhaft während einer ganzen Stunde unterstützt habe, entschloß er sich auf meinen Rath, telegraphisch die Autorisation zu einer schriftlichen Erklärung oder ein Schreiben Lord Clarendons an den Cardinal zu erbitten. Es ist zu hoffen, daß man in London die Nothwendigkeit begreift, in dem diplomatischen Aufmarsch Europas gegen Rom keine Lücke zu lassen. Für uns namentlich scheint es mir sehr wichtig, England in unzweideutiger Stellung neben uns auftreten zu sehen. Den Eindruck, welchen die öffentliche Meinung haben wird, muß es wesentlich verstärken, wenn ein so wichtiges Element des Europäischen Konzerts bei dieser Gelegenheit nicht fehlt. Durch die Mittheilung, daß Herr Russell am 26ten eine Unterredung mit dem Cardinal gehabt habe, wird eine geeignete Wirkung nicht erreicht, sondern nur durch die Publikation einer offiziellen und feierlichen Emanation des Brittischen Cabinets, durch welche dasselbe in der großen Frage des Augenblicks unzweideutig Stellung nimmt. 277*. Loftus an Clarendon Becker, „Diversion“ II S. 101–104. Sehr vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 115–116, 132–135, 143–144, 165–169, 174–176; Morier, Memoirs II S. 150– 153; Doeberl, Bayern S. 301–302; OD XXVII S. 245, 246–253; DDI I,12 S. 498.

Aus verschiedenen Quellen geht hervor, daß geheime Verhandlungen zwischen Bismarck und süddeutschen Souveränen (nicht Regierungen) im Gange seien, um eine Vereinigung Süd- und Norddeutschlands zustande zu bringen. Falls sich das nicht realisieren lasse, solle aber der König von Preußen den Kaisertitel bekommen. Innenpolitische Gefahren könnten den König von Bayern dazu bringen, sein Heil bei Preußen zu finden. Österreich und Frankreich würden wegen eigener Schwierigkeiten stillhalten. Berlin, 30. April 1870

255

280. Abeken an Bernstorff, Berlin, 5. Mai 1870

278. Thile an Arnim PA Berlin, RZ 201/7571, S. 169–170. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 25. Berlin, 1. Mai 1870 Abgangsvermerk S. 169: z. C.St. [zur Central-Station] 4 ¾ Uhr 1870 Feldjäger mit Bericht vom 28n April gestern eingetroffen. Seine Majestät der König hält es nicht für angemessen, daß Sie nach Ihrem schon sehr starken Schreiben an den Cardinal noch weitere Schritte bei dem Papst thun, sondern will die Wirkung jenes Schreibens ruhig abwarten. Seine Majestät der König hatte erwartet, daß Sie, nach dem ausdrücklichen Auftrage in Telegramm No 23 vom 22. v.Mts., s i c h v o r h e r über den Eindruck vergewissert [hätten], den das Schreiben auf u n s e r e Bischöfe machen würde; ist das geschehen? und sind Sie sicher, daß die Bischöfe nicht protestiren gegen das, was Sie von ihnen sagen. Ich selbst persönlich möchte Sie vor den Französischen Bischöfen warnen. 279*. Notiz König Wilhelms I. Becker, „Diversion“ II S. 118. – Vgl. auch ebenda S. 118–120, 141, 206; OD XXVII S. 272–273.

Nach Madrid ist zu telegraphieren, daß die Kandidatur des Prinzen Friedrich von Hohenzollern als erloschen anzusehen sei. [o. O.] 4. Mai 1870 280. Abeken an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/7571, S. 175–176. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 11.

Berlin, 5. Mai 1870

Herr Odo Russell in Rom hat dem von Ew. gemeldeten Auftrag Lord Clarendon’s gemäß die französische Démarche m ü n d l i c h unterstützt. Der Cardinal sucht dies ins Gegentheil zu verkehren und hat dem Mqu. Banneville gesagt, Hr. Russell habe mit ihm vom französischen Memorandum gesprochen, es aber nicht unterstützt; Hrn. v. Arnim hat er sogar gesagt, er habe von Hr. Russell die Versicherung erhalten, daß die Englische Regierung sich um die Concilfrage nicht bekümmern könne und jede Aeußerung darüber vermeiden wolle. In Folge dessen wollte Hr. Russell sich von Lord Clarendon Ermächtigung zu einer w e d e r d u r c h a b s i c h t l i c h e s noch durch 256

282. Arnim an Bismarck, Rom, 7. Mai 1870

unabsichtliches Mißverständniß zu entstellenden Eröffnung erbitten. Es ist in der That sehr zu wünschen, daß auch England in unzweideutiger Weise den französischen Schritt unterstütze; seine Zurückhaltung wird in Rom ausgebeutet und wirkt ungünstig, während Hr. v. Arnim von dem übereinstimmenden festen Auftreten der Regierungen noch Erfolg hoffen zu können glaubt. Sprechen Sie in diesem Sinn sofort mit Lord Clarendon. Oesterreich und Baiern haben den französischen Schritt durch Mittheilung von Depeschen, Hr. v. Arnim durch ein S c h r e i b e n (nicht Note) an den Cardinal unterstützt, welches ich Ihnen mit nächster Gelegenheit sende. Namens des Staatssekretärs 281*. Vimercati an König Viktor Emanuel DDI I,12 S. 494. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 495, 541.

Das Plebiszit in Frankreich wird wahrscheinlich sechs Mio. Stimmen zugunsten des Kaisers erbringen316. Die Attentatspläne gegen den Kaiser haben das gute Ergebnis befördert. „Nachdem nun die revolutionäre Bewegung erwacht ist, kann man die Schwierigkeiten nicht überwinden, ohne daß wir auf unsere alten Ideen zurückkommen“ [gegen Preußen einen Krieg zu beginnen]. Daru, der nicht eingeweiht ist, wird zu einer kriegerischen Haltung gedrängt. So hat es mir der Kaiser selbst gesagt. Paris, 6. Mai 1870 282. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 234–243. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Mai 1870.

No. 85.

Rom, 7. Mai 1870

Aus den verschiedenen telegraphischen Erlassen, welche Euere Excellenz mir die Ehre erwiesen haben, an mich zu richten, muß ich schließen, daß Hochdieselben die Besorgnis hegen, mein an den Cardinal Antonelli gerichtetes Schreiben317 sei zu stark. Ferner geht aus denselben die Befürchtung 316  Durch

Dekret vom 23. April 1870 hatte Kaiser Napoleon III. dem französischen Volk die Frage vorgelegt, ob es die seit 1860 eingeführten Reformen im Sinne einer Liberalisierung der Staatsverfassung gutheiße. Die Abstimmung am 8. Mai erbrachte über 7 Mio. Ja-Stimmen und etwa 1,5 Mio. Nein-Stimmen. – Am 30. April und 1. Mai waren verschiedene angebliche Attentäter verhaftet worden. 317  Text des Schreibens vom 23. April 1870 in: Kremer-Auenrode, Actenstücke II S. 212–213. Darin wurde u. a. gesagt, daß die Konzilsarbeit das gedeihliche Zusammenleben zwischen Katholiken und Protestanten in Deutschland gefährden könne. 257

282. Arnim an Bismarck, Rom, 7. Mai 1870

hervor, daß ich es unterlassen haben könnte, mich vorher von dem Eindruck zu vergewissern, welchen das Schriftstück auf unsere Bischöfe machen würde. Auch mein Telegramm No. 20 hat, wie ich aus Euerer Excellenz Telegramm No. 26 ersehen, diese letztere Befürchtung nicht zu zerstreuen vermocht. Euere Excellenz Telegramm No. 22, welches mich anwies, die Französische Demarche zu unterstützen, sagt: daß die Beantwortung der Frage, ob wir uns schriftlich aussprechen sollten, davon abhängen würde, welchen Eindruck ich von der Mittheilung des Schriftstücks an unsere Bischöfe auf Letztere erwarten zu dürfen glaube. – Hierüber sollte ich mich vertraulich zu vergewissern suchen. Letzterem Auftrage bin ich nachgekommen, indem ich dem Fürstbischof von Breslau318 eingehend über die Sache sprach, ihm auch das bereits entworfene Schreiben, ehe es in die Hände des Papstes gelangte, zur einstweiligen vertraulichen Kenntnißnahme mittheilte. Sein erster Eindruck war, daß es zu schwach sei. Mit den übrigen Bischöfen darüber in eingehende Berathungen zu treten war aus Gründen nicht möglich, welche in ihren Persönlichkeiten liegen. – Ich habe jedoch über den Eindruck, welche das Schreiben und das Eingreifen der Regierung in dieser Weise auf sie machen würde, andere Mittel gehabt, mich zu unterrichten, und war darüber, daß dieser Eindruck ein durchaus günstiger sein würde, nicht im Zweifel. Ich gedenke übrigens keineswegs in Abrede zu stellen, daß eine Unterredung mit dem Erzbischof von Paris319 mich wesentlich in der Absicht bestärkt hat, mich schriftlich zu äußern. Euere Excellenz sagen, daß die Französischen Bischöfe ein Interesse hätten, u n s die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen. Hochdieselben werden es nicht für Selbstüberschätzung erachten, wenn ich mir zutraue, nach einem 4monatlichen g e s c h ä f t l i c h e n Verkehr amit den betreffenden Personen über ihre Gedanken und Nebengedanken klar zu sehen.a Daß ich mit keinen Anhängern des Preußischen Königshauses und des Norddeutschen Bundes zu thun habe, weiß ich wohl. – Aber diese nationalen und politischen Divergenzen bsind hier grade bei den am Meisten in Frage kommenden Personen sehr in den Hintergrund getreten.b – Dazu kommt aber noch, daß u n s r e Bischöfe mit der Französischen Gruppe gemeinschaftlichc operiren, so daß es practisch unausführbar sein würde, auf unsere Bischöfe zu wirken und über unsere Bischöfe unterrichtet zu sein, wenn ich nicht in vertraulichen Beziehungen zu den Führern der Franzosen stünde. 318  Förster.

319  Georges Darboy (1813 – 24. Mai 1871), Erzbischof von Paris 1863–1871. – Er stellte sich gegen die Infallibilitätslehre.

258

282. Arnim an Bismarck, Rom, 7. Mai 1870

Schließlich darf ich es wohl aussprechen, daß ich mich nicht erinnere, für Andere jemals Kastanien aus dem Feuer geholt zu haben. – Sollte ich diesmal das Unglück haben, würden die Andern nicht die Franzosen gewesen sein. Es konnte bei dem Schritte, welchen ich im Vatican gethan habe, nur darauf ankommen, die Opposition unserer Bischöfe – welche jedoch von der Oesterreichisch-Ungarischen und Französischen getrennt nicht gedacht werden kann – zu stärken. Dies liegt in unserem directesten Interesse, weil das bewußte oder unbewußte Ziel jener Opposition die Lockerung der eisernen Ketten ist, mit welchen Rom das Episcopat an sich gefesselt hat und noch mehr fesseln will. – Die Lockerung jener Bande ist synonym mit einer Annäherung der deutschen Katholiken an unsere Staatsidee. Es war daher nothwendig, diese Gelegenheit zu ergreifen, um sich in entschiedener Weise auf den Boden zu stellen, auf welchem unsere Bischöfe stehen, ihre Argumente zu reproduciren und durch das Gewicht des Zeugnisses zu stützen, welches der Vertreter eines großen Reiches von der Auffassung abzulegen berufen ist, die in Bezug auf eine weltbewegende Frage in unsern Ländern herrschend ist. Dies ist in meinem Schreiben geschehen, und nur hierin kann ich den Grund des Beifalls sehen, mit welchem unsre Bischöfe und ihre Verbündeten von demselben Kenntniß genommen haben. Es ist überall für durchaus zweckentsprechend erkannt worden, nur in Berlin scheint es Besorgnisse erregt zu haben. Diese Besorgnisse fühle ich aus Euer Excellenz Telegrammen heraus – gestehe aber ihren Grund nicht finden zu können. Daß wir in Bezug auf die Krisis, welche in der katholischen Welt jetzt eingetreten ist, auf der antirömischen Seite nicht in erster Linie stehen können, ist zu unbestritten, als daß ich es vergessen könnte. M e i n e Bischöfe aber müssen sich daran gewöhnen, mich neben, vor oder hinter ihnen – nach Maßgabe der Umstände – zu sehen, und wenn s i e in erster Linie sichtbar werden, bin ich natürlich auch in erster Linie, wenn ich auch nur neben ihnen stehe. So aber liegt die Sache. Die Deutschen und die Oesterreichisch-Ungarischen Bischöfe stehen im Vordertreffen und gehören dahin nach ihrer größeren Intelligenz und nach ihrem größeren moralischen Gewicht. Der Graf Trautmansdorf und ich können uns nicht von ihnen trennen, wenn wir überhaupt Fühlung mit ihnen behalten wollen, und wenn man momentan auf das Wort des Norddeutschen Gesandten mehr giebt als auf dasjenige des Oesterreichischen, so ist das nur eine unvermeidliche Consequenz des überwiegenden Ansehens, in welchem die Norddeutsche Regierung steht. Daran kann ich nichts ändern.

259

284*. Launay an Visconti Venosta, Berlin, 13. Mai 1870

Euere Excellenz wollen überzeugt sein, daß die Arbeit, welche hier zu machen ist, zu den feineren Arbeiten gehört. – Um sie ausführen zu können, bedarf ich bis auf einen gewissen Punkt der freien Hand in Bezug auf Wahl der Mittel und des vollsten Vertrauens meiner Allerhöchsten Regierung – nicht blos in meinen guten Willen, sondern auch in meine v o r s i c h t i g e Behandlung der Geschäfte. Sollte dies v o l l s t e Vertrauen mir nicht zur Seite stehen, sollte es namentlich Seiner Majestät angenehmer sein, hier durch einen Agenten vertreten zu sein, welcher es v e r m a g , sich p e r s ö n l i c h von den Dingen, welche hier vorgehen, zu d e s i n t e r e s s i r e n , so würde Niemand mehr als ich einen Wechsel natürlich finden. – Denn darüber kann ich mich kaum täuschen, daß grade dies warme Interesse, mit welchem ich den hiesigen Vorgängen folge, an der maßgebenden Stelle die Besorgniß vor Compromittirung zu erwecken im Stande ist. a–a

Dazu am Rand von Bismarck zwei Fragezeichen. Dazu am Rand von Bismarck ein Fragezeichen. c Dieses Wort ist von Bismarck unterstrichen. b–b

283*. Tkalac320 an Visconti Venosta DDI I,12 S. 505–507. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 514–515, 529–532.

Gestern hat Bischof Ketteler in einer Konferenz der deutschen Bischöfe einen heftigen Protest gegen das Vorhaben der päpstlichen Unfehlbarkeit vorgetragen. Der deutsche Episkopat könne sich mit diesem „Zerstörungswerk“ nicht identifizieren. – Vierzig deutsche Bischöfe haben den Protest Kettelers321 unterschrieben. Rom, 8. Mai 1870 284*. Launay an Visconti Venosta DDI I,12 S. 515–517. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 533–534.

Die öffentliche Meinung in Deutschland hat das Ergebnis des Plebiszits in Frankreich vom Mai begrüßt. In der offiziösen Presse wird es mit großem Lob zur Kenntnis genommen. Schließlich ist Bismarck der Autor der Einführung des allgemeinen Stimmrechts für die Wahlen zum Bundes- und Zollparlament. Er kann sich nun aber auch denken, daß Napoleon, befreit vom Druck im Innern, wieder abenteuerlich gegen seine Nachbarn vorgehen kann. 320  Imbro Ignjatijević Tkalac (1824–1912), kroatischer Schriftsteller und Diplomat; inoffizieller Beobachter der italienischen Regierung beim Konzil 1869–1870. 321  Sein Protest ist abgedruckt in: Ketteler, Werke I, 3 S. 538–551.

260

285*. Protokoll der Beratung des französischen Kriegsrats, [o. O.], 19. Mai 1870

Bismarck selbst kann, was sein Einigungswerk angeht, warten, die Zeit arbeitet für ihn. Berlin, 13. Mai 1870 285*. Protokoll der Beratung des französischen Kriegsrats Oncken, Rheinpolitik III S. 360–366. – 1. Bericht des Generals Lebrun (nach: Souvenirs militaires du Général Lebrun, Paris 1895, S. 71–74). – 2. Bericht des Generals Jarras (nach: Souvenirs du Général Jarras, Paris 1892, S. 41–48). – Vgl. auch Oncken, Rheinpolitik III S. 376–378, 379.

1. Die Konferenz am 19. Mai mit Napoleon III., den Generälen Frossard, Jarras und Lebrun322. Erzherzog Albert [= Albrecht] hat vor zwei Monaten geäußert, daß man außer den französischen und österreichischen Armeen auch auf die Mitwirkung von 100.000 Mann Italienern zählen könne. Kaiser Napoleon: 300.000 Mann treffen in Süddeutschland ein; 40.000 Italiener besetzen München; die übrigen Truppen marschieren nach Franken; dann können weitere Armeen – eine an der Saar und das Unterelsaß entlang und eine österreichische bei Eger und Pilsen – aufmarschieren. In Böhmen verbleibt eine österreichische Armee zum Schutz von Wien und an der schlesischen Grenze; die gemeinsame alliierte Armee marschiert über Weißenfels und Leipzig nach Berlin. – Zu diesem Plan wurde noch vermerkt, daß die Operationen aller Kräfte am selben Tag beginnen müßten; Lebrun müsse dieserhalb nach Wien reisen. – 2. Bericht des Generals Jarras über dieselbe Kriegsplanung am 19. Mai in den Tuilerien. Der Kaiser habe bemerkt, Erzherzog Albert habe mit ihm über den Kriegsplan konferiert: Zu Kriegsbeginn breche die französische Armee von Straßburg und Kehl auf und reiche der österreichischen Armee entweder bei Prag oder an der württembergischen Grenze die Hand; eine zweite französische Armee dringe in die Rheinprovinzen und nach Mainz vor; im Norden lande an Nord- und Ostsee ein französisches Expeditionskorps, unterstützt von einer dänischen Armee; eine italienische Armee (100.000 Mann) bewege sich nach Bayern; Süddeutschland werde freudig das preußische Joch abschütteln; wichtig sei, gleich zu Beginn des Krieges offensiv in die Mitte Deutschlands vorzustoßen und dabei die süddeutschen Staaten vom Norden zu trennen. Es ist möglich, daß preußische Truppen, die 600.000 Mann aufbringen könnten, unsere Anmarschwege 322  Charles Auguste Frossard (1807–1875), General; Gouverneur des kaiserlichen Prinzen. – Hugues Louis Jarras (1811–1890), General; Generalstabschef der „Armée du Rhin“ 1870. – Barthélémy Louis Joseph Lebrun (1809–1889), Divisionsgeneral; Adjutant Kaiser Napoleons III. 1869–1870; Befehlshaber des 12. Armeekorps. – Der im folgenden genannte: Albrecht (1817–1895), Erzherzog; Feldmarschall; General­ inspekteur des Heeres 1869–1895.

261

287*. Fürst Karl Anton an Kronprinz Friedrich Wilhelm, Nauheim, 23. Mai 1870

erschweren können. Dagegen ist wichtig, daß Italien und Österreich gleichzeitig mit den französischen Truppen losmarschieren und im Norden ein französisches Expeditionskorps und eine dänische Armee einfallen. Allerdings hatte Erzherzog Albert [= Albrecht] deutlich gemacht, daß die österreichische Armee sechs Wochen zur Mobilisierung benötige, daß auch Italien und Dänemark nicht schneller aufmarschieren könnten. Aber der Kaiser ließ sich von diesen Argumenten nicht beeindrucken. Schließlich wurde die Sitzung ohne Beschluß aufgehoben. [o. O.] 19. Mai 1870 286*. Tagebucheintragung Versens323 Becker, „Diversion“ II S. 172–173. – Vgl. auch ebenda S. 178–179, 191–192, 195; OD XXVII S. 291–293.

Zusammentreffen mit Erbprinz Leopold in Düsseldorf. Durch meine Ausführungen ist er nun günstig gestimmt für die Annahme der spanischen Krone. Dann bei Fürst Karl Anton in Nauheim: Dieser sagt, wenn Bismarck meine, es sei im „Interesse des Staates, dann wäre es eine Pflicht“. [o. O.] 21. Mai 1870 287*. Fürst Karl Anton an Kronprinz Friedrich Wilhelm Becker, „Diversion“ II S. 181–184. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 184–185, 187–188, 197.

Leopold scheint seine Ablehnung der spanischen Krone zu bereuen; ich will ihm freie Hand lassen. Friedrich Wilhelm soll ihm schreiben, er solle sich noch einmal zur Kandidatur äußern. Nauheim, 23. Mai 1870

323  Maximilian

nien. 262

von Versen (1833–1893), Major; 1870 in geheimer Mission in Spa-

291*. Launay an Visconti Venosta, Berlin, 30. Mai 1870

288*. Beust an Metternich Oncken, Rheinpolitik III S. 367–369. Geheimer Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 370–371, 381–383.

Er soll bei Kaiser Napoleon vorstellig werden, daß der neue Außenminister Gramont ohne Verzug in die geheime österreichisch-französisch-italienische Tripelallianz eingeweiht werde. Wien, 24. Mai 1870 289*. Bismarck an Fürst Karl Anton Bismarck, GW VIb S. 321–325. Schreiben. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ II S. 201, 208–209, 210–213, 215, 219–226, 310–311.

Er ist angenehm überrascht davon, daß König Wilhelm I. nach nochmaliger Überlegung einem der Prinzen aus dem Hause Hohenzollern erlauben wolle, die spanische Krone anzunehmen. Berlin, 28. Mai 1870 290. *Le Sourd324 an Gramont OD XXVII S. 310–311. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 368–370, 430–432.

Der Abgeordnete von Schleswig, Kryger325, hat im Norddeutschen Reichstag verlangt, daß die Regierungen des Norddeutschen Bundes sich mit der Nordschleswig-Frage beschäftigen sollen. Der Antrag ist abgelehnt worden. Berlin, 28. Mai 1870 291*. Launay an Visconti Venosta DDI I,12 S. 573–576. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 614–615.

Unterredung mit Bismarck: Der neue französische Außenminister, Gramont, sei ein Instrument in den Händen Napoleons. Er – Bismarck – wolle Zar Alexander in Ems aufsuchen, um diesem deutlich zu machen, daß sich Frankreich und Österreich annäherten. Preußen habe es nicht eilig, Süd324  Georges Le Sourd (1834–1877), Erster Sekretär an der französischen Gesandtschaft in München ca. 1866–1870, in Berlin seit Anfang 1870. 325  Hans Andersen Krüger (1816–1881), deutsch-dänischer Landwirt; Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses für Schleswig-Holstein und des Reichstags (Sonderburg-Hadersleben) 1867–1881.

263

293. Bernstorff an Bismarck, London, 1. Juni 1870

deutschland an den Norddeutschen Bund anzuschließen. Er lasse die Dinge reifen; die Zeit arbeite für ihn. Im Kriegsfall sei Deutschland bereit, es mit Frankreich und Österreich zusammen aufzunehmen. „Der 1866 gepflanzte Baum hat Wurzeln geschlagen; er wächst nun von alleine weiter.“ Berlin, 30. Mai 1870 292*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 325. Erlaß.

Er soll dem österreichisch-ungarischen Reichskanzler Beust den Wunsch des Norddeutschen Bundes aussprechen, alsbald die Elbzölle326 aufzuheben. Berlin, 1. Juni 1870 293. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4314, S. 276–279. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 5. Juni 1870.

Nr. 158.

London, 1. Juni 1870

Der König der Belgier hat mich während Höchstseines Aufenthalts in London einige Male mit politischen Gesprächen beehrt, wobei Seine Majestät auch namentlich, wie ich dies bereits in meinem allerunterthänigsten Immediat-Bericht No. 138 vom 18n v.M. erwähnt habe, auf die vorjährige Differenz zwischen Frankreich und Belgien über die Eisenbahnfrage zurückgekommen ist. Als bei dieser Gelegenheit die Wichtigkeit von Antwerpen zur Sprache kam und die Leichtigkeit für England, dasselbe mit seiner Flotte zu schützen, wenn die Belgische Armee sich dahin vor einer überlegenen feindlichen Landmacht hätte zurückziehen müssen, sagte der König mit lebhafter Befriedigung: „Ja, und wie gerüstet war die Englische Flotte, um in kürzester Frist da zu sein!“ Dies ist mir eine interessante Bestätigung alles dessen, was ich in dieser Beziehung seiner Zeit zu berichten die Ehre gehabt habe. Eben so interessant war es mir, ganz kürzlich wieder aus dem Munde einer mit dem hiesigen Cabinet in sehr naher Beziehung stehenden Person zu hören, daß die Englische Flotte – trotz aller Reductionen und sonstigen Ersparnisse – noch niemals so tüchtig und kriegsbereit gewesen sei als jetzt. 326  Die Elbe war ab Melnik in Böhmen (Mündung der Moldau) schiffbar. Durch Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 11. Juni 1870 sollte auf deutscher Seite spätestens ab 1. Juli 1870 die Erhebung des Elbzolls aufhören.

264

295*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 7. Juni 1870

König Leopold erzählte mir, daß die Festung Antwerpen 4.000 gezogene Kanonen bekommen solle und davon bereits 2.000 nach unserem verbesserten Systeme besitze. Die Kosten dieser colossalen Bewaffnung scheinen durch die von dem Dr. Strousberg für die alte Citadelle zu zahlenden 10.000.000 Franken gedeckt werden zu sollen. Ich erlaube mir, diese Zahlen nur beiläufig anzuführen, obgleich ich überzeugt bin, daß die Regierung des Königs, unseres Allergnädigsten Herrn, längst alle Einzelheiten der Sache aufs Genaueste kennt. Bei allen Begegnungen in der hiesigen großen Welt hat der König der Belgier mir und meiner Frau327 besondere Aufmerksamkeiten erwiesen, und nachdem Höchstderselbe Sich wiederholt mit großer Befriedigung über eine bei uns angenommene Abendgesellschaft ausgesprochen, hat Seine Majestät einige Tage darauf auch noch meine Frau mit einem persönlichen Besuche zu beehren geruht. Kurz, der König hat sich durch die in gewissen Englischen höchsten Hofkreisen noch in ganz entgegengesetzter Richtung wehende Luft nicht abhalten lassen, seine Hinneigung zu Preußen, oder wenigstens seine Dankbarkeit gegen Preußen, in demonstrativer Weise zu markiren und mir gegenüber auch ausdrücklich zu betonen. 294*. Erbprinz Leopold an Kronprinz Friedrich Wilhelm Becker, „Diversion“ II S. 235–236. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 237–251, 252–255, 258–260, 262–278; OD XXVII S. 338–340, 346–348.

Nachdem Bismarck die „hohen preußischen und deutschen Staatsinteressen“ mir gegenüber betont hat, bringe ich das Opfer, die spanische Krone anzunehmen. Benrath, 4. Juni 1870 295*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 326–329. Vertraulicher Erlaß.

Es ist als gesichert anzunehmen, daß Napoleons Wunsch, sich die Rheingrenze anzueignen, eine dauerhafte Koalition gegen Frankreich heraufbeschwören würde. Eine ernsthafte Opposition aus der Armee braucht Napoleon nicht zu befürchten. Berlin, 7. Juni 1870

327  Anna Gräfin von Bernstorff (1821–1893), geb. Freiin von Koenneritz; verheiratet 1839 mit Albrecht Graf von Bernstorff.

265

298. Bernstorff an Bismarck, London, 9. Juni 1870

296*. Bismarck an Eichmann Bismarck, GW VIb S. 330. Erlaß.

Er hat dem sächsischen Kriegsminister Fabrice gesagt, daß eine weitere Aufnahme von Abenteurern aus der Provinz Hannover die preußisch-sächsischen Beziehungen stören würde. Berlin, 7. Juni 1870 297. *Cadore an Gramont OD XXVII S. 349–351. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 352–354, 390–393, 396– 398.

Ein wichtiges Motiv für die partikularistische und antipreußische Stimmung in Württemberg und Bayern sind die Militärlasten aufgrund der Umorganisation des Heerwesens 1867. München, 7. Juni 1870 298. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9, S. 14–16. Bericht. Entzifferung. Praes.: 11. Juni 1869.

No. 165.

London, 9. Juni 1870

Lord Clarendon sagte mir gestern, daß man sich sehr damit beschäftige, was wohl der Zweck des Besuches Seiner Majestät des Königs und Ew. Excellenz in Ems sein könnte, und auf meine Frage, ob man denn in Frankreich sich damit beschäftige, erwiderte er, nein, er habe aber drei Briefe aus Deutschland bekommen, welche davon handelten. Meine Bemerkung, daß mir jeder politische Zweck dieses Besuches unbekannt sei, daß es mir aber nicht unnatürlich erscheint, daß der König seinem Kaiserlichen Freunde und Neffen während des Gebrauches einer Cur in den Königlichen Staaten einen Besuch machte, um so mehr, als der von dem Kaiser gewünschte Besuch unseres Allergnädigsten Herrn in St. Petersburg328 nicht stattgefunden habe und da es mir eben so natürlich vorkomme, daß Ew. Excellenz Seine Majestät auf dieser Reise begleitet hätten, da Sie nicht bei des Kaisers Durchreise in Berlin anwesend gewesen seien, schien der Englische Minister nicht unbedingt von der Abwesenheit eines jeden politischen Zweckes zu überzeugen, a wenngleich er mir keinen solchen auch nur andeutungsweise bezeichnet hat.a 328  Anläßlich

266

der Verleihung des St. Georgs-Ordens Anfang Dezember 1869.

300. Eichmann an Bismarck, Dresden, 11. Juni 1870

Die englischen Zeitungen beschäftigen sich bis jetzt nur durch Abdruck von Auszügen aus continentalen, namentlich oesterreichischen Blättern mit der Sache.b a–a b

Dazu Randvermerk des Königs: Das glaube ich gern. Am Schluß Vermerk des Königs: Wie kann ein so gescheuter Mann u zugleich a u s w ä r t i g e r M a n n solches Zeug glauben!!

299*. Bismarck an Kronprinz Friedrich Wilhelm Bismarck, GW VIb S. 330–332. Schreiben. – Vgl. auch OD XXVII S. 364–366, 376–380.

Er hat dem spanischen Cortesmitglied Salazar raten lassen, direkt mit dem Erbprinzen Leopold von Hohenzollern in Verhandlungen zu treten. Varzin, 11. Juni 1870 300. Eichmann an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3194, S. 328–331. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Prases.: 13. Juni 1870.

No. 33.

Dresden, 11. Juni 1870

Eurer Excellenz hohen Erlaß No. 227 vom 7. d.Mts. habe ich zu erhalten die Ehre gehabt und werde nicht ermangeln, einerseits die mir dadurch gewordenen Mittheilungen als lediglich zu meiner persönlichen Information bestimmt anzusehen, andererseits über den etwaigen Zusammentritt von Avantageuren aus der Provinz Hannover in dem Königlich Sächsischen Bundes-Contingent vorkommenden Falls gehorsamst zu berichten. Wenn der Sächsische Gesandte von Fabrice sich gegen den Königlichen Botschafter in London329 über die unleugbaren Uebelstände ausgesprochen hat, die mit der Anstellung von Hannoveranern in der Sächsischen Armee und am Sächsischen Hofe verbunden sind, so ist zu hoffen, daß derselbe bei seiner letzten Anwesenheit in Dresden nicht versäumt haben werde, seine warnende Stimme auch hier und namentlich gegen seinen Bruder, den Kriegsminister, vernehmen zu lassen. Letzterer steht in den intimsten Bezie329  Bernstorff. – Der im folgenden genannte: Julius Reichsgraf von Platen-Hallermund (1816–1889), hannoverscher Theaterintendant bis 1867; Generaldirektor der königlichen Musikkapelle und des Hoftheaters ab 1867; verheiratet 1852 mit Wilhelmine (1825–1918). geb. v. Düring. – Die danach genannten: Ferdinand Maximilian Fürst zu Ysenburg-Büdingen (1824–1903), verheiratet 1849 mit Augusta Marie (1829–1887), Prinzessin von Hanau; sie war Tochter des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Hessen-Kassel.

267

301. Arnim an Bismarck, Rom, 11. Juni 1870

hungen zu dem Hoftheater-Intendanten Grafen Platen, der mit seiner Gemahlin den Mittelpunkt der zahlreichen hier lebenden hannöverschen Familien bildet. Eben diese Familien haben die zuvorkommendste Aufnahme in dem gastfreien Hause des Ministers von Fabrice gefunden, dessen persönlicher Adjutant ein ehemaliger hannöverscher Officier ist. Dort sind auch Fürst Ysenburg und seine Gemahlin, geborene Prinzessin von Hanau, welche sich in demonstrativer Weise gegen die Königliche Gesandtschaft verhalten haben, mit Concessionen für ihre am Hofe nicht berücksichtigten Rangansprüche empfangen worden. Allerdings war im vergangenen Winter der persönliche Einfluß der fremden bei Hofe gerne gesehenen Elemente auf die sächsische Gesellschaft unverkennbar, indessen kann ich doch nicht umhin, ganz gehorsamst zu bemerken, daß Ihre Majestäten der König und die Königin von Sachsen330 durch eine bisweilen ausnahmsweise gnädige Haltung gegen die Mitglieder der Königlichen Gesandtschaft so zu sagen das Gleichgewicht wieder herzustellen suchten und daß es in der Gesellschaft nicht an Opposition gegen gewisse Prätensionen und Demonstrationen fehlte. Einen eigentlich p o l i t i s c h e n Einfluß möchte ich jenen Elementen nicht zuschreiben. In den Kreisen der Sächsischen Aristocratie, deren Stellung im Lande zwar eine gute, aber doch von den allgemeinen Interessen der Bevölkerung durchaus abhängige ist, greift nach meinen Wahrnehmungen die Ueberzeugung von der Unauflöslichkeit der durch den Norddeutschen Bund geknüpften Bande von Jahr zu Jahr immer mehr um sich, daneben aber halten auch die einsichtigsten und wohlmeinendsten Persönlichkeiten, unter denen der Minister von Friesen obenan steht, an dem Wunsche fest, innerhalb des Bundes die verfassungsmäßige Autonomie Sachsens möglichst ungeschmälert zu erhalten. Dieser Wunsch trat deutlich in den Verhandlungen der Sächsischen Kammern hervor, und er dürfte es auch gewesen sein, der verschiedene wichtige Abstimmungen der sächsischen Abgeordneten auf dem Rechtswege bestimmt hat. 301. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 389. Bericht. Auszug. Abschrift.

[o.Nr.]

Rom, 11. Juni 1870

Ich möchte Ew. Excellenz bitten, durch ein Telegramm unterrichtet zu werden, ob Ew. Excellenz meiner Meinung im Princip beitreten, adaß wir unter allen Umständen durch eine accentuirte Attitude an den Tag legen müssena, daß wir n i c h t gleichgültig bleiben können, wenn hier Dinge gesche330  Amalie

hann. 268

(1801–1877), Königin von Sachsen; verheiratet 1822 mit König Jo-

303*. Promemoria Arnims für einen deutschen Bischof, Rom, 17. Juni 1870

hen, von denen wir nebst den banderen Regierungen gesagt haben, daß sie auf unsere Beziehungen zum römischen Hof zurückwirken werdenb. a–a

Dazu Randvermerk Bismarcks (in Abschrift): Ist n i c h t meine Ansicht. – Wenn accentuirte Attitüde irgend welchen practischen Effekt auf das Dogma hätte, so könnte man sie ja annehmen. Sie ist aber ein Schlag ins Wasser und das Wiederkommen peinlich hinterher und ohne daß man Etwas erreicht hat. Ich finde, Arnim kann die ganze k i r c h l i c h e Solemnität vollständig ignoriren; die katholischen Botschafter können das natürlich nicht und wollen sich dem Dilemma entziehen. b–b Dazu Randvermerk Bismarcks (in Abschrift): Im Lande, aber in Rom haben wir kein Mittel, mit Gewicht und Erfolg zu demonstriren. Dem Vertreter eines evangelischen Monarchen ist an und für sich die dogmatische Frage gleichgültig; erst ihre Rückwirkung auf unser Staatsrecht in Deutschland zeigt uns u n s e r e n Kampfplatz an.

302*. Versen an Thile Becker, „Diversion“ II S. 289–290. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 291–300, 302– 307.

Erbprinz Leopold von Hohenzollern ist bereit, die spanische Krone anzunehmen. In Sigmaringen wird der endgültige Entschluß gefaßt. Reichenhall, 15. Juni 1870 303*. Promemoria Arnims für einen deutschen Bischof StA XXIV S. 278–282. – Vgl. auch DDI I,12 S. 626–628, 629–630.

Mit der Proklamation der Infallibilität des Papstes wird die Kurie mit der Menschheit in einen Krieg treten. „Man täusche sich nicht!“ Dieser Krieg bedeutet endlose Streitigkeiten: bei den Wahlen der Bischöfe; Austreibung der Jesuiten; Beseitigung alles kirchlichen Einflusses auf die Schule usw. Die Versammlung in Rom verliert den Blick auf die Weltgeschichte. Für die Italiener ist der ganze Kampf „ein Kampf pro domo“. Die Minderheit muß die Kraft aufbringen, immer wieder zu protestieren und schließlich Rom zu verlassen. Rom, 17. Juni 1870

269

305*. Wimpffen an Beust, Berlin, 18. Juni 1870

304. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/ 9, S. 21–22. Chiffrierter Bericht. Entzifferung.

No. 274.

London, 18. Juni 1870

Eurer Excellenz geehrte Depesche in Ziffern No. 292 vom 14ten d.Mts. habe ich gestern die Ehre gehabt und den mir darin ertheilten Befehl Seiner Majestät des Königs für Lord Clarendon sofort ausgeführt. Derselbe empfing meine vertrauliche Mittheilung mit Dank und fügte nur noch hinzu, daß man bei den Gerüchten und Vermuthungen über den Zweck der sogenannten Zusammenkunft in Ems namentlich auch hervorgehoben habe, daß der Chef des Militair-Cabinets Seine Majestät dorthin begleitet habe. Ich habe hierauf erwidert, daß es ganz natürlich sei, daß General von Tresckow, welcher dem Könige fast täglich in Personal-Angelegenheiten der Armee Vortrag zu halten habe, Seine Majestät auch auf kürzeren Reisen begleite und daß es nur Unkenntniß der dienstlichen Verhältnisse verrathe, wenn man damit etwaige militairische Verabredungen habe in Verbindung bringen wollen, bei welchen der Kriegs-Minister und der Chef des Generalstabes der Armee jedenfalls mehr betheiligt gewesen sein würden als der vortragende Officier in Personal-Angelegenheiten. Ich glaube nicht, daß nach diesen Erläuterungen bei Lord Clarendon noch irgend Zweifel über den Charakter des Besuchs des Königs in Ems und über die Begleitung Seiner Majestät durch den Grafen Bismarck dorthin zurückgeblieben sind. 305*. Wimpffen an Beust Becker, „Diversion“ II S. 301. Bericht.

Benedetti sagt, alle Schwierigkeiten in Frankreich werden auf das Jahr 1866 zurückgeführt, so daß man „einen weiteren Übergriff“ Preußens nicht ver­tragen würde. Berlin, 18. Juni 1870

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308. Abeken an Arnim, Ems, 24. Juni 1870

306*. Fürst Karl Anton an Bismarck Becker, „Diversion“ II S. 308. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 309–325, 327–336, 340–345, 347–366, 371–372, 377–380, 383–386, 392–393, 396, 406–411; OD XXVII S. 389–390.

Mein Sohn hat sich nunmehr entschlossen, dem Ruf auf den spanischen Thron Folge zu leisten. Sigmaringen, 19. Juni 1870 307*. Bismarck an Abeken Abeken, Leben S. 373–376. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 376–379; Bismarck XIV,2 S. 778–779.

Verstimmung des Königs; er – Bismarck – habe „hinter dem Rücken“ S.M. durch Bucher Verhandlungen in Spanien geführt; das ist nicht richtig: Ministerpräsident Prim hat auf das Angebot der spanischen Regierung an den Erbprinzen von Hohenzollern, die spanische Krone anzunehmen, durch Bucher mündlich antworten lassen, der Erbprinz müsse selbst mit Spanien verhandeln. – Arnim in Rom soll sich um den „ganzen Dogmenstreit“ nicht kümmern. Varzin, 20. Juni 1870 308. Abeken an Arnim PA Berlin, RZ 201/7571, S. 453–454. Telegramm. Abschrift. Beilage zu dem Bericht No. 107 (vgl. die folgende Nr.).

Ems, 24. Juni 1870 Graf Bismarck, von Seiner Majestät befragt, ist n i c h t der Ansicht, daß wir eine accentuirte Haltung gegenüber der Proclamation des Dogma’s der Infallibilität einnehmen. Demonstriren, Abreise würde ein Schlag ins Wasser sein und spätere Haltung nur schwierig machen. Die k a t h o l i s c h e n Botschafter sind bei kirchlichen Feierlichkeiten in unangenehmem Dilemma, welches für den evangelischen Gesandten wegfällt. Dieser kann D o g m a und die F e i e r l i c h k e i t ganz ignoriren; unsre Action beginnt, wenn das Dogma auf dem Felde Staatsrechts practisch wird. Seine Majestät der König hat diese Auffassung des Ministers gebilligt, und mir befohlen, Ew. Hochwohlgeboren dies zu sagen:

271

309. Arnim an Bismarck, Rom, 24. Juni 1870

Ew. Hochwohlgeboren möchten die kirchlichen Feierlichkeiten ganz ignoriren, keine Demonstration machen, aber auch sich officiell an denselben [nicht] betheiligen, nicht in Uniform erscheinen. 309. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7571, S. 446–451. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. Juni 1870.

No. 107.

Rom, 24. Juni 1870

Ich habe soeben aus Ems das anliegende Telegramm erhalten, welches in seinem letzten Theil wohl fehlerhaft sein wird, – Officiell mich betheiligen – (woran? an Demonstration oder an Feierlichkeiten?) könnte ich nicht ohne Uniform. Hierüber bitte ich mir eine geneigte Mittheilung zugehen lassen zu wollen, welche aber gar nicht eilig ist, da wirklich noch nicht vorauszusehen ist, wie die Sache sich hier practisch entwickeln wird. Die große Wichtigkeit der Frage wird mich aber entschuldigen, wenn ich in einigen Worten auseinandersetze, warum ich, wenn mir die Entscheidung obläge, anders verfahren würde, als der Graf Bismarck empfiehlt und Seine Majestät befohlen haben. Es ist namentlich die oft ausgesprochene aAnsicht, daß das Dogma der Infallibilität und seine Proclamation den Evangelischen Staat vorläufig nicht interessire und daher unsere Action und Reaction beginne, wenn das Dogmaa auf staatsrechtlichem Felde practisch werden soll; es ist diese Ansicht, welche mich – ich finde keinen anderen Ausdruck – erschreckt. Und dies um so mehr, als ich sie selbst früher getheilt habe. – Aber die hiesigen Erfahrungen haben mich überzeugt, bdaß zwar nicht grade das Dogma an und für sich, aber die Art, wie es gemacht worden ist oder gemacht worden sein wird, einen Maßstab geben [wird] für die immense Macht des Papstes und einen Anhaltspunkt für den Gebrauch, welchen der Papst von dem Dogma machen wird. Möge der Papst nun Pio IX oder Pio X sein!b Die Spitze der ganzen Tendenz, aus welcher das Dogma als letzte Frucht hervorgeht, ist direct gegen u n s gerichtet – daraus folgt aber noch nicht, daß Rom versuchen wird, es auf staatsrechtlichem Felde sofort in der Weise wirksam zu machen, welche uns ermöglichen könnte, die bestehenden Gesetze gegen die katholische Kirche anzurufen. Die nächste Thätigkeit Roms wird vielmehr eine Vorbereitende sein; aber wenn wir uns in diesem Stadium jeder Action enthalten wollten, würden wir dem Feinde erlauben, ungeheures Kriegsmaterial in unserm eigenen Lande aufzuhäufen, unser Haus mit Reiser und Schwefel umgeben, ohne das natür-

272

309. Arnim an Bismarck, Rom, 24. Juni 1870

liche Nothrecht zu üben,c nach welchem wir Kriegs- und Brennmaterial zerstörend müssen, ehe der Feind es benutzen kann. Wenn der Papst in dem augenblicklichen Kampfe Recht behält, ist unsre traditionelle Politik fernerhin unhaltbar, und je eher wir eden Krieg mit Krieg beantwortene, desto besser und desto rascher werden wir zu Ende kommen. Mit dieser Sachlage steht die Frage nach der Haltungf, welche wir einzunehmen haben, wenn der Papst seinen Willen durchsetzt, in Zusammenhang. Wenn es mir empfehlenswert erscheint, daß die Diplomatie durch irgend einen Act in unzweideutiger Weise zu erkennen giebt, daß gdie Europäischen Regierungen sich von Pius IX abwendeng, so werde ich nicht von der Hoffnung geleitet, daß dadurch auf den Papst eine große Wirkung hervorgebracht werden könne, sondern von dem Wunsche, unsern Bischöfen und Katholiken zu zeigen, hwoher der Wind weht.h – Dazu ist der Moment günstig, weil uns jetzt nicht mehr wie noch vor wenigen Monaten mit dem Hinweis auf die formidable Einigkeit der Kirche geantwortet werden kann. Wir haben gesehen, wie weit die Meinungen auseinandergehen. – Dazui ist der Moment günstig, weil die Bischöfe, sie mögen sich hier in letzter Stunde unterwerfen oder nicht, doch so gereizt gegen Rom sind, daß von ihnen ein Widerstand nicht zu erwarten ist. Sie sind übrigens in der größten Mehrzahl auf Repressalien gefaßt und würden verwundert sein, wenn sie nicht eintreten. Dies sind die Erwägungen, welche ich Euerer Excellenz zu unterbreiten nicht versäumen wollte. Neue Instruktionen erbitte ich nicht. Dazu wird immer noch Zeit sein, wenn neue Ereignisse die Situation verändern sollten.j a

Von Bismarck am Rand doppelt angestrichen und der Vermerk: wo? Dazu von Bismarck der Randvermerk: Gegenmittel? c–c Dazu von Bismarck der Randvermerk: wie zu verbieten? doch nur durch Gesetz d Von Bismarck unterstrichen und am Rand der Vermerk: wie? e–e Von Bismarck unterstrichen und am Rand der Vermerk: was heißt das in praxi? f Von Bismarck unterstrichen und am Rand der Vermerk: beißt den Papst nicht! That nöthig g–g Von Bismarck unterstrichen und am Rand der Vermerk: wollen sie das, will das Fr[an]kreich? h–h Dazu von Bismarck am Fuß der Seite der Vermerk: das thut jede Windfahne schon i Von Bismarck unterstrichen und am Rand der Vermerk: Wozu? j Dazu am Schluß des Berichts folgender Vermerk: Phrasenpomp, ohne jeden practischen Vorschlag, w a s denn zur Abwehr der Brandstiftung thunlich wäre. Ein alberner Bericht. Eingang mit parturiunt montes, u[nd] nicht einmal ridi[ulus] mus wird geboren! Schreiber theilt meine Meinung nicht, hat aber selber keine andre u[nd] verlangt keine neue Instruction. Wohlfeiler Bombast! b–b

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312. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 29. Juni 1870

310*. Benedetti an Gramont OD XXVII S. 412–414. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 421–423; XXIX S. 374– 375, 378.

Die Worte Gramonts im Corps législatif über den Bau der Gotthard-Bahn haben in Berlin beruhigend gewirkt. Der Norddeutsche Bund, die Schweiz und Italien haben am 20. Juni in Berlin eine Konvention unterzeichnet, nach der der Norddeutsche Bund der Gotthard-Konvention der beiden anderen Staaten beitritt und somit seinen Anteil an den Baukosten übernimmt. Berlin, 24. Juni 1870 311*. Mülinen an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 380. Bericht.

Gramont hat an seinen Vertreter in Stockholm geschrieben, er solle sich erkundigen, ob Frankreich im Kriegsfall auf Schweden zählen könne. Ich habe als Antwort bekommen, daß Schweden zur Kooperation nicht bereit sei und im Krieg Enthaltung üben werde. Stockholm, 24. Juni 1870 312. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9863, S. 258–261. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 2. Juli, (in Ems) 3. Juli 1870.

No. 65.

St. Petersburg, 29. Juni 1870

Fürst Gortschakoff sagte mir gestern, Seine Majestät der Kaiser habe Sich in Ems eingehend mit Euerer Excellenz unterhalten und Hochdenselben [!] gegenüber hervorgehoben, wie nothwendig es sei, daß sich die beiderseitigen Kabinette über ein möglichst gleichmäßiges Auftreten im Orient verständigen möchten. Der Kanzler führte dies näher aus und sagte, der Kaiser würde mir wahrscheinlich auch in diesem Sinne sprechen. Die guten Beziehungen beider Höfe müßten sich auch durch die That bemerken lassen. Europa müsse sehen und wissen, daß Preußen und Rußland zusammen hielten, daher sei es auch zu wünschen, daß das Auftreten der beiderseitigen Agenten im Orient ein möglichst Einiges sein möchte. Rußland habe keine aggressiven Absichten im Orient, alle eigennützigen Pläne, welche man dem hiesigen Kabinet zuzuschreiben gewöhnt sei, wären aus der Luft gegriffen. Man habe nur ein Ziel im Auge, nämlich dasjenige zu verhüten, daß sich im Orient größere Verwic274

312. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 29. Juni 1870

kelungen vorbereiten könnten. Die heutige Russische Politik im Orient mache es sich daher ausschließlich zur Aufgabe, über die Erhaltung des Europäischen Friedens zu wachen, und Preußen würde sich nicht compromittiren, wenn es sich in dieser Richtung den Bestrebungen Rußlands anschließe. Ferner habe der Kaiser bemerken können, daß sich das Kabinet Seiner Majestät des Königs nur mittelmäßig für Rumänien interessire und daß man bei uns diese Angelegenheiten durchaus nicht als eine Familiensache betrachte. Auf diesen Theil der Bemerkungen des Fürsten habe ich nur erwidert, daß ich ihm oft genug versichert hätte, wie die Begebenheiten in Rumänien für uns nur ein secundäres Interesse hätten. Der Umstand, daß dort eine große Zahl von Unterthanen des Norddeutschen Bundes lebten, machte es der Regierung desselben wünschenswerth, in jenen Ländern geordnete Zustände erblühen zu sehen. Hierzu sei aber das erste Erforderniß, daß sich eine stabile, möglichst kräftige Regierung dort etablire, welcher in der Ausführung ihrer Bemühungen zur Erreichung dieses Zieles keine Hindernisse in den Weg gelegt würden, und ich glaubte, daß dies im Interesse aller derjenigen liege, welche verhüten wollten, daß uns vom Orient aus ernsthafte Verwickelungen erwüchsen. Der Kanzler gab mir dies zu und sagte, daß auch die Kaiserliche Regierung kein Interesse habe, die Regierung des Fürsten Carl zu schwächen, und daß sie das Bestehen derselben wünsche. Auf den ersten Theil der Andeutungen des Fürsten Gortschakoff habe ich ihm nur mit allgemeinen Phrasen geantwortet, weil ich nicht weiß, in welcher Weise Euer Excellenz sich dem Kaiser gegenüber ausgesprochen haben. Die Tendenz der hiesigen Regierung, es dahin zu bringen, daß sich die Organe des Norddeutschen Bundes im Orient der russischen Diplomatie blindlings dienstbar machen möchten, habe ich öfters die Ehre gehabt, Euer Excellenz zu signalisiren. Es ist mir hier oft genug Verstimmung gezeigt worden, wenn wir nicht sofort den Sensations-Nachrichten Glauben schenkten, welche nur zu gerne von den Russischen Agenten im Orient hierher gemeldet werden, und wenn dann die wahrheitsgetreuen Berichte unserer Agenten in nüchterner Weise die Thatsachen darstellten, so erlaubt man sich hier gern, über die Haltung derselben zu klagen und sie als russenfeindlich darzustellen.

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315*. Werther an Bismarck, Paris, 1. Juli 1870

313*. Bismarck an Kronprinz Friedrich Wilhelm Bismarck, GW VIb S. 334–335. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 335–336; OD XXVII S. 404–412, 415–418, 423; XXVIII S. 18–27, 29–37.

Die Annahme der spanischen Krone durch den Erbprinzen von Hohenzollern wirkt erleichternd; allerdings verzögert sich die Haltung der spanischen Regierung. Varzin, 30. Juni 1870 314*. Saint-Vallier an Gramont OD XXVII S. 432–437. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda XXVIII S. 51– 53.

Über einen Mittelsmann habe ich folgende vertrauliche Einzelheiten vom Grafen Šuvalov über die Zusammenkunft König Wilhelms I. und Zar Alexanders II. in Ems (2. Juni 1870) bekommen: Der Zar habe Bismarck klargemacht, daß in seiner Lebenszeit die Unabhängigkeit der süddeutschen Staaten nicht angetastet werden dürfe; daß die Nordschleswigsche Frage geregelt werden müsse. Bismarck habe geantwortet, daß die Unabhängigkeit Süddeutschlands respektiert werde und die Nordschleswig-Frage vom persönlichen Willen des Königs abhänge. – Der Zar habe auch mit Ministerpräsident Varnbüler gesprochen und sich über den Kronprinzen Friedrich Wilhelm beklagt, der ganz unter dem Einfluß seiner Frau stehe; diese wolle ihm die Segnungen des englischen Verfassungssystems beibringen; wenn König Wilhelm I. einmal sterbe, habe Bismarck völlig abgewirtschaftet; Varnbüler habe er vor den Gefahren des Liberalismus gewarnt und Königin Olga331 zur Festigkeit gegenüber den demokratischen Tendenzen aufgefordert. Stuttgart, 30. Juni 1870 315*. Werther an Bismarck Oncken, Rheinpolitik III S. 384–385. Bericht.

Unterredung mit Gramont: Dieser wolle im Corps législatif die Festung Mainz nicht erwähnen; Frankreich habe die Gestaltung Deutschlands von 1866 anerkannt und sei überzeugt, daß preußischerseits die Mainlinie nicht 331  Olga Nikolaevna (1822–1892), geb. Großfürstin; Königin von Württemberg 1864–1891.

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318*. Bismarck an Abeken, Varzin, 5. Juli 1870

überschritten werde. – Antwort: Wie die Deutsche Frage sich intern entwickle, gehe das Ausland nichts an. Paris, 1. Juli 1870 316*. Prim an Olozaga332 OD XXVIII S. 433–434. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 434–435, 442–445.

Die Thronvakanz ist beendet. Prinz Leopold von Hohenzollern hat das Angebot angenommen. Das wird der französischen Regierung und dem Kaiser unangenehm sein. Wir haben lange nach einem Kandidaten gesucht. Ohne die Zusage Leopolds würden wir auf die Republik zusteuern. Madrid, 3. Juli 1870 317*. Kübeck333 an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 386–388. Geheimer Privatdienstbrief.

Audienz bei König Viktor Emanuel: Dieser betont die Fortgeltung der Tripelallianz, obwohl sie formell nicht unterzeichnet sei. Er habe Bedenken, ob sich die napoleonische Dynastie in Frankreich halten könne; notfalls müsse eine neue Allianz geschlossen werden; er werde seinen neuen Außenminister Visconti-Venosta nicht in die geheime Allianz einweihen. Florenz, 4. Juli 1870 318*. Bismarck an Abeken Bismarck, GW VIb S. 338–340. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 340–343; Becker, „Diversion“ II S. 446–449, 451–458, 459–460, 465–479, 481–492; Empress Frederick, Letters S. 72; OD XXVIII S. 435–440.

Da die inopportune Reise des Botschafters Werther nach Ems nicht zu verhindern ist, soll dieser instruiert werden, daß die französische Regierung sich wegen der spanischen Hohenzollernkandidatur an Spanien wenden solle; deutscherseits solle „kühle Verwunderung“ an den Tag gelegt werden. Varzin, 5. Juli 1870

332  Salustiano du Olózaga (1805–1873), spanischer Botschafter in Paris (zuletzt) 1868–1873 (mit Unterbrechung April – Oktober 1871). 333  Aloys Karl von Kübeck Freiherr von Kübau (1818–1873), österreichisch-ungarischer Gesandter in Florenz 1867 – Dezember 1871, in Rom (Vatikan) 1872–1873.

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322*. Beust an Münch, Wien, 6. Juli 1870

319*. Werther an König Wilhelm I. Becker, „Diversion“ II S. 428–430. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 433, 435–437, 438–446, 450–451, 460–464; Documents dipl. suisses II S. 372–376, 380–381; BDFA I F XXXI S. 1–2, 6–11; OD XXVIII S. 38–41, 44–45, 49–51, 57, 59–63, 440–441, 445–447; Oncken, Rheinpolitik III S. 394–398.

Die Nachricht von der spanischen Thronannahme durch den Prinzen Leopold von Hohenzollern hat in französischen Regierungskreisen „einen höchst peinlichen Eindruck“ hervorgebracht; in parlamentarischen Kreisen wirkte sie niederschmetternd. Paris, 5. Juli 1870 320*. Ollivier an Kaiser Napoleon III. OD XXVIII S. 58–59. Telegramm.

Volle Zustimmung in der Kammer zur Regierungserklärung in Sachen spanischer Thronkandidatur. Man hat Preußens Verhalten als Kriegerklärung bezeichnet. Das habe ich nicht akzeptiert334. Paris, 6. Juli 1870 321*. Gramont an Fleury OD XXVIII S. 64. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 64–81.

Er soll Gorčakov mitteilen: Wenn Preußen auf der Thronannahme durch den Prinzen von Hohenzollern bestehe, bedeute das Krieg. Paris, 6. Juli 1870 322*. Beust an Münch335 Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern IV S. 16–17. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 17–19; BDFA I F XXXI S. 25.

Die Nachrichten aus Frankreich lassen keinen Zweifel, daß man dort die spanische Hohenzollernkandidatur „als gegen die französischen National­

334  Vgl.

Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 362–363. Frhr. von Münch-Bellinghausen (1833–1877), Legationsrat an der österreichisch-ungarischen Botschaft in Berlin 1870–1871. 335  Joachim

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326. *Nigra an Visconti Venosta, Paris, 8. Juli 1870

interessen“ gerichtet betrachte. Daher ist es zu begrüßen, daß der preußische König damit keine europäische Verwicklung heraufbeschwören wolle. Wien, 6. Juli 1870 323*. Bernstorff an das Auswärtige Amt Rheindorf, England S. 162. Telegramm. – Vgl. auch Doeberl, Bayern S. 218–224; BDFA I F XXXI S. 3–6; OD XXVIII S. 81–111.

Die drohende Sprache Gramonts gegenüber Preußen wird in London nicht gebilligt; die Kandidatur des Hohenzollernprinzen wird aber auch getadelt. London, 7. Juli 1870 324*. Solms an Bismarck Rheindorf, England S. 162–163. Bericht.

Der russische und der englische Kollege meinen, daß man in Paris einen Krieg mit Preußen provozieren wolle. Paris, 7. Juli 1870 325*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 343–344. Zwei Telegramme.

1. Im Falle der Drohung durch den französischen Geschäftsträger in Berlin wegen der Hohenzollernkandidatur hart sein. – 2. Gramonts Rede in der Deputiertenkammer muß in der Presse grob beantwortet werden. Varzin, 8. Juli 1870 326. *Nigra336 an Visconti Venosta DDI I,13 S. 19. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 29–30; BDFA I F XXXI S. 17; OD XXVIII S. 111–138; XXIX S. 398–415.

Morgen wird der Befehl herausgegeben, die Truppen in Frankreich zu mobilisieren. Paris, 8. Juli 1870 336  Costantino

1876.

Graf Nigra (1828–1907), italienischer Gesandter in Paris 1861–

279

329. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 9. Juli 1870

327*. Howard an Granville337 BDFA I F XXXI S. 30–31. Sehr vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 85– 87.

Graf Bray meint, daß Bismarck den Coup mit der Hohenzollernkandidatur lange vorbereitet habe. Er sagt, ein preußisch-französischer Krieg gehe Bayern nichts an; anders sei es, wenn Deutschland angegriffen würde. München, 8. Juli 1870 328. *Bismarck an Abeken und das AA Bismarck, GW VIb S. 345–347. Fünf Telegramme. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ II S. 492–499, 519–520; Newton, Lord Lyons I S. 296–297; OD XXVIII S. 138–182, 447–450.

1. Sehr erfreut, daß der König Gramonts Anmaßung zurückweist. – 2. Wer Kongreß will, darf nicht vorher öffentlich mit Krieg drohen. – 3. Zur Einwirkung auf die öffentliche Meinung muß die Presse herangezogen werden. – 4. Militärattaché Waldersee muß zurück nach Paris. – 5. Der Reichstag muß möglichst bald einberufen werden, „um gemeinsame Haltung mit der Volksvertretung festzustellen“. Varzin, 9. Juli 1870 329. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9867, S. 341–347. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 12. Juli 1870.

No. 71.

St. Petersburg, 9. Juli 1870

Wie ich durch mein Telegramm No. 14. vom 7ten d.Mts. Euerer Excellenz zu berichten die Ehre hatte, war mir vom Fürsten Gortschakoff mitgetheilt worden, daß der Erzherzog Albrecht von Oesterreich sich dem Kaiser Alexander gegenüber in einer Weise ausgesprochen hätte, die den Wunsch zu erkennen gab, eine Annäherung zwischen Preußen und Oesterreich anzubahnen. Seine Majestät der Kaiser, der mir heute von der Unterredung erzählte, welche Er mit dem Erzherzoge in Warschau gehabt hat, sprach mir weniger 337  Sir Henry Howard (1809–1898), englischer Gesandter in München 1866– 1872. – George Leveson Gower, Lord Granville (1815–1891), Kolonialminister 1868–1870; Außenminister Juni 1870 – 1874, 1880–1885.

280

329. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 9. Juli 1870

direct über diesen Punkt. Er hat allerdings von dem Verhältniß Preußens zu Oesterreich mit dem Erzherzoge gesprochen und Sich gefreut, beim Erzherzoge die besten Absichten zu begegnen [!]. Letzterer hat ihm gesagt, der Kaiser von Oesterreich wünsche aufrichtig eine Annäherung, dieselbe würde ihm aber schwer gemacht, da er Grund zu glauben habe, daß Preußischerseits in wenig freundschaftlicher Weise auf die Partheien gewirkt werde, und zwar in dem Sinne, welcher die Einigung der verschiedenen Elemente, aus denen der Kaiserstaat zusammengesetzt sei, sehr erschwere. Die Presse sei, wie man vermuthe, theilweise in Preußischem Solde, und es würde dadurch viel Unfrieden gesät. Der Kaiser Alexander hat diese Ansicht des Erzherzogs auf das entschiedenste bekämpft; Er hat angeführt, daß er die Ansichten Seiner Majestät des Königs genau kenne und wisse, daß Allerhöchstderselbe von den besten Absichten für eine Annäherung beseelt sei. Seine Majestät der König sei mit ihm, dem Kaiser, in der Anschauung vollkommen einig, daß die Zertrümmerung Oesterreichs ein Unglück für Europa sein würde. Beide Monarchen wären daher weit davon entfernt, eine Politik befolgen zu wollen, welche die Existenz Oesterreichs bedrohe. Er könne aber seinem Gaste nicht verhehlen, daß österreichischerseits diese guten Absichten sehr erschwert würden. So sei es namentlich die Politik, die das Wiener Kabinet in Galizien befolge, welche weder Rußland noch Preußen gefallen könnte. Man sei dort bemüht, ein neues Polen zu schaffen und dadurch die Hoffnung der Polen auf eine Wiederherstellung zu nähren. Dadurch würde ein Kern gebildet, um welchen sich diese Nation wieder zu schaaren beginne, und das sei für die Ruhe der Nachbarn gefährlich. Wenn ihm auch der Erzherzog dagegen erwidere, daß das Prinzip seiner Regierung jetzt dahin ginge, den verschiedenen Bestand­ theilen der Monarchie eine größere Autonomie zu geben, so wäre dies aber keine Entschuldigung. Denn die Autonomie Galitziens [!] könne den beiden andern Theilungsmächten unmöglich erwünscht erscheinen, weil sie bei sich durchaus entgegengesetzte Prinzipien verfolgten. Wenn man Oesterreichischer Seits Preußen vorwerfe, das deutsche Element in Oesterreich durch allerhand Mittel an sich ziehen zu wollen, so stände es mit diesem Vorwurf ebenso wie mit dem, den man dort Rußland mache. Dies würde angeklagt, die Czechen und andere slawische Stämme durch Emissaire und durch die Presse zu bearbeiten, um sie den russischen Plänen geneigt zu machen. Er, der Kaiser, könne aber dem Erzherzoge sein Ehrenwort geben, daß seine Regierung dabei die Hand nicht im Spiele habe. Niemand könne leugnen, daß die Oesterreichische Monarchie ihre Hauptstütze in dem deutschen Elemente immer gefunden habe und noch finde, wenn man daher fortfahre, diese Nationalität zu unterdrücken und gegen die andern zu benachtheiligen, so würde man es sich selbst zuzuschreiben haben, wenn sich erstere einen anderen außerhalb Oesterreichs liegenden Stützpunkt aufsuche. Man würde 281

329. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 9. Juli 1870

daher besser thun, nicht Andere anzuklagen, sondern die Schuld im eigenen Verhalten zu suchen. Außerdem sei es leider nicht zu leugnen, daß, wenn man glaube, mit Oesterreich sich verständigen zu können, die Sprünge der dortigen Politik so unerwartet seien, daß das gewonnene Vertrauen bald wieder verloren ginge. Der Kaiser bemerkte, Er habe dem Erzherzoge sehr offen über diese Verhältnisse gesprochen, und hoffe er, daß dies auch einigen Eindruck auf ihn gemacht haben würde. Er habe durchaus kein Interesse, sich mit Oesterreich zu brouilliren, und würde es sehr gerne sehen, wenn sich die drei Mächte wieder besser mit einander verständigen könnten, aber leider sei dazu wie gesagt wenig Aussicht. Der Besuch des Erzherzogs habe ihm Freude gemacht, und er habe mit Fleiß gesucht, die Anklänge von früheren besseren Zeiten in jeder Weise wieder hervorzuheben. Uebrigens habe er es nur passend finden können, daß sich der Kaiser Franz Joseph wieder einmal herbeigelassen habe, ihn durch ein Mitglied seiner Familie zu begrüßen, und sei die Wahl des Erzherzogs Albrecht gewiß eine sehr gute gewesen. Es sei dies vielleicht der Einzige, der noch etwas an den guten alten Traditionen hinge. Von der Verleihung des Großkreuzes des St. Georgs-Ordens haben mir Seine Majestät nicht gesprochen. Durch die Berichte des Obersten von Werder338 wird der König, unser Allergnädigster Herr, davon unterrichtet worden sein, in welcher Weise der Kaiser Alexander diese etwas auffällige Demonstration gleichsam zu entschuldigen gesucht hat. Dieselbe hat hier großes Mißfallen erregt. Man findet die Sache nicht recht motivirt und bedauert, daß dieser Orden, der hier mit einem gewissen Nimbus umgeben ist, dadurch etwas an Werth verloren hat. Das Telegramm, welches mir Euer Excellenz heute aus Varzin haben zugehen lassen und welches angibt, daß die Regierung Seiner Majestät des Königs die Annäherung an Oesterreich, soweit sie ohne Schaden unserer Beziehungen zu Rußland sich machen lasse, längst gewünscht habe, habe ich leider erst nach meiner Unterredung mit dem Kaiser erhalten. Indessen habe ich den Inhalt desselben zur Kenntniß des Fürsten Gortschakoff gebracht, der diese Aufmerksamkeit vollkommen zu würdigen schien.

338  Bernhard von Werder (1823–1907), Generalleutnant; Militärbevollmächtigter am russischen Hof 1869–1886.

282

333*. Bismarck an Abeken und das AA, Varzin, 10. Juli 1870

330*. Graf Philipp von Flandern339 an König Leopold II. OD XXIX S. 497–498. Handschreiben.

Das Angebot der spanischen Krone an den Prinzen Leopold geht auf den März 1869 zurück. In Berlin hat man die Annahme aus Familien- und preußischen Interessen unterstützt. Leopold hatte abgelehnt. – Jetzt haben wohl Madrid wie Paris den Prinzen von Asturien gewollt; dagegen hat Marschall Prim mit der Kandidatur Leopolds geantwortet. Camp de Beverloo, 9. Juli 1870 331*. Gramont an Benedetti OD XXVIII S. 190. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 191–212.

Sie können sich nicht vorstellen, wie aufgeregt die öffentliche Meinung ist. Wir brauchen bis spätestens morgen eine Antwort des preußischen Königs über die Hohenzollernkandidatur, und zwar derart, daß Prinz Leopold sie aufgibt. Paris, 10. Juli 1870 332*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 353–354. Telegramm. –Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 19–21.

Auf die Anfrage aus St. Petersburg soll geantwortet werden, daß Annäherung zwischen Preußen und Österreich wünschenswert sei. Varzin, 10. Juli 1870 333*. Bismarck an Abeken und das AA Bismarck, GW VIb S. 347–353. Zehn Telegramme. – Vgl. auch Becker, „Diver­ sion“ II S. 499–510, 512, 516; OD XXVIII S. 182–189, 450–454.

1. Solms in Paris soll erklären, „wenn man ihn [den Krieg] uns erklärte, so werden wir ihn führen“. – 2. Werther voll von Ems sofort nach Paris zurück. – 3. Die Presse soll „sittliche Entrüstung“ über Gramonts Drohung aussprechen. – 4. Den süddeutschen Höfen soll erklärt werden, daß der Krieg in Paris beschlossene Sache sei. – 5. Benedetti in Ems scheint Verzicht des 339  Philipp

(1837–1905), Graf von Flandern; Bruder König Leopolds II. 283

336*. Cazaux an Gramont, Wien, 10. Juli 1870

Erbprinzen Leopold durch S.M. extrahieren zu wollen. – 6. Wenn S.M. mich in Ems wünscht, komme ich. – 7. Werther soll auf seinen Posten zurückkehren. – 8. Ein Brief S.M. an Kaiser Napoleon ist unangebracht. – 9. Das Pariser Protokoll von 1856 (Mediation einer dritten Macht) ist nicht ins Spiel zu bringen. – 10. Meldungen über französische Rüstungen sollen in die Presse. Ob Erbprinz Leopold zurücktreten wolle, muß er selbst wissen. Varzin, 10. Juli 1870 334*. Metternich an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 415. Telegramm.

Die leidenschaftliche Sprache Gramonts in der Kammer dient dazu, den französischen Patriotismus hochzufahren. Er hat General Lebœuf340 wegen der Aufstellung eines Observationskorps an der preußischen Grenze gesprochen. Wieviel österreichische Truppen können wir im Kriegsfall aufstellen? [Paris] 10. Juli 1870 335*. König Wilhelm I. an Fürst Karl Anton Becker, „Diversion“ II S. 511. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 515, 521–531, 539–548, 553; III S. 34–44, 88, 105–108.

Wenn Erbprinz Leopold die Rücknahme seines Entschlusses bekannt gibt, bin ich einverstanden. Ems, 10. Juli 1870 336*. Cazaux341 an Gramont OD XXVIII S. 212–217. Vertraulicher Bericht.

Reichskanzler Beust: Leider sei ein Schutz- und Trutzbündnis zwischen Österreich und Frankreich nie unterzeichnet worden; es gebe nur einen Briefwechsel zwischen den beiden Kaisern. Warum spreche man in Paris vom Krieg? Warum fange man nicht den Prinzen von Hohenzollern auf seiner (See-)Fahrt nach Spanien ab und lasse ihn spurlos verschwinden? Wenn dann 340  Edmond Lebœuf (1809–1888), Marschall von Frankreich (seit März 1870); Kriegsminister 1869 – Juli 1870; Generalstabschef der „Rheinarmee“ Juli – Oktober 1870. 341  Vermutlich Joseph-Aimé-Louis, marquis de Cazaux, französischer Geschäftsträger in Wien (keine weiteren Daten ermittelt).

284

339*. Benedetti an Gramont, Ems, 11. Juli 1870

Preußen angreife, sei der Krieg gut eingefädelt. – Antwort: Man sollte Bismarck klarmachen, daß er bei der Aufrechterhaltung der Kandidatur nicht einen Feind, sondern zwei vorfinden werde? Jetzt sei doch die große Chance da. Preußen müsse endlich eine moralische Schlappe erleiden. – Beust: Unser alter Feldzugsplan sehe doch als erstes die Besetzung der kleinen deutschen Staaten vor; wenn Preußen bei der Schlappe mit dem Prinzen von Hohenzollern zu den Waffen greife, sei für uns beide die Sache klar. Wien, 10. Juli 1870 337*. Vimercati an Viktor Emanuel DDI I,13 S. 35–36. Telegramm.

Der Kaiser in St. Cloud: Wenn Preußen auf die spanische Kandidatur verzichte, gebe es keinen Krieg. Wenn die Antwort negativ sei, würden die französischen Truppen zur Grenze marschieren. Er zähle auf die Mitwirkung Italiens und Österreichs. Die italienische Armee solle nach München marschieren. Paris, 10. Juli 1870 338*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 354. Zwei Telegramme.

1. In der Presse soll verbreitet werden, daß die spanische Königswahl nur Spanien und den gewählten Thronkandidaten etwas angehe. – 2. Ob der französische Geschäftsträger aus Berlin abreisen wolle, ist seine Sache. Varzin, 11. Juli 1870 339*. Benedetti an Gramont OD XXVIII S. 218–219. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 219–248, 454–459.

Einstündige Audienz bei König Wilhelm I.: Dieser lehnt es ab, den Prinzen von Hohenzollern zum Verzicht auf die spanische Krone zu bewegen. Ihm ist die Bemerkung entschlüpft: Er wisse von französischen Rüstungen, auf die er mit gleichen Maßnahmen antworten werde. Ems, 11. Juli 1870

285

343*. Thile an Bismarck, Berlin, 12. Juli 1870

340*. Metternich an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 417. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 417–418.

Laut Benedetti wird König Wilhelm I. wohl in der spanischen Thronfolgesache nachgeben. Im Gegensatz zu Gramont will Ollivier noch andere Fragen als die Hohenzollernfrage vorbringen, „um den Krieg unausweichlich zu machen“. Paris, 11. Juli 1870 341*. Beust an Metternich Oncken, Rheinpolitik III S. 421–427. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 354–355, 367–377, 386–392.

Falls der Krieg zwischen Frankreich und Preußen ausbricht, kann Paris nur auf unsere diplomatische Mitwirkung zählen, nicht aber auf eine militärische Demonstration. Alle Zeichen deuten darauf hin, daß Frankreich mit Hilfe der Hohenzollernkandidatur den Krieg provozieren wolle. Österreich kann in dem Konflikt zunächst nur eine für Frankreich wohlwollende Haltung einnehmen, nicht mehr. Wien, 11. Juli 1870 342*. Kaiser Napoleon III. an Gramont OD XXVIII S. 260–261. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 249–260, 261–290.

Benedetti muß von König Wilhelm I. die kategorische Antwort bekommen, daß Prinz Leopold in Zukunft nicht eines Tages doch nach Spanien aufbreche. Saint-Cloud, 12. Juli 1870 343*. Thile an Bismarck Rheindorf, England S. 164. Promemoria. – Vgl. auch BDFA I F XXXI S. 72–73; OD XXVIII S. 465–477.

Lord Loftus will dem Erbprinzen von Hohenzollern im Namen Englands dringend den Verzicht auf die spanische Kandidatur nahelegen. Berlin, 12. Juli 1870

286

346*. Bismarck an das Wolffsche Telegraphenbüro, Berlin, 12. Juli 1870

344*. Bismarck an Delbrück342 und an Roon Bismarck, GW VIb S. 335. Zwei Telegramme. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ II S. 538–539, 554–556.

1. Der Reichstag soll einberufen werden. – 2. Ist die Festung Mainz von Straßburg her in Gefahr? Varzin, 12. Juli 1870 345*. Bismarck an das Auswärtige Amt und an Abeken Bismarck, GW VIb S. 355–358. Vier Telegramme. – Vgl. auch ebenda S. 358–359; Becker, „Diversion“ III S. 3–5.

1. Erbprinz Leopold soll öffentlich verbreiten, daß er die spanische Krone unter der Bedingung annehme, daß Spanien im Falle einer französischen Kriegserklärung zusammen mit Deutschland an Frankreich den Krieg erkläre. – 2. Nach Washington ist zu telegraphieren, ob Deutschland im Kriegsfall auf „maritime Verteidigungsmittel aus Amerika“ rechnen könne. – 3. Vor seiner Ankunft in Ems soll der König an Benedetti keine Erklärung abgeben. – 4. Er kann aus gesundheitlichen Gründen nicht nach Ems kommen. Varzin, und Berlin, 12. Juli 1870 346*. Bismarck an das Wolffsche Telegraphenbüro Bismarck, GW VIb S. 359–360. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 261 (Nr. 1603), 554 (Nr. 1877), 556–557; Becker, „Diversion“ II S. 569–577; Victoria, Letters II,2 S. 29–33; Empress Frederick, Letters S. 73; BDFA I F XXXI S. 45, 51–52, 53–56, 57–58, 59–61.

Prinz Leopold hat auf seine spanische Thronkandidatur verzichtet. Berlin, 12. Juli 1870

342  Rudolf (1896 von) Delbrück (1817–1903), Präsident des Bundeskanzleramtes bzw. 1871 des Reichskanzleramtes 1867–1876; (Titular-)Staatsminister 1868–1876.

287

350*. Bismarck an König Wilhelm I., Berlin, 13. Juli 1870

347*. Bismarck an Abeken Bismarck, GW VIb S. 360. Telegramm. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ II S. 577– 579.

Um wegen des Thronverzichts Leopolds einen ungünstigen Eindruck in der öffentlichen Meinung zu vermeiden, soll Werther in Paris auf Urlaub gehen. Berlin, 12. Juli 1870 348*. Bismarck an F.A. zu Eulenburg Bismarck, GW VIb S. 360–361. Telegramm. Konzept.

Da die französische Panzerflotte in vier Tagen in der Nordsee erscheinen kann, soll der König nach Berlin zurückkehren. Berlin, ca. 12. Juli 1870 349*. Werther an König Wilhelm I. Becker, „Diversion“ III S. 6–9. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 160–165; BDFA I F XXXI S. 60–62; OD XXVIII S. 459–465; Oncken, Rheinpolitik III S. 427–432.

Unterredung mit Außenminister Gramont, dem sich später Ministerpräsident Ollivier zugesellt: Das Verfahren, wie in Preußen mit der spanischen Thronkandidatur umgegangen werde, habe in Frankreich tief verletzt. König Wilhelm I. solle an Kaiser Napoleon einen Brief richten, in dem gesagt werde, mit der Thronfrage habe er der französischen Nation nicht zu nahetreten wollen. Paris, 12. Juli 1870 350*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 365 und 367–368. Zwei Telegramme. – Vgl. auch ebenda S. 366–367; OD XXVIII S. 480–503.

1. Die Gramontschen Forderungen nach einem Thronverzicht des Fürsten Leopold erregen in Württemberg die Stimmung gegen Frankreich. – 2. Bitte nach Berlin zurückkehren. Berlin, 13. Juli 1870

288

353*. Benedetti an Gramont, Ems, 13. Juli 1870

351*. Bismarck an Abeken und an Werther Bismarck, GW VIb S. 361–365. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 48–50.

1. Er soll den Reichstag einberufen. – 2. und 3. Wir hören, daß Gramont in Paris sich mit Leopolds Thronverzicht nicht zufriedengebe. – 4. Was sagt Gramont zu Ihnen – Werther – nach der Meldung vom Thronverzicht? Berlin, 13. Juli 1870 352*. Abeken an Bismarck Bismarck, GW VIb S. 368–370. Telegramm („Emser Depesche“). – Vgl. auch ebenda S. 371–372; Bismarck GW XI S. 129–133; Becker, „Diversion“ III S. 45– 48, 53–61, 65–72, 80–86, 87, 91–96, 125–127, 139–140; Doeberl, Bayern S. 226– 228, 231–232; Abeken, Leben S. 386–387; Benedetti, Ma mission S. 301–446; Keudell, Erinnerungen S. 441–444; BDFA I F XXXI S. 172–175; OD XXVIII S. 477–489.

S.M. schreibt, er sei von Benedetti auf der Promenade in zudringlicher Weise aufgefordert worden, er solle sich „für alle Zukunft“ verpflichten, einer etwaigen neuen Hohenzollern-Kandidatur nicht zuzustimmen. Er habe dem Botschafter mitteilen lassen, er habe ihm „nichts weiter zu sagen“. Ems, 13. Juli 1870 353*. Benedetti an Gramont OD XXVIII S. 293–294. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 291–293, 294–334, 340–383; Oncken, Rheinpolitik III S. 432–436.

Ich habe König Wilhelm I. gebeten, er möge verhindern, daß der Prinz von Hohenzollern auf das spanische Thronprojekt zurückkomme. Der König hat das absolut verweigert. Ems, 13. Juli 1870

289

357*. Bismarck an Werther, Berlin, 14. Juli 1870

354*. Bernstorff an Bismarck Rheindorff, England, S. 164–165. Bericht.

Gladstone343: Die französische Regierung verlangt nach dem Rücktritt des Hohenzollernprinzen noch weitere Konzessionen. – Die englische Regierung steht mit ihrem moralischen Gewicht auf Preußens Seite. London, 13. Juli 1870 355*. Launay an Visconti Venosta DDI I,13 S. 73–74. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch BDFA I F XXXI S. 74–75.

Unterredung mit Gorčakov: Dieser ist mit dem Thronverzicht des Prinzen von Hohenzollern zufrieden und lobt die preußische Regierung. Wenn Frankreich neue Schwierigkeiten erhebe, suche es nur einen Vorwand für einen Krieg. Dann wäre Preußen in einer vorzüglichen Position gegenüber Europa und vor allem gegenüber Süddeutschland. Berlin, 13. Juli 1870 356*. Nigra an Visconti Venosta DDI I,13 S. 70. Telegramm.

Napoleon hat mir gesagt, Frankreich sei mit dem Verzicht des Prinzen von Hohenzollern zufrieden und der Krieg damit vermieden. Er selbst hätte indes den Krieg vorgezogen. Paris, 13. Juli 1870 357*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 373 und 375. Zwei Telegramme. – Vgl. auch Doeberl, Bayern S. 234–236; OD XXVIII S. 503–511; Oncken, Rheinpolitik III S. 437–440.

1. Er soll Gramont sagen, seinen Bericht über dessen Forderungen könne er „als amtlich nicht geschrieben“ betrachten. – 2. Er soll sofort auf Urlaub gehen. Berlin, 14. Juli 1870

343  William

290

Ewart Gladstone (1809–1898), englischer Premierminister 1868–1874.

361*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 14. Juli 1870

358*. Loftus an Granville BDFA I F XXXI S. 67. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 75–77, 118.

Bismarck sagt mir, Baron Werther in Paris habe den Auftrag Gramonts weitergeleitet, der preußische König solle dem französischen Kaiser ein Entschuldigungsschreiben schicken, in dem auch die Garantie ausgesprochen werde, daß kein Hohenzoller jemals die spanische Krone annehmen werde. Er – Bismarck – könne seinem König ein solches Ansinnen nicht unterbreiten. Berlin, 14. Juli 1870 359*. Bismarck an F.A. zu Eulenburg Bismarck, GW VIb S. 374. Zwei Telegramme. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ S. 23–31, 90, 108–109; Hofmann, Vom Norddeutschen Bund S. 138–140.

1. Die Minister sollen sich schleunig unter Vorsitz des Königs in Berlin versammeln. – 2. Der König darf Benedetti in Ems nicht noch einmal empfangen. Berlin, 14. Juli 1870 360*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 375. Telegramm. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 50–51.

Wenn der Krieg erklärt wird, macht Preußen sofort mobil. Die Sicherstellung der Artillerie in der Festung Rastatt soll veranlaßt werden. Berlin, 14. Juli 1870 361*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 376 und 377. Drei Telegramme.

1. Das Panzergeschwader unter Prinz Adalbert (auf der Fahrt nach den Azoren) soll sofort nach Wilhelmshaven zurückkehren. – 2. Der König hat der französischen Regierung keine Mitteilung über die spanische Thronkandidatur zukommen lassen. – 3. Er ist enttäuscht darüber, daß England die versöhnliche Haltung des Königs in Ems nicht anerkenne. Berlin, 14. Juli 1870

291

365*. Viktor Emanuel an Vimercati, Valsavaranche, 14. Juli 1870

362*. Bismarck an Abeken Bismarck, GW VIb S. 372–373. – Vgl. auch DDI I,13 S. 91.

Werther muß aufgefordert werden, in Paris zu sagen, er könne die Forderung der französischen Regierung (betreffend die Zukunftserklärung zur spanischen Thronkandidatur) nicht annehmen; diese müsse dem König auf anderem Wege übermittelt werden. Berlin, 14. Juli 1870 363*. Bismarck an die Missionen in München, Stuttgart und Karlsruhe Bismarck, GW VIb S. 376. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 62–65, 72–77; Spitzemberg, Tagebuch S. 94–95, 96.

Frankreich kann demnächst den Feldzug nach Deutschland beginnen. Preußen kann binnen kurzem mit 500.000 Mann am Rhein stehen. Auf welche Maßnahmen der süddeutschen Staaten kann gerechnet werden? Berlin, 14. Juli 1870 364*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VI b S. 377. Telegramm. – Vgl. auch Doeberl, Bayern S. 224–225, 228–230; Werthern, Tagebuch S. 321.

Falls Bayern im Falle eines französischen Angriffs mit der Mobilmachung zögert, wird das als Bruch des Bündnisses betrachtet. Berlin, 14. Juli 1870 365*. Viktor Emanuel an Vimercati DDI I,13 S. 76 (Nr. 130). Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 76–77.

Die Tripelallianz sollte abgeschlossen werden; das alte Projekt ist in den Händen Menabreas. Valsavaranche, 14. Juli 1870

292

368*. Gramont im französischen Senat, [Paris] 15. Juli 1870

366*. Vimercati an Viktor Emanuel DDI I,13 S. 77 (Nr. 134). Telegramm.

Für Kaiser Napoleon ist die spanische Thronfrage noch nicht beendet. Er ist entschlossen, sogleich mit der Tripelallianz voranzugehen. Wenn Italien für die Kriegsvorbereitung Geld benötige, wolle er das wissen. Paris, 14. Juli 1870 367*. Bernstorff an König Wilhelm I. Rheindorf, England S. 166. Immediattelegramm. – Vgl. auch Gladstone, Diaries VII S. 325.

Der englische Ministerrat bittet den preußischen König, er möge der französischen Regierung den Verzicht auf die spanische Thronkandidatur mitteilen, wenn diese die Forderung einer Verpflichtung für die Zukunft fallen lasse. London, 14. Juli 1870 368*. Gramont im französischen Senat OD XXVIII S. 390–393. Erklärung. – Vgl. auch ebenda S. 383–389, 393–420; XXIX S. 9–10; Oncken, Rheinpolitik III S. 440–447. – Zu Gramonts Erklärung vgl. Schulthess’ 11 (1870) S. 364–369.

Die meisten europäischen Mächte haben die Berechtigung unserer Forderung in der spanischen Thronfrage anerkannt. Preußen behauptet, daß es mit der Angelegenheit nichts zu tun habe. Der preußische König hat immerhin zugegeben, daß er Bismarck über den Verlauf informiert habe. Wir haben ihn gebeten, daß er bei Wiederholung des spanischen Angebots dem Prinzen Leopold die Annahme untersagen möge. Das hat der König abgelehnt, und sein Adjutant hat unserem Botschafter gesagt, daß der König ihn nicht mehr empfangen werde. Das hat unsere Würde beeinträchtigt. Wir werden deshalb Maßnahmen zur Verteidigung der Ehre Frankreichs ergreifen. [Paris] 15. Juli 1870

293

372*. Bismarck an Canitz, Berlin, 15. Juli 1870

369*. Bismarck an Werther Bismarck, GW VIb S. 379, 380 und 381. Drei Telegramme.

1. Übernimmt die nordamerikanische Regierung den Schutz der deutschen Untertanen und des Botschaftsarchivs in Paris? – 2. und 3. Sind die französischen Reservisten einberufen? Berlin, 15. Juli 1870 370*. Bismarck an die süddeutschen Missionen Bismarck, GW VIb S. 379 und 382. Zwei Telegramme.

1. Für München und Stuttgart: Bitte einen Bevollmächtigten für die erforderlichen militärischen Maßnahmen nach Berlin schicken. – 2. Die Missionen der süddeutschen Staaten sollen aus Paris abreisen. Berlin, 15. Juli 1870 371*. Bismarck an Wentzel344 Bismarck, GW VIb S. 380–381. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 400; Werthern, Tagebuch S. 321–326.

Die (anderen) süddeutschen Regierungen halten den Bündnisfall für gegeben. Berlin, 15. Juli 1870 372*. Bismarck an Canitz Bismarck, GW VIb S. 381. Telegramm.

Wie verhält sich Spanien im Fall des deutsch-französischen Kriegs? Berlin, 15. Juli 1870

344  Otto Wentzel (1819–1899), preußischer Gesandter in Darmstadt 1866–1875 (dort schon seit 1855).

294

377*. Bismarck an die preußischen Oberpräsidenten, Berlin, 15. Juli 1870

373*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 382 und 384. Zwei Telegramme. – Vgl. auch ebenda S. 402– 403; Victoria, Letters II,2 S. 33–39; Empress Frederick, Letters S. 75–76; Doeberl, Bayern S. 230–231, 233–237.

1. Die aus London gemeldete Vermittlung kann nicht angenommen werden. – 2. Mobilmachung des Norddeutschen Heeres ist befohlen; Bayern soll nachziehen. Berlin, 15. Juli 1870 374*. Bismarck an die Missionen in Karlsruhe und Darmstadt Bismarck, GW VIb S. 383. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 386 (Nr. 1645), 400.

Das Archiv der Gesandtschaft sofort nach Berlin schicken. Berlin, 15. Juli 1870 375*. Bismarck an Itzenplitz Bismarck, GW VIb S. 383. Schreiben.

Bei Annäherung französischer Schiffe an der Nordseeküste sofort die Feuerschiffe einziehen. Berlin, 15. Juli 1870 376*. Bismarck an die Regierungspräsidenten von Aachen und Trier Bismarck, GW VIb S. 383. Telegramm.

Ausfuhr von Pferden und Futter unterbinden. Berlin, 15. Juli 1870 377*. Bismarck an die preußischen Oberpräsidenten Bismarck, GW VIb S. 383–384. Rundtelegramm. – Vgl. auch Becker, „Diver­ sion“ III S. 110–117; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 4–5.

Wegen der französischen Kriegerklärung ist das norddeutsche Heer mobilisiert. Bitte seitens der Zivilverwaltung die nötigen Maßnahmen einleiten. Berlin, 15. Juli 1870

295

380. Bernstorff an Bismarck, London, 15. Juli 1870

378*. Bismarck an diverse preußische Missionen im Ausland Bismarck, GW VIb S. 385. Telegramm. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 117–120.

Wegen der französischen Kriegserklärung ist das norddeutsche Heer mobilisiert. Die süddeutschen Regierungen sind um entsprechende Maßnahmen ersucht worden. Berlin, 15. Juli 1870 379. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 25. Telegramm. Entzifferung.

No. 30.

Vienne, le 15 Juillet 1870, 8 h. – min. S[oir] Arrivé: le 15 Juillet, 10 h. 30 m. S.

Le Comte de Beust a dit au Chargé d’affaires d’Italie345: „J’espère que le Duc de Gramont ne se fait plus d’illusion sur ce que l’Autriche va courir le risque de cette guerre.“ 380. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 28. Telegramm. Abschrift.

No. 33.

London, 15. Juli 1870, 11 Uhr 10 Min. Vm. Ankunft: 15. Juli 1870, 4 Uhr 25 Min. Nm.

Lord Granville schreibt mir eben: „Ich habe in der Nacht ein Telegramm von Ihrer Majestät erhalten, welche einen leidenschaftlichen Appell für Frieden macht. Bitte unterrichten Sie den König davon.“ Ich fahre gleich zu Lord Granville, um ihm zu sagen, daß er sich einzig und allein nach Paris wenden müsse.

345  Alberto Blanc (1835–1904), Legationsrat und Geschäftsträger in Wien 1868 – September 1870; Gesandter in Madrid Oktober 1870 – Mai 1871; in Brüssel 1871– 1875.

296

382. Flemming an Bismarck, Carlsruhe, 15. Juli 1870

381. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 32–33. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

London; 15. Juli 1870, 2 Uhr – M. N.

Eben zurück von Lord Granville. Da die Königin ihm nicht ausdrücklich befohlen, mir den Inhalt ihres Telegrammes mitzutheilen, so bitte er, seine Mittheilung als nicht geschehen zu betrachten. Auf meine wiederholte und ernste Warnung, Frankreich keine Aufmunterung durch eine Haltung zu geben, die so erscheinen könne, als wenn England von uns noch irgend Etwas erwartete oder für möglich hielte, um den Frieden zu bewahren, da w i r ja den Krieg nicht wollten und für Frankreich selbst jeder Vorwand dazu weggeräumt sei, fragte Lord Granville mich, ob wir eine Vermittlung annehmen würden. Ich sagte, daß ich hierauf nicht antworten könne. 382. Flemming an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 42–43. Telegramm. Entzifferung.

No. 7.

Carlsruhe, 15. Juli 1870, 6 Uhr 35 Min. Nachm. Ankunft: 16. Juli 1870, 4 Uhr 50 Min. Vorm.

Der Französische Gesandte346 hat heute zum ersten Mal seit seiner Rückkehr mit Hr. von Freydorf über die Lage gesprochen, ohne Anträge zu stellen, und angeblich ohne Auftrag. Hr. von Freydorf hat ihm gesagt, daß das, was er ihm erwiedere, keine officielle Erklärung der Badischen Regierung sei, die er so wenig wie diese schon in der Lage sei zu geben. Aber er hat ihm seine persönliche Ueberzeugung dahin ausgesprochen, Baden werde im Kriege an der Seite Preußens stehen.

346  Laurent Agar comte de Mosbourg (1824–1892), französischer Gesandter in Karlsruhe 1867 – Juli 1870; Botschafter in Wien August 1870 – März 1871.

297

385*. Bismarck an Werthern, Berlin, 16. Juli 1870

383. Bismarck an Bylandt347 PA Berlin, RZ 201/6191, S. 35–36. Note. Revidiertes Konzept.

[o.Nr.]

Berlin, le 15 Juillet 1870

Monsieur le Comte, J’ai l’honneur d’accuser réception de la lettre en date du 14 du courant, par laquelle vous m’informez que, en cas de guerre les Pays-Bas observeront et maintiendront, au besoin à main armée, une stricte neutralité. Je vous remercie de cette communication et en réponse à votre demande je déclare au nom de la Confédération de l’Allemagne du Nord que cette neutralité sera respectée par elle. Je saisis cette occasion, Monsieur le Comte, pour vous renouveler l’assurance 384* Vimercati an Viktor Emanuel DDI I,13, S. 85. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 86–87, 88–91.

Gespräch mit Nigra und Vitzthum bei Metternich über die Tripelallianz. Ergebnis: Wenn Preußen die Vermittlung Österreichs und Italiens auf der Grundlage der letzten französischen Forderungen nicht annehme, sei die Situation da, „pour prendre les armes“. Gramont wird morgen in der Kammer eine Erklärung abgeben. Paris, 15. Juli 1870 385*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 388. Telegramm. – Vgl. auch DDI I,13 S. 124–125; BDFA I F XXXI S. 109–110, 115–116; Oncken, Rheinpolitik III S. 447.

Vermittlungsvorschläge (etwa seitens der englischen Regierung) sind zu spät. Berlin, 16. Juli 1870

347  Karl Malcolm Graf von Bylandt (1818–1893), niederländischer Gesandter in Berlin 1865–1871.

298

388*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 16. Juli 1870

386*. Bismarck an das Landratsamt Saarbrücken und das Regierungspräsidium Trier Bismarck, GW VIb S. 388. Telegramm.

Die fiskalischen Kassen sofort in Sicherheit bringen. Berlin, 16. Juli 1870 387. Flemming an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 68–69. Telegramm. Entzifferung.

No. 8.

Carlsruhe, 16. Juli 1870, 6 Uhr 20 Min. Vorm. Ankunft: 16. Juli 1870, 9 Uhr 20 Min. Nachm.

Telegramm No. 15 erhalten und Inhalt mit Herrn von Freydorf besprochen. In Folge dessen Berathung des Staats-Ministeriums und nachstehende mündliche Mittheilung an mich. Die Großherzogliche Regierung ist bereit, ihren Gesandten in Paris348 nach Wunsch zu instruieren und diplomatische Beziehungen abzubrechen. Sie hält es aber für ihre Pflicht, auf zwei Punkte aufmerksam zu machen.: 1) Mobilmachung eben erst verfügt, deshalb ein gewisser Nachtheil, wenn durch Provocation von badischer Seite die Frist zu ihrer Vollendung mehr als nöthig abgekürzt wird. 2) Die badische Regierung ist nicht sicher, ob nicht einseitiges Vorgehen von ihr in Süddeutschland eher eine nachtheilige Wirkung haben würde. Sie will sich deshalb sogleich mit Stuttgart und München ins Benehmen setzen, übrigens die gewünschten Schritte sofort thun, wenn Preußen darauf Werth legt349. 388*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 386. Telegramm.

Die doppelte Zusage S.M. gegenüber Benedetti (Verzichterklärung des Prinzen Leopold und Zusage für die Zukunft) soll im englischen Kabinett geheimgehalten werden. Berlin, 16. Juli 1870 348  Ferdinand Frhr. Allesina von Schweitzer (1799–1877), badischer Gesandter in Paris 1853–1870. 349  Bismarcks Antwort an Flemming vom selben Tag in: Bismarck, GW VIb S. 387.

299

392. Pfuel an Bismarck, St. Petersburg, 16. Juli 1870

389*. Bismarck an Pfuel350 Bismarck, GW VIb S. 387. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 398 (Nr. 1667).

In Dänemark ist auf Alsen die Reserve einberufen; damit ist der Bruch erklärt. Berlin, 16. Juli 1870 390*. Bismarck an Flemming Bismarck. GW VIb S. 387. Telegramm.

Die Mobilmachung ist wichtiger als die gleichzeitige diplomatische Demonstration in Paris. Berlin, 16. Juli 1870 391*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 387. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 390.

Bitte noch nicht aus Rom abreisen; französische Truppenbewegungen dort melden. Berlin, 16. Juli 1870 392. Pfuel an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6191, S. 83–84. Telegramm. Entzifferung.

No. 17.

St. Petersburg, 16. Juli 1870, 9 Uhr 40 Min. Vorm. Ankunft: 16. Juli 1870, 11 Uhr 55 Min. Vorm.

Oberst von Werder meldet aus Krasno[e] Selo, vom Kaiser ermächtigt, dem König Folgendes: General Fleury habe dem Kaiser Alexander Donnerstag Abend gesagt: „Kaiser Napoleon aufrichtig den Frieden gewollt, aber gedrängt durch Ministerium, Kammer und Land, wünscht, daß der Kaiser von Rußland den König von Preußen bewegen möge, die zweite Forderung anzunehmen. Alle militairischen Maßregeln seien derart getroffen, daß der Krieg in zehn Tagen

350  Richard von Pfuel (1827–1900), Erster Legationssekretär an der Gesandtschaft in St. Petersburg 1867–1872.

300

394*. Kaiser Napoleon III. an König Viktor Emanuel, Saint-Cloud, 16. Juli 1870

anfangen kann. Das Französische Gouvernement hätte akeine Anzeigea von dem Verzicht des Prinzen von Hohenzollern bekommen.“ Der Kaiser Alexander hat seine Vermittelung rund abgelehnt, erwidernd: „Der König hätte Alles gethan, was man verlangen könne. Der Grund zu einem Kriege sei ganz beseitigt. Er würde dem Könige nie anrathen, Sich zu demüthigen.“ Hiermit sei der Botschafter geschieden. a–a

Dazu eigenhändiger Randvermerk König Wilhelms I.: Olozaga hat sie ja mitge­ theilt? Durch wen v e r l a n g t er also noch eine Mittheilung?

393. Pfuel an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6346, S. 10–11. Telegramm. Entzifferung.

No. 19.

St. Petersburg, 16. Juli 1870, 6 Uhr 45 Min. N. Ankunft: [17. Juli 1870], 1 Uhr 35 Min. V.

Kaiser läßt Seiner Majestät dem Könige sagen, daß im Falle einer Kriegserklärung Oesterreichs an Preußen der Kaiser die Paralysirung der oesterreichischen Streitkräfte durch eine Armee von 3mal Hundert Tausend Mann übernehmen würde. Sollten die kriegerischen Verhältnisse es nöthig machen, würde der Kaiser eventuell zur Besetzung von Galizien schreiten. Der Kaiser ist damit einverstanden, daß die bei Krupp befindlichen russischen Geschütze an Preußen abgetreten werden. 394*. Kaiser Napoleon III. an König Viktor Emanuel DDI I,13 S. 96 (Nr. 166). Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 97 (Nr. 167), 98 (Nr. 171), 104–107, 122; OD XXIX S. 20–23, 53.

Der Krieg scheint bevorzustehen. Ich hoffe, daß Euere Majestät Ihre alten Versprechen ausführt, und ich rechne mit Ihrer Mitwirkung im Rahmen des Möglichen. Saint-Cloud, 16. Juli 1870

301

397*. Aufzeichnung, [o. O.] 16. Juli 1870

395*. Gramont an die diplomatischen Vertretungen in München, Stuttgart und Karlsruhe OD XXIX S. 10. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 30–31, 36–37, 42–43, 52–53, 59; Oncken, Rheinpolitik III S. 448–451.

Er soll dringend in München vorstellig werden, ob die bayerische Regierung den Casus foederis für gegeben betrachtet. Paris, 16. Juli 1870 396*. Gramont an Le Sourd OD XXIX S. 11–12. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 12–13.

Er soll der preußischen Regierung die Kriegserklärung übergeben; die französischen Interessen sollen von der englischen Botschaft in Berlin wahrgenommen werden. Paris, 16. Juli 1870 397*. Aufzeichnung OD XXIX S. 19–20. Unbekannter Autor. – Vgl. auch ebenda S. 37–38, 73–74, 127–128; Oncken, Rheinpolitik III S. 453–457.

Der frühere dänische Kriegsminister, General Raaslöff351, stellt sich der französischen Regierung zu Diensten. Im Falle des dänischen Kriegseintritts wird er Kriegsminister und leitet die militärischen Operationen. Dänemark wünscht die Entsendung eines französischen Geschwaders in die Ostsee, das die Insel Rügen und Alsen besetzen sollte. Falls der Krieg siegreich ausgeht, will Dänemark, laut Raaslöff, das ganze Schleswig. [o. O.] 16. Juli 1870

351  Waldemar von Raasløff (1815–1883), dänischer Generalmajor; Kriegsminister 1866 – April 1870.

302

398. König Wilhelm I. an Zar Alexander II., Berlin, le 17 Juillet 1870

398. König Wilhelm I. an Zar Alexander II. PA Berlin, RZ 201/6346, S. 18–21. Handschreiben. Reinkonzept von Schreiberhand. Am Kopf eigenhändiges Dekret: Gf. Bismarck zur Asservation. – Das eigenhändige Konzept (auf deutsch) ebenda. S. 15–17.

[o.Nr.]

Berlin, le 17 Juillet 1870

Quel changement subit et inattendu dans la situation de l’Europe depuis que nous nous sommes quittés! A peine dix jours ont suffi pour que de la paix la plus profonde, nous soyons jetés dans la guerre. Jamais dans l’histoire on n’a rencontré un pareil exemple. Je sais bien que la première raison de cette catastrophe n’a pas eu Votre assentiment quant à la personne. Après que cette dernière s’était retirée spontanément, tout devait justifier l’espoir que l’excitation de la France se calmerait. Mais en trouvant les prétextes les plus frivoles pour me chercher noise, l’attitude du Gouvernement français n’a plus me laisser douter qu’on voulait la guerre avec moi. Vous avez su comprendre complètement cette situation en rendant justice à mon attitude. C’est de tout mon cœur que je Vous en remercie et je suis heureux de retrouver ainsi l’attachement à la Prusse, que Vous m’avez si souvent exprimé et prouvé; je me félicite sincèrement qu’avec moi Vous reconnaissez que c’est une cause juste, qui avec l’aide de Dieu je défendrai l’épée à la main. Cependant je ne puis Vous cacher que ma position peut devenir très périlleuse du moment, que l’Autriche voudrait profiter de la situation pour prendre revanche de ses désastres de 1866. Si tel était le cas, je ne doute pas que Votre amitié saura trouver le moyen de tenir en échec ces velléités Autrichiennes et qu’elle saura paralyser ainsi le danger. Une défaite que la Prusse subirait par la France et par l’Autriche ne manquerait pas de porter le danger jusqu’aux murs de Varsovie. Dieu veuille qu’une pareille éventualité ne se présente jamais; Vous-mêmes Vous seriez intéressés au plus haut degré pour qu’elle soit détournée par un moyen ou par un autre. Je ne doute pas que Vous saurez comprendre ce que je veux dire; l’amitié solide, qui depuis longtemps lie nos deux familles et que tout dernièrement encore Vous avez témoignée tant à moi qu’aux miens, m’offre une garantie précieuse que je ne me tromperai jamais en comptant sur Vous. Pardonnez-moi si je ne Vous écris que ces quelques lignes, que le Pce de Reuss est chargé de Vous remettre. Vous m’excuserez si je Vous dis, que dans un moment si grave pour moi et pour mon pays mon temps doit être occupé outre mesure.

303

402*. Bismarck an Brandenburg, Berlin, 17. Juli 1870

399. *Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 389 und 392. Zwei Telegramme. – Vgl. auch Becker, „Diversion“ III S. 121–123, 124–125, 145–147, 150–151.

1. Rußland greift Österreich, wenn es nicht neutral bleibt, mit 300.000 Mann an. – 2. Norddeutsche Truppen sind nach der Pfalz dirigiert. Berlin, 17. Juli 1870 400*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 389. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 399 (Nr. 1668).

Pressemeldungen über Österreichs frankreichfreundliche Haltung können uns nicht veranlassen, eine Division in Schlesien zu lassen. Berlin, 17. Juli 1870 401*. Bismarck an Föhr352 Bismarck, GW VIb S. 390. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 391 (Nr. 1657); BDFA I F XXXI S. 128, 130, 212; OD XXIX S. 24–25.

Die luxemburgische Neutralität wird respektiert, solange das auch Frankreich tut. Berlin, 17. Juli 1870 402*. Bismarck an Brandenburg Bismarck, GW VIb S. 391. Telegramm.

Bitte in der Presse verwerten, daß Spaniens Neutralität als „selbstsüchtig feige“ zu beurteilen ist. Berlin, 17. Juli 1870

352  Jean Pierre Föhr (1824–1875), luxemburgischer Geschäftsträger in Berlin 1867–1875.

304

406. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 17. Juli 1870

403*. Bismarck an Pirch353 Bismarck, GW VIb S. 392–393. Telegramm. – Vgl. auch OD XXIX S. 69–70.

Der hannoversche General Graf Wedel soll sofort verhaftet werden. Berlin, 17. Juli 1870 404*. Aktennotiz Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 393.

Durch Wolffs Telegraphenbüro ist die an die süddeutschen Regierungen gerichtete französische Aufforderung zur Neutralität zu verbreiten. Berlin, 17. Juli 1870 405*. Gramont an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 452–453. Privatdienstbrief.

In dem jetzigen Krieg wollen wir nicht aggressiv gegen Deutschland vorgehen, sondern nur den Ehrgeiz Preußens reduzieren. Wenn Italien mit 70 bis 80.000 Mann nach Bayern vorrückt und Österreich 150.000 Mann in Böhmen konzentriert und später 200 bis 300.000 Mann ins Feld schickt, könnten wir den Frieden in Berlin schließen und die Folgen von 1866 auslöschen. Paris, 17. Juli 1870 406. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6192, S. 150. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Bukarest, 17. Juli 1870, --------Ankunft: 17. Juli 1870, 9 Uhr 25 Min. Vorm.

Unter Eindruck der Nachrichten von bevorstehendem Conflict wegen Spanischer Thron-Candidatur heute heftige Interpellation der Kammer im Französischen Sinne. Ministerium hat seine Entlassung eingereicht. Fürst noch nicht angenommen.

353  Wilhelm von Pirch (1824–1881), Ministerresident (Charakter als Gesandter) in Weimar (und weiteren thüringischen Staaten) 1864–1876. – Der im folgenden genannte: Graf Ehrhard von Wedel (1827–1885), Major; Flügeladjutant König ­ ­Georgs V.; am 17. Juli 1870 in Weimar verhaftet.

305

408. Werder an König Wilhelm I., Peterhof, 17. Juli 1870

407. Bismarck an Radowitz PA Berlin, RZ 201/6192, S. 150–151. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges revidiertes Konzept.

[o.Nr.]

Berlin, 17. Juli 1870

Machen Sie sofort amtlich bekannt, daß die allgemeine Mobilmachung aller deutschen Heere in Nord- und Süddeutschland befohlen, und fordern Sie die militärpflichtigen Deutschen aller Länder auf, zu ihren Truppentheilen heimzukehren. 408. Werder an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/6346, S. 49–51. Immediatbericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 21. Juli 1870.

No. 18.

Peterhof, 17. Juli 1870

Der Kaiser hat mich autorisirt, Eurer Majestät zu schreiben, daß, im Falle Oesterreich aus seiner Neutralität heraustreten sollte, der Kaiser eine Armee von 300.000 Mann an die Grenze aufstellen würde, um die Streitkräfte Oesterreichs zu paralisiren. Sollten die kriegerischen Verhältnisse es erheischen, so würde der Kaiser eventuell zur Besetzung Galiziens schreiten. Euer königlichen Majestät Brief aus Ems habe ich erhalten, der Kaiser hat sich sehr über die Worte Eurer Majestät, die Georg’s Orden betreffend, gefreut. Der Kaiser ist natürlich sehr betrübt darüber, daß der Krieg nun entschieden ist. Nachdem aber das, was Frankreich gewünscht hatte, die Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern, stattgefunden hat, steht er durchaus auf Euer Majestät Seite. Der General Fleury versucht Alles, um den Kaiser zu bewegen, die Vermittelung bei Euer Majestät zu übernehmen, der Kaiser hat sich aber wieder vorgestern entschieden geweigert, Euer Majestät demüthigende Schritte anzurathen. In der letzten Depesche des Kaisers Napoléon an den General Fleury heißt es: je supplie Sa Majesté d’intervenir. Wie stimmt dies mit dem Benehmen des Grafen Benedetti zusammen? Es ist dies wohl nur, um dem Kaiser zu schmeicheln, wie es auch sonderbar klingt, wenn es in derselben Depesche heißt, daß der Kaiser Napoléon a u f r i c h t i g den Frieden wünsche, aber zu einer Entscheidung gedrängt würde. Die Stellung des General[s] Fleury ist nach den schlechten Erfolge[n], welche er hier gehabt hat, wohl nicht sehr angenehm, und wie er dem Kaiser gesagt hat, hofft er, seinen Posten zu verlassen und das Commando eines Cavallerie-Corps zu erhalten. 306

410*. Bismarck an Loftus, Berlin, 18. Juli 1870

Ich kann dem Kaiser nicht dankbar genug dafür sein, daß er mir Alles mittheilt. Er läßt mich des Tages wiederholentlich kommen, um mir die erhaltenen Depeschen und die vertraulichsten Briefe mitzutheilen. Der Kaiser hofft sehr, daß die Unterbrechung der Cur und die Aufregungen und Arbeiten, welche die jetzige Lage mit sich bringt, keinen nachtheiligen Einfluß auf die Gesundheit Euerer Majestät ausüben werden. Die Stimmung ist hier im Allgemeinen Preußen sehr günstig, die Mehrzahl hofft, daß der Sieg Euer Majestät Fahne folgen wird. Es wird im Publikum als ganz selbstredend angenommen, daß Rußland eine Theilnahme Oestreichs am Kriege nicht dulden wird. Natürlich spricht da der vom Krimm Kriege herrührende Haß mit354. In Wien ist man auch der Überzeugung, daß im obigen Falle die Kosacken, wie es in der Depesche heißt, gleich in Galizien sein würden. 409*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 397–398. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 399 (Nr. 1669), 401 (Nr. 1673).

Der Schutz der Deutschen während des Krieges sollte von der nordamerikanischen Regierung wahrgenommen werden. Berlin, 18. Juli 1870 410*. Bismarck an Loftus Bismarck, GW VIb S. 393–394. Schreiben. – Vgl. auch DDI I,13 S. 124–125; BDFA I F XXXI S. 130, 136, 137, 140, 149, 164; OD XXIX S. 41–42, 121.

Er begrüßt die Anrufung des Mediationsartikels des Pariser Friedens von 1856. Bevor Preußen darauf eingeht, muß Frankreich dazu bereit sein. Berlin, 18. Juli 1870

354  Österreich hatte im Sommer 1854 durch Mobilisierung seiner Truppen Rußland gezwungen, die von ihm besetzten Donaufürstentümer zu räumen, und an der Jahrswende 1855/56 an Rußland ein Ultimatum gestellt, die mit den Westmächten formulierten Friedensbedingungen anzunehmen oder abzulehnen und im Ablehnungsfall mit dem österreichischen Kriegseintritt auf Seiten der Westmächte zu rechnen.

307

412. Roeder an Bismarck, Bern, 18. Juli 1870

411*. Bismarck an die auswärtigen Missionen Berlin, GW VIb S. 394–397. Runderlaß. – Vgl. auch Bismarck, GW XI S. 134–135.

Die französischen Erklärungen über die Vorgänge der letzten Tage entstellen die Wahrheit und tragen beleidigenden Charakter. Zur Erläuterung der preußischen Haltung wird u. a. die „Emser Depesche“ beigelegt. Der nun anbrechende riesenhafte Kampf wirft den Wohlstand beider Länder um Jahre zurück. Berlin, 18. Juli 1870 412. Roeder an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6198, S. 18–21. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 18. Juli 2021.

No. 23.

Bern, 18. Juli 1870

Euerer Excellenz beehre ich mich, anliegende Botschaft des Schweizerischen Bundesrathes ganz gehorsamst zu überreichen. Die Schweiz betont darin ihre von Frankreich noch nicht officiel [!] anerkannten Rechtsansprüche auf die neutralisirten nördlichen Gebiethstheile des nördlichen Savoyen355. Die Stimmung ist vollkommen deutsch, und alle Heimkehrenden Schweizer berichten vom Enthusiasmus in Süddeutschland. Das Verschieben zweier französischen [!] Regimenter bis St. Louis in die unmittelbarste Nähe von Basel hat hier unangenehm berührt. Man hat deshalb den Hauptaccent auf Basel gelegt, und dies mit einer Division besetzt. Eine zweite lehnt ihren linken Flügel an Pruntrut, und eine dritte ihren rechten an Aarau. Mobilmachung und Concentration erfolgt in musterhafter Ordnung. Zum General en Chef ist der bisherige Chef der Artillerie Oberst Herzog356 designirt, ein bedeutender Mann, der mir in Gesinnung politisch sehr nahe steht.

355  Nach dem Krieg von 1859 zwischen Österreich, Frankreich und Sardinien trat letzteres Savoyen und Nizza an Frankreich ab. Die Schweiz protestierte dagegen förmlich, da das nördliche Savoyen durch die Neutralitätsakte von 1815 unter den Schutz der Schweizer Neutralität gestellt war. Eine europäische Konferenz sollte darüber einberufen werden, wurde aber nie einberufen. 356  Hans Herzog (1819–1894), Oberst; Inspekteur (1875 Waffenchef) der Artillerie 1860–1894. – Der danach genannte: Emil Welti (1825–1899), seit 1867 im Bundesrat; Vorsteher des Militärdepartements 1870–1871; bekleidete weiterhin verschiedene Ämter; u. a. war er Bundespräsident.

308

413*. Sitzung des gemeinsamen Ministerrats, Wien, 18. Juli 1870

Der Bundesrath Welti fungirt als Kriegsminister und bedauert nur, nicht auf unserer Seite mit fechten zu können. Der österreichische Gesandte357 verläßt mich soeben wirklich tief betrübt über das Unvermeidliche dieses unberechenbaren Krieges. Ein hiesiges einflußreiches Blatt bezeichnet das Benehmen Gramonts als das eines mit der Peitsche um sich hauenden Fuhrknechtes. Frankreich scheint schlecht unterrichtet, denn einer ihrer verständigen Diplomaten glaubte Würtembergs [!] ganz gewiß zu sein. Ich gehe zur Orientirung für einige Stunden nach Basel und übergebe die Depesche dem nach Berlin abgehenden Lieutenant v. Roeder358. 413*. Sitzung des gemeinsamen Ministerrats Protokolle des gemeinsamen Ministerrates I,2 S. 3–14. Protokoll. – Vgl. auch ebenda S. 75–86; DDI I,13 S. 128–129; Wertheimer, Andrássy I S. 510–516; BDFA I F XXXI S. 209–211; OD XXIX S. 134–144; Oncken, Rheinpolitik III S. 464–467.

Beust zur Lage: Die süddeutschen Staaten haben ohne Vorbehalte den Casus foederis anerkannt; die öffentliche Meinung Rußlands neigt mehr zu Frankreich; Italien verhält sich reserviert, Österreich ebenfalls passiv. – Andrássy: Neutralität ist nötig, doch gewisse militärische Vorbereitungen sind zu treffen. – Ministerpräsident Potocki359: Bald ist zur bewaffneten Neutralität zu schreiten. – Reichskriegsminister Kuhn: Man muß sich vorbereiten, um im entscheidenden Moment auf Frankreichs Seite zu treten. – Beust: Österreich muß mit Italien im frankreichfreundlichen Sinne im Vernehmen bleiben. – Andrássy: Die zuwartende Stellung bietet die meisten Vorteile. – S.M. entscheidet, vorläufig soll Neutralität beobachtet, zugleich aber die nötige Armierung (Pferdeankäufe, Befestigungsarbeiten) eingeleitet werden. Wien, 18. Juli 1870

357  Moritz von Ottenfels-Gschwind (1820–1907), österreichisch-ungarischer Gesandter in Bern 1868–1887. 358  Vermutlich Heinrich von Roeders Sohn Eugen Roeder (1847–1938). 359  Alfred Graf Potocki (1822–1889), österreichischer Ministerpräsident (Zislei­ thaniens) April 1870 – Februar 1871. – Der dann genannte: Franz Frhr. Kuhn von Kuhnenfeld (1815–1876), Reichskriegsminister 1868–1874.

309

417*. Bismarck an alle preußischen auswärtigen Missionen, Berlin, 19. Juli 1870

414*. Gramont an Malaret360 OD XXIX S. 75–76. Sehr vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 111–112, 124–125; Oncken, Rheinpolitik III S. 457–458, 463.

Graf Vimercati reist nach Florenz und soll den Abschluß der Tripelallianz beschleunigen. Wegen des Abzugs der französischen Truppen aus Rom soll König Viktor Emanuel die Grenzen des Kirchenstaats unter seinen persön­ lichen Schutz nehmen. Die neue Grenzziehung in Tirol muß mit Österreich vereinbart werden. Italien soll für die Besetzung Bayerns 40.000 Mann zur Verfügung stellen. Paris, 18. Juli 1870 415*. Pergler von Perglas an König Ludwig II. Oncken, Rheinpolitik III S. 459. Immediatbericht.

Der französische Militärbevollmächtige Stoffel spricht offen aus: „Der Besitz des Rheins könne allein den Frieden zwischen beiden Nationen sichern.“ Berlin, 18. Juli 1870 416*. Kronprinz Friedrich Wilhelm an Königin Augusta Becker, „Diversion“ III S. 131–132. – Vgl. auch ebenda S. 132–134; Victoria, Letters II,2 S. 42–44, 49–52; Morier, Memoirs II S. 160–161; Doeberl, Bayern S. 237–240; Kaiser Friedrich III., Kriegstagebuch S. 6–7; BDFA I F XXXI S. 218– 219; OD XXIX S. 132–133.

Es ist erhebend, wie Süddeutschland „an dieser nationalen Erhebung“ teilnimmt. – Ich bin zum Oberbefehlshaber der III. Armee ernannt. Neues Palais, 19. Juli 1870 417*. Bismarck an alle preußischen auswärtigen Missionen Bismarck, GW VIb S. 401–402. Runderlaß. – Vgl. auch BDFA I F XXXI S. 153.

Frankreich hat die Kriegserklärung übergeben. Die Forderungen in Sachen spanischer Thronkandidatur liefen auf eine Demütigung hinaus. Berlin, 19. Juli 1870 360  Joseph baron de Malaret (1824–1886), französischer Gesandter in Florenz 1863–1870.

310

420. Flemming an Bismarck, Carlsruhe, 19. Juli 1870

418*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 402–403. Telegramm. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 7; OD XXIX S. 131.

S.M. übernimmt, wie vertragsmäßig vorgesehen, den Befehl über die bayerischen Truppen. Berlin, 19. Juli 1870 419*. Bismarck an Herwarth von Bittenfeld361 Bismarck, GW VIb S. 403–404. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 405; Dalwigk, Tagebücher S. 466–468; Hofmann, Vom Norddeutschen Bund S. 146–147, 149– 150.

Er – Herwarth – übt jetzt das Generalgouvernement über ganz Hessen aus. Der Provinzialdirektor Willich ist von seinem Amt zu suspendieren. Berlin, 19. Juli 1870 420. Flemming362 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6197, S. 29–30. Telegramm. Entzifferung.

No. 11.

Carlsruhe, 19. Juli 1870, 7 Uhr --- Min. Nachm. Ankunft: 19. Juli 1870, 10 Uhr --- Nachm.

Der Französische Gesandte363 hat angeblich ohne Auftrag speciell nach eventueller Haltung Badens gefragt. Hr. v. Freydorf erwiederte, daß Regierung bis jetzt nicht in Lage versetzt sei, bestimmte Entschlüsse zu fassen, daß aber seiner persönlichen Ueberzeugung nach eventuell der Bündnisfall vorliege und daß auch der nationale Impuls den süddeutschen Regierungen Halten der Allianz-Verträge zur Pflicht machen würde.

361  Eberhard Herwarth von Bittenfeld (1796–1884), Kommandierender General des VIII. Armeekorps (Koblenz); Gouverneur der Rheinprovinz 1870–1871; im Krieg Generalgouverneur des VII., VIII. und XI. Armeekorps; Generalfeldmarschall 1871. – Der im folgenden genannte: Wilhelm von Willich gen. v. Pöllnitz (1807–1887), Provinzialdirektor von Starkenburg 1861–1870; Direktor der Oberstudiendirektion 1870. 362  Albert Graf von Flemming (1813–1884), preußischer Gesandter in Karlsruhe 1859–1883. 363  Mosbourg.

311

422*. Gramont an Beust, Paris, 19. Juli 1870

Der Französische Gesandte erwähnte, daß seine Regierung den Krieg auf Preußische Grenze zu beschränken wünsche und bedauern werde, wenn er sich auch auf Süddeutschland ausdehnen sollte. 421. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6197, S. 31–32. Telegramm Entzifferung.

No. 22.

St. Petersburg, 19. Juli 1870, 11 Uhr – Min. Vorm. Ankunft: 20. Juli 1870, 1 Uhr 27 Min. Nachm.

Jomini fragt mich soeben, ob Vermittelungsversuch Rußlands Aussicht auf Erfolg habe, und bittet mich, denselben zu unterstützen. Kaiser Napoleon schwöre, daß er nicht den Krieg gewollt habe, aber fortgerissen sei und gern einlenken möchte. General Fleury leugne das an Freiherrn von Werther gestellte Verlangen eines Entschuldigungsbriefes. Ich erwiederte: „Man spiele nicht ungestraft mit der Ehre einer Nation; die einstimmige Billigung der Haltung Seiner Majestät des Königs mache meines Erachtens die gewünschte Erklärung unmöglich, es sei denn, daß von Frankreich sehr weitgehende Garantien gegeben würden.“ Von hier geht morgen Depesche nach Paris, worin ermahnt wird, nicht andere Staaten in den Krieg zu ziehen. Man läßt schonend durchblicken, daß dies russische Intervention zur Folge haben würde. England wird gebeten, in Oesterreich abzumahnen. Ich sehe den Kaiser erst morgen. 422*. Gramont an Beust Oncken, Rheinpolitik III S. 460–463. Privatschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 463– 464.

Prinz La Tour d’Auvergne kommt über Italien nach Wien. Ohne die süddeutschen Staaten können wir keinen Feldzug gegen Preußen führen. Um Rußlands Neutralität zu erreichen, soll er – Beust – in St. Petersburg vorschlagen: Ruhe in der polnischen Frage; den Zustand in den Donaufürsten­ tümern zu dritt später regeln; Revision des Vertrags von 1856, besonders hinsichtlich des Schwarzen Meeres. Paris, 19. Juli 1870

312

426*. Bismarck an Reuß, Berlin, 20. Juli 1870

423*. Bismarck an Brassier de St. Simon Bismarck, GW VIb S. 403. Telegramm. – Vgl. auch DDI I,13 S. 162–163; OD XXIX S. 121–122, 123.

Aus Stuttgart und München wird gemeldet, daß der italienische Gesandte364 die dortigen Regierungen zur Neutralität aufgefordert habe. Berlin, 20. Juli 1870 424*. Bismarck an Balan Bismarck, GW VIb S. 406. Telegramm.

Stimmt es, daß Kaiser Napoleon III. geschäftsunfähig ist365? Berlin, 20. Juli 1870 425*. Bismarck an Stolberg-Wernigerode Bismarck, GW VIb S. 406. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 406–407, 411–412, 430.

Welfische Umtriebe in der Provinz Hannover sind zu beobachten. Berlin, 20. Juli 1870 426*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 407–408. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 409; Oncken, Rheinpolitik III S. 491–492.

Auf den angeblichen Vermittlungsversuch Kaiser Napoleons kann nicht eingegangen werden. Berlin, 20. Juli 1870

364  Giovanni Antonio marquese di Migliorati (1825–1898), italienischer Gesandter in München 1868 – Juni 1871. 365  Er litt u. a. an einem Blasenstein.

313

429. Schweinitz an Bismarck, Wien, 20. Juli 1870

427. *Bismarck an Roeder Bismarck, GW VIb S. 408–409. Telegramm. – Vgl. auch Documents dipl. suisses II S. 383–391, 393–394; BDFA I F XXXI S. 143, 154–155, 163, 184–185.

Die Neutralität der Schweiz wird selbstverständlich geachtet. Berlin, 20. Juli 1870 428. Werthern an Bismarck PA Berlin, R 201/6197, S. 40–41. Telegramm. Entzifferung.

No. 26.

München, 20. Juli 1870, 1 Uhr --- Min. Vorm. Ankunft: 20. Juli 1870, 4 Uhr 20 Min. V.

Antwort auf …….. [sic]. Der König von Bayern legt den Oberbefehl über seine Armee vertrauensvoll in die Hände Seiner Majestät des Königs. General Prankh bittet Se. Majestät dringend zu gestatten, daß Se. König­ liche Hoheit der Prinz Luitpold Sich Allerhöchstdessen Hauptquartier als bayerischer Militairbevollmächtigter anschließe. Legt hierauf den allergrößten Werth und sieht der Genehmigung sobald als möglich entgegen. Regierungsforderung von 27 Millionen für Krieg heute Abend von Kammer angenommen. Großer Enthusiasmus und Ovation für den Königl. Gesandten. 429. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8458, S. 120–123. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. Juli 1870.

No. 196.

Wien, 20. Juli 1870

Graf Andrassy besuchte mich heute; er sieht die Lage seines Vaterlandes in ziemlich trübem Lichte; ein Krieg mit Rußland scheint ihm früher oder später unvermeidlich. Ich wiederholte ihm, daß mir eine geographische Nothwendigkeit dafür nicht vorzuliegen scheine und daß andere Ursachen einer solchen Calamität durch die Weisheit der Staatsmänner gehoben werden könnten; wenn die Polen ruhig blieben, so sei keine Wahrscheinlichkeit für ein Russisches Einschreiten vorhanden; selbst eine Revolution in Rumänien brauchte nicht unbedingt zu einem Conflikt zischen den angrenzenden Mächten zu führen.

314

430. Reuß an Bismarck, Alexandrowskaja, 20. Juli 1870

Graf Andrassy bemerkte hierauf, die Polen schienen ihm bis jetzt vernünftig zu sein; was die Rumänen im Gebiete der Ungarischen Krone366 betreffe, so sei die unter ihnen zuweilen hervortretende Gährung eine künstlich von wenigen bekannten Agitatoren erzeugte, Letztere seien leicht unschädlich zu machen. Die Thätigkeit der Russischen Agenten unter den slawischen Völkerschaften ist aber nach des Grafen Ansicht eine ununterbrochene, organisirte, große. So ernst Graf Andrassy die Dinge ansieht, so ist er doch nicht ängstlich; er besorgt aber, daß man aus Furcht Fehler begehen werde; „ich theile zwar nicht die Ansicht“, sagte er, „daß man Wien gar so leicht zu einer deutschen Provinzialstadt machen könne u.s.w.“ Ich entwickelte ihm dagegen meine Auffassung: Wenn, sagte ich, während des bevorstehenden Kampfes Norddeutschland gewahr wird, daß es seinen linken Arm frei brauchen kann, ohne ihn vorsichtig gegen Süden sich schützend vorzuhalten, aso kann sich ein Gefühl von Vertrauen und Zusammengehörigkeit entwickeln, welches für lange Zeit hinaus den beiden großen mitteleuropäischen Staatskörpern Sicherheit nach Ost und West gewährt.a Die Furcht, von welcher Graf Andrassy meint, sie könne zu Fehlern treiben, ist – um die hier oft gehörten Worte zu gebrauchen –: Preußen werde die deutschen, Rußland die ost- und südslawischen Provinzen „fressen“. Wo immer ich dieser Auffassung begegne, trete ich ihr mit dem obenerwähnten Argument entgegen. a–a

Dazu von Bismarck der Randvermerk: und im andern Falle?!

430. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6198, S. 107–108. Telegramm. Entzifferung.

No. 23.

Alexandrowskaja, 20. Juli 1870, 4 Uhr 6 Min. Nachm. Ankunft: 20. Juli 1870, 6 Uhr 45 Min. Nachm.

Der Kaiser, gestern vom General Fleury über seine Absicht befragt, hat geantwortet, er bleibe neutral, so lange Oesterreich neutral bleibe. Die hiesigen Nachrichten über Oesterreichs Rüstungen nicht alarmirend …, der Kaiser findet natürlich, daß Oesterreich Urlauber einberuft; er verspricht mir, Alles vorzubereiten, was in der Stille sich machen läßt. Dankt Seiner Majestät für Briefe, die ihn tief bewegt haben.

366  Siebenbürgen.

315

434*. Visconti Venosta an Artom, Florenz, 21. Juli 1870

431*. Reuß an König Wilhelm I. Hähnsen, Ursprung II S. 304–306. Immediatbericht.

Zar Alexander II. hat General Fleury gesagt, Rußland werde streng neutral bleiben, aber nur so lange, wie sich Österreich aus dem Streit heraushalte; die erledigte spanische Hohenzollernfrage sei kein Grund zum Krieg, höchstens aber die Nichtausführung des Artikels V des Prager Friedens (bezüglich Nordschleswigs). St. Petersburg, 20. Juli 1870 432*. Loftus an Granville BDFA I F XXXI S. 154. Sehr vertrauliches Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 214–215, 227–228.

Ich erfahre privat, daß Bismarck gestern von der französischen Regierung den Vorschlag bekommen hat, Preußen solle die Einverleibung Belgiens an Frankreich garantieren; im Gegenzug würde es die süddeutschen Staaten bekommen. Bismarck habe das entrüstet abgelehnt. Berlin, 20. Juli 1870 433*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 410. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 421, 430–431, 432, 439, 447–448, 479 (Nr. 1785).

Er soll die Pläne der Garibaldianer, einen Handstreich gegen die französische Besatzung in Rom zu verüben, beobachten. Berlin, 21. Juli 1870 434*. Visconti Venosta an Artom367 DDI I,13 S. 138–139. Vertrauliches Privatdiensttelegramm. – Vgl. auch ebenda S. 140–141, 145–152, 157, 164–166, 173–177, 179–180, 187–192, 199–204; OD XXIX S. 152, 162–164, 441–444.

Unser Vorschlag für eine Tripelallianz bleibt bestehen. Das Ministerium ist mit dem König einer Meinung. Benötigt wird jetzt eine direkte Entente mit

367  Isacco Artom (1829–1900), italienischer Gesandter in Karlsruhe 1869–1870; in Geheimmission in Wien Sommer 1870.

316

436*. Beust an Metternich, Wien, 21. Juli 1870

Österreich und dann ein neues Vorkommnis wie z. B. die Initiative Österreichs oder der Kriegseintritt Rußlands. Florenz, 21. Juli 1870 435*. Gramont an die diplomatischen Vertreter Frankreichs OD XXIX S. 144–149. Runderlaß. – Vgl. auch ebenda S. 193–194.

Preußen hat den Moment ergriffen, um das internationale Gleichgewicht umzustoßen. Es hat die spanische Thronkandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern plötzlich auf die Tagesordnung gesetzt, ohne daß sich das spanische Volk hätte besinnen können. Es hat versucht, seinen gefährlichen Einfluß in Europa geltend zu machen. In den vergangenen Jahrzehnten hat Europa mehrfach Thronfragen geregelt (in Belgien, Griechenland, Neapel). Prinz Leopold hat zwar seine Kandidatur aufgegeben. Die beleidigende Behandlung unseres Botschafters in Ems durch den preußischen König hat nun aber jedermann die Augen geöffnet. Die spanische Thronkandidatur geht auf den März 1869 zurück. Die damals uns gegebenen Versicherungen gegen eine Kandidatur waren glaubwürdig. Die preußische Regierung hat heute vor der Geschichte die Verantwortung für den jetzt ausgebrochenen Krieg. Die Mitwelt und die Nachwelt können nun ihr Urteil fällen. Paris, 21. Juli 1870 436*. Beust an Metternich Oncken, Rheinpolitik III S. 468–471. Privatdienstschreiben. – Vgl. ebenda S. 471– 474.

Es lag in der Hand der französischen Regierung, die Hohenzollernkandidatur als Kriegsgrund zu wählen. Am Anfang hätte man die Frage diplomatisch lösen können. Unsere Neutralitätserklärung entspricht voll und ganz unseren Geheimgesprächen. Hätten wir uns für eine französische Allianz erklärt, hätte ich ganz Ungarn gegen mich gehabt ebenso wie die deutschliberale Partei in Österreich. Aus sicherer Quelle weiß ich zudem, daß sich Rußland gegenüber Preußen verbürgt hat, Österreich zu paralysieren, wenn es mit Frankreich gemeinsame Sache machen würde. Wien, 21. Juli 1870

317

439. Reuß an Bismarck, Krasnoe Selo, 22. Juli 1870

437*. Launay an Visconti Venosta DDI I,13 S. 143–144. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 156 (Nr. 237); Oncken, Rheinpolitik III S. 467–468.

Es war ein Fehler, daß unsere Gesandten in Süddeutschland Neutralität gepredigt haben. Die Interpretation des Casus foederis von 1866 ist eine interne deutsche Sache. Wir dürfen uns nicht in eine eminent nationale Frage einmischen angesichts einer derart provozierenden und frivolen ausländischen Macht (Frankreich). „Das gute Recht und die Gerechtigkeit sind auf der Seite Deutschlands.“ Berlin, 21. Juli 1870 438*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 413–414. Telegramm. – Vgl. ebenda S. 433 (Nr. 1720).

Da Italien seine Neutralität noch nicht erklärt hat, soll er seinen Posten verlassen. Berlin, 22. Juli 1870 439. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6204, S. 90–91. Telegramm. Entzifferung.

No. 25.

Krasnoe Selo, 22. Juli 1870, 3 Uhr 45 M. N. Ankunft: 23. Juli 1870, 11 Uhr 30 M. V.

Der Kaiser hat, auf wiederholtes Drängen General Fleury’s, was für den Fall, daß Frankreich seine Allianzen erweitern sollte, Rußland thun werde, geantwortet, er wünsche, daß kein Mißverständniß darüber bestehe, daß Rußland ebenfalls Partei nehmen werde, sowie Oesterreich in den Kampf eintrete; daß Preußen Oesterreich nicht angreifen werde, garantire er. Der Kaiser hofft, durch seine offene Erklärung, die er morgen auch an Graf Chotek368 machen will, Oesterreich aufzuhalten, obgleich er an Verabredung zwischen Frankreich und Oesterreich glaubt.

368  Bohuslav Graf Chotek (1829–1896), österreichisch-ungarischer Gesandter in St. Petersburg 1869 – September 1871.

318

441. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 22. Juli 1870

440. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6204, S. 92. Telegramm. Entzifferung.

No. 26.

Krasnoe Selo, 22. Juli 1870, 3 Uhr 30 Min. N. Ankunft: 23. Juli 1870, 12 Uhr 15 M. N.

Der Kaiser fürchtet, daß Dänemark sich hinreißen lassen wird, will aber sofort seinen Einfluß aufbieten, um auf Dänemark und Schweden zu drücken. Der Thronfolger erhielt Instructionen, um in Kopenhagen auf Neutralität zu dringen, wohin er in acht Tagen geht. 441. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6206, S. 105–109. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 25. Juli 1870.

No. 82.

St. Petersburg, 22. Juli 1870

Seine Majestät der Kaiser schickt morgen den Flügel-Adjutanten, Obersten von Werder, mit einem eigenhändigen Handschreiben an den König unseren Allergnädigsten Herrn nach Berlin ab; in diesem Schreiben, welches der Kaiser selbst diktirt hat, ist seine Stellung zu dem Conflict auf das Klarste gezeichnet worden369. Auch auf die Hohenzollernsche Candidatur kommt der Kaiser zurück und drückt nachträglich seine Mißbilligung darüber aus. Desgleichen sagt er, daß er das Prinzip der Trennung des Königs von Preußen vom Chef des Hauses Hohenzollern nicht verstehen könne. Der Kaiser las mir das Concept zu diesem Briefe vor und fragte mich um meine Ansicht. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß dieser letzte Punkt vom König, meinem Allergnädigsten Herrn, gerade ganz anders aufgefaßt würde und diese Auffassung sich vollständig vertreten lasse. Seine Majestät erwiderte mir, er hoffe, der König würde es ihm nicht übel nehmen, wenn er sich so offen ausgesprochen hätte. Er könne nicht anders, als dem Könige, für den er kein Geheimniß habe, in allen Dingen immer seine innersten Gedanken zu sagen. Außerdem wisse ja Seine Majestät, daß von dem Augenblick ab, als der Hohenzollernsche Incidenzpunkt abgeschlossen worden, er in der entschiedensten Weise einen jeden Schritt des Königs gebilligt habe, und in der Beurtheilung des Verfahrens der Französischen Regierung ganz und gar einig mit uns sei.

369  Unten

Nr. 450. 319

441. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 22. Juli 1870

Ein Bericht des Russischen Geschäftsträgers in Paris370, den mir der Kaiser i m e n g s t e n Ve r t r a u e n vorlas, schien mir etwas unter dem Eindruck der Darstellungsweise des Französischen Ministers abgefaßt worden zu sein. Der Herzog von Gramont hat dem Herrn Okunieff namentlich klar zu machen gesucht, daß Frankreich dringend wünsche, den Krieg mit Preußen zu vermeiden, und keinen Vorwand dazu suche. Gleichzeitig berichtet der Geschäftsträger aber auch, daß Kaiser Napoléon gesagt habe: je crains que la Prusse recule au dernier moment. Nicht uninteressant war mir ein von des Herzogs von Gramont Hand beschriebenes Blatt Papier, welches er dem Geschäftsträger als Meinungs Ausdruck der Französischen Regierung gegeben hatte. Hierin ist ausdrücklich erklärt, daß Frankreich keinen Kriegsvorwand suche und wünsche, Seine Majestät der König möchte sich herbeilassen, die Entsagung des Erbprinzen anzuerkennen; alors l’incident serait clos! Die Unterredung mit Freiherrn von Werther vom 12ten,371 hat der Französische Minister wohlweislich verschwiegen. Die Meinung des Kaisers Alexander scheint mir indessen so fest geankert und seine gerechte Indignation über die Französische Lügenhaftigkeit ist so groß, daß ihm diese Gramont’schen und Fleury’schen Ränke nicht viel Eindruck machen. Er sagte mir u. a., ich kenne Napoléon, wenn er mit Jemandem im Kriege ist, so giebt er sich die größte Mühe, alle Anderen gegen seinen Feind aufzuhetzen. Die Stimmung, die ich hier im Allgemeinen vorgefunden habe, spricht sich dahin aus, daß man fast allgemein über das französische Verfahren aufgebracht ist. Dann giebt es Leute, die Preußen den Sieg wünschen, andere, die nicht möchten, daß Frankreich unterläge. Die nationale Stimme scheint sich aber vor allen Dingen dahin auszusprechen, daß den Russen ein geeinigtes und allzu starkes Deutschland kein wünschenswerther Gedanke ist. Sie sehen darin eine Gefahr für ihre Selbstständigkeit und fürchten einen zu prononcirten deutschen Einfluß in Europa, wie auch namentlich in Rußland. Ich glaube, es würde dem Kaiser Alexander unmöglich sein, ganz einfach fait et cause für Preußen zu machen; eine Action gegen Oesterreich jedoch würde nicht unpopulär sein, und deshalb ist der Kaiser nicht zu weit gegangen, wenn er uns diese eventuell zugesagt hat.

370  Grigorij Nikolaevič Okunev (1823–1883), seit 1856 an der russischen Botschaft in Paris; 1870 dort Geschäftsträger; Gesandter in Stockholm 1876–1883. 371  Oben Nr. 349.

320

443*. Tagebucheintragung Schweinitz’, [Wien] 22. Juli 1870

442. Keyserling an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 222–223. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. Juli 1870.

No. 68.

Buyukdere, 22. Juli 1870

Sir Henry Elliot372 hat mir in letzter Zeit zu wiederholten Malen und unter Anderem noch gestern von der Eventualität gesprochen, welche das unaufhörliche seditiöse Wesen der Rumänen herbeiführen müßte. Eine Änderung in den bestehenden Verhältnissen, eine etwaige Vertreibung des Fürsten Karl, ein Umsichgreifen der Anarchie, welche allen möglichen abenteuerlichen Gelüsten der Nachbarn Thor und Thür öffne, könne unmöglich den Großmächten conveniren. Es wäre bedauerlich, daß zwei von Letzteren sich gerade im Kriege befänden und daher ein gemeinschaftliches Auftreten der betreffenden sämmtlichen Vertreter in Bucharest dadurch ausgeschlossen wäre. Ihm schiene immer noch als das praktischste Auskunftsmittel, daß man für den Notfall den Türken die Ordnung der dortigen Verhältnisse überließe. Ich habe dem englischen Botschafter auf seine erste Bemerkung hin nur beipflichten können; was den letzten Punkt, das Einschreiten der Türken anlangt, so schiene mir das als eine einseitige Maßregel durch die Verträge ausgeschlossen und geeignet, Komplikationen zu veranlassen, die man vom Orient fern zu halten strebe. Ich fügte hinzu, daß bei den so vollständig haltungslosen Politikern in der Moldau-Walachei eine einigermaßen fortgesetzte ernste Sprache Englands und anderer unparteiischer Mächte gegenüber allen Parteiumtrieben nach meiner Beobachtung schon einen höchst wünschenswerthen Einfluß auf die Stabilität des gegenwärtigen Regime’s und die Lage des Fürsten Karl ausüben dürfte. 443*. Tagebucheintragung Schweinitz’ Schweinitz, Denkwürdigkeiten I S. 263–266. – Vgl. auch OD XXIX S. 444–450.

Ich habe großes Vertrauen zu Beust: Dieser ist neidisch auf Bismarck, haßt Preußen, ist persönlich eitel und würde ins französische Lager gegangen sein, „wenn die Süddeutschen nicht mit uns gegangen wären“. So mußte er Neutralität wählen; außerdem rechnete er mit Rußland, wenn Österreich am Kriege teilnähme. [Wien] 22. Juli 1870 372  Sir

1877.

Henry Elliot (1817–1907), englischer Botschafter in Konstantinopel 1867–

321

446. Wentzel an Bismarck, Darmstadt, 23. Juli 1870

444*. Gramont an Saint-Ferréol373 OD XXIX S. 160. Telegramm. – Vgl. ebenda S. 162.

Er soll versuchen, die Neutralitätserklärung Dänemarks aufzuschieben. Die französische Flotte dampft übermorgen zur Ostsee ab. [Paris] 22. Juli 1870 445*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 418–420. Zwei Telegramme. – Vgl. auch ebenda S. 428–429; Victoria, Letters II,2 S. 45; Benedetti, Ma mission S. 183–199; DDI I,13 S. 182– 184, 238–239.

Er soll den Benedettischen Vertragsentwurf (von 1866 über die Annexion Belgiens) über ein französisch-preußisches Bündnis in der „Times“ veröffentlichen374, ohne indes das Datum zu nennen. Berlin, 23. Juli 1870 446. Wentzel an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6204, S. 129. Telegramm. Entzifferung.

No. --

Darmstadt, 23. Juli 1870, 5 Uhr 36 Min. Vorm. Ankunft: 23. Juli 1870, 6 Uhr 35 Min. Nachm.

Ein ausführlicher Bericht ist heute abgegangen, in welchem ich mit eventuellen Vorschlägen anheimstelle, ob nicht der Zeitpunkt gekommen ist, bei dem Großherzog die Beseitigung des Freiherrn von Dalwigk zu verlangen.a a

a–a

Dazu Randvermerk Bismarcks: A. A. unnöthiges Telegramm in solcher Zeit!

373  Louis Emmanuel vicomte de Saint-Ferréol (1827–1892), französischer Gesandter in Kopenhagen seit 1870. 374  Der Text ist auch gedruckt in: APP VIII S. 49–51. In dem Vertragsentwurf versprach der preußische König, die Einverleibung des Großherzogtums Luxemburg in Frankreich zu fördern (Artikel 2); ähnliches war für Belgien vorgesehen (Artikel 4). Im Gegenzug versprach der französische Kaiser, die Vereinigung Nord- und Süddeutschlands zuzulassen. – Vgl. auch Oncken, Rheinpolitik II S. 94–95.

322

450. Zar Alexander II. an König Wilhelm I., Peterhoff, le 11/23 Juillet 1870

447*. Gramont an Saint-Ferréol OD XXIX S. 170. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 177–179.

Ein Bevollmächtigter ist unterwegs, um mit Dänemark einen Bündnisvertrag abzuschließen unter der Bedingung, daß Frankreich ein Expeditionskorps von 28.000 Mann entsendet. [Paris] 23. Juli 1870 448*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 417–418. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 555 (Nr. 1879).

Er hält es für politisch überaus wichtig, daß der russische Flügeladjutant Fürst Metschersky375 und Oberst Prinz zu Sachsen-Altenburg ins deutsche Hauptquartier zugelassen würden. Berlin, 23. Juli 1870 449*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 416–417. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 422–423.

Es ist eine Torheit sich vorzustellen, daß Deutsch-Österreich von einem geeinigten Deutschland aufgesogen werden könnte. Berlin, 23. Juli 1870 450. Zar Alexander II. an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/6346, S. 68–71. Handschreiben. Eigenhändige behändigte Ausfertigung. Praes.: 25. Juli 1870.

[o.Nr.]

Peterhoff, le 11/23 Juillet 1870

Mon cher Oncle, Le Prince Reuss m’a remis Vos deux lettres376, auxquelles je Vous ai déjà répondu par télégraphe. Je confie celle-ci au Col. de Werder, que je me per375  Vermutlich Fürst Aleksandr Vasil’evič Meščerskij (1822–1900), Generalmajor. – Der im folgenden genannte: Moritz (1829–1907), Prinz zu Sachsen-Altenburg; preußischer Oberst à la suite der Armee; engagierte sich während des Krieges im Deutschen Roten Kreuz. 376  Oben Nr. 398 (ein weiterer aus dem Juli ist nicht veröffentlicht).

323

450. Zar Alexander II. an König Wilhelm I., Peterhoff, le 11/23 Juillet 1870

mets de Vous expédier comme complément verbal de tout ce qu’elle contient. Personne ne pourra Vous rendre compte plus exactement de mes impressions et de mes intentions que lui, que j’ai tenu journellement au courant de toutes les nouvelles que je recevais de la ligne de conduite que je compte suivre au milieu des complications actuelles. Vous avez bien raison de déplorer le changement subit qui, au milieu d’une paix profonde, est venu déchaîner sur l’Europe les calamités d’une guerre dont tout le monde souffrira. – L’amitié et la confiance que je Vous ai vouées m’autorisent à Vous parler avec sincérité. – Oui, mon cher Oncle, je regrette l’assentiment que Vous avez cru pouvoir donner au Prince Léopold de Hohenzollern. Les intérêts de la Prusse ne pouvaient guères y gagner, et pour lui, comme pour l’Espagne, c’était marcher vers un triste avenir que de placer la nouvelle dynastie sous les auspices de l’hostilité de la France. Je puis Vous le dire franchement car moi-même j’ai dû, pour des motifs analogues, refuser à mon neveu le Duc Nicolas de Leuchtenberg377 l’autorisation d’accepter la couronne de Grèce. Je la lui ai refusée comme Chef de famille et comme Souverain. Deux qualités, qu’à mon avis au moins, on ne saurait séparer. Je crois d’ailleurs inutile de revenir sur ce qui s’est fait et [je] suis le premier à reconnaître qu’un enchaînement fatal de circonstances a rendu plus tard toute conciliation impossible sans un sacrifice incompatible avec Votre dignité et Votre honneur. Actuellement la guerre est déclarée. Je ne m’en dissimule pas la gravité comme Vous. Ses conséquences peuvent m’atteindre aussi, surtout si la question polonaise venait à être réveillée et c’est un point sur lequel je ne puis transiger. Quant à une participation de l’Autriche, Vous connaissez déjà mes résolutions. – Il n’y a aucun doute qu’une pression française sera fortement exercée à Vienne. J’y ai rendu attentif le Général Fleury, qui avait reçu l’ordre de m’exprimer les remercimens de Napoléon pour mon attitude d e s t r i c t e n e u t r a l i t é en ajoutant que c’était tout ce qu’il pouvait désirer et espérer. – J’ai répondu que je tâcherais certainement de maintenir cette position, t a n t q u e l e s i n t é r ê t s d i r e c t s d e m o n p a y s n e s e r o n t p a s m e n a c é s p a r l e s é v e n t u a l i t é s d e l a g u e r r e ; j ’ a i ajouté aussi que si la France croyait devoir recourir à des alliances e t f e r a i t s o r t i r l ’ Autriche de la neutralité, les intérêts de mon Empire me f o r c e r a i e n t d ’ y r e n o n c e r é g a l e m e n t .  – Je ne désire certes pas la guerre, mais je demande que l’abstention qui est dans mes vœux, me soit rendue possible. – Pour cela, il faut absolument que l’Autriche reste neutre. – Fleury m’a fait observer qu’il se pourrait bien que la Prusse concentrât des 377  Nikolaus Maksimilianovič (1843–1891), Herzog von Leuchtenberg 1852– 1891. – Er war Sohn von Zar Alexanders Schwester Marija Nikolaevna und wurde vorübergehend beim Thronwechsel in Griechenland 1862/63 ins Spiel gebracht.

324

451. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 23. Juli 1870

troupes contre l’Autriche. – J e l u i a i d é c l a r é q u e m o i , E m p e r e u r de Russie, je garantissais, au nom du Roi de Prusse, que rien ne serait entrefait par la Prusse contre l’ Autriche et s o n t e r r i t o i r e . – J’espère, mon cher Oncle, que Vous ne démentirez pas cette garantie. Je l’ai donnée, il est vrai, sans Votre assentiment préalable, mais je crois dans Vos intérêts et dans les miens et vu la rapidité avec laquelle les événemens se suivent il n’y avait pas de temps à perdre. – Il dépendra maintenant de la France de rendre un service essentiel à l’humanité et de diminuer les maux de la guerre en s’abstenant d’y entraîner l’Autriche. – Mes résolutions ont été nettement posées et portées en même temps à la connaissance de l’Empereur d’Autriche. Comme honnête homme, j’ai tenu à ce qu’il n’y ait point d’équivoque. – Quant à nous, mon cher Oncle, il ne saurait en exister. Je suis heureux de voir que Vous voulez bien considérer l’attitude que je prends comme une preuve de mon amitié, basée sur les sentimens qui nous ont été légués par Nos Pères. Que Dieu vous soutienne et bénisse Votre juste cause Votre tout dévoué neveu et ami 451. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6211, S. 59–61. Chiffrierter Bericht. Behändigte Entzifferung. Praes.: 30. Juli 1870.

[o.Nr.]

Bukarest, 23. Juli 1870

Indem ich Euerer Excellenz anliegende Abschrift meines gestern Abend expedirten chiffrirten Telegramms überreiche, bemerke ich gehorsamst, daß Fürst Carl mir die Depesche des Herrn Strat378, welche er selbst entziffert hatte, vorlegte, bevor seine Minister davon Kenntniß erhielten, und mich ersuchte, dieselbe unverzüglich Euerer Excellenz mitzutheilen. Der Fürst sagte, er sei jetzt, durch die Verhältnisse gezwungen, wider seinen Willen zu Frankreich gedrängt worden und habe sich ernstlich die Frage vorgelegt, ob er nicht unter den obwaltenden Umständen besser thäte, sich ganz von hier zurückzuziehen. Noch glaubt er jedoch, seinem alten Vaterlande auch durch das Ausharren auf dem hiesigen Posten nützen zu können, und wolle er wenigstens einstweilen nicht unterlassen, alle diejenigen Fingerzeige zu geben, welche ihm über die Pläne unserer Feinde zugingen. Der Fürst fügte hinzu, er höre ferner aus Paris, daß man ihm dort anfänglich nicht getraut habe und 378  Ion

Strat (1836–1879), Politischer Agent des Fürsten Karl in Paris ca. 1869/70. 325

452*. Gramont an La Tour d’Auvergne, Paris, 23. Juli 1870

erst durch die jetzige Haltung des Ministeriums beruhigt worden sei. Als Beweis, wie die Action Frankreichs vorbereitet war, ist auch zu bemerken, daß hier vor 14 Tagen plötzlich der junge Prinz Nicolas Bibesco379 (früher Ordonnanz-Offizier des Kaisers und stets von Frankreich begünstigter Prätendent) ankam, wie jetzt aus Paris gemeldet wird, in der vom Kaiser gebilligten Intention, wenn die Regierung des Fürsten Carl sich nicht schnell genug für Frankreich erklären würde, sich an die Spitze einer Bewegung zum Sturze der Hohenzollern zu stellen. Da derselbe in diesen Tagen wieder abreisen will, scheint man also auf diese Eventualität nicht mehr zu rechnen. Der Fürst hat versprochen, mir alle ihm zugehenden Informationen mitzu­ theilen. Selbstverständlich werde ich in meinem Verkehr mit Seiner Hoheit auch äußerlich die größte Vorsicht beobachten. Am meisten beunruhigt hier jetzt das Vorgehen der Türkei, welche das Lager von Schumla nach Rustschuck380 zu verlegen anfängt. Fürst Carl besorgt sehr, daß dadurch im Lande Demonstrationen hervorgerufen werden, welche russisches und österreichisches Einschreiten motiviren. An Oesterreichischer Grenze hat bisher noch keine Truppenbewegung stattgefunden, wenigstens hier nicht erkenntlich. Ebenso versichert Freiherr von Offenberg381, daß keinerlei Russische Initiative genommen werden wird, ohne daß Oesterreich oder Türkei dazu Veranlassung bieten. 452*. Gramont an La Tour d’Auvergne OD XXIX S. 173–176. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 180–183, 191–193, 197–200.

Es ist wohl sicher, daß sich Rußland schließlich auf die Seite Preußens schlägt; das brauchen wir nicht zu bedauern. Denn dann wird ÖsterreichUngarn sich am Krieg beteiligen. Wir können dann auch an die Türkei appellieren, sich gegen Rußland zu wappnen. Bitte Baron Beust über diese Anschauung informieren. Wie sind derzeit die Absichten Österreichs? Die Tripelallianz ist zur Unterzeichnung fertig. Paris, 23. Juli 1870

379  Nicolas

Bibesco (1831–1890), rumänischer Fürst. Landesinnern (Bulgarien) an die Donau (an der Grenze zu Rumänien). 381  Heinrich Peter Friedrich Baron von Offenberg (1821–1888), russischer Generalkonsul in Bukarest ca. 1861–1870. 380  Vom

326

455. Bernstorff an das Auswärtige Amt, London, 25. Juli 1870

453*. Chotek an Beust OD XXIX S. 187–189. Bericht (Abschrift). – Vgl. auch ebenda S. 198–199.

Der Zar hat mir die Gründe für seine Erklärung einer strikten Neutralität auseinandergesetzt. Er möchte diesen Kurs gemeinsam mit Kaiser Franz Joseph verfolgen. Was Süddeutschland betrifft, so sagte er, er sei dafür, das Protektorat über Süddeutschland Österreich anzuvertrauen. St. Petersburg, 23. Juli 1870 454*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 420–421. Telegramm.

Der König wartet auf den Vermittlungsvorschlag des Papstes. Berlin, 24. Juli 1870 455. Bernstorff an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6206, S. 201–203. Telegramm. Entzifferung. – Teildruck: Rheindorf, England S. 173.

No. 97.

London, 25. Juli 1870, 5 Uhr – Min. Nachm. Ankunft: 25. Juli 1870, 10 Uhr 45 Min. Nachm.

Antwort auf Telegramm No. 60 und 61382. Ich habe gestern Herrn von Krause zum Editor der „Times“ geschickt mit dem Auftrag, ihm Abschrift des bewußten Actenstücks zu geben und sich im Sinne Eurer Excellenz Instruction gegen ihn zu äußern, der Urtext des Entwurfs ist heute in dem Blatt abgedruckt und wird in dem ersten Leitartikel zugleich mit Napoléons Proklamation in für uns durchaus günstiger Weise besprochen. Ueber den Zeitpunkt des Anerbietens des Vertrags ergeht der Editor sich in eigenen Vermuthungen und spricht, indem er weiter geht als Krauses’s Mittheilungen, die Meinung aus, daß kürzlich von französischer Seite insinuirt worden sei, daß wir durch Annahme des Vertrags noch den Frieden retten könnten. Krause hat ihm nur gesagt, daß es in unsrer Macht gestanden haben würde, noch jetzt auf den Vertrag zurückzukommen. Den von Eurer Excellenz eingeklammerten Schlußsatz des Artikels habe ich weggelassen und die drei ausgestrichenen Zeilen des Artikels 2 wieder hinzu 382  Oben Nr. 445* und die Anmerkungen in Bismarck, GW VIb S. 418–420. – Zum folgenden APP VIII S. 49–51.

327

456. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 25. Juli 1870

gesetzt, die Randbemerkung aber selbstverständlich weggelassen. So viel ich bis jetzt höre, macht die Sache große Sensation. Wenn die Minister im Parlament interpellirt werden, wollen sie antworten, daß sie sich für jetzt enthalten müssen, näheren Aufschluß über den Vertrag zu geben oder eine Meinung darüber zu äußern, daß die Sache aber von so ungeheurer Wichtigkeit sei, daß ohne Zweifel beide betheiligte Mächte sofort Aufklärungen über die Echtheit des Actenstücks und event. über die Umstände, unter welchen der Vertrag angeboten worden sei, geben würden. 456. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6209, S. 58–59. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 28. Juli 1870.

No. 86.

St. Petersburg, 25. Juli 1870

Der Inhalt Ew. Excellenz Telegramm No. 35 von gestern, die Rumänischen Verhältnisse betreffend, war mir umso auffallender, als mir gerade heute der türkische Geschäftsträger383 erzählt hatte, daß General Fleury versucht habe, bei ihm Mißtrauen gegen Preußen zu erwecken. Er habe gemeint, Fürst Carl sei auch ein Preußischer Prinz, und es sei nicht unwahrscheinlich, daß Preußen die jetzigen Wirren benutzen würde, um eine vollständige Losreißung Rumäniens von der Pforte vorzubereiten, vielleicht auch Unruhen zu diesem Zweck anzustiften. Caratheodory hat diese Ansicht auf das entschiedenste bekämpft und dem Botschafter gesagt, man verkenne in Frankreich vollkommen die Stellung eines Prinzen aus dem fürstlichen Hause Hohenzollern, welcher eigentlich mit der regierenden Königlichen Familie in gar keinem Zusammenhang stünde. Preußen habe gar kein Interesse daran, ob Rumänien ganz unabhängig sei oder nicht, und die Pforte fürchte nichts weniger als Preußische Intriguen. Der Sultan384 würde sich übrigens nicht in seinem Entschluß irre machen lassen, sich ganz neutral zu verhalten, am wenigsten könnte es ihm aber einfallen, Preußen, mit dem die Türkei auf dem besten Fuße lebe, irgend wie in Verdacht zu haben. Der Botschafter hat hierauf erwiedert, er habe die Pforte nur avertiren wollen, sie möge selbst thun, was ihr gut scheine.

383  Alexander Carathéodory Pascha (1833–1906), vorübergehend türkischer Geschäftsträger in St. Petersburg 1870/71. 384  Abd ül-Asis.

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459. *Kaiser Franz Joseph an Kaiser Napoleon III., Schönbrunn, 25. Juli 1870

457. König Wilhelm I. an Zar Alexander II. PA Berlin, RZ 201/6346, S. 77. Telegramm. Reinkonzept (mit eigenhändiger Unterschrift).

[o.Nr.]

Berlin, le 25 Juillet 1870 Abgangsvermerk: zur Station 25. Juli 1870, 3 Uhr 40 Min.

Je m’empresse de Vous exprimer ma vive reconnaissance pour la lettre que le colonel de Werder vient de me remettre385. Vous étiez parfaitement autorisé par Votre connaissance de mes dispositions et par l’accord intime et parfait qui existent entre nous, à assumer la garantie en question. 458*. Krause an Bernstorff Rheindorf, England S. 172–173. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 173; Morier, Memoirs II S. 164–165; Newton, Lord Lyons I S. 303–304; Gladstone, Diaries V S. 343; DDI I,13 S. 229–230; BDFA I F IX S. 193–205; XXXI S. 198–201, 243, 245–247, 254–255, 257–260, 264, 266; XXXII S. 8–9, 15–17, 30–32; OD XXIX S. 221–225, 234–236, 249–251, 261–262, 270–272, 289, 294–296, 298–299, 307, 374–380, 382–383, 389–392, 397–398.

Er hat den Benedettischen Vertragsentwurf von 1866 betr. Belgien der „Times“ zur Veröffentlichung übergeben. London, 25. Juli 1870 459. *Kaiser Franz Joseph an Kaiser Napoleon III. Salomon, l’ambassade de…Metternich S. 262. Handschreiben. – Vgl. auch OD XXIX S. 201–204, 206, 207–208, 225–226, 228–229, 231–234, 245–246, 303–306, 309–310, 406–410, 460–466, 477–478; Oncken, Rheinpolitik III S. 475–477.

Die Not zwingt mich, die Neutralität zu erklären. Frankreich kann auf Österreich zählen, sobald eine dritte Macht in den Krieg eingreift. Derzeit muß noch aufgerüstet und Verbindung mit Italien gesucht werden. Schönbrunn, 25. Juli 1870

385  Oben

Nr. 398. – Zum folgenden oben Nr. 408. 329

461. König Wilhelm I. an Zar Alexander II., Berlin, le 26 Juillet 1870

460*. Le Sourd an Gramont OD XXIX S. 208–212. Bericht.

Ich habe Bismarck die Kriegserklärung überreicht: Benedetti – so Bismarck – habe den König in Ems mehrmals gesehen und hätte wunschgemäß weiterhin „Druck auf den armen kranken König“ ausüben können. Bismarck habe im letzten Winter vom Fürsten Karl Anton von Hohenzollern von der Thronkandidatur gehört; er habe ihm gesagt, daß sie ihn nichts angehe; wenn er nach Ems gegangen wäre, hätte er den Krieg verhindern können; in Ems hätten drei Personen Benedetti in Illusionen gewiegt: der König, die Königin und Werther. – Bismarck will, daß das gesamte französische Botschaftspersonal aus Berlin abreise, auch die Gesandten aus Dresden, Hamburg, Weimar sowie der Militärattaché Stoffel. – Bismarck war aufrichtig bedrückt über den plötzlichen Abbruch in Ems; er hatte die Gefahr nicht verstanden, den König in der Isolierung zu lassen. Er hat die Kandidatur des Prinzen von Hohenzollern unterstützt; er weiß jetzt aber, daß es ein Fehler gewesen sei, sie uns verheimlichen zu können. Er akzeptiert nun den Ausbruch eines Krieges, den er nicht gewollt und nicht vorausgesehen habe. Paris, 25. Juli 1870 461. König Wilhelm I. an Zar Alexander II. PA Berlin, RZ 201/6346, S. 86–89. Handschreiben. Abschrift. – Revidiertes Konzept: ebenda S. 82–84.

[o.Nr.]

Berlin, le 26 Juillet 1870

Mon cher neveu, Le Colonel de Werder m’a remis votre lettre386 dont je ne saurais trop vous remercier. En faisant appel à votre amitié pour le cas où l’Autriche voudrait profiter des circonstances pour prendre sa revanche, j’étais bien convaincu qu’elle vous inspirait le moyen de parer à une éventualité aussi inquiétante pour moi que pour les intérêts de votre Empire. Si ce but important se trouve atteint maintenant, ce sera grâce à votre résolution si nettement exprimée sur la conduite que vous comptez tenir. Vous avez refusé la seule objection qui pût vous être opposée, en donnant en mon nom la garantie formelle que rien ne serait entrepris par la Prusse contre l’Autriche et son territoire. Je vous remercie de tout mon cœur d’avoir si bien compris mes sentiments et vous 386  Oben

330

Nr. 450.

463*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 26. Juli 1870

pouvez être assurés qu’il ne sera rien fait de ma part qui pourrait compromettre l’engagement qu’à ma grande satisfaction vous avez pris en mon nom. Depuis les événements de 1866 ni la Prusse ni la Confédération du Nord de l’Allemagne ne sauraient trouver un avantage quelconque à poursuivre des projets hostiles pour l’Autriche dont la constitution actuelle n’est pas en contradiction avec nos intérêts. Je me suis efforcé constamment de le faire comprendre à Vienne en tâchant de démontrer l’absurdité des insinuations contraires qu’on n’a pas cessé de répandre sur nos intentions. Rien ne saurait m’être plus précieux, à la veille d’une guerre dont il est impossible de prévoir les conséquences, que de voir affirmer de nouveau par vous les sentiments traditionnels qui nous lient depuis si longtemps. 462*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 425–426. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 427–428.

Er bittet, den Prinzen Luitpold von Bayern ins Königliche Hauptquartier und Generalmajor Bothmer sowie die beiden bayerischen Majore Grolman und Freyberg387 ins Hauptquartier des Kronprinzen aufzunehmen. Berlin, 26. Juli 1870 463*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 421–422. Telegramm.

Die Aufstellung einer englischen Legion ist willkommen. Berlin, 26. Juli 1870

387  Maximilian Graf von Bothmer (1816–1878), Generalmajor; Generalquartiermeister 1867–1873; a. D. als Generalleutnant. – Ernst von Grolman (1832–1904), Major; preußischer Militärbevollmächtigter in München 1867–1871; General der Infanterie 1890. – Karl Frhr. von Freyberg-Eisenberg (1828–1919), Major; bayerischer Militärbevollmächtigter in Berlin seit 1869–1871.

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465. Bernstorff an das Auswärtige Amt, London, 26. Juli 1870

464*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 423–425. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch Victoria, Letters II,2 S. 50–52; Morier, Memoirs II S. 156–159; Your Dear Letter S. 290; BDFA I F XXXI S. 201–202; XXXII S. 4, 7–8, 17–19, 24–30, 42–43.

Die englische Regierung handhabt ihre Neutralität im frankreichfreundlichen Sinne, wie Beispiele zeigen. Grund ist die Frankophilie des Außenministers Granville und dessen persönliche Abneigung gegen mich. Berlin, 26. Juli 1870 465. Bernstorff an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6207, S. 193–195. Telegramm. Entzifferung.

No. 102.

London, 26. Juli 1870, --- Uhr, --- Min. Ankunft: 26. Juli 1870, 8 Uhr 15 Min. Vorm.

Antwort auf Telegramm No. 69. Die letzte Hälfte des Artikels I anfangend: „ainsi que“, endigend: „cette œuvre“ ist weggelassen, da sie eingeklammert war388. Die 3. durchgestrichenen letzten Zeilen des Artikels II sind wiederhergestellt, weil Krause dieselben für den Urtext des Grafen Benedetti und die an den Rand geschriebene Correctur anfangend; „pour faciliter“ und endigend: „pourrait comporter“ für eine Correctur Ew. Excellenz gehalten hatte. Diese … ist daher nicht veröffentlicht worden. Die Echtheit des Documents wird hier von unserm Feinde auf das Wüthendste bestrittten und die Unmöglichkeit sogar aus der angeblichen uncorrecten französischen Redaction zu beweisen gesucht. Da es absolut nothwendig für unsere Interessen ist, daß die Echtheit über allen Zweifel erhaben sei, so möchte ich anheimstellen, in Folge der hier durch die Times geschehenen Veröffentlichung des Vertrags mit einigen Varianten nunmehr den vollständigen und richtigen Text amtlich zu veröffentlichen und womöglich die Benedetti’sche Handschrift an Lord A. Loftus zu zeigen, um dem englischen Cabinet jede Möglichkeit von wirklichem oder angeblichem Zweifel zu benehmen, der in ihren gestrigen Erklärungen im Parlament389 liegt. Meiner Aufforderung zu sagen, daß sie Grund hätten, an die Aechtheit zu glauben, haben sie nicht Folge leisten zu können geglaubt.

388  Oben 389  Dazu

332

Nr. 445* und 455; auch Bismarck, GW VIb S. 50 (auch zum folgenden). kurz Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 324.

468. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 27. Juli 1870

466. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/6207, S. 193. Telegramm. Eigenhändiges Konzept.

No. 77.

Berlin, 27. Juli 1870 Abgangsvermerk: zur Station 27. Juli 1870, 6 Uhr 20 Morgens

Antwort auf Telegramm [102390]. Die Correctur in Art. II ist von Benedetti’s Hand, wie das ganze Schriftstück, welches Loftus heut endlich widerstrebend in Augenschein genommen hat. Nothomb hat es gesehn u. erkannte Bene­ detti’s Hand ohne meine Beihülfe. 467*. Launay an Visconti Venosta DDI I,13 S. 206–208. Sehr vertraulicher Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 216.

Bismarck fragt an, ob Deutschland italienische Freiwillige anwerben könne; in Konstanz könne man ein Werbebüro einrichten; es komme nicht auf die Zahl an, sondern auf die moralische Wirkung; Italien könne sich dadurch aus der französischen Abhängigkeit lösen. Italien könne doch ein Observationskorps Richtung Nizza schicken; auch bei Civitavecchia könne man Truppen konzentrieren. Berlin, 27. Juli 1870 468. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102. Chiffrierter Bericht. Behändigte Entzifferung. Praes.: (im AA) 2. August, (in Mainz) 5. August 1870.

No. 60.

Bukarest, 27. Juli 1870

Wie ich Eurer Excellenz gestern telegraphisch gemeldet, hat die Französische Regierung hier durch den Telegraphen mittheilen lassen, es stünde für den Fall einer Russisch-Preußischen Allianz die Vereinigung Frankreichs, Oesterreichs, Italiens und [der] Türkei für gemeinsame orientalische Politik in Aussicht; Rumänien möge sich baldmöglichst darüber erklären, wie es sich zu Rußland verhalten werde. Die Minister haben dem Fürsten eine Antwort vorgeschlagen, welche mir Seine Hoheit (natürlich im tiefsten Vertrauen) mittheilte. Es wird darin gesagt, Rumänien würde, so weit seine 390  Die vorangehende Nr. – Der im folgenden genannte: Jean Baptiste baron de Nothomb (1805–1887), belgischer Gesandter in Berlin 1845–1881.

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469*. König Ludwig II. an Kronprinz Friedrich Wilhelm, [o. O.] 28. Juli 1870

Kräfte reichen, seine Unabhängigkeit vertheidigen und sich einer eventuellen Russischen Occupation widersetzen. Il va sans dire que nous agirons d’accord avec toute puissance décidée à s’opposer à notre agresseur. Ferner wird hinzugefügt, daß man alle stille[n] Vorbereitungen treffe, um nöthigenfalls mit 30 Tausend Mann auftreten zu können. Der Fürst sagte, es sei ihm auffallend, daß die Französischen Mittheilungen bis jetzt von einem eventuellen Zusammengehen mit England in der orientalischen Frage nichts enthalten haben. Er hat sofort einen Vertrauensmann, Herrn Mavrogeni391, nach London geschickt, um die dortige Stimmung zu sondiren. Allem Anschein nach sucht Frankreich geflissentlich orientalische Complicationen anzuregen, um auf diesem Terrain solidarische Interessen mit anderen Mächten zu gewinnen. Die Besorgnisse vor Rußland werden daher hier möglichst unterhalten und anderswo, besonders in Pesth, bestens ausgebeutet. Das Verhalten der Russischen Agenten in Rumänien während der letzten Monate giebt hierzu die beste Handhabe. Gleichzeitig kommen jetzt von allen Rumänischen Grenzposten in Bessarabien Nachrichten über beginnende Russische Truppen-Zusammenziehung. Freiherr von Offenberg versichert mir zwar, er hätte keine directen Nachrichten hierüber, hält es aber nicht für unmöglich, daß man namentlich wegen türkischer Rüstungen sich in den Grenz-Districten auf alle Eventualitäten vorbereite. Der hiesige Französische General-Consul392 ist auf der Rückreise von ­Paris begriffen, verweilt aber schon seit mehreren Tagen in Wien und Pesth. Der Oesterreichische General-Consul ist gestern zurückgekehrt, Mr. John Green wird demnächst erwartet. 469*. König Ludwig II. an Kronprinz Friedrich Wilhelm Werthern, Tagebuch S. 91–92. Handschreiben (Abschrift). – Vgl. auch ebenda S. 92–93.

Ich gebe mich der Hoffnung hin, „daß Bayern beim Friedensschluß als auch nach diesem seine Stellung als selbstständiger Staat“ einnehme. [o. O.] 28. Juli 1870

391  Petre Mavrogheni (1819–1887), rumänischer Finanzminister 1866–1867, 1871–1875. 392  Adolphe baron d’Avril (1822–1904), französischer Generalkonsul und Politischer Agent in Bukarest 1866 – ca. 1873. – Der im folgenden genannte österreichische Generalkonsul ist der oben in Anm. 173 genannte Zulauf. – Der dann genannte: John Green (†1877), englischer Generalkonsul und Politischer Agent in Bukarest 1859–1874.

334

471*. Kaiser Franz Joseph an König Viktor Emanuel, Schönbrunn, 28. Juli 1870

470. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6210, S. 33–35. Telegramm. Entzifferung.

No. 113.

London, 28. Juli 1870, 6 Uhr – Min. N. Ankunft: 28. Juli 1870, 11 Uhr 45 Min. Nachm.

Die Nichtausführung des Artikels 5 des Prager Vertrages393 macht sich jetzt mehr wie irgend etwas Anderes durch die nachtheilige Einwirkung auf die öffentliche Meinung in England sichtbar. Herr Gladstone und Lord Granville haben mir dies wiederholt gesagt und hätten gern gesehen, daß wir noch jetzt Dänemark befriedigt und dadurch seine Neutralität gesichert hätten. Heute tadelt auch die Times diese Unterlassung, räth aber Dänemark dringend, sich dennoch nicht hinreißen zu lassen. Daß von hier aus eine sehr energische Action in Kopenhagen geübt werde, um Dänemark zur Bewahrung seiner Neutralität zu bestimmen, scheint mir bei der Schwäche des hiesigen Cabinets kaum zu erwarten. Doch habe ich den Inhalt Ew. Excellenz Telegramms No. 80 an Lord Granville und Herrn Gladstone mitgetheilt, und letzterer hat mir gesagt, die Minister würden diese Frage besprechen, da Rußland die ernste Frage aufwerfe, was aus Dänemark würde, wenn es unterläge. Baron Brunnow394 spricht sich gut aus. Marquis de la Valette ist wüthend über die Haltung der Times. 471*. Kaiser Franz Joseph an König Viktor Emanuel DDI I,13 S. 213. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 210–213, 214–215, 220– 221, 224–227, 244; OD XXIX S. 207–208, 254–257, 266–269, 282–283, 469–470, 471–476; Oncken, Rheinpolitik III S. 483–489, 492–522.

Vitzthum, der dieses Schreiben überbringt, hat den Auftrag, mit der italienischen Regierung sofort ein Schutz- und Trutzbündnis zu unterzeichnen. Damit kann an die Verhandlungen des vorangegangenen Jahres angeknüpft werden. Schönbrunn, 28. Juli 1870

393  Betreffend eine Volksabstimmung in Nordschleswig über dessen endgültige Zugehörigkeit. 394  Filip Ivanovič Graf Brunnov [Philipp Graf Brunnow] (1797–1875), russischer Botschafter in London 1858–1874.

335

474*. Loftus an Granville, Berlin, 30. Juli 1870

472*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 429. Telegramm. – Vgl. auch BDFA I F XXXI S. 146, 188, 190–191, 238, 273; OD XXIX S. 273, 296–297, 344, 357–358; Hähnsen, Ursprung II S. 311–312, 319–326.

Dänemark wird sich, da es seine Neutralität erklärt hat, gegen das Erscheinen französischer Kriegsschiffe in seinen Häfen zu wehren wissen. Berlin, 29. Juli 1870 473. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6210, S. 240–242. Telegramm. Entzifferung.

No. 117.

London, 29. Juli 1870, 3 Uhr 18 Min. Nachm. Ankunft: 29. Juli 1870, 9 Uhr 10 Min. Nachm.

[Granville im Oberhaus.] In Bezug auf Dänemark hat er mir heute noch nichts sagen können, weil erst morgen Ministerrath darüber gehalten werden soll. Es wäre gut, wenn Rußland, welches sich übrigens in Paris bereits entschieden gegen Vergewaltigung oder Verführung Dänemarks zum Zweck der Theilnahme am Kriege ausgesprochen hat, auch möglichst stark auf das Englische Cabinet drückte, um es zu gemeinsamer energischer, womöglich kathegorischer Sprache in Kopenhagen zu vermögen. Lord Granville meint, daß schon der Anblick der französischen Flotte electrisch auf die Dänen wirken würde, worauf ich bemerkte, daß schon das Anlaufen eines dänischen Hafens eine gewaltsame Verletzung der Neutralität Dänemarks sein würde. Baron Hochschild395 ist von kürzlich angetrenem Urlaub plötzlich zurückgekehrt. Schweden hat hier auch seine Neutralität erklärt, und man glaubt daran. 474*. Loftus an Granville BDFA I F XXXII S. 20–21. Sehr vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 38– 39.

Gespräch mit Bismarck: Dieser läßt die Territorialangebote Napoleons III. gegenüber Preußen Revue passieren: 1857 habe Napoleon Hannover, Nord395  Karl Fredrik Lothar Baron von Hochschild (1831–1898), schwedischer Gesandter in London 1866–1876.

336

477*. Bismarck an Bernstorff, Berlin, 31. Juli 1870

deutschland und die Elbherzogtümer angeboten; dann kam ein weiteres Angebot 1865; dafür forderte Napoleon ein Gebiet zwischen Mosel, Saar und Rhein; die Pressemeldung über eine preußische Annexion Hollands stimme nicht. Berlin, 30. Juli 1870 475. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4318, S. 1–2. Telegramm. Entzifferung.

No. 128.

London, 30. Juli 1870, 11 Uhr 30 Min. Vorm. Ankunft: 30. Juli 1869, 6 Uhr 10 Nachm.

Heute ist identische Depesche nach Berlin und Paris abgegangen, wodurch die Englische Regierung sich bereit erklärt, auf den Wunsch der Preußischen resp. Französischen Regierung sich durch einen feierlichen Act – Vertrag oder Protocoll – zu verpflichten, gemeinschaftlich die Neutralität Belgiens aufrecht zu erhalten. Die Regierung der Königin ist überzeugt, daß die anderen garantirenden Mächte bereitwilligst denselben Weg einschlagen werden. 476. Bismarck an Wesdehlen Bismarck, GW VIb S. 432–433. Telegramm.

Ich werde die italienischen Revolutionäre im Hauptquartier empfangen. Geld steht bereit, Waffenlieferung ist schwierig. Berlin, 31. Juli 1870 477*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 431–432. Vertraulicher Erlaß.

Frankreich versucht, die Donaufürstentümer in sein Interessengebiet zu ziehen. Berlin, 31. Juli 1870

337

478. Bernstorff an Bismarck, London, [31. Juli] 1870

478. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6212, S. 26–30. Telegramm. Entzifferung.

No. 126.

London, [31. Juli] 1870, 7 Uhr 32 Min. N. Ankunft: 31. Juli 1870, 12 Uhr 50 N.

Lord Granville fragte mich heute, ob ich nicht meine Regierung gegen England aufreizte. Ich leugnete dies, indem ich sagte, daß ich nur meine Pflicht thäte und die mir gegebenen Befehle ausführte. Wenn er nach der Sprache unserer Presse urtheilte, so könnte ich ihm versichern, daß die öffentliche Meinung ebenso sehr auf die Regierung als umgekehrt wirke. Die Art der Ausführung der englischen Neutralität reize allerdings Deutschland im höchsten Grade und ebenso, daß das Englische Cabinet das von ihm anerkannte Unrecht Frankreichs noch mit keinem Worte öffentlich ausgesprochen habe. Lord Granville erwiderte: so lange man neutral bleibe, müsse man es g a n z sein, und bei der Neutralität von den Präcedenzien abzugehen und Ausfuhr von Kriegskonterbande zu verbieten, würde von Frankreich als einseitig feindlich gegen dasselbe angesehen werden und zugleich die englische Industrie ruiniren und nach Amerika verlagern. Neutrale Haltung wolle aber für jetzt J e d e r m a n n hier, und es sei daher hierin nichts zu aendern. Doch sei die englische Regierung sehr bereit, jeden einzelnen ungesetzlichen Fall auf amtliche Beschwerde zu untersuchen und zu bestrafen. Ganz privatim hat er mir auch noch gesagt, was ich schon von einem Parlamentsmitglied wußte, daß man vielleicht eine Bestimmung wird treffen können, um die directe Zufuhr von Kohlen an die französische Flotte zu verhindern. Neues Neutralitätsgesetz wird Montag vorgelegt werden. Nachdem wir nunmehr alles in Bewegung gesetzt haben, um England aus seiner Neutralität herauszureißen, dies aber trotz vielfältiger Sympathien für uns jetzt nicht möglich ist, glaube ich, daß es nicht nur nichts hilft, sondern für die Zukunft gefährlich ist, die öffentliche Meinung hier zu reizen und gegen uns zu verstimmen. Ich halte es daher für Pflicht zu rathen, daß unsere officiöse Presse keinen zu feindlichen Ton weder gegen England überhaupt noch gegen das Englische Cabinet oder einzelne Minister anschlage. Lord Granville läßt allerdings viel zu wünschen übrig, will aber wirklich nicht parteiisch gegen uns sein, könnte es jedoch mehr und mehr durch fortgesetzte Reizung werden. Lord Kimberly396 würde wahrscheinlich viel schlimmer sein, wenn es uns gelänge, Lord Granville zu stürzen, was übrigens schwerlich denkbar ist. 396  John Wodehouse, 1st Earl of Kimberley (1826–1902), Lordsiegelbewahrer 1868 – Juli 1870; Kolonialminister Juli 1870–1874.

338

479. Reuß an Bismarck, Ropscha, 31. Juli 1870

479. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6217, S. 89–91. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes. in Homburg: 8. August 1870.

No. 100.

Ropscha, 31. Juli 1870

Der Kaiserliche Gesandte in Copenhagen397 telegraphirte gestern Abend Folgendes: Herzog Cadore werde stündlich in Copenhagen erwartet. Seine Mission, der Dänischen Regierung ein Schutz- und Trutzbündniß gegen Gewährung der weitreichendsten Garantien für Territorial-Besitz aufzunöthigen, werde durch die französische Flotte unterstützt werden. Der König Christian sei in der äußersten Bestürzung, weil er fürchte, einem solchen Druck nicht wiederstehen zu können, um so weniger, als die Dänische Kriegsparthei durch die Ankunft der französischen Flotte eine sehr gefährliche Unterstützung erhalten werde. Der König wende sich daher mit der Bitte an den Kaiser Alexander, Alles aufzubieten, um das französische Cabinet zur Respektirung seiner Neutralität, welche durchaus den Interessen Dänemarks entspreche, zu bewegen. Wenn sich nun auch die Kaiserliche Regierung wenig Erfolg von einer solchen Demarche verspricht, so hat sie sich doch ohne Zögern entschlossen, dem englischen Cabinet folgenden Vorschlag zu machen: Rußland und England sollen ihre Bemühungen vereinigen, um Frankreich abzuhalten, einen solchen Druck auf Dänemark auszuüben. Baron Brunnow erhält den Befehl, beim englischen Cabinet diesen Schritt dadurch zu motiviren, daß die Neutralität Dänemarks sowohl für dieses Land selbst als auch für die beiden neutralen Großmächte von Wichtigkeit sei. Falle der Krieg ungünstig für Frankreich aus, so sei die Existenz Dänemarks ernstlich bedroht und sei es für das allgemeine Gleichgewicht von Interesse, daß dieses kleine Reich seine Stellung in der Ostsee nicht verliere. Außerdem dürfte es für beide Großmächte sehr schwierig werden, ihre strikte Neutralität gewissenhaft aufrecht zu erhalten, wenn sich Dänemark in den Krieg mische. Baron Brunnow erhält ferner den Befehl, für den Fall, daß England auf diesen Vorschlag eingehen sollte, die nötigen Instruktionen zu einer gemeinschaftlichen Action an den russischen Geschäftsträger398 nach Paris zu er­ theilen.

397  Arthur Baron Morenheim (1824–1906), russischer Gesandter in Kopenhagen 1867–1882. 398  Okunev.

339

481. Bernstorff an Bismarck, London, 1. August 1870

480*. Schutz- und Trutzbündnis zwischen Österreich und Italien Oncken, Rheinpolitik III S. 488–489; OD XXIX S. 488–489. Entwurf. – Vgl. auch ebenda S. 355, 358, 364–365, 367–371, 381, 385, 403, 425, 426–428.

1. Dauer dieses Vertrags bis zum Ende des Krieges. – 2. Gegenseitige Territorialgarantie. – 3. Neue Verträge nur nach vorheriger Vereinbarung. – 4. Erklärung einer für Frankreich wohlwollenden Neutralität. – 5. Bei Bedarf Erhöhung ihrer gegenseitigen Streitkräfte auf den Kriegsfuß. – 6. Gemeinsames Vorgehen. – 7. Gute Dienste bei Kaiser Napoleon bei der Evakuierung des Kirchenstaates. [o. O., Wien? Ende Juli/Anfang August 1870] 481. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6219, S. 112–116. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: Mainz, 3. August 1870.

No. 218.

London, 1. August 1870

Unter den zahlreichen Verrechnungen, welche Frankreich verleitet haben, sich in den Krieg mit Deutschland zu stürzen, dürfte diejenige nicht die geringste sein, daß es in dem Wahn gewesen ist, es könnte trotz aller Garantien, die namentlich England für die Unabhängigkeit Belgiens gegeben hat, darauf früher oder später dieses Land als Preis des Krieges zu erlangen. Wie sehr dieser Wahn eingewurzelt gewesen ist, zeigt unter Anderem die hier gehorsamst angeschlossene Correspondenz der „Pall Mall Gazette“ aus Paris von einem „Pariser Correspondenten“. [ebda S. 117 ff.] Der Englische Ex-Miniser, welcher darin gelobt wird, weil er ohne Scheu auf Befragen die Wahrheit in dieser Beziehung geradehinaus gesagt hat, ist der alte Lord Russell399, und wie ich weiß, hat er dies bei Gelegenheit seiner letzten Anwesenheit in Paris gethan. Es ist deshalb auch, wie mir noch heute von einem Mitgliede des Hauses Rothschild400 versichert wurde, den Franzosen ganz entsetzlich unangenehm, daß durch die jüngsten Vorgänge die Neutralität und Unabhängigkeit Belgiens wieder in solcher Weise garantirt und verclausulirt worden ist, daß vor der Hand nicht daran zu denken ist, daß Frankreich es absorbiren könne, ohne unter allen Umständen erst einen Krieg mit England zu bestehen. 399  John Russell, 1st Earl of Kingston (1792–1878), (zuletzt) Premierminister 1865–1866. 400  Lionel Nathan Rothschild (1808–1879), Leiter des Londoner Bankhauses Rothschild.

340

482. Bernstorff an Bismarck, London, 3. August 1870

Die größte Verrechnung ist aber wohl die gewesen, daß die französische Regierung nicht erwartet hat, daß Süddeutschland seine Vertrags-Pflichten gegen Norddeutschland erfüllen und daß ganz Deutschland den Krieg als einen gemeinsamen Unabhängigkeits- und National-Krieg aufnehmen und daß es dadurch, abgesehen von sonstigen triftigen Gründen, auch Oesterreich unmöglich gemacht werden würde, an der Seite Frankreichs die Waffen gegen uns zu ergreifen – der Illusionen in Betreff erwarteter Aufstände in unseren neuen Provinzen pp. nicht zu gedenken. Nur durch diese Verrechnungen kann man sich hier erklären, daß die Franzosen, obgleich der Krieg nunmehr seit 17 Tagen von ihrer Seite erklärt worden ist401, noch nicht zum Angriff geschritten sind und uns die Zeit zur Mobilmachung und Concentrirung unserer Armee gelassen haben. Sie waren auf einen solchen Feind offenbar nicht vorbereitet, als sie sich in rasender Hast überstürzten, um es zum Kriege zu treiben. Man glaubt hier, daß Louis Napoléon froh sein würde, wenn er diese Ueberzeugung ungeschehen machen könnte. Eine vorgestern von Paris gekommene Person sagte mir jedoch, es sei in Paris eine solche Mißstimmung unter der Oberfläche, daß der Kaiser nur die Wahl zwischen Revolution im Innern oder Krieg nach Außen gehabt habe. Nach einer mir heute mitgetheilten Aeußerung des Herzogs von Cambridge402 soll es der französischen Armee an Fourage mangeln. 482. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4318, S. 4–5. Telegramm. Entzifferung.

No. 135.

London, 3. August 1870, 9 Uhr 30 Min. Nachm. Ankunft: 4. August 1870, 4 Uhr 30 Min. Morgens

Lord Granville fragte mich heute, ob ich schon wüßte, wie ein am 30. Juli von Lord A. Loftus abgegangener Vorschlag in Betreff der belgischen Neutralität in Berlin aufgenommen sei, was ich mit der Bemerkung verneinte, daß Ew. Excellenz auch wohl schon im Hauptquartier seien, als der Vorschlag eintraf. Auf meine Bemerkung, daß es vielleicht schwer für uns sein möchte, die Neutralität Belgiens zu respectiren, wenn die Franzosen dieselbe verletzten und in Belgien einrückten, um uns auf diesem Wege anzugreifen, meinte Lord Granville, die uns alsdann gesicherte Allianz Englands mit einer guten Armee und seiner starken Flotte, womit es sofort in den Kampf eintre401  Vgl.

oben Nr. 368. (1819–1904), Herzog von Cambridge; Feldmarschall; Oberbefehls­ haber des britischen Heeres 1856–1895. 402  George

341

486*. Bismarck an Bernstorff, Mainz, 4. August 1870

ten würde, sei uns doch gewiß mehr werth, als die Möglichkeit, selbst von der anderen Seite in Belgien einzurücken. 483*. Vimercati an Visconti Venosta DDI I,13 S. 247 (Nr. 360). Telegramm. – Vgl. ebenda S. 250–255, 261–262, 264, 266 (Nr. 389), 271–275, 400–402, 429; OD XXIX S. 326, 330, 345, 353–355, 372–374, 478–479, 484–486.

Kaiser Napoleon akzeptiert den Vertrag zwischen Italien und Österreich403 als Mittel, um zur Tripelallianz zu gelangen. Er wünscht sofortige Rüstungen. Metz, 3. August 1870 484*. Gramont an Cadore/Saint-Ferréol OD XXIX S. 362. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 384, 393–396, 410–412.

Ein Expeditionskorps von 28.000 Mann kann am 10. August [Richtung Ostsee] aufbrechen. Dänemark muß aber seine Mitwirkung zusagen; sonst wird das Korps anderweitig eingesetzt. Paris, 3. August 1870 485. *Bismarck an F.A. zu Eulenburg Bismarck, GW VIb S. 433. Telegramm.

Zeitungsgerüchte, die von Kaiserideen schreiben, sind schädlich. Mainz, 4. August 1870 486*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 433–435. Telegramm und vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch OD XXIX S. 415–417.

Aus Wien wird gemeldet, daß Österreich sich auf den Kriegseintritt vorbereite. Beust scheint einen Bündnisvertrag mit Florenz und Paris, eventuell auch mit der Türkei, in der Tasche zu haben. Mainz, 4. August 1870

403  Oben

342

Nr. 480*.

489*. Bismarck an Bernstorff, Mainz, 4. August 1870

487*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 436. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S.437; Victoria, Letters II,2 S. 53–55; Guedalla, The Queen S. 290; Correspondenz des…Ministeriums des Äußern IV S. 35–40; BDFA I F XXXII S. 11–12, 34–36; OD XXIX S. 310–311, 327–330, 332–333, 348, 356–357, 358–361, 371–372, 386–388, 392–393, 401– 402, 403–406, 413–415, 424–426, 429.

Er ist bereit, an einem zusätzlichen Vertrag zur Garantie der Neutralität Belgiens mitzuwirken. Mainz, 4. August 1870 488. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin RZ 201/4318, S. 21–22. Telegramm. Entzifferung.

No. 23.

Mainz, 4. August 1870, 4 Uhr 26 Min. Nachm. Ankunft: 4. August 1870, 10 Uhr 5 Min. Nachm.

Unter No. 6 ist heute nach London telegraphirt404: Antwort auf Telegramm 135. Lord Granville’s Vorschlag in Betreff der Belgischen Neutralität ist mir noch nicht zugekommen. Sagen Sie vorläufig, daß w i r zur Theilnahme an jedem Act verstärkter Garantie der Neutralität bereit sind, wenn wir auch voraussehen, daß Belgiens Neutralität von Frankreich höchstens so lange geachtet wird, als die deutschen Heere nicht geschlagen sind. Ob, wenn Frankreich uns durch Belgien angreift, während wir die Neutralität respectiren, die Armee und Flotte Englands rechtzeitig zur Stelle sein könne, um uns aus den Niederlagen wieder heraus zu helfen, welche wir durch unsere Vertragstreue erlitten haben werden, ist eine militärische Erwägung, die ich im Augenblick nicht bewerthen kann. 489*. Bismarck an Bernstorff Rheindorf, England S. 174–176. Vertraulicher Erlaß.

Die Anknüpfung Kaiser Napoleons III. hinsichtlich einer geheimen französisch-preußischen Territorialabmachung geht bis ins Jahr 1857 zurück. Ich hatte damals dem Kaiser abgeraten; denn solche Abmachungen wären in Berlin bald ruchbar geworden. Später hat der Kaiser solche Überlegungen in

404  Die

vorangehende Nr. 343

491. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 4. August 1870

Variationen wiederholt. – Bernstorff kann davon in London vertraulich Gebrauch machen.

Mainz, 4. August 1870 490. Keyserling an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6187, S. 319–320. Telegramm. Entzifferung. Duplikat.

No. 50.

Bujukdere, 4. August 1870, 10 Uhr 37 Min. Vorm. Ankunft: 4. August 1870, 5 Uhr 35 Min. Nachm.

Telegramm vom 1. August No. 18 erst heute erhalten. Schon am 26. Juli ist von Paris nach Bukarest Eröffnung wegen Quadrupel-Allianz für den Fall einer Russisch-Preußischen Allianz gemacht und Fürst Carl durch solche einzuschüchtern versucht. Ollivier hat gleichzeitig den türkischen Botschafter in Paris405 gefragt, ob es jetzt nicht Zeit sei, Hohenzollern aus Rumänien zu vertreiben. Großvezir hat entschieden gegen muthwillige Herbeiführung von Complicationen im Orient protestirt und sich über Ollivier’s Vorschlag bei Herzog v. Gramont beklagt, welcher seinen Collegen desavouirt hat. Soweit ich hier die Sachlage beurtheilen kann, ist die Allianz in Frankreich vielleicht beabsichtigt und vorgeschlagen, aber nicht zur Ausführung gekommen. Die Türkei ist militairisch schwächer, als man gewöhnlich glaubt. Ueber ihre Freundschaft hege ich keine Illusionen. Sie wird in ihrer Schwäche die Sieger anbeten. Wegen der ferneren Rüstungen und Uniformbestellungen werde ich die genauesten möglichen Informationen einziehen und berichten. 491. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6217, S. 43. Telegramm. Entzifferung.

No. 39.

St. Petersburg, 4. August 1870, 7 Uhr 15 Min. Vorm. Ankunft: 4. August 1870, 9 Uhr 46 Min. Nachm.

Der hiesige Dänische Gesandte406 sagt einem Collegen: Warum thut Preußen nichts, um uns vor der uns bedrohenden französischen Allianz zu retten? Es wäre hierzu wenig nöthig.

405  Mehmed Djemil [Cemil] Pascha (1823–1872), türkischer Gesandter (1866 Botschafter) in Paris 1855–1872. – Der danach genannte (schon kommentierte) Großwesir: Aali Pascha. 406  Carl Rudolf Emil von Vind (*1829), dänischer Gesandter in St. Petersburg 1868–1884.

344

492. Bernstorff an Bismarck, London, 4. August 1870

Der Kaiser hat mit General Fleury sehr ernst über die Respectirung der dänischen Neutralität gesprochen und den Einwand, als sei französische Allianz für Dänemark nützlich, entschieden in Abrede gestellt. 492. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4318, S. 23–25. Telegramm. Entzifferung.

No. 137.

London, 4. August 1870, 6 Uhr 33 Min. Morgens Ankunft: 5. August 1870, 7 Uhr 33 Min. Vorm.

Telegramm vom 3. und 4. von gestern erhalten und Inhalt in vorgeschriebener Weise Lord Granville mitgetheilt. Es ist uns gelungen, das Vertrauen in Napoléon hier so gründlich zu erschüttern, daß der Vorschlag Lord Granville’s vom 30. Juli, wie er mir ganz im Vertrauen sagte, darauf gerichtet ist, i h n wegen Belgien’s zu binden, da man glaubt, daß er eine von ihm selbst ertheilte Versicherung doch eher respectiren werde als eine von Louis Philippe407 gegebene. Lord Granville bestreitet uns nicht das Recht und die Pflicht als Garantie-Macht, gleichwie England es thun würde, die Franzosen aus Belgien heraus zu werfen, wenn sie es besetzten, aber er möchte nicht, daß wir uns für berechtigt hielten, auch unsererseits aus strategischen Gründen belgisches Gebiet zu verletzen, weil die Franzosen es thäten, und wiederholte mir daher, daß es viel mehr Werth für uns wäre, sofort von einer solchen Verletzung durch Frankreich hierher telegraphische Mittheilung machen und auf unmittelbares Eintreten Englands in den Krieg rechnen zu können. Er hält es aber für sehr wünschenswerth, daß das eventuelle Document e[rst] vor dem Eintritt einer entscheidenden Schlacht unterzeichnet werde, und meinte, eine möglichst schleunige Zustimmung unsererseits würde hier den besten Eindruck machen. Frankreich hat noch nicht zugestimmt, und Mqs. de la Valette verhandelt noch darüber mit Lord Granville. Letzterer wird mir vielleicht heute noch einen Protocoll- oder Vertrags-Entwurf schicken, den ich alsdann sofort summarisch zu Ew. Excellenz Kenntniß bringen werde. Einer der Lords der Admiralität sagte mir gestern, daß an Land-Truppen, wenn man Miliz nach Irland schickt, etwa vierzig Tausend Mann verwandt werden könnten.

407  Louis

Philippe (1773–1850), König der Franzosen 1830–1848. 345

494. König Wilhelm I. an König Ludwig II., Mainz, 5. August 1870

493. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6219, S. 160–162. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. August 1870.

No. 104.

Peterhof, 4. August 1870

Herr von Westmann408 theilte mir heute ganz vertraulich mit, der Kaiser Alexander habe die Idee gehabt, eine gewisse Solidarität unter den neutralen Mächten während des jetzigen Krieges herzustellen. Dieser Gedanke habe nur allein den Zweck, den Krieg zu lokalisiren, die kleinen Staaten in ihrer Neutralität zu schützen und den Großmächten, wie Oesterreich und Italien, die Velleität zu benehmen, aus ihrer neutralen Haltung heraus zu treten. Es wäre dies gewissermaßen ein Bund geworden, welcher den Krieg führenden Mächten nicht erlaubt haben würde, einen neutralen Staat zu vergewaltigen; man hätte sich verpflichtet, den betreffenden Staat gegen eine solche Vergewaltigung zu schützen. Baron Brunnow ist von diesem Gedanken seines Kaiserlichen Herrn in Kenntniß gesetzt worden und hat den Auftrag erhalten, denselben zu verarbeiten und die Stimmung des Englischen Cabinets zu sondiren. Hätte man bei dem Letzteren einigen Anklang gefunden, so würde man sich dann auch an Oesterreich und Italien gewendet haben. Bis jetzt ist aber noch keine Nachricht aus London eingegangen und man fürchtet, wohl nicht mit Unrecht, daß sich England auf eine solche genereuse Politik nicht einlassen wird. 494. König Wilhelm I. an König Ludwig II. PA Berlin, RZ 201/6217, S. 14–17. Handschreiben. Superrevidiertes Konzept Abekens und Bismarcks.

Mainz, 5. August 1870 Mein Sohn der Kronprinz hat mir den Brief mitgetheilt, den Sie am 28. Juli kurz vor seiner Abreise an ihn gerichtet haben. Ich danke Ihnen für Ihre offene Aussprache und weiß, daß mein Sohn noch Gelegenheit gefunden hat, Ihnen zu versichern, wie ich mit den Wünschen einverstanden bin, welche Sie in Betreff der Selbstständigkeit und Integrität Baierns aussprechen. Ich bin seit Abschluß unseres Bündnisses jederzeit dafür eingetreten, daß gedeihliche Verhältnisse in Deutschland sich nur unter Ihrer freien und unabhängi408  Vladimir Il’ič Westmann [Vestman] (1812–1875), stellvertretender russischer Außenminister 1860–1875.

346

496*. Bismarck an das Auswärtige Amt, Mainz, 5. August 1870

gen Mitwirkung und der unter Ihrem Scepter vereinigten deutschen Stämme gestalten können. Diese meine Gesinnung, das werden Sie mit mir fühlen, wird durch die treue Waffenbrüderschaft und die gemeinsame Vertheidigung der Unabhängigkeit unseres deutschen Vaterlandes zu einer unerschütterlichen Grundlage des Rechtes und der Selbstständigkeit jeder der verbündeten deutschen Staaten werden. Sie wollen versichert sein, daß das Vertrauen, welche Sie in meine Gesinnungen und meine Würdigung der Haltung Baierns aussprechen, unter keinen Umständen getäuscht werden wirda. a

Folgender eigenhändiger Zusatz des Königs wurde gestrichen: wenn auch eine noch größere Übereinstimmung unserer Institutionen und Beziehungen anzubahnen wäre. – Der König hatte gegen die Streichung remonstriert: Bei nochmaliger Erwägung des Inhalts der Anlage glaube ich, daß ein Zusatz, wie ich ihn angegeben habe, nöthig ist, weil wir uns doch die Hände frei halten müssen. Die S e l b s t ä n d i g k e i t so unbedingt hinzustellen und mein v o l l k o m m e n e s Einverstädniß o h n e meinen Zusatz würde d e r e i n s t uns die Hände zu sehr binden und man uns in Deutschland sogar die Thüre weisen, wenn nach vielem Blut doch nichts Einigeres zu Stande käme als jetzt? – Nach erneuter Diskussion mit Bismarck lenkte er ein: Nach Überredung habe ich den Zusatz gestrichen, aber ungern.

495*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 436. Telegramm.

Der ungarische Emissär Kiß409 soll auf französische Anstiftung hin in Wien die „Neue freie Presse“ kaufen. Mainz, 5. August 1870 496*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 436–437. Telegramm.

Thile soll in München sehr deutlich machen, daß Bayern bei siegreichem Krieg nichts zu befürchten habe. Mainz, 5. August 1870

409  Nikolaus [Lajos] Kiss de Nemeskér (1814–1885), ungarischer Freiheitskämpfer. – Bismarck hatte ihn schon im Sommer 1866 beauftragt, von Oberschlesien aus eine Legion zum Einsatz gegen Österreich zu bilden (sie wurde schließlich nicht mehr gebraucht). – Die im folgenden genannte: „Neue freie Presse“, Wiener Tageszeitung; erschien 1864–1938; seit 1946 unter dem Namen „Die Presse“.

347

499. Bismarck an Bernstorff, Mainz, 5. August 1870

497. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6217, S. 34. Telegramm. Entzifferung

No. 13.

Berlin, 5. August 1870, 12 Uhr 14 Min. Vorm. Ankunft in Mainz: 5. August 1870, 2 Uhr 30 Min. Nachm.

Wollmann410 hat in den Acten Vertrags-Entwurf und Brief Benedetti’s vom 5. August 1866 gefunden. Im ersten Abtretung von Rheinhessen und Rheinbayern und unsere Saardistricte, die wir 1815 erhalten. Im Brief sagt Benedetti, er habe den Entwurf aus Vichy erhalten: also diesmal Napoleon persönlich compromittirt. Alles von Benedetti’s eigener Hand. Abschriften sende ich heute, da Originale verloren gehen könnten. Ueber Benutzung des wichtigen Fundes erwarte ich Befehle. 498. Bismarck an Thile PA Berlin, RZ 201/6217, S. 36. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 30.

[Mainz] 5. August 1870

Telegramm erhalten, lassen Sie Brief und Vertragsentwurf, soweit Inhalt nicht ohne mein Wissen Compromittirendes birgt, sofort dort publiciren. 499. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/61, S. 330–331. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 11.

Mainz, 5. August 1870 Abgangsvermerk: 5. August 1870, 10 Uhr 15 Abends

Nach den Veröffentlichungen der französischen Blätter411 und des Ministers Ollivier ist mir leider kaum ein Zweifel daran gestattet, daß die Engli410  Nicht identifiziert (vermutlich ein Archivar im Archiv des Auswärtigen Amtes.) – Zum folgenden: Der Brief Benedettis an Bismarck vom 5. August 1866 ist nicht in OD XI (1866) publiziert. Vgl. dort S. 381–383. Vgl. auch Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 100–101; Oncken, Rheinpolitik II S. 21–22. 411  Im „Journal officiel“ vom 4. August 1870 wurde ein Runderlaß des Herzogs von Gramont veröffentlicht, in dem behauptet wird, daß das Angebot vom August 1866, Belgien zu annektieren, nicht von Napoleon, sondern von Bismarck ausgegangen sei. Außerdem wird darin gesagt: „[…] nous avons prié Lord Clarendon [im Frühjahr 1870] d’intervenir auprès du Ministre prussien pour provoquer un désarmement réciproque, mission importante dont Lord Clarendon […] consentit à se charger confidentiellement.“ Der Erlaß ist wiederabgedruckt in: OD XXIX S. 374–380 (das

348

501*. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 5. August 1870

sche Regierung die von Lord Clarendon, ich kann wohl sagen, auf liches Vertrauen in gegenseitige Ehrenhaftigkeit, angeregte Aussprache über die Entwaffnungsfrage dem französischen Kabinette rückhaltlos mitgetheilt hat, sogar die ganz vertraulichen Aeußerungen über unsere Beziehungen zu Rußland. Wenn dies gegründet ist, so werden die Annalen des diplomatischen Verkehrs befreundeter Mächte kaum ein ähnliches Beispiel von Vertrauensbruch aufweisen, ein Vertrauensbruch, der dem des Privat-Briefgeheimnisses durch einen Englischen Edelmann gleich käme. Ich bitte Sie, zunächst vertrauliche Anfrage darüber an Ld Granville zu stellen, wie seiner Meinung der Inhalt dieses Briefwechsels412 zur Kenntniß von Ollivier habe kommen können. 500. Reuß an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6217, S. 121. Telegramm. Entzifferung.

No. 41.

St. Petersburg, 5. August 1870, 2 Uhr 30 Min. Nachm. Ankunft: 5. August 1870, 7 Uhr 30 Min. Nachm.

Antwort auf Telegramm No. 51. Der Kaiser hat gestern dem Grafen Chotek sehr ernsthaft wiederholt, daß, wenn Oesterreich rüste, er ein Gleiches thun werde. Oesterreich werde von keiner Seite bedroht, Rüstung daher unmotivirt. Zwei gerüstete Armeen seien gefährlich. Oesterreich möge dies bedenken. 501*. Reuß an Bismarck Bismarck und die Nordschleswigsche Frage S. 361–363. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 363–364; OD XXIX S. 432–433, 435, 436–437; Hähnsen, Ursprung II S. 328–332.

Der Zar hat nach Kopenhagen telegraphiert, wenn Dänemark durch Frankreich gezwungen würde, seine Neutralität aufzugeben, solle es dagegen feierlich protestieren. England scheint sich nicht sehr für die dänische Neutralität zu interessieren. Der dänische Gesandte in Paris413 meint, wenn Preußen ein Zitat S. 377). – Zu den dann angesprochenen preußisch-russischen Beziehungen ebenda S. 380. 412  Damit ist der Briefwechsel zwischen Bismarck und Clarendon vom Frühjahr 1870 in der Abrüstungsfrage gemeint, der in dem Runderlaß Gramonts angesprochen wird (vgl. oben Nr. 212* und 258*) und von Clarendon offenbar nach Paris mitgeteilt worden ist. 413  Gebhard Léon Graf Moltke-Huitfeld (1826–1896), dänischer Gesandter in ­Paris 1860–1866. 349

502. Werthern an Bismarck, München, 6. August 1870

paar kleine Distrikte abtrete, die mit dänischer Bevölkerung bewohnt seien, würde das auf die dänische Stimmung überaus positiv wirken. St. Petersburg, 5. August 1870 502. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6221, S. 222–227. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 9. August, (in Saarbrücken) 10. August 1870.

No. 99.

München, 6. August 1870

Während der Anwesenheit des Fürsten Gortschakow in München, am 2ten d.M., hat der Graf Bray demselben die Abschrift des von Sr.M. dem König Ludwig an Sr.K.H.  den Kronprinzen gerichteten Briefes (vom 28ten v.M.) mitgetheilt & ihm für die darin ausgesprochenen Wünsche in Betreff der späteren Selbstständigkeit Bayern’s zu interessiren gesucht. Nach der Mittheilung des Herrn Ozerow, der bei jener Unterredung zugegen war, hat der Fürst hierauf ungefähr Folgendes erwidert: „Beim Friedensschluß werde Sr.M. der Kaiser Alexander auch sein Wort einlegen, & es sei nicht zu befürchten, daß die Süddeutschen Staaten von der Landkarte verschwänden. Bei seinem Besuche in Stuttgart, Tags zuvor, hätten I.I.M.M. der König & die Königin von Württemberg ihm die Absicht ausgedrückt, einen ähnlichen Brief an Sr.K.H. den Kronprinzen zu richten. Er habe ihnen aber abgerathen; Bayern & Württemberg seien in nationalem Gefühl & aus freien Entschlusse mit uns gegangen; er würde es daher d e s K ö n i g s f ü r u n w ü r d i g halten, gerade in diesem Augenblick Mißtrauen gegen uns zu zeigen & demselben in so einem Briefe Ausdruck zu geben. Sowohl der König als die Königin von Württemberg hätten sich von der Richtigkeit dieser Ansicht überzeugt & dankten ihm, daß er sie von diesem Schritte abgehalten.“ In vertraulicher Unterredung mit Herrn von Ozerow hat sich der Fürst Gortschakow nicht allein mit einem großen Verständniß der deutschen nationalen Bewegung, sondern auch mit einem wohlwollenden Interesse an derselben ausgesprochen: Er betrachte Deutschland so gut als fertig; ein deutsches Parlament & ein deutsches Heer seien als nationales Band unentbehrlich; den einzelnen Fürsten könne man „das Vergnügen“ ihrer Privat[-]„Diplomatie dann nach außen lassen“ u.s.w. Der Graf Bray hat mir von seiner Unterredung mit dem Fürsten über jenen Brief nichts gesagt, eben so wenig als von dem Briefe selbst, wahrscheinlich weil er nicht glaubte, daß Sr.K.H. der Kronprinz mir denselben zeigen werde. Er beschränkte sich auf die Bemerkung, der Fürst Gortschakow werde die Nothwendigkeit einer absoluten Neutralität nicht allein Oestreichs, sondern auch Rußlands in Wien geltend machen, & er halte jene für gesichert. 350

503*. Tagebucheintragung Dalwigks, [o. O.] 6. August 1870

Im Laufe unserer Unterredung fügte es sich, daß ich den Grafen noch einmal auf den von Euerer Excellenz in der Depesche an den Freiherrn von Schweinitz in Wien vom 23. v.M. (Beilage von No. 220 vom 24ten ej.) entwickelten Standpunkt bezüglich Süddeutschlands verweisen konnte. Er trug demselben volle Rechnung, besonders weil auch seiner Ueberzeugung nach jene Politik die beste sein werde. Dessenungeachtet kam er noch einmal darauf zurück, daß es ihm außerordentlich wünschenswerth sei, von uns Garantieen bezüglich der Repartition der Kriegslastena & des Zollvereins zu erhalten. Ich erwiderte ihm, ich habe schon einmal (Bericht No. 87 vom 15. Juli), bloß auf seinen ausdrücklichen Wunsch, gegen meine Ueberzeugung & in der Voraussicht, durch intempestive Fragen das Mißfallen Euerer Exzellenz zu erzeugen, diese Angelegenheit zur Sprache gebracht. Heute müsse ich ihn bitten, mich damit zu verschonen & eine gelegenere Zeit abzuwarten. Ich erlaube mir, das anzuführen zum Kennzeichen der Stimmung. Der Patriotismus ist zwar groß; der Particularismus ist es aber nicht minder & die Bayerische Regierung mit ihren Anhange rechnet zur Belohnung ihrer Bundestreue auf einen positiven Gewinn aus dem Kriege. Auf der anderen Seite fürchtet sie die wachsende Gewalt der nationalen Strömung, besonders wenn gar keine Pression von uns auf Süddeutschland geübt wird, & hieraus entwickelt sich die Combination, daß die deutschen Fürsten nichts Klügeres thun könnten, als nach dem (glücklichen) Kriege Seine Majestät den König aus eigener Initiative zum Kaiser zu proclamiren – natürlich gegen Concessionen, die schwerlich Allerhöchstdessen Regierung & sicher nicht den Bedürfnissen des Volkes entsprechen würden. Ich habe Ursache zu glauben, daß Sr.M. der König von Sachsen für diesen Gedanken [sich] interessirt & ihm, als ältesten deutschen [!] Fürsten, die erste Rolle dabei zugedacht wird. a

Dazu Randvermerk Bismarcks: Kriegskosten, ja, pro rata des jährlichen Milit.Aufwandes. Zollverein gehört hier nicht her.

503*. Tagebucheintragung Dalwigks Dalwigk, Tagebücher S. 440–441. – Vgl. auch BDFA I F XXXII S. 12–14.

Mit Frankreich darf es keinen „billigen Friedensschluß“ geben. „Es handle sich jetzt von Wiedereroberung der alten deutschen Provinzen Elsaß und Lothringen, und wenn Preußen diese Provinzen als Mitgift mitbringe, solle für 1866 Indemnität gewährt sein. Dann möge sich König Wilhelm die deutsche Kaiserkrone aufsetzen.“ [o. O.] 6. August 1870

351

506. Bismarck an das Auswärtige Amt, Mainz, 7. August 1870

504*. Pergler von Perglas an König Ludwig II. Bray, Denkwürdigkeiten S. 147–149. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 149– 150; BDFA I F XXXII S. 51–52.

Staatssekretär Thile: Befürchtungen um die Selbständigkeit Bayerns sind ganz grundlos. Bayerns Souveränität bleibt ungeschmälert. Bismarck habe mit Entrüstung das Gerede vom deutschen Kaisertitel gehört. Berlin, 6. August 1870 505*. Allianzvertrag zwischen Italien und Österreich OD XXIX S. 486–488. (Italienischer) Entwurf. – Vgl. ebenda S. 491–496.

1. Beide Mächte erklären ihre Neutralität. – 2. Zu deren Verteidigung treffen sie Vorbereitungen. – 3. Sie verfolgen gemeinsam den Verlauf des französisch-preußischen Krieges. – 4. Der österreichische Kaiser begünstigt die Wünsche Italiens in bezug auf Rom. – 5. Geheimhaltung dieses Vertrags. – Zusatzartikel. 1. Im Falle eines russisch-österreichischen Krieges unterstützt Italien Österreich. – 2. Gegenseitige Territorialgarantie. – 3. Italien erhält als Dienst für seine Mitwirkung Gebiete am Isonzo. – 4. Im Fall eines siegreichen Krieges Frankreichs über Preußen erhält Italien Gebietsverbesserungen bei Nizza. [o. O.] 6. August 1870 506. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, R 201/6219, S. 95. Telegramm. Entzifferung.

No. 50.

Mainz, 7. August 1870, 10 Uhr 1 Min. Vorm. Ankunft: 7. August 1870, 12 Uhr 15 Min. Nachm.

Bitte in der Presse die Tapferkeit, mit welcher sich die Bayern geschlagen haben, hervorzuheben.

352

508. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 7. August 1870

507*. Bismarck an Wesdehlen Bismarck, GW VIb S. 438–439. Telegramm.

1866 wurde uns von Frankreich ein Vertrag zur Garantie des päpstlichen Territoriums vorgelegt, den Preußen abgelehnt hat414 (Veröffentlichung bleibt vorbehalten). Mainz, 7. August 1870 508. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6222, S. 134–138. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 10. August 1870.

No. 111. Vertraulich durch sichere Gelegenheit.

St. Petersburg, 7. August 1870

Nachdem Fürst Gortschakoff gestern Abend wieder hier eingetroffen, habe ich ihn heute besucht. Derselbe hielt mir einen längeren Vortrag über die strikte Neutralität, welche Rußland einzuhalten entschlossen sei; dieselbe müsse auch eine moralische sein. Er habe bereits Ihrer Majestät der Königin in Berlin anzudeuten gewagt, daß, wenn auch persönliche Sympathien nach der einen oder der anderen Seite hinneigen dürften, es doch nunmehr die Pflicht Rußlands sein werde, dieselben nicht zur Schau zu tragen. Rußland müsse vollkommen unpartheiisch bleiben, weil der Moment kommen werde, wo nach dem tête à tête der beiden kriegführenden Mächte auf dem Schlachtfelde, in das man sich nicht mischen wolle, die Rolle der Neutralen beginne. Die Krisis, in welcher man sich befände, sei eine Europäische, und was Frankreich anbetreffe, vielleicht auch eine d y n a s t i s c h e . Es sei daher unmöglich, daß die anderen Großmächte, wenn sie sich auch nicht am Kriege betheiligt hätten, von den künftigen Friedensverhandlungen ausgeschlossen blieben, und um dann einen heilsamen Einfluß auf die Gestaltung der Dinge ausüben zu können, müsse Rußland sich jetzt nach keiner Seite engagieren. Daher sei es auch wichtig, daß der Verkehr der Kaiserlichen Regierung mit den Vertretern der Mächte streng in einer Hand bleibe, weil viel auf die Nuancen ankomme. Er, der Fürst, werde diesen Verkehr ganz allein in die Hand nehmen und habe dem Personal seines Departements auf das Strengste untersagt, Visiten der Diplomaten zu empfangen oder dieselben anders als durch Karten zu erwiedern.

414  Dazu

vgl. APP VIII S. 120 Anm. 1 und S. 125–127. 353

508. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 7. August 1870

Es verstünde sich von selbst, daß Rußland seinem Principe getreu den geeigneten Moment nicht vorüber gehen lassen werde, um Versuche zu machen, den gestörten Frieden Europa’s wieder herzustellen. Ich erwiederte dem Kanzler, daß wenn dieser Moment gekommen sein werde, es sich zeigen müßte, wer von den neutralen Mächten unser Freund, wer unser Feind sei. Deutschland kämpfe für die Herstellung eines dauernden, gesicherten friedlichen Zustands in Europa. Der Kampf, den wir jetzt auszufechten begonnen hätten, sei daher ein Kampf für den Frieden Europa’s, welcher seit fast 20 Jahren fortwährend bedroht worden wäre. Es sei daher im Interesse ganz Europa’s, daß dieser Kampf siegreich für unsere Waffen ausfalle und daß man uns nicht darin störe, das gewünschte Resultat zu erreichen. Wenn ich die Persönlichkeit des Fürsten Gortschakoff nicht so genau kennte, so würde mich eine gewisse Steifheit in dieser ersten Unterhaltung mit ihm etwas befremdet haben. Il posait devant moi! Wenn es auch vielleicht seine Vortheile hatte, durch die Zerfahrenheit, in welcher sich bisher das auswärtige Ministerium befand, leichter Informationen zu erhalten, so war es doch kaum möglich, mit den Vertretern des Kanzlers eine regelmäßige Politik zu machen. Es ist möglich, daß wir nunmehr vielleicht einigen Ecken begegnen dürften, die bisher nicht zu bemerken waren, weil der Kanzler gern mit der sogenannten nationalen Partei koquettirt und diese eine erstaunliche Furcht vor der Ueberhandnahme der Macht Preußens hat. Es ist bestimmt vorauszusehen, daß er Alles mögliche thun wird, um als Friedens-Vermittler eine hervorragende Rolle zu spielen. Andrerseits wird er aber vielleicht einen heilsamen Einfluß auf die Entschließungen der unsicheren neutralen Mächte auszuüben versuchen; er wird sich hierfür ganz besonders bemühen, um den Triumph zu haben, seinem Lande sagen zu können, daß er es möglich gemacht hat, Rußland’s einflußreiche Stellung in Europa zu wahren, ohne ihm Rüstungs-Opfer aufzuerlegen. Offenbar ist es dem Kanzler hauptsächlich darum zu thun, aden Kaiser vor einem zu häufigen persönlichen Verkehr mit den fremden Vertretern zu schützen.a Er weiß, daß sein Herr ein Gemüths-Mensch ist und fürchtet, daß er sich entweder nach der einen oder nach der anderen Seite hinreißen lassen könnte, mehr zu sagen, als wie er verantworten kann. Der Fürst zieht schon heute ganz nach Peterhof, was den Verkehr mit ihm nicht gerade erleichtern wird. a–a

Dazu Randvermerk von Bismarcks Hand: gewiß

354

512. Thile an Bismarck, Berlin, 8. August 1870

509*. Gramont an Malaret OD XXIX S. 422. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 434, 437–438.

Er soll die italienische Regierung fragen, ob sie auch ohne Österreich in den Krieg eintreten könne, indem sie über den Mont Cenis ein Armeekorps schicke. Der russische Zar hat unserem Botschafter in aller Form versichert, daß er die italienische Unterstützung für Frankreich richtig finde. Paris, 7. August 1870 510*. Visconti Venosta an Minghetti DDI I,13 S. 275–276. Vertrauliches Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 280 (Nr. 410), 286–287; OD XXIX S. 422–423.

Die französische Regierung zählt nicht mehr auf Österreich. Laut Nigra will Napoleon, da er nun geschlagen sei, an König Viktor Emanuel nicht schreiben. Florenz, 7. August 1870 511*. Tagebucheintragung Bambergers415 Bamberger, Tagebücher S. 150.

Gespräch mit Bismarck über die deutsche Einheit. Für den Fall der Annexion des Elsasses fordert er auch Metz und will das Reichsland mit Baden verbinden. Aber Baden dürfe nicht größer werden. Mainz, 7. August 1870 512. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/4318, S. 79. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes. (in St. Avold): 12. August 1870.

No. 235.

Berlin, 8. August 1870

Unter Bezug auf mein heutiges Telegramm überreiche Ewr. Excellenz ich anbei den von Lord Loftus mir zugestellten Englischen Vertrags-Entwurf in

415  Ludwig Bamberger (1823–1899), MdR (Nationalliberal, ab 1881 Freisinn) 1871–1893.

355

515*. Bismarck an Bernstorff, Saarbrücken, 10. August 1870

Betreff der Neutralität Belgiens416 und füge zugleich Band XX des Mar­ tens’schen Recueil de traités gehorsamst bei, der von Pag. 773 ab den in dem obigen Entwurfe citirten Belgisch-Holländischen Vertrag vom 9n April 1839 enthält. 513*. Bismarck an Wesdehlen Bismarck, GW VIb S. 440. – Vgl. auch BDFA I F XXXII S. 41.

Es gibt Nachrichten über einen Vertrag zwischen Frankreich und Italien, nach dem letzteres 100.000 Mann Truppen an Frankreich stellen soll. Homburg (Pfalz), 9. August 1870 514*. König Viktor Emanuel an Kaiser Franz Joseph DDI I,13 S. 293–294. Handschreiben (Konzept). – Vgl. auch ebenda S. 294–295, 301, 303–304; Oncken, Rheinpolitik III S. 525.

Die jetzigen Umstände dürften es uns nicht ermöglichen, unsere alten Projekte umzusetzen. [o. O.] 9. August 1870 515*. Bismarck an Bernstorff Rheindorf, England S. 176–177. Erlaß.

Die Vorschläge Benedettis 1866 über eine Annexion Belgiens (an Frankreich) sind von Frankreich ausgegangen. Ich habe schon vor Jahren König Leopold von Belgien versichert, daß Preußen zu einem Unternehmen gegen Belgien niemals die Hand reichen würde. Die frankreichfreundliche Haltung Englands hat uns daran gehindert, vertrauliche Mitteilungen nach London zu übermitteln. Saarbrücken, 10. August 1870

416  Text des am 9. August 1870 zwischen Bernstorff und Granville unterzeichneten Vertrags betreffend die Neutralität Belgiens in: StA XIX (1870) S. 169–171; ebenda S. 171–172 der dann am 11. August von Granville und La Valette unterzeichnete Vertrag. – Der im folgenden genannte Vertrag von 1839 ist jetzt bequem zugänglich in: Consolidated Treaty Series 88 (1838/39) S. 427–443. Vgl. auch OD XXIX S. 386– 389, 392–393, 401–402, 403–406, 412–415, 425–426, 428–429.

356

517. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 10. August 1870

516*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 442. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 442–444.

Es besteht die Möglichkeit, daß Kaiser Napoleon fällt und die Orleanisten in Frankreich das Heft in die Hand nehmen; der Krieg wird trotzdem fortgesetzt. England will offenbar weiter ein starkes Frankreich sehen. Saarbrücken, 10. August 1870 517. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6225, S. 114–118. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 13. August (im AA), 17. August 1870 (in Pont-à-Mousson).

No. 117.

St. Petersburg, 10. August 1870

Euerer Excellenz habe ich mich beehrt, schon unter dem 7ten d.Mts. die Vermuthung auszusprechen, daß Fürst Gortschakoff wahrscheinlich jetzt alles aufbieten werde, um, wenn es möglich wäre, dem Könige Einhalt zu thun. Seitdem bin ich durch die Sprache, die der Kanzler hier zu verschiedenen Personen geführt hat, und durch die Beobachtungen anderer mit ihm näher bekannter Freunde von mir in dieser Vermuthung bestärkt worden, ja, ich glaube mich nicht zu irren, wenn ich annehme, daß bereits vorgängig an einer Verständigung zwischen den neutralen Mächten, namentlich mit England, gearbeitet wird. Ich benutzte heute einen passenden Anlaß, um mit dem Fürsten diesen Punkt zur Sprache zu bringen. Ich sagte ihm, als wir über die mögliche Dauer des Krieges sprachen, wie alles darauf ankäme, daß unsere Freunde uns nicht an der Erreichung eines guten Friedens hinderten. Ich spräche zwar ganz ohne jeden Auftrag, und es sei überhaupt noch nicht an der Zeit, vom Frieden zu sprechen, aber ich könne mich nicht enthalten, ihn dringend zu bitten, der Königlichen Regierung keine förmlichen Rathschläge zu ertheilen, ohne mich vorher avertirt zu haben. Von Niemandem würde Seine Majestät der König lieber Rathschläge anhören als von Seinem besten Freund und Alliirten, des sei ich überzeugt, aber eben deshalb wünschte ich, daß man uns vorher darum befragen möchte, ob uns die Zeit und die Art der Mediation passend erscheine. Man hätte Beispiele, daß derartige Mediations-Vorschläge, wenn sie zur unrechten Zeit kämen, leicht Verstimmung hervorrufen könnten, und dieser vorzubeugen würde mein eifrigstes Bestreben sein. Der Kanzler erwiderte [!] mir, ich möchte kein solches Versprechen von ihm verlangen; er könne es mir nicht geben, weil er unmöglich ausweichend antworten könne, wenn an ihn von anderer, neutraler Seite diese Einladung 357

517. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 10. August 1870

gerichtet werden sollte, sich einem Vermittelungs-Versuche anzuschließen. Daß ein solcher Versuch nur von den freundschaftlichsten Gesinnungen für Preußen diktirt werden würde, darauf könne ich mich verlassen. Wann dazu die Zeit gekommen sein werde, darüber sei jetzt nichts zu sagen, daß aber ein Dritter zwischen die beiden kriegführenden Mächte mit VermittelungsVorschlägen treten müsse, das sei ganz natürlich; denn auf dem Punkte, wo Preußen und Frankreich angekommen seien, wäre es unmöglich, sich unter einander zu verständigen, und ein wohlwollender Vermittler würde nothwendig sein, um dem Kriege ein Ende zu machen. Durch diese ausweichenden Antworten des Kanzlers bin ich nur in meiner Vermuthung bestärkt worden, daß dieser bereits an einer Verständigung zwischen den Neutralen arbeitet. Am Ende eines Telegramms des Baron Brunnow, der von den Befürchtungen spricht, die man in England von den inneren Zuständen Frankreichs hege, heißt es: „Das Englische Kabinet scheint allmählich geneigter für eine Verständigung zu werden.“ Fürst Gortschakoff las mir dies in der Eile vor. Dem sei nun wie ihm wolle, ich habe das Vertrauen in das militärische Ehrgefühl des Kaisers, daß derselbe an Se. Majestät den König keine Anforderungen stellen wird, die sich nicht mit den Rücksichten vertragen dürften, welche unser Allergnädigster Herr auf die deutsche Nation in und außer den Waffen bei etwaigen Friedensherstellungs-Versuchen nehmen muß. Ich glaubte aber, daß es nützlich wäre, dem Kanzler meine persönlichen Ansichten über diesen Punkt frühzeitig frei und unumwunden aussprechen zu sollen. Die Frau Großfürstin Hélène417 ist der Ansicht, daß man den Kanzler dadurch von eventuellen unzeitgemäßen Vermittelungs-Ideen und Vorschlägen abzuziehen versuchen müsse, daß man ihm die Zerreißung des Pariser Friedens von 1856 als ein zu erstrebendes Ziel vorhielte. Hierdurch könne er sich ein nationales Verdienst erwerben, und Preußen würde ihn darin nicht stören, Falls man uns in der Verfolgung unserer Absichten nicht stören werde. Die Großfürstin will dieses Thema bearbeiten.

417  Helene [Ėlena Pavlovna] (1807–1873), geb. Prinzessin Marie von Württemberg; verheiratet 1824 mit Großfürst Michail (1798–1849). – Zu dem im folgenden genannten Pariser Frieden vom 30. März 1856 am Schluß des Krimkriegs: Darin wurde u. a. das Schwarze Meer für neutralisiert erklärt (es durften dort keine Kriegsschiffe unterhalten werden); außerdem hatte Rußland ein Stück Bessarabien an die Moldau abtreten müssen. Beide Bestimmungen wollte Rußland seit längerem wieder rückgängig machen.

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518. Richthofen an Bismarck, Stockholm, 10. August 1870

518. Richthofen418 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6226, S. 47–51. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. August (im AA), 18. August 1870 (in Pont-à-Mousson).

No. 41.

Stockholm, 10. August 1870

Die glücklichen Nachrichten über die glorreichen Schlachten bei Saarbrück, Weissenburg und Wörth419 haben hier in die Schwärmereien für Frankreich und die in alle Kreise verbreitet gewesene Ansicht von dem intellektuellen und nummerischen Uebergewicht der französischen Armee über die unsere eine vollständige Deroute zu Wege gebracht. Wie soll dies auch anders sein, da die Schwedische Armee ihre Musterbilder aus der französischen Armee nimmt, die Stipendien zu militairischen Studien fast lediglich in Paris ihre Verwendung finden und das in der schwedischen Armee äußerst zahlreich vertretene Kreuz der Ehrenlegion als ein besonderer Titel für Bevorzugung und Beförderung gilt. Was Wunder daher, daß die schwedische Armee, an eine Art von Solidarität mit der französischen gewöhnt, in den Siegen der letzteren eigene Siege, in den Niederlagen eigene Niederlagen gleichsam mitempfindet. Auf ein offensives Vorgehen preußischerseits war die militairische und öffentliche Meinung hier so wenig vorbereitet, daß der für den Kaiserlichen Prinzen420 bei Saarbrück am 2n d.Mts. in Scene gesetzte Theatercoup bereits als ein großartiger Sieg ausgeschrien wurde. Da die Marseillaise in Frankreich wieder zu Ehren gekommen war, so mußte sie natürlich auch hier exekutiert werden. Im Strömpartern421, fast unter den Fenstern des Königlichen Schlosses, wird sie mit immer steigendem Beifall fünf- bis sechsmal wiederholt; dasselbe geschieht von der Kapelle des Königlichen Leib-Regiments in Uniform, in Gegenwart zahlreicher Offiziere, an einem der lebhaftesten Vergnügungslokale des Parks; in allen Caffé’s der besseren Welt und den Kneipen des Pöbels nichts als Marseillaise. Dasselbe reproducirt sich in allen Provinzialstädten. Wer das schwedische Volk hier hätte beurtheilen wollen, würde geglaubt haben, es sei jeden Augenblick bereit auszuziehen und verlange nur nach 418  Emil Frhr. von Richthofen (1810–1895), Gesandter des Norddeutschen Bundes in Stockholm (1871 Deutschlands) 1867–1873. 419  Zum Kriegverlauf allgemein vgl. Dahlmann-Waitz, Quellenkunde der deutschen Geschichte … Zehnte Auflage. Bd. 8. Abschnitt 358/505–511; zu den Schlachten von Weißenburg und Wört bis Sedan: ebenda 358/514–521. 420  Napoléon Eugène Louis Joseph (1856–1879), Prince Impériale; einziger Sohn Napoleons III. und der Kaiserin Eugénie. – Zum folgenden vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870), S. 374. 421  Strömparterren: ältester Park in Stockholm.

359

518. Richthofen an Bismarck, Stockholm, 10. August 1870

Waffen. In Wahrheit aber hat die Sache sich darauf reducirt, daß die hier in Flor stehende Punschproduktion kein Ereigniß so sehr in ihrem Interesse zu verwerthen gewußt hat als diesen Marseillaise-Schwindel. Als die ersten Nachrichten von dem Siege Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen bei Weissenburg eintrafen und es darin hieß, die Kronprinzliche Armee setzte den Marsch über Weissenburg hinaus fort, wurde der Nachricht kein Glauben beigemessen. Die offizielle „Post och Inrikes Tidningar“, indem sie das Telegramm in ihrem Leitartikel vom 6. August wiederholte, fügte bei: („inät Frankrike?“) „in Frankreich?“, gleichsam als sei es kaum zu glauben, daß ein Preußisches Corps in Frankreich weiter marschiren könne. An der Börse, wohin die Nachricht von dem Norddeutschen General-Consulat mitgetheilt war, wurde das Telegramm, welches der Börsendiener angeschlagen hatte, von einem erbosten Kaufmann, der zugleich Reichstagsmitglied ist, heruntergerissen. Die Zeitungen erklärten die telegraphischen Nachrichten aus deutscher Quelle entweder für unwahr oder übertrieben. Einige wollten ihren Lesern überhaupt keine deutschen Telegramme mehr mittheilen; es sei ja doch nur alles Lüge und Trug. In den öffentlichen Lokalen steigerten sich die Marseillaisescandale. Anständige Deutsche hielten sich fern von denselben; beim Lesen der deutschen Zeitungen wurde von Schweden auf diese gespuckt. War schon der Skandal groß, so ist er durch die Nachrichten von dem glorreichen Siege bei Wörth noch größer geworden; alle Gewißheit ü b e r, alle Wünsche f ü r unsere Niederlage waren auf einmal zu Wasser geworden. Natürlich waren nach den schwedischen Journalen alle Nachrichten mindestens übertrieben und falsche Gerüchte über Gefangennahme ganzer Preußischer Armee-Corps ausgesprengt, bis gestern und heute die von Paris eingegangenen Telegramme, wenn auch verhüllt, über die ganze Schwere der französischen Niederlage keinen Zweifel ließen. Jetzt freilich fängt man im schwedischen Volke an zu glauben, daß etwas vorgefallen sein könnte, was mit seinen Ideen und Vorstellungen sich nicht im Einklange befindet. Man sollte nun glauben, daß sich irgend eine werkthätige Theilnahme für diejenigen bekunden würde, denen die Sympathien zugewendet sind. Da natürlicherweise von militairischer Hilfe nicht die Rede sein kann, so würde man versucht sein anzunehmen, daß alle Taschen sich öffnen und Geld und Geldeswerth für die Verwundeten und Hinterbliebenen der Gefallenen von Schweden nach Frankreich fließen würden. Kein Gedanke daran. Es ist noch kein Öre schwedisches Geld nach Frankreich geflossen, eben so wenig als Frankreich zur Zeit der Hungersnoth in Norrland422, trotzdem daß die franzö422  Von 1866 bis 1868 erlebten Finnland und Nordschweden eine schlimme Hungersnot, in deren Verlauf ewa 15  % der Bewohner starben.

360

521*. Bismarck an Werthern, Saarbrücken, 12. August 1870

sischen und schwedischen Journalisten damals eben erst fraternisirt hatten, einen Centime nach Schweden sendete. Die Theilnahme für die Franzosen in den höheren Kreisen ist traditionell platonisch, in einem Theile der mittleren und der geringeren Volksklasse willkommene Anregung zu erhöhtem Punschgenuß. Wird hierzu der natür­ liche Temperaturgrad der jetzigen Sommerhitze gerechnet, so ergiebt sich ein Wärmegrad, unter dessen Wirkung sich dann einige kleine Excesse und Ausschreitungen übersehen lassen. Wenn Frankreich auf andere Wirkungen hiesiger Sympathien gerechnet hat, so hat es die hiesigen Zustände nicht gekannt. Von hier hat es absolut nichts zu erwarten. 519*. Beust an Metternich Oncken, Rheinpolitik III S. 522–525. Erlaß.

Er muß erneut die Haltung Österreichs begründen: Wir haben Frankreich nie im unklaren gelassen über unsere eventuelle Mitwirkung. Die öffentliche Stimmung in Österreich ist gegen einen Krieg, der ohne Not begonnen worden ist. Außerdem fehlen die Finanzmittel. Schließlich würde uns Rußland im Rücken bedrohen. Bei einer militärischen Demonstration gegen Preußen würde uns dieses als erstes angreifen. Wien, 10. August 1870 520*. Fürst Karl Anton an Fürst Karl Charles Ier, Chronique S. 599–601. Handschreiben.

Überall in Deutschland ein Elan und eine Begeisterung, die ich mir bei den Deutschen nie vorgestellt hätte. Durch die Veröffentlichung der Ablehnung der spanischen Krone durch Leopold ist den Franzosen jeder Vorwand für einen Krieg genommen worden. Von daher ist der Krieg in Deutschland so populär geworden. „Napoleon hat die Einigung Deutschlands in 24 Stunden fertiggebracht.“ [o. O.] 10. August 1870 521*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 444–445. Telegramm.

Bayerns Wünsche sind dilatorisch zu behandeln. Saarbrücken, 12. August 1870 361

523. Reuß an Bismarck, St. Petersburg 12. August 1870

522. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6224S, 90–91. Telegramm. In Ziffern.

Berlin, 12. August 1870, 2 Uhr 40 Min. Vorm. Ankunft (in St. Avold): 12. August 1870, 8 Uhr 40 Min. Nachm. H. v. Eichmann telegraphirt: Österreichischer Reichskanzler bezeichnet Pariser Vorgänge vom 9ten als Anfang vom Ende423. aFürst Metternich hatte französische Allianz Anträge warm unterstützt.a bGraf Beustb ist froh, Krisis, ohne compromittiert zu sein, überstanden zu haben, hält Republik in Frankreich für möglich und behauptet, daß Österreichs Rüstungen auch deswegen zur Vertheidigungc bestimmt seien. Allianz Frankreichs mit Italien nicht abgeschlossen. In Wien Gedanke, bei Friedens Unterhandlungen ddieselbe Rolle zu spielen wie Frankreich in Nicolsburg424.d a–a

Dazu Dazu c Dazu d–d Dazu b–b

Randvermerk König Wilhelms I.: Schuft! Randvermerk König Wilhelms I.: Fuchs! am Rand durch König Wilhelm I. ein doppeltes Ausrufungszeichen. Randvermerk König Wilhelms I.: Intégrität Frankreichs? etwa?

523. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6227, S. 71–72. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 16. August (im AA), 19. August 1870 (in Pont-à-Mousson).

No. 122.

St. Petersburg 12. August 1870

Aus g a n z s i c h e r e r Quelle, aber nicht durch den Fürsten Gortschakoff, erfahre ich folgendes: Vor dem Tage von Weissenburg hat der Herzog von Gramont dem Russischen Geschäftsträger425 in detaillirter Weise Mittheilung von den Bedingungen gemacht, unter denen Frankreich bereit sein würde, in Berlin den Frieden zu dictiren. Als Minimum der Forderungen wurde betrachtet:

423  Nach der verlorenen Schlacht von Sedan und der Gefangennahme Kaiser Napoleons überstürzten sich in Paris die Ereignisse: Es bildete sich eine „Regierung der nationalen Verteidigung“; diese ordnete die Wahl einer konstituierenden Nationalversammlung an; aus der Provinz strömten starke Abteilungen der Nationalgarde nach Paris. 424  Das heißt: inoffiziell auf die Friedensbedingungen einzuwirken. 425  Okunev.

362

525*. Bismarck an Eulenbug, Faulquemont, 13. August 1870

1) Reduction Preußens auf seine Gränzen von 1866. 2) Abtretung des Saar-Kohlenbeckens an Frankreich. 3) Zahlung der Kriegskosten an Frankreich und Restituirung der Kriegskosten an Oesterreich. 4) Wiederherstellung der Depossedirten426. 5) Vergrößerung der Mittelstaaten auf Kosten von Preußischem Gebiet. 6) Constituirung von Staaten-Gruppen in Deutschland, welche die Preußische Suprematie dauernd brechen würden. Ferner hat der französische Minister dem Russischen Geschäftsträger aufgetragen, sein Gouvernement zu sondiren, was Rußland thun würde, wenn die französische Armee in Berlin stünde, und Rußland für die Neutralität Danzig angeboten. Die vorstehenden Mittheilungen sind so delicater Natur für die Person, der ich sie verdanke, daß ich Ew. Excellenz bitte, sie ganz geheim zu halten. Vielleicht wird mir der Kaiser selber davon sprechen, was dann die Sache ändern würde. 524*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 445. Geheimes Telegramm.

Österreich kann gegebenenfalls geschreckt werden, wenn es weiß, daß Rußland schleunigst Mobilmachung anordnen kann. Faulquemont, 13. August 1870 525*. Bismarck an Eulenbug Bismarck, GW VIb S. 445. Telegramm.

Die Presse soll weniger auf England schimpfen. Faulquemont, 13. August 1870

426  Die nach dem Krieg von 1866 abgesetzten norddeutschen Fürsten (u. a. des Königs von Hannover und des Kurfürsten von Hessen-Kassel).

363

526. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 13. August 1870

526. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 256–260. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 27. August, (in Vendresse) 31. August 1870.

No. 63.

Bukarest, 13. August 1870

Es ist eine unerquickliche Aufgabe, über die Stimmung zu berichten, welche die Ereignisse der letzten Woche hier hervorgerufen haben. Ich wage es auszusprechen: In solcher Zeit an solchem Posten ausharren zu müssen, ist eine harte Pflicht, und um sie freudig zu erfüllen, bedarf es einer Resignation, die nicht immer leicht gefunden wird. Das Schauspiel, welches während dieser Tage das Rumänische Publikum von Bukarest geboten, war ein erbärmliches. Nachdem es hier als selbstverständlich gegolten, daß die Franzosen überall siegreich sein würden, gerieth man durch die Nachrichten über die schnell auf einander folgenden Niederlagen vollständig außer sich. Statt durch die Ereignisse zu einiger Objectivität und Nüchternheit zurückgeführt zu werden, äußerte sich das politische Bewußtsein der Walachen lediglich in Schimpfen und Drohen gegen alles Deutsche, gegen imaginäre Gefahren oesterreichischer oder russischer Invasion und ganz besonders gegen den Fürsten Carl und die Dynastie. Denn das ist bei der immensen Majorität der hiesigen „Franzosenfreunde“ das einzige Agens: Der Fürst ist ein deutscher Prinz, folglich muß er durch französische Siege gedemüthigt, geärgert, unmöglich gemacht werden. Wäre er von französischer Abstammung, so würde ganz dasselbe Spiel in umgekehrtem Sinne Statt gefunden haben. Das haben mir nicht eine, nein, alle Personen, die das Land und die Leute kennen, übereinstimmend versichert. Während der Fürst sich vollständig zurückgezogen in seinem SommerPalais zu Crotoceni aufhält und absichtlich es vermeidet, seinen persönlichen Empfindungen bei den Ereignissen, welche Europa erschüttern, irgend welchen Ausdruck zu geben, wird Er von der gesammten Presse, oft in directer Apostrophe, mit Schmähungen überhäuft, wird Ihm Seine Heimath zum Vorwurf gemacht und auf alle Art der Aerger darüber an Ihm losgelassen, daß die grande nation, als deren Stammverwandte sich das „romanisch-lateinische“ Volk ausgiebt, Niederlagen erleidet. In den Bojaren-Kreisen von Bukarest, die nichts sind als wie ein Plagiat des [!] Pariser demi-monde, herrscht ein Ton gegen Deutschland und den Fürsten, der die Gemeinheiten der Tagespresse noch übertrifft und jeden Verkehr mit dieser verächtlichen Menschenklasse unmöglich macht. Freilich beschränkt sich alles auf Schreien und Schimpfen, denn zu Thaten fehlt Muth und Organisation, zumal da, wie es scheint, französischer Seits noch immer die Parole ausgegeben ist, daß man jetzt keine Revolution brauchen könnte. Wie ich schon früher bemerkt, behauptet mein oesterreichisch364

526. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 13. August 1870

ungarischer College427, dieses sei auf ausdrückliches Verlangen des Wiener Cabinets geschehen, welches um keinen Preis in den Donaufürstenthümern Unruhen entstehen sehen wolle. Trotzdem muß Fürst Carl es Sich gefallen lassen, daß der französische Agent sich auf das Bitterste beschwert, weil ein Adjutant Sr. Hoheit (der Oberst Bibesco428, früherer russischer Offizier) sich über die deutschen Siege erfreut ausgesprochen habe und daran insolente Drohungen mit der kaiserlichen Ungnade knüpft. Das jetzige Ministerium laviert sich durch die Situation, indem es hin und wieder den zu starken Umtrieben der Rothen entgegentritt und im Übrigen ebenfalls durch höchst alberne Bulletins im „Moniteur Ro[u]main“ in französischen Sympathien mitmacht. Das hindert jedoch nicht, daß ihm tagtäglich Vaterlands-Verrath und heimliche Intriguen mit einer nicht existirenden prusso-russischen Partie vorgeworfen werde [ = wird] und daß das Bratianische Organ, der „Romanul“, offen zur Revolution und Beseitigung der antinationalen Regierung auffordert. Die in Bukarest lebenden Deutschen, in jeder Beziehung der beste Bestandtheil der hiesigen Bevölkerung, haben natürlich durch die Stimmung ihrer walachischen Mitbürger viel zu leiden. Doch bringt es der von Hause aus feige Charakter der Eingeborenen mit sich, daß es selten zu Thätlichkeiten kommt, bei denen die deutschen Fäuste wohl meist Sieger bleiben würden. Auch mir sind wiederholte directe Drohungen zugegangen in Betreff einer am General-Consulate zu recrutirenden „Volkswache“, wenn die Preußischen Siege so weiter gingen. Ich halte die Gefahr aber für sehr gering. Im Uebrigen habe ich mich ganz und gar von dem Verkehr mit den Einheimischen, welche nicht in meinen unmittelbaren Geschäftskreis gehören, zurückgezogen und alles Geschrei des höheren und niederen Pöbels ignorirt. Die Entschlüsse, welche der Fürst fassen muß, wenn Er es überhaupt noch länger mit dem Ansehen des erlauchten Namens, den Er trägt, für vereinbar hält, die Regierung über dieses traurige Land fortzuführen, werde ich zum Gegenstand künftiger Berichterstattung zu machen haben. Einstweilen nehme ich Euerer Excellenz Nachsicht dafür in Anspruch, schon so viel von den hiesigen widerwärtigen Verhältnissen in gegenwärtiger ernster Zeit zur Sprache zu bringen.

427  Zulauf. – 428  Nicht

Der im folgenden genannte „französische Agent“: d’Avril. weiter identifiziert. 365

528*. Bismarck an Rosenberg, Herny, 14. August 1870

527. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/4318, S. 135–137. Telegramm. Entzifferung.

No. 87.

Herny, 14. August 1870, 11 Uhr 30 Min. Vorm. Ankunft: 14. August 1870, 4 Uhr 50 Min. Nachm. Abgangsvermerk für London: 14. August 1870

An Graf von Bernstorff London sofort weiter zu telegraphiren: 226 vom 6. August erhalten. Obgleich die Anlage429 mir nicht verständlich, kann ich doch ohne vorgängigen Vortrag bei Sr. Majestät dem Könige versichern, daß sie uns keinerlei Bedenken darbietet, und wünsche nur, daß ich nicht genöthigt werden soll, mir persönlich den Mangel an Logik, den sie enthält, anzueignen. Da wir unsererseits entschlossen sind, Belgisches Territorium nicht zu betreten, so können wir auch nicht in den Fall kommen, dort Festungen zu besetzen und auch nicht in denjenigen Belgisches Territorium zu räumen; sollte Frankreich Festungen oder Territorium in Belgien besetzen, also die Neutralität brechen, so würde damit nach dem neuen Vertrage die Kriegserklärung Englands gegen Frankreich gegeben sein und dann natürlich Artikel 1 u. 2 des Zusatzes vom 6 cr. Friedensbedingung[en] bilden, mit denen w i r unter allen Umständen einverstanden sind. Nach der militärischen Situation wird die ganze Frage schwerlich mehr praktisch werden. Wir suchen die Französische Armee seit 3 Tagen vergebens, wahrscheinlich steckt sie in Metz. 528*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 446. Telegramm.

Er soll auf keinen Fall Mißtöne im Verkehr mit der württembergischen Regierung heraufbeschwören. Herny, 14. August 1870

429  Betreffend den englischen Vorschlag einer Garantie der Neutralität Belgiens (vgl. oben Anm. 515).

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532*. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 16. August 1870

529*. Bismarck an Fernow430 Bismarck, GW VIb S. 446. Schreiben.

Er dankt für das Angebot eines deutsch-amerikanischen Hilfskorps. Es würde aber zu spät kommen. Herny, 14. August 1870 530*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 448. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 456–457; Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern IV S. 22–27; DDI I,13 S. 333–334, 338–339, 342, 369–370, 378–380, 383, 394–395.

Gorčakovs Avancen für eine frühe Friedensvermittlung schweigend hinnehmen. Herny, 15. August 1870 531*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 449–450. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 453.

Elsaß wird im Frieden deutsch werden. Herny, 15. August 1870 532*. Reuß an Bismarck Rheindorf, Pontusfrage S. 143–144. Ganz vertraulicher Bericht.

Gorčakov hat die Anregung der Großfürstin Helene, jetzt hinsichtlich einer Revision des Pariser Friedensvertrags von 1856 voranzugehen, nicht aufgenommen. Wahrscheinlich arbeitet er mit anderen neutralen Mächten daran, Preußens Siegeslauf zu unterbrechen. – Sie hat dem österreichischen Gesandten Chotek geraten, den jetzigen Moment für bessere österreichischpreußische Beziehungen zu nutzen. St. Petersburg, 16. August 1870

430  T. Fernow, Deutschamerikaner, aus Vorpommern stammend (Lebensdaten nicht ermittelt). – Fernow hatte die Bildung und Sendung eines deutschen Hilfskorps aus Amerika angeboten.

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533. Bernstorff an Bismarck, London, 16. August 1870

533. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6230, S. 95–108. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. August (in Pont-à-Mousson) und am 21. August (im AA).

No. 238.

London, 16. August 1870

Als ich vorgestern bei Lord Granville in Walmer Castle war, hatte ich nach Tisch eine ganz vertrauliche Privat-Unterhaltung mit ihm, worin von unseren militairischen Erfolgen und den wahrscheinlichen oder möglichen Folgen derselben die Rede war. Ich habe mich zunächst durch dieses Gespräch überzeugen zu können geglaubt, daß gewisse andere neutrale Mächte gewünscht hätten, eine Art von bewaffneter neutraler Coalition zu bilden, welche uns in einem gegebenen Augenblicke den Frieden dictiren könnte, um uns zu verhindern, unsere Erfolge zu weit auszudehnen, Frankreich zu sehr zu schwächen und selbst zu mächtig zu werden. Es mag damit ursprünglich auch vielleicht die Absicht verbunden gewesen sein, im umgekehrten Falle, d. h. wenn Frankreich siegen sollte, uns vor zu großen Verlusten zu schützen. Ich möchte wohl glauben, daß Rußland hauptsächlich eine solche Coalition im Auge gehabt hat, denn ich weiß, daß es mit dem Vertrage zur Verstärkung der Belgischen Neutralität noch andere weiter gehende Neutralitäts-Fragen hat in Verbindung bringen wollen, daß aber England nicht darauf eingegangen ist. Auch scheinen mir die in meinem Telegramm No. 176 vom 13ten d.M. gemeldeten Andeutungen des Unterstaatssekretärs Hammond431 dies zu bestätigen, und endlich werde ich in dieser Vermuthung durch den mir gestern in Abschrift zugegangenen vertraulichen Bericht des königlichen Gesandten in St. Petersburg vom 7ten d.M.432 bestärkt. Thatsache ist, daß England die Idee einer Neutralitäts-Coalition überhaupt für jetzt abgelehnt hat und es auch jedenfalls für verfrüht hält, mit irgend einem Anerbieten oder einer Zumuthung von etwaiger Vermittelung hervorzutreten. Lord Granville hat mir dies ausdrücklich gesagt und nur am Ende unserer Unterhaltung ganz privatim, wie er es bezeichnete, hinzugefügt, daß, wenn wir jemals seine Vermittelung oder Dazwischenkunft zu irgend einem Zwecke wünschten, er immer mit Freuden bereit sein würde, sie zu gewähren. Ich erlaube mir, hier in Parenthese gehorsamst zu bemerken, daß ich vor einigen Wochen, als ich einmal besonders scharf mit Lord Granville wegen der Englischen Neutralität an einander gerieth, ihm unter Anderem zweimal mit großem Nachdruck sagte: „Diejenigen, welche den Krieg führen, werden auch den Frieden machen.“ Da jene Unterredung in einem Concert stattfand, 431  Edmund Hammond (1802–1890), Ständiger Unterstaatssekretär im Foreign Office 1854–1873. 432  Oben Nr. 508.

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533. Bernstorff an Bismarck, London, 16. August 1870

wo Unterbrechungen und Mißverständisse nicht ganz unterbleiben konnten, so kamen wir am nächsten Tage, wo er darauf zurückkam, überein, sie als ein bloßes Privatgespräch zu betrachten, und es ist dann auch seitdem nicht mehr die Rede davon gewesen. Die Ablehnung einer Coalition der bezeichneten Art von Seiten Englands ist jedenfalls eine günstige Thatsache für uns und dürfte beweisen, daß die Neutralität Englands, trotz aller materiellen Nachtheile, die uns für den Augenblick dadurch erwachsen, in der Hauptsache doch freundlicher für uns ist als diejenige Rußlands, die nebenbei nach der Beschreibung des Prinzen Reuß, so wie Fürst Gortschakoff sie auffaßt, etwas mehr wie Komisches hat. Interessant ist mir aber besonders gewesen, was Lord Granville mir im Laufe der Unterhaltung über die Natur des künftigen Friedens sagte, wie er ihn sich persönlich wünschen würde. Er sagte, daß er den Frieden vor Allem der Art wünschte, daß er dauernd zu sein verspräche und daß wir daher, wenn wir, wie er es voraussetzte, siegreich blieben, Frankreich nicht durch Gebiets-Abtretungen und überhaupt durch gar zu harte Bedingungen so sehr demüthigten, daß ein Gefühl von Schmerzhaftigkeit (soreness/Wundheit) bei den Franzosen zurückbliebe, welches sie veranlassen würde, den Krieg, sobald sie könnten, wieder anzufangen. Dagegen sprach er sich in Bezug auf die deutschen Angelegenheiten offen und ohne Rückhalt dahin aus, daß keine fremde Macht ein Recht habe, sich darein zu mischen und Frankreich für die Zukunft auf jedes vermeintliche Recht der Controlle oder Einmischung in dieselben ausdrücklich verzichten müsse. Er wünsche zwar nicht, daß in Deutschland noch irgend gewaltsame Annexionen von Königreichen oder Staaten stattfänden, und glaube auch, daß man den süddeutschen Staaten alle locale Autonomie lassen könnte, die sie etwa wünschen möchten, aber ganz Deutschland, wie es sich jetzt militairisch darstelle, müsse auch in Zukunft politisch unter der Aegide von Preußen einheitlich, und zwar nicht bloß durch wiederrufliche Verträge, sondern verfassungsmäßig einheitlich dastehen und sowohl militairisch als diplomatisch dem Auslande gegenüber als eine einzige Macht sich darstellen. Er bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß es lächerlich sei, daß z. B. jetzt, wo des Königs Majestät an der Spitze der Militairmacht von ganz Deutschland stehe, Süddeutschland oder Bayern hier noch einen abgesonderten Vertreter habe. Auf meine Frage, ob er den Grafen Hompesch433 oft sähe, antwortete er lächelnd: nein, aber er höre, daß derselbe erkläre, daß das ganze Unglück von Frankreich nur davon herrühre, 433  Ferdinand Graf von Hompesch-Bolheim (1824–1913), bayerischer Gesandter in London 1868–1871. – Zum folgenden: Die französische Regierung hatte am 2. August 1870 der italienischen Regierung in Florenz angezeigt, daß sie ihre Besatzungstruppen aus dem Kirchenstaat zurückziehe. Daraufhin waren am 11. August italienische Truppen eingerückt. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 431–434.

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533. Bernstorff an Bismarck, London, 16. August 1870

daß der Kaiser seine Truppen von Rom zurückgezogen und den Papst preisgegeben habe! Lord Granville bemerkte ferner, daß es wünschenswerth sein würde, daß wir dem einheitlichen Deutschland auch den deutschen Namen gäben und es nicht sozusagen Preußisch machten, da dies viele Deutsche verletzte und abschreckte. Als ich ihm erwiederte, daß dies eine zarte und nach manchen Richtungen hin schwierige Frage in sich schließe, nämlich diejenige der deutschen Kaiserwürde, welche mir allerdings als Symbol der deutschen Einheit und, um dem ganzen Deutschen Reich auch wieder einen einheitlichen nationalen Namen zu geben, ganz nothwendig erschiene, an welcher aber vielleicht gerade unsere treuen süddeutschen Bundesgenossen einen gewissen Anstoß nehmen möchten, sagte Lord Granville, daß er die Wiederherstellung der deutschen Kaiserwürde als äußere Form und Bezeichnung für das einheitliche Deutschland für durchaus nothwendig und wünschenswerth halte, und fügte vertraulich hinzu, daß England gewiß ganz bereit sein werde, sie anzuerkennen. Da er aber auf das Widerstreben, welches vielleicht die Könige von Bayern und Württemberg gegen eine solche Capitis diminutio empfinden möchten, nicht weiter einging, so bemerkte ich, daß es für uns schwer sein dürfte, ihnen eine solche gerade in einem Augenblicke aufzuerlegen, wo sie ihre Pflichten gegen uns treulich erfüllt und an unserer Seite einen ehrenvollen Frieden für uns erkämpft hätten, und daß es gerade deshalb, abgesehen von anderen Gründen, vielleicht nöthig sein würde, ein materielles Entschädigungs-Objekt für unsere Bundesgenossen zu finden, was nicht wohl anders als in einer Gebietsvergrößerung auf Kosten Frankreichs zu suchen sein möchte. Er hörte dies an, ohne weder eine zustimmende noch widerlegende Bemerkung zu machen. Im Ganzen war Lord Granville überhaupt durchaus zurückhaltend in Bezug auf die eventuellen Friedens-Bedingungen und äußerte sich nur mit einiger Bestimmtheit über den Deutschland betreffenden Theil derselben, wollte aber jedenfalls dem ganzen Gespräch den Charakter einer reinen Privat-Unterhaltung bewahren und sagte mir ausdrücklich, daß er nicht als Minister der auswärtigen Angelegenheiten mit mir spräche. Meinerseits habe ich ihm gesagt, daß ich nicht die entferntesten Andeutungen über die Bedingungen besäße, die wir eventuell für den Abschluß eines Friedens fordern möchten, und daß dies auch natürlich hauptsächlich von dem weiteren Verlaufe des Krieges abhängen müsse.

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534. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 18. August 1870

534. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6230, S. 34–44. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 21. August (im AA), 24. August 1870 (in Commercy).

No. 135.

St. Petersburg, 18. August 1870

Meine Vermuthungen fangen an, sich zu bestätigen und eine greifbare Form anzunehmen. Fürst Gortschakoff sowohl wie auch nachher Seine Majestät der Kaiser haben mir gestern über einen eventuellen Frieden gesprochen. Der Kanzler regte diesen Gegenstand vorsichtig und nur in allgemeinen Ausdrücken an. Er sagte, es sei zwar noch nicht an der Zeit, von Frieden zu sprechen, da die Kanonen augenblicklich noch das Wort hätten, indessen hoffe er, daß unsere Mäßigung ebenso gewiß sein werde als unsere kriegerischen glänzenden Erfolge. Wir müßten selbstverständlich einen guten Frieden erringen, aber es sei wichtig, daß in dem abzuschließenden Frieden nicht der Keim zu neuen Kriegen liege. Wenn die Stimme Rußlands, wie er nicht zweifle, bei den künftigen Friedensverhandlungen gehört werden würde, so würde es dessen Aufgabe sein, diese Seite der Frage zu vertreten. Europa müsse einen Frieden haben, der wirklich dauernd sei, weil neue Kriegsbefürchtungen, wie solche seit Jahrzehnten die Welt in fortwährender Spannung gehalten hätten, einen zu empfindlichen Einfluß auf die Entwickelung aller Länder ausüben würden. Ich habe mich schweigend diesen Andeutungen gegenüber verhalten. Als der Kanzler bei der Tafel sich an Ihre Majestät die Kaiserin434 wandte und ihr sagte: Votre Majesté voudra bien me soutenir auprès du Prince de Reuss et lui dire qu’Elle espère que la Prusse étonnera le monde par sa modération – so erwiederte sie ausweichend: – que d’après les paroles même du chancelier, je pouvais répondre, qu’aussi longtemps que le canon avait la parole, il serait prématuré de parler de paix. Que tout le monte devait désirer la paix, mais une paix qui préserverait l’Allemagne d’être attaquée à tout bout de champ. Nach der Tafel hatte ich ein längeres Gespräch mit Seiner Majestät dem Kaiser. Er fragte mich: „Was wird man bei Ihnen thun, wenn die Napoleonische Dynastie fallen sollte, wird man den Krieg fortsetzen? Der König hat in seiner Proklamation an die Franzosen435 gesagt, er führe nicht Krieg mit dem französischen Volk, sondern mit der französischen Armee. Wenn nun die 434  Marija Aleksandrovna (1824–1880), geb. Prinzessin Maria von Hessen; Zarin 1855–1880; verheiratet 1841 mit Zar Alexander (II.). 435  Vom 11. Auguat 1870. Text (in deutscher Übersetzung): Schulthess’ Europäi­ scher Geschichtskalender 11 (1870) S. 101–102.

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534. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 18. August 1870

Ursache des Krieges, Napoléon, beseitigt wird, so ist auch eigentlich kein Grund mehr, den Krieg fortzusetzen.“ Ich erwiederte, indem ich mich ganz an Euerer Excellenz Instruktion hielt, daß ein Personen Wechsel nur ein Dekorationswechsel sei, daß sich die Königliche Proklamation auf die Bevölkerung der Landestheile beziehe, die wir besetzten, und nicht auf die französische Nation, daß daher das Ende des Krieges nicht durch einen Wechsel in der Regierung Frankreichs, sondern nur durch einen Frieden herbeigeführt werden könnte, der für Deutschland genügend sein würde. Der Kaiser kam nochmals auf den sehr möglichen Sturz der jetzigen Dynastie zurück, welcher doch als ein Resultat dieses Krieges, als ein Schutz gegen spätere beunruhigende Politik Frankreichs betrachtet werden müsse. Ich suchte Seiner Majestät anschaulich zu machen, daß es uns bei diesem Kriege viel weniger um die Person Napoléon’s als um die gefährliche französische Nation zu thun sei, und sagte, man könne wohl annehmen, daß der auf Deutschland ausgeführte Anfall nicht allein aus dem Kopfe dieses Monarchen entsprungen, sondern daß er der Ausdruck der unsinnigen Herrschaft dieses Volkes sei, welches sich eine Suprematie über ganz Europa anmaßen wolle. Der Kaiser fing hierauf an, von den Bedingungen zu sprechen, die wir eventuell für den Abschluß eines Friedens stellen könnten. Er meinte, wir würden doch wohl nicht daran denken, Landstriche von Frankreich loszutrennen, wie z. B. Lothringen und den Elsaß. Darina würde der Keim zu neuen Kriegen liegen, denn die französische Nation würde bei der nächsten Gelegenheit versuchen, sich diese Provinzen wieder zu erobern. Wir können ja Frankreich durch große Geldopfer schwächen und die Festungen an unseren Gränzen schleifen; er nannte dabei Metz und Strassburg. Das würde uns Sicherheit genug bieten. Ich erwiederte, daß ich mein Wort geben könnte, nichts von den Bedingungen zu wissen, unter denen wir Frieden schließen würden. Nur das könnte ich ihm mit dem vollen Bewußtsein, nicht desavouirt zu werden, erklären, daß es Seiner Majestät dem Könige und Seinen Bundesgenossen unmöglich sein würde, einen Frieden zu schließen, der vom Deutschen Volk als ungenügend angesehen werden könnte. Ein solcher Frieden würde die größten Gefahren für das monarchische Prinzip nach sich ziehen. Machten sich die Deutschen Fürsten einer solchen That schuldig, so würde die jetzige monarchisch-nationale Stimmung ohne allen Zweifel in eine republikanische umschlagen. Wir können der republikanischen Parthei keinen besseren Anlaß geben, um ihr Haupt zu erheben, als wenn das Deutsche Volk durch einen Schein-Frieden die Ueberzeugung erlangen sollte, daß es von seinen Fürsten im Stich gelassen worden sei. Ein Scheinfrieden sei aber ein solcher, welcher einen erneuten Angriff Frankreichs möglich mache. Deutschland könne aber nicht zweimal solche ungeheuere Anstrengungen machen wie die jetzigen. 372

534. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 18. August 1870

Diese Beweisgründe schienen einigen Eindruck auf den Kaiser zu machen, indessen kann ich mir leider nicht schmeicheln, daß es mir gelungen sein sollte, das zu erreichen, was ich erreichen möchte, nämlich eine Anschauung, ganz wie wir dieselbe wünschen können, beim Kaiser zu befestigen. Es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß Fürst Gortschakoff’s Einfluß, vielleicht unterstützt durch die englischen und österreichischen Ideen, den Kaiser Alexander in diese Bahn hineingedrängt hat. Ich habe mir deshalb auch noch erlaubt anzuführen, wie England und Oesterreich wünschen müßten, daß Frankreich nicht ganz zu Boden geworfen werde. England sähe darin den Fall seines mächtigsten Bundesgenossen im Orient, und es sei daher natürlich, daß es dessen Sturz verlangen möchte, und Oesterreich wünsche vor Allem, daß Preußen nicht allzu mächtig werden möchte. Dieser Argumentation stimmte der Kaiser bei und sagte mir mit Bezug auf die englische Politik, daß dieselbe sich jetzt wieder in einem traurigen Licht gezeigt. Egoismus und merkantiles Interesse, weiter müsse man dort nichts suchen. Heute als am Feste des Preobraschenskischen Regiments436 hatte ich wieder die Ehre, in Peterhof zur Tafel befohlen zu sein. Kurz vorher ließ mich der Kaiser in sein Cabinet rufen, um mit mir noch über den für unsere Waffen so glorreichen 16ten August zu sprechen, von dem ich ihm heute früh die ersten Nachrichten hatte geben können. Da Seine Majestät dem General Werder gesagt hatte, Er beabsichtige einen Feldjäger in’s Hauptquartier zu senden, so mußte ich annehmen, daß derselbe der Träger eines Schreibens an Seine Majestät den König sein werde. Ich erlaubte mir daher, diese günstige Gelegenheit zu benutzen, um nochmals auf unser Gespräch von gestern zurück zu kommen und in eindringlicher Weise diejenigen Argumente zu vertreten, die ich schon gestern vorgebracht hatte. Ja, ich ging so weit, Seiner Majestät dem Kaiser zu sagen, ich hätte zwar nicht das Recht, Ihn zu fragen, ob und was Er seiner Majestät dem Könige schreiben werde; ich bäte Ihn aber dringend, an meinen Allergnädigsten Herrn keine Zumuthungen mit Bezug auf den Frieden zu stellen, auf die Allerhöchstderselbe nicht eingehen könnte. Ich hätte das feste Vertrauen, daß Niemand besser wie Er, der Kaiser, beurtheilen könnte, was der König für Rücksichten gegen Deutschland, namentlich aber gegen seine tapfere und siegreiche Armee, zu nehmen habe, und appellirte dabei an Sein eigenes militairisches Gefühl. Der Kaiser nahm mir diese Sprache nicht übel. Er sagte mir, Er beabsichtige nicht, Seiner Majestät dem Könige bestimmte Vorschläge zu machen, Er würde aber schreiben, daß Er, wie es sich von selbst verstehe, dringend wün436  Das erste von Peter d.Gr. gebildete Leibregiment, nach dem Dorf Preobraženskoe bei Moskau benannt. – Zum folgenden: Blutige Schlacht von Mars-la-Tour und Vionville vor Metz.

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534. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 18. August 1870

schen müsse, daß es bald möglich sein könnte, den Frieden wieder herzustellen; daß Er ferner hoffe, daß die Bedingungen, die der König stellen werde, nicht zu weit gehende sein möchten, um nicht das Zustandekommen des Friedens zu hindern. Der Kaiser setzte hinzu, er schicke den Feldjäger hauptsächlich, um denselben dem Grafen Kutusoff437 zur Disposition zu stellen. Wenn ich nun auch noch nicht im Stande bin zu beurtheilen, welche etwaige Verabredungen mit den anderen neutralen Mächten stattgefunden haben mögen, so habe ich doch aus meiner heutigen Unterredung mit dem Kaiser die Hoffnung mit fort genommen, daß Er jetzt noch nicht mit Vorschlägen kommen wird. Es sind da so zu sagen zwei Gewalten, die sich um des Kaisers Entschlüsse streiten. Die eine besteht in der treuen Anhänglichkeit an den König und in der lebhaften Sympathie für Seiner Majestät Armee. Wenn es Seine eigenen Truppen wären, der Kaiser könnte dem Gange des Feldzuges nicht mit mehr Spannung und Theilnahme folgen, als Er dies jetzt thut. Er schläft nicht vor Besorgniß, wenn die lügenhaften französischen Telegramme v o r den unsrigen ankommen, und seine Augen leuchten vor Freude, wenn eine neue Siegesnachricht einläuft. Seine Antipathie gegen Napoléon und dessen ganzes Getreibe, welche während langen Jahren sich hat verbergen müssen, kommt dagegen jetzt zum Ausbruch. Er kann es nicht erwarten, die ganze französische Armee geschlagen und ihren Kaiser entthront zu sehen. Auf der anderen Seite wird daran gearbeitet, ihn mißtrauisch gegen unsere allzu großen Erfolge zu machen, oder aber man jammert ihm über das Unglück des zertretenen Frankreichs und über die Calamitäten des Krieges vor, um ihn möglichst weich und geneigt zu machen, seine Mediation anzubieten. Da Seine Majestät der Kaiser solche direkten Fragen an mich richtete, so mußte ich ihm im Sinne Euerer Excellenz hohen Erlasses No. 2. vom 11ten d.M.438 antworten und hoffe ich hierdurch Euerer Excellenz Intentionen nicht entgegengehandelt zu haben. Den Erlaß selber habe ich indessen zurückgehalten. a

Dazu Randvermerk Bismarcks: Der wird in unserem Sieg an sich liegen.

437  Graf Vasilij Pavlovič Goleniščev-Kutuzov (1803–1873), Generalleutnant; Generaladjutant des Zaren; Militärbevollmächtigter in Berlin 1866–1873. 438  Bismarck, GW VIb S. 442–444.

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538*. Bismarck an Bernstorff, Pont-à-Mousson, 21. August 1870

535*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 451–452. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 452 (Nr. 1750).

Die Vorschläge König Viktor Emanuels für einen baldigen Frieden sind unverschämt439. Pont-à-Mousson, 19. August 1870 536*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 452. Telegramm.

Ist die Anwesenheit der französischen Kriegsflotte vor Helgoland440 mit Englands Neutralität vereinbar? Pont-à-Mousson, 21. August 1870 537*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 452–453. Telegramm. – Vgl. auch BDFA I F XXXII S. 52– 53.

Bayern und Württemberg melden Beteiligung am künftigen Friedensschluß an. Pont-à-Mousson, 21. August 1870 538*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 454–455. Erlaß. – Vgl. auch Bismarck, GW XI S. 320; Morier, Memoirs II S. 165–172, 179–205; Doeberl, Bayern S. 242–243; Kaiser Friedrich III., Kriegstagebuch S. 103.

Süddeutschland muß in Zukunft vor weiteren französischen Überfällen geschützt werden. Auch ohne Landabtretung würde das französische Kriegsgeschrei nicht aufhören. Pont-à-Mousson, 21. August 1870

439  Das geht aus den veröffentlichten italienischen Quellen so nicht hervor. Nur in einem Privatbrief Visconti Venostas an Artom vom 13. August 1870 heißt es, Preußen dürfe seine Siege nicht mißbrauchen: DDI I,13, S. 331. 440  Helgoland war damals eine englische Insel.

375

542*. Kronprinz Albert an König Johann, Jeandelize, 22. August 1870

539. Brassier an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/7581, S. 384–385. Telegramm. Entzifferung.

No. 31.

Florenz, 21. August 1870, 1 Uhr - - Min. Nachm. Ankunft: 21. August 1870, 4 Uhr 50 Min. Nachm.

Minister Sella441 kam letzte Nacht zu mir und bat mich, in Berlin ganz vertraulich anzufragen: ob, falls eine Veranlassung sich biete, den Kirchenstaat zum persönlichen Schutz des Papstes und Aufrechterhaltung der Ordnung zu besetzen, unsere Regierung dagegen Einspruch erheben würde? Es scheint, italienische Regierung möchte der Eventualität, in Rom eine Succursale einer französischen Republik entstehen zu sehen, vorbeugen, fürchtet sich aber, bei den europäischen Mächten anzustoßen. 540*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 455. Telegramm.

Zu italienischen Gelüsten auf den Kirchenstaat soll er keinen Kommentar abgeben. Pont-à-Mousson, 22. August 1870 541*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 455–457. Telegramm.

Wie steht Gorčakov zu Österreichs Rüstungen? Deutschland duldet keine Einwirkung auf seine Friedensbedingungen. Pont-à-Mousson, 22. August 1870 542*. Kronprinz Albert an König Johann Hassel, König Albert II S. 392–393.

König Wilhelm I. will vor einem allgemeinen Frieden die nord- und süddeutschen Fürsten versammeln und hören. Laut Bismarck sollen Elsaß und Deutsch-Lothringen bei Gesamtdeutschland verbleiben. Auf der Fürstenversammlung soll die Deutsche Frage geregelt werden. Jeandelize, 22. August 1870 441  Quintino

376

Sella (1826–1884), italienischer Finanzminister 1869–1873.

546. Werthern an Bismarck, München, 24. August 1870

543*. Lyons an Granville BDFA I F XXXII S. 54–53. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 56.

Der italienische Botschafter Nigra fragt im Auftrag seiner Regierung an, ob die neutralen Mächte nicht ihre Vermittlung anbieten sollten. Ich selbst und der österreichische Botschafter äußern sich skeptisch dazu. – Unterredung mit Außenminister La Tour d’Auvergne: Die französischen Forderungen sind: territoriale Integrität Frankreichs und Aufrechterhaltung der Dynastie. Paris, 23. August 1870 544*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 457. Telegramm.

Er soll über Graf Chotek in Wien den Wunsch nach einem besseren deutsch-österreichischen Verhältnis zu verstehen geben. Commercy, 24. August 1870 545*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 457–458. – Vgl. auch ebenda S. 458–459.

Zur Sicherheit Süddeutschlands braucht Deutschland künftig Landabtretungen. Wir unterstützen Rußlands Wünsche in bezug auf Änderungen des Pariser Traktats von 1856. Bar-le-Duc, 24. August 1870 546. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6241, S. 112–115. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 26. August 1870.

Pol. Ber. No. 105.

München, 24. August 1870

Der am Schlusse meines Berichts No. 99 vom 6. d.M. entwickelte Gedanke, daß bei Constituirung des neuen Deutschlands die deutschen Fürsten die Initiative ergreifen, ist so gut wie aufgegeben. Der k. Sächsische Gesandte442, der sich demselben mit einer besonderen Liebe widmete, sagte mir 442  Graf Richard von Könneritz (1828–1910), sächsischer Gesandter in München 1867–1874.

377

546. Werthern an Bismarck, München, 24. August 1870

heute, er stoße hier auf einen so entschiedenen Widerspruch, daß er nicht wage, Seine Majestät den König von Sachsen zu einem Schritte zu bewegen, der voraussichtlich ohne Resultat bleiben würde. Ich will das glauben. Von Weitem mag sich die Haltung der Bayerischen Regierung wie eine schöne patriotische fata morgana präsentirt haben. In der Wirklichkeit ist sie hervorgerufen durch die Ueberraschung; die ungeheuere Pression der nationalen Partei; den Entschluß Seiner Majestät des Königs, den der Kabinetssecretair Eysenhart von langer Hand, der Graf Holnstein443 im entschiedenen Momente aufrecht erhielt; und die Entschiedenheit des Kriegsministers, der mir vom ersten Augenblicke kein Geheimniß daraus machte, daß er kein anderes Interesse kenne als das partikularistisch bayerische. Der Graf Bray suchte bis zuletzt Ausflüchte für die bewaffnete Neutralität, und von den übrigen Ministern ist es nicht der Mühe werth zu reden. Der glückliche Zufall wollte, daß die Bayerischen Truppen am ersten Siege Theil nahmen; dadurch hat sich das Vertrauen in den eigenen Werth, und anstatt des ewigen Refrains der letzten drei Jahre: „Wir mögen machen, was wir wollen, verloren sind wir doch“ – hört man heute auf der ganzen Linie der Partikularisten: „Die Haltung Bayerns hat Württemberg bestimmt, nur durch Süddeutschlands Mitwirkung ist die günstige Wendung des Feldzuges eingetreten, und folglich müssen wir dafür belohnt werden.“ Oesterreich empfiehlt, und mit Erfolg beim Grafen Bray, den Gedanken einer Vergrößerung der Pfalz durch ein Stück vom Elsaß, als eines zweiten „Venetiens“, unter allen Umständen zurückzuweisen (unzweifelhaft in der Erkenntniß, daß es kein geschickteres Mittel gäbe, Bayern gegen Frankreich zu engagiren). Die Ultramontanen regen sich schon wieder, Freiherr von der Pfordten macht in seinem Kreise eine skandalöse österreichisch-französische Propaganda, und der Graf Bray hat seinen persönlichen Standpunkt dieser Tage gegen den Grafen Stadion444 durch die Klage über die Ungeschicklichkeit Oesterreichs charakterisirt, „daß, im Momente der französischen Kriegserklärung an uns, Bayern hätte müssen den Krieg erklären, um es auf diese Weise zu zwingen, das Bündniß mit uns zu brechen.“ Ich kann diese Aeußerung verbürgen. Was endlich Seine Majestät den König anbetrifft, so vermag zwar Niemand vorherzusehen, ob er geneigt wäre, einen Theil seiner Prärogative fallen zu lassen und die Meinung, welche Er von seiner königlichen Würde hat, spricht bis jetzt dagegen. Doch wirken die drei Personen, die ihn umgeben, der Cabinetssecretair Eysenhart, der Graf Holnstein und in neuerer Zeit auch 443  Maximilian Graf von Holnstein (1835–1895), Oberstallmeister König Ludwigs III. 1866–1892. – Der im folgenden genannte: ist der schon kommentierte von Pranckh. 444  Nicht identifiziert.

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548*. Bismarck an das Auswärtige Amt, Bar-le-Duc, 25. August 1870

der Hofrath Düfflich445, im deutschen Sinne auf ihn ein. Auf ihre Bitten hat Allerhöchstderselbe gestern auch den längst erwarteten Besuch in dem auf königliche Kosten errichteten Lazareth abgestattet und dann – wie immer, wenn der erste Entschluß überwunden ist – das größte Interesse an den Tag gelegt und sich mit allen Verwundeten, namentlich den preußischen, auf das Gnädigste unterhalten. Von einem Besuche Seiner Majestät bei der Armee ist keine Rede mehr und das Gerücht vom Wiedereintritt des Fürsten Hohenlohe ohne Grund. 547*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 460. Telegramm.

Er soll Äußerungen Thiers’446 verwerten, daß eine Verständigung mit Frankreich auf Kosten Belgiens möglich sei. Bar-le-Duc, 25. August 1870 548*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 460–461. – Zwei Telegramme.

1. In der Presse ist zu besprechen, daß Deutschland zum Schutz seiner süddeutschen Grenzen Gebietsabtretungen von Frankreich fordern muß. – 2. Für die besetzten französischen Gebiete sind Verwaltungsbeamte aus der Pfalz und aus Württemberg heranzuziehen. Bar-le-Duc, 25. August 1870

445  Lorenz von Düfflipp (1821–1886), Hofrat; Kabinettssekretär Ludwigs  II. 1866–1877. 446  Adolphe Thiers (1797–1877), führendes Mitglied des Corps législatif seit 1863; unternahm im September 1870 eine Rundreise an die Höfe der neutralen Großmächte, um sie zur Intervention zugunsten Frankreichs zu veranlassen; kehrte im Oktober aber unverrichteter Dinge zurück; führte die Friedensverhandlungen mit Bismarck; erster Präsident der Französischen Republik September 1871 – 1873.

379

552. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 26. August 1870

549*. Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 461–462. Erlaß. – Vgl. auch Friedrich I., Briefwechsel II S. 126–129; Hofmann, Vom Norddeutschen Bund S. 156–160.

Mit den deutschen Fürsten sollen demnächst die Friedensbedingungen besprochen werden. Minister Delbrück soll deshalb nach Dresden fahren und dort wegen Gebietsabtretungen Frankreichs eine Verständigung einholen. Bar-le-Duc, 25. August 1870 550. *Werthern an Holnstein Werthern, Tagebuch S. 328–332. Privatdienstbrief.

Die Friedensbedingungen gegenüber Frankreich: Erstattung aller Kriegs­ kosten, Abtretung von Elsaß und Lothringen. – Das deutsche Reich muß neu gegründet werden, von den Fürsten, nicht von unten. König Ludwig soll die Initiative ergreifen; er ist „zum Neubegründer der deutschen Einheit berufen.“ München, 25. August 1870 551*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 463. Telegramm. – Vgl. auch BDFA I F XXXII S. 60–61, 82–86, 135–142, 155, 156–158, 182–186.

Die englische Regierung ist zu befragen, wie sie den Verkauf von Gewehren an Frankreich mit ihrer Neutralität vereinbart. Bar-le-Duc, 26. August 1870 552. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6236, S. 24–30. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. August (im AA), 3. September 1870 (in Donchery).

No. 144.

St. Petersburg, 26. August 1870

Seine Majestät der Kaiser, der mich gestern nach Peterhof zur Tafel befohlen hat, ließ mich vorher in Sein Kabinet kommen, um mir den Brief vorzulesen, welchen Er durch seinen Feldjäger an Seine Majestät den König geschickt hat447 und der mittlerweile an seine Allerhöchste Bestimmung gelangt sein wird. 447  Nicht

380

veröffentlicht.

552. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 26. August 1870

Ich habe daraus ersehen, daß die Gedanken, die mir der Kaiser vorher mitgetheilt hatte, doch viel eingehender behandelt worden sind, als Er dies zu beabsichtigen schien. Indessen haben doch meine Bemühungen insofern Früchte getragen, als Er selber zugiebt, daß die Wünsche der deutschen Nation den König unseren allergnädigsten Herrn vielleicht hindern könnten, so gemäßigt aufzutreten, als Er dies vielleicht Selbst wünschen möchte. Ich habe, als sich der Kaiser in ein Gespräch über diesen Brief einließ, dieses letzte Moment wieder ganz besonders betont und erneut auf die Gefahren aufmerksam gemacht, die dem monarchischen Prinzip und der gemeinschaftlichen Sache der Ordnung aus einem ungenügenden Frieden erwachsen könnten. Ich habe ferner die Ansicht in Zweifel gezogen, daß sich die genereuse französische Nation dem genereusen Sieger gegenüber erkenntlich zeigen werde. Diese Nation werde uns das nie vergeben, von uns in einem Anlauf geschlagen worden zu sein, und es dürfte daher ganz gleichgültig sein, ob man ihr im künftigen Frieden etwas mehr oder etwas weniger auferlegte. Der Kaiser fragte dann wieder spezieller nach den Friedensbedingungen und meinte, eine Gebiets-Abtretung würde zu nie endenden Streitigkeiten führen, und eine jede künftige Regierung in Frankreich, möchte sie heißen, wie sie wolle, würde genöthigt sein, schon um sich populair zu machen, zu versuchen, uns die verlorenen Landstriche wieder abzunehmen. Daraus würde eine fortwährende Beunruhigung Europa’s entstehen, die den anderen Mächten nicht gleichgültig sein könnte. Er sähe freilich, daß die ganze deutsche Presse schon jetzt gebieterisch den Elsaß verlange und dieses als eine conditio sine qua non betrachte. Das sei zu bedauern und würde jedenfalls nicht ganz ignorirt werden können. Ich wiederholte, was ich schon neulich gesagt, daß ich nicht wisse, ob Seine Majestät der König überhaupt schon der Frage einer Gebiets-Eroberung für Deutschland näher getreten sei; hierzu sei die Zeit noch nicht gekommen, ich sähe mich daher außer Stande, darüber zu diskutiren. Das scheine mir aber ganz unmöglich, wie dies bereits durch einzelne englische Preßorgane angerathen werde, daß Deutschland diese riesenhaften Anstrengungen, diese ungeheueren Opfer an Menschenleben gebracht haben könnte, um dann als Siegespreis nichts als eine Geldsumme mit aus Frankreich heim zu bringen, welche die materiellen Opfer zu decken im Stande sei. Darin würde auch keine Garantie gegen künftige Anfälle Frankreichs liegen, und diese zu erlangen liege nicht nur im Interesse Deutschlands, sondern ganz Europa’s. Der Kaiser kam dann wieder darauf zurück, daß man ja die sämtlichen französischen Gränz-Festungen schleifen könnte. Besonders schien ihm aber am Herzen zu liegen, daß bei den künftigen Friedensverhandlungen, deren Zeitpunkt Er Seinerseits leider noch nicht im Entferntesten voraussehen könne, die neutralen Mächte Theil nehmen möchten. 381

552. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 26. August 1870

Er führte frühere Beispiele, u. a. den Frieden von 1856 an, wo z. B. Preußen, was ganz dieselbe Stellung zum damaligen Kriege eingenommen habe als jetzt Rußland, auch mit zum Congreß zugezogen worden wäre. Der Frieden, welcher auf diesen Krieg folgen muß, wird sich wahrscheinlich mit dem vollständigen Wiederaufbau eines neuen Europäischen Rechtszustandes zu beschäftigen haben; er wird nur dauerhaft sein, wenn er von allen Mächten mitunterzeichnet und garantirt wird. Wenn irgend eine Macht einen Titel zur Theilnahme an diesen Verhandlungen haben kann, so ist dies jedenfalls Rußland, dessen loyale Neutralität eine mächtige Hülfe für Preußen ausgemacht hat. Wenn Er, der Kaiser, sich nicht so energisch Oesterreich gegenüber ausgesprochen und dieses dadurch zur Neutralität gezwungen hätte, so würde es uns nicht möglich gewesen sein, die ganze östliche Gränze von Oderberg bis Salzburg total von Truppen zu entblößen. Diese Haltung Rußlands sei in ihren Folgen gleichbedeutend mit einer offenen Parteinahme für unsere Sache, und er wisse auch, daß dieselbe von Seiner Majestät dem Könige in dieser Weise beurtheilt werde. Ich bejahte dies und sagte, daß ich zu verschiedenen Malen von meinem allergnädigsten Herrn den Befehl erhalten hätte, ihm, dem Kaiser, in der wärmsten Weise den Dank des Königs auszusprechen. Ich setzte hinzu, daß, wenn es zu einem Congresse kommen sollte, ein Fall, über den ich mir noch durchaus keine Ansicht erlauben dürfte, es dem Könige meinem allergnädigsten Herrn selbstredend nur lieb sein könnte, Seinen besten Freund an den eventuellen Verhandlungen Theil nehmen zu sehen, auf dessen Beistand Er dann ebenso rechnen werde, wie Er dies jetzt mit so gerechtfertigtem Vertrauen gethan habe. Meiner Ansicht nach würde aber ein Congreß für uns wenig vortheilhaft sein. Diejenigen Mächte, deren Neutralität nur schlecht die übelwollenden Gesinnungen gegen die deutsche Sache verhüllt hätten, würden dann Gelegenheit finden, diese Gesinnung zur Geltung zu bringen und uns die legitimen Früchte des Kampfes streitig zu machen. Der Kaiser gab dies zu, kam aber wieder darauf zurück, daß ohne Congreß ein dauernder Friede nicht möglich sein werde. Hiermit brach der Kaiser die, übrigens in freundschaftlichster Weise, geführte Unterredung ab. Fürst Gortschakoff, den ich vorher gesehen hatte, sprach mir wieder von der Hoffnung a l l e r M ä c h t e , daß sich der Sieger gemäßigt zeigen werde. Wäre es schon an der Zeit, vom Frieden zu sprechen und würde er in der Lage sein, unsere Bedingungen zu kennen, so würde er dieselben mit mir in der offenherzigsten Weise diskutiren, so weit sei man aber leider noch lange nicht; französischer Seits wolle man wenigstens noch nicht im Entferntesten vom Frieden sprechen hören.

382

553. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 26. August 1870

553. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6236, S. 34–36. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 29. August (im AA), 3. September 1870 (in Donchery).

No. 147.

St. Petersburg, 26. August 1870

Euerer Excellenz Telegramm No. 17 und No. 16 vom 25ten d.M.448 habe ich heute zu erhalten die Ehre gehabt. Wie Eure Excellenz aus dem Briefe des Kaisers an Seine Majestät den König so wie aus meinem heutigen Berichte No. 144449 ersehen haben werden, findet die Idee einer Aenderung der Gränzen zwischen Frankreich und Deutschland hier noch wenig Anklang, und es wird nicht leicht sein, den Kaiser, namentlich aber den Fürsten Gortschakoff, für eine solche Combination zugänglich zu machen. Daß ich [ihn] gestern bereits darauf vorbereitet habe, noch ehe mir hierzu der Befehl Seiner Majestät des Königs zugegangen war, macht sich ganz von selbst, doch konnte dies nur in allgemeiner Weise geschehen; wenn ich aber wieder darauf angeredet werde, werde ich entschiedener die Sache betonen können. Ich sehe aber voraus, daß dies wenig gefallen wird. Der Kaiser hat sich nun einmal einreden lassen, daß in der Lostrennung einer Provinz der Keim zu nie endenden Kriegen liegen wird; es leuchtet ihm ein, daß Frankreich geschwächt werden müsse, aber er möchte, daß dies auf andere Weise geschähe. Diese Ansichten brachte Fürst Gortschakoff schon von seiner Reise aus Deutschland450 mit, und mögen dieselben wohl durch Oesterreichische und Englische Einflüsterungen genährt worden sein; auch Italien scheint seine Stimme in diesem Sinne erhoben zu haben. Was die Andeutung wegen der Revision des Pariser Traktates451 betrifft, so werde ich mit denselben noch vorsichtig sein; ich bin der Ansicht, daß es besser ist, wenn dieser Gedanke nicht von mir, sondern von Russischer Seite angeregt wird. Ich kann dann, wenn er erst mehr zur Reife gekommen ist, denselben besser benutzen. Der Russische Appetit nach der Revision jenes Vertrages muß erst noch mehr gereizt werden, und fängt die Russische Presse schon an, dieses Geschäft zu betreiben. Vorläufig hat es die Frau Großfürstin Helene übernommen, für diese Idee die maaßgebenden Persönlichkeiten einzunehmen.

448  Eines

der beiden Telegramme in: Bismarck, GW VIb S. 458–459. Nr. 552. 450  Anfang Juli 1870 aus Wildbad und aus Berlin. 451  Von 1856. 449  Oben

383

557*. Großherzog Friedrich I. an Jolly, Lampertheim, 29. August 1870

554. *Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 464.Telegramm.

Würden die USA in den künftigen Friedensverhandlungen im Kreise der neutralen Mächte einen uns günstigen Druck ausüben? Clermont, 27. August 1870 555*. Gordon452 an Granville BDFA I F XXXII S. 97. Bericht.

Unterredung mit Varnbüler: Deutschland müsse auf der Abtretung von Elsaß und Lothringen und auf hohen Kriegskosten bestehen; die Grenze sollte sogar bis in die Argonnen vorgeschoben werden. Stuttgart, 27. August 1870 556*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 464. Erlaß.

Er würde gegen eine Garantie Dänemarks im Verein mit Rußland nichts einzuwenden haben. Grand Pré, 29. August 1870 557*. Großherzog Friedrich I. an Jolly453 Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 129–131. Schreiben.

Dank für die Übersendung seiner Denkschrift zur Neugestaltung Deutschlands. Bemerkungen dazu: 1. Das von Frankreich abzutretende Gebiet sollte zu „einem neutralen, unabhängigen Staat“ umgestaltet werden, der wie Belgien zwischen Deutschland und Frankreich geschoben würde. 2. Der Eintritt der süddeutschen Staaten in den Nordbund sollte mit dem Kaisertitel gekrönt werden. 3. Die besonderen Vorteile für Bayern sollten nicht zu stark betont werden. Lampertheim, 29. August 1870 452  George John Robert Gordon (1812–1902), englischer Gesandter in Stuttgart und Karlsruhe 1859–1871. 453  Julius Jolly (1823–1891), Präsident des badischen Staatsministeriums und badischer Innenminister 1868–1876.

384

561*. Bismarck an Bernstorff, Vendresse, 1. September 1870

558*. Bismarck an Balan Bismarck, GW VIb S. 464–465. Telegramm.

Falls französische Truppen die belgische Grenze überschreiten, müssen sie entwaffnet werden. Grand Pré, 30. August 1870 559. *König Wilhelm I. an Zar Alexander II. Bismarck, GW VIb S. 459 Anm. 3. Handschreiben. Abschrift.

Es ist hoffnungslos, ein französisches Revanchegefühl zu beschwichtigen. Entscheidend ist, daß Deutschland nicht um die Früchte seines Sieges gebracht wird. [o. O.] 31. August 1870 560.*Reuß an Bismarck Rheindorf, Pontusfrage S. 145–147. Ganz vertraulicher Bericht.

Unterredung mit der Großfürstin Helene: Sie hat dem Zaren deutlich gemacht, daß Deutschland einen Frieden ohne Gebietsabtretung nicht schließen könne; es sei auch besser, keinen europäischen Kongreß für den Friedensschluß vorzuschlagen. Gorčakov hat sie gesagt, Rußland habe sich zu sehr mit den Neutralen eingelassen. Deutschland könne Rußland zur Revision des Pariser Vertrags von 1856 verhelfen. St. Petersburg, 31. August 1870 561*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 465–466. Erlaß.

Einverstanden mit seinen Einwirkungen auf die englische Presse. Die preußische Presse soll keine englandfeindlichen Töne anschlagen. Vendresse, 1. September 1870

385

565*. Bismarck an Schweinitz, Vendresse, 3. September 1870

562*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 466–467. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 467–470; DDI I,12 S. 456.

Der gefangengenommene Kaiser Napoleon verweist wegen Friedensverhandlungen auf die Regierung in Paris. Der Krieg wird fortgesetzt. Donchery, 2. September 1870 563*. Denkschrift Jollys Baumgarten/Jolly, Lebensbild S. 175–176. Denkschrift für Bismarck.

Das von Frankreich zu erwerbende Gebiet ist weder an Baden noch an Bayern zu vergeben, sondern an Preußen. Der neue Bundesstaat ist durch den Abschluß von Verträgen der süddeutschen Staaten mit dem Norddeutschen Bund zu bewerkstelligen. Die Zentralgewalt ist in diplomatischen und militärischen Angelegenheiten zu stärken; dagegen ist in inneren Dingen die Selbständigkeit der Einzelstaaten festzuhalten. Die Wiederherstellung der Kaiserwürde wird die Einigung Deutschlands erleichtern. [o. O.] 2. September 1870 564*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 470. Telegramm.

Ein geheimes Abkommen mit der italienischen Regierung bezüglich einer Besetzung Roms wird er auf keinen Fall schließen. Vendresse, 3. September 1870 565*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 470–471. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 479–480.

Beust ist ein Hindernis für die Annäherung Preußens an Österreich. Vendresse, 3. September 1870

386

568*. Denkschrift Roggenbachs, Monrepos, 5. September 1870

566*. Bismarck an die Gattin454 Bismarck, GW XIV,2 S. 789–790. Privatbrief.

Große Schlacht bei Sedan am 1. September. Dort Kaiser Napoleon gefunden. Er nahm Quartier in einem Arbeiterhaus, „Es ist ein weltgeschichtliches Ereigniß.“ Vendresse, 3. September 1870 567. Bismarck an Auswärtiges Amt PA Berlin, RZ 201/6, S. 280. Telegramm. Entzifferung. – Vgl. Bismarck, GW VIb S. 465 Anm. 1.

No. 154.

Varennes, 4. September 1870, 10 Uhr 45 Min. Vorm. Ankunft: 4. September 1870, 1 Uhr 45 Min. Nachm.

Bitte die Presse vor zu bitterer Tonart gegen die englische Presse abzumahnen, namentlich auch gegen die Times, selbst wenn dies im Allgemeinen günstige Blatt einmal schwankt. Graf Bernstorffs Einwirkung wird dadurch erschwert. 568*. Denkschrift Roggenbachs455 Friedrich III., Kriegstagebuch S. 431–444. – Vgl. auch ebenda S. 444–452.

Für einen künftigen dauernden Frieden muß Frankreich nachhaltig geschwächt werden. Das geschieht durch Beseitigung der Zentralregierung in Frankreich; das Land muß dezentralisiert werden. An Deutschland muß es abtreten: Elsaß und Lothringen einschließlich Belfort, Nancy und Metz. Belgien muß vergrößert werden. Italien bekommt Nizza und Savoyen zurück. Cherbourg muß als Kriegshafen geschleift werden. Die an Deutschland abzutretenden Provinzen sollten ein Reichsland werden. – Für die innere Entwicklung Deutschlands ist notwendig: Die Übertragung der Kaiserwürde an den König von Preußen, der das Reichsland besitzt; die Neuorganisation des Heerwesens unter der Kontrolle des Kaisers. Monrepos, 5. September 1870

454  Johanna Gräfin von Bismarck (1824–1894), geb. von Puttkamer; verheiratet 1847 mit Bismarck. 455  Franz Frhr. von Roggenbach (1825–1907), badischer Außenminister 1861– 1865; gehörte zum Freundeskreis um Kronpinz Friedrich Wilhelm; Gegner Bismarcks.

387

572*. Bismarck an Werthern, Reims, 6. September 1870

569*. Bismarck an A. zu Eulenburg456 Bismarck, GW VIb S. 473–474. Schreiben.

Die Anwesenheit des Herzogs Friedrich von Schleswig-Holstein-Augustenburg im Hauptquartier des Kronprinzen ist, nachdem er öffentlich seine Rechte kundgegeben hat, nicht mehr tragbar. Reims, 6. September 1870 570*. Bismarck an O. v. Manteuffel457 Bismarck, GW VIb S. 480–481. Schreiben.

Er ist mit seiner Darlegung zur Zukunft Elsaß-Lothringens mit einer Ausnahme einverstanden: Beide Teile sollen zu einem Reichsland erklärt werden, aber sie können nicht neutral bleiben, weil sie dann mehr als sonst nach Frankreich gravitieren würden. Reims, 6. September 1870 571*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 479. Telegramm.

Kaiserin Eugénie kann sich aufgrund der Umwälzung in Paris zum Kaiser nach Wilhelmshöhe begeben. Reims, 6. September 1870 572*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 476. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 476–478.

Er wird „auf jede Gefahr hin“ im Interesse Süddeutschlands auf besserer Grenzregulierung bestehen. Reims, 6. September 1870

456  August Graf zu Eulenburg (183–1921), Hofmarschall Kronprinz Friedrich Wilhelms 1868–1883. – Der im folgenden genannte: Friedrich (1829–1880), Herzog von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg; Oberhaupt der Augustenburger Linie. 457  Otto Frhr. von Manteuffel (1805–1882), preußischer Ministerpräsident und Außenminister 1850–1858.

388

574. Brassier an Bismarck, Florenz, 6. September 1870

573*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 474–475. Erlaß. – Vgl. auch ebenda GW VII S. 337–339.

Zur Sicherung der süddeutschen Grenze soll Frankreich beim Friedensschluß abtreten: Gebiete bis zur Sprachgrenze und darüber hinaus die Festung Metz. Die Aufteilung unter die verbündeten Regierungen ist späteren Verhandlungen vorbehalten. Reims, 6. September 1870 574. Brassier an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7581, S. 417–420. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 10. September, (in Reims) 13. September 1870.

No. 131.

Florenz, 6. September 1870

Die beispiellose Konsequenz, mit der die französische Regierung und ihre Organe durch falsche und doch zugleich nichtssagende Erklärungen über die Zustände auf dem Kriegsschauplatze das Vertrauen der Nation aufrecht zu erhalten suchte[n], hatte auch hier, wenigstens in französisch gesinnten Kreisen, die beabsichtigte Wirkung nicht ganz verfehlt. Durch die bisherige Erfahrung belehrt, schenkt man allerdings den deutschen Berichten mehr Glauben als den stereotypen „guten Nachrichten“ des Grafen von Palikao458, hielt es aber andererseits kaum für möglich, daß eine so unerschütterliche Zuversicht einer thatsächlichen Grundlage vollständig entbehre. Um so gewaltiger war daher der Eindruck, als die Siegesbotschaft vom Schlachtfelde bei Sedan diese Lügengewebe zerriß. Wie nach den bisherigen Kundgebungen in den verschiedenen politischen Lagern zu erwarten war, brachten diese Nachrichten in den unter dem Einfluß Frankreichs stehenden Kreisen eine tiefe Bestürzung hervor, während sie von der Masse des Volkes im Gegentheil mit aufrichtiger Freude begrüßt wurden. Daß die am Ruder stehende Partei den Sturz des einst so mächtigen Herrschers, der auf die Gründung der nationalen Einheit Italiens einen entscheidenden, wenn auch nicht uneigennützigen Einfluß ausgeübt, nicht ohne Gemüthsbewegung sehen konnte, war eigentlich nicht zu verwundern. Dagegen kann die unwürdige Gesinnung, die selbst im Schoße des Parlamentes, und noch vor der Katastrophe, die volle Abhängigkeit der Wohlfahrt und der Existenz Italiens von dem Schicksale des kaiserlichen Frankreichs proclamirte, nur Mitleid und Verachtung erwecken. An die Leitung dieser festen, wenn auch nicht 458  Charles Cousin-Montauban, Herzog von Palikao (1796–1878), General; französischer Ministerpräsident und Kriegsminister 9. August – 4. September 1870.

389

576*. Favre an Tissot, Paris, 6. September 1870

immer sanften Hand gewöhnt, stehen diese Herren, im Augenblicke, wo sie die Zügel fallen läßt, rathlos da, nicht wissend, was sie mit der ohne ihr Zuthun wieder erlangten Freiheit anfangen sollen. Allerdings befindet sich diese Partei jetzt in einer Verlegenheit, die nur die unvermeidliche Folge der bisher von ihr begangenen Fehler ist. Die überwiegende Mehrheit der Italiener sieht den Sturz des übermächtigen Beschützers mit Freude, weil sie jetzt überhaupt freier zu athmen hoffen. An einer weiteren Demüthigung der französischen N a t i o n ist ihr im Allgemeinen nicht gelegen. Für sie besteht der practische, unmittelbare Werth der deutschen Siege darin, daß dieselben Italien in den Stand setzen, durch die Besetzung von Rom seine Einheit zu vollenden. Die öffentliche Meinung spricht sich mit beinahe unwiderstehlicher Gewalt in diesem Sinne aus. Große meetings haben schon vorgestern in Mailand und anderen Städten stattgefunden, um die Regierung zur Erfüllung der nationalen Wünsche zu drängen, und es wird stündlich die Entscheidung erwartet, ob letztere diesem Drängen nachgeben oder einen unter den jetzigen Umständen für sie gefährlichen Widerstand versuchen will. 575*. Lyons an Granville BDFA I F XXXII S. 65. Sehr vertrauliches Telegramm (ebenda die ablehnende Antwort Granvilles). – Vgl. auch ebenda S. 72.

Julies Favre459 würde einem Waffenstillstand zustimmen, der von einer neutralen Macht vermittelt würde. Grundlage müsse die territoriale Unversehrtheit sein. Paris, 6. September 1870 576*. Favre an Tissot460 BDFA I F XXXII S. 66–67. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 68, 69–71, 72–73, 76, 78, 118.

Preußen hat den Krieg nicht Frankreich erklärt, sondern der kaiserlichen Dynastie; diese liegt nun am Boden. Will der preußische König den Kampf fortsetzen? „Wir werden weder einen Flecken unseres Gebiets noch einen

459  Jules Favre (1809–1880), französischer Außenminister 4. September 1870  – 2. August 1871; handelte mit Bismarck den Waffenstillstand am 28. Januar 1871 aus; unterzeichnete den Frankfurter Frieden. 460  Charles-Joseph Tissot (1828–1884), Erster Legationssekretär an der französischen Botschaft in London; dort Geschäftsträger Oktober 1869 – April 1871.

390

577. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 7. September 1870

Stein unserer Festungen hergeben.“ – Er soll diese Situation Lord Granville erklären. Paris, 6. September 1870 577. Rosenberg an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3352, S. 387–391. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (9. September im AA), 14. September 1870 (in Château-Thierry).

No. 53.

Stuttgart, 7. September 1870

Die großen Ereignisse vor Sedan und in Paris haben auch hier die Gemüther so beschäftigt, daß eine für Württemberg wichtige Veränderung, nämlich der Rücktritt eines seit 6 Jahren maaßgebenden Ministers461, ganz in den Hintergrund trat. Hätte man noch einen Zweifel über die politische Bedeutung des Sturzes Varnbüler’s, so müßte die Trauer der Partikularisten über sein Ausscheiden jedes Bedenken entfernen. Mögen sie ihm befreundet gewesen sein oder nicht, so halten sie, angesichts der für die künftige Stellung des Landes wichtigen Verhandlungen, sein Ausscheiden für eine Schwächung Württembergs. Auch Herr von Varnbüler selbst beklagt sich, sogar dem diplomatischen Corps gegenüber, jetzt über die Undankbarkeit des Königs, dessen Selbstständigkeit zu wahren seine erste Aufgabe gewesen sei. Unter den Eindrücken eines sehr gekränkten Gefühls in der Varnbüler’schen Familie konnte Fhr. von Spitzemberg ein Amt nur ablehnen, welches ihn in die Zwitterstellung zwischen einem dem Könige unentbehrlich gewordenen Bruder und einem Schwiegervater versetzt haben würde, der diesen Bruder als das Organ seiner Feinde an nächster Stelle betrachtet. Der König soll die Ablehnung zuerst ungnädig aufgenommen haben, jetzt aber Sich ruhiger darüber aussprechen. General Suckow462 sagte mir, daß ein längeres Gespräch, was er mit dem Gesandten von Spitzemberg gehabt, ihm Zweifel darüber erweckt hätte, ob er wohl für den Ministerposten befähigt sei. Sein Gesichtskreis sei ein sehr enger, er werde allerdings bei den Friedens- sowie späteren Verhandlungen 461  Außenminister Varnbüler in Stuttgart war am 31. August 1870 zurückgetreten; er war Hauptverfechter der Selbständigkeit der Mittelstaaten. – Zum folgenden: Varnbülers Tochter, Hildegard (1843–1914), war verheiratet mit Karl Freiherr Hugo von Spitzemberg (1826–1880), der seit 1866 württembergischer Gesandter in Berlin war. Dessen Bruder, Wilhelm Freiherr Hugo von Spitzemberg (1825–1888), Generalleutnant, war Erster Adjutant König Karls I. von Württemberg. – Zum ganzen vgl. Spitzemberg, Tagebuch S. 101–103. 462  Albert Frhr. von Suckow (1828–1893), Generalleutnant; württembergischer Kriegs­minister 31. August 1870–1874.

391

577. Rosenberg an Bismarck, Stuttgart, 7. September 1870

über die Neugestaltung Deutschlands herangezogen werden, denn man besitze durchaus keinen andern diplomatischen Vertreter, doch [werde] außer ihm noch ein Minister, wahrscheinlich H. Mittnacht, den König vertreten, und da dabei militairische Fragen zur Sprache kämen, so hielte er seine eigne Betheiligung für selbstverständlich. Da man keinen Nachfolger für Fhrv. von Varnbüler bisher aufgefunden hat, so wird Graf Taube463 das auswärtige Amt bis auf Weiteres leiten, ist indeß durch den König angewiesen, in allen wichtigen Fragen sich mit General Suckow in’s Benehmen zu setzen. Letzterer sagte mir, daß er sich nunmehr mit seinen Collegen über das, was in der deutschen Einigungsfrage geschehen müsse, berathen werde, Auf meine Zwischenfrage, ob die Herren Scheurlen464 und Mittnacht auf seine Idee eingehen würden, versicherte er mir, daß er in dieser Beziehung beruhigt sei. So hätten sie neulich die Adresse, welche die von der deutschen Parthei veranstaltete Volksversammlung (im Anschluß an die Berliner Adresse) dem Könige überreicht, gar nicht annehmen, jedenfalls nicht beantworten wollen. Er hätte ihnen indeß gesagt, daß er nicht die Veranwortung dafür übernehmen könne, wenn die Minister irgend einen Mißton zwischen der Krone und der nationalen Bewegung im Volke gegenwärtig hervorriefen, und am andern Tage hätte Herr Mittnacht das Concept einer recht entgegenkommenden Antwort auf jene Adresse aus der Tasche geholt, die der König genehmigt habe. Sobald Herr Mittnacht wisse, daß er nichts riskire, gehe er auch im nationalen Sinne vorwärts. General Suckow erzählte mir hier auf die Taktik, welche er Seiner Majestät gegenüber anwende, um den König für die Einigung zu gewinnen. Er wirke stets durch das militairische Interesse, in dem er dem König sage, daß e i n e deutsche Armee auch eine gemeinsame Verfassung haben müsse, deshalb sei eine Verständigung unter allen Regierungen nöthig, und wenn bei diesem Anlaß noch andere gemeinsame Interessen festgestellt werden, so würde er Seiner Majestät diese Zugeständnisse als eine Consequenz der militairischen Einheit annehmbar machen. Namentlich suche er den König für eine gemeinsame diplomatische Vertretung zu stimmen, jedoch sei dies ein sehr schwieriger Punkt. Es würde sich empfehlen, wenn gleichzeitig mit den Friedenspräliminarien auch die Grundsätze für die Neugestaltung Deutsch463  Adolf

Graf von Taube (1810–1889), Oberhofmeister seit 1866; Vortragender Rat im württembergischen Außenministerium; vorübergehend Leiter des Außenministeriums 31. August 1870 –  9. Januar 1871. 464  Karl von Scheurlen (1824–1872), württembergischer Innenminister Juli 1870 – 1872. – Zum folgenden: Am16. Juli 1870 fand in Stuttgart eine Volksversammlung statt. Dort hat die „deutsche Partei“ dazu aufgerufen, den Krieg zwischen Frankreich und Preußen als einen „nationalen Krieg“ zu begrüßen. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 196–197. 392

578. Schweinitz an Bismarck, Wien, 7. September 1870

lands vereinbart und beide als ein unzertrennbares Ganzes behandelt würden, auf das namentlich die Landesvertretung keinen weitern Einfluß üben dürfe. 578. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 191–192. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 10. September, (in Reims) 15. September 1870.

No. 282.

Wien, 7. September 1870

In Oesterreich haben die Erfolge der deutschen Waffen neben unbegrenzter Bewunderung bei Vielen Freude, bei den Meisten Schrecken erregt. Immer allgemeiner wird die Furcht, Preußen werde seine Bundesgenossen mit österreichischem Gebiet (Theile von Tyrol, Innviertel, Salzburg, Eger) belohnen. Je thörichter diese Furcht ist, um so eher kann sie zu Thorheiten treiben. Aus diesem Grund, und weil ich überhaupt den Augenblick für gekommen erachte, das Verhältniß mit Oesterreich festzustellen, was unmöglich war, so lange es auf Frankreich rechnete, erlaube ich mir, folgenden Vorschlag Euerer Excellenz geneigter Erwägung zu unterbreiten. Seine Majestät der König möchten Allergnädigst geruhen, von einem Puncte der Siegesbahn, welche Allerhöchstderselbe vor 56 Jahren mit dem Kaiser Franz465 (der freilich selten dabei war) und jetzt als alleiniger Feldherr zurücklegt, mich zu ermächtigen, daß ich dem Kaiser Franz Joseph etwas Freundliches im Allerhöchsten unmittelbaren Auftrage sagen dürfte. Ich würde mich dieses Allerhöchsten Auftrages dann in einer Weise entledigen, die, ohne den Reichskanzler zu verletzen, doch dem großen Publikum klar machen dürfte, wie Preußen sein Verhältniß zu Oesterreich angesehen haben will. Wenn Euere Excellenz diesen Vorschlag guthießen und befürworten wollen, so wäre es nützlich, daß er vor Zusammentritt der Delegationen466, also noch im September, ausgeführt würde.

465  Franz II. (1786–1835), letzter Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 1792– 1806; als Franz I. Kaiser von Österreich 1804–1835. – Zum folgenden: Gemeint ist der Feldzug der preußischen und österreichischen Heere in Frankreich 1813–1815. 466  Der österreichischen und der ungarischen Delegationen (Abgeordneten), die am 14. Oktober für den 24. November in Pest einberufen wurden. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 303–304.

393

580. Reuß an das Auswärtige Amt, St. Petersburg, 8. September 1870

579. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 193–195. Geheimer Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 10. September (im AA), 15. September (in Reims) 1870.

No. 285.

Wien, 7. September 1870

Euere Excellenz forderten durch hohen telegraphischen Erlaß No. 10 vom 5. d. die Motivirung meiner im gehorsamsten Bericht No. 251 vom 14. v.M. ausgesprochene Ansicht, daß ich den Grafen Beust nicht für ein Hinderniß guter Beziehungen zwischen Preußen und Oesterreich erkläre467. Meine telegraphische Antwort (No. 3 vom 6. d.M.) beehre ich mich, nunmehr zu vervollständigen. Ich gehe von der Ansicht aus, daß Graf Beust Alles thut, was in seinen und Oesterreichs Kräften steht, um Preußen zu schaden, daß er aber diese Kräfte nicht überschätzt, daß er weiß, wie weit er gehen kann, ohne seine Stellung und das Reich zu zerstören; von dieser seiner Erkenntniß hat er während des jetzigen Conflictes Beweise gegeben. Nächstdem gewährt uns das allgemeine Mißtrauen, welches man an den großen europäischen Höfen gegen den Grafen Beust hegt, den Vortheil, daß sich keiner derselben ernstlich mit ihm einläßt. Drittens berechtigt der Scharfsinn dieses „vorurtheilslosen“ Staatsmannes zu der Erwartung, daß er jetzt, wo die Macht, auf welche er sich seit vier Jahren stützte, zusammenbrach, sein Heil bei dem suchen wird, der sie niederwarf. Was endlich wäre von denen zu erwarten, die ihn j e t z t ersetzen könnten? Von dem klerikalen Baron Hübner? Von dem franzosen- und polenfreundlichen Grafen Andrassy? Später, nach dem Frieden, wird die Sache freilich anders liegen. 580. Reuß an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6243, S. 21–22. Telegramm. Entzifferung. Praes.: 9. September 1870.

No. 65.

St. Petersburg, 8. September 1870, 10 Uhr 25 Min. N. Ankunft: 9. September 1870, 1 Uhr 30 Min. V.

Für Hauptquartier: In Gegenwart des Fürsten Gortschakoff hat der Kaiser mir Folgendes anvertraut: 467  Oben

394

Nr. 565*.

582*. Bismarck an Bernstorff, Reims, 9. September 1870

Der Französische Minister der auswärtigen Angelegenheiten hat durch Russischen Geschäftsträger468 bitten lassen, der Kaiser von Rußland möge dem Könige Frieden vorschlagen: Integrität Frankreichs, Zahlung der Kriegskosten. Weigert sich Preußen, Krieg bis zum Aeußersten. Kaiser wird ablehnen, drängt [= trägt] mir aber auf, Seiner Majestät dem Könige dies als Information zu melden. Kanzler bittet, diese Mittheilung geheim zu halten. Er rieth dem Kaiser zur Ablehnung, trat aber ohne Erfolg für Integrität ein. 581. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/8422, S. 164. Telegramm. Entzifferung.

No. 171.

Reims, 8. September 1870, 4 Uhr 5 Min. Nachm. Ankunft: 9. September 1870, 9 Uhr 20 Min. Nachm.

Ich bitte, in der Presse den Gedanken ventiliren zu lassen, daß der Wiederherstellung besserer Verhältnisse mit Oesterreich nur e i n e e i n z i g e P e r s ö n l i c h k e i t im Wege stehe, welche, ohne Oesterreicher zu sein, nach beiden Seiten ein ununübersteigliches Hinderniß bilde und keinen höheren Gedanken zu kennen scheine als Rache für Sadowa (Cölnische Zeitung vom 29. August, Correspondenz aus Berlin im zweiten Blatt469). 582*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 481–482. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 482–483, 484–485.

Mitteilungen der in Paris fungierenden republikanischen Regierung, die über London gehen, können nicht als offizielle Eröffnungen angesehen werden. Reims, 9. September 1870

468  Okunev.

469  „Kölnische Zeitung“, Montag, 29. August 1870, Nr. 239 (Zweites Blatt, S. 1–2: „Oesterreich“).

395

586*. Friesen an Könneritz, Dresden, 10. September 1870

583*. Denkschrift Königin Victorias Victoria, Letters II,2 S. 62–63. – Vgl. auch ebenda S. 66–68, 70–75, 78–80, 84–85; Gladstone, Diaries VII S. 357–358, 359–360, 368–373, 374, 376–377, 385.

Deutschland fordert von Frankreich Sicherheiten für die Zukunft; aber territoriale Forderungen werden, angesichts der Natur des französischen Volkes, eine Ursache sein für ständige Irritationen und den Wunsch, sich das Verlorene wieder zurückzuholen. – Ein mächtiges Deutschland kann für England nicht gefährlich sein. Wir dürfen Deutschland jetzt nicht daran hindern, die Früchte des Sieges zu ernten. Balmoral, 9. September 1870 584*. Reuß an Bismarck Rheindorf, Pontusfrage S. 148–149. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 149–150.

Gorčakov kündigt die Revision des Friedens von 1856 (SchwarzmeerFrage) an; ein Kongreß sei nicht nötig. Reuß sagt Preußens Entgegenkommen zu. St. Petersburg, 9. September 1870 585*. Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 483–484. Erlaß. – Vgl. BDFA I F XXXII S. 143.

Die deutschfeindlichen Gesinnungen in Belgien erklären sich daraus, daß dort die klerikale und ultramontane Partei die Oberhand gewonnen hat. Das soll in der offiziösen Presse beleuchtet werden. Reims, 10. September 1870 586*. Friesen an Könneritz Friesen, Erinnerungen III S. 132–133. Erlaß.

In allen deutschen Staaten ist eine unwiderstehliche Bewegung entstanden, die nach Neubeginn strebt; die Deutsche Frage muß definitiv geregelt werden. Preußen gebührt die Zusammenfassung aller militärischen Kräfte. Am inneren Aufbau sollen alle Bundesstaaten einen angemessenen Anteil haben. Dresden, 10. September 1870

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587. Reuß an Thile, St. Petersburg, 10. September 1870

587. Reuß an Thile PA Berlin, RZ 201/6244, S. 272–275. Privatdienstbrief. Behändigte Abschrift. ­Praes.: 12. September (im AA), 16. September 1870 (in Meaux).

[o.Nr.]

St. Petersburg, 10. September 1870

Aus meiner Expedition werden Sie sehen, wie mächtig der Brief des Königs470 dazu beigetragen hat, daß sich der Kaiser an diesen Gedanken gewöhnt. Gortschakoff thut alles Mögliche, um dies zu verhindern. Warum? Das läßt sich noch nicht recht entziffern. Er behauptet, es sei dies aus Interesse für die Dauerhaftigkeit des Friedens. Es ist dies möglich, weil sich dieser Standpunkt vertheidigen läßt, wenn man nicht fühlt, wie die Deutsche Nation heute fühlt. Andrerseits scheint mir, daß er in dieser Auffassung nur das Organ der altrussischen Partei ist. Denn darüber darf man sich keine Illusionen machen: Der Kaiser steht mit seiner Sympathie z i e m l i c h isolirt da; unsere Siege haben uns wohl Bewunderer, aber noch vielmehr Neider und Furchtsame eingebracht. Letztere, die große Mehrzahl des russischen denkenden Publikums, gönnen uns keine realen Siegespreise und fürchten einen Machtzuwachs Preußens wie eine noch größere Schwächung Frankreichs. Das Gefühl des Mitleides für dieses fängt auch an zu wachsen. Die Bewunderer selbst möchten, daß wir uns bloß mit der gloire begnügen möchten; weil eine Eroberung dem Kriege seinen schönsten Charakter, den der Erhebung eines Volkes zur Abwehr eines frechen Angriffs, nehmen würde. Diese sentimentale Ansicht ist sehr verbreitet. Wenn nun auch Gortschakoff mit seiner Ansicht durchdringen sollte, so würde dies immer noch keine bedenklichen Folgen haben. Denn Niemand wird versuchen, uns an dem Länder-Erwerb zu hindern. Der glücklich angebahnte Briefverkehr zwischen den beiden Monarchen ist sehr nützlich. Der Kaiser wird dadurch immer mehr von den anderen übelwollenden Neutralen isolirt und, ohne daß er es merkt, in ein tête-à-tête mit uns hineingeschoben. Das gerade wollte Beust verhindern, seine Ungeschicklichkeit hat dies nur begünstigt. Ich will noch nicht victoria schießen lassen, aber ich denke, die Sachen sind wenigstens auf meinem hiesigen Gefechtsfeld in gutem Zuge. Schützengräben und Verhaue wird es aber noch genug geben, auf die man gefaßt sein muß. Großfürst Constantin ist wieder hier und die Großfürstin Marie471 noch hier. 470  Oben Nr. 559*. – Zum folgenden: „an diesen Gedanken“ – des Erwerbs französischer Gebiete durch Deutschland (Elsaß und Lothringen). 471  Konstantin Nikolaevič (1827–1892), Großfürst; Bruder des Zaren; Großadmiral. – Marija Nikolaevna (1819–1876), Großfürstin; Schwester des Zaren.

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589. Brassier an Bismarck, Florenz, 11. September 1870

Es ist möglich, daß Peter von Oldenburg derartigen Unsinn hier verbreitet; er hat nicht viel Stimme im großen Rath. Gestern hielt er mir einen längeren Vortrag über den Fehler eines Länder-Erwerbes. Die meisten der heimkehrenden Russen legen hier Zeugniß ab, daß es bei der in Deutschland herrschenden Stimmung ohne den nicht abgehen könnte. Wollen Sie diesen Brief abschriftlich an Graf Bismarck mittheilen, so habe ich nichts dagegen. Mit etc. 588. Bismarck an Thile PA Berlin, RZ 201/8422, S. 205–206. Telegramm (in Ziffern). Ausfertigung.

No. 14.

Reims, 11. September 1870

Den in dem anliegend wieder beifolgenden Bericht des Generals von Schweinitz No. 271 vom 4. d.M. vorgelegten Ausschnitt des Wiener Fremdenblatts von demselben Tage bitte ich in der Presse in dem Sinne besprechen zu lassen, daß wir die darin dargelegte Ansicht über den beiderseitigen Werth eines freundschaftlichen Verhältnisses zwischen Deutschland und Oesterreich theilen und unsererseits immer dazu bereit gewesen sind, daß aber die persönliche Politik des Grafen Beust, deren Ziele sich durch die Berufung des H. Klaczko nach Wien und seine ganze Haltung in der Neutralitätsfrage genugsam kund gegeben haben, das Hinderniß der Verwirklichung gewesen.

589. Brassier an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7552, S. 143–144. Telegramm. Entzifferung.

No. 59.

Florenz, 11. September 1870, 3 Uhr 50 Min. Nachm. Ankunft: 11. September 1870, 10 Uhr 50 Min. Nachm.

Die französische Regierung hat durch Chev. Nigra Visconti Venosta ersuchen lassen, bei Ew. Excellenz anzufragen, ob Seine Majestät geneigt sei, auf Friedens-Unterhandlung einzugehen mit Waffenstillstand und auf welche Bedingungen. Gleiches Gesuch sei an England und Rußland gestellt, wahrscheinlich bereits ausgeführt, doch wolle Italien bei solchem Friedenswerk nicht zurückbleiben. Die Nacht soll römische Grenze überschritten werden472. 472  Durch italienische Truppen. – Mit der Besetzung des Kirchenstaats einschließlich Roms war die italienische Einigung vollzogen.

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590. Thile an Reuß, Berlin, 11. September 1870

590. Thile an Reuß Wojewódzkie Archivum Pánstwowe w Jeleniej Góry (Hirschberg), Stonsdorfer Archiv Nr. 268. Privatdienstbrief.

Berlin, 11. September 1870 Duchlauchtigster Gönner. Vor einiger Zeit (unterm 2. d.M.) hatte ich Graf Bismarck auf die unerfreuliche Haltung Oubrils aufmerksam gemacht. Währen derselbe mir gegenüber stets den Süßen spielte, mir zu allen Siegen gratulirte u.s.w., aber niemals mit einer Silbe der künftigen Friedensbedingungen erwähnte, war er gegen Andre, Diplomaten wie Hiesige, viel offner, predigte „modération avant tout“, verwarf den Gedanken jeder Gebietsschmälerung Frankreichs mit Indignation u. dergl. Namentlich wählte er sich zu Interlokutoren die deutschen Diplomaten, weil er mit Sicherheit berechnen konnte, daß diese mir seine Aeußerungen wiedergeben würden. Ein besonderer Fall steigerte seine Mißstimmung zur höchsten Erbitterung. Ein Professor Mendels[s]ohn Bartholdy473 hatte mit seiner Namensunterschrift einen Artikel der „Kreuzzeitung“ gebracht, worin nebenbei die allzugroße Schonung getadelt ward, mit der auf Rußlands Antrieb Frankreich 1815 behandelt worden. Diese Aeußerung eines Individuums hat Oubril zu einem wahren Wutausbruch gebracht. Mit zitternder Stimme hat er Perglas unter anderem gesagt, man solle nicht vergessen, daß Preußen es n u r Rußland verdanke, wenn es jetzt seine Grenzen von Memel bis Oderberg degarnirt lassen dürfe u. dergl. mehr. Bismarck hat mich beauftragt, auch Sie von dieser Haltung Oubrils zu unterrichten. Indem ich dies tue, muß ich hinzufügen, daß er seit den Ereignissen des 1. u. 2. Septbrs auffallend milder u. weicher geworden sein soll. Nos succès ont eu une influence persuasive et calmante. Ich zweifle nicht, daß Oubril bei seinem f r ü h e r e n gehässigen Verhalten sich bewußt gewesen ist, im Sinne des Kanzlers gehandelt zu haben et qu’il n’a fait peut-être que renchérir sur les intentions de son chef. Es ist dabei nur characteristisch, daß Oubril vor nicht langer Zeit sich über den Fürsten höchst bitter gegen mich äußerte, in einer Weise, die namentlich bei r u s s i c h e n Diplomaten (die sonst so streng geschult sind) wol selten vorkommt. (Es war dies zur Zeit unmittelbar vor dem Kriege, wo er des Fürsten langes Verweilen in Wildbad474 schonungslos characterisirte.) Wenn er jetzt also 473  Karl Mendelssohn-Bartholdy (1838–1897), Professor für Geschichte an der Universität Freiburg seit 1868. – Der im folgenden genannte Artikel wurde nicht eingesehen, da der Jahrgang 1870 der „Kreuzzeitung“ noch nicht online zur Verfügung steht. 474  Wo Gorčakov im Sommer wie alljährlich zur Kur weilte.

399

593*. Bismarck an Flemming, Reims, 12. September 1870

dermaßen in das Gortschakowsche Horn gestoßen hat, so beweist das nur, daß sein Preußenhaß noch größer ist als seine Abneigung gegen G. Verzeihen Sie dies lange Geschwätz. Von Bism. ist die Weisung ergangen, die Haltung Rußlands in der letzen Zeit durch die Presse in alle Himmel erheben zu lassen. Avis au lecteur! In aufrichtiger Verehrung Ihr sehr ergebener 591*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 487. Immediatbericht.

Der Generalgouverneur im Elsaß muß für eine straffere Verwaltung zum Schutz der Eisenbahnlinie Weißenburg – Nancy eine größere Truppenmenge zur Verfügung bekommen. Reims, 12. September 1870 592*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 485–487. Erlaß.

Die neue französische Republik ist auch in Spanien und Italien begrüßt worden. Gegenüber diesen republikanischen Interessen müssen sich Rußland, Deutschland und Österreich zusammenfinden. Ein Hindernis dafür ist die Politik des Grafen Beust. Er soll in Petersburg auf die revolutionäre Propaganda in Europa aufmerksam machen. Reims, 12. September 1870 593*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 488–489. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 400; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 119; BDFA I F XXXII S. 75.

Er ist mit der badischen Regierung ganz damit einverstanden, daß Elsaß und Lothringen ein Reichsland bilden sollen. Die deutschen Fürsten sollen über die Friedensbedingungen gemeinsam beraten. Kann badischerseits nicht auf den bayerischen König eingewirkt werden, daß er über das künftige Verhältnis Süddeutschlands zum Norddeutschen Bund Auskunft gebe? Reims, 12. September 1870

400

596. Thile an Bismarck, Berlin, 12. September 1870

594*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 491–492. Drei Telegramme. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 134.

1. Einwirkung auf italienische Angelegenheiten wegen des Einrückens italienischer Truppen in Rom nicht möglich. – 2. Eine amerikanische Vermittlung im jetzigen Kriege wäre unbequem. – 3. In der Presse wird mißverständlich verbreitet, als führe Deutschland Krieg nur gegen Kaiser Napoleon. Reims, 12. September 1870 595. Roeder an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6245, S. 176. Telegramm. Entzifferung.

No. --

Bern, 12. September 1870, 8 Uhr 50 Min. Vorm. Ankunft (in Reims): 13. September 1870, 2 Uhr 45 Nachm.

Hierher kundgegebene Wünsche der Regierung in Paris: Waffenstillstand und Intervention der Mächte zur Unterhandlung über Friedens-Präliminarien. Viel Geld gern, Terrain nicht. 596. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7552, S. 150. Telegramm. Entzifferung.

No. 123.

Berlin, 12. September 1870, 12 Uhr 25 Min. Nachm. Ankunft: (Großes Hauptquartier) 13. September 1870, 6 Uhr – Min. Vorm.

Könnte nicht in Florenz in irgend einer Form Verwahrung gegen Maaßregeln eingelegt werden, die dem Papste persönlich Gefahren bereiten? Die Wirkung auf unsere Katholiken wäre vortrefflich. Eben so auf die Süddeutschen im Contrast gegen Oestreichs ungroßmächtige Haltung.a a

Zu diesem Telegramm Randvermerk Bismarcks: alte Erklärung. – Dazu vgl. Bismarcks Telegramm an das Auswärtige Amt in: Bismarck, GW VIb S. 496–497.

401

598. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 12. September 1870

597. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6244, S. 280. Telegramm. Entzifferung.

No. 66.

St. Petersburg, 12. September 1870, 5 Uhr 40 Min. Nachm. Ankunft (in Reims): 13. September 1870, 6 Uhr – Vorm.

Im Sinne der Depesche vom 6ten,475 den Kaiser und den Fürsten Gortschakoff gesprochen. Kaiser möchte genauer wissen, welches unsere Bedingungen; begreift, adaß der König genöthig sein könnte, auf Gebietsabtretung zu bestehen;a räth heue Abend wieder mehr davon ab, bweil Friede dann nur Waffenstillstandb, auch Congreß-Idee wieder mehr im Vordergrund. a–a

Dazu am Rand Vermerk Bismarcks: Metz. Straßburg Dazu am Rand Vermerk Bismarck: jeder

b–b

598. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6246, S. 68–63. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 15. September (im AA), 18. September 1870 (in Meaux).

No. 167.

St. Petersburg, 12. September 1870

Nach dem Gespräch mit Seiner Majestät dem Kaiser suchte ich den Fürsten Gortschakoff auf und machte ihm eine genaue Schilderung über das, was zwischen mir und Seiner Majestät verhandelt worden war. Er sagte mir, die Mittheilungen, die ich ihm über unsere Friedensbedingungen gemacht hätte, seien zu vage, um darüber eingehend diskutiren zu können. Unter „strategischer Sicherheit“ könne man allerhand verstehen; er könne sich zwar ungefähr denken, was dieser Ausdruck heißen sollte, es könnte dies aber ebenso viel bedeuten als Schleifung der großen und kleinen Festungen im französischen Grenzgebiet, Grenz-Rektifikationen im Saarthal und dergl. Solche Stipulationen würden dem deutschen Süden unstreitig auch zur Sicherheit dienen. In seiner ferneren Deduktion über eine eventuell beabsichtigte Einverleibung französischer Provinzen sagte er, wenn wir dies durchaus für nöthig hielten, so würde uns Niemand und am Wenigsten Rußland den Krieg machen. Es würde dies aber ein politischer Fehler sein, aund die Kaiserliche Regierung würde die Garantie eines solchen Länderbesitzes nicht mit übernehmen.a Diese Länder wollten nicht von Frankreich sich trennen, bund Letzteres würde nicht eher ruhen, bis sie wieder zu ihm gehören würden.b Die süddeutschen Staaten fürchteten eine solche Acquisition für sich, und die 475  Bismarck,

402

GW VIb S. 476–478.

598. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 12. September 1870

Bewahrung und der Schutz dieser Eroberung, die schließlich doch Preußen zur Last fallen müßte, cwürde uns mehr Verlegenheit als Sicherheit gewähren.c Die Kaiserliche Regierung sei weit davon entfernt, uns in dem hindern zu wollen, was wir zu thun für nöthig finden könnten, sie glaubte uns nur aus bester Ueberzeugung einen freundschaftlichen Rat geben zu sollen. Ich frage ihn darauf, wie er sich den von ihm so lebhaft gewünschten Congreß dächte, und machte die Bemerkung, daß es für das Zustandekommen des Friedens jedenfalls sehr viel besser sein würde, wenn die anderen Mächte nicht an den Verhandlungen theil nehmen, sondern, Falls dies durchaus nothwendig sein sollte, das Geschehene nachträglich sanktionirt würde. Der Kanzler erwiderte, Letzteres könne sich mit der Würde der Großmächte nicht vereinigen lassen, wenigstens würde er seinerseits dem Kaiser abrathen, seinen Namen zu einer bloßen Einregistrirung einer bereits erfolgten Thatsache herzugeben. Er dächte sich die Sache folgendermaßen: Deutschland würde jetzt mit den französischen Unterhändlern sich über die Präliminarien verständigen, in welchen die Hauptsachen bereits stipulirt sein müßten. Dann aber würde die Ausarbeitung des Vertrages dem Areopag Europas überlassen werden. Sobald Frankreich in diesen Präliminarien seine Zustimmung zu den deutschen Forderungen gegeben haben würde, könnte es keiner der Mächte einfallen, dagegen hindernde Bedenken zu erheben, wenigstens würden solche nichts mehr nützen; Deutschland brauche deshalb nicht zu fürchten, daß eine oder die andere mißgünstige Macht ihm hinderlich sein würde. Auch sei vorauszusetzen, ddaß Deutschland die Majorität der Stimmen auf seiner Seite haben werde.d Ein Congreß sei nothwendig, einmal um dem Frieden, dessen Grundzüge bereits zwischen den beiden kriegführenden Mächten vereinbart worden, eine größere Festigkeit zu geben, außerdem aber weil noch manche anderen Fragen angeregt werden dürften, über die es nützlich sein würde, eine kollektive Entscheidung zu treffen. Da mir der Kaiser vom 56er Traktat gesprochen habe, so könne er dies auch thun und mir sagen, daß er entschlossen sei, e denselben wegen seiner Defektuosität als hinfällig zu erklären. Wenn Preußen hierzu seine Zustimmung geben werde,e so würden die anderen Mächte auch nichts dagegen haben. Oestreich habe, wie ich wisse, bereits ffrüher seine guten Dienste angeboten, Italien würde zustimmen, und wenn auch England allerhand Bedenken erheben dürfte, so sei es doch, wie er bestimmt glaube, weit davon entfernt, deshalb Krieg zu machen.f Mit der Türkei würde man schon fertig werden, das Freigeben des Schwarzen Meeres würde ihr außerdem Vortheile gewähren, die sich geltend machen ließen. g Wenn Rußland der Preußischen Unterstützung sicher sein könnte, so würde es im Congreß die Sache schon durchzusetzen wissen.g

403

599. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 12. September 1870

Der Kanzler bat mich, über diesen Punkt das strengste Schweigen zu beobachten, weil es nicht gut sein würde, wenn solche Pläne vor der Zeit ruchbar würden. a–a

Dazu Vermerk Bismarcks am Rand: soll auch nicht Dazu Vermerk Bismarcks am Rand: wird es denn ruhen, wenn es sie behält? will Rußland das verbürgen? d–d Dazu am Rand ein Frage- und ein Ausrufezeichen Bismarcks. e–e Dazu ein doppelter Strich Bismarcks am Rand. f–f Desgleichen. g–g Desgleichen. b–b

599. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6246, S. 65–68. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 15. September (im AA), 18. September 1870 in Meaux.

No. 168.

St. Petersburg, 12. September 1870

Euere Excellenz wollen aus meiner heutigen Berichterstattung hochgeneigtest ersehen, mit welcher Zähigkeit der Reichs-Kanzler an seiner Ansicht fest hält und wie es ihm gelungen ist, derselben auch beim Kaiser Eingang zu verschaffen. Es will mir indessen nicht scheinen, als wenn die Abneigung gegen einen Länderzuwachs Deutschlands so weit gehen würde, daß Rußland einen ernstlichen Widerspruch dagegen erheben werde. Der Kaiser glaubt wirklich, daß er uns einen Dienst erweist, wenn er uns auf die Gefahren einer solchen Combination aufmerksam macht und uns davon abräth. Fürst Gortschakoff verficht diese Ansicht, indem er sich auf dieselben Gründe stützt. Bei ihm dürften aber noch andere Motive vorwalten. Die Partei im Lande, mit der er gerne liebäugelt, hat Mitleiden mit Frankreich und ist entschieden gegen einen Machtzuwachs Deutschlands. Aber nicht nur diese Partei, sondern auch viele unserer Freunde und Bewunderer sprechen sich gegen eine Eroberung aus, weil sie meinen, aDeutschland und namentlich Preußen würden größer in der Geschichte dastehen,a wenn es sich mit bdem unvergleichlichen Ruhm, den es geerntet, begnügen wollte.b Alle diese Stimmen üben einen großen Einfluß aus. Dazu kommen Insinuationen, wie es scheint, diesmal von verwandter Seite aus Baden476, c, welche die Demonstrationen in Deutschland als künstlich hervorgebracht schildern. Dagegen fehlt es auch nicht an Stimmen, die letzteren Punkt widerlegen. Die Frau Großfürstin Helene in erster Linie arbeitet eifrig in unserem Sinne, 476  Gemeint ist Prinzessin Maria Maximilianowna Romanowska(ja) (1841–1914), Tochter des verstorbenen Herzogs Maximilian von Leuchtenberg.

404

600*. Denkschrift Brays, [München] 12. September 1870

und ich gebe ihr dazu alle nur möglichen Mittel an die Hand. Sie weiß die Erzählungen von Russen zu verwerthen, die aus Deutschland kommen, und hoffe ich, daß das Zeugniß des Herrn von Titoff477, der heute aus Stuttgart angekommen, sofort bei Ihren Majestäten gespeist hat, einen gewissen Eindruck gemacht haben wird. Er hat in begeisterten Worten von dem gewaltigen Erwachen des National-Gefühls in Deutschland erzählt, und namentlich hervorgehoben, daß Jedermann eine Gebiets-Abtretung zur Sicherung der Grenzen verlange. Er bestätigt mir, daß die Süddeutschen Regierungen von dieser Gebiets-Erweiterung zwar nicht profitiren wollten, weil sie sich dazu zu schwach fühlten, daß sie trotzdem aber, auch die Königin Olga, dieselbe für nöthig hielten. Fürst Gortschakoff giebt auch den Rath, mit der französischen de facto Regierung zu verhandeln, weil eben keine andere vorhanden sei. Er theilte mir ein Telegramm des Herrn Okunieff mit, wonach Herr Jules Favre diesem gesagt hat, er habe im Hauptquartier des Königs sondiren lassen und erfahren, daß Seine Majestät nur mit der Regentschaft478 als der jetzt einzigen legalen und anerkannten Regierung Frankreichs zu unterhandeln geneigt seien. Oesterreich hat sich hier in letzter Zeit nicht vernehmen lassen dund Lord Granville hat nur mitgetheilt, daß er die Wünsche Jule Favre’s an Euere Excellenz gelangen lassen werded. a–a

Dazu Vermerk Bismarcks am Rand: ist unsere Sache Dazu Vermerk Bismarcks zwischen den Zeilen mousseux! bald schaal! c Von Bismarck doppelt unterstrichen; dazu am Rand zwei Ausrufezeichen. d–d Dazu von Bismarck ein Strich am Rand gesetzt. b–b

600*. Denkschrift Brays Bray, Denkwürdigkeiten S. 136–139. – Vgl. auch Delbrück, Lebenserinnerungen II S. 415–418.

Für die Verhandlungen mit Minister Delbrück verfaßt und König Ludwig II. vorgelegt. – 1866 hatten die süddeutschen Staaten den Eintritt in den Norddeutschen Bund abgelehnt. Jetzt ist der Zwang zum Eingehen eines nationalen Bündnisses für Bayern entstanden. Um die eigene Souveränität zu erhalten, müssen Bedingungen gestellt werden, u. a. das diplomatische Recht;

477  Vladimir Pavlovič Titov (1807–1891), russischer Gesandter in Stuttgart 1858– 1865; danach Mitglied des Reichsrats. 478  Über den Versuch, eine neue Regierung in Paris nach dem Debakel des 2. September zu etablieren, vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 378–380.

405

603*. Runderlaß Bismarcks, Reims, 13. September 1870

die militärische Oberhoheit im Frieden; eigene Gesetzgebung; selbständige Leitung des Post-, Telegraphen- und Eisenbahnwesens. [München] 12. September 1870 601*. Tagebucheintragung Schweinitz’ Schweinitz, Denkwürdigkeiten I S. 276.

Unterredung mit Andrássy: „Sie mögen Elsaß und Lothringen nehmen, uns ist das egal […]. Ob es zweckmäßig ist, jene Provinzen zu annektieren, ist eine andere Frage.“ – Schlechte Behandlung des Grafen Chotek in Petersburg. [Wien] 12. September 1870 602*. Visconti Venosta an Launay DDI I,13 S. 530. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 534–535, 539–540, 546, 547, 548–549, 560–561, 566–567.

Die provisorische französische Regierung hat dringend gebeten, daß Botschafter Nigra ins preußische Hauptquartier gehen möge, um den Wunsch nach einem Waffenstillstand zu überbringen, durch den Friedensverhandlungen eingeleitet werden sollen. Dieser Vorstoß könnte erfolglos sein, solange deutsche Truppen nicht Paris eingeschlossen hätten und Frankreich auf territorialer Unversehrtheit bestehe. Florenz, 12. September 1870 603*. Runderlaß Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 493–494. Runderlaß. – Vgl. auch ebenda S. 500–502; DDI II,1 S. 24–27; BDFA I F XXXII S. 165–169.

Frankreich wird allein aufgrund der Niederlage auf Revanche sinnen. Deutschland bedarf deshalb der Garantien für die Zukunft. Die schutzlose süddeutsche Grenze muß zurückverlegt werden, und die Festungen Metz und Straßburg müssen an Deutschland fallen. Reims, 13. September 1870

406

606. Thile an Bismarck, Berlin, 15. September 1870

604*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 494–496. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 528–529; Doeberl, Bayern S. 244–278.

Bray fragt, wie das künftige Deutschland organisiert werden solle; Minister Delbrück kommt zu Besprechungen nach München. Château-Thierry, 15. September 1870 605*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 496–497. Telegramm.

Das Interesse an der Römischen Frage ist bedingt durch das Bedürfnis der preußischen Katholiken, den Papst (nach dem Einrücken italienischer Truppen in Rom) „in […] würdiger Stellung“ zu sehen. Meaux, 15. September 1870 606. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 200. Telegramm. Entzifferung.

No. 131.

Berlin, 15. September 1870, 12 Uhr 6 Min. Nachm. Ankunft: 15. September 1870, 10 Uhr 45 Min. Nachm.

Die von Eurer Excellenz befohlene Polemik gegen Graf Beust ist mit einem Artikela von Bucher in Spener479 eröffnet worden. Derselbe hat, wie General Schweinitz berichtet, dem Grafen Beust beinen Theil seiner verlorenen Popularität wieder verschafft.b a

Dazu Randvermerk Bismarcks: Ich bitte um den Artikel Dazu Randvermerk Bismarcks: so rasch?

b–b

479  „Spenersche Zeitung“: So der Name eigentlich nur 1872–1874; davor „Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen“, 1735 gegründet; im 19. Jahrhundert eine von drei Tageszeitungen in Berlin; 1874 ging sie in die „Nationalzeitung“ auf. Der hier gemeinte Artikel vom Montag, 12. September 1870, Extrablatt, Nr. 11, S. 1: „Unser Verhältnis zu Oesterreich“. Am Schluß des Artikels heißt es: „Wenn wir es aussprechen, wie gern Norddeutschland diese Sympathien erwiedert, […] so haben wir eine Mißdeutung und unfreundliche Aufnahme nur von einer kleinen Coterie ehrgeiziger Elemente zu besorgen, welche leider von dem Mann, den der Kaiser in einem unglücklichen Augenblick zu seinem ersten Rathgeber gewählt hatte, zu s e i n e n Zwecken benutzt werden.“ Vgl. zum ganzen und zum folgenden Schweinitz, Denkwürdigkeiten I S. 274–276.

407

608. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 15. September 1870

607. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6246, S. 264–265. Telegramm. Entzifferung.

No. 251.

London, 15. September 1870, 12 Uhr 55 Min. N. Ankunft (in Meaux): 16. September 1870, 8 Uhr --. V.

Lord Granville hat aus eigenem Antriebe durch Lord Lyons Herrn Favre fragen lassen, ob er bereit sein würde, in persönliche Verhandlungen mit Eurer Excellenz zu treten, wenn ihm versichert würde, daß er mit gebührender Achtung empfangen würde. Lord Granville schreibt mir in einer dringenden Note, er glaube der Sache des Friedens zu dienen, indem er den kriegführenden Theilen die Möglichkeit verschaffte, in directe Beziehungen zu einander zu treten, und sei der Ansicht, daß eine solche Unterredung wohl würde Beifall finden können, ohne daß dadurch eine Anerkennung der jetzigen Regierung Frankreichs ausgesprochen würde. Lord Granville bittet mich nun, folgende Antwort Herrn Favre’s ohne Verzug zu Eurer Excellen Kenntniß zu bringen: „Ich nehme mit Genugthuung das Anerbieten Lord Granville’s an, für mich eine Unterredung mit Graf Bismarck zu erleichtern, da ich wünsche, von ihm seine Bedingungen für einen Waffenstillstand und, wenn nöthig, für die Basis eines Friedens-Vertrages kennen zu lernen.“ 608. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6248, S. 74–77. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 20. September, (in Ferrières) 24. September 1870.

No. 170.

St. Petersburg, 15. September 1870

Seine Majestät der Kaiser hatte die Gnade, mir gestern einen Bericht des Russischen Botschafters in Constantinopel480 vorzulesen, um daran einige Betrachtungen zu knüpfen. General Ignatieff macht eine Schilderung der verächtlichen Haltung der Türkei seit dem deutsch-französischen Conflict. In demselben Maße, wie die dortige Regierung Anfangs Preußen feindlich gewesen sei, so sei sie jetzt voller Enthusiasmus für unsere Erfolge und wünsche, daß Preußen einen baldigen und energischen Frieden ohne Einmischung Anderer abschließen möchte. Der Sturz des Kaisers Napoleon würde als verdiente Strafe bezeichnet. 480  Nikolaj Pavlovič Ignat’ev (1832–1908), russischer General; Gesandter in Konstantinopel 1864–1878.

408

608. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 15. September 1870

Daneben hat aber Aali Pascha nicht unterlassen, den Russischen Botschafter darauf aufmerksam zu machen, daß das starke Deutschland leicht eine Gefahr für Rußland werden könnte, und Mißtrauen zu erwecken gesucht. Er hat gesagt, Preußen würde seine Hand nach den Ostsee-Provinzen ausstrecken, auch vielleicht versuchen, Polen (!) wiederherzustellen. Nach dem Bericht des General[s] Ignatieff hat derselbe dem Großvezier sehr entschieden geantwortet und ihm gesagt, daß Preußen nun und nimmermehr Absichten auf die Ostsee-Provinzen haben werde. Diese Furcht sei eine Erfindung der russischen Presse, der es darum zu thun sei, ihre Russificirungs-Absichten durch Erweckung von Mißtrauen gegen Preußen zu fördern. Der General bemerkt dabei, daß er überhaupt vielfach dem Bestreben begegne, Zwietracht zwischen Rußland und Preußen zu säen. Er schlägt vor, diesem Bestreben mit einem Schlag dadurch ein Ende zu machen, daß man sich Preußischerseits in Constantinopel einmal entschieden über das gute Verhältniß ausspreche, welches zwischen beiden befreundeten Höfen besteht und welches neuerdings wieder einen Ausdruck in der freundschaftlichen Haltung im jetzigen Kriege gefunden habe. Man müsse der Pforte zeigen, daß sie nicht auf eine Differenz zwischen den beiden Höfen spekuliren könne. Preußen und Deutschland hätten keine Interessen, sich direct in die Orientalischen Angelegenheiten zu mischen, für diese Interessen Rußlands wäre es aber wichtig, wenn die Pforte die Ueberzeugung gewinne, daß sie niemals darauf werde zählen können, das mächtige Deutschland gegen Rußland eintreten zu sehen. Der Kaiser bemerkte hierzu, daß sei auch Sein Wunsch. Rußland habe keine ambitiösen Absichten auf die Türkei, das habe Er mir schon oft versichert. Niemand könne sich aber der Ansicht verschließen, daß die Orientalische Frage früher oder später einmal wieder auf die Tagesordnung kommen werde. Sollte dies eintreten, dann hoffe Er, daß Preußen Ihm wenigstens seine m o r a l i s c h e Unterstützung gewähren werde, Er habe dies wohl um Preußen durch Seine jetzige Haltung verdient. Ich wiederholte Seiner Majestät, was ich bereits erklärt habe, daß nämlich das Cabinet Seiner Majestät gerne bereit wäre, etwaige Wünsche Rußlands mit Beziehung auf den 1856er Traktat zu berücksichtigen. Da der Kaiser auch die Stelle der Depesche, in der von der Russischen Presse die Rede ist, hervorhob, so benutzte ich dies, um mich in bitterem Tadel über die feindselige Haltung derselben zu ergehen und hervorzuheben, wie es jenen Leuten darum zu thun sei, die öffentliche Meinung gegen Deutschland in jeder Weise aufzureizen. Wenn dies so fort gehe, so würde man es über lang oder kurz zu einem Bruch beider Nachbarstaaten bringen oder doch wenigstens das freundschaftliche Verhältniß empfindlich stören. Es sei meine Pflicht, Ihm diese Gefahr jetzt zu signalisiren.

409

609. Schweinitz an Bismarck, Wien, 15. September 1870

Der Kaiser gab mir vollkommen Recht und sagte, dahin sollten es diese Leute nicht bringen. 609. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 215–216. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 17. September, (in Ferrières) 23. September 1870.

No. 296.

Wien, 15. September 1870

Es liegt mir fern, mich zum advocatus diaboli aufzuwerfen, aber es ist meine Pflicht, gehorsamst auszusprechen, daß es schwer ist, einen weniger geeigneten Moment, wie den jetzigen, zu Angriffen auf den OesterreichischUngarischen Reichskanzler zu wählen. Die Preußische Presse scheint es der Oesterreichischen möglich machen zu wollen, aden Grafen Beust mit dem gerichteten Freiherrn von Stein481 zu vergleichen.a Man darf nicht vergessen, daß die deutsche Verfassungs-Partei im Reichskanzler bden Garanten für Erhaltung oder wenigstens Schonung dieser Verfassung siehtb; daß die Literaten ihm grade jetzt durch seine Römische Politik verpflichtet sind, daß man endlich, gleichviel ob mit Recht oder Unrecht, es dem Reichskanzler zuschreibt und ihm dafür Dank weiß, daß er den zur französischen Allianz treibenden Elementen widerstand, Oesterreich vor Theilnahme am Kriege und dadurch vor großem Unglück bewahrte. Was Graf Beust gethan haben würde, wenn die ersten Erfolge auf französischer Seite gewesen wären, ist eine andere Frage oder ist vielmehr keine Frage, gehört aber nicht hierher. Wie es mit der Verfassung steht, geht aus meinem gehorsamsten Berichte hervor; des Reichskanzlers Stellung in der Europäischen Gesammt-Politik, nachdem er seine französische Stütze verloren hat, cist klarc; die Grube, in die er sich selbst gräbt, ist bald fertig; man kann ihm keinen größeren Dienst leisten, als wenn man ihn in dieser Arbeit stört482. a–a

Dazu am Rand ein Ausrufezeichen durch Bismarck. Dazu am Rand ein Fragezeichen durch Bismarck. c–c Von Bismarck unterstrichen und am Rand zwei Fragezeichen. Dazu der Vermerk (am Schluß): das ist sie aber nie! b–b

481  Karl Reichsfreiherr vom und zum Stein (1757–1831), preußischer Politiker und Reformer. – Er wurde nach der Niederlage Preußens von Napoleon I. geächtet, flüchtete nach Österreich, bis ihn Kaiser Alexander I. als Berater nach Rußland rief. 482  Dazu vgl. Schweinitz, Denkwürdigkeiten I S. 277.

410

610. Arnim an Bismarck, Rom, 15. September 1870

610. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7581, S. 437–442. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: (im AA) 22. September, (in Ferrières) 25. September 1870.

[o.Nr.]

Rom, 15. September 1870

Da alle Verbindung zwischen Rom und dem übrigen Europa aufgehört hat, schicke ich den Grafen Stirum mit diesem vorläufigen Bericht nach Turin oder, wenn er es für nöthig erachtet, nach Florenz, um von dort Telegramme zu expediren und Informationen einzuholen. Nachdem ich in Wien mit dem Nuntius und Herrn Minghetti483 längere Unterredungen gehabt und in Florenz H. Visconti Venosta ausführlich gesprochen, konnte mir kaum noch ein Zweifel bleiben, daß es nicht möglich sein würde, Rom vor einer Catastrophe zu bewahren. Das Florentiner484 Ministerium ist überzeugt, daß die Italienische Monarchie und mit derselben der Kirchenstaat unrettbar eine Beute der rothen von Frankreich unterstützten Revolution werden würden, wenn die Königlichen Truppen nicht schleunig der Republik zuvorkommen. Diese Ueberzeugung mag irrthümlich sein – was mich betrifft, so theile ich sie. In Rom beharrt man auf dem freilich ganz unanfechtbaren Standpunkt des Völkerrechts, verweigert jedes Eingehen auf die thatsächliche durch den Preuß.-Französischen Krieg so sehr veränderte Sachlage und weist die Rücksicht auf die in der Republik liegende Gefahr mit dem Bemerken zurück, daß die Republik durch die Besetzung Roms mit den Italienischen Truppen nur beschleunigt werden würde. In diesem Sinne hat der Papst dem Grafen Ponza di San Martino485 geantwortet. Meine Reise von Rom nach Florenz war einigermaßen durch die bereits eingetretene Kriegssituation erschwert. Durch bereitwilligst angeordnete Einrichtung eines Spezialzuges von Turin ab machte mir der Kriegsminister aber möglich, bis Passo Correse – 40 Kilometer von Rom – per Eisenbahn zu gelangen. Dort waren die Italienischen Vorposten, welche ihrerseits mit den päpst­ lichen Vorposten wegen meiner Weiterbeförderung parlamentirten. Nach 483  Monsignor Mariano Falcinelli-Antoniacci (1800–1874), Erzbischof; Apostolischer Nuntius in Wien 1863–1874. – Marco Minghetti (1818–1886), italienischer Diplomat und Minister; Gesandter in Wien August 1870 – Juni 1871. 484  Die italienische Regierung befand sich damals noch in Florenz und siedelte bald nach der Besetzung des Kirchenstaats und Roms in diese Stadt über. 485  Coriolano conte Ponza di San Martino (1842–1926), Hauptmann in der italienischen Armee; später General, Generalstabschef und Kriegsminister.

411

610. Arnim an Bismarck, Rom, 15. September 1870

4 Stunden kam endlich die Erlaubniß des General-Kanzlers486, und ich konnte meine Reise mit Eskorte Päpstlicher Dragoner bis Rom fortsetzen. Die ganze Comödie wurde mit vielem Ernste in Scene gesetzt. Leider sind auch ganz unnöthigerweise Brücken zerstört, Eisenbahnen aufgerissen, Häuser gesprengt, ohne daß es möglich wäre einzusehen, in welchem Verhältniß diese Maßregeln zu der beabsichtigten militairischen Kraftäußerung stehen. Meine Ankunft, welche schon erwartet worden war, machte zu meinem Bedauern den von mir vorausgesehenen Eindruck, daß der Italienischen Armee nun wohl „Halt“ zugerufen werden würde. Gleich nach meiner Ankunft verfügte ich mich zu dem Cardinal487, welcher in dieser Beziehung wohl am kühlsten denkt, fand ihn aber doch auch unter dem Eindruck, daß ein Wort von uns genügen würde, um die Italienische Regierung aufzuhalten. Heut sah ich – abends 7 Uhr – den Papst. Die Italienische Sommation war soeben angekommen. Sie verlangte Auflösung der fremden Regimenter und Einlaß einer Königlichen Garnison, behufs Sicherung der Ordnung und Schutzes des Papstes in Rom. Der Kriegsminister hatte schroff ablehnend geantwortet. Ich fragte den Papst, welcher mir Mittheilung von diesem Vorgang machte, ob damit alle Verhandlung abgeschnitten sei. Es käme nach meiner Meinung nur darauf an, Zeit zu gewinnen. Wenn Er mir erlauben wolle, mich freimüthig über die Sachlage zu äußern, so würde ich vorschlagen, von den beiden Forderungen des Italienischen Generals die erste zu erfüllen unter der Bedingung, daß die Italienischen Truppen die Stadt Rom nicht besetzten, ehe nicht – nach Herstellung des Friedens – die Europäischen Mächte gehört worden seien. Ich hätte Grund anzunehmen, daß das Florentiner Cabinet auf diesen Vorschlag eingehen würde. Die Italienischen Regimenter in den Diensten des Papstes reichen vollständig aus, um die Ruhe in der Stadt zu erhalten. Nach Seiner Heiligkeit Meinung sei eine Vertheidgung Roms um der militairischen Ehre willen nötig; auch käme es darauf an zu konstatiren, daß eine Vergewaltigung Statt gefunden habe. Nun solle aber die Vertheidigung der Stadt nur eine Demonstration von einigen Stunden sein – so wie der Papst selbst eben gesagt hatte, und man könne wohl zweifeln, ob damit wirklich der militairischen Ehre Genüge geschehe. Die Vergewaltigung sei durch die Anwesenheit von 50.000 Mann rings um den Römischen Trichter herum hinreichend konstatirt. Heute könne

486  Hermann Kanzler (1822–1888), General des Kirchenstaats; Pro-Minister der Waffen (Kriegsminister) und Oberkommandierender der Päpstlichen Armee im Kirchenstaat 1865 – September 1870. 487  Antonelli. – Zum folgenden vgl. auch Schulthess’ Europäischer Geschichts­ kalender 11 (1870) S. 433.

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610. Arnim an Bismarck, Rom, 15. September 1870

man durch die Entlassung der Fremden488 noch bedeutende Vortheile erreichen. Morgen würde sie nach wenig glorreichem Kampfe erzwungen werden, und man sei dann in den Händen eines siegreichen Feindes. Ich wisse aber mit Bestimmtheit, daß es der Italienischen Regierung sehr unangenehm sein würde, gegen Deutsche und Französische Soldaten fechten zu müssen, und sie würde wahrscheinlich ein Provisorium annehmen, um dieser fatalen Nothwendigkeit zu entgehen. Sei die Italienische Regierung einmal in Rom etablirt, werde es schwer sein, sie wieder zu entfernen. Könne sie jetzt nicht in die Stadt, würde die Gefahr vielleicht für immer beseitigt. Der Papst wollte auf diesen Ideengang sich nicht einlassen. Er sprach nur den Wunsch aus, daß wir auf Florenz wirken möchten, um die Truppen zum einfachen Rückzug zu bewegen. Daß es hiezu zu spät ist, wollte er nicht einsehen. Der Papst sprach dann von dem Zustande, welcher n a c h der Okkupation eintreten wird. Er sagte, daß Alles zur Abreise bereit sei, wenn sie nöthig werden sollte. Sie wird ohne Zweifel nöthig werden. Denn der Papst hat bereits eine Allokution verfertigt, welche geeignet sein soll, die Koexistenz beider Gewalten in Rom unmöglich zu machen. Aeußerlich vernehme ich daß der Papst n i c h t nach Malta gehen will, sondern nach einem Mittel-Europäischen Lande, wo er seine zahlreichen Einflußmittel wirksam machen kann. Man nannte Antwerpen. Ich weiß nicht, mit welchem Grund. Der Cardinal sagte mir, daß er sich vielleicht an uns wenden würde, um die Abreise des Papstes zu ermöglichen. Die Etablirung des Päpstlichen Exils in Belgien würde für uns unbequem sein, und ich möchte glauben, daß das mindeste Uebel sein würde, ihm in Deutschland einen schicklichen Aufenthalt anzubieten. Der Kardinal ist jedem Vorschlag, welcher zum Zweck hat, Zeit zu gewinnen und Italien durch Abschlagszahlungen hinzuhalten, bis Europa sein Gleichgewicht wiedergefunden hat, ebenso unzugänglich wie der Papst. Dagegen theilen die intelligentesten Prälaten, Franchi und Merode489, vollständig meine Ansicht und mißbilligen die Redensarten von militairischer Ehre, welche im Hinblick auf die beabsichtigte Scheinvertheidigung gar keinen Sinn haben.

488  Gemeint:

mee.

der fremden – nichtitalienischen – Angehörigen der Päpstlichen Ar-

489  Alessandro Franchi (1819–1878), Nuntius in Madrid 1868–1869; Mitglied des Vatikanischen Konzils 1869 – Oktober 1870; Präfket der Kongregation De Propaganda fide 1874–1878. – Monsignor Saverio de Merode (1820–1874), Erzbischof; GeheimAlmosenier 1865 – September 1870.

413

612. Bismarck an Schweinitz, Meaux, 16. September 1870

Es ist nicht unwahrscheinlich, daß Rom in dieser Nacht von den Truppen, welche rechts von Ponte molle auf den Höhen bei For di Quinto lagern, angegriffen wird. Ich habe diesen Bericht bei Nacht in großer Eile schreiben müssen. Ew. Excellenz bitte ich, ihn zur etwaigen Unterbreitung für Seine Majestät abschreiben lassen und mir das Original oder eine zweite Abschrift geneigtest zugehen lassen zu wollen. 611. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/6246, S. 190. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept (zum größeren Teil eigenhändig.

No. 53. Meaux, 16. September 1870 Abgangsvermerk: Zur Station 16. September 1870, 12 Uhr 10 Nachm. So lange die Pariser Regierung zum Kriege und zur Verwerfung jedes für Deutschland annehmbaren Friedens die Volksleidenschaft aufreizt, sich selbst also die Möglichkeit, Frieden zu schließen, künstlich erschwert, anstatt die Nation im Sinne des Friedens vorzubereiten, können wir an ehrliche Verhandlungen nicht glauben. Das Haupthinderniß des Friedens sehe ich in der Hoffnung der Franzosen auf diplomatische oder materielle Intervention der neutralen Mächte; es ist daher eine Grausamkeit der letzteren, die den Krieg verlängert, wenn sie diese Hoffnung nicht positiv abschneiden. 612. Bismarck an Schweinitz PA Berlin, RZ 201/8422, S. 209. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 12.

Meaux, 16. September 1870 [kein Abgangsvermerk]

Erhalte eben Spener490 vom 12. d. Widersprechen Sie in meinem Namen bei Beust und sonst jeder Vermuthung, als ob der Artikel officiös sei oder von mir gebilligt worden. Wir wollen gutes Verhältniß zur Oesterr.-Ungarischen Monarchie, ohne uns innerhalb derselben an ein anderes Element als an die Regierung des Kaisers anzulehnen.

490  Oben

414

Nr. 606 und Anm. 479.

616*. Bismarck an Bernstorff, Meaux, 16. September 1870

613*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 497. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 499–500, 502 (Nr. 1809), 518–519; BDFA I F XXXII S. 80, 88–89.

Es bestehen keine Bedenken mehr, mit J. Favre via London in Kontakt zu kommen. Meaux, 16. September 1870 614*. Bismarck an Reuß Europa und die Türkei Nr. 1018. Telegramm.

Er soll sich vorsichtig dazu äußern, daß Preußen Rußlands Wunsch, die Schwarzmeerklausel von 1856 abzuschaffen, bereitwillig unterstützen werde. Meaux, 16. September 1870 615*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 497–498. Erlaß.

Ein Bombardement von Paris ist derzeit kaum möglich. – Auch wenn die Mehrheit der Elsässer französisch gesinnt sein mag, ist die strategische Sicherung Süddeutschlands unabdingbar. Meaux, 16. September 1870 616*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 502–503. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 503–504, 551–553.

Wer in Frankreich regiert, ist gleichgültig. Wir müssen aber wissen, ob die derzeit stärkste Kraft, die Armee Bazaine491, zum Kaiser oder zur Republik halte. Meaux, 16. September 1870

491  François Achille Bazaine (1811–1888), Marschall von Frankreich; im DeutschFranzösischen Krieg 1870 Oberbefehlshaber des 3. Armeekorps, dann der bei Metz konzentrierten Rheinarmee; 1873 durch Kriegsgericht zum Tode verurteilt; dieses Urteil zu 20jähriger Haft ermäßigt, der sich Bazaine 1874 durch Flucht nach Madrid entzog.

415

619*. Bismarck an Brassier, Meaux, 17. September 1870

617. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 207. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 137. Berlin, 16. September 1870 Abgangsvermerk: Zur Zentralstation 16. September 11 Uhr 20 M. Vorm. Erlaß No. 14 mit meinem Telegramm No. 131 gekreuzt. Polemische Ansichten gegen Beust werden von den zugänglichen Blättern ungern aufgenommen. Die Redactionen bemerken, es liege kein thatsächlicher Anhaltspunkt vor, u. theilen die Ansicht von Schweinitz. Soll die Polemik dennoch so weit thunlich fortgesetzt werden? Sie wird überdies dadurch etwas erschwert, daß Beust in der Presse Andrassy und die Ungarn als eigentliche Friedensstörer darstellen läßt. 618*. Malet492 an Lyons BDFA I F XXXII S. 89–90. – Vgl. auch ebenda S. 98–99.

Unterredung mit Bismarck in Meaux: Ein Waffenstillstand könne abgeschlossen werden; Favres Antwort sei wortreich; er glaube, daß die Neutralen Frankreich retten könnten; Frankreich habe Deutschland bisher 27mal überfallen; wir wollten weder das Elsaß noch Lothringen, aber wir müßten auf Straßburg und Metz bestehen; wir würden weiter nach Paris marschieren und es notfalls niederbrennen; Deutschland werde Straßburg und Metz zu noch größeren Festungen ausbauen, als sie es jetzt schon seien; wenn die Provisorische Regierung nicht verhandeln wolle, würden wir Bazaine dazu benutzen und dem Kaiser Napoleon wieder zu seinem Thron verhelfen. Paris, 16. September 1870 619*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 503. Telegramm.

Die Parteinahme Italiens für unsere Gegner wird immer deutlicher. Meaux, 17. September 1870

492  Sir Edward Malet (1873–1908), Zweiter Sekretär bei der englischen Botschaft in Paris 1869 – August 1871.

416

622*. Bismarck an Favre, Meaux, 18. September 1870

620. Brassier an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/7552, S. 193–194. Telegramm. Entzifferung.

No. 60.

Florenz, 17. September 1870, 9 Uhr 50 Min. Nachm. Ankunft: 18. September 1870, 3 Uhr 10 Min. Vorm.

Visconti Venosta theilte mir soeben mit: Graf v. Arnim habe sich nach der 2n Sommation zur Uebergabe in das Hauptquartier des Generals Cadorna493 begeben und ihn aufgefordert, nicht einzurücken, bemerkend, das militairische Element dominire in Rom und werde sich vertheidigen auch gegen den Willen des Papstes. Der General habe aus Rücksicht für die Intervention des Norddeutschen Gesandten 24 Stunden zugestanden, werde aber sodann die Thore forciren müssen, da längeres Zögern unmöglich und militairischer Despotismus fremder Söldner unzulässig. Visconti Venosta bat mich, dies sogleich nach dem Hauptquartier zu telegraphiren, was ich Euerer Excellenz anheimstelle. Frist läuft morgen Mittag ab. 621*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 504–506. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 506–507.

Beust ist auf jeden Fall der große Intrigant, mit dem keine sachliche Politik zu treiben ist. Über Andrássy ist noch kein abschließendes Urteil abzugeben. Meaux, 18. September 1870 622*. Bismarck an Favre Bismarck, GW VIb S. 507–508. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 508, 511 (Nr. 1820); DDI I,13 S. 581–582; BDFA I F XXXII S. 96–98, 106.

Er wird ihn gern empfangen. Meaux, 18. September 1870

493  Raffaele Cadorna (1815–1897), italienischer General; Oberbefehlshaber des 4. Armeekorps September 1870–1873.

417

623. Thile an Bismarck, Berlin, 18. September 1870

623. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7552, S. 204–210. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (in Ferrières): 23. September 1870.

[o. Nr.]

Berlin, 18. September 1870

Ew. Excellenz beehre ich mich, nachstehend den wesentlichen Inhalt eines Privatschreibens vorzulegen, welches H. Visconti Venosta an Graf Launay gerichtet und letzterer mir vorgelesen hat: Hr. Visconti theilt dem Grafen mit, daß Graf Arnim auf der Durchreise nach Rom mit ihm die römische Sache unter Uebergabe eines Schreibens des H. Minghetti vertraulich besprochen habe. Er verschweige, was Graf Brassier berichtet hat, daß Graf Arnim, nachdem er den ihm mitgetheilten Brief Minghettis Herrn Visconti übersandt, von letzterem um eine Unterredung e r s u c h t worden ist: Der italienische Minister beginnt mit der Bemerkung, Graf Launay habe ihm früher berichtet, daß Ew. Excellenz ihm gegenüber die römische Frag als eine rein italienische Angelegenheit bezeichnet hätten, in welcher Norddeutschland sich in keiner Weise einzumischen Anlaß habe; H. Visconti habe danach gehofft, daß Graf Arnim zu einer friedlichen Lösung jener Frage mitwirken oder mindestens sich bei derselben ganz passiv verhalten würde. Diese Hoffnung sei getäuscht worden. Graf Arnim habe hauptsächlich auf den üblen Eindruck hingewiesen, den es in Deutschland machen würde, wenn bei dem Kampfe in Rom die im päpstlichen Dienst stehenden Deutschen ihr Blut vergießen müßten, und sich außerdem in einer Weise geäußert, die H. Visconti befürchten ließ, daß Graf Arnim den Papst zu einem Widerstande à tout prix ermuthigen werde. Herr Visconti fragt, ob der Gesandte hierzu instruirt sei? Graf Arnim habe sodann die Idee angeregt, Rom zu einer freien Stadt unter der nominellen Souveränität des Papstes, aber mit italienischer Garnison zu machen; H. Visconti habe erwiedert, daß dies möglich gewesen sein würde, wenn der Papst gewollt hätte. Nachdem aber Seine Heiligkeit den Anträgen des H. Ponza di Martino ein absolutes „non possumus“ entgegengesetzt, müsse die italienische Regierung den Gedanken aufgeben und den Dingen ihren Lauf lassen (accepter la logique d’une situation que nous n’avons pas créée). H. Visconti fährt fort: Frankreich habe das Recht der Römer anerkannt, sich ein besseres Gouvernement zu geben, wenn die Bevölkerung es wolle; dies sei auch der Standpunkt der italienischen Regierung, die übrigens zu der Unternehmung gegen Rom gezwungen sei, um die Gefahren der Republik abzuwenden und die Dynastie zu retten; fern sei ihr der Gedanke, irgend welche persönliche Rücksichten gegen den Papst zu verletzen, und sie wünsche, seine g e i s t l i c h e Macht mit allen nur möglichen Garantien zu umge418

624. Bismarck an das Auswärtige Amt, Meaux, 18. September 1870

ben. Nachrichten aus München ließen hoffen, daß Bayern diese Auffassung billige, das gleiche stünde von Württemberg und Baden zu erwarten; sollte man von Berlin allein Hindernisse zu befürchten haben? Das Interesse der Protestanten und aller erleuchteten Katholiken erheische, den unerträglichen Zuständen in Rom ein Ziel zu setzen (d’en finir). Der Schluß des Briefes erwähnt die Haltung Frankreichs: H. Jules Favre habe erklärt, er könne nicht die Verantwortlichkeit für den Fall der weltlichen Herrschaft des Papstes übernehmen, aber er habe stillschweigend Italien carte blanche ertheilt und in keiner Weise protestirt; es bestünden die besten Beziehungen zwischen Paris und Florenz, und um diese nicht zu trüben, habe Italien officielle Beziehungen mit der neuen französischen Regierung angeknüpft, die jedoch nur eine „reconnaissance de fait“ und keineswegs „de droit“ implicirten. Graf Launay knüpfte an diese Vorlesung zwei Bemerkungen; zunächst wiederholte er die schon von H. Visconti gestellte Frage, ob Graf Arnim zu seinen obigen Aeußerungen instruirt worden sei? Ich erwiederte ihm, was ich ihm schon früher gesagt, daß die einzige Instruction, die ich Graf Arnim bei seiner Abreise hätte geben können, die gewesen sei, daß er sich zum Papste, bei dessen Person er allein accreditirt sei, begeben und denselben ohne besondere Anweisung nicht verlassen solle. Sodann sprach er den Wunsch aus, daß die preußischen Unterthanen im päpstlichen Dienste zurückgerufen werden möchten; ich nahm dies ad referendum, bemerkte ihm indessen, daß diesem Antrage formelle Schwierigkeiten entgegenstünden, da die Individuen der gedachten Categorie, indem sie ohne Erlaubniß fremde Kriegsdienste genommen, die Landesgesetze verletzt und dafür nach ihrer Rückkehr die vorgeschriebene Strafe zu erwarten hätten. Eine Rückberufung zu diesem Zwecke dürfte um so weniger thunlich sein, als man die Namen und Ortsverhältnisse jener Personen nicht kenne. Graf Launay, der mir persönlich seine tiefe Niedergeschlagenheit über die ganze Lage der Dinge auch diesmal nicht verhehlte, war besonders durch den Gedanken beunruhigt, daß der Papst Italien verlassen könne. 624. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6248, S. 31–32. Erlaß. Revidiertes Konzept.

No. 204.

Meaux, 18. September 1870, 11 Uhr 50 Min. Vorm. Ankunft: 19. September 1870, 11 Uhr 55 Min. Vorm.

Dortige Zeitung incl. Staats-Anzeiger zu informiren. 1. Die über London an uns gelangte Frage Jules Favre’s, ob ich zu Besprechungen mit ihm bereit sei, ist bejaht worden. 419

625. Wentzel an Bismarck, Darmstadt, 18. September 1870

2. Wer in Frankreich regiert, ist uns gleichgültig, wir würden auch die Republik den Franzosen gönnen, wenn Frankreich sich dafür erklärt. 3. Dessen ungeachtet muß für jetzt in den von uns occupirten Landestheilen im Namen des Kaisers gesprochen werden, weil noch keine andere Regierung von uns anerkannt ist. 4. Ob Bazaine und die Armee in Metz sich für Kaiser oder Republik erklärt, ist bis jetzt auch in Paris nicht bekannt. 5. Academische Frage: Wäre es politisch richtig, den südlichen Theil des Ober-Elsaß der Schweiz zuzulegen? 625. Wentzel an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6248, S. 100–104. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. September (im AA), 24. September 1870 (in Ferrières).

No. 49.

Darmstadt, 18. September 1870

Euerer Excellenz hoher Erlaß d.d. Rheims, den 12. September, hat sich mit meinem Bericht vom 11n d.M. in Betreff vertraulicher Aeußerungen des Freiherrn von Dalwigk über etwaige Territorial-Veränderung und die neue Gestaltung Deutschlands gekreuzt. In Folge Euerer Excellenz hoher Weisung habe ich eine sich darbietende Gelegenheit benutzt, um rein persönlich mich nochmals mit Herrn von Dalwigk über das eventuelle Friedens-Programm Deutschlands und die künftige Entwickelung der deutschen Verhältnisse zu unterhalten. Ich fasse zusammen, in welcher Weise derselbe bei dieser und bei früheren Gelegenheiten in der fraglichen Hinsicht seine Ansichten und Bestrebungen geäußert hat. Der Großherzogliche Minister hält nach den blutigen Opfern des Krieges und um feste Bürgschaften für die Zukunft zu erhalten, neben der vollen Entschädigung für die Kriegskosten und alle sonstigen Verluste, insbesondere auch für die aus Frankreich vertriebenen Deutschen, die Rückerwerbung von Elsaß und womöglich von Lothringen bis zur Maas für wünschenswerth, glaubt aber, daß die Frage, w a s abzutreten, vielleicht weniger Schwierigkeiten machen würde, als die, a n w e n es abzutreten sei. Er zweifelt zwar nicht, daß die Bewohner des von Frankreich abzutretenden Gebiets am liebsten mit dem großen mächtigen Preußen vereinigt werden würden und daß dieses auch die meiste innere und politische Kraft besitze, dieselben wieder mit Deutschland zu verschmelzen, glaubt jedoch, daß Preußen selbst dieses ganze Territorium, schon um nicht bei anderen Mächten Mißtrauen zu erwecken, schwerlich wünschen möchte. Deshalb würde nach seiner Ansicht nur 420

625. Wentzel an Bismarck, Darmstadt, 18. September 1870

übrig bleiben, an Baden das Elsaß, mit Ausnahme des nördlichen Theils, an Bayern den letzteren und den an die bayerische Pfalz gränzenden Theil Lothringes und an Preußen das Uebrige zu überlassen, Strassburg aber zur deutschen Bundes-Festung zu machen. Noch lieber würde er Strassburg zu einer freien Reichsstadt gemacht sehen, wobei ihm wohl Wünsche für seine dortigen Verwandten Bussière-Coehorn494 pp. vorschweben möchten. Herr von Dalwigk ist ferner der Ansicht, daß Baden eventuell für das Elsaß von seinem jetzigen Gebiet eine Entschädigung an Bayern und Württemberg zu leisten haben werde, namentlich an Bayern, für welches er besondere Ansprüche anerkennt sowohl wegen seines sofortigen patriotischen Anschlusses an das übrige Deutschland als wegen der Leistungen seiner Armee im Kriege. Er glaubt annehmen zu dürfen, daß Bayern am ersten zu befriedigen und für jede Gestaltung Deutschlands zu gewinnen sein würde, wenn es das früher zu Pfalzbayern gehörende und schon 1815 dringend gewünschte Mannheim mit demjenigen Theil des badischen Unterrheinkreises erhielte, welcher die Pfalz mit Würzburg verbindet. Für Hessen wird wohl hiebei gehofft, daß es dann leichter sein würde, wie Herr von Dalwigk wünscht und ich am 11n d.M. gemeldet, durch Abtretung von badischem und bayerischem Gebiet im Süden die Neckar-, im Osten die Main-Gränze mit dem erst 1815 abgetretenen Amorbach und Miltenberg zu erhalten. Sollte der Großherzog noch weitere Wünsche haben, so dürften sie Herrn von Dalwigk nicht bekannt sein. Seine Königliche Hoheit wollen, wie ich aus v e r t r a u l i c h e r Quelle höre, nach der Eroberung von Paris Seine Majestät den König dort persönlich beglückwünschen und haben vielleicht die Absicht, Ihre Wünsche hiebei persönlich vorzutragen. Was die künftige Gestaltung Deutschlands betrifft, so hat Herr von Dalwigk seit dem Beginn des Krieges, wie ich mehrfach gemeldet, es als seinen angelegentlichsten Wunsch bezeichnet, daß ein geeinigtes Deutschland mit einer gemeinsamen Verfassung und einer gemeinsamen Volks-Vertretung die Frucht des Krieges und die Wahl Seiner Majestät des Königs zum deutschen Kaiser das erste Zeichen dieser Einheit sein möge. Er spricht sich jetzt dafür aus, sogleich nach dem Frieden mit Frankreich mit dem fertigen Werk der Umgestaltung Deutschlands, mit dem Kaiserthum und der Verfassung hervorzutreten, um etwaige Bedenken anderer Mächte und den Meinungs-Verschiedenheiten der politischen Parteien im Voraus zu begegnen.

494  Dalwig hatte 1839 in Straßburg Mathilde von Coëhorn (1810–1860) geheiratet. – Die Coëhorns waren verwandt mit dem Adelsgeschlecht der Barone Renouard de Buissière; so war Alfred Renouard de Bussière (1804–1887) verheiratet mit Sophie Mélanie de Coëhorn; die Familie besaß ein Gut in Straßburg-Robertsau.

421

627*. Jansen an Großherzog Peter, [Karlsruhe] 19. September 1870

In den Norddeutschen Bund, meint er, würden Bayern und Württemberg nicht eintreten wollen, indessen sei ja auch dieser Bund, wenn der Süden dazukomme, nicht mehr ein norddeutscher, sondern ein allgemein deutscher, man könne dessenungeachtet die Verfassung des Norddeutschen Bundes zur Grundlage der neuen Gestaltung des gesammten Deutschlands nehmen und brauche sie nur der Verbindung mit dem Süden anzupassen. Modificationen würden allerdings nicht zu umgehen sein, denn Bayern und Württemberg würden eine freiere Bewegung und größere Selbständigkeit [!], als die Norddeutsche Bundesverfassung solche gewähre, beanspruchen, allein Preußen könne den süddeutschen Staaten hierin im Interesse der Einheit leichter Concessionen machen, wenn die gesammte Militairmacht dem Kaiser untergeordnet und dieser auch sonst mit großen Machtbefugnissen versehen würde. Von Uebertragung der diplomatischen Vertretung sprach er ebensowenig als davon, Bayern etwa in irgend einer Weise eine bevorzugte Stellung einzuräumen. Er hofft wohl vielmehr, daß die selbstständige Stellung, welche die anderen süddeutschen Staaten durchsetzen, auch Hessen dadurch zu Statten kommen würde, daß die Norddeutsche Verfassung in dessen Sinne umgestaltet wird. 626*. Bismarck an Eichmann Bismarck, GW VIb S. 509–510. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 518 (Nr. 1833), 557.

Er kann nicht glauben, daß Minister Friesen sich fürchtet, Sachsen könne bei der Neuorganisation Deutschlands ein „Anhängsel Preußens“ sein. An dessen bundestreuer Gesinnung ist überhaupt nicht zu zweifeln. Meaux, 19. September 1870 627*. Jansen495 an Großherzog Peter Jansen, Großherzog Peter S. 155–162. Immediatbericht.

Audienz beim Großherzog Friedrich I.: Dieser habe eine Denkschrift ins Hauptquartier gesendet, in der die Kaiseridee angeregt und der Eintritt Badens in den Norddeutschen Bunde „pure angeboten“ worden sei; Elsaß und Lothringen dürften nicht an Baden und Bayern geschlagen werden; sie sollten reichsunmittelbar, also unter Kaiser und Reich, gestellt werden. Das neue 495  Günther Jansen (1831–1914), Leiter der Hof- und Privatkanzlei des Großherzogs Peter von Oldenburg Juli 1870 – Dezember 1871. – Zum folgenden vgl. Friedrich I., Briefwechsel II S. 131–132.

422

631*. Bismarck an Delbrück, Ferrières, 21. September 1870

deutsche Reich sollte föderativ eingerichtet werden; die Entwicklung zu einem Einheitsstaat sei allerdings nicht aufzuhalten; auch der preußische Partikularismus müsse allmählich verschwinden. [Karlsruhe] 19. September 1870 628*. Bismarck an Wentzel Bismarck, GW VIb S. 510–511. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. dazu Dalwigk, Tagebücher S. 444, 446–447.

Die Territorialwünsche des Ministers Dalwigk gehören in ihrem Geist einer längst vergangenen Zeit an. Ferrières, 20. September 1870 629*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 511. Erlaß.

König Wilhelm denkt beim Vormarsch in Frankreich an den Zug der österreichischen und preußischen Heere im Jahr 1814. Er will dem Kaiser in einem Handschreiben demnächst diesen Gedanken Ausdruck geben. Ferrières, 20. September 1870 630*. Großherzog Friedrich I. an Jolly Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 133–134. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 134–135.

Bismarck hat sich über die künftige Gestaltung Deutschlands noch nicht ausgelassen. Baden sollte aber jetzt schon bestimmt erklären, daß es bedingungslos in den Norddeutschen Bund eintreten wolle. Dadurch sollten Württemberg und Bayern beeindruckt werden. Lampertheim, 20. September 1870 631*. Bismarck an Delbrück Bismarck, GW VIb S. 512. Telegramm.

Württemberg soll an den Verhandlungen über die künftige Gestaltung Deutschlands teilnehmen. Ferrières, 21. September 1870 423

635*. Favre an die Mitglieder der Regierung, Paris, 21. September 1870

632*. Bismarck an Kronprinz Friedrich Wilhelm Bismarck, GW VIb S. 513. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 514, 515–516; BDFA I F XXXII S. 108–109.

Favre sah sich nicht ermächtigt, weder „die Abtretung von Landesteilen“ noch die militärischen Bedingungen für einen Waffenstillstand zuzugestehen. Ferrières, 21. September 1870 633*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 513–514. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 514–515, 527 (Nr. 1840), 531, 537 (Nr. 1852–1853), 553–554; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 134, 156; BDFA I F XXXIII S. 347–348, 356.

Die Übersiedlung des Papstes nach Preußen würde eine politische Gefahr bedeuten. Ferrières, 21. September 1870 634*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 511. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 517.

Falls Rußland die Schwarzmeerklausel von 1856 aufkündigt, kann es mit Preußens Unterstützung rechnen. Ferrières, 21. September 1870 635*. Favre an die Mitglieder der Regierung der Nationalen Verteidigung BDFA I F XXII S. 110–116. – Vgl. auch ebenda S. 118–119, 128–130, 145–146.

Bericht über die verschiedenen Unterredungen mit Bismarck: Ich habe verschiedene neutrale Regierungen dazu gebracht, für einen Waffenstillstand mit Deutschland zu intervenieren; seit dem 10. September habe ich versucht, direkt mit Bismarck in Verbindung zu kommen, und bin schließlich ins Hauptquartier nach Meaux gelangt; Bismarck hat betont, daß Frankreich seit Ludwig XIV. beständig auf Deutschland übergegriffen habe. Er forderte das Elsaß, einen Teil Lothringens mit Metz; ich habe das abgelehnt; für einen demnächst abzuschließenden Waffenstillstand hat er Straßburg, Toul und Pfalzburg und sogar Mont Valérien vor Paris gefordert. – Nach Konsultation

424

636. Eichmann an Bismarck, Dresden, 21. September 1870

mit der Regierung der Nationalen Verteidigung habe ich die deutschen Bedingungen abgelehnt; Paris ist zum äußersten Widerstand entschlossen. Paris, 21. September 1870 636. Eichmann an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6249, S. 48–50. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 22. September (im AA), 25. September 1870 (in Ferrières).

No. 1072.

Dresden, 21. September 1870

Eurer Excellenz hohen Erlaß d.d. Rheims, den 13n September496, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt und mich nach Anleitung desselben eingehend gegen den Freiherrn von Friesen über die Ansichten ausgesprochen, welche in Uebereinstimmung mit den verbündeten deutschen Regierungen Seine Majestät der König über unser Verhältniß zu Frankreich hegen. Der Königlich Sächsische Herr Minister trat meinen desfallsigen Aeußerungen namentlich in dem Punkte bei, daß es der durch die Niederlage gedemütigte Stolz und nicht sosehr der mehr oder weniger hohe Preis sei, den Frankreich für den Frieden zu leisten sich gezwungen sehen könne, welcher seine Haltung gegen Deutschland in der nächsten Zukunft bestimmen werde. Indem der Herr Minister mich alsdann frug, ob ich irgend Etwas über das Resultat der Reise des Herrn Staatsministers Delbrück nach dem Königlichen Hauptquartier erfahren habe, ging er auf den in No. 260 der Augsburger Allgemeinen Zeitung vom 17. d.M. veröffentlichten Entwurf gewisser Artikel497 näher ein, welche die Vereinigung Süddeutschlands mit dem Norddeutschen Bunde bestimmen sollten. Er hob hervor, daß nach diesen Artikeln Bayern durch exceptionelle Bevorzugungen im Bunde eine Stellung eingeräumt werden sollte, welche zu seinen Gunsten den glücklich überwundenen Dualismus des ehemaligen Deutschen Bundes, der Oesterreich mit umfaßt hatte, einführen würde. Dies, so meint Herr von Friesen, würde die schlimmste Lösung sein, welche der Deutschen Frage gegeben werden könnte. In der That erwartet die Königlich Sächsische Regierung von der Umgestaltung der Bundesverfassung nicht sowohl eine Verherrlichung des bayrischen Particularismus auf Kosten der Gesamtheit als eine vortheilhafte und festere Regelunga der Particularrechte aller Mittelstaaten. Ich erwiederte dem Herrn Minister, daß die Lösung der Deutschen Frage sicherlich nicht im Gegensatz zu der

496  Oben 497  Vgl.

Nr. 603. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 210–211. 425

637. Gaertner an Bismarck, Trier, 21. September 1870

die politische Einigung Deutschlands fordernden öffentlichen Meinung und nur unter Zustimmung des Reichstages erfolgen könne. a

Dazu der Randvermerk Bismarcks: welche?

637. Gaertner498 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8216, S. 368–376. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (in Ferrières) 24. September, (im AA) 23. September 1870.

No. 1044.

Trier, 21. September 1870

Der Preußische Geheime Regierungs-Rath und Zoll-Director Keller-Holl499 in Luxemburg hat mir eine Darstellung der politischen Zustände und Meinungen im Großherzogthum Luxemburg mitgetheilt, welche ich, da sie als zuverlässig zu betrachten ist, mich beehre, Eurer Excellenz in der Anlage gehorsamst zu überreichen. Anlage Luxemburg, 14. September 1870 Ewr. Hochwohlgeboren dürfte als Chef der dem Großherzogtum Luxemburg nächststehenden Königl.-­Preuß. Regierung von besonderem Interesse sein, nähere authentische Nachrichten von dem Gebahren der diesseitigen Bevölkerung während des gegenwärtigen Krieges zu erhalten, zumal solche, wie verlautet, dort schon in anderer Weise zur amtlichen Kenntniß gekommen ist. Mir aber, wiewohl zu entsprechenden Mittheilungen dienstlich nicht berufen, ist es Bedürfniß, ja im Hinblick auf die bevorstehende Neugestaltung der deutschen staatlichen Verhältnisse moralische Pflicht, mich gegen Ewr. Hochwohlgeboren in jener Hinsicht vertraulich auszusprechen. Das Großherzogthum Luxemburg, bekanntlich weit überwiegend von einer Bevölkerung deutscher Nationalität und von Wallonen nur zu einem geringen Theil bewohnt, war bis zur französischen Occupation 1795 dem angestammten Herrscherhause Lothringen-Habsburg treu ergeben und sah mit großer Genugthuung 1814 die Franzosen endlich das Land räumen. Dagegen fand man sich denn keineswegs mit der Ueberweisung an das Haus Nassau-Oranien und der Einverleibung in den Deutschen Bund befriedigt, welcher wie eine fremde Besatzung in die Hauptstadt und Festung Luxemburg führte und 498  Konstantin

1870.

499  Nicht

426

von Gaertner (1805–1885), Regierungspräsident von Trier 1866–

weiter identifiziert.

637. Gaertner an Bismarck, Trier, 21. September 1870

sonst sich die Wahrung der Landesinteressen wenig angelegen sein ließ. So duldete der Bund die Ausnützung des Großherzogthums zum Besten der alten holländischen Provinzen, die neun Jahre anhaltende belgische Besetzung bis auf hiesige Stadt und zuletzt die Abreißung der westlichen Hälfte des Luxemburger Gebieths, welche 1839 dem neu errichteten Königreich Belgien zugetheilt wurde. Ein einiger Maaßen befriedigendes Gefühl von der Zugehörigkeit zu Deutschland hatte sich später seit 1842 mit dem Anschluß Luxemburgs an den Zollverein jedoch nur sporadisch geltend gemacht und ist neuerlich nach dem Aufhören der politischen Verbindung ziemlich in den Hintergrund getreten. Unter solchen Umständen haben sich vielmehr die Sympathien der Bevölkerung des Großherzogthums im Allgemeinen mehr und mehr den südlichen und den westlichen Nachbarn zugewandt, und zwar den letzteren um so mehr, als mit dessen abgerissenem Theil natürlich die verwandtschaftlichen und socialen Beziehungen bestehen geblieben sind. Auch haben die hiesigen älteren Beamten fast sämmtlich ihre Studien auf französischen und belgischen Hochschulen gemacht und, wenn gleich neuerlich die deutschen Universitäten auf ein Jahr besucht zu werden pflegen, so folgen doch die jüngeren Beamten ingleichen jenem Zuge der Sympathien, zumal ihnen das Vaterland verhältnismäßig geringe Aussicht zu lohnenden Anstellungen bietet. Außerdem hangen einzelne reiche Leute, welche sich vom PrinzenStatthalter500 zurückgesetzt glauben, Frankreich und Belgien an, sowie auch ein hiesiges angesehenes Bankhaus aus Erwerbsrücksichten, während die Kaufleute und aus ähnlichen Motiven mehr oder weniger die Eisenproducenten, wenigstens bis auf Weiteres, Deutschland zuneigen. Deutsch nach Sprache und Sitte ist vorzugsweise das Landvolk. Dasselbe unterliegt aber gänzlich dem Einfluß der den Deutschen abgeneigten Geistlichkeit und wird außerdem dem Eindringen des welschen Wesens dadurch sehr zugänglich, daß ein verhältnismäßig großer Teil der Arbeiter seinen Erwerb in Frankreich und Belgien sucht und findet. Ein nationalfranzösisches Element endlich ist mit den Beamten der französischen Ostbahngesellschaft in das Land gebracht, welche jetzt sämmtliche Eisenbahnen des Großherzogthums in Betrieb hat. Deutsches Nationalgefühl ist in denselben nicht vorhanden und ebensowenig Sympathie für das Haus Nassau-Oranien. Unter diesen Verhältnissen war es im Jahre 1867 möglich, hier den bekannten französischen Annexionsschwindel501 in Scene zu setzen und dann 500  Heinrich (1820–1879), Prinz der Niederlande; Statthalter des Großherzogtums Luxemburg. 501  Während der Luxemburgkrise von 1867 hatte Napoleon III. versucht, das Großherzogtum Frankreich einzuverleiben. Durch den Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867 wurde es unter europäischer Garantie neutralisiert.

427

637. Gaertner an Bismarck, Trier, 21. September 1870

in den ersten Monaten des laufenden Jahres die Bewegung zum Anschluß an Belgien folgen zu lassen. Demnach ist es kaum zu verwundern, daß mit Ausbruch des jetzigen Krieges vielfache Kundgebungen zu Gunsten der Franzosen hervortraten, für welche man im Allgemeinen entschieden Partei nimmt. Auf öffentlicher Straße, in Cafe’s und geschlossenen Gesellschaften herrschte Jubel bei den falschen Nachrichten von französischen Siegen, und fast überall sehen sich die Deutschen, insbesondere die Preußen, empfindlicher Verletzung ihres Nationalgefühls ausgesetzt. An der Ostgrenze des Großherzogthums wurden Preußen von Luxemburgern mit dem beliebten Schimpfnamen „Stinkpreußen“ belegt und wegen ihrer Militairpflicht verspottet. Junge Zollbeamte riefen zu Wasserbillig in der Nähe der preußischen Truppen „vive la France“, und ein älterer Zollbeamter führte sogar auf Preußischem Gebiet in Bezug auf den Herrn Bundeskanzler sehr unehrerbietige Reden. Gedachten Ruf hörte man auch mehrfach hier in der Stadt auf offener Straße, und mir selbst begegnete es, von einem Mann des Handwerksstandes „vive la France, merde pour la Prusse“ in nächster Nähe hören zu müssen. Jungen Leuten und Preußen, welche hier friedliche Geschäfte treiben, wurde hier auf der Straße „Ihr verfluchten Preußen“ und einer Dame, Preußin, „alle Preußen sind Schweine“ nachgerufen, woran sich in würdiger Weise die von einem luxemburger hohen Staatsbeamten gethane Aeußerung schließt, daß das Verhalten Preußens in Ausführung des Prager Friedens eine Schweinerei sei. Ein Theil der luxemburger Tagespresse suchte die deutschfeindliche Richtung noch mehr zu schärfen oder doch wenigstens zu tragen. In der ersteren Kategorie gehört vorzugsweise die in ultrafranzösischem Sinne gehaltene Zeitung „L’Avenir“, welche sogleich zu Anfang des Krieges in einem Artikel „Le cynisme prussien“ das Unflätigste geleistet hat, und zu der zweiten „Das luxemburger Wort für Wahrheit und Recht“, ein ultramontanes Blatt, zu dessen Lesung besonders die Landleute von der Geistlichkeit angehalten werden. Eigentliche materielle Schäden hat die Gehässigkeit der Luxemburger nur den deutschen Arbeitern gebracht, welche ihrer Nationalität wegen von ihren hiesigen Mitarbeitern häufig in einer Weise beleidigt und bedrängt werden, daß sie die gemeinschaftliche Arbeit aufgeben müssen. Im Uebrigen ist nicht unerwähnt zu lassen, daß die eifrigsten der hiesigen Franzosenfreunde vielfach in Metz, solange es möglich war, verkehrt und sich daselbst allem Anschein nach durch Zutragen von Nachrichten nützlich gemacht haben. Sehr thätig scheint dabei ein jüdischer Fabrikbesitzer, in der Nähe hiesiger Stadt, gewesen zu sein, dessen Tochter an einen französischen Officier, damals in Metz, verheirathet ist.

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637. Gaertner an Bismarck, Trier, 21. September 1870

Daß der hier residirende Französische Vice-Consul502 seinen dortigen Landsleuten in ähnlicher Weise, wie es in seiner Dienstpflicht liegen mag, thunlichst zur Hand gegangen ist, erscheint außer Zweifel. Ein Brauer aus Metz, welcher, mit einer an diesen Beamten gerichteten Vollmacht der Französischen Militairbehörde versehen, von deutschen Truppen ergriffen war, ist kürzlich als Spion kriegsrechtlich erschossen worden. Allem solchem Treiben, welches hier von den leider wenigen verständigen Leuten gemißbilligt wird, in Aufrechterhaltung der Neutralität entgegenzuwirken, hat die Großherzogl. Regierung nach Kräften den guten Willen gezeigt und mehrere Personen, welche sich öffentlich der Aufreizung und aufrührerischen Rufe zu Gunsten Frankreichs schuldig gemacht hatten, unter Andern jene Zollbeamten zur Untersuchung und Bestrafung gebracht, wobei ich, soweit möglich, mitgewirkt habe. Namentlich ist auch der Redacteur des „L’Avenir“503 wegen des obengedachten Artikels gerichtlich zu einer Geldbuße von 500 fr. verurtheilt worden. Ferner ist bemerkenswerth, daß die hiesige Regierung den aus Frankreich vertriebenen Deutschen auf der Durchreise freie Eisenbahnfahrt gewährt und die wenigen deutschgesinnten Luxemburger denselben Unterstützung zukommen lassen. Auch entwickelt hierselbst ein Controlcomité für die Verwundeten ohne Unterschied der Nationalität mit den ihm aus Stadt und Land sehr reichlich zufließenden Mitteln rühmliche Thätigkeit nach beiden Seiten hin. Thatsache bleibt aber, daß die luxemburger Bevölkerung, vorzugsweise die hiesige Stadt, ihre gehässige deutschfeindliche Gesinnung auf eine schmähliche Art während des Krieges kund gegeben hat, was auch aus den in der anliegenden No. 195 des „Luxemburger Wortes“504 aufgenommenen, mit Blau bezeichneten Correspondenz-Artikeln hervorgeht. Gegenwärtig hängen unsere zahlreichen Franzosenfreunde die Köpfe und geben unverkennbar Anzeichen, daß ihnen den fortgesetzten deutschen Siegen gegenüber das schlechte Gewissen schlägt, welches sie für die Folge eine veränderte, unerwünschte Lage erwarten läßt. Und in der That drängt sich die Frage auf, ob künftig noch im Großherzogthum Luxemburg, an der äußersten deutschen Westgrenze ein Herd feindlicher Elemente geduldet werden kann und ob dasselbe nicht vielleicht mit Deutschland wieder in eine politische, und zwar engere, Verbindung zu 502  Henry Baron de Cornot de Cussy (1830–1805), französischer Vizekonsul in Luxemburg-Eich 1868–1870. 503  Erschien von 1868 bis 1871; frankophil; als dessen Redakteur wurde ermittelt: Jean Joris (1829–1893). 504  Die Zeitung „Luxemburger Wort für Wahrheit und Recht“ vom 20. August 1870, Nr. 195, liegt bei: PA Berlin, RZ 201/8216, S. 380–383. – Eines der gegen die Deutschen festgehaltenen Schimpfworte auf S. 1 der Zeitung: „Die – Preußen werden hoffentlich sämmtlich nicht mehr aus Frankreich lebendig zurückkehren.“

429

638. Bismarck an Bernstorff, Ferrières, 22. September 1870

bringen sein wird, wobei die Lage der natürlich festen Hauptstadt, mit der Kreuzung von vier wichtigen Eisenbahnen, besonders in das Gewicht fallen dürfte. Daß die Verwaltung der letzteren den Franzosen entzogen werden müßte, braucht wohl kaum hervorgehoben zu werden. Ich fürchte, Ewr. Hochwohlgeboren Geduld mit vorstehender Darlegung ungebührlich in Anspruch genommen zu haben, glaube jedoch in der Hoffnung, daß solches nicht ganz umsonst geschehen ist, um so mehr auf freundliche Nachsicht rechnen zu dürfen und verharre mit der Versicherung ausgezeichneter Hochachtung Ewr. Hochwohlgeborener ganz ergebenster 638. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/6249, S. 37–38. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 66. Ferrières, 22. September 1870 Abgangsvermerk: zur Station 22. September 1870, 10 Uhr 48 Abends Antwort auf Telegramm No. 267. Seine Majestät der König befiehlt Ew.p., das nachfolgende Telegramm an Ihre Majestät die Königin Victoria weiter zu befördern: „Ich danke herzlich für das durch Bernstorff übermittelte Telegramm aus Balmoral505. Du weißt, daß ich nicht für Ruhm und Eroberung Krieg führe. So großmüthig, wie es mir die Pflichten gegen mein eigenes Volk erlauben, werde ich gern sein. Das Gefühl vaterländischer Pflichten hast Du für England so stark wie ich für Deutschland; es wird Dir sagen, daß ich den Schutz Deutschlands gegen den nächsten durch keine Großmuth zu hindernden Angriff Frankreichs bei den Friedensbedingungen in die erste Linie stellen muß.“

505  Vom

430

19. September 1870: Victoria, Letters II,2 S. 71.

642. Bismarck an Arnim, Ferrières, 24. September 1870

639. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/7552, S. 33. Telegramm. In Ziffern.

No. 225.

Ferrières, 23. September 1870, 7 Uhr 36 Min. Nachm. Ankunft: 24. September 1870, 7 Uhr 15 Min. Vorm.

Sagen Sie an Graf Launay, daß Graf Arnim in Rom keine Instruction irgend welcher Art gehabt habe506. 640. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12147, S. 23. Telegramm. Entzifferung. Abschrift.

No. 69.

St. Petersburg, 23. September 1870

Der Kaiser sehr befriedigt durch Zusage der Unterstützung seiner Wünsche wegen Schwarzen Meeres. Man weiß hier noch nicht, wie die Sache ohne Congreß anzufassen, den Fürst Gortschakoff als nothwendig hinstellt. England scheint gegen Congreß, weil durch Ignatieff’s Indiscretion Wind bekommen. 641*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 516. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 527–528; 550 (Nr. 1871).

Die bayerischen Sonderrechte im neuen Deutschland sind teils akzeptabel, teils streitfördernd. Sollte nicht Baden an den Besprechungen in München mitwirken? Ferrières, 24. September 1870 642. Bismarck an Arnim PA Berlin, RZ 201/7552, S. 300. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 3.

Ferrières, 24. September 1870

Abgangsvermerk: Zur Station, 24. September 1870, 11 Uhr Vorm. Graf Brassier berichtet, daß Ew.pp. in Unterredung mit Visconti Venosta von Occupation Rom’s abrathend gesagt, die Stellung Preußens würde da506  Dazu

oben Nr. 620. 431

644. Bismarck an Schweinitz, Ferrières, 24. September 1870

durch gefährdet, und jeder Conflict mit den Deutschen im päpstlichen Solde würde schlimme Folgen haben. Ewpp. hatten keinen Auftrag zu Aeußerungen in Florenz. Welchem Umstande entnahmen Ew.p. Anlaß und Berechtigung zu dieser mit der dem Königl. Gesandten in Florenz vorgeschriebenen Haltung im Widerspruch stehenden Sprache? 643. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12146, S. 31. Telegramm. Entzifferung.

No. 230.

Ferrières, 24. September 1870, 5 Uhr 10 Min. Nachm. Ankunft: 25. September 1870, 8 Uhr 30 Vorm.

Eine Andeutung in der Kölnischen Zeitung über Berücksichtigung russischer Wünsche, womit wahrscheinlich Aenderung des Tractats von 1856 wegen des Schwarzen Meeres gemeint507, hat Aufsehen erregt, weil man dahinter Begünstigung von russischen Ambitionen im Orient gesucht. Ich bitte, möglichst zu verhindern, daß unsere Presse auf Vortheile, welche wir etwa Rußland gewähren könnten, anspiele. 644. Bismarck an Schweinitz PA Berlin, RZ 201/8422, S. 255–258. Vertraulicher Erlaß. Revidiertes Konzept.

No. 997.

Ferrières, 24. September 1870

Der gefällige Bericht Ewpp. 296 vom 15. d.M. enthält in Betreff der Stellung des Grafen Beust eine Auffassung, für welche mir die nähere Motivirung fehlt und die ich nicht in Zusammenhang mit derjenigen bringen kann, ich aus den bekannten Thatsachen und aus Ewpp. eigenen früheren Berichten habe entnehmen müssen508. Die Annahme Ewpp., daß „die deutsche Verfassungs-Parthei jetzt im Reichskanzler den Garanten für die Erhaltung oder wenigstens Schonung dieser Verfassung sehe“, ist für mich ein novum in der Situation. Ich finde diese Annahme durch die Stimmen der Oesterreichischen Presse, welche jene Parthei repräsentiren, nicht bestätigt; und ich würde mich wundern, wenn die 507  Eine Autopsie der „Kölnischen Zeitung“ (zwei Ausgaben pro Tag) vom 25. September zurück bis zum 19. September 1870 erbringt keine Anspielung auf den Friedensvertrag von 1856. Eventuell liegt eine Verwechslung mit einer anderen Zeitung vor. 508  Zum folgenden vgl. ausführlich: Die Habsburgermonarchie VII,1 S. 226–235.

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645*. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 24. September 1870

Partei die Haltung schon vergessen haben sollte, welche der Reichskanzler in der letzten Crisis gegenüber dem die Verfassungstreuen repräsentirenden Ministerium Giskra eingenommen hat. Ewpp. haben damals selbst in wiederholten Berichten die eher zweideutige und eher feindselige Haltung dargelegt, durch welche der Reichskanzler jenes Ministerium zu Falle gebracht und die Einsetzung des Ministeriums Potocki herbeigeführt hat, in dessen Tendenz das Aufgeben der Verfassung an die Forderungen der nazionalen Parthei lag. Daß eine Wandlung in der Stellung des Reichskanzlers in dieser Beziehung eingetreten wäre, ist mir weder aus der Presse noch auch aus den Berichten Ewpp. ersichtlich geworden; und ich muß daher bis auf Weiteres bezweifeln, daß die Verfassungstreuen gerade in dem Grafen Beust ihre Stütze suchen und finden sollten. Nicht minder ist es mir aufgefallen, daß Ewpp. die Stellung des Reichskanzlers in der Europäischen Politik als eine k l a r e bezeichnen. Was ich dem Grafen Beust vorzuwerfen habe, ist gerade die U n k l a r h e i t und Verworrenheit, in welche er die Oesterreichische Politik gebracht hat und in welcher er sie fortdauernd erhält. Wir haben das Bedürfniß einer klaren und befreundeten Stellung zu Oesterreich. Das Bedürfniß politischer Intrigue aber, welches den Reichskanzler auszeichnet, ist das wesentliche Hinderniß für die Herstellung eines solchen Verhältnisses, u. die Beseitigung dieses Hindernisses ist für unsere Politik bezüglich Oesterreichs ein zwingendes Bedürfniß geworden, weil wir dauernde Freundschaft mit Oesterreich wollen u. dazu nicht gelangen können, solange Graf Beust es zu hindern vermag. Ewpp. sagen: „die Grube, welche er sich selbst grabe, sei bald fertig, und wir könnten ihm keinen größeren Dienst leisten, als wenn wir ihn in dieser Arbeit störten“. Ich vermag mir aus dieser bildlichen Ausdrucksweise weder das Sachverhältniß selbst ganz klar zu machen, noch die Gründe zu erkennen, welche Ewpp. zu Ihrer Auffassung bestimmen; und Ewpp. selbst werden mir gewiß beistimmen, daß ein Gleichniß der Art nur den Glauben, daß Grf. Beust an sich seinem Rücktritte oder Sturze nahe sei, ohne nähere Erläuterung u. Begründung nicht zu geben vermag. 645*. Reuß an Bismarck Europa und die Türkei Nr. 1020. Bericht.

Der Zar ist dankbar dafür, daß Preußen seinen „heißesten Wunsch“, die Schwarzmeerklausel von 1856 abzuschaffen, unterstützen werde. Gorčakov besteht daher nun nicht mehr beharrlich auf einem internationalen Kongreß St. Petersburg, 24. September 1870

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648. Bismarck an das Preußische Staatsministerium, Ferrières, 26. September 1870

646*. Bismarck an das Preußische Staatsministerium Bismarck, GW VIb S. 517–518. Schreiben.

In Baden sind die Beschlüsse über das päpstliche Unfehlbarkeitsdogma veröffentlicht509 worden. Soll das in Preußen ebenfalls geschehen? Ferrières, 25. September 1870 647*. König Wilhelm I. an Königin Augusta Constabel, Vorgeschichte S. 30–31. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 33–35, 36– 37, 44, 46, 57–62, 71–75.

Die Besetzung Roms durch italienische Truppen ist nicht überraschend. „Es ist nicht der Kirchenfürst, der verlassen wird, sondern der weltliche Fürst.“ Preußen konnte auf Florenz keine Pression ausüben. Selbst Österreich hat nichts unternommen. Ferrières, 26. September 1870 648. Bismarck an das Preußische Staatsministerium PA Berlin, RZ 201/16, S. 152. Schreiben. Abschrift.

Schloß Ferrières, 26. September 1870 Der Königliche Staatssekretär Herr von Thile hat mir angezeigt, daß fortwährend zahleiche Anträge wegen Stipulirung von Entschädigung beim Friedensschluß eingehen, namentlich Seitens der aus Frankreich vertriebenen Deutschen, Seitens der Rheder gekaperter Schiffe, Seitens der Besitzer von Assignaten sowie von Städten, welche noch Kriegsschulden aus den früheren Französischen Kriegen zu decken haben. Dem Königlichen Staatsministerium beehre ich mich, meine Ansicht schon jetzt dahin ganz ergebenst auszusprechen, daß ich die Aufnahme solcher speciellen Entschädigungs-Ansprüche in die Friedens-Stipulationen nicht für thunlich erachte. Es wird unsere Aufgabe sein, beim Friedensschluß eine möglichst große und für alle Zwecke ausreichende Contribution zu erstreben, deren Gesammtsumme traktatmäßig festzustellen ist. Wie dieselbe nachher im Einzelnen zu 509  Text (in deutscher Übersetzung) des Unfehlbarkeitsdogmas vom 18. Juli 1870 u. a. in: Kremer-Auenrode, Actenstücke II S. 289–297; Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 438–442. – Bd. 24 (1876) des Schulthess’ ist ganz der Geschichte des Dogmas von 1868 bis 1871 gewidmet; vgl. auch dort S. 289–297.

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649. Bismarck an Reuß, Ferrières, 26. September 1870

behandeln und zu vertheilen ist, sehe ich als eine innere Angelegenheit an, über welche gesetzlich oder im Verwaltungswege zu entscheiden sein wird. Feststellungen darüber im Friedenstraktate würden für Ansprüche, welche nach ihrer qualitativen und quantitativen Berechtigung vielfachen Zweifeln unterworfen sind, durch Unterschrift des Friedens-Instrumentes unanfechtbare Rechtstitel willkürlich hinstellen und kalkulatorisch feststellen. Eine solche Aufgabe würde die Friedensverhandlungen auf ganz unabsehbare Weise compliciren und verlängern, ohne daß auch nur annähernd die Möglichkeit gegeben wäre, dem Einzelnen gerecht zu werden. 649. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12146, S. 32–35. Erlaß. Revidiertes Konzept.

No. 11.

Ferrières, 26. September 1870

Ew.p. habe ich bereits telegraphisch kurz angedeutet, daß wir unsererseits bereit sind, durch eine nicht mißverständliche Aeußerung in Constantinopel der Türk. Regierung die Illusion zu benehmen, als könnte sie auf eine Aenderung des freundschaftlichen Verhältnisses zwischen uns und Rußland speculiren. Gleichzeitig ist es für uns Bedürfniß, etwas mehr Klarheit über die Stellung zu erlangen, die Fst. Gortschakoff zu unsern Friedens-Verhandlungen mit Frankreich einnehmen will. Ich bitte, dies Verhältniß in Ihren vertraulichen Besprechungen mit dem Fst. Gortschakoff nicht als einen beiderseitigen Handel aufzufassen; aber doch darauf aufmerksam zu machen, daß alle solche Verhältnisse eine gewisse Gegenseitigkeit voraussetzen. Ich bitte, den Kanzler daran zu erinnern, wie unpopulär lange Zeit die guten Beziehungen der Regierung des Königs zu Rußland in Preußen und Deutschland gewesen sind und mit welchem Mißtrauen die öffentliche Meinung gegen Rußland erfüllt war. Ich bin schon seit dem Krimkriege, ja seit Anfang meiner politischen Laufbahn, nicht ohne Erfolg bemüht gewesen, dieser Stimmung entgegen zu wirken, weil ich immer überzeugt war, daß beide Länder keine widerstrebenden Interessen hätten und daß freundschaftliche Beziehungen zwischen denselben nicht nur den Gefühlen beider Monarchen entsprechen, sondern auch den Interessen beider Länder. In der letzten Zeit hat die freundschaftliche und wohlwollende Haltung des Kaisers einen den Wünschen S.M. des Königs und meinen eigenen Bestrebungen entsprechenden günstigen Umschwung in der öffentlichen Stimmung bei uns hervorgebracht. Es wäre zu bedauern, wenn dieser erwünschte Erfolg im entscheidenden Stadium bei Gelegenheit der Friedensverhandlungen mit Frankreich wieder beeinträchtigt werden und eine neue Saat des Mißtrauens in Deutschland es uns ähnlich wie früher erschweren sollte, unsere Gesinnungen 435

650. Schweinitz an Bismarck, Wien, 26. September 1870

für Rußland nach Wunsch zu bethätigen, während der Augenblick grade jetzt günstig ist, beiden Völkern die Vortheile der guten Beziehungen ihrer Regierungen zu einander anschaulich zu machen. Was die Besorgniß betrifft, daß wir die Tendenz hätten, die Napoleonische Dynastie wieder herzustellen und vielleicht gar den Franzosen aufzudringen, so glaube ich kaum, daß man sich in St. Petersburg solchen Befürchtungen ernstlich hingeben wird. Die Rücksichten, welche wir in unserer ferneren Haltung gegenüber dem Kaiser betrachtet haben, waren durch den Anstand einem von allen Monarchen anerkannten Souverän gegenüber geboten, und wenn wir den politischen Auslassungen, welche daran geknüpft werden, nicht entgegentreten, so erklärt sich das leicht aus dem Umstande, daß es nicht in unserem Interesse liegt, die Zwietracht unter den Parteien in Frankreich zu beseitigen und zur Einigung derselben durch Erdrückung der Bonapartischen beizutragen. Sobald wir eines für uns annehmbaren Friedens versichert sind, haben wir weder ein Bedürfniß noch die Neigung, den Franzosen über die Art, wie sie sich zu regieren haben, Rathschläge oder gar Vorschriften zu ertheilen. 650. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8458, S. 326–330. Vertraulicher Bericht. Praes.: (im AA) 28. September, (in Ferrières) 2. Oktober 1870.

No. 313.

Wien, 26. September 1870

Da Euere Excellenz die Berichte über meine Gespräche mit dem Grafen Andrassy schon mehrfach einer Erwiderung und instruktiven Besprechung gewürdigt haben, so gestatte ich mir aufs Neue, über ein solches Gespräch zu referiren, der Kürze wegen bitte ich, die wesentlichen Sätze aphoristisch anführen zu dürfen. Der Graf sagte: „Mir liegt vor Allem daran, Sie zu überzeugen, daß Sie Rußland keinen Dank dafür schulden, uns von der Theilnahme am Kriege abgehalten zu haben; im Gegentheil: Die Gewißheit, daß zwischen Preußen und Rußland Abmachungen für die Zukunft (des Orients) bestünden, hätte mich veranlaßt, gegen die Neutralität zu stimmen; jene Gewißheit habe ich nicht. Wir sind weit entfernt, Rußland zu fürchten (?); unser Land ist noch immer einer großen Kraftanstrengung fähig, wenn man es nur richtig anfängt; Polen hätten wir natürlich verwendet; dieß zu thun werden wir eintretenden Falls immer gezwungen sein, so lange wir nicht bei Deutschland Schutz für unsere Lebensinteressen finden.

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650. Schweinitz an Bismarck, Wien, 26. September 1870

2. Als am 18ten oder 19ten July der [!] entscheidende Conseil510 stattfand, dessen Resultat die Neutralitäts-Erklärung war, schlug ich vor, der Kaiser möge mit Ihnen sprechen; da fiel Alles über mich her. Als dann erörtert wurde, was Ihnen geantwortet werden sollte, wenn Sie eine Anfrage stellten, so entschied Graf Beust, er werde Ihnen Nichts antworten. 3. Man hat mir in neuster Zeit zwei sich widersprechende Stimmen aus Preußen mitgetheilt. Die erste lautete, auf Grund einer hochoffiziösen Broschüre, ich müsse abtreten; die zweite; ich solle des Grafen Beusts Stelle einnehmen. Ich habe geantwortet, dieses Letztere ginge nicht, denn ich wünsche ein gutes Verhältniß mit Preußen, und ein solches ist unmöglich zwischen zwei Staaten, von denen der eine dem anderen die Minister diktirt. 4. In der Instruction, welche der Reichskanzler dem Grafen Chotek mit­ gegeben hat, stand nun doch Einiges, was (conf. Bericht No 293 vom 12ten d Mts.) so ausgelegt werden konnte, wie es jetzt ausgelegt wird, unter Anderem: „Nous acceptons le congrès, que la Russie désire“; von einem Congreß hatte aber weder der Graf Chotek gesprochen, noch war im Ministerrath davon die Rede gewesen; Graf Beust ist gewandt in der kleinen Taktik, aber er ist kein Stratege; er ist nicht abgeneigt, auf seine Ideen von Anfang 1867 zurückzukommen (conf. Rothbuch No 1, No 89 an Fürst Metternich vom 1ten Januar 1867, No 90 an Baron Prokesch511 vom 22sten Januar 1867, namentlich No 91, Circularschreiben vom 3ten Februar 1867, Revision des Pariser Friedens): Ich habe ihm gesagt, „er möchte das sein lassen512.“ Beiläufig erlaube ich mir, hierbei gehorsamst zu bemerken, daß Seine Majestät der Kaiser Alexander II. in einem seiner Gespräche mit Graf Chotek geäußert haben soll: „Es werden sich ja Berührungspunkte finden; man könnte zum Beispiel auf das Circular vom 3ten Februar 1867 zurückkommen.“ Im Verlauf des Gesprächs, welches von meiner Seite vorzugsweise auf die inneren Verhältnisse Oesterreich-Ungarns gelenkt wurde, fragte ich den Grafen, welches das Maß constitutioneller Einrichtungen Cisleithaniens sei, bis auf das zurückgegangen werden könnte, ohne den Dualismus zu gefährden? Er antwortete hierauf mit der Gleichgültigkeit, welche er überhaupt gegen die cisleithanischen Zustände zur Schau trägt, erzählte aber, in Verfolg dieses Gedankenganges, er habe unlängst mit dem Reichskanzler über die Nothwendigkeit, mit Preußen zu gehen, geredet und habe ihn viel bereitwilliger dazu gefunden als vor einigen Wochen; Graf Beust habe jedoch hinzugefügt: „Sie 510  Oben

Nr. 413*. Freiherr (1871 Graf) Prokesch von Osten (1795–1876), österreichisch (-ungarischer) Internuntius (1867 Botschafter) in Konstantinopel 1855–1871. 512  Gemeint ist: dem russischen Hof die Mithilfe bei der Revision der Schwarzmeerklausel von 1856 anzubieten. Diese Erlasse von Anfang 1867 sind veröffentlicht in: Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern I S. 85–94. 511  Anton

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653*. Bismarck an Bernstorff, Ferrières, 1. Oktober 1870

wollen von uns die heilige Allianz; dem“, fuhr Graf Andrassy fort, „widersetzen sich freilich unsere Einrichtungen.“ Ich begnügte mich zu erwidern: „Heilige Allianz“ sei jetzt ein journalistischer Ausdruck, es handles ich um geordnete staatliche Zustände, deren man hier besonders dringend bedürfe. 651*. Runderlaß Bismarcks Bismarck, GW VIb S. 519–521. Runderlaß. – Vgl. auch ebenda S. 525 (Nr. 1838); Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern IV S. 26–32; DDI II,1 S. 67–68, 73–74, 142.

Verhandlung mit Favre: Straßburg will er nicht herausgeben; ihm wurde ein Waffenstillstand von zwei bis drei Wochen zugestanden, innerhalb derer Frankreich eine Nationalversammlung wählen könne. Nach Rücksprache mit seiner Regierung in Paris wurde das deutsche Anerbieten nicht angenommen. Ferrières, 27. September 1870 652*. Bismarck an Bernstorff Hähnsen, Ursprung II S. 334–335. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 336–337.

Er soll sich erkundigen, ob England nicht die Insel Helgoland an Deutschland abtreten könne im Tausch gegen eine französische Kolonie, die im Friedensschluß gewonnen würde. Ferrières, 29. September 1870 653*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 528. Telegramm.

Er soll dem amerikanischen Gesandten Motley513 in London sagen, daß in das belagerte Paris diplomatische Kuriere nur noch hineingelassen, aber von dort nicht mehr herausgelassen würden. Ferrières, 1. Oktober 1870

513  John Lothrop Motley (1814–1877), amerikanischer Gesandter in London 1869 – 6.  Dezember 1870.

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656*. Mohl an Jolly, München, 1. Oktober 1870

654. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7575, S. 228. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Rom, 1. Oktober 1870, 11 Uhr 25 Min. Vorm. Ankunft: 1. Oktober 1870, 10 Uhr 35 Min. Nachm.

Telegraphire an Graf Bismarck Folgendes: No. 63. Protest des Papstes514 ist allen Mächten übergeben. Ich habe ihn eingeschickt. Der Papst ist unentschieden. Seine Politik ist zu beweisen, daß er sich aller Handlungen der Kirchen-Regierung zu enthalten habe, weil er unfrei sei. Das Programm der Italienischen Regierung: Citta leonina etc. hat sich als unhaltbar erwiesen. Morgen findet Plebiscit statt, wobei Citta leonina etc. mitstimmt. 655*. Bray an König Ludwig II. Doeberl, Bayern S. 302–303. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 303; Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 137–139; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 164.

Nachrichten aus dem deutschen Hauptquartier in Ferrières besagen deutlich, daß die Absicht vorliege, König Wilhelm I. zum „Deutschen Kaiser“ zu proklamieren. Es wäre zweckmäßig, wenn König Ludwig ins Hauptquartier reiste; für die Kaiserproklamation erwartet Bayern Gegenkonzessionen. Irlbach, 1. Oktober 1870 656*. Mohl an Jolly Lorenz, Kaiser Wilhelm S. 343–344. Bericht.

Bray: Man müsse doch Österreich an der Ordnung der deutschen Verhältnisse beteiligen; es werde auf eine Art Erneuerung des früheren Deutschen Bundes abgesehen. München, 1. Oktober 1870

514  Auszug des im folgenden genannten Plebiszits über die Einverleibung des Kirchenstaates in das Königreich Italien ebenda S. 403 (133.671 Ja, 1.507 Nein-Stimmmen). Vgl. auch unten Nr. 660, in der andere – vorläufige – Zahlen genannt werden.

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660. Arnim an Bismarck, Rom, 3. Oktober 1870

657. Βismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6, S. 369. Telegramm. Entzifferung.

No. 256.

Ferrières; 2. Oktober 1870, 8 Uhr 55 Min. N.M. Ankunft: 3. Oktober 1870, 1 Uhr 30 Min. V.M.

Ich bitte, in der ganzen Presse einen energischen Feldzug gegen die Belgische Presse zu eröffnen, welche durch ihre Parteinahme für Frankreich und gegen die deutschen Forderungen die Illusionen [der] Kriegspartei steigert, die Hetzereien derselben fördert und sich so für die Verlängerung des Krieges verantwortlich macht. 658*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 529–530. Erlaß.

Mit Andrássy läßt sich derzeit kein rechtes Vertrauensverhältnis aufbauen. Unter Beust lassen sich keine besseren Beziehungen zu Österreich entwickeln. Ferrières, 3. Oktober 1870 659*. Bismarck an Balan Bismarck, GW VIb S. 530–531. Erlaß.

Die Presse in Belgien wird immer deutschfeindlicher und handelt nicht im Interesse des Landes. Ferrières, 3. Oktober 1870 660. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7552, S. 531–534. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 7. Oktober 1870, (in Versailles) 11. Oktober 1870.

No. 152.

Rom, 3. Oktober 1870

Das Plebiscit hat gestern in Rom und den umliegenden Städten von ­Viterbo bis Velletri Statt gefunden. In der Provinz nach einer Formel, welche die Annexion verlangt unter der Voraussetzung, daß die Unabhängigkeit des Papstes als Oberhaupt der Kirche gewahrt wird; hier ohne diesen Vorbehalt.

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660. Arnim an Bismarck, Rom, 3. Oktober 1870

Die erste Formel war von der Regierung vorgeschlagen, hatte aber hier bei der Giunta Widerstand gefunden. Man hat den Ausgang gewählt, von der Unabhängigkeit des Papstes nur in der Proclamation zu sprechen, durch welche der Präsident der Giunta, Michele Caetani515, Herzog von Sermoneta, die Römer zur Abstimmung auffordert. Ich war darauf gefaßt, an der gestrigen Abstimmung nur Personen aus den niedrigsten Ständen Theil nehmen zu sehen. – Die Betheiligung des Mittelstandes, der wohlhabenden Bürgerschaft und eines Theils der Aristokratie war aber über alles Erwarten groß. In wohlgeordneten Aufzügen begaben sich die verschiedenen Gewerke, Handelsgesellschaften, Vereine u.s.w. zu den 12 Wahlurnen. – Der widerwärtige Lärm der ersten Tage wiederholte sich nicht. Einzelne Prälaten und Capuziner habe ich selbst an der Abstimmung sich betheiligen [ge]sehen, aber ohne daß man sie besonders beachtet hätte. Nach vorläufigen Nachrichten haben 40.860 mit si, 46 mit nò gestimmt. – Die Bevölkerung Roms kann auf 200.000 Menschen veranschlagt werden. Davon sind mindestens 110.000 Frauen. Von den übrigen 90.000 sind pp. 9.500 dem geistlichen Stande angehörig, andere 9.500 dürften zu dem Papste, den Prälaten in einem Clientelverhältniß stehen, so daß 19–20.000 Personen sicher an der Abstimmung sich nicht betheiligen konnten. Von den übrig bleibenden pp. 70.000 wird man mindestens 40.000 Unerwachsene, Greise etc. abziehen müssen. Nur 30.000 – also 10.000 weniger als abgestimmt haben, hätten hiernach zur Urne kommen können.– Die Differenz wird aber ausgeglichen durch pp. 12–14.000 Emigranten. Diese Berechnung, welche im Ganzen wohl richtig sein dürfte, zeigt, daß eine päpstliche Partei überhaupt gar nicht existirt. Es giebt einige persönliche Anhänger des Papstes, aber es sind deren so wenig, daß es nicht schwer sein würde, sie bei[m] Namen zu nennen. Man kann sagen, die ganze politische Organisation des päpstlichen Staatswesens ist zusammengefallen, wie ein Leichnam in Staub verfliegt, der nach tausend Jahren plötzlich mit der Luft in Berührung kommt. Es ist nichts davon geblieben – keine Erinnerung und keine Lücke. Die gestrige Abstimmung, welche leider nach den einmal bestehenden staatsrechtlichen Grundsätzen Italiens nicht zu umgehen war, hat den vollen Werth, welchen eine spontane Manifestation von Gesinnungen haben kann, für welche, mit Ausnahme der Emigranten, keine oder doch nur wenige Opfer an Blut und Gut gebracht worden sind. 515  Michelangelo Caetani (1804–1882), Polizeiminister des Papstes 1848–1870; überreichte als Leiter der Plebiszitkommission dem italienischen König das Abstimmungsergebnis; ab September 1870 Abgeordneter.

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662. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 5. Oktober 1870

Soweit diese Gesinnungen negativer Natur, d. h. weil sie der Ausdruck des Widerwillens gegen das Päpstliche Regiment sind, liegt eine Reaction ganz außerhalb aller Möglichkeit. Was aber die Affirmation, den Wunsch, Unterthanen des Königs Victor Emanuel zu sein, betrifft, so wird es lediglich von dessen Regierung abhängen, welchen Grad von Nachhaltigkeit dieser Wunsch haben kann. 661*. Bismarck an Prinz Friedrich Karl516 Bismarck, GW VIb S. 532–533. – Vgl. auch ebenda S. 541.

Der angebliche Mittelsmann der Kaiserin Eugénie hat bei seinem Besuch in der Festung Metz in Sachen Kapitulation nichts erreicht; die Beziehungen zu ihm werden abgebrochen. Ferrières, 4. Oktober 1870 662. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6254, S. 118–128. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Oktober (im AA), 12. Oktober (in Versailles).

No. 187.

St. Petersburg, 5. Oktober 1870

Seine Majestät der Kaiser theilte mir heute Folgendes über Seine Unterhaltung mit Herrn Thiers mit. Er habe auf Ihn einen merkwürdigen Eindruck gemacht, diesen Mann, der immer so stolz von der Größe und Macht Frankreichs gesprochen, dessen Bemühungen immer auf das Ziel gerichtet wären, die aufstrebende Macht Preußens durch einen Krieg zu Boden zu werfen, nunmehr so demühtig vor Sich zu sehen: il mendiat mon secours! Die Absicht der Reise des Herrn Thiers sei offenbar gewesen, eine Coalition zwischen Rußland, Oestreich und Italien zu Stande zu bringen, um Deutschland zu zwingen, von der ausgiebigen Verfolgung seines Sieges abzustehen und dadurch Frankreich zu retten. Als Motive für eine solche Coalition habe er die Gefahr geschildert, die dem ganzen Europa aus diesem sich neu bildenden Central-Reiche erwachsen würde, und als er sich bald überzeugt habe, daß die Coalitions-Idee hier keinen Anklang fände, habe er den Wunsch ausgesprochen, Rußland möchte doch wenigstens eine etwas entschiedenere Stellung Preußens gegenüber einnehmen. 516  Friedrich Karl (1828–1885), Prinz von Preußen; Neffe König Wilhelms I.; Generalfeldmarschall (28. Oktober 1870).

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662. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 5. Oktober 1870

Der Kaiser hat ihn hierauf gefragt, wozu dies führen solle? Vor Allem liege es nicht im Interesse Rußlands, sich mit seinem deutschen Nachbar[n] zu brouilliren, Oestreichs Macht sei nicht der Art, daß man sich darauf verlassen könne, und Italien habe viel zu viel mit seinen inneren Angelegenheiten zu thun, um sich jetzt ernsthaft um die Händel Europas zu kümmern. Rußland würde daher so ziemlich allein stehen, wenn es den Wünschen Frankreichs nachgeben wolle, und das würde, ganz abgesehen von den persönlichen Neigungen des Kaisers, eine sehr schlechte Politik sein. Hierauf habe Herr Thiers von der Zukunft gesprochen und gesagt, Rußland und Frankreich seien auf einander angewiesen, beide Staaten hätten keine entgegengesetzten Interessen, und die gegenseitige Freundschaft wäre für beide gleich wichtig und nöthig. Der Kaiser hat dies nicht direkt in Abrede gestellt und gesagt, Er verlange nichts mehr, als mit Frankreich auf einem guten Fuße zu leben; deshalb würde Er auch gern bereit sein, diejenige Regierung anzuerkennen, die Frankreich sich geben werde; es sei Ihm gleich, ob dies die Republik oder eine Monarchie mit den Orléans oder ein Empire sein werde, nur müsse Er wünschen, daß diese Regierung überhaupt geschaffen werde. Er bedauere deshalb, daß die Pariser Machthaber den ihnen von Preußen angebotenen Waffenstillstand zum Zweck des Zusammentritts der Constituante nicht angenommen hätten. Im Uebrigen könne Er jetzt nichts für Frankreich thun. Er habe bereits die guten Beziehungen benutzt, die glücklicher Weise zwischen Seiner Majestät dem Könige und Ihm beständen, um zur Moderation zu ermahnen und den Wunsch anzudeuten, den Frieden bald wieder hergestellt zu sehen. Durch die Ablehnung des Waffenstillstands, die übrigens Herr Thiers selber als einen Fehler betrachte, sei vorläufig wieder [= wider] alle Aussicht auf den Frieden verloren gegangen. Im Uebrigen sei Deutschland von Frankreich angegriffen worden, es habe sich mit Glück und Energie vertheidigt, und es sei an den deutschen Fürsten zu entscheiden, welche Garantien sie für einen dauerhaften Frieden zu fordern haben würden. Man habe leider zu den Waffen gegriffen, die Waffen seien es, die jetzt zu entscheiden hätten. Deutschland glaube, daß es ohne eine bessere strategische Grenze nicht vor ferneren Angriffen Frankreichs gesichert sein werde, es sei daher vorauszusehen, daß es ohne einen Länder-Verlust von Seiten Frankreichs nicht zum Frieden kommen werde. Frankreich möge sich fragen, ob es bei der ungünstigen Lage, in welcher es sich durch seine eigene Schuld befinde, vortheilhaft sei, den Krieg noch weiter fort zu führen. Er, der Kaiser, könne nichts versprechen als da, wo es Ihm möglich erscheine, Seine Stimme im Interesse des Friedens und der Mäßigung hören zu lassen. Durch diesen Bescheid sei der französische Unterhändler ganz entmuthigt worden.

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662. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 5. Oktober 1870

Nach dieser Unterredung sei Ihm, dem Kaiser, durch die Frau Großfürstin Helene ein Brief Ihrer Majestät der Königin mitgetheilt worden, in welchem zwei Gedanken enthalten gewesen: Einmal die Nothwendigkeit der Erwerbung von Metz und Strassburg mit der Bemerkung, daß es schwierig sein werde, sich rein französische Elemente ganz zu assimiliren, und deshalb bei den Friedens-Verhandlungen eine gewisse Moderation zulässig sein dürfte, und zweitens, Rußland möge seinen Einfluß anwenden, um auch auf die Franzosen zu wirken und sie zur Annahme unserer Bedingungen geneigter zu machen. Den zweiten dieser Gedanken habe Er aufgefaßt und sofort dem Fürsten Gortschakoff aufgetragen, Herrn Thiers aufzufordern, er möge die französischen Machthaber bewegen, die Initiative zu neuen Verhandlungen mit uns zu ergreifen. Solche Verhandlungen würden aber zu nichts führen, wenn sich Frankreich nicht mit dem Prinzip der Gebiets-Abtretung vertraut machen wolle. Fürst Gortschakoff hat diesen Auftrag vorgestern, also am 3ten, ausgeführt und nach langem Kampfe zu bemerken geglaubt, daß sich Herr Thiers allmählich mit diesem Gedanken vertraut machte. Er hat sich endlich bereit erklärt, s e l b s t neue Verhandlungen mit uns zu übernehmen, und für diesen Fall den Kaiser bitten lassen, ihm von Seiner Majestät dem Könige einen sauf-conduit auszuwirken, der es ihm ermögliche, nach Paris hinein und von da in’s Königliche Hauptquartier zur Anknüpfung von neuen Verhandlungen zu kommen. Der Kaiser hat hierauf ein Telegramm an Seine Majestät den König aufgesetzt, welches Er Herrn Thiers hat mittheilen lassen. Dieses Telegramm enthält die eben angeführte Bitte und lautet ungefähr wie folgt: Thiers s’est montré très-modéré. Il paraît comprendre à sa juste valeur la gravité de la situation etc. Fürst Gorschakoff hatte hinzugesetzt : „et qu’il y aurait des concessions à faire“, Herr Thiers hatte aber gebeten, dies weg zu streichen, weil er diesen Ausdruck nicht auf sich nehmen könnte. Er hatte sich Bedenkzeit ausgebeten und schrieb gestern kurz vor seiner Abreise dem Fürsten Gortschakoff, er könne es nicht auf sich nehmen, ohne die französischen Minister, die allein verantwortlich seien, befragt zu haben, die Sache zu übernehmen. Er bäte daher, dieses Telegramm nicht abzuschicken und damit zu warten, bis er entweder von Wien oder von Tours aus melden werde, ob dies Unternehmen in Tours Anklang gefunden haben werde, wo er hoffe, noch vor dem 16ten einzutreffen. Er schreibt ungefähr Folgendes: j’accepte en même temps que je refuse ce télégramme qui contient le germe d’une négociation qui pourrait mettre fin à l’effusion de sang effroyable qui désole deux grands peuples et je supplie Sa Majesté de retarder son envoi etc. 444

663. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 6. Oktober 1870

Ich habe Seine Majestät den Kaiser gebeten, mir zu sagen, ob sich Herr Thiers wirklich einverstanden mit dem Prinzip der Länder-Abtretung erklärt habe, weil ohne dem jede Verhandlung unnütz sein werde. Der Kaiser erwiederte mir, e i n v e r s t a n d e n sei zu viel, aber Thiers habe dies Prinzip nicht ganz von sich gewiesen; sein Wunsch, seinem Lande den Frieden wiedergegeben zu sehen, sei so groß, daß es den Anschein habe, als wenn er sich in das Unvermeidliche fügen wolle. Ja, er hoffe sogar, die französischen Machthaber auch zu dieser Ansicht zu bringen. Der Kaiser theilte mir noch mit, daß Fürst Gortschakoff dem französischen Abgesandten vollkommen reinen Wein über das Verhältniß Rußlands zu Oestreich eingeschenkt und ihm versichert habe, daß noch heute der Wille des Kaisers unerschütterlich sei, keine feindliche Demonstration Oestreichs gegen uns zu dulden. Herr Thiers hätte dabei ausgerufen: mais c’est donc une politique de famille que vous faites. 663. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12146, S. 51–54. Bericht. Behändigte Abschrift. Praes.: 9. Oktober 1870.

No. 188.

St. Petersburg, 6. Oktober 1870

Eurer Excellenz hohen Erlaß No. 11. d.d. Ferrières, den 26. September, welcher von der Bereitwilligkeit spricht, unter gewissen Umständen in Constantinopel sich über unser freundschaftliches Verhältniß zu Rußland zu äußern, habe ich am 4ten Abends durch den Feldjäger zu erhalten die Ehre gehabt. Da ich gestern mit dem Kaiser in Lissino zur Jagd war, so habe ich zunächst Ihn im Sinne dieses Erlasses gesprochen und besonders hervorgehoben, daß der Gedanke, einen Handel zu schließen, dem Königlichen Cabinet fern stände. Ich leitete das Gespräch dadurch ein, daß ich sagte, dieser Erlaß sei bereits durch die Ereignisse überflügelt worden, und wenn ich in meinen früheren Berichterstattungen hätte constatiren müssen, daß der Kanzler unsere Friedens-Bedingungen nicht mit günstigen Augen angesehen habe, so könne ich jetzt nur mit Dankbarkeit bemerken, wie Seine Majestät angefangen hätte, Sich den Gründen nicht zu verschließen, welche Deutschland nötigen würden, eine neue, sichere Grenze zu verlangen. Der Kaiser erwiederte mir, indem Er Sich befriedigt über die Gedanken aussprach, welche über das gegenseitige Verhältniß der beiden Regierungen in Eurer Excellenz Erlaß enthalten sind, daß die Haltung, Frankreich gegenüber nunmehr an D e u t l i c h k e i t w o h l n i c h t s z u w ü n s c h e n ü b r i g . Was unsere Friedensbedingungen anbetreffe, so habe Er die persönliche An-

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663. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 6. Oktober 1870

schauung, die Er von Anfang darüber ausgesprochen, im Wesentlichen nicht geändert. Noch heute fürchte Er, daß das Losreißen von Provinzen den Keim zu neuen Kriegen in sich tragen werde, und nur deshalb habe Er ein Wort der Warnung gesprochen. Er könne indessen begreifen, daß Deutschland eine neue strategische Grenze zum Schutz gegen neue Ueberfälle verlange. Jeder müsse bei sich am Besten wissen, was er zu seiner Sicherheit brauche, und Seine Majestät der König würde in Seiner Weisheit besser wie jeder Andere bestimmen können, wie weit Er mit Seinen Forderungen gehen müsse. Niemals in der Geschichte habe das nationale Gefühl und der militairische Ruhm eine so glänzende Genugthuung gefunden als in dieser Campagne, in welcher die deutschen Armeen nicht einen einzigen échec aufzuweisen hätten. Er sei überzeugt, daß diese Forderungen nicht durch ehrgeizige Regungen, sondern nur durch die gebietende Nothwendigkeit bestimmt werden würden. Er sei daher entschlossen, in keiner Weise hindernd aufzutreten, und wenn Er fortfahren würde, von Mäßigung zu sprechen, so geschähe dies nur, weil Er dringend wünsche, die Wiederherstellung des Friedens nicht erschwert zu sehen, und weil Er überzeugt sei, daß Seine Majestät der König Allhöchstselbst Sich einer am rechten Orte und zur rechten Zeit angebrachten Mäßigung nicht verschließen werde. Eine in einem Briefe Ihrer Majestät der Königin enthaltene Andeutung lasse Ihn überdies vermuthen, daß Er Sich in dieser Annahme nicht getäuscht habe. Was die Zusagen betreffe, Ihn in Seinen Wünschen mit Bezug auf den Traktat von 1856 zu unterstützen, so nehme Er dieselben sehr dankbar an und rechne auf die moralische Unterstützung Seiner Majestät des Königs. Wann Er dieselbe anrufen werde, könne Er jetzt noch nicht bestimmen, der Moment werde aber kommen, und auch Er hoffe, daß die Russische Nation begreifen werde, daß die Freundschaft, die Er persönlich i m m e r für Preußen und sein Königshaus im Ganzen getragen habe, auch eine politisch fruchtbringende sein werde. Er bedauere, daß die unüberlegten Conversationen des General[s] Ignatieff die Aufmerksamkeit der anderen Mächte auf diesen Gegenstand gelenkt hätten, hoffe aber, daß dies an dem Gelingen Seiner Pläne nichts ändern werde. Die Notiz über die uns zugeschriebenen Tendenzen einer Wiederherstellung der Napoléonischen Dynastie befriedigte den Kaiser sichtlich.

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665. Bismarck an Eichmann, Versailles, 8. Oktober 1870

664*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 534–535. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. ebenda S. 535–536; 573–574; Beust, Erinnerungen II S. 399–400.

Beust will sich weiterhin für eine Intervention zugunsten Frankreichs hergeben. Mit ihm sind keine ernsthaften politischen Geschäfte zu machen. Versailles, 8. Oktober 1870 665. Bismarck an Eichmann PA Berlin, RZ 201/3194, S. 367–370. Vertraulicher Erlaß. Abschrift.

No. 16.

Versailles, 8. Oktober 1870

Ew.pp. sind mit den Gedanken vertraut, welche unsere Politik gegenüber den Angriffen leiten, mit welchen die staatliche Ordnung in Europa von Seiten der socialistischen Revolution bedroht wird. Ich habe mich im Sinne derselben, wie ich Ew.pp. bereits mitgetheilt, gegen Sr. Königl. Hoheit den Prinzen Luitpold von Bayern bei gelegentlichen Unterhaltungen im Hauptquartier ausgesprochen und ihn darauf aufmerksam gemacht, wie wünschenswerth es sei, daß die Dynastien an der Spitze der Europäischen Staaten sich der Gemeinsamkeit ihrer Interessen bewußt bleiben. Ich fand den Prinzen unter der Herrschaft des Vorurtheils, als ob unsere Politik heut eben so gefährlich für Oesterreich sei wie 1866 und unsere Gesinnung eben so feindlich wie die der höheren Kreise Oesterreichs gegen uns. Ich habe dem Prinzen die Ueberzeugung zu geben gesucht, daß wir nicht nur keine feindlichen Tendenzen gegen Oesterreich hegen, sondern es auch gern sehen würden, wenn das Vertrauen zwischen Oesterreich und Rußland sich befestigte, indem ich glaubte, daß jeder Monarchie heut zu Tage größere Gefahren von anderen Feinden drohten als von der benachbarten Dynastie. Daß Seine Königliche Hoheit der Prinz Luitpold davon, wie ich erwartete, Veranlassung genommen hat, an seinen Schwager, den Erzherzog Albrecht zu schreiben, ist Ew.pp. ebenfalls bekannt. Schon bald nachher fielen mir einige Zeitungs-Artikel der Wiener PreßOrgane auf, welche in einer gewissen spöttischen Weise Preußen den Vorwurf machten, es suche die heilige Allianz wieder in’s Leben zu rufen; u. ich konnte kaum noch in Zweifel über die Aufnahme der durch den bayerischen Prinzen ausgesprochenen Gedanken sein, als der Erzherzog Albrecht seine Antwort an den letzteren durch den Reichskanzler Beust dem königlichen Gesandten in Wien behändigen ließ, mit der Bitte, sie an den Prinzen in’s Hauptquartier zu befördern.

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666*. Papst Pius IX. an König Wilhelm I., [Rom] 10. Oktober 1870

Prinz Luitpold hat die Güte gehabt, mir den Brief seines Herrn Schwagers zum Theil vorzulesen; und soviel ich aus dieser, allerdings flüchtigen und unterbrochenen Vorlesung auf dem Marsch habe entnehmen können, läßt derselbe kein unbefangenes Eingehen auf unsere Gedanken hoffen. Der Erzherzog hat den Brief des Prinzen dem Kaiser mitgetheilt, und die Antwort ist offenbar von dem Grafen Beust inspirirt. Sie geht im Wesentlichen darauf hinaus, daß Oesterreich, so lange nicht sein Interesse durch Anerbietungen besonderer politischer Vortheile von uns angeregt würde, kein Bedürfniß einer Anlehnung fühle, wenn Preußen, wie es scheine, den Wunsch oder das Bedürfnis der Annäherung an Oesterreich habe, so vermisse man bisher jede Aeußerung darüber, was Preußen denn dafür an Oesterreich, welches vielseitige Interessen habe, zu bieten haben würde; der Kaiser werde gern Alles in Erwägung ziehen, was auf directem Wege an ihn gelange. Ich halte hiernach durch diese Sondirung für constatirt, daß man in Wien das Bedürniß einer Anlehnung an befreundete Nachbarn nicht empfindet, falls wir dafür einen annehmbaren Preis bieten, dessen Erfindung unserem Scharfsinn überlassen wird. Ew.pp. wissen ohne Nachweis durch mich, daß wir gegenwärtig keiner Anlehnung, die Oesterreich in der Lage wäre, uns zu gewähren, bedürftig sind. Wenn ein gegenseitiges Verständniß auf dem Boden der Interessen monarchischer und staatlicher Ordnung nicht in dem Bedürfnisse Oesterreichs liegt, so müssen wir uns eben resigniren und abwarten, bis eine richtige Würdigung der Lage sich in Wien Bahn bricht. Unser Wunsch, mit Oesterreich in friedlichem Einverständniß zu leben, ist in den nachbarlichen Beziehungen begründet; aber wir sind nicht in der Lage, denselben auf Kosten unserer deutschen Interessen oder unserer freundschaftlichen Beziehung zu Rußland befriedigen zu müssen. 666*. Papst Pius IX. an König Wilhelm I. Huber, Staat und Kirche II S. 452–455. Handschreiben (mit Übersetzung). – Vgl. auch ebenda S. 455–456 die Antwort des preußischen Königs. Ebenda S. 456–457 ein weiteres Schreiben König Wilhelms I. an Papst Pius IX. – Vgl. ferner BDFA I F XXXIII S. 376–379, 389–391.

Sowohl die Regierung in Florenz als auch die Aktionspartei (die Mazzinisten und die Garibaldianer) entziehen dem Papst alle Mittel der Regierung. Die Soldateska treibt in Rom ihr Unwesen. Der König von Preußen muß nicht nur den Mazzinismus verdammen, sondern auch die Regierung von Florenz, die sich der Mazzinis und der Garibaldis bedient. [Rom] 10. Oktober 1870

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670*. Bismarck an Brassier, Versailles, 12. Oktober 1870

667*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 537–538. Telegramm. – Vgl. auch S. 554, 556–557, 572– 573; Becker, „Diversion“ III S. 171–176, 178–180.

Falls die spanische Regierung eine Kandidatur des Prinzen Leopold von Hohenzollern für den Königsthron von neuem erwägt, soll sie sich an diesen selbst wenden. Versailles, 11. Oktober 1870 668*. Bismarck an Suckow Bismarck, GW VIb S. 538–539. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 539–540.

Er würde sich freuen, ihn und seinen württembergischen Kollegen Mittnacht im Hauptquartier zu sehen. Versailles, 11. Oktober 1870 669*. Bismarck an Fürstin zu Sayn-Wittgenstein517 Bismarck, GW VIb S. 540–541. Schreiben.

König Wilhelm I. hat das Schreiben des Grafen von Chambord (des Hauptes der französischen Bourbonen) dankend entgegengenommen. Es ist zu hoffen, daß in Frankreich das Prinzip des monarchischen Erbrechts wieder die Oberhand gewänne. Versailles, 11. Oktober 1870 670*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 544. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 545 (Nr. 1864).

Er kann dem italienischen Nizza-Komitee 5.000 frs. zur Verfügung stellen, soll aber keine politischen Perspektiven bieten. Versailles, 12. Oktober 1870

517  Amalie (1802–1887), Fürstin zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein. – Der im folgenden genannte: Heinrich (1820–1883), Graf von Chambord; Enkel König Karls X.; 1830 von den französischen Legitimisten (Bourbonen) als Heinrich V. zum König von Frankreich ausgerufen.

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673. Schweinitz an Bismarck, Wien, 12. Oktober 1870

671*. Bismarck an Herzog Ernst II.518 Bismarck, GW VIb S. 541–542. Schreiben.

Bedankt sich für die Übersendung einer Denkschrift über das neue Deutsche Reich. Er ist mit allen darin enthaltenen Gedanken einverstanden mit Ausnahme der Ausführungen über einen Reichsrat und der Einführung von Reichsministerien. Versailles, 12. Oktober 1870 672*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 542–543. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 543–544; Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 138–146.

Der Antrag Badens auf Aufnahme in den Norddeutschen Bund ist hier eingegangen. Er ist zu Verhandlungen über die Modalitäten bereit. Analoge Verhandlungen mit Württemberg stehen bevor; Minister Freydorf möge daher nach Versailles kommen. Versailles, 12. Oktober 1870 673. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6256, S. 29–33. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Oktober (im AA), 18. Oktober 1870 (in Versailles).

No. 331.

Wien, 12. Oktober 1870

In einem historischen Moment trafen zwei berühmte Geschichtsschreiber, Ranke519 und Thiers, in demselben Gasthofe in Wien zusammen; von früher befreundet, Thür an Thür wohnend, hatten sie lange Gespräche miteinander, die mir von meinem italienischen Collegen, der zeitweise zugegen war, als höchst anziehend geschildert werden; Herr Professor Ranke hatte die Güte, mir ein Resümé davon zu geben, welches ich mich beehre, Euerer Excellenz in Nachstehendem gehorsamst vorzulegen. „Der Zufall wollte“, sagt Professor von Ranke, „daß ich, zu archivalischen Zwecken nach Wien kommend, in dem Hôtel Wohnung nahm, wo gleich darauf Mr Thiers, mein alter Freund, auf seiner Reise von Petersburg nach Florenz begriffen, abstieg. Ungesucht bahnte sich ein Verkehr zwischen uns 518  Ernst

II. (1818–1893), Herzog von Sachsen-Coburg-Gotha 1844–1893. von Ranke (1795–1886), Professor für Geschichte in Berlin ab 1825. – Der im folgenden genannte italienische Kollege: Minghetti (oben Anm. 483). 519  Leopold

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673. Schweinitz an Bismarck, Wien, 12. Oktober 1870

an, der sich auf die großen vorliegenden Angelegenheiten bezieht und der sich über das gewöhnliche Politisiren dadurch erhob, daß Thiers, obwohl ohne besondere Mission und Stellung, doch virtuell als einer der vornehmsten Repräsentanten der jetzigen Regierung von Frankreich betrachtet werden kann. Davon nun, was er in London oder Petersburg oder auch in Wien gesucht und ausgerichtet habe, was er jetzt in Wien oder in Florenz auszurichten hoffe, sagt[e] er mir kein Wort. Es mag sein, daß er die Idee einer Europäischen Einwirkung hegt, doch sprach er davon nicht. Sein ganzes Augenmerk war ausschließlich auf Seine Majestät den König und eine mit Allerhöchstdemselben zu schließende Abkunft gerichtet. Unser Gespräch ging von der eminenten Gefahr aus, in welcher Paris in diesem Augenblicke schwebe. Ich bezeichnete es als unwahrscheinlich, daß die Stadt den siegreichen Waffen seiner Majestät widerstehen könne; er hielt das für möglich. Aber wir vereinigten uns darin, daß das Ereigniß unter allen Umständen die schwersten Folgen nach sich ziehen werde. Auch dann, wenn Paris erobert ist, wird die Frage, wie ein Friede möglich sei, der nicht auf bloßer Gewalt beruhe, in den Vordergrund treten; besser immer vorher als nachher, aber auch dann, die Gegensätze träten nur um so stärker auf. Ich betonte, daß Seine Majestät der König durch den Verlauf der Ereignisse, die frühere Geschichte, die gegenwärtige Stimmung genöthigt werde, auf eine wesentliche und erhebliche Abtretung in den östlichen Provinzen Frankreichs zu bestehen, wie denn schon in der letzten Thronrede520 von Sicherheiten für den Frieden die Rede ist. Thiers erwiderte: Der Kaiser, der Preußen bedroht habe, sei gefallen; die imperialistische Partei schlug er sehr gering an. Seiner Majestät dem Könige stehe jetzt das Frankreich gegenüber, welches den Krieg nicht gewollt habe, es wünsche Nichts als den Frieden. Neuer Garantien bedürfe Preußen nicht. Man habe kein Beispiel, daß ein Staat so rasch zu großer Macht emporgestiegen sei wie in den letzten Jahren der Preußische. Das nicht imperialistische Frankreich, gleichviel ob unter der Form der Republik oder unter den Orleans, stelle sich Seiner Majestät dem Könige nicht mehr feindselig entgegen; die Mainlinie sei demselben gleichgültig. Es werde damit übereinstimmen, wenn Seine Majestät sich zum Kaiser erklären werde. Unter diesen Umständen bedürfe Preußen keiner Garantien. Ich erwiderte, nicht gegen Frankreich an sich, aber gegen die möglichen Revolutionen, deren Frankreich in den letzten Jahrzehnten so viele gehabt habe. Wie leicht, daß da wieder ein gewaltsamer Kriegsführer emporkomme und uns angreife. 520  Vom 14. Februar 1870. Text in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 45–46.

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673. Schweinitz an Bismarck, Wien, 12. Oktober 1870

Thiers stellte diese Eventualität in Abrede, besonders aber legte er darauf Nachdruck, daß es keine Regierung in Frankreich geben könne, welchen Namen sie auch immer trage, die sich verstehen würde, einen Frieden zu unterzeichnen, der eine bedeutende Abtretung involvire. Was könne aber alsdann folgen als ein fortwährender Krieg, welcher die Nation immer mehr aufbringe und Frankreich tief herabwürdige. Ich sagte ihm, Seine Majestät denke daran nicht. Selbst, wovon man gesprochen hat, daß Frankreich in die zweite Klasse der Mächte herabgedrückt werden solle, sei keine preußische Idee; ein starkes Frankreich müsse sein, und eine alte deutsche Provinz zurückzugeben an Deutschland könne die Nation als solche nicht in dem Grade aufregen, welchen er annehme. Er sagte auch, Elsaß sei französisch, es wolle nicht deutsch werden, was gegen alle seine Interessen laufe. Das lasse sich bestreiten, erwiderte ich, denn es rede deutsch. Eine Verbindung mit Preußen und Deutschland eröffne dem Lande die Aussicht eines steigenden Wohlstandes. Aber ich will ehrlich sein, erwiderte er. Sie kennen mich als wahrhaftig. Ich für meine Person will meine grauen Haare nicht durch eine Lösung beflecken, welche den Gefühlen des Landes und dem, was ich mein ganzes Leben gesagt habe, so vollkommen entgegen läuft. Aber, sagte ich, zu der Gesellschaft gewendet, die ihn umgab, der König von Preußen kämpft nicht mehr gegen Napoléon, der gefangen ist, noch auch gegen Frankreich an sich; er bekämpft die Idee Ludwigs XIV521, der in der Zeit deutscher Zerrissenheit und Schwäche ohne alles Recht Straßburg und den Elsaß an sich brachte. Daran hat man schon in den Jahren 1814/15 gedacht. Es ist eine gemeinsame Forderung der Nation. Erinnerungen eines Historikers, welche doch nicht ohne alle Wirkung blieben und von dem, was ich sagte, vielleicht den größten Eindruck machten, doch war damit zu keinem positiven Resultate zu gelangen. Ich will nicht mit weiteren Einzelheiten beschwerlich fallen, aber in jedem Gespräch giebt es etwas, was nicht in bestimmte Worte gefaßt wird. Der Gesammteindruck, den ich hatte, war der, daß eine Abtretung in den deutsch redenden Provinzen doch vielleicht mit gutem Willen der Franzosen zu erreichen sein würde. Soviel ich abnehmen konnte, freilich nur eine beschränkte, eine Rectifikation der Grenzen zum Vortheil Deutschlands und zur Deckung der blosgestellten Grenzgebiete und zugleich eine große Kriegsentschädigung in Geld. Daß aber jemals Metz abgetreten werden würde, schien mir unmöglich zu sein. Auf eine Schleifung der Festung würde, nach dem, was ich hörte, vielleicht zu denken sein.

521  Ludwig

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XIV. (1638–1715), König von Frankreich 1643–1715.

677*. Bismarck an Brassier, Versailles, 15. Oktober 1870

So waren die Erwägungen, welche da zwischen Feinden gepflogen wurden, welche zugleich Freunde sind.“ 674*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 545. Telegramm.

Für Keyserling in Konstantinopel: Er soll dort die Intimität der preußischrussischen Beziehungen betonen, aber keinerlei aggressive Pläne andeuten. Versailles, 13. Oktober 1870 675*. Das bayerische Ministerium an König Ludwig II. Bray, Denkwürdigkeiten S. 145–147. Eingabe.

König Wilhelm I. lädt zur Reise nach Versailles ein, um dort mit ihm – Ludwig II. – über die Gründung des Deutschen Reiches unter Aufrechterhaltung der Rechte Bayerns zu sprechen. Später sollen die übrigen deutschen Fürsten und die Vertreter der freien Städte hinzugezogen werden. Da diese Bevorzugung der Rechte Bayerns eine einmalige Gelegenheit ist, befürworten sie die Annahme der Einladung. [München] 13. Oktober 1870 676. Brassier an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/7581, S. 496. Telegramm. Entzifferung.

No. 78.

Florenz, 14. Oktober 1870, 12 Uhr 5 Min. Nachm. Ankunft: 16. Oktober 1870, 2 Uhr - - Min. Vorm.

Die spanische Thronfrage tritt hier von Neuem in den Vordergrund. Wie mir versichert wird, hat Prinz Amadeus sich endlich entschlossen, die Krone unter 2 Bedingungen anzunehmen, daß abgestimmt werde und daß Spanien ihm Zustimmung aller europäischen Großmächte ohne Ausnahme garantire. 677*. Bismarck an Brassier Bismarck, GW VIb S. 546. Telegramm.

Thiers ist im deutschen Hauptquartier willkommen. Versailles, 15. Oktober 1870

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681*. Paget an Granville, Florenz, 15. Oktober 1870

678*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 546–447. Erlaß.

Die Mitteilung des Zirkulars522 sollte keine Meinungsäußerung der englischen Regierung über die Friedensbedingungen provozieren. Der Friede ist allein Sache der deutschen und der französischen Regierung. Versailles, 15. Oktober 1870 679*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 547–548. Ganz vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch S. 550 (Nr. 1872), 551–553, 554–555, 558–559, 563, 568 (Nr. 1895), 637.

Seine Besprechungen mit dem Herzog von Persigny haben ergeben, daß hinter dem Marschall Bazaine in der Festung Metz keine reale Macht stehe, so daß keine Anknüpfung versucht werden könne. Versailles, 15. Oktober 1870 680*. Bismarck an Perponcher Bismarck, GW VIb S. 549. Ganz vertraulicher Erlaß.

Die Einverleibung Luxemburgs ins neue Deutschland kommt kaum in Frage. Ist aber eine Anbindung des Großherzogtums an Deutschland irgendwie realistisch? Versailles, 15. Oktober 1870 681*. Paget523 an Granville BDFA I F XXXII S. 171. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 197–199.

Außenminister Visconti Venosta teilt mit, Thiers habe Italien um militärische Hilfe gebeten; er habe das abgelehnt. Florenz, 15. Oktober 1870

522  Vom

16. September 1870 (Bismarck, GW VIb S. 500–502). Augustus Paget (1823–1896), englischer Gesandter (1876 Botschafter) in Italien 1867–1883. 523  Sir

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684. Schweinitz an Bismarck, Wien, 18. Oktober 1870

682*. Granville an Buchanan BDFA I F XXXII S. 158. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 179, 194, 195–196.

Er soll Fürst Gorčakov vertraulich ansprechen, ob England und Rußland sich über allgemeine Friedensbedingungen verständigen könnten. Falls dieser damit einverstanden sei, soll er ihn fragen, ob nicht England und Rußland zusammen mit anderen neutralen Regierungen den König von Preußen ersuchen sollten, die unmenschliche Belagerung von Paris aufzugeben. Foreign Office, 16. Oktober 1870 683*. Bismarck an Gerolt Bismarck, GW VIb S. 550–551. Telegramm.

Bitte betonen, daß es Deutschland nur um „notwendigen Grenzschutz gegen Frankreichs nächsten Angriff“ gehe, nicht um dessen Entmachtung. Versailles, 17. Oktober 1870 684. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8458, S. 405–412. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Auszug. Praes.: (im AA) 21. Oktober, (in Versailles) 24. Oktober 1870.

No. 335.

Wien, 18. Oktober 1870

[…] In den Delegationen sind überhaupt ernste Verhandlungen zu erwarten; der Kriegsminister524 wird einen schweren Stand haben; das Urtheil über die auswärtige Politik aber wird durch die Haltung des Grafen Andrassy bedingt werden. Da dieser ungarische Minister in dem Maß mächtiger wird, als die cislei­ thanischen Zustände verworrener werden, so glaube ich, Euerer Excellenz etwas ausführlicher über ihn berichten zu dürfen: Ehrgeizig ist er und mehr stolz als eitel; die Beifallsliebe, welche dem Grafen Beust eigen ist und die, wie so oft bei dem Ueberwiegen des Intellects über die Moral, gleichzeitig aus geringer Selbstachtung und großer Selbstüberschätzung entspringt, ist dem Grafen Andrassy fremd. Er spricht gern und seine Rede ist vielleicht zu reich an Worten und an Bildern, doch bieten sich ihm diese ungesucht; wenn

524  Kuhn. – Die Delegationen traten am 24. November 1870 in Pest zusammen. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 303–304.

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684. Schweinitz an Bismarck, Wien, 18. Oktober 1870

er überhaupt in seinem Wesen etwas affectirt, so ist es freimüthige Natürlichkeit. Erfolge, unter wunderbarem Schicksalswechsel, krönen seine Thätigkeit, die in der Jugend der Revolution, im Mannesalter der Aufrichtung und Beherrschung seines Vaterlandes gewidmet ist. Glücklich in Allem, reich, vornehm, integer in Mitten der Corruption, im Besitze der Eigenschaften, die sein Volk besonders schätzt, dessen auch ihm eigene Fehler langer Aufenthalt im Ausland gemildert, ist Graf Andrassy nächst Deak der populärste und der mächtigste Mann in Ungarn. Durch das feu sacré, welches ihm innewohnt, würde er sein Volk zu großen Thaten fortzureißen im Stande sein; durch seine Schlauheit wird er hoffentlich solche Nothwendigkeit fern halten, denn keine Tapferkeit würde das Schicksal der Tscherkessen525 von den Magyaren abwenden, deren Feinde im eigenen Lande so zahlreich wie sie selbst, in den Nachbarländern aber zahllos sind. Graf Andrassy ist dem Kaiser treu ergeben, aber Ungarn geht ihm über Oesterreich, welches für ihn nur in so weit Werth hat, als es seinem Lande nützlich ist; er begreift vollkommen, daß Oesterreich dasjenige, was er von ihm verlangt, nur so lange leisten kann, als die Deutschen in ihm die Leitung haben. Die Ueberzeugung, daß es einmal zum Kriege zwischen Rußland und Ungarn kommen müsse, steht fest bei dem Grafen Andrassy; Ungarn ohne Oesterreich wäre dann verloren, daher ist er einer Lockerung des sie vereinenden Bandes, einem Uebergang vom Dualismus zur Personalunion, entgegen. Nächstdem rechnet er auf die Polen und begünstigt die Bestrebungen der Galizier; die Wiederherstellung Polens gehört unzweifelhaft zu seinen Lieblingsideen. So weit nach seinen Aeußerungen zu schließen erlaubt ist, wünscht er keine Gebietserweiterung auf Kosten der Türkei; er will aber, daß Ungarn – dessen innere Zustände, beiläufig gesagt, in mancher Beziehung hinter den türkischen zurückstehen – die Erziehung der türkischen Christen übernehme und diese dahin bringe, daß nach dem Falle der osmanischen Herrschaft kein Chaos auf der Balkan-Halbinsel eintrete; vor Allem Anderen will er sie von Rußland abziehen.

525  Die Tscherkessen, ursprünglich ansässig in der Westhälfte des Kaukasus, wanderten nach der endgültigen Unterjochung des Kaukasus durch Rußland 1859 in großer Zahl in verschiedene Gebiete des Türkischen Reiches aus. – Zum folgenden: Die Ungarn zählten damals in ihrem Teil des Habsburgerreiches etwa 45  % der Gesamtbevölkerung; die stärksten Gruppen der anderen Nationalitäten waren die Serben und die Kroaten; es folgten die Slowaken, die Ruthenen, die Polen, die Rumänen und die Deutschen.

456

684. Schweinitz an Bismarck, Wien, 18. Oktober 1870

Wie Graf Andrassy sich das Verhältniß Oesterreich-Ungarns zu Preußen denkt, ist durch viele seiner Aussprüche, die ich zur Kennntiß Euerer Excellenz zu bringen mich beehrte, angedeutet; die Vorbedingung für ihn bleibt aber immer die Lockerung der zwischen Preußen und Rußland glücklicher Weise bestehenden Freundschaft. Gleich in unserer ersten Unterredung suchte ich ihn zu überzeugen, daß Preußen, als Freund dessen, den die Ungarn für ihren Feind halten, ihnen besonders gute Dienste leisten könne; vergebens! Er hält fest an der Meinung, daß Deutschland, obwohl ebenso wie Ungarn durch Rußland gefährdet, doch Letzterem im Orient freie Hand lassen werde. Der Fall, den Euere Excellenz in dem hohen Erlaß No 9 aus Versailles vom 8. October526 als unerwünscht bezeichnen, der Fall, den man fern zu halten streben muß, nämlich: daß Preußen zwischen Rußland und Oesterreich zu optiren gezwungen sei, könnte eintreten, wenn Graf Andrassy Minister des Aeußern würde. In Bezug auf die Stellung, welche Graf Andrassy zu Frankreich annehmen dürfte, gilt der Satz, den Euere Excellenz in No 13 vom 18. September527 aussprachen, daß seine Sympathien mehr dem Kaiser, dem er zu Danke verpflichtet ist, als dem Lande gelten. Mit England zusammenzugehen würde ihm leichter werden als dem Grafen Beust; das Vertrauen, welches sich dieser beim britischen Publikum mit großem Geld-Aufwande durch die Presse erwerben wollte, würde sich dem chevalaresken Magyaren von selbst zuwenden. In der innern Politik hat sich Graf Andrassy als freisinniger Aristokrat bewährt; sehr nachgiebig, wenn es sich um demokratische Liebhabereien handelt, hat er im Wesentlichen die conservativen Interessen (z. B. in der Comitats-Reform) fest und erfolgreich vertreten; er versteht die Gefahren, welche den Dynastien und der staatlichen Ordnung drohen, und bezeichnet es als höchst verderblich, wenn, wie er sich ausdrückt, die Licitation528 in Liberalismus zwischen Preußen und Oesterreich wieder anfinge. Alles in Allem genommen würde also Graf Andrassy als Leiter der Oesterreichisch-Ungarischen Politik nach Innen nützlicher, nach Außen schädlicher werden können als der durch den Grafen Andrassy controllirte Graf Beust. Eines aber wäre bei ihm möglich, wodurch Besserung in dem Verhältniß Preußens zu Oesterreich eintreten könnte: persönliche Verständigung zwischen Euerer Excellenz und ihm; eine gelegentliche Begegnung und Besprechung könnte[n] zu einigen Resultaten führen. Wirklicher Verlaß auf ihn wird freilich auch dann nicht sein, aber auch auf keinen anderen Kanzler 526  Oben

Nr. 664*.

527  Nr. 621*.

528  Versteigerung;

hier: gegenseitiges Überbieten. 457

685. König Wilhelm I. an König Leopold, Versailles, le 20 Octobre 1870

Seiner Apostolischen Majestät; ähnliche Fälle wie der vom Jahre 1865, wo drei Monate nach der Gasteiner Verständigung das Grafen-Ministerium in der Frankfurter Angelegenheit faux bond machte529, dürften sich hier leicht wiederholen, mögen nun Grafen, Bürgermeister, Sachsen oder Magyaren Kaiserliche Minister sein. Zu bedauern ist es, und ich sprach dies unlängst dem Baron Hübner530 aus, daß die Männer von conservativen und religiösen Grundsätzen sich jetzt fernhalten; les absents ont tort, sagte ich ihm, und er stimmte dem vollständig bei, nahm aber gleichzeitig Abschied von mir, um nach Italien zu reisen, ebenso wie Graf Seczsen, den ich lieber als irgend einen Anderen an der Spitze der Geschäfte sehen würde. 685. König Wilhelm I. an König Leopold PA Berlin, RZ 201/6257, S. 175–179. Handschreiben. Von Wilhelm I. revidierte Abschrift.

[o.Nr.]

Versailles, le 20 Octobre 1870

Monsieur mon Frère, C’est avec un vrai plaisir que j’ai reçu la lettre que Votre Majesté a bien voulu m’adresser par l’entremise de mon fils et je tiens à La remercier sans retard des sentiments d’amitié qui s’y trouvent exprimés pour l’Allemagne et pour moi. Les liens traditionnels entre nos deux pays devraient se resserrer plus étroitement encore par la guerre actuelle qui a permis de dévoiler les services que la Prusse a été dans le cas de rendre à la Belgique en le préservant des intentions ambitieuses de la France, et qui a permis à l’Allemagne entière 529  Zur Sache: Nach dem Krieg mit Dänemark von 1864, der für Preußen und Österreich ein Kondominium über die Elbherzogtümer Schleswig und Holstein erbracht hatte, verhärteten sich die Gegensätze zwischen den beiden deutschen Mächten; sie wurden duch die Konvention von Gastein vom 14. August 1865 vorübergehend entschärft, indem Österreich (das eben neugebildete „Dreigrafenministerium“ Graf Belcredi, Graf Mensdorf-Pouilly und Graf Larisch) in Holstein und Preußen in Schleswig die Oberhoheit übernahmen. In Frankfurt wurde im Herbst des Jahres ein Abgeordnetentag einberufen, der von beiden Mächten als revolutionär angesehen wurde. Sie richteten Anfang Oktober separate Noten an den Senat der Freien Stadt Frankfurt, in denen sie den Zusammentritt der Abgeordneten in schärfster Form tadelten. Insgeheim wurden diese Zumutungen auf Betreiben des österreichischen Bundespräsidialgesandten am 20. Oktober abgelehnt. Weitere Maßnahmen wurden wegen der Differenzen zwischen beiden Mächten nicht ergriffen. 530  Alexander Graf von Hübner (1811–1892), österreichischer Gesandter in Rom 1865–1868. – Der im folgenden genannte: Antal Graf Szécsen (1819–1896), ungarischer Magnat und Reichsrat.

458

685. König Wilhelm I. an König Leopold, Versailles, le 20 Octobre 1870

d’affirmer ses sympathies pour la Belgique dont les intérêts se trouvaient menacés en première ligne. Je suis heureux de trouver dans les paroles affectueuses de Votre Majesté l’assurance que la nation belge ne s’est pas méprise sur les sentiments qui ont dicté la conduite de la France dans cette circonstance. Mais je regrette d’autant plus vivement que l’attitude de la presse belge ne soit pas plus conforme aux vrais sentiments du pays et qu’elle ait pu, dès le commencement de la guerre, montrer une partialité en faveur de nos ennemis qui fut assez marquée pour froisser l’opinion publique en France. Toute la presse belge a été unanime à montrer des sympathies plus ou moins prononcées pour la cause de la France, et on chercherait en vain une seule feuille belge à laquelle on pourrait reprocher un excès de zèle en notre faveur. Aussi le Journal de Bruxelles dont la bonne intention est évidente, commet-il une erreur en affirmant qu’il y a compensation sous ce rapport. Rien n’est plus éloigné de la pensée que de conseiller à Votre Majesté de chercher le remède à un tel état de choses dans des mesures restrictives contre la presse dont la liberté est garantie par les institutions du pays. Mais le remède se trouve peut-être là où il convient, à ce que je crois, de chercher l’origine du malentendu qui s’oppose depuis quelques mois à une cordiale harmonie entre les deux nations. En se pénétrant des vrais intérêts du pays, et en montrant au public, les preuves en mains, où se trouvent ses vrais amis et où il doit chercher ceux qui conspirent contre son indépendance, des journaux accrédités, que le Gouvernement de Votre Majesté n’aurait pas de peine à convaincre de la vérité, parviendraient sans doute au bout de peu de temps à neutraliser l’action malfaisante de quelques feuilles peut-être salariées ou inspirées par des personnes étrangères en pays. Je crois pouvoir espérer que Votre Majesté ne se méprendra pas sur les motifs qui m’inspirent ces paroles uniquement dictées à mon cœur par le désir de voir se rétablir et se fortifier entre les deux pays, dont les intérêts sont les mêmes, les relations d’amitié et de confiance qui existent entre nos deux Gouvernements. En terminant je remercie cordialement Votre Majesté des vœux qu’Elle veut bien former pour moi et ma famille et je La prie de ne pas douter des sentiments d’estime et de sincère affection avec lesquels je suis Monsieur mon frère, de Votre Majesté le bon frère

459

688*. Bismarck an Ledóchowski, Versailles, 21. Oktober 1870

686*. Launay an Visconti Venosta DDI II,1 S. 261–263. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 268, 297, 301–302, 308–309, 323, 332, 339, 341, 346–347, 348, 355–357, 358–360, 363–364, 369, 372, 376, 400–401, 402–404, 405, 411, 414–416, 419, 423, 466, 479, 514, 673– 674.

Bismarck würde mich gerne im Hauptquartier empfangen, möchte aber gegenüber anderen Diplomaten keinen Präzedenzfall schaffen. Ich solle meinen Auftrag schriftlich einreichen. König Wilhelm I. soll sich nämlich als Chef des Hauses Hohenzollern, so habe ich es Unterstaatssekretär Thile erklärt, festlegen, daß kein Mitglied des Hauses Hohenzollern sich als Kandidat für den spanischen Thron aufstellen werde, der jetzt für den Herzog von Aosta531 vorgesehen werden soll. Berlin, 20. Oktober 1870 687*. Bismarck an Wentzel Bismarck, GW VIb S. 557. Telegramm. – Vgl. auch Dalwigk, Tagebücher S. 450– 451.

Die Reise des Gesandten Hofmann ins Große Hauptquartier, betreffend Verhandlungen über den Eintritt Südhessens in den Norddeutschen Bund, ist willkommen. Versailles, 21. Oktober 1870 688*. Bismarck an Ledóchowski Bismarck, GW VIb S. 555–556. Schreiben. – Vgl. auch BDFA I F XXXIII S. 429– 430.

Die Reise des Erzbischofs ins Hauptquartier ist willkommen. Versailles, 21. Oktober 1870

531  Amadeus

460

(1845–1890), Herzog von Aosta; König von Spanien 1871–1873.

691*. Gautier im Gespräch mit Bismarck, Versailles, 25. Oktober 1870

689*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 559–560. Telegramm.

Über die Nationalfarben des künftigen Deutschland zu diskutieren ist jetzt nicht die Zeit. Versailles, 23. Oktober 1870 690*. Großherzog Friedrich I. von Baden an Kronprinz Friedrich Wilhelm Friedrich III., Kriegstagebuch S. 453–458. Schreiben.

An Bismarck habe ich am 6. Oktober geschrieben532, ob er es gutheiße, wenn ich an den König von Bayern schriebe, er möge dem König von Preußen die Kaiserwürde anbieten. Inzwischen sind in Versailles Konferenzen der süddeutschen Minister im Gange. Beide Aktionen sollten weiterbetrieben werden. – Das Vorhaben, das bonapartistische Kaisertum wiederzubeleben, muß unterbunden werden. Karlsruhe, 24. Oktober 1870 691*. Gautier im Gespräch mit Bismarck Bismarck, GW VIb S. 379–384. Aufzeichnung.

Gautier533, ehemals kaiserlicher Präfekt, wurde im Auftrag der Kaiserin Eugénie aus England ins Hauptquartier geschickt; er war im Auftrag des ehemaligen Staatsministers Rouher ermächtigt, Friedensbedingungen vorzuschlagen: Die Festungswerke Straßburg werden zerstört; die Stadt mit Umland wird Freie Stadt; Zahlung einer Kriegsentschädigung von 2 Mrd. frs.; Abtretung von Cochinchina. Später wurden die Bedingungen geändert: Das ganze Elsaß solle für fünf Jahre ein neutrales Land sein, dann Volksabstimmung über die weitere Zugehörigkeit. – Bismarck dazu: Elsaß und Lothringen werden deutsch, können aber neutralisiert werden. Versailles, 25. Oktober 1870

532  Friedrich

I. von Baden, Briefwechsel II S. 137–138. Gautier (Sohn) (1836–1904), ehemaliger Sous-Préfet von Pontoise; Privatsekretär des Staatsministers Rouher und Vertrauter der kaiserlichen Familie. 533  Théophile

461

694. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 26. Oktober 1870

692*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 563–564. Telegramm. – Vgl. auch DDI II,1 S. 324–326, 420–421, 434–436.

Die Pariser Regierung lehnt einen Waffenstillstand behufs Wahl einer Konstituante ab. Versailles, 25. Oktober 1870 693*. Loftus an Granville BDFA I F XXXII S. 212–215. Ganz vertraulicher Bericht.

In ganz Deutschland wird die Abtretung der Festungen Metz und Straßburg gefordert. In der „Kölnischen Zeitung“ vom 17. Oktober ist ein Artikel erschienen, in dem die Lage des Großherzogtums Luxemburg als unhaltbar bezeichnet wird. Es könnte sein, daß Metz für die Annexion Luxemburgs hergegeben würde. Berlin, 25. Oktober 1870 694. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6260, S. 66–67. Telegramm. Entzifferung.

No. 78.

St. Petersburg, 26. Oktober 1870, 8 Uhr 20 Min. Nachm. Ankunft: 26. Oktober 1870, 9 Uhr 30 Min. Nachm.

Ich habe dem Kaiser gesagt, daß die Verhandlungen des Herrn Thiers nur erfolgreich sein könnten, wenn er das hier gezeigte Verständniß für Sachlage noch besitze. Der Kaiser setzt dies voraus, weil Herr Thiers sonst verabredete Demarche hierher nicht gemacht haben würde. Brief des Kaisers534 durch General von Werder räth wieder zu gemäßigten Friedensbedingungen, fürchtet, daß Frieden an zu weit gehenden Forderungen scheitern möchte. Kaiser unzufrieden mit englischer Einmischung, die ihm sein eventuelles Verdienst entreißen könnte.

534  Nicht

462

veröffentlicht (nicht identisch mit der Nr. 701* unten).

695. Thile an Reuß, Berlin, 26. Oktober 1870

695. Thile an Reuß Wojewódzkie Archivum Pánstwowe w Jeleniej Góry (Hirschberg), Stonsdorfer Archiv, Nr. 268. Privatdienstbrief.

Berlin, 26. Oktober 1870 Durchlauchtigster Gönner, Ich benutze den heutigen Feldjäger, um Ihnen für Ihre letzten gütigen Zeilen zu danken und Sie zugleich zu überzeugen, daß man Sie auf No. 76535 keineswegs „vergessen“ hat. Ihre Bemerkung über dürftige Communication von Depeschen begreife ich vollkommen, kann Sie aber mit gutem Gewissen versichern, daß ich gebe, was ich habe. Der Grund dieser disette ist ein mehrfacher. B e r n s t o r f f , zwischen dem und Versailles allerdings ein reger Geschäftsverkehr zu bestehen scheint, macht die Sache direct und telegraphsich ab und ist höchstens so freundlich, uns Duplicate zu senden, deren Sinn wir aber oft nur erraten können, da uns die entsprechenden Telegr. des Chefs fehlen. Soviel kann ich mir jedoch herausbuchstabiren, daß zwischen uns u Ihrer ehemaligen Gönnerin536 via Bourbaki resp. Boyer stark gemantscht [!] worden ist, zum Behufe, dieselbe zu[r] Unterzeichung von Friedensgrundlagen u demnächstiger Uebertragung ihrer Vollmachten an Bazaine als Regenten u Vormund zu vermögen, da die Kaiserin vor allem Waffenstillstand und ravitaillement für das dem Verhungern nahe Metz verlangt hat, außerdem aber auch erhebliche Gebietsabtretungen für unausführbar erklärt u damit die Verhandlung, w i e e s s c h e i n t , definitiv gescheitert ist. S c h w e i n i t z , nach dessen Berichten Sie speciell dürsten, berichtet wenig und meist in laconischer Kürze, die fast etwas gesuchtes hat. Was soll ich mit Depeschen von 4–6 Z e i l e n anfangen, wenn sie überdies selten neues enthalten? Das Hauptthema zwischen S[chweinitz] und Bism. bildet le grand Beust. Beide sind darin einig, daß derselbe uns stets feindlich gesinnt sey u jeder Annäherung zwischen uns und Oesterreich entgegenwirken wird. Aber S. meint ferner, ein Nachfolger Beusts (namentlich Andrássy) würde es – in 535  Sitz

des Auswärtigen Amtes in der Wilhelmstraße 76 in Berlin. Eugénie, die sich damals in Camden Place, Chistlehurst (Grafschaft Kent), aufhielt. – Die im folgenden genannten: Charles Denis Bourbaki (1816–1897), französischer General; nahm an den Kämpfen um Metz teil; entkam von dort verkleidet am 25. September und reiste nach Chistlehurst; ab Dezember 1870 Oberbefehlshaber der „Armée de l’Est“. – Baron Napoléon Boyer (1820–1888), französischer Brigadegeneral; Adjutant des Generals Bazaine. – Über seine Rolle: Élie Peyron, Le Rôle de l’Impératrice Eugénie. – Ferner: Bernstorff, Im Kampf für Preußens Ehre S. 628–636; Lappenküper, Bismarck und Frankreich S. 304–308. – Ein Erlaß Gran­ villes an Lyons zur Sache vom 19. Oktober 1870 in: BDFA I F vol. 32 S. 177–178. 536  Kaiserin

463

695. Thile an Reuß, Berlin, 26. Oktober 1870

anderer Form – noch schlimmer machen, und dieser Ansicht ist der Chef keineswegs. Er hat deshalb und wegen einiger ironischer Stellen in S[chweinitz’] Berichten ihm eine ganze Serie von Wischern applicirt, die dieser Militärisch schweigend hingenommen hat. Mit Mittheilungen aus den Schriftstücken würde Ihnen ebenfalls wenig gedient sein. Der C h e f endlich theilt mir von den vielen und wichtigen Dingen, die offenbar im Hauptquartier verhandelt wurden und werden, nie eine Silbe mit, wenn sich nicht ein A u f t r a g für mich daran knüpft. Seien sie hiernach überzeugt, duchlauchtigster Gönner, daß es an mir nicht liegt, wenn Sie wenig erhalten. Den heutigen Feldjäger habe ich wegen der Pièce aus Versailles wegen Metschersky537 berufen und füge bei, was ich über den (dummen) englischen Vermittlungsvorschlag538 habe. Wie Bism. denselben aufgenommen, weiß ich nicht. Es scheint fast, als wenn Granville den Schritt getan, bloß um unsere Combination mit Eugenie zu kreuzen. Wenn dem so ist, hätte er sich die Mühe sparen können. Jetzt dürfte, nach dem, was Granville an Loftus telegraphirt, T h i e r s in Versailles seyn. Wird dabei etwas herauskommen? Ich zweifle beinahe. Die ganze Situation ist überhaupt so bodenlos chaotisch, daß alle Berechnungen täuschen. Wenn nicht etwas ganz unerwartetes geschieht, tritt die (keineswegs erfreuliche) Perspektive einer Wintercampagne immer näher. Nun Gott wird da weiter helfen und seinem so herrlichen Anfang kein Ende bereiten. Aus einer ganz curiosen, aber zu beachtenden Quelle höre ich, wir würden SM Napoleon aus Wilhelmshöhe entlassen und ihn in Luxemburg an die Luft setzen! Noch erlaube ich einen Wink im a l l e r e n g s t e n Vertrauen. Das Madrider Cabinet hat in Florenz die Throncandidatur des Duca di Aosta539 wieder angeregt und in London, Petersburg u Wien gefragt, was man dort von dieser Combination denke. Bismarck hat eine ausweichende Antwort gegeben, und ich g l a u b e , daß er einen Sprößling des schwieirgen Hauses Savoyen n i c h t gern in Madrid sähe, u er dürfte recht dahin haben. Meine Bitte an Sie, Verehrtester, geht aber dahin, daß, wenn Ihnen jene Idee ober überhaupt die span. Thronfrage von i r g e n d einer Seite berührt werden sollte, Sie darüber sich jeder Aeußerung enthalten und (der Wahrheit gemäß) bemerken möchten, daß ad vocem Spanien seit dem Kriege nicht eine Silbe vom Chef zugeganen sei. Bernst[orff] telegr[aphirt] aber, daß Eugenie um s t r e n g s t e Geheimhaltung der neusten Verhandl. bittet. Avis au lecteur!

537  Vgl.

oben Anm. 375. 20. Oktober 1870. Gedruckt in: BDFA I F vol. 32 S. 179–181. Vgl. auch ebenda S. 181–186. 539  Oben Anm. 531. 538  Vom

464

697. Thile an Bismarck, Berlin, 27. Oktober 1870

Mein Bericht an Bismarck wegen Oubril, den [ich ] in cop[ie] beifüge, sagt Ihnen nichts neues. Es war nur der Vollständigkeit wegen. Oubril bleibt sich gleich. Und nun nur noch die angelegentlichsten Empfehlungen Ihres aufrichtig ergebenen [PS] Oubril sagt mir, Gortchakow habe Oukuneff in Tours540 angewiesen, im Sinne der engl. Demarche zu sprechen. Ich habe Oubril auf seine Bitte ein Exemplar der engl. Depesche vom 20ten gegeben. Eben erhalte ich Ihre gütigen Schreiben vom 23sten. Besten Dank. 696*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 564–565. Telegramm.

Die österreichischen Ratschläge zur Behandlung der eingeschlossenen Festung Paris (Hungersnot!) ist eine drohende Einmischung, die zu Lasten Österreichs gehen könnte. Versailles, 27. Oktober 1870 697. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/7553, S. 108–110. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (in Versailles) 30. Oktober 1870.

No. 1973.

Berlin, 27. Oktober 1870

Herr Visconti Venosta hebt in dem zweiten Theile seines Schreibens an Graf Launay541, dessen mein heutiger Bericht gedenkt, zunächst hervor, daß das Italienische Cabinet über unsre Auffassung der Römischen Unternehmung aum so mehr eine nähere Belehrung wünschen müssea, als ich dem Grafen Launay gegenüber mich in dieser Beziehung niemals näher ausgesprochen hätte und die von den Grafen Brassier und Arnim in Florenz geführte Sprache nicht übereinstimme. Graf Brassier habe stets betont, daß die Frage wegen der bweltlichen Herrschaft des Papstes eine innere politische Angelegenheit Italiens seib, daß die Preußische Regierung sich nicht darein zu mischen habe, aber ihren katholischen Unterthanen schuldig sei, für die „Sicherheit, Unabhängigkeit und würdige Lage“ des Papstes Bedacht zu nehmen. Hiermit sei die Italienische Regierung nicht allein völlig einverstanden, sondern es seien die nöthigen 540  Wo

die französische republikanische Regierung sich vorübergehend aufhielt. 18. Oktober 1870: DDI II,1 S. 237–245.

541  Vom

465

698*. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 28. Oktober 1870

Garantien für den Papst in der gedachten Beziehung sogar für die Regierung selbst eine unerläßliche Bedingung zur glücklicheren Lösung der Römischen Frage. Die Italienische Regierung hätte am liebsten jene Garantien durch einen feierlichen und öffentlichen Vertrag mit dem Papste, der niemals ein Unterthan des Königs von Italien werden könne, festgestellt. Sie würde auch, da der Papst dies nicht wolle, bereitwillig mit den Europäischen Mächten f ü r den Papst und in seinem Interesse unterhandeln. Auch hierzu sei es nicht gekommen, und es bleibe der Regierung nur übrig, dem Italienischen Parlamente ein Gesetz vorzulegen, was jene Garantien feststelle und worüber die in Abschrift beigefügte Circular-Depesche vom 18ten d.Mts.542 Näheres enthalte. Freiheit der Kirche und ihre Trennung vom Staat sowie absolute Exterritorialität des Papstes seien die Grundlagen. Anders als Graf Brassier habe sich Graf Arnim geäußert: Er habe vorgeschlagen, Rom zu einer freien Stadt mit selbstständiger Municipalität, „et avec des lois restrictives et harmonisées en partie avec les principes de la Papauté“ zu machen. cDieser Auswegc würde weder Italien noch den Römern genügt haben, denn die „Freie Stadt Rom“ würde sehr bald zur Römischen Republik werden. Graf Arnim habe auch angedeutet, daß die Deutschen bei der ­Neugestaltung, welche die deutschen Verhältnisse anzunehmen im Begriff ständen, bei der Lage Roms noch ein dbesonderes n a t i o n a l e s Interesse haben müßtend, da die Einheit Deutschlands, so lange dieselbe früher bestanden, stets eine gewisse Beziehung emit der Stadt Rome gehabt habe und auch in Zukunft wieder haben müßte. Herr Visconti verhehlt nicht, daß diese von ihm keineswegs getheilte Auffassung ihn einigermaßen überrascht habe. a–a

Dazu am Rand der Vermerk Bismarcks: kein Anlaß, uns zu äußern Dieser Passus ist von Bismarck unterstrichen, dazu ein Fragezeichen am Rand. c–c Dazu am Rand der Vermerk Bismarcks: mir unbekannt d–d Dazu am Rand ein Fragezeichen Bismarcks. e–e Dieser Passus ist von Bismarck unterstrichen, dazu ein Fragezeichen am Rand. b–b

698*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 565–567. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 568 (Nr. 1894), 618–619, 620–621.

Die Pariser Regierung, an ihrer Spitze Gambetta, hat den Waffenstillstand, während dessen Wahlen zu einer Konstituante stattfinden sollten, abgelehnt. Die englische Regierung hat erkannt, wo die Verantwortlichkeit dafür liege. Von deutscher Seite wird keine weitere Initiative in der Sache erfolgen. Versailles, 28. Oktober 1870 542  Ebenda

466

S. 233–235.

700. Bismarck an Gerolt, Versailles, 29. Oktober 1870

699*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 569–570. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 570 (Nr. 1898), 574–575, 581–585, 589; BDFA I F XXXII S. 222–223, 230–231, 252–257. – Über die ergebnislosen Waffenstillstandsverhandlungen zwischen Bismarck und Thiers vom 1. bis 5. November ausführlich: Thiers, Notes S. 70–103.

Thiers kann nach Paris hineingelangen und wieder hinaus, aber nur auf dem Wege über Versailles. Versailles, 29. Oktober 1870 700. Bismarck an Gerolt PA Berlin, RZ 201/6261, S. 12–18. Erlaß. Abschrift.

No. 6.

Versailles, 29. Oktober 1870

Ew. Hochwohlgeboren werden das Schreiben des Herrn Staatssecret. von Thile vom 13n d.M. und mein Telegr. vom 24. ejd. erhalten haben, u. ich darf die Zuversicht ausdrücken, daß Sie die in so wohlwollender Weise von dem Herrn Staatssecretair ausgesprochene Mahnung, welcher ich mich nur vollständig anschließen kann, bereits in Ihrer seitherigen Haltung berücksichtigt haben werden. Ich darf Ew.pp. indeß nicht verhehlen, daß H. Bancroft543 nochmals auf die Sache zurückgekommen ist u. von Neuem den übeln Eindruck betont hat, den Ihre Behauptungen über die Endziele der Preuß. Politik in Bezug auf Frankreich in Amerika hervorzurufen fortführen. Eine gelegentlich dabei gemachte Erwähnung, wonach Ew. Hochwohlgeb. Amerikanische Bürger zum Eintritt in die Preuß. Armee hätten aufgefordert, kann nicht wohl begründet sein u. wird, wie ich annehme, wohl ein Mißverständniß zu Grunde liegen, vielleicht dadurch veranlaßt, daß Ew.pp. Preußische ohne Auswanderungs-Consens in Amerika naturalisirte Unterthanen vor Ablauf der vertragsmäßig bestimmten 5jährigen Frist zur Rückkehr nach der Heimath zu bewegen bemüht gewesen. Indem ich dies dahingestellt sein lasse, muß ich doch bemerken, daß mir die Aeußerungen des H. Bancroft um so mehr Beachtung auch von Seiten Ew.pp. zu verdienen scheinen, als derselbe nicht nur von den besten Sympathien für Preußen und Deutschland, sondern auch gerade für Ew.pp. persönlich von freundschaftlichen Gesinnungen beseelt ist u. seine Aeußerungen sicher nur in wohlwollender Absicht gethan hat. Ihm ist entschieden nur daran gelegen, die Verhältnisse zwischen Deutschland und Amerika auf dem 543  George Bancroft-Davis (1800–1891), amerikanischer Gesandter in Berlin 1867–1879.

467

700. Bismarck an Gerolt, Versailles, 29. Oktober 1870

freundschaftlichsten Fuße zu erhalten und jeden Anlaß zu einer Störung oder Trübung derselben zu vermeiden. Ew.pp. sind mit der Politik der Königl. Reg. hinreichend vertraut, um zu wissen, daß wir es auch als Ihre hauptsächliche Aufgabe verstehen, diese guten Beziehungen zu pflegen und durch tactvolle Schonung der Stimmungen in Amerika vor Trübung zu bewahren. Es würde sich nicht damit vertragen, wenn Ew.pp. durch die Sprache, welche Sie führen, in die Lage kommen sollten, Anstoß zu geben oder zu verletzen. Was insbesondere die Politik Deutschlands im jetzigen Augenblick gegenüber von Frankreich betrifft, so haben Ew.pp. aus dem auch Ihnen mitgetheilten Circular vom 13ten und 16ten September544 entnehmen können, daß eine Vernichtung Frankreichs oder eine Reduzirung desselben auf eine untergeordnete Macht niemals das Ziel unserer Kriegführung gewesen sein konnte, sondern daß die Bedingungen, welche wir für den Frieden stellen werden, nur darauf berechnet sind, unsere Grenzen in defensiver Weise strategisch sicher zu stellen gegen künftige Angriffskriege. D i e s wird man auch in Amerika als eine durchaus berechtigte Forderung anerkennen; dagegen ist es begreiflich, daß man dort eine E r o b e r u n g s p o l i t i k und Pläne, welche mehr von Haß und Leidenschaft als von der Sorge um die eigene Sicherheit eingegeben scheinen, verwerflich findet und daß daher eine Sprache, wie Sie Ew.pp. – und wohl auch dem General-Consul Rösing545 zugeschrieben wird – nicht nur Anstoß erregt, sondern selbst dazu dient, die Sympathien Amerika’s von uns ab und dem scheinbar von uns aus Ehrgeiz vergewaltigten Frankreich zuzuwenden. Ich bitte Ew.pp., auch Herrn Rösing hierauf aufmerksam zu machen, und darf mich der Hoffnung hingeben, daß die langjährige Vertrautheit Ew.pp. mit der Politik der Königl. Regierung und eine eingehende Erwägung der Verhältnisse hinreichen werde, um Ihre Haltung auch in dieser Beziehung in Einklang mit derselben zu bringen und mich der Nothwendigkeit zu überheben, Seine Majestät den König um die Ermächtigung zu bitten, durch eine Berufung Ew.pp. zu persönlicher Besprechung diesen Einklang herzustellen.

544  Oben

Nr. 603* und Bismarck, GW VIb S. 500–502. Rösing (1833–1909), Generalkonsul in New York 1867–1875.

545  Johannes

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703. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 31. Oktober 1870

701*. Zar Alexander II. an König Wilhelm I. Große Politik II S. 4–5. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 5–9; Burgaud, La politique russe S. 414.

Er möchte sich von Klauseln des Pariser Vertrags von 1856 lossagen. Preußen hat ihn in der Vergangenheit in der Frage schon mehrfach unterstützt; er hofft, daß dies auch jetzt geschehe. Carskoe Selo, 31. Oktober 1870 702*. Großherzog Friedrich I. an König Ludwig II. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 146–149. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 149, 153–154 (zwei weitere Briefe an den König).

Er bittet ihn, „des Reiches Krone dem ruhmvollen Heerführer der Deutschen“ anzubieten. Die deutschen Fürsten sollten bei der Neuschaffung des Reiches vorangehen, bevor der Druck von unten übermächtig erscheint. Karlsruhe, 31. Oktober 1870 703. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6263, S. 65–71. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 3. November (im AA), 6. November 1870 (in Versailles).

No. 201.

St. Petersburg, 31. Oktober 1870

Aus meinen gehorsamsten Berichten von gestern werden Euere Excellenz ersehen haben, daß sich Fürst Gortschakoff verhältnißmäßig günstiger zu unseren Friedensbedingungen verhält, als dies vor einiger Zeit der Fall war. Er hebt indessen immer hervor, daß, wenn er auch nicht offiziell sich der Königlichen Regierung gegenüber ausspreche und es der feste Grundsatz des Kaiserlichen Kabinets sei, sich in die Feststellung der Friedensbedingungen nicht zu mischen, so wüßten Euere Excellenz doch durch die Privat-Korrespondenz des Kaisers und Seiner Majestät dem Könige, welches die Wünsche seines Allergnädigsten Herren wären. Weiter würde der Kaiser aber nicht gehen; er hielte es nur für seine Pflicht, seine Ansicht auszusprechen, und deshalb räth er zur Mäßigung bei den Friedensbedingungen. Diese Mäßigung hieß Anfangs so viel wie keine Gebiets-Abtretung. Jetzt hat man sich bereits an diesen Gedanken gewöhnt, und ich glaube nunmehr dieses Wort dahin auslegen zu sollen, daß der Kaiser eine dauernde Besitzergreifung von Metz und Deutsch-Lothringen nicht für nützlich hält. Diese Meinung besteht bei Ihm nicht deshalb, weil er Frankreich geschont haben 469

703. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 31. Oktober 1870

möchte, sondern weil Er von Anfang an der Ansicht gewesen ist, daß jene schon allzusehr französisch gewordenen Landstriche für Deutschland eine große Last sein müßten, die sich nicht assimiliren würden, und daß deren Verlust von Frankreich nicht verschmerzt werden und Anlaß zu neuen Zerwürfnissen mit Deutschland geben werde. Unsere Feinde hier, denen die Preußenfreundschaft des Kaisers ein Gräuel ist, suchen Ihm vorzuspiegeln, daß diese Freundschaft schlecht gelohnt werde, weil wir uns nicht im Mindesten um seine guten Rathschläge zu kümmern schienen. Sein Ansehen habe daher mehr abgenommen, als Er dies glaube, und dergleichen mehr. Ich hoffe, daß diese Stimmen kein Gehör finden werden, ich halte es aber für meine Pflicht, Euerer Excellenz davon zu sprechen. Daß der Kaiser dringend wünscht, dem Kriege ein Ende gemacht zu sehen, hat Er Seiner Majestät dem Könige letzthin geschrieben. Er ist gewissermaßen ermüdet. Die Nachricht von dem Fall von Metz546 kam mir deshalb auch in dieser Hinsicht nicht unerwünscht. Er freute sich aufrichtig der glücklichen Lösung dieser schweren Aufgabe, die der Armee des Prinzen Friedrich Carl zugefallen war, und lud mich, nachdem ich ihm diese Kunde telegraphirt hatte, sofort nach Zarskoe zu Tisch ein, um mit mir darüber sprechen zu können. General Ignatieff, der seit einigen Tagen hier ist, spricht sich überall und auch dem Kaiser gegenüber in einem entschieden Preußenfreundlichen Sinne aus und plaidirt namentlich die Nothwendigkeit der Gebiets-Abtretung. Es ist schade, daß er durch seine neuliche Ungeschicklichkeit547 sich die Unzufriedenheit des Kaisers zugezogen hat und deshalb seine Einwirkung vielleicht weniger wirksam sein mag. Die Aussichten eines Waffenstillstandes werden hier mit großer Genugthuung begrüßt, aber mit ächt russischer Leichtfertigkeit aufgefaßt. Denn wenn ich die Schwierigkeiten darlege, welche der Abschluß desselben bieten könnte, so scheint man ganz verwundert zu sein, daß wir nicht schon mit beiden Händen zugegriffen und den Waffenstillstand unterzeichnet haben. Man hält es hier z. B. für ganz natürlich, daß die Provinzen Elsaß und Lothringen für die Constituante mitzuwählen haben werden, und auch Fürst Gortschakoff soll, wie ich höre, nicht daran zweifeln, daß dies auch die Ansicht Euerer Excellenz sei. Wenn es nicht gelingt, einen Waffenstillstand abzuschließen, so dürfte dies hier einen üblen Rückschlag ausüben, und man wird uns vorwerfen, eine Gelegenheit, die sich bot, um zum Frieden zu gelangen, nicht benutzt zu haben. 546  Die

Armee Bazaine in der Festung Metz hatte am 27. Oktober 1870 kapituliert. hatte in diplomatischen Kreisen von der Aufhebung der Schwarzmeerklausel gesprochen. 547  Er

470

706*. Bismarck an Bray, Versailles, 4. November 1870

Vom Congreß spricht Fürst Gortschakoff nicht mehr; wie mir General Ignatieff aber sagt, hat er die Idee noch nicht aufgegeben, n a c h erfolgtem Friedensschluß die Mächte zusammen zu berufen, um allerhand schwebende Fragen, namentlich auch die Abänderung des Pariser Traktates, zur Sprache zu bringen. General Ignatieff bekämpft diese Ansicht. Mir gegenüber hat er letzteren Punkt schon seit längerer Zeit nicht mehr erwähnt. 704*. Reuß an Bismarck Rheindorf, Pontusfrage S. 151–153. – Vertraulicher Bericht (Auszug).

Der Zar hat am 27. Oktober 1870 seinen Entschluß zur Aufkündigung des Pariser Traktats von 1856 in einem Ministerrat bekanntgemacht. Er hat gesagt, nur England sei gefährlich, alle anderen Mächte würden stillhalten. St. Petersburg, 2. November 1870 705*. Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 575–577. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 589.

Das italienische Kabinett glaubt, daß die Äußerungen Arnims in Rom und Brassiers in Florenz über die Römische Frage divergieren. Das kann nur auf Mißverständnissen beruhen. Versailles, 3. November 1870 706*. Bismarck an Bray Bismarck, GW VIb S. 577–580. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 583–584, 586– 588, 619 (Nr. 1954) 638; Doeberl, Bayern S. 279–300; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 196–197; Dalwigk, Tagebücher S. 454–455.

Er ist damit einverstanden, daß die Verhandlungen Württembergs, Badens und Hessens über die Gestaltung des neuen Deutschland zu Ende gebracht würden und er, Bray, nach München zwecks weiterer Instruktionseinholung reise. Das neue Deutschland sollte ein engerer Bund sein, in den sich auch Bayern einfügen könne. Versailles, 4. November 1870

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709. Bismarck an Reuß, Versailles, 7. November 1870

707*. Tagebucheintragung Dalwigks Dalwigk, Tagebücher S. 456–458. – Vgl. auch Bismarck, GW VII S. 392–394; BDFA I F XXXII S. 239–240, 241–246.

Konferenz aller anwesenden süddeutschen Minister mit Bismarck. Dieser berichtet über die mit Thiers besprochenen Waffenstillstandsverhandlungen. Alle Minister waren mit der Abtrennung des Elsaß und Deutsch-Lothringens einverstanden, Bray äußerte aber Bedenken. Bismarck möchte alle deutschen Souveräne nach Versailles einladen. [o. O.] 5. November 1870 708*. Lyons an Granville BDFA I F XXXII S. 237. Vertraulicher Bericht.

Gambetta, Chef der Regierung in Tours, hat mir und dem österreichischen Gesandten548 ein weiteres Mal erklärt, daß Frankreich bei den Friedensverhandlungen keinen Quadratzentimeter Land und keinen Stein einer Festung abtreten werde. Tours, 5. November 1870 709. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12146, S. 79. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 45. Versailles, 7. November 1870 Abgangsvermerk auf S. 78: Zur Station: 7. November, 9 Uhr Abends Expedition Annenkoff549 erhalten. Vortrag erst morgen, aber für mich kein Zweifel, daß der König den in dem Kaiserlichen Briefe ausgesprochenen Erwartungen entsprechen wird. Sagen Sie das vorläufig Gortschakoff. Schweigen hier gesichert.

548  Metternich.

549  Michail Nikolaevič Annenkov (1835–1899), russischer General.  – Er war mit einem Handschreiben des Zaren (oben Nr. 701*) und mit dem Rundschreiben Gorčakovs vom 31.  Oktober 1870 betreffend die Aufkündigung der Schwarzmeerklausel ins deutsche Hauptquartier gesandt worden.

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712. Bismarck an Reuß, Versailles, 8. November 1870

710*. Gladstone an Lyons Newton, Lyons I S. 334–335. Privatdienstbrief. – Vgl. auch Gladstone, Diaries VII S. 393–394, 401–405.

Es ist unrealistisch, wenn die Franzosen von der Unversehrtheit ihres Territoriums reden („keinen Fußbreit Land und keinen Stein ihrer Festungen“). Umgekehrt wäre es von Deutschland töricht, Elsaß und Lothringen zu fordern, ohne die Wünsche der Bevölkerung zu achten. London, 7. November 1870 711*. Tagebucheintragung Bambergers Bamberger, Tagebücher S. 208–211.

Unterredung mit Delbrück: Dieser berichtet über die Genesis der Verhandlungen mit Bayern; er habe zunächst nur in Dresden mit dem König von Sachsen und Minister Friesen verhandelt; wegen Eifersucht mußte er nach München weiterreisen; dort wurden Sonderrechte geltend gemacht. Zur Kaiserproklamation müßte der bayerische König nach Versailles kommen, der bekanntlich für Ludwig XIV. schwärmt. Roggenbach beteuert, die Hohenzollernaffäre sei von Bismarck eingefädelt worden. Dieser habe sich absichtlich nach Varzin entfernt, „um die Sache zum Krieg zu reifen“. Versailles, 7./8. November 1870 712. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12146, S. 110. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 46.

Versailles, 8. November 1870 Abgangsvermerk: 9. November 1870, 11 Uhr Vorm.

Ist es unwiderruflich, daß der durch Annenkoff angekündigte Schritt schon in diesem Augenblicke geschieht? Einige Wochen später würde unsere Rußland günstige Stellung zur Sache voraussichtlich bei den übrigen Neutralen stärker ins Gewicht fallen. Ist Aufschub unthunlich, so ändert das die diesseitige Auffassung nicht, aber das Gewicht unserer Stimme bei England wird heute geringer sein als vielleicht in einigen Wochen.

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714*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I., Versailles, 9.–14. November 1870

713. Bismarck an Brassier PA Berlin, RZ 201/7582, S. 30–31. Telegramm. In Ziffern. Abschrift.

No. 27.

Versailles, 9. November 1870

Ew.pp. Bericht vom 30. v.Mts. bezüglich des Palastes Caffarelli550 in Rom veranlaßt mich, Sie zu ersuchen, jeden Act zu unterlassen, also auch jede Communication abzulehnen, in deren Entgegenkommen eine schon erfolgte A n e r k e n n u n g der Besitzergreifung Rom liegen würde. Unsere Politik ist die der vollständigen Enthaltung, mit der es sich nicht verträgt, daß Ew.pp. sich in Evidenz stellen und Ihre Beziehungen zu der Italienischen Regierung auf Rom ausdehnen. Wenn wir wegen Rom eine Communication mit dem Florentiner Cabinet wünschen, werden Sie Auftrag dazu erhalten; ohne solchen ist streng die Linie der vollen Abstinenz einzuhalten und sich in jedem vorkommenden Falle auf Mangel an Instructionen zu berufen. Ihre zu active Theilnahme an dem Gange der Italienischen Dinge genirt uns hier bereits nach mehreren Seiten und hat die unerwünschte Folge, daß diese Erinnerung an die für jeden instructionslosen Agenten selbstverständliche Abstinenz, Sie möglicherweise schon zu einer der Italienischen Regierung fühlbaren Modification nöthigen wird; ein Eindruck, der vermieden wäre, wenn Ew.pp. in jedem kritischen Falle, wo Sie ohne Instruction sind, dies rechtzeitig erklärten. 714*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 160–177. – Vgl. auch Bismarck, GW VII S. 397–398.

Die Sonderwünsche Bayerns. – Die Kaiserfrage. – Die Reichsfarben. – Erzbischof Ledóchowski und des Papstes Asyl in Deutschland. – Der bayerische Minister im Hauptquartier. – Sachsens Sonderwünsche. – Ernst von Sachsen-Coburg und Roggenbach über die künftige Reichsspitze. – Bayerns Sonderrechte. – Abreise der württembergischen Minister wegen des Zögerns ihres Königs. – Die Generäle Podbielski551 und Tresckow über die Militärkonvention mit Baden. – Bismarck will Württemberg und Baden zum Ein550  Das

Gesandtschaftsgebäude Preußens. von Podbielski (1814–1879), Generalleutnant; Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements im Kriegsministerium 1866–1872; Generalquartiermeister der Armee während des Krieges; 1873 General der Kavallerie; Generalinspekteur der Artillerie 1872–1879. – Der im folgenden genannte: Henry Wodehouse Currie (1834– 1906), Privatsekretär Lord Granvilles 1870–1874; Zweiter Sekretär an der englischen Botschaft in Paris 1870–1871. 551  Theopil

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715. Waecker an Bismarck, Pest, 10. November 1870

lenken zwingen. – König Wilhelm I. und die Kaiserfrage. – Württembergs Heereskonvention mit Preußen. – Der englische Diplomat Wodehouse. Versailles, 9.–14. November 1870 715. Waecker552 an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6266, S. 37–39. Telegramm. Entzifferung.

No. 39.

Pest, 10. November 1870, 5 Uhr – Min. Nachm. Ankunft (im AA): 14. November 1870, 10 Uhr 30 Min. Vorm.

Bei einer gelegentlichen Unterhaltung sprach ich gestern dem Grafen Andrassy von dem unfreundlichen Eindruck, welchen die letzte österreichische Note553 in Versailles gemacht habe. Er versicherte, den Text nicht zu kennen, und bittet überhaupt, sich nie an Worte zu stoßen. Das Wort habe Graf Beust, er aber habe die Thaten, an diese soll man sich halten. Die Bewahrung der Neutralität in schwerer Gefahr bezeichnet er als sein Werk, die Einigung Deutschlands betrachte er mit Sympathie und wünsche ein Zusammengehen mit demselben, denn er sei überzeugt, daß Deutschland, jetzt die erste Macht Europa’s, sich seiner europäischen Pflichten im Osten bewußt sein werde. Oesterreich und Rußland werden früher oder später zusammenstoßen, Deutschland muß zwischen beiden wählen. Vielleicht kommt die Entscheidung hierüber bald, wenn es wahr ist, daß die Revision des Vertrags von 1856 angeregt werden soll. Hier trennen sich die Wege, er sei fest entschlossen, sich dem ersten Schritt in dieser Richtung entschieden zu widersetzen. Bericht folgt mit Feldjäger.

552  Ludwig von Waecker-Gotter (1833–1908), Konsul des Norddeutschen Bundes (1871 Deutschlands) in Budapest 1869–1872, dort Generalkonsul 1872–1879. 553  Es handelt sich vermutlich um den Erlaß Beusts an Graf Apponyi in London vom 27. Oktober 1870, in dem der österreichische Reichskanzler den englischen Vorstoß unterstützt, die Kriegführenden zu Friedensverhandlungen zu veranlassen: Correspondenzen des … Ministeriums des Äußern IV S. 20–21.

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716. Waecker an Bismarck, Pest, 10. November 1870

716. Waecker an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 373–380. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im Hauptquartier) 16. November 1870.

No. 42.

Pest, 10. November 1870

Von einem Gespräch, welches ich gestern gelegentlich mit Graf Andrássy hatte, durfte ich bereits telegraphisch Meldung554 machen und erlaube mir, heut vollständigen Bericht folgen zu lassen. Ich hatte von dem aungünstigen Eindruck gesprochena, welchen der neuste Schritt Oesterreichs in der Kriegs-Angelegenheit bei meiner Regierung gemacht habe, und unter Hinweis zugleich auf die bekannte kaiserliche Antwort an Seine Majestät den König nach Versailles darauf aufmerksam gemacht, b wie es immer wieder die Sprache des Wiener Cabinets sei, welche das Aufkommen eines guten Einverständnisses zwischen Preußen und Oesterreich verhindere.b Der Minister erwiderte, daß er den Ton jener kaiserlichen Antwort sehr ungeschickt gefunden und beklagt habe, von dem neusten diplomatischen Schritt aber noch keine Mittheilung aus Wien erhalten habe. Er wünschte von mir Näheres über Inhalt und Formulirung des betreffenden Aktenstücks zu erfahren, wozu ich bei dem Mangel direkter Instruktionen mich außer Stande sah. „Ich muß immer wieder bitten“, sagte Graf Andrássy, daß sich Ihre Regierung nicht an die Form und Fassung unsrer diplomatischen Emanationen stoßen möge. In Wien haben sie das Wort, wir hier aber haben die Thaten, an diese sollte man sich allein halten. Was gesprochen und geschrieben wird, besorgt Graf Beust, dessen unglaubliche Geschäftigkeit, seine Sucht, de faire de l’esprit, und spitzige Wendungen, gepaart mit einiger Versatilität, freilich manches verdirbt, aber daß Nichts g e s c h e h e n kann ohne mich, und namentlich nichts gegen Preußen feindseliges, dafür wenigstens kann ich einstehen. Es ist Ihnen nicht unbekannt, daß ich seit langer Zeit und von jeher Sympathien für Preußen gehabt und ein gutes Einvernehmen OesterreichUngarns mit demselben gewünscht habe, ich habe im Laufe dieses Krieges klare Beweise davon gegeben, indem ich die neutrale Haltung unseres Staates allen Anfechtungen zum Trotz zu erhalten gewußt habe. Die Versuchung lag allerdings nahe; wenn Oesterreich mit Frankreich gemeinsame Sache machte, so war, da Rußland nicht so schnell fertig war, die Niederlage Preußens wahrscheinlich, zumal auch Italiens und Dänemarks Haltung damals lediglich von der unsrigen abhing. Man bestürmte mich auch mit dem Hinweis auf den Zusammenstoß mit Rußland, der in Zukunft doch unvermeidlich sei und jetzt mit den besten Chancen ausgefochten werden könnte, und 554  Die

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vorangehende Nr. 

716. Waecker an Bismarck, Pest, 10. November 1870

ich gestehe, daß ich diesem Argument gegenüber manchmal in Verlegenheit war. Aber ich habe immer geantwortet: Zugegeben, wir siegen mit Frankreich, aber was dann? Wir werden die Einigung Deutschlands, die sich mit geschichtlicher Nothwendigkeit vollzieht, nur aufhalten, nicht hindern und daher für die zweifelhafte Freundschaft des fernen Frankreich den innigen Haß des deutschen Volkes für alle Zukunft eingeerntet haben, auch für die Zwischenzeit kann die Zertrümmerung der preußischen Hegemonie in Deutschland für Ungarn nur die Gefahr bringen, Oesterreich wieder seine alte deutsche Politik aufnehmen zu sehen. Ich habe auch während dieser Kriegs-Verwickelungen nur fortgefahren zu sagen, was ich schon früher immer ausgesprochen habe, nämlich daß meiner Ansicht ein Krieg OesterreichUngarns gegen Deutschland eine Unmöglichkeit sei: Die Deutschen in Oesterreich werden niemals gegen Deutschland fechten, die Ungarn finden ihren Vortheil nicht darin, und die Slawen haben keinen vernünftigen Grund, einen solchen für sich zu erwarten. Uebrigens habe ich von dieser meiner Ansicht und Richtung auch den Franzosen gegenüber zu keiner Zeit ein Hehl gemacht und dem Herzog von Grammont sowohl als Ihrem Collegen Grafen Castellane555 dies aufs Entschiedenste ausgesprochen. Der Letztere hat auch, wie ich weiß, davon seiner Regierung berichtet, aber der Erstere hat sich leider fortwährend in Täuschungen gewiegt.“ Ich bemerkte hier, daß dies doch ganz unerklärlich wäre, wenn nicht diese irrigen Annahmen des Herzogs von anderer Seite Nahrung erhalten hätten. „Allerdings“, erwiderte Graf Andrássy, „mag dies der Fall gewesen sein, von den Hofkreisen wie von der Hofkanzlei aus, ich habe aber – lange vor dem Ausbruch des Krieges schon – den Herzog von Grammont davor gewarnt und ihm damals wörtlich gesagt: ,Ne croyez pas aux demi-paroles et aux demi-promesses, quiconque vous les donnera – q u i c o n q u e   – vous mentera.ʻ Aber der Herzog bedankte sich für meine Offenheit, sprach aber seitdem nie wieder von Politik mit mir, selbst dann nicht, als er, zum Auswärtigen Minister ernannt, in einem einstündigen Abschiedsbesuch bei mir verweilte. Wenn ich so das Zusammengehen Oesterreich-Ungarns mit Preußen, oder besser Deutschland, von jeher als das Gebot einer vernünftigen österreichischen Politik bezeichnet habe – so sehr, daß ich immer gesagt habe, Oesterreich könne, auch wenn es ihn s u c h e n dürfte, keinen besseren Alliirten finden –, so beruht diese meine Ueberzeugung einmal darauf, daß ein Bündniß dieser zwei Mächte, die keine widerstreitenden Interessen mehr haben, bei ihrer geographischen Lage und Machtstellung am besten den Frieden 555  Pierre comte de Castellane (1824–1883), französischer Generalkonsul in Pest 1867–1872.

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716. Waecker an Bismarck, Pest, 10. November 1870

Europas sichert, und zum andernmal auf dem Glauben, daß Deutschland, indem es fortan die erste Stelle in Europa einnimmt, sich auch der großen Pflichten dieser Stellung nach Osten hin bewußt sein wird. Deutschland kann, ich bin dessen sicher, sein Interesse nicht darin finden, Rußland bis an die Leitha seine Arme ausstrecken oder die bestehende Ordnung im Orient umstoßen zu sehen, und daß in Rußland mit Ausnahme des Kaisers und vielleicht Gortschakoff’s N i e m a n d , weder im Volk noch am Hofe, freundlich gegen Deutschland gesinnt ist, das wird man in Berlin wohl recht gut wissen, m i r hat unlängst Thiers von Neuem diese Thatsache bestätigt. Auch gab es ja im Verlaufe des gegenwärtigen Krieges selbst eine Phase, wo von Rußland gegen Oesterreich eine Annäherung stattfand, und man ist daher im Unrecht, wenn man immer sagt, die Neutralität Oesterreichs sei nur durch Rußland gesichert worden, wir haben vielmehr um die Einschränkung des Kampfes auch einiges eigene Verdienst. Wie Jedermann in Ungarn“, fuhr der Graf fort, „halte ich den Zusammenstoß zwischen Oesterreich-Ungarn und Rußland für ein unabwendbares Ereigniß, und es wird die Zeit kommen, wo Deutschland zwischen beiden durchaus wählen muß. Je eher Deutschland sich auf unsere Seite stellt, desto wesentlicher wird es zugleich zu unserer Kräftigung beitragen; die Slawen erwarten, ja sie provoziren sogar eine Erklärung von Seiten Preußens; wird ihnen dieses zeigen, daß Deutschland ein Uebergreifen Rußlands cüber die Karpathenc nicht zu dulden gewillt ist, so werden die österreichischen ebenso wie die ungarischen Slawen binnen wenigen Jahren wieder gute und ruhige Bürger der Monarchie geworden sein. Vielleicht kommt übrigens bald eine Gelegenheit zu concludenten Akten, wenn es wahr ist, was man andeutet, daß Rußland eine Revision der 1856er Verträge verlangen wolle. Hier trennen sich die Wege, ich meinerseits bin entschlossen, mich auf dieser Bahn, deren Ende man nicht absehen kann, schon den ersten Schritten entschieden zu widersetzen. Von unserer, d. h. speciell der ungarischen, Seite werden übrigens bei den bevorstehenden Delegationen voraussichtlich schon Kundgebungen zu Gunsten einer preußischen Entente stattfinden, die Berathung der Kostenvorlage für die militairischen Ausgaben, die übrigens recht ungeschickt abgefaßt ist, da sie der Sache ein unberechtigtes Kriegsaussehen giebt, sowie die Vorlage des Rotbuches, in welchem hoffentlich nicht alle diplomatischen Ergießungen des Grafen Beust Platz gefunden haben werden, dürfte hierzu reichlich Gelegenheit bieten.“ Ich bemerke schießlich, daß die Sprache und Haltung des Grafen Andrássy wieder ihren alten Ton von Offenheit und Zutrauen trug, welcher zu Beginn des Krieges einer gewissen Reserve Platz gemacht hatte. a–a

Dazu Randvermerk Bismarcks: In wessen Auftrag? Dazu am Rand ein Ausrufezeichen Bismarcks. c–c Dieser Passus ist von Bismarck unterstrichen. b–b

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719*. Bismarck an Arnim, Versailles, 12. November 1870

717. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6265, S. 162–163. Telegramm. Entzifferung.

No. 61.

Rom, 11. November 1870, 4 Uhr 50 Min. Nm. Abgangsvermerk: 12. November 1870, 3 Uhr 45 Min. Nachm.

Der Papst beabsichtigt, an den Erzbischof von Tours556 einen Brief zu schreiben, welchen derselbe allen Bischöfen Frankreichs mittheilen soll. Zweck des Briefes ist, den Clerus Frankreichs aufzufordern, einem Widerstand zu entsagen, welcher immer größeres Unglück herbeiführt und die sociale Zerrüttung des Landes zur Folge hat, die der großmüthige Sieger selbst nicht will. Einen diesem Schritt entsprechenden Brief will der Papst an den König richten. Auf Befragen habe ich mich dahin geäußert, daß es v o r allem darauf ankäme, den Brief an Se Majestät den König so einzurichten, daß Frankreich in demselben unter keinen Umständen den Ausdruck einer Mißbilligung der von uns gestellten Friedensbedingungen sehen könne. Der Papst wünscht in weiterem Verlauf durch den Clerus auf die Herstellung einer Regierung in Frankreich, am liebsten Heinrichs V., hinzuwirken. Die Briefe nach Tours und an den König werden nicht geschrieben werden, ehe nicht eine im allgemeinen ermuthigende Aeußerung von Versailles eingegangen ist. 718. *Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 585–586. Erlaß. – Vgl. auch Empress Frederick, Letters S. 98–100; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 210.

Die Presse soll keine gegen England gerichtete Polemik betreiben. Versailles, 12. November 1870 719*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 586–587. Telegramm.

Einverstanden, daß der Papst die französischen Bischöfe ermahne, das Land solle jeden Widerstand aufgeben. Versailles, 12. November 1870 556  Joseph Hippolyte Guibert (1802–1886), Erbischof von Tours 1857–1871, von Paris 1871–1886. – Zum folgenden: Papst Pius IX. schrieb dem Erzbischof in diesem Sinne am 12. November 1870. Der Brief wurde in der französischen Zeitung „L’Univers“ am 15. Februar 1871 veröffentlicht.

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723. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 13. November 1870

720. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12146, S. 167. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 50. Versailles, 12. November 1870 Abgangsvermerk: Zur Station 12. November 1870, 12 Uhr 30 Nachm. Nach gestrigem Telegramm Bernstorffs scheint der erste Eindruck von Brunnow’s Mittheilung557 wenigstens nicht stürmisch, wenn auch von ziemlicher Ueberraschung über Zeitpunkt, Plötzlichkeit u Form. Die Rede Gran­ ville[s] meldet Odo Russel’s sofortige Hersendung an. Des Königs Antwort wird dem in des Kaisers Schreiben ausgesprochenen Vertrauen entsprechen. 721*. Bernstorff an Bismarck Große Politik II S. 9–10. Telegramm.

Die englische Regierung erkennt die eigenmächtige Aufhebung der Schwarzmeerklausel von 1856 nicht an. London, 12. November 1870 722*. Bernstorff an Bismarck Rheindorf, England S. 185. Telegramm.

Im Unterhaus herrscht wegen Rußlands Aufkündigung der Schwarzmeerklausel kriegerische Stimmung; die Regierung könnte stürzen. London, 13. November 1871 723. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 364–370. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 20. November, (in Versailles) 24. November 1870.

No. 208.

St. Petersburg, 13. November 1870

Euerer Excellenz hohen Erlaß No. 19 vom 4ten d.M., die rumänischen Angelegenheiten betreffend, habe ich gestern zu erhalten die Ehre gehabt. 557  Betreffend die Aufhebung der Schwarzmeerklausel von 1856 durch Rußland am 31. Oktober 1870. – Der im folgenden genannte: Odo Russell, 1st Baron Ampthill (1829–1884), Legationssekretär in Florenz (mit Aufenthalt in Rom) 1858–1871; Botschafter in Berlin 1871–1884.

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723. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 13. November 1870

Ich habe gesucht, in vertraulicher Weise mich heute in einem Gespräch mit dem Fürsten Gortschakoff über die Ansichten zu vergewissern, welche das hiesige Kabinet über die gegenwärtige Stellung des Fürsten Carl und dessen Zukunft hegt. Der Kaiserliche Kanzler war durch Baron Offenberg vollkommen von den Wünschen des Fürsten von Rumänien und von der Noth, in der sich derselbe befindet, unterrichtet. Er stellte nicht in Abrede, daß es keine leichte Sache sei, jenes Land mit einer Verfassung, wie die dort bestehende, zu regieren; er meinte aber, daß ihm die Lage des Fürsten nicht hoffnungslos erscheine, wenn sich derselbe nur dazu verstehen wollte, aetwas mehr Energie zu zeigena. Denn wenn auch die Zahl der wohlgesinnten und brauchbaren Männer eine sehr geringe sein möge, so würde man seiner Ansicht nach doch noch einige finden, mit denen man ersprießlich arbeiten könne. Man habe dem Fürsten von hier aus öfters in dieser Richtung Namen genannt und Rathschläge gegeben, die leider aber wenig berücksichtigt worden wären. Der Gedanke, dem Lande durch die Garantie-Mächte eine neue Verfassung aufzunöthigen, findet keinen Beifall beim Kanzler, und er erhebt dagegen eine Reihe von Bedenken. Er meint, es würde im jetzigen Augenblick geradezu unmöglich sein, die Einigung der Garantie-Mächte über eine solche Maßregel zu erlangen. Selbst wenn man in friedlichen Zeiten lebte, würde sich England seiner traditionellen Politik gemäß wahrscheinlich niemals dazu bewegen lassen, seine Stimme zum Umsturz einer freisinnigen Verfassung zu geben. Rußland habe seiner Zeit durch den Grafen Kisseleff558 dem Lande ein organisches Statut gegeben, mit welchem man ganz gut hätte regieren können. Man könnte vielleicht versuchen, auf jenes zurückzukommen, er für seine Person habe aber keine Lust, sich mit dieser Arbeit zu beschäftigen, denn Rußland habe jetzt andere wichtigere Dinge vor, und außerdem würde man in diesem Augenblick einer Russischen Einmischung in die dortigen Angelegenheiten ambitieuse Absichten unterlegen, die man hier nicht habe. Ich sagte dem Fürsten, es könne der Kaiserlichen Regierung doch unmöglich gleichgültig sein, wer in Rumänien regierte und was für ein Zustand dort herrsche. Wenn Prinz Carl von Hohenzollern auch vielleicht nicht die nöthige Energie besäße, um eine so verkommene Bevölkerung wie die dortige in Ordnung zu halten, so sei er doch jedenfalls allen jenen Abenteurern vorzuziehen, welche sich bis dahin zum Unheil dieses Landes mit der Regierung desselben beschäftigt hätten. Mir scheine es daher ein russisches Interesse zu sein, daß der Fürst nicht genöthigt würde, sich von der Regierung zurückzuziehen. Der Kanzler erwiderte mir hierauf, daß die Kaiserliche Regierung gewiß gern Alles thun würde, um den Fürsten Carl wie bisher moralisch zu 558  Pavel Dmitrievič Kiselev (1788–1872), russischer Generalgouverneur in den Donaufürstentümern (Bukarest), 1829–1834; Minister der Kaiserlichen Domänen 1837–1856; Botschafter in Paris 1856–1862.

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723. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 13. November 1870

unterstützen, und daß man gewiß seinen Sturz nicht wünsche; eine thätliche Hülfe könne man ihm jedoch kaum leisten. Vertragsmäßig könne die dortige Regierung, wenn sie ernstlich bedroht werden sollte, die Hülfe der Pforte anrufen. Sollte es, was er nicht hoffe, dort zu gefährlichen Verwickelungen kommen und aus dem Lande ein Herd revolutionärer Elemente werden, so würde sich Rußland genöthigt sehen, sich gegen dieselben durch einen strengen Polizei-Cordon zu schützen, sonst aber nichts unternehmen. Fürst Gortschakoff ist übrigens der Ansicht, daß die Vernichtung der Macht Frankreichs, von woher die schlechten Elemente in Rumänien immer Unterstützung und Nahrung erhalten hätten, einen günstigen Einfluß auf die Verhältnisse in Rumänien ausüben werde. Schließlich meinte er, daß, wenn Eure Excellenz etwa Ideen über eine Abänderung der jetzigen Verfassungs-Verhältnisse haben sollten, so wäre er gern bereit, mit dem Königlichen Cabinet sich darüber zu besprechen, und bäte daher, ihm solche Ideen gefälligst mittheilen zu wollen. Aus obigen Notizen erhellt, daß sich Baron Offenberg in seiner Annahme getäuscht hat, als würde man den Wünschen des Fürsten Carl hier mit großer Bereitwilligkeit entgegenkommen. Ich sprach später Herrn Stremaukoff559. Dieser meinte, die Rumänischen Angelegenheiten würden nach dem jetzigen Kriege früher oder später doch an das Forum der Garantie-Mächte kommen müssen. Es sei deshalb anzurathen, daß Fürst Carl eine Denkschrift vorbereite, in welcher er ein wahrheitsgetreues Bild der Zustände in Rumänien zu entwerfen haben werde und den Mächten die Beurtheilung überlassen müßte, ob es möglich sei, mit der jetzigen Verfassung weiter zu regieren. Man könne dann immer einen Vorschlag in Reserve halten, wie die Sachen anders einzurichten sein dürften, und sei es wünschenswerth, wenn dieses Projekt vielleicht bei Zeiten zwischen Preußen und Rußland diskutirt und festgestellt werden könnte. Den hiesigen Informationen zu Folge beabsichtigt die Republikanische Partei, aus Rumänien einen vorgeschobenen französischen Posten zu machen, um ihren Ideen im Osten Eingang zu verschaffen. a–a

Dazu Randvermerk durch Bismarck: h a t er sie? sonst kann er sie nicht zeigen

559  Pëtr Nikolaevič Stremauchov (1823–1885), im Asiatischen Departement des russischen Außenministeriums seit 1842, dessen Direktor 1864–1875.

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724. König Wilhelm I. an König Ludwig II., Versailles, 14. November 1870

724. König Wilhelm I. an König Ludwig II. PA Berlin, RZ 201/6266, S. 76–80. Revidierte Reinschrift. – S. 53–75 vier Konzepte von verschiedenen Schreiberhänden (von Ende Oktober), von Bismarck und von Wilhelm I. superrevidiert. – Ein entsprechendes (kürzeres) Einladungsschreiben ging auch an König Wilhelm I. von Württemberg: Konzept und Reinkonzept ebenda S. 81–90. – Ein Einladungsschreiben an den König von Sachsen erging am 22. November 1870 durch Bismarck, nicht durch Wilhelm I.: ebenda RZ 201/6268, S. 56–57 (revidiertes Konzept), S. 58–60 (Reinkonzept).

Versailles, 14. November 1870 Die Besprechungen, welche in den letzten Tagen mit einem Bevollmächtigten der gegenwärtigen Regierung Frankreichs über den Abschluß eines Waffenstillstandes stattgefunden haben, schließen, wenn sie auch keinen augenblicklichen Erfolg gehabt haben, danach die Möglichkeit nicht aus, daß die Eröffnung von Friedensverhandlungen zwischen Deutschland und Frankreich näher liegt, als Ich bisher vorauszusetzen Mich für berechtigt hielt. Die Tatsache, daß die deutschen Fürsten es waren, welche in richtiger Erkenntniß der Regungen des deutschen Geistes dieselben zur rechten Zeit in die rechte Bahn leiteten, wird ihre Bekräftigung in dem Abschlusse des nationalen Krieges durch die Gesammtheit der deutschen Fürsten finden. Seinen nationalen Charakter verdankt dieser Krieg dem hochherzigen Entschluß, mit welchem Euere Königliche Majestät im entscheidenden Augenblick den süddeutschen Fürsten vorangingen. Ein solcher Krieg, von Deutschland allein und mit einer Einmüthigkeit und einem Erfolge geführt, die ohne Gleichen in der deutschen Geschichte sind, sollten Meines Erachtens auch in dem Frieden, welcher ihm ein Ziel setzt, die deutschen Fürsten in derselben Einigung, in welcher sie ihn führten, als die Führer und Vertreter der Nation erscheinen lassen. Ihre persönliche Theilnahme wird in feierlicher Weise zum Ausdruck bringen, daß die Ergebnisse des Friedens das Werk gemeinschaftlicher Anstrengungen und Opfer sind. Für Mich persönlich ist es ein Bedürfniß, Mich des Einverständnisses Meiner hohen Verbündeten über die Voraussetzungen zu versichern, unter welchen wir unsere ruhmvoll geführten Waffen niederlegen wollen. Versailles, das Hauptquartier der deutschen Heere, welche Ich zu verlassen nicht im Stande bin, wird, wenn es jetzt zur Eröffnung von Friedensverhandlungen kommt, deren Sitz sein. Ich kann daher nur diese an historische Erinnerungen so reiche Stadt als den Ort der Zusammenkunft in Vorschlag bringen, zu welcher Ich Eurer Königlichen Majestät durch dieses Schreiben einlade. Ich hoffe, daß Eure Königliche Majestät dieser Einladung werden folgen können und daß Sie mir werden gestatten wollen, den Tag für unsere Zusam-

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725. Schweinitz an Bismarck, Wien, 14. November 1870

menkunft auf telegraphischem Wege in Vorschlag zu bringen. Die Entwicklung der Friedensverhandlungen ist in ihrem Verlauf unsicher, und es ist unmöglich, den Zeitpunkt, an welchem der Abschluß geführt sein wird, schon jetzt auf den Tag zu bestimmen. Derselbe kann so nahe liegen, daß der Weg einer schriftlichen Mittheilung nicht mehr rechtzeitig zum Ziele führen würde, er kann auch gegen Meine Erwartung sich weiter hinausschieben. Ich bitte daher Eure Königliche Majestät, diese meine Einladung in dem Sinn annehmen, auch hierbei wiederum den süddeutschen Fürsten das Beispiel geben und mir die telegraphische Bezeichnung des dem Zweck entsprechenden Zeitpunktes gestatten zu wollen. In der Hoffnung, daß der zu erwartende große Augenblick uns vereint finden wird, 725. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12146, S. 279–284. Ganz vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 17. November, (in Versailles) 20. November 1870.

Nr. 361.

Wien, 14. November 1870

Graf Andrassy, der gestern hier angekommen ist, mit Erzherzog Albrecht conferirt hat und heute einem einstündigen Conseil beiwohnte, speiste bei mir en tête à tête. Aus unserem Gespräche, welches 3½ Stunden dauerte, beehre ich mich, Euerer Excellenz Folgendes gehorsamst mitzutheilen, was ich der Kürze wegen in abgerissenen Sätzen anführen zu dürfen bitte. Bis jetzt ist kein Gegensatz zwischen dem Reichskanzler und dem Ungarischen Minister-Präsidenten in Betreff der Frage des Schwarzen Meeres eingetreten; Graf Beust modificirt seine früher ausgesprochene Ansicht und accomodirt sich der Anschauung des Grafen Andrassy. Herr von Nowikow560 hat diesen besucht und soll gesagt haben, der Fürst Gortschakow hätte sich im Widerspruch mit der öffentlichen Meinung ganz Rußlands wegen seiner Politik im Preußisch-Französischen Kriege nicht halten können, wenn er dem Nationalgefühl nicht Rechnung getragen hätte, wie er es durch sein Circular gethan. Graf Andrassy sieht in der Einleitung dieser Schriftstücke, ferner in dem Satze, welcher sagt: die Verträge hätten jetzt nicht mehr die bindende Kraft wie früher eine directe Hinweisung auf Preußen.

560  Evgenij Petrovič Novikov (1826–1903), russischer Gesandter (1874 Botschafter) in Wien 1870–1880.

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725. Schweinitz an Bismarck, Wien, 14. November 1870

Ich erinnerte daran, daß Oesterreich vor wenigen Monaten dem Pabste durch einige Zeilen in der Wiener Zeitung dasselbe angethan hat561, was jetzt dem Sultan geschieht, und daß Italien bald darauf noch rücksichtsloser zu Werke ging562; man entschuldigt dies mit dem Recht der Nation, Herr zu sein im eigenen Lande; was nun vom Lande gilt, gilt auch vom Wasser. Er sieht das Gefahrbringende in der wohlberechneten Wirkung, welche das Auftreten Rußlands nicht nur auf die Christen des Orients, sondern auch auf alle Slawen hervorbringen wird. Sie haben uns aus Deutschland hinausgeworfen und zu unserem Glück; Rußland will uns aus Europa hinauswerfen, und das können wir nicht ertragen; daher droht uns von der andern Seite Gefahr von Ihnen; das Leben unter einem Damoklesschwert ist unbehaglich, unter zweien ist es unerträglich. Auf meine beruhigenden Einwendungen erwiderte der Graf: „Wenn ich sehe, daß der letzte Schritt auf dem Wege, den Rußland einschlägt, zu meinem Verderben führt, so trete ich dem ersten entgegen.“ Er sprach dann von den Pflichten der Unterzeichner des Pariser Vertrages, von der Antwort, die Preußen auf die Anfrage, die man an dasselbe richten werde, zu geben nicht vermeiden könne. Ich sagte: Deutschland ist nicht zu Hause. Graf Andrassy versicherte, die hier allgemeine Ansicht, Rußland handle im Einverständniß nach vorheriger Abmachung mit Preußen, nicht zu theilen, aber er sprach den dringenden Wunsch aus, daß die Preußische Antwort auf das Russische Circular dies bestätigen möge. Die Wirkung einer solchen Erklärung auf Oesterreich-Ungarn würde eine große sein, im entgegengesetzten Falle sehe er den Anfang einer Coalition vor Augen. Die hierauf gehörige Antwort gab ich ihm mit aller Schonung. Graf Andrassy glaubt zu wissen, bei der Pforte sei das Russische Schriftstück noch garnicht abgegeben worden. Der Graf meint, die Stellung des Reichskanzlers, welche nur noch für kürzeste Frist haltbar war, sei durch den Russischen Act befestigt worden. Ich erwiderte hierauf, er habe mir neulich erlaubt, ihm zu sagen, wenn Gefahr für das Reich da sei, weil er das dann dem Kaiser erklären wollte; meiner Ansicht nach trete diese Gefahr ein, wenn während der drohenden Crisis Graf Beust die Geschicke des Reiches lenke. Graf Andrassy antwortete hierauf mit dem wiederholten Verlangen, daß Preußen sich von der ihm zugeschriebenen Solidarität mit dem russischen

561  Am 30. Juli 1870 hatte Österreich infolge der Infallibilitäserklärung das Konkordat vom 18. August 1855 einseitig aufgekündigt. Vgl. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 283–287. Das Konkordat hatte der Kirche maßgebenden Einfluß u. a. auf das Schulwesen und das Eherecht überlassen. 562  Bei der Einverleibung des Kirchenstaats.

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727*. Tagebucheintragung Kronprinz Friedrich Wilhelms, Versailles, 16. November 1870

Auftreten lossage; dann wäre es ein Leichtes, den Grafen Beust durch einen Andern, vielleicht durch Graf Seczsen zu ersetzen. Hierin war Graf Andrassy wohl nicht aufrichtig, denn trotz seiner Betheuerungen des Gegentheils glaube ich, daß er das Ministerium für sich will. Wie immer so versuchte der Graf auch heute, Mißtrauen gegen den Kaiser Alexander zu erregen. Seine Majestät soll zu Graf Chotek gesagt haben, er wünsche, daß die Süddeutschen Fürsten ihre Selbstständigkeit behielten, vielleicht mit einer gewissen Suprematie Oesterreichs563. Als dies neulich zur Sprache gekommen wäre, habe Graf Beust beklagt, daß die Russen soviel sprächen und so wenig schrieben. So entschlossen nun auch der Ungarische Minister-Präsident zu sein scheint, den englischen Widerspruch, den er als correct und entschieden gefaßt bezeichnet, zu unterstützen, so ließ doch Nichts in seinen Äußerungen darauf schließen, daß er schon in naher Zukunft einen ernsten Conflict erwarte. 726*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 177–192. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 213–215; Dalwigk, Tagebücher S. 460, 475–477; DDI II,1 S. 440–441.

Unterzeichnung des Akzessionsvertrags Hessens und Badens. – Rußlands Aufkündigung der Schwarzmeerklausel von 1856. – Württembergs Eintritt noch nicht sicher. – Ledóchowskis Wunsch, Preußen möge bei der italienischen Regierung gegen die Behandlung des Papstes protestieren. – Baden und die Reichsfarben. – Ernst II. von Coburg und die Orientalische Frage. – Württembergs Beitritt erfolgt in Berlin. – Wilhelm I. und die Kaiserwürde. – Bayern und der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten und die bayerische Heeresorganisation: Bismarck darüber. – Ledóchowski und das Asyl des Papstes in Preußen. – Der englische Sondergesandte O. Russell. Versailles, 15.–19. November 1870 727*. Tagebucheintragung Kronprinz Friedrich Wilhelms Friedrich III., Kriegstagebuch S. 220–226. – Vgl. auch ebenda S. 227–228, 230– 231, 232–234.

Rußlands Aufkündigung der Schwarzmeerklausel von 1856. Bismarck spielt dazu „den gänzlich Überraschten“. Kann daraus ein „europäischer Feu563  Vgl.

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z. B. oben Nr. 453.

730*. Bismarck an Reuß, Versailles, 18. November 1870

erbrand“ entstehen? – Stand der Deutschen Frage: Bismarck will vorsichtig lavieren. Ich: Wir müssen endlich „entschlossen und gebietend“ auftreten. „Ich aber, der ich die Zukunft repräsentiere, könnte solches Zaudern nicht gleichgültig ansehen.“ Bismarck bedauert, daß die Frage des Kaisertitels zu früh diskutiert worden sei. Scharfe Auseinandersetzung darüber; Bismarck dürfte klar geworden sein, „wie ich seiner bisherigen deutschen Politik durchaus abhold bin“. Versailles, 16. November 1870 728. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/25, S. 219. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

Nr. 369.

Versailles, 16. November 1870 Abgangsvermerk: 16. November 1870, 11 Uhr Nachm.

Die Pressestelle ist anzuweisen, daß Angriffe auf Beust und Oesterreich unterbleiben. 729. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12146, S. 332. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 373. Versailles, 18. November 1870 Abgangsvermerk: zur Station, 18. November 1870, 1 Uhr 45 Nachm. Lassen Sie vermittelst in der Presse zunächst dem Gedanken widersprechen, als ob Rußlands Wunsch nach Aufhebung der Neutralisirung des Schwarzen Meeres nothwendigerweise Angriffsgedanken auf die Türkei involvire. Das Verbot, welches der Vertrag den Russen auferlegt hat, drückt an sich das Nationalgefühl hinreichend, um den Wunsch der Aufhebung auch ohne Hintergedanken erklärlich zu machen. 730*. Bismarck an Reuß Rheindorf, Pontusfrage S. 154–155. Zwei Telegramme.

1. Odo Russell kommt morgen von London her ins Hauptquartier. Der Zeitpunkt der Aufkündigung der Schwarzmeerklausel ist zwar ungünstig; Rußland wird Preußen aber an seiner Seite finden. – 2. Vertraulich fragen, ob Rußland gerüstet sei, um gegebenenfalls gegen Österreich-Ungarn vorzuge-

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732. Thile an Bismarck, Berlin, 18. November 1870

hen. Was weiß man über die Absichten Amerikas im Falle eines englischen Krieges dort? Versailles, 18. November 1870 731*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 590–592. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 615–617, 637–638, 648–651, 658–660, 673.

Er beklagt sich, daß er vom Generalstab über die militärischen Dinge mangelhaft unterrichtet werde, und bittet den König um Eingreifen. Versailles, 18. November 1870 732. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8442, S. 622–623. Telegramm. Entzifferung.

No. 61.

Berlin, 18. November 1870, 2 Uhr 36 Min. Nachm. Ankunft: 18. November 1870, 4 Uhr 46 Min. Nachm.

a Ein Telegramm en clair von Waecker aus Pesth vom 16n, welches vom 18n per Post hier eingetroffen, lautet: Die Nachricht von der Reichskanzlerschaft Andrassy’s, welche der commandirende General Gablenz564 gestern hier als positiv mittheilte, bestätigt sich noch nicht; Gräfin Andrassy, die ich eben sprach, nennt dieselbe verfrüht.a Ich habe dem Consul Waecker mein Befremden darüber ausgedrückt, daß er so compromittirende Telegramme wie dieses und das frühere en clair schicke. Euer Excellenz Telegramm vom 16n ist sofort an ihn weiter gegeben. a–a

Daneben von Bismarck Hand: Waecker ist zur Aufklärung sofort nach Berlin zu citiren, damit er für den Moment, u. nach Befinden für die Dauer, unschädlich wird.

564  Ludwig Frhr. von Gablenz (1814–1874), österreichisch-ungarischer General der Kavallerie; Kommandierender General von Ungarn seit 1869.

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734. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 18. November 1870

733*. Bernstorff an Bismarck Große Politik II S. 10–12. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 12–13.

England vermutet ein russisch-preußisches Einvernehmen in der Schwarzmeerfrage. Frankreich scheint erfreut zu sein. Die Frage ist, ob die Türkei ruhig bleibt. London, 18. November 1870 734. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 372–374. Chiffrierter Bericht. Entzifferung. Praes.: (im AA) 25. November, (in Versailles) 28. November 1870.

No. 78.

Bukarest, 18. November 1870

Ministerpräsident Epureano565 ist vor einigen Tagen von Wien und Pesth hierher zurückgekehrt. Er hatte eine Unterredung mit Graf Andrassy, über welche er mir vertraulich folgendes mittheilte. – Der ungarische Minister wünschte enge Anlehnung Rumäniens an Ungarn, verspricht, die Dynastie des Fürsten Carl und hiesige Regierung in jeder Weise zu unterstützen, wenn Rumänien definitiv darauf verzichte, irgend welchen Rückhalt an Rußland zu suchen. Graf Andrassy (der bei diesem Gespräch die neusten Propositionen des Fürsten Gortschakoff noch nicht kannte566), drückte große Besorgniß vor den Plänen der russischen Politik aus und fügte hinzu, mit Deutschland und Preußen wünsche er aufrichtig die besten Beziehungen, die engste Allianz herzustellen, er könnte sich aber der Befürchtung nicht erwehren, daß wenigstens für die nächste Zeit die preußische Politik der russischen gegenüber Verpflichtungen eingegangen sei, welche ein solches Verhältniß nicht möglich machten. Rußland wolle eine europäische Conferenz, um die orientalische Frage anzuregen, und suche namentlich auch in den inneren Zuständen Rumäniens dazu eine Veranlassung. Zu einer solchen Conferenz würde Oesterreich-Ungarn jetzt keinenfalls sich hergeben. Die rumänische Regierung möge j e d e s Mittel anwenden, um der Agitation im Innern Herr zu werden, er würde ihr alle mögliche Hülfe leisten, nur sollten die hiesigen Verhältnisse nicht auf einer Conferenz discutirt werden.

565  Manolache Costache Epureano (1820–1880), Ministerpräsident und Innenminister der Donaufürstentümer April 1870–1872. 566  Gemeint ist vermutlich, die von Bismarck vorgeschlagene Konferenz zur Behandlung der Schwarzmeerfrage in St. Petersburg abzuhalten.

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735. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 19. November 1870

Auf die Bemerkung, daß, da Fürst Carl einen Staatsstreich à la Cusa567 nicht machen wolle, eine auswärtige Pression zur Beseitigung der Constitution unerläßlich erscheine, erwiderte Graf Andrassy, man möge es mit einer Initiative aus dem Volke selbst versuchen; wenn eine größere Zahl von Notablen vom Fürsten die Abschaffung der Constitution verlangte, so müßte das genügen, ihn seiner Verpflichtungen zu entbinden. Diese Aeußerungen des ungarischen Ministers scheinen hier großen Eindruck zu machen. Die Lage des Fürsten wird inzwischen Angesichts der immer zunehmenden Anarchie unter den Beamten und des bevorstehenden Zusammentritts der Kammer eine sehr kritische, während durch das neuste Vorgehen des Russischen Cabinets ein Appell an die Schutzmächte, welchen der Fürst beabsichtigte, kaum mehr möglich sein dürfte. Ueber die Entschlüsse, welche Se Hoheit unter diesen Umständen jetzt zu fassen haben wird, hoffe ich demnächst weitern Bericht erstatten zu können. 735. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12147, S. 85–86. Telegramm. Entzifferung. Behändigte Abschrift. Praes.: 19. November 1870.

No. 92.

St. Petersburg, 19. November 1870, 9 Uhr 15 Min. N. Ankunft: 20. November 1870, 7 Uhr V.

Rußland rüstet bis jetzt mittelst Vorbereitungen gar nicht weiter als im September. Kriegsminister verlangt 2. Monat568. Im Fall österreichischer Demonstration gegen uns würde, wie versprochen, Truppen-Aufstellung an Grenze anfangen. Geheim. Amerika zeigt Lust, englischen Krieg zu Alabama-Lösung zu benutzen; spricht von Schutz- und Trutz-Bündniß, aber dort noch kein endgültiger Beschluß gefaßt.

567  Fürst Cuza hatte im Mai 1864 einen Staatsstreich versucht, indem er zwar einen Senat und einen Staatsrat für die beiden Donaufürstentümer einsetzte, sonst aber absolut regierte. 568  Gemeint: für weitere Vorbereitungen, die Armee auf den Kriegsfuß zu stellen. – Zur folgenden Alabamafrage vgl. oben Anm. 134.

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737. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 19. November 1870

736. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12147, S. 51–52. Telegramm. Entzifferung.

No. 346.

London, 19. November 1870, 10 Uhr 56 Min. N. Ankunft: 20. November 1870, 7 Uhr -- V.

Vertrauliche Depesche Gortschakoffs vom 20. Oktober alten Styls ist heute auch veröffentlicht569 und hat die kriegerische Stimmung vielleicht ein wenig gemildert. Man sieht mit äußerster Spannung der Entscheidung in Versailles entgegen, wovon, wie man überzeugt ist, die ganze Wendung der Dinge abhängt. Wenn wir mit den anderen Vertragsmächten die einseitige Aufkündigung Rußlands für unzulässig erklären und jedes Einverständniß mit ihm verläugnen, so glaubt man, daß Rußland sich besinnen wird. Wo nicht, hält man Krieg für unvermeidlich, welcher sich fast über ganz Europa erstrecken dürfte und worin England jedenfalls thatsächlich der Bundesgenosse unserer Feinde sein würde. Mein Feldjäger ist heute mit Depeschen von Brüssel nach dem Hauptquartier. 737. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12147, S. 202–294. Geheimer Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 23. November, (in Versailles) 26. November 1870.

No. 213.

St. Petersburg, 19. November 1870

Euerer Excellenz Frage, was man hier über Amerika wisse, habe ich bereits telegraphisch zu beantworten die Ehre gehabt570. Fürst Gortschakoff theilte mir heute ein Telegramm des Herrn Katakazy571 aus Washington mit, wodurch derselbe meldet, die Regierung der Vereinigten Staaten scheine nicht übel Lust zu haben, die Eventualität eines englischrussischen Krieges zur endlichen Wieder-Aufnahme der Alabama-Frage zu benutzen und dem so lange zurückgehaltenen Groll gegen England freien Lauf zu lassen. Herr Fisch, der Staatssekretair für das Auswärtige Amt, habe sogar von einem zwischen Rußland und Amerika abzuschließenden Schutz569  Gedruckt in: StA 20 (1871) S. 113–115. In seinem Erlaß schlug Gorčakov „une entente sérieuse“ mit England vor, um die dem Osmanischen Reich drohenden Gefahren zu bannen. 570  Oben Nr. 735. 571  Konstantin Gavrilovič Katakazi (1830–1890), russischer Gesandter in Wash­ ington 1869–1872. – Der im folgenden genannte: Hamilton Fish (1808–1893), Staatssekretär (Außenminister) 1869–1877.

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739*. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 20. November 1870

und Trutz-Bündnis gesprochen und in Aussicht gestellt, Amerika könne eine Flotte nach dem schwarzen Meere schicken. Diese Privat-Äußerungen des Herrn Fisch seien indessen noch nicht ganz au pied de la lettre zu nehmen, doch solle demnächst die Frage im Minister-Rath zur Sprache kommen, welche Stellung die Regierung einzunehmen haben werde. Fürst Gortschakoff hat den Gesandten angewiesen, nicht allzu sehr in dieser Richtung hin zu drängen und den Amerikanern Zeit zu lassen, ihre Entschlüsse zu fassen. Er soll jedoch den Rath geben, die Regierung möge vorläufig ihre frühere Protestation gegen die Neutralisirung des schwarzen Meeres in Constantinopel wieder erneuern und dadurch die Russische Demarche unterstützen. Der Kaiserliche Kanzler ist durch diese ersten Nachrichten aus Amerika sehr befriedigt, will sich aber nicht gern allzu sanguinischen Hoffnungen in dieser Richtung hingeben. Er hat mich gebeten, die Sache sehr geheim zu halten. 738*. Tagebucheintragung Wertherns Werthern, Tagebuch S. 99–100. – Vgl. auch ebenda S. 102–105.

Holnstein, der Vertraute König Ludwigs II., geht nach Versailles zu vertraulichen Besprechungen mit Bismarck. Zweck ist, Bismarck zu versichern, der König werde gegen Geldsubventionen eine Kaiserproklamation schriftlich formulieren. [München, 19. November 1870] 739*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 592–593. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 593–594; ­Doeberl, Bayern S. 304; Lorenz, Kaiser Wilhelm S. 610–611.

Der Abschluß mit Bayern über dessen Eintritt ins neue Reich steht bevor. Versailles, 20. November 1870

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742. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 20. November 1870

740. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12147, S. 89. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 61.

Versailles, 20. November 1870 Abgangsvermerk: zur Station 20. November 1870, 12 Uhr mittags

Odo Russel gestern hier angekommen, noch nicht gesehen. Fragen Sie Fst. G[ortschakoff], ob es ihm unerwünscht wäre, wenn ich Besprechungen, etwa in Constantinopel oder sonst wo, im Sinne von Tel. 91 von Hause aus empfehle572. Unsere Festigkeit wird nicht fehlen. 741. Bismarck an Thile PA Berlin, RZ 201/12147, S. 85. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 92.

Versailles, 20. November 1870 Abgangsvermerk: zur Station 20. November 1870, 1 Uhr 35. Min. Nachm.

Fragen Sie Bancroft vertraulich u gelegentlich, ob er eine persönliche Ansicht darüber hat u äußern mag, wie Amerika sich möglicher Weise zu englisch-russischen Zerwürfnissen stellen könnte. 742. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12147, S. 82–83. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 381.

Versailles, 20. November 1870 Abgangsvermerk auf S. 81: zur Station 20. November 1870, 4 Uhr 45 Min. Nachm.

Lassen Sie in der Presse objectiv u ohne officiösen Anschein den Unterschied der Stellung der Unterzeichner vom 30. März u vom 15. April 1856 hervorheben. Letztere haben alle Bestimmungen des Tractats vom 30. März garantirt, erstere nur in Art. 7 die Integrität der Türkei u haben im Uebrigen nur die Stellung aller Unterzeichner collectiver Verträge.

572  Gemeint: Die Schwarzmeerfrage soll auf einer Konferenz besprochen werden, ohne indes die russische Aufkündigung vom 31. Oktober als Ausgangspunkt zu nehmen.

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745*. Bismarck an Reuß, Versailles, 21. November 1870

743*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 192–207.

Der Sondergesandte O. Russell im Hauptquartier. – Württemberg, Bayern und das Reich. – Der Großherzog von Sachsen-Weimar und das Reichsgericht. – Brief an den König von Bayern (ebenda S. 153–154). – Der bayerische Minister Lutz im Hauptquartier: Ludwig II. werde die Kaiserfrage anregen. – Die Vereinbarungen zwischen Bayern und dem Norddeutschen Bund am 23. November unterzeichnet. – Herzog Ernst II. und das Kronprinzenpaar. – Ministerpräsident Bray und Elsaß-Lothringen. – O. Russell und die Konferenz über die Schwarzmeerklausel. – König Ludwig II. und die Reise nach Versailles. Versailles, 20. –26. November 1870 744*. Aufzeichnung Bismarcks Große Politik II S. 13–16. – Vgl. auch ebenda S. 16–17.

Artikel 11 (Abtretung eines Teils von Bessarabien) und Artikel 13 (Neutralisierung des Schwarzen Meeres) des Pariser Vertrags von 1856 sind für eine Großmacht ehrenrührig. In den vergangenen Jahren ist schon mehrfach von ihrer Abschaffung die Rede gewesen. Die Aufkündigung zum jetzigen Zeitpunkt ist Preußen unerwünscht. Er empfiehlt eine Konferenz über die Angelegenheit. Versailles, 21. November 1870 745*. Bismarck an Reuß Europa und die Türkei Nr. 1049. Telegramm. – Vgl. auch ebenda Nr. 1057.

Unterredung mit dem englischen Sondergesandten O. Russell: Rußlands jetziger Schritt zur Abschaffung der Schwarzmeerklausel von 1856 war nicht verabredet. Ich riet Russell, die Hand zu Besprechungen in einer Konferenz zu bieten. Versailles, 21. November 1870

494

748. Bismarck an Reuß, Versailles, 22. November 1870

746. Keyserling an Thile PA Berlin, RZ 201/12147, S. 233. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Pera, 21. November 1870, 8 Uhr 35 Min. Nachm. Ankunft: 22. November 1870, 4 Uhr 10 Min. früh

Für Grafen Bismarck. Herr Ignatieff, vorgestern angekommen, hat gestern Aali Pascha besucht und ihn sehr ruhig gefunden. Ich habe heute den Großvezier gesehen und ihm im Sinne Ew. Excellenz letzten Instruction gesprochen. Aali Pascha sträubte sich besonders gegen die Form des russischen Vorgehens, will indessen keinen Congreß, dessen Gefahren für die Türkei er nicht verkennt. Russische Freundschaft erscheint ihm wenig lockend, indessen wird er, so viel ich beurtheilen kann, nicht zur ernsten Complication schreiten, falls nicht England und Oesterreich eifrig dazu treiben. Herr Ignatieff sowie meine Collegen von England und Oesterreich573 sind in fieberhafter Geschäftigkeit. Anempfehlung größter Ruhe für hiesige Vertreter Seitens ihrer Cabinette für friedlichen Austrag sehr vortheilhaft. 747*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 595. Telegramm.

Brassier soll sich nicht am Einzug Viktor Emanuels in Rom beteiligen. Versailles, 22. November 1870 748. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12147, S. 228. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 63.

Versailles, 22. November 1870 Abgangsvermerk: zur Station, 22. November 1870, 10 Uhr Vorm.

Telegr. von gestern erhalten. Ich habe mich darauf gegen Russel bereit erklärt, Instruirung der Gesandten in Petersburg behufs gemeinsamer Besprechung in Vorschlag zu bringen, falls England bereit dazu! Er schien erfreut über diese Aussicht, fragt telegraphisch in London an.

573  Elliot

und Prokesch. 495

751. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 23. November 1870

749*. König Wilhelm I. an König Johann Johann von Sachsen, Briefwechsel S. 467–468. Handschreiben.

Er wiederholt seine Einladung, nach Versailles zu Beratungen mit den verbündeten Fürsten zu kommen. Versailles, 22. November 1870 750*. Gelzer an Großherzog Friedrich I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 150–152. Bericht.

Unterredungen mit dem Kabinettsrat König Ludwigs II., Eisenhart: Der bayerische König meint, mit der Erneuerung der Kaiserkrone würde er zum Vasallen herabgedrückt; er müsse sich noch mit Mitgliedern seines Hauses besprechen; er verlange eine für Bayern bessere Stimmenverteilung im Bundesrat. – Nach Versailles wird der König nicht selbst kommen. – Gegebenenfalls werde ich dem König noch einen ernsten Brief schreiben (dieser ebenda S. 154–158). München, 22. November 1870 751. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/12147, S. 289. Vertrauliches Telegramm. In Ziffern. Abschrift.

No. 133.

Versailles, 23. November 1870 Abgangsvermerk: zur Station 23. November 1870, 11 Uhr 45 Min. Vm.

Prinz Reuß ist der Meinung, daß zwischen Rußland und Amerika ein Bündnis, wenn nicht schon geschlossen, doch in Verhandlung sei. Auch ich kann mir nicht denken, daß Rußland, nachdem es mit uns Verabredungen nicht gesucht hatte, ohne jede Sicherheit einer Unterstützung, also ohne Aussicht auf die Amerika’s, vorgegangen sein sollte. Daß letzteres zunächst seinen Protest gegen Neutralisirung des Schwarzen Meeres erneuere, wird in Petersburg erwartet.

496

755. Bismarck an Schweinitz, Versailles, 24. November 1870

752*. Bismarck an Delbrück Bismarck, GW VIb S. 595–596. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 598–600, 606–607, 608, 611–614; VII S. 414, 414–420, 438–439, 493–494; Spitzemberg, Tagebuch S. 113, 114; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 237–238, 240.

Der Vertrag mit Bayern ist unterzeichnet. Dieses hat mehrere Reservatrechte. Versailles, 24. November 1870 753. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/12147, S. 347. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

No. 134.

Versailles, 24. November 1870

Ich beantworte heut Granville’s Privatschreiben an mich, betone dabei besonders den Punkt, daß ein Anlaß zu handeln für England erst vorläge, wenn Rußland handelt, d. h. die Neutralität des Schwarzen Meeres thatsächlich verletzt. Bisher liegt nur eine russische Staatsschrift vor, die Rußlands Rechtsauffassung constatirt; dem wirksam entgegenzutreten genügt eine englische Antwort, welche die russische Ansicht für unrichtig erklärt. 754*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 597–598. Erlaß. – Vgl. auch Victoria, Letters II,2 S. 87–88.

Über Rußlands Aufkündigung der Schwarzmeerklausel von 1856 will er keine rechtshistorische Überlegung anfangen. Die guten Beziehungen zu Rußland will er nicht in Frage stellen. Versailles, 24. November 1870 755. Bismarck an Schweinitz PA Berlin, RZ 201/12147, S. 351–357. Erlaß. Abschrift.

No. 14.

Versailles, 24. November 1870

Von der in Ew.pp. gefälligem Bericht No. 361 vom 14. d.Mts.574 mitge­ theilten Unterredung mit dem Grafen Andrassy habe ich mit lebhaftem Interesse Kenntniß genommen. 574  Oben

Nr. 725. 497

755. Bismarck an Schweinitz, Versailles, 24. November 1870

Mit den Aeusserungen, welche Ew.pp. gegen den Ungarischen MinisterPräsidenten gethan haben, kann ich nur mein Einverständniß aussprechen. Namentlich ist Ihre Berufung auf die von Oesterreich in der Kündigung des Concordates und von Italien in seinen früheren wie in seinem neusten Vorgehen gegebenen Beispiele durchaus berechtigt. Ebenso setze ich voraus, daß Ew.pp. die Ansicht des Grafen Andrassy über die Pflichten der Unterzeichner des Vertrages vom 30. März 1856 berichtigt haben werden. Wir begegnen häufig einer Verwechslung der beiden Verträge vom 30. März und vom 15. April 1856, welche sich beide auf diese Angelegenheit beziehen. Der letztere legt allerdings seinen Theilnehmern bestimmte Verpflichtungen gegen einander auf. Preußen gehört aber nicht zu diesen Theilnehmern; es hat nur den Vertrag vom 30. März unterzeichnet und in demselben allerdings im Artikel VII575 mit den übrigen Contrahenten eine Garantie des Türkischen Reichs übernommen. Diese kommt aber im gegenwärtigen Augenblick gar nicht in Frage; und es ist von einer Anrufung der Garantie daher auch gar nicht die Rede. Bestimmte Pflichten sind nicht übernommen; es handelt sich daher für Preußen und seinen Rechtsnachfolger, den Norddeutschen Bund, auch nur um die Pflichten und Rechte, welche den Theilnehmern an einem Vertrage im Allgemeinen aus demselben erwachsen. Unzweifelhaft hat ein jeder Mit-Contrahent das Recht, die Erfüllung der Pflichten zu fordern, welche Andere in dem Vertrage übernommen haben. Ob er dieses Recht ausüben will, hängt von dem Ermessen des Staates und von der Beurtheilung seiner Interessen ab. Wäre eine Pflicht dazu vorhanden, hätten seit dem Jahre 1815 für alle Unterzeichner der Wiener Verträge unzählige casus belli entstehen müssen. Ueber die Frage der Berechtigung der Russischen Regierung zu der von ihr abgegebenen Erklärung fühlt die Königliche Regierung sich eben nicht berufen, sich auszusprechen, und Kritik über bereits erfolgte Schritte befreundeter Großmächte auszusprechen, halte ich nur in soweit für eine Aufgabe diplomatischer Tätigkeit, als die Vertretung practischer Interessen des eigenen Landes damit verbunden ist. Ob dies der Fall ist, hat jede Regierung für sich zu erwägen; und die Annahme des Grafen Andrassy, daß Preußen auf die Anfrage, die man an dasselbe richten werde, eine Antwort zu geben nicht vermeiden könne, kann ich nicht als zutreffend anerkennen. Ich beziehe mich hierbei auf die Aeußerungen, welche ich dem englischen Unterstaats-Secretair H. Odo Russell gemacht habe576 und von denen ich Eurer Hochwohlgeboren ein Résumé mit besonderem Erlaß zugehen lasse. 575  Er lautet: „ […] Leurs Majestés s’engagent, chacune de son côté, à respecter l’indépendance et l’intégrité territoriale de l’Empire ottoman, garantissant en commun la stricte observation de cet engagement […].“ 576  Vgl. Europa und die Türkei Nr. 1049.

498

756. Thile an Bismarck, Berlin, 25. November 1870

Unser sachliches Urtheil über die von Rußland lange gehegten und von Oesterreich selbst früher begünstigten Wünsche kennen Eure Hochwohlgeboren; ich habe es auch in der erwähnten Unterredung mit Herrn Odo Russell nicht zurückgehalten. Wenn Graf Andrassy versichert, „daß er die dort all­ gemeine Ansicht, Rußland handele im Einverständniß nach vorheriger Abmachung mit Preußen, nicht theile“, so hat er darin vollkommen Recht, und Eure Hochwohlgeboren können es bestätigen, daß uns der gegenwärtige Schritt Rußlands eben so unerwartet und unerwünscht gekommen ist wie den übrigen Mächten. Sein Verlangen aber, daß Preußen sich von einer ihm zugeschriebenen Solidarität mit Rußland lossage, hat keine thatsächliche Unterlage. Wir sind seit 4 Jahren jederzeit bereit gewesen, mit Oesterreich-Ungarn Beziehungen herzustellen, die zur gegenseitigen Kräftigung führen würden. Es ist dies aber nicht rechtzeitig gelungen, vielleicht weil in der Leitung der Auswärtigen Angelegenheiten Oesterreichs die Hoffnung vorwaltete, durch factische oder angedrohte Anlehnung an Frankreich mehr von uns zu erreichen, als wir freiwillig zu gewähren bereit waren. In dieser Lage kam die Frage für uns gar nicht zur Erwägung, ob es unseren Neigungen entsprach, anderweite Anlehnungen für den möglichen Fall der Feindschaft Oesterreichs gegen uns zu pflegen. Wir sind, so lange ich die Ehre habe, Seiner Majestät Minister zu sein, stets zuverlässige Freunde unserer Freunde gewesen. Ich bitte Ew.pp., diese Bemerkungen als Gesichtspunkte für Ihre eigene Orientirung anzusehen. 756. Thile an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12148, S. 4–5. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (in Versailles) 28. November 1870.

No. 2945.

Berlin, 25. November 1870

Die im Sinne Euerer Excellenz Telegramms vom 20. d.Mts.577 an ihn gerichtete vertrauliche Frage, wie Amerika sich möglicherweise zu EnglischRussischen Zerwürfnissen stellen werde, beantwortete Herr Bancroft dahin, daß nach seiner persönlichen Ansicht für Amerika ein Anlaß zur Einmischung in solche Zerwürfnisse nicht vorliege. Er habe übrigens seine Auffassung über die durch Rußland hervorgerufene diplomatische Bewegung jüngst in einem Schreiben an Mr. Fish niedergelegt und dabei hervorgehoben, daß sich England auf einen kriegerischen Conflict über die Orientalische Frage nur dann einlassen könne und werde, wenn es sich zuvor der Allianz des vollständig consolidirten Deutschland versichert hat. 577  Oben

Nr. 741. 499

759. Bismarck an Thile, Versailles, 26. November 1870

Weder Oesterreich noch Italien böten England für ein Vorgehen im Orient ausreichende Stützpunkte, und darum werde England, gegen den Willen von Deutschland, den diplomatischen Conflict zu einem thatsächlichen gegenwärtig nicht steigern können. Als einen Vorschlag zu geeigneter Lösung habe er empfohlen die Eröffnung des schwarzen Meeres für die Schiffe aller Nationen. Dieser Vorschlag werde in Amerika, nach seinem Dafürhalten, ungetheilten Anklang finden. 757. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/12148, S. 97. Immediatbericht. Eigenhändige, behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. November 1870.

[o.Nr.]

Versailles, 26. November 1870

Eurer Majestät melde ich ehrfurchtsvollst nach einer soeben beendeten Conferenz mit Russel, daß England und Rußland die Conferenz in London angenommen haben.a a

a–a

Dazu am Kopf eigenhändiger Vermerk König Wilhelms I.: Dies u die Depesche der neuen Kriegsanleihe sind Lichtpunkte. Odo war heut voll Ihres Lobes und g a n z n e u m i r i s t ’s !

758*. Bismarck an Bernstorff Große Politik II S. 17. Telegramm.

Er schlägt der englischen Regierung eine Konferenz über die Schwarzmeerfrage vor. Versailles, 26. November 1870 759. Bismarck an Thile PA Berlin, RZ 201/8442, S. 630–631. Telegramm. in Ziffern.

No. 61.

Versailles, 26. November 1870 [ohne Abgangsvermerk]

Der Consul von Waecker Gotter, um dessen Berufung nach Berlin ich unterm 18. d.Mts telegraphisch ersuchte, hat zwar während seiner Verwaltung des Consulates in Pesth anerkennenswerthe dienstliche Arbeitskraft, auf der andern Seit aber eine beunruhigende Neigung zu politischer Thätigkeit außerhalb seiner Instructionen hervortreten lassen und dabei nicht den wün500

762. Bismarck an Reuß, Versailles, 27. November 1870

schenswerthen Grad an Vorsicht und Takt bewiesen. Ich habe daher darauf Bedacht genommen, für ihn einen Posten ausfindig zu machen, auf welchem er, unter unmittelbarer Controle eines Gesandten, seine guten Eigenschaften und seine Befähigung verwerthen könnte, und gebe Exc. in Voraussetzung Ihres Einverständnisses, ergebenst anheim, einen Tausch mit dem Legationsrath von Bojanowski, falls Letzterer zur Uebernahme des Consulats in Pest bereit wäre, gefälligst einzuleiten. Selbstverständlich würde gegenwärtig eine höhere Characterisirung des Consul[s] Waecker (sondern nur seine Attachirung bei der Gesandtschaft) nicht in’s Auge zu fassen sein578. 760*. Bismarck an Delbrück Bismarck, GW VIb S. 600–601. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 607; Doeberl, Bayern S. 308–313.

Die Kaiserfrage ist durch Anregung Bayerns in Gang gebracht. Versailles, 26. November 1870 761*. Bismarck an König Ludwig II. Bismarck, GW VIb S. 601–602. – Vgl. auch ebenda S. 607–608, 609–611, 614– 615, 619, 621–623; Lorenz, Kaiser Wilhelm S. 613–616.

Er bittet ihn, dem preußischen König den Kaisertitel anzutragen. Versailles, 27. November 1870 762. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12148, S. 202–205. Ganz vertraulicher Erlaß. Abschrift.

No. 26.

Versailles, 27. November 1870

Die Gründe, welche ich in meinem heutigen vertraulichen Schreiben für die Wahl Londons zum Sitze der vorgeschlagenen Conferenz angeführt habe, erscheinen mir an und für sich hinreichend, um diese Wahl zu rechtfertigen. Ganz vertraulich und privatim will ich indessen Ew.pp. nicht verhehlen, daß noch andere Motive, welche sich auf die event. zur Theilnahme zu berufenden Persönlichkeiten beziehen, bei mir bestimmend mitgewirkt haben.

578  Waecker verblieb auf seinem Posten in Budapest, wurde aber zum Kriegsdienst 1870/71 als Rittmeister der Reserve herangezogen.

501

762. Bismarck an Reuß, Versailles, 27. November 1870

In Petersburg selbst würde zwar die persönliche Mitwirkung des Fürsten Gortschakoff ein großer Vortheil gewesen sein; und auch der österreichische Vertreter, Grf. Chotek, ist nicht frei von Leidenschaftlichkeit, und seine Persönlichkeit und Stellung dürfte kaum hinreichendes Gewicht haben, um die guten Einflüsse, die etwa in St. Petersburg auf ihn geübt werden könnten, in Wien hinreichend zur Geltung zu bringen. Dagegen darf ich den österreichischen Botschafter in London579 grade als ein gutes Element ansehen. Er hat eine Russin zur Frau und ist ein ruhiger und in Wien angesehener Diplomat. Daß in Constantinopel die Vertreter der Europäischen Mächte in der Regel aufgeregter und leidenschaftlicher sind als ihre Regierungen, ist eine alte Erfahrung. Baron v. Prokesch brauche ich nur zu nennen, um ihn als wenig wünschenswerthes Mitglied der Conferenz zu bezeichnen. Auch für Berlin würden die Persönlichkeiten der Gesandten sehr zu berücksichtigen sein! Lord A. Loftus ist Ew.pp. persönlich nicht unbekannt; er ist nicht frei von unklarer Leidenschaftlichkeit, und in seinen Takt setze ich nicht das Vertrauen, welches ihn zum Vermittler in einer so ruhig und objectiv zu behandelnden Sache geeignet machen würde. Ueberhaupt glaube ich, daß die Englischen Minister selbst, namentlich Lord Granville und Mr. Gladstone, zu einer ruhigen Auffassung der Dinge bei weitem geeigneter sind als ihre Vertreter im Auslande; und daß es daher ein großer Vortheil für die Sache des Friedens sein wird, wenn die Verhandlungen von ihnen selbst geführt werden. Ich darf auch in vollem Vertrauen hinzufügen, daß die Theilnahme des Baron v. Brunnow in London einen günstigeren Einfluß üben dürfte als die des Baron Oubril in Berlin. Mit letzterem haben wir keinen Anlaß, unzufrieden zu sein; wir glauben an seine guten Gesinnungen auch für Preußen, aber ich glaube nicht, ihm Unrecht zu thun, wenn ich ihn für mehr impressionabel halte und ihm weniger feste Nerven zutraue als dem kalten und klaren Baron Brunnow. Ich habe mir allerdings nicht verhehlt, daß auch die Person unseres eigenen Botschafters in London mir selbst einige Bedenken einflößen könnte. Aber Grf Bernstorff ist doch ein gewissenhafter Diener Sr. Majestät; und seine Haltung wird durch die Instruktionen bedingt werden, welche er von hier empfängt. Er wird eine so bestimmte und positive Weisung erhalten, daß dadurch etwaige persönliche Gefühle und Anschauungen ohne Zweifel werden neutralisirt werden und daß ich im Voraus alle Besorgnisse, die man in dieser Beziehung etwa hegen möchte, für unbegründet erklären darf.

579  Rudolf Graf Apponyi (1812–1876), österreichisch(-ungarischer) Gesandter (1860 Botschafter) in London 1856–1871; Botschafter in Paris 1871–1876. – Seine im folgenden genannte Frau: Anna Gräfin Apponyi (1818–1900), geb. von Benckendorff; verheiratet seit 1840.

502

765*. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 28. November 1870

763*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 207–225.

Der Sondergesandte Graf Holnstein im Hauptquartier: Der Kaiserbrief König Ludwigs II. soll telegraphisch nachgesandt werden. – Die süddeutschen Territorialwünsche. – Bismarck über Elsaß-Lothringen als Reichsland. – Die Beschießung von Paris. – Das neue Deutschland. – Der Großherzog von Weimar580 über das preußisch-russische Einverständnis in der Schwarzmeerfrage. – Prinz Otto von Bayern und die Kaiserfrage. – Beschlußfähigkeit des Reichstags. – Die Beschießung von Paris. – Graf Holnstein ist mit dem Kaiserbrief unterwegs. – O. Russell. – Holnstein ist angekommen. – Der Reichstag und die Kaiserfrage. – Wortlaut des Kaiserbriefs Ludwigs II. Versailles, 27. November – 3. Dezember 1870 764*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 602–604. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 604–606.

Auf der beabsichtigten internationalen Konferenz über die Schwarzmeerfrage könnte auch der deutsch-französische Krieg zur Sprache kommen. Es ist daher vonnöten, daß bei der Belagerung von Paris so schnell wie möglich die Außenforts der Stadt bombardiert werden. Versailles, 28. November 1870 765*. Bismarck an Bernstorff Große Politik S. 18–19. Vertraulicher Erlaß.

Auf der geplanten Konferenz zur Schwarzmeerfrage dürfen keine anderen europäischen Fragen (z. B. der deutsch-französische Krieg) behandelt werden. Rußlands Wünsche müssen unbedingt unterstützt werden. Versailles, 28. November 1870

580  Karl Alexander (1818–1901), Großherzog von Sachsen-Weimar-Eisenach 1853–1910. – Zur im folgenden angesprochenen Kaiserfrage vgl. neuestens: Althoff, Zum Selbstverständnis der preußischen Herrscher.

503

766. Bismarck an Reuß, Versailles, 29. November 1870

766. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12102, S. 379–382. Vertraulicher Erlaß. Konzept. Abschrift.

No. 27.

Versailles, 29. November 1870

Ew. Durchlaucht habe ich durch mein Telegramm vom 28. d.Mts. auf die Nothwendigkeit aufmerksam gemacht, jeden Schein zu vermeiden, als hätten wir ein politisches Interesse an der Gestaltung der Dinge in den Donau-Fürstentümern oder an der Aufrechterhaltung der Herrschaft des Fürsten Carl. Es ist schwer, dem Auslande das volle Maß der Gleichgültigkeit zum Bewußtsein zu bringen, mit welcher wir auf jene Verhältnisse blicken, weil man immer geneigt ist, den p e r s ö n l i c h e n Sympathien, welche für den Fürsten Carl natürlicher Weise vorhanden sind, einen Einfluß auf unsere Politik zuzuschreiben, welcher in der That nicht vorhanden ist. Ich fürchte, daß die Färbung in den in Ihrem gefälligen Berichte vom 13. d.M. No. 208 erwähnten Aeußerungen schon ein politisches Interesse vermuthen lassen und in St. Petersburg mißverstanden werden könnte. Für das Volk der Rumänen ist nach ihrem Verhalten in diesem Kriege jede etwa vorhanden gewesene Sympathie bei unserer Bevölkerung erloschen, und der Fürst wäre in Düsseldorf jetzt besser aufgehoben als in Bukarest. Die Schwierigkeiten der Rumänischen Verhältnisse werden durch die Beziehungen zu Ungarn noch in hohem Grade vermehrt. Man zeigt dort Velleitäten, die Rumänische Regierung und die Dynastie des Fürsten Carl selbst bei etwaigem Staatsstreich zu unterstützen, für den Preis, daß Rumänien darauf verzichtet, irgend welchen Rückhalt an Rußland zu suchen. Das Mißtrauen und die leidenschaftliche Aufregung, welche die Ungarn und selbst ihren Minister-Präsidenten Grafen Andrassy gegen Rußland beherrschen, zeigen sich auch in dieser Beziehung; doch hoffe ich, daß dieselben in Rumänien keinen Einfluß gewinnen werden, welcher die Politik des Fürsten Carl etwa auf falsche Wegen leiten könnte. Die Gefahr für den letzteren liegt in seinem eigenen Mangel an Energie, deren er in dem gänzlich verkommenen und haltlosen Zustande des Landes um so dringender bedürfte. Ohne dieselbe sind die elenden Zustände des Landes nicht heilbar, und Rumänien bleibt als Factor in unserer Politik ganz werthlos.

504

768. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 30. November 1870

767*. König Ludwig II. an die deutschen Fürsten und die Freien Städte Doeberl, Bayern S. 313–314. – Vgl. auch ebenda S. 314–319; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 253–264, 467–468; DDI I,12 S. 559.

Die Verhandlungen Bayerns mit dem Bundeskanzleramt des Norddeutschen Bundes sind abgeschlossen. Ich schlage nun vor, daß der König von Preußen künftig den Titel „Deutscher Kaiser“ führe. Hohenschwangau, 30. November 1870 768. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 385–387. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 3. Dezember, (in Versailles) 6. Dezember 1870.

No. 223.

St. Petersburg, 30. November 1870

Euerer Excellenz Telegramm No. 70 vom 28. d.Mts., wodurch Hochdieselben mich anweisen, jeden Schein zu vermeiden, als hätten wir ein eigenes politisches Interesse in Rumänien zu verfolgen, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Ich würde mich dieser Weisung gemäß fortan enthalten haben, überhaupt, wenn auch nur vom Standpunkt des Russischen Interesses aus, wie ich es bisher gethan, von den Rumänischen Angelegenheiten zu sprechen. Gestern aber ergriff Fürst Gortschakow hierzu die Initiative. Er erzählte mir, Fürst Carl habe dem Baron Offenberg erklärt, er könne nicht länger warten und werde nunmehr den Garantie-Mächten die Anzeige machen, daß, wenn man ihm nicht zu Hülfe käme und ihm eine andere Verfassung verschaffte, er genöthigt sein werde, die Regierung niederzulegen. Baron Offenberg habe ihn gebeten, diesen Vorsatz nicht eher auszuführen, als bis er, der Russische Agent, von Constantinopel zurückgekommen sein werde, wo er eine Besprechung mit General Ignatieff über diese Angelegenheit haben werde. Der Kanzler bemerkte, er wisse nicht recht, was eine Besprechung mit dem Botschafter in Constantinopel für Resultate ergeben solle. Er sei einigermaßen in Verlegenheit, was zu machen sei, da es der Kaiserlichen Regierung mit dem besten Willen nicht gut möglich [sei], dem Fürsten zu helfen. Er hoffe indessen, daß es demselben doch noch gelingen werde, mit Hülfe einiger konservativer Männer sich aus der üblen Position zu ziehen, in der er sich befände. Rußland könne sich nicht in die dortigen Angelegenheiten mischen.

505

769. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 1. Dezember 1870

769. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9867, S. 436–439. Privatdienstbrief. Eigenhändige, behändigte Ausfertigung. Praes.: 6. Dezember 1870.

St. Petersburg, 1. Dezember 1870 Verehrtester Chef. Kurz vor Abgang des Feldjägers erhalte ich noch folgende Notizen aus sicherer Quelle. Man will hier wieder einem Complott gegen das Leben des Kaisers auf der Spur sein, welches mit der Verschwörung Netschajew581 in Verbindung gebracht wird. Man hält die Sache s e h r g e h e i m und hat mich gebeten, nicht darüber zu schreiben. Diese Entdeckung hat auf das Gemüth des Kaisers einen betrübenden Eindruck gemacht, da sie in einem Augenblick gemacht wurde, wo er glaubte, durch das Abschütteln einer nationalen Demüthigung sich den Dank Rußlands verdient zu haben. Dieser Eindruck ist durch Auftritte vermehrt worden, welche in der Familie vorgekommen sind. Großfürst Nicolaus582 ist in einem von ihm veranlaßten Zeitungs-Artikel gegen die Ideen Miliutin’s über die Wehrverfassung Rußlands zu Felde gezogen und hat das Preußische System583 empfohlen. Der Kriegsminister, dadurch verletzt, hat sich beim Kaiser beklagt, und dieser hat eine heftige Scene mit seinem Bruder gehabt. Auch dem Thronfolger584 hat der Kaiser bittere Vorwürfe gemacht und ihn beschuldigt, sich in Parthei-Intriguen gegen die kaiserliche Regierung einzulassen. Der junge Herr ist hierüber außer sich gewesen, und es mag ihn auch weniger die Schuld treffen als diejenigen, die sich als seine Freunde ausgeben und die unter dieser Firma seinen Namen mißbrauchen und Opposition machen. Diese sogenannten Moskowiter können dem Kaiser die freundschaftliche Haltung nicht vergeben, die er gegen uns eingenommen hat; sie haben ihm außerdem übel genommen, daß er ihren Russifizirungs-Plänen in den baltischen Provinzen nicht mehr folgen will. In diesen Punkten wissen sie, daß sie den Thronfolger für sich haben, und dies ist die Fahne, die sie offen aufstecken und mit der sie ihre eigentlichen Zwecke, die Herbeifüh581  Sergej Gennadievič Nečaev (1847–1882), russischer Revolutionär; war 1869 in die Schweiz geflüchtet und bis 1872 in Westeuropa im Untergrund tätig, dann nach Rußland ausgeliefert. 582  Nikolaj Nikolaevič (1831–1891), Generalinspekteur der Kavallerie (u. a.).  – Der im folgenden genannte: Dmitrij Alekseevič Miljutin (1816–1912), russischer Kriegsminister 1861–1881. 583  Der allgemeinen Wehrpflicht. 584  Aleksandr Aleksandrovič.

506

771. Reuß an das Auswärtige Amt, St. Petersburg, 2. Dezember 1870

rung einer repräsentativen freisinnigen Staats-Verfassung, decken. Das Prinzip der allgemeinen Wehrpflicht, welches der Kaiser ausgesprochen hat, scheint dieser Parthei eine willkommene Brücke zu sein, um zu ihren Zwecken zu gelangen; denn wenn Jedermann sein Leben hergeben soll, so muß auch Jedermann mitsprechen können. Dieses Thema fängt an, besprochen zu werden. Katkoff hat einen beißenden Artikel über das Finanzwesen des Reiches losgelassen; hieran die Möglichkeit eines bevorstehenden Krieges, auf den man schlecht vorbereitet sei, geknüpft und hiermit die Feinseligkeiten gegen die Regierung, wenn auch in indirekter Weise, eröffnet. Seine Freunde, die sich auch hier [als] die Freunde des Thronfolgers ausgeben, machen nun Letzteren zum Parthei-Haupt, und dies hat ihm die väterliche Rüge zugezogen. Die Lage des Kaisers ist daher augenblicklich keine ganz leichte. Für die Haltung, die Seine Majestät der König eingenommen hat, ist der Kaiser s e h r dankbar, und ich denke, daß die Zweideutigkeiten in der Russischen Stellung zu Frankreich nun aufhören werden. Diese verdankten wir lediglich der Mißgunst des Kanzlers. Man sprach in Europa zu viel vom Grafen Bismarck; das ließ ihn nicht ruhig schlafen. Jetzt spricht man auch vom Fst Gortchakow, das hat ihn einigermaßen beruhigt. In aufrichtigster Verehrung Ihr gehorsamster 770*. Bismarck an das Preußische Staatsministerium Bismarck, GW VIb S. 608–609. Schreiben.

In den einzelnen Ressorts soll das Material für den Friedensvertrag mit Frankreich gesichtet werden. Versailles, 2. Dezember 1870 771. Reuß an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6270, S. 81–82. Telegramm. Entzifferung.

No. 102.

St. Petersburg, 2. Dezember 1870, 7 Uhr - - Min. N. Ankunft: 2. Dezember 1870, 11 Uhr 50 Min. Nachm.

Für Hauptquartier: Regierung von Tours hat dem Kaiserlichen Cabinet wissen lassen, daß sie die Conferenz annehme, wenn sie sicher wäre, daß darin der gegenwärtige Zustand Frankreichs in Betracht gezogen werde.

507

772. Bernstorff an AA, London, 2. Dezember 1870

Der Kaiser hat antworten lassen, daß er fürchte, eine solche Bedingung würde die Conferenz scheitern lassen, daß Preußen davon nicht würde hören wollen. 772. Bernstorff an AA PA Berlin, RZ 201/6271, S. 106–110. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 6. Dezember 1870.

No. 399.

London, 2. Dezember 1870

Lord Granville sagte mir gestern etwas zögernd, indem er vorausschickte, daß er nicht recht wisse, ob er es mir sagen solle oder nicht, daß der französische Geschäftsträger585 zu ihm gekommen und ihm mitgetheilt habe, daß zwar die Abhaltung von Wahlen zu einer National-Versammlung in Frankreich ohne Waffenstillstand nicht möglich sei und daß ein Waffenstillstand ohne Verproviantirung von Paris ebenfalls nicht möglich sei; daß man französischer Seits aber jetzt geneigt sei, andere als die früher vorgeschlagenen Bedingungen für die Verproviantirung einzugehen, welche vielleicht unsererseits annehmbarer erscheinen möchten, und daß man sich mit einem bedeutend kürzeren Waffenstillstand begnügen würde, als man früher für nöthig gehalten, daß ferner Herr Jules Favre wünsche, gleichzeitig für den Frieden zu unterhandeln, und bereit sei, einen solchen von einem Andern unterzeichnen zu lassen. Dies deutet offenbar an, daß er glaubt, seine früheren Erklärungen nicht aufrecht erhalten und daher den Frieden zwar ausarbeiten, aber nicht unterschreiben zu können. Von der Art der Bedingungen, die man französischer Seits im Sinne hat, hat Lord Granville mir übrigens nichts gesagt und nur bemerkt, daß er sich nach den wiederholten Erklärungen unsererseits auf nichts weiter einlassen wolle, als diese Mittheilung der französischen Regierung nur zu meiner Kenntniß zu bringen, indem er mir lediglich überlassen müsse, welchen Gebrauch ich davon machen wolle. Ich habe mich hierauf auch nicht weiter gegen ihn ausgesprochen, glaube aber doch Eurer Excellenz das mir Erzählte nicht verschweigen zu dürfen, da es jedenfalls als Symptom nicht ohne Interesse ist und eventuell von Nutzen sein könnte, wenn die Umstände sich in der Art gestalteten, daß eine Friedens-Unterhandlung möglich geworden zu sein schiene.

585  Tissot.

508

774. Runderlaß Bismarcks, Versailles, 3. Dezember 1870

773*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 609. Telegramm.

Für Reuß in Petersburg: Bernstorff in London hat Weisung, die Schwarzmeer-Konferenz sofort zu verlassen, wenn die französische Frage dort behandelt würde. Versailles, 3. Dezember 1870 774. Runderlaß Bismarcks PA Berlin, RZ 201/6164, S. 10–17. Reinkonzept. – Das Konzept Abekens mit zahlreichen Änderungen Bismarcks ebenda S. 2–8. – Das Zirkular ging nach London, St. Petersburg, Wien, Florenz, Haag und Brüssel. – Französische Übersetzung in: Archives dipl. 41 (1870) S. 1113–1115.

Versailles, 3. Dezember 1870 Bei dem Ausbruch des Krieges hat die Regierung S.M. des Königs erklärt, daß sie die Neutralität des Großherzogthums Luxemburg achten würde unter der Voraussetzung, daß dieselbe auch von Französischer Seite respectirt und, wie selbstverständlich, von dem Großherzogthum selbst mit Ernst und gutem Willen aufrecht erhalten werden würde. Die Königliche Regierung ist diesem Versprechen getreulich nachgekommen und ist in ihrer Rücksicht so weit gegangen, daß sie sich alle Unbequemlichkeiten in Betreff des Transports ihrer Verwundeten auferlegt hat, welche der Protest der Französischen Regierung gegen den im Interesse der Menschlichkeit vorgeschlagenen Transport von Verwundeten durch Luxemburgisches Gebiet ihr auferlegt. Zu ihrem lebhaften Bedauern aber hat das Verfahren weder auf Französischer noch auf Luxemburgischer Seite den gehegten Voraussetzungen entsprochen. Eine Anzahl von Fällen, in welchen sich eine feindliche Stimmung eines Theils der Bevölkerung selbst bis zu thätlichen Mißhandlungen dortiger deutscher Beamten verstiegen hat, mögen unerwähnt bleiben, um nicht die Großherzogliche Regierung für die Vergehen Einzelner verantwortlich zu machen, welche allerdings eine stärkere Repression verdient haben würden, als ihnen zu Theil geworden zu sein scheint. Ein eklatanter Fall von Verletzung der Neutralität ist die durch nächtliche Eisenbahnzüge von Luxemburg aus betriebene Verproviantirung der Festung Thionville, solange sie noch in Französischen Händen war, eingetreten. Die Großherzogliche Regierung hat ihr Bedauern hierüber ausgedrückt, aber nicht umhin gekonnt, die Thatsache anzuerkennen, und es ist unzweifelhaft 509

774. Runderlaß Bismarcks, Versailles, 3. Dezember 1870

constatirt, daß die Beförderung der betreffenden Eisenbahnzüge nach Thionville nicht hat ohne Connivenz großherzoglicher Eisenbahn- und Polizei­ beamten stattfinden können. Die Königliche Regierung hat schon bei dieser Gelegenheit ihre Beschwerde an die Großherzogliche Regierung gerichtet und letztere auf die Folgen aufmerksam gemacht, welche ein solches Verfahren nothwendiger Weise nach sich ziehen müsse. Diese Warnung ist leider nicht beachtet worden. In neuerer Zeit hat vielmehr die Verletzung der Neutralität eine Ausdehnung angenommen, welche es der Königlichen Regierung unmöglich macht, sie länger zu übersehen. Nach der Uebergabe von Metz586 hat ein massenhafter Durchzug Französischer Soldaten und Offiziere durch das Großherzogthum behufs WiederEintritt in Frankreich unter Umgehung der deutschen Aufstellungen stattgefunden. In Luxemburg selbst hat sich der dort residirende Französische Vice-Konsul587 auf dem Bahnhof ein förmliches Bureau eingerichtet, in welchem die Flüchtigen mit Mitteln und Bescheinigungen versehen worden sind, um den Marsch nach Frankreich zum Eintritt in die Nord-Armee fortsetzen zu können. Die Zahl der auf diese Weise den Französischen Streitkräften zugeführten Combattanten beläuft sich nach den vorliegenden Angaben auf über 2.000 Mann. Von Seiten der Großherzoglichen Regierung sind keine Maßregeln dagegen ergriffen worden, die französischen Militairs sind weder internirt noch an der Rückkehr nach Frankreich mit der offenkundigen Absicht, an dem Kriege gegen Deutschland Theil zu nehmen, verhindert worden. Dem Französischen Vice-Consul sind bei seinem ebenso offenkundigen, der Neutralität des Großherzogthums Hohn sprechenden Verfahren keine Schwierigkeiten in den Weg gelegt worden. Daß in diesem Durchzuge durch das Großherzogthum zum Zweck des Eintritts in die activen Französischen Streitkräfte, in der offiziellen Vermittlung desselben durch den Beamten der Französischen Regierung, in der Duldung des Verfahrens durch die Großherzogliche Regierung eine flagrante Verletzung der Neutralität des Großherzogthums liegt, kann nicht in Zweifel gezogen werden. Hiermit sind die Voraussetzungen, an welche die Königliche Regierung die Beobachtung der Neutralität des Großherzogthums knüpfen mußte, nicht mehr vorhanden.

586  Am

27. Oktober 1870. Nr. 637 und Anm. 501.

587  Oben

510

776. Reuß an das Auswärtige Amt, St. Petersburg, 4. Dezember 1870

In Folge dessen habe ich auf Befehl Sr.M. des Königs Ew.pp. zu ersuchen, der dortigen Regierung als einer der Unterzeichner des Vertrages vom 11. Mai 1867 mitzutheilen, daß die Königliche Regierung sich in den militairischen Operationen der deutschen Heere und in den Maßregeln zur Sicherstellung der deutschen Truppen gegen die Nachtheile, welche ihnen von Luxemburg aus zugefügt werden, durch keine Rücksicht auf die Neutralität des Großherzogthums mehr gebunden erachten könne. Zugleich behält die Regierung Sr.M. des Königs sich die Verfolgung ihrer Ansprüche gegen das Großherzogthum wegen der ihr durch die Nicht-Aufrechterhaltung der Neutralität zugefügten Beschädigung vor. Ew.pp. ersuche ich ergebenst, diesen Erlaß dem dortigen Herrn Minister der Auswärtigen Angelegenheiten vorzulesen und ihm Abschrift davon zurückzulassen. 775*. Bismarck an Schweinitz Correspondenzen des…Ministeriums des Äußern IV (Nachtrag) S. 3–4 (auch Staatsarchiv XX S. 100–102). Erlaß. – Vgl. auch DDI II,1 S. 577–578, 587; Bescheiden betreffende de buitenlandse politiek II,1 S. 1; BDFA I F IV S. 149–189.

Die preußische Regierung hat erklärt, sie würde die Neutralität Luxemburgs solange achten, als diese auch von französischer Seite respektiert und von luxemburgischer Seite ernsthaft aufrechterhalten würde. Diese Voraussetzungen haben sich nicht erfüllt, wie einzelne Beispiele zeigen. Deshalb werden die preußischen Truppen keine Rücksicht mehr auf die luxemburgische Neutralität nehmen. Versailles, 4. Dezember 1870 776. Reuß an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6270, S. 138. Telegramm. Entzifferung.

No. 103.

St. Petersburg, 4. Dezember 1870, 1 Uhr 40 Min. Vorm. Ankunft: 4. Dezember 1870, 3 Uhr 5 Min. Nachm.

Für Hauptquartier. Englische Antwort am 28n November hier übergeben, Fürst Gortschakoff damit zufrieden, wird nicht antworten. Findet selbstverständlich, daß französische Angelegenheit ausschließt, und giebt Instruction in diesem Sinne.

511

779*. Bismarck an Reuß, Versailles, 5. Dezember 1870

777*. Tagebucheintragung Bambergers Bamberger, Tagebücher S. 238–244. – Vgl. auch Lorenz, Kaiser Wilhelm S. 611– 612.

Unterredung mit Bismarck: Bayern könne man wegen Österreichs Absichten nicht isoliert lassen; den Kaiserbrief König Ludwigs II. an Wilhelm I. habe er – Bismarck – aufgesetzt. Würden die Nationalliberalen die Verträge mit Süddeutschland verwerfen? Brutale Äußerungen Bismarcks über die Bombardierung von Paris. Er klagt über die schädlichen Einflüsse von Weibern und der Freimaurerei auf den König. „Der Kronprinz ist der dümmste und eitelste Mensch und stirbt noch einmal am Kaiserwahnsinn.“ Mit ihm stehe Deutschland eine böse Zukunft bevor. Seine Differenzen mit Moltke. Versailles, 4. Dezember 1870 778*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 225–243. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 255–256; Bismarck, GW VII S. 432–433, 438; Werthern, Tagebuch S. 103.

Antwort an den König von Bayern aus dem Hauptquartier. – Einholen der Zustimmungserklärung der im Hauptquartier befindlichen und der in Deutschland zurückgebliebenen Fürsten. – Ankunft verschiedener Telegramme aus Deutschland. – Die Schwarzmeerkonferenz ist angenommen. – Bismarcks Rücktrittsabsicht, wenn der Reichstag das Einigungswerk nicht mitträgt; Roggenbach als Nachfolger? – Zustimmungsbrief König Ludwigs II. und Antwort darauf. – Eine Adresse des Reichstags zur Kaiserfrage erwartet. Ihr muß die Zustimmung aller Fürsten unbedingt vorausgehen. Versailles, 4.–11. Dezember 1870 779*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 617. Telegramm.

Mit Napoleon gibt es keine Friedensverhandlungen, sie sollten aber nicht ausgeschlossen werden. Versailles, 5. Dezember 1870

512

780. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 5. Dezember 1870

780. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12149, S. 332–337. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 8. Dezember, (in Versailles) 11. Dezember 1870.

No. 229.

St. Petersburg, 5. Dezember 1870

Euerer Excellenz Telegramm vom 3ten d.Mts., die Stellung Frankreichs zur Conferenz betreffend, habe ich über Berlin zu erhalten die Ehre gehabt und den Gegenstand mit Fürst Gortschakow besprochen. Schon aus eigenem Antriebe hatte Seine Majestät der Kaiser befohlen, daß in Tours bestimmt ausgesprochen werden sollte, Rußland hielte die Anregung eines anderen Gegenstandes in der Conferenz für nicht thunlich, weil Preußen seine Zustimmung nicht dazu geben würde, daß man darin den deutschfranzösischen Conflikt zur Sprache bringe. Fürst Gortschakow hat sodann auch den Baron Brunnow angewiesen, daß, wenn Letzteres dennoch versucht werden sollte, er den Grafen Bernstorff in seinem Protest zu unterstützen haben werde. Als ich die Ansichten aussprach, welche Euere Excellenz mir über die zweifelhafte Berechtigung der jetzigen nicht anerkannten Regierung, sich in der Conferenz vertreten zu lassen, mitgetheilt haben, erwachte in dem Kanzler die Besorgniß, die Conferenz könnte vielleicht an Schwierigkeiten scheitern, die wir in dieser Beziehung zu erheben geneigt sein dürften. Er trug mir auf, ich möchte Euere Excellenz dringend bitten, in diesem Falle von den strengen Grundsätzen der Berechtigung oder Nichtberechtigung abzustehen. Er meine, man würde ja gewiß eine Form finden können, um den französischen Bevollmächtigten einzuführen. Preußen habe ja selbst die Conferenz vorgeschlagen, ohne diese Zweifel zu erheben, man müsse daher annehmen, daß die Zulassung eines Franzosen von uns stillschweigend genehmigt worden sei. Jetzt noch Bedenken vorzubringen würde heißen, das eigene Werk, das kaum zu Stande gekommen, wieder zerstören. Die Betheiligung der Franzosen würde überdies nur sekundär sein, weil sowohl Jules Favre als auch die Delegirten in Tours erklärt hätten, Frankreich wäre jetzt wenig bei der Sache interessirt und würde jedenfalls für die Wünsche Rußlands stimmen und dadurch die Europäischen Complikationen nicht vermehren. Die Anschauungen Euerer Excellenz über das eventuelle Recht Kaiser Napoléon’s, sich in der Conferenz vertreten zu lassen, wollte der Kanzler nicht theilen. Wenn auch die bei Jenem akkreditirt gewesenen Gesandten ihre Creditive nicht zurückgenommen hätten, so hätten dieselben doch in offi­ ziöser Weise seit dem 4ten September mit der de facto Regierung in geschäftlichen Beziehungen gestanden, und diese Thatsache gäbe Letzterer eine gewisse faktische Berechtigung, auch an Europäischen Geschäften Theil zu nehmen. Es wäre überhaupt besser, diesen Punkt in diesem Augenblicke 513

783. Bismarck an Radowitz, Versailles, 8. Dezember 1870

nicht einer ernsten Diskussion zu unterziehen, um nicht das Dank der Preußischen Vermittelung kaum gewonnene Terrain wieder zu verlieren. Ich erwiederte dem Fürsten nur, daß wir uns vorbehalten müßten, über Form und Modalität, in welcher die Zulassung eines französischen Bevollmächtigten beantragt werden möchte, unser Urtheil abzugeben. 781*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 620. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 623.

Trotz des päpstlichen Schreibens an den Erzbischof von Tours nimmt das feindselige Verhalten der französischen Bischöfe zu. Versailles, 6. Dezember 1870 782. Thile an Bismarck PA Berlin, R 201/6271, S. 121. Telegramm. Entzifferung.

No. 240.

Berlin, 7. Dezember 1870, 2 Uhr 46 Min. Nachm. Ankunft: 7. Dezember 1870, 3 Uhr 15 Min. Nachm.

In hiesigen diplomatischen Kreisen verlautet die Angabe und findet viel Glauben, daß die Vernünftigeren unter den Pariser Machthabern selbst sehnlich den Anfang des Bombardements wünschen, weil dann der moralische Eindruck die fanatische Widerstands-Partei schwäche und eine Capitulation, als mit der militärischen Ehre vereinbar, schnell erfolgen werde.a a

Am Rand folgender Vermerk: Dekret Seiner Majestät: General Grf. Moltke [und] Kriegs Minister mitzutheilen.

783. Bismarck an Radowitz PA Berlin, RZ 201/12102, S. 399. Telegramm. In Ziffern. Superrevidiertes Konzept.

No. 1.

Versailles, 8. Dezember 1870 Abgangsvermerk: Zur Station 8. Dezember 4 Uhr 30 Nachm.

Ueber Petersburg kommt die Nachricht, daß Fürst Carl mit einer Anrufung der Garantiemächte umgeht. Wirken Sie auf ihn, daß er jedem präjudicirlichen Entschluß womöglich aufschiebt bis nach dem Frieden. Eine Verwicklung dort wäre jetzt doppelt gefährlich, und wir können ihm jetzt nicht einmal moralischen Beistand leisten. 514

787*. Tagebucheintragung Kronprinz Friedrich Wilhelms, Versailles, 9. Dezember 1870

784. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6282, S. 51. Telegramm. Entzifferung.

No. 78.

Rom, 8. Dezember 1870, 3 Uhr 5 Min. N. Ankunft (in Versailles): 9. Dezember 1870, 5 Uhr - - Min.

Ich erlaube mir, darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn es möglich sein sollte, sich des Papstes als Vermittlung für Waffenstillstand und FriedensPräliminarien zu bedienen, der größte Theil des französischen Episcopats für die Annahme der vom Papst empfohlenen Bedingungen wirken würde. Der Papst brennt darauf, bei dieser Gelegenheit eine große Rolle zu spielen, und wird sich auf die Seite der Macht stellen, welche ihm dazu verhilft. 785*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 624. Telegramm.

Eine Friedensvermittlung des Papstes ist nicht entgegenzunehmen. Versailles, 9. Dezember 1870 786*. Bismarck an Delbrück Bismarck, GW VIb S. 625–626. Zwei Telegramme. – Vgl. auch ebenda S. 626–630; GW VII S. 443–444.

1. Bitte Anfrage in Sachen Verfassungsänderung nicht direkt an den König richten. – 2. Der König kann die Kaiserkrone schicklich nicht annehmen, bevor nicht alle Verfassungsorgane entschieden haben. Versailles, 9. Dezember 1870 787*. Tagebucheintragung Kronprinz Friedrich Wilhelms Friedrich III., Kriegstagebuch S. 263–267. – Vgl. auch ebenda S. 268–269, 271– 272.

Nachricht, daß Minister Delbrück die Kaiserfrage im Reichstag eingebracht hat, aber ohne Schwung und Pathos. Bisher ist „nichts weiter als die Schöpfung einer Krone“ zustande gekommen. Es müssen noch „die berechtigten Forderungen des deutschen Volkes nach einem wirklichen Gemeinwesen“ erfüllt werden. Endlose Zänkereien und Intrigen stehen noch bevor. Versailles, 9. Dezember 1870

515

788. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 9. Dezember 1870

788. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12149, S. 410–413. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 13. Dezember, (in Versailles) 16. Dezember 1870.

No. 230.

St. Petersburg, 9. Dezember 1870

Seine Majestät der Kaiser ersuchte mich gestern, bei Euerer Excellenz darauf zu dringen, daß, insofern dies von der Regierung Seiner Majestät des Königs abhinge, die Londoner Conferenz so bald als möglich zusammen gebracht werde. Es sei dies aus verschiedenen Gründen wichtig. Einmal wünsche Lord Granville, daß die Sache vor dem Zusammentritt des Parlaments588 womöglich abgemacht sein möchte, und dies sei auch Sein Wunsch. Ferner sei aber noch zu bedenken, daß, wenn, gegen alles Vermuthen, der Ausgang der Conferenz nicht zu einem Einverständniß, sondern zum Bruche führen sollte, es für Rußland von der höchsten Wichtigkeit sei, die 4 noch übrigen WinterMonate vor sich zu haben, um sich für einen Krieg vorbereiten und so den Vortheil ausnützen zu können, den Rußland vor England voraus habe. Der Kaiser wird vielfacht bestürmt, Ihm den Befehl zu entreißen, kriegerische Vorbereitungen zu machen; Er will aber nichts thun, bevor Er nicht weiß, welche Wendung die Sache auf der Conferenz nehmen wird. Sollte diese Wendung eine ungünstige sein, so setzt man hier voraus, daß Oesterreich Parthei ergreifen und womöglich schlagen, noch bevor der Winter vorüber und die englischen Flotten in die Ostsee und eventuell auch in’s Schwarze Meer hinein können. Man hält sich für stark genug, in 3 bis 4 Wochen eine Armee von 100.000 Mann und in 2 Monaten weitere 150.000 Mann an der Galizischen Grenze zu sammeln, und glaubt, in einem Winterfeldzug wegen der Gewohnheit der Russischen Truppen, in der Kälte zu leben, der österreichischen Armee überlegen zu sein und sie in einem ersten Anlauf über den Haufen rennen zu können. Diese Ansicht finde ich bei den meisten Offizieren verbreitet, und es ist erstaunlich, wie leichtsinnig man diese Fragen behandelt und wie gering man die Vertheidigungsfähigkeit Oesterreich-Ungarns in Anschlag bringt. Der in Petersburg lebende Offizier hat durch den Anblick des unvergleichlichen Garde-Corps, dem es an nichts fehlt, die Klarheit des Blicks etwas verloren, und er liebt zu vergessen, daß es in den Armee-Regimentern größtentheils traurig aussieht. Er vergißt, daß es bei der jetzigen Armee-Organisation wohl möglich ist, mit großen Zeitaufwand die Armee auf Kriegsstärke an die Front zu bringen, daß dann aber so gut wie nichts zurück bleibt, um

588  Für

516

1871 war das am 9. Februar 1871.

789. Bismarck an König Wilhelm I., Versailles, 10. Dezember 1870

einen längeren Krieg, der fortwährenden Ersatz und Nachschub braucht, mit Nachdruck führen zu können. Ob dem Kaiser alle diese Fragen ganz deutlich und klar vorgeschwebt haben, als Er sich zu der Erklärung vom 19./31. October entschloß, kann ich nicht mit Bestimmtheit angeben, ich glaube aber, daß Er damals wirklich der Ansicht war, wie Er mir dies auch sagte, „que cela ne mènera qu’à une guerre de plume“. Daß k e i n e r von seinen Räthen diese Fragen ernstlich aufgeworfen hat, hatte ich die Ehre, Euerer Excellenz damals zu berichten. 789. Bismarck an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/6272, S. 80–88. Immediatbericht. Reinschrift mit Unterschrift Bismarcks. Am Kopf Vermerk Abekens: „Cessat durch den Bericht an S.M. den König vom 14. Decbr 1870. cf. die Notiz auf dem Concept.“ Dort S. 74 auf dem Kopf des revidierten Konzepts ein längerer Vermerk, der besagt, der Immediatbericht stelle das Bombardement von Paris zu sehr in den Vordergrund, vielmehr müßten die Methoden der französischen Kriegführung angeprangert werden.

[o.Nr.]

Versailles, 10. Dezember 1870

Euerer Königlichen Majestät habe ich in meinem allerunterthänigsten Bericht vom 28. v.Mts.589 die Ehre gehabt, die Gründe vorzutragen, welche mir vom politischen Standpunkte eine Beschießung der Forts von Paris und die möglichste Beschleunigung in Wegräumung der Hindernisse, welche ihr materiell noch entgegenstehen möchten, wünschenswerth erscheinen ließen. Euere Majestät haben noch nicht die Gnade gehabt, mich auf diesen Bericht zu bescheiden oder meinen Vortrag darüber zu erfordern. Wenn ich mir heute ehrfurchtsvollst gestatte, darauf zurückzukommen, so geschieht dies, weil die Ereignisse der letzten Wochen, meines allerunterthänigsten Erachtens, den Erwägungen, welche ich damals Euerer Königlichen Majestät vorzulegen hatte, ein neues und verstärktes Gewicht hinzugefügt haben. Auf der Stelle, welche Euere Königliche Majestät mir anzuweisen geruht haben, ist es meine Pflicht, die Rathschläge, welche Euerer Majestät ich zu unterbreiten habe, dahin zu richten, daß es möglich werde, den Frieden mit möglichster Beschleunigung und mit den geringsten Opfern zu erreichen. Die Erfolge, welche die deutschen Heere an der Loire und im Norden erzielt haben, sind ein wichtiges Moment für den auf die Geneigtheit zum Frieden auszuübenden Druck, aber sie bedingen auch zugleich eine Vertheilung der deutschen Streitkräfte, welche die Sicherheit der einzelnen Theile derselben

589  Oben

Nr. 764*. 517

789. Bismarck an König Wilhelm I., Versailles, 10. Dezember 1870

vermindert, und zu ihrer vollen Wirkung bedürfen sie einer gleichzeitigen ihnen entsprechenden Action im Centrum. Wenn die Kriegführung vor Paris in der abwartenden Haltung verharrt, welche sie seit zwei Monaten beobachtet hat, so werden die dadurch bei dem Feinde geweckten Illusionen zu neuer Ermuthigung desselben führen. Den vollen Eindruck von der überwältigenden Macht der deutschen Heereskraft und der Hoffnungslosigkeit des eigenen Widerstandes wird Frankreich erst dann empfangen, wenn durch einen Angriff nicht auf die Stadt Paris selbst, welche davon zunächst ganz unberührt bleiben wird, sondern auf die detachirten Forts dieselbe Energie im Centrum gezeigt wird wie an der Loire und bei der im Norden operirenden Armee. Der Eindruck, den die dort erreichten Erfolge hervorbringen müßten, wird durch die Passivität vor Paris neutralisirt und bei längerem Zögern ebenso verwischt, wie die Erinnerung an die glänzenden Siege des ersten Kriegsmonats momentan schon in den Hintergrund tritt. Welche Wirkung diese Passivität im Auslande hervorgebracht hat, wie dieselbe dort aufgefaßt und beurtheilt wird und wie sehr ich befürchten muß, daß die diplomatischen Schwierigkeiten und die Gefahr einer Einmischung der Neutralen durch ein längeres Hinausschieben der endlichen Entscheidung vermehrt werden, habe ich in meinem früheren Berichte mir bereits gestattet auszusprechen. Alle Nachrichten, die mir aus der Heimath zukommen, zeigen mir, daß auch in ganz Deutschland dieselbe Anschauung herrscht und daß die bisherige Lage der Dinge vor Paris niederdrückend auf die Stimmung der Nation gewirkt hat. Daß ich mich in Bezug auf die politische Wirkung der Beschießung und die Erwartungen, die man daran in weiten und gewiß zu beachtenden Kreisen knüpft, nicht täusche, dafür werden Euere Königliche Majestät aus dem Telegramm des Staatssecretairs von Thile vom 7. d.Mts.590 ein neues Argument zu entnehmen geruht haben. Ich habe niemals mit demselben über diese Sache correspondirt, niemals derselben auch nur die leiseste Erwägung gethan; und gerade bei der Euerer Königlichen Majestät wohlbekannten diskreten Natur des Staatssecretairs von Thile muß ich annehmen, daß der ihm gewordene Eindruck ein sehr starker gewesen sein muß, wenn er sich dadurch bestimmt gesehen hat, ganz spontan die Sache zur Sprache zu bringen. Meines allerunterthänigsten Erachtens ist die in dem Telegramm dargelegte Anschauung begründet; und es würde den vernünftigen und besonnenen Elementen in Paris, welche den Frieden wünschen, keine wirksamere Unterstützung gewährt werden können als durch die Action der seit so langer Zeit unthätig vor Paris stehenden Geschütze.

590  Nr. 782.

518

791*. Hammer an Dubs, Berlin, 10. Dezember 1870

Nach der Bedeutung der politischen Rückwirkungen, welche sich an die militairischen Maßregeln knüpfen, halte ich für meine Pflicht, meinen allerunterthänigsten Bericht vom 28ten vorigen Monats durch die vorstehenden ehrfurchtvollsten Erwägungen zu vervollständigen. 790. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 403–405. Telegramm. Entzifferung.

[o.Nr.]

Bukarest, 10. Dezember 1870, 4 Uhr 30 Min. Nachm. Ankunft: 11. Dezember 1870, 8 Uhr - - Min. Vorm.

Fürst Carl hat, wie zuletzt in Bericht No 15 vom 22. October mitgetheilt, Intention, die Garantiemächte um Initiative wegen Verfassungs-Aenderung zu ersuchen. Nachdem Conferenz gesichert, hat er im Einverständniß mit meinen Collegen von Rußland, Oestreich, England, besonders auf Rath des Letzteren591, sich entschlossen, jetzt diesen Schritt zu thun, zumal innere Lage täglich schlechter wird. Einstweilen sind nur ganz confidentielle Privatbriefe an Souveraine von Rußland, England, Oestreich abgesandt, gleichlautender Brief an Seine Majestät den König soll morgen abgehen. Vertrauliche Mittheilung an Pforte geschieht durch Englische Vermittelung. Die Schreiben sind in allgemeinen Ausdrücken nur auf innere Fragen bezüglich. Memoire mit eingehenden Erörterungen sollte nachfolgen. Wenn jedoch Eure Excellenz nicht glauben, daß Conferenz geeigneter Moment, wird Fürst Memoire zurückhalten und bis zu Frieden warten. Se. Hoheit fürchtet nur, daß Verwickelungen hier unausbleiblich, wenn Mächte nicht rechtzeitig ihn unterstützen. Bericht folgt. 791*. Hammer an Dubs592 Documents dipl. suisses II S. 474. Vertraulicher Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 493–494, 500–504, 507–508.

In Berlin würde man die Besetzung Savoyens durch die Schweiz billigen. Berlin, 10. Dezember 1870

591  Generalkonsul

Green. Hammer (1822–1907), Oberst; Schweizer Gesandter in Berlin 1868– 1876. – Jakob Dubs (1822–1879), Schweizer Bundesrat 1868–1872; Bundespräsident 1868 und 1870. 592  Bernhard

519

793. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 11. Dezember 1870

792*. Kronprinzessin Viktoria an Königin Victoria Victoria, Letters II,2 S. 94. Handschreiben. – Vgl. auch Your Dear Letter S. 311– 312, 320; Political Correspondence of Gladstone and Granville S. 195.

Über Elsaß und Lothringen gibt es in Deutschland nur eine Stimme: Wenn wir die Provinzen nicht behalten, werden wir uns wieder derselben Gefahr aussetzen wie im Juli; die jetzigen Grenzen sind zu schwach, um Frankreich fernzuhalten. Berlin, 11. Dezember 1870 793. Radowitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12102, S. 413–419. Entzifferter Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 18. Dezember, (in Versailles) 21. Dezember 1870.

No. 84.

Bukarest, 11. Dezember 1870

Meinem gestrigen Telegramm593, in Antwort auf Euerer Excellenz hohe Weisung d.d. Versailles, den 8n cr., gestatte ich mir, Folgendes ehrerbietigst hinzufügen. Der Wunsch des Fürsten Carl, daß die Garantie-Mächte eine Initiative ergreifen müßten, um ihm die weitere Durchführung seiner Aufgabe zu ermöglichen, ist nicht neuerdings entstanden, sondern datirt, wie meine früheren Berichte gemeldet haben, aus dem Sommer d. J. unmittelbar vor Ausbruch des Krieges. Damals hatte dieser Gedanke die Beachtung des französischen und oesterreichischen Cabinets gefunden, und man war Seitens derselben geneigt, diese Frage bei den übrigen Mächten anzuregen. Die späteren Ereignisse haben dieselbe natürlich in den Hintergrund gedrängt. Aber die zunehmende Zügellosigkeit in Rumänien unter dem Einfluß des jetzigen Regierungs-Systems legte dem Fürsten die Nothwendigkeit auf, seine Entschlüsse b a l d zu fassen. Gleichwohl hatte er gewünscht, die Situation wenigstens bis zum Eintritt des Friedens zwischen Frankreich und Deutschland hinzuhalten. Seine Hoheit theilte seine Absicht in vertraulichster Weise nur den hiesigen Vertretern von Rußland, England, Oesterreich und mir mit, jedoch keinem seiner Minister oder sonst einem Rumänen. Er betonte dabei die Alternative, daß, wenn es ihm nicht jetzt gelänge, mit Hülfe der Mächte seine Stellung durch die Beseitigung der unmöglich gewordenen Verfassung zu befestigen, er sich von der Verantwortlichkeit für die hiesigen Dinge ganz lossagen

593  Oben

520

Nr. 790.

793. Radowitz an Bismarck, Bukarest, 11. Dezember 1870

müsse. Mein Russischer College ebenso der Englische General-Consul594 haben diese Anschauung des Fürsten l e b h a f t unterstützt; der Oesterreichische mit etwas mehr Reserve. Ich selbst habe dem Fürsten und meinen Collegen stets erklärt, daß im jetzigen Moment die Koenigliche Regierung weniger als je in der Lage sein würde, für Seine Hoheit und Rumänien ein thätiges Interesse an den Tag zu legen, und ich daher alle Initiative in diesen Fragen ablehnen müsse. Inzwischen hat die Aussicht auf Zusammentritt einer Conferenz bei dem Fürsten den Wunsch hervorgerufen, sich jetzt direct an die Souveraine von Rußland, Oesterreich, England und Seine Majestät den König zu wenden. Wie Seine Hoheit mir sagte, hat namentlich Mr. Green hierzu gerathen, auch Baron Offenberg und Baron Zulauf waren damit einverstanden. Fürst Carl hat demnach gleichlautende Briefe an den Kaiser von Rußland, Kaiser von Oesterreich, der Koenigin Victoria geschrieben und mir heute einen ebensolchen für Seine Majestät zur Beförderung übergeben lassen595. Die Briefe waren meinen Collegen schon zugestellt, als ich Euerer Excellenz Telegramm erhielt. Mr. Green hat es außerdem übernommen, durch den Englischen Botschafter in Constantinopel eine für die Pforte bestimmte vertrauliche Mittheilung hierüber, auf deren Nothwendigkeit er besonders insistirte, an Aali Pacha gelangen zu lassen. Während diese Schreiben in allgemeinen Ausdrücken die Lage des Fürsten darstellen, soll ein besonderes Mémoire die eingehende Schilderung der rumänischen Zustände und diejenigen Vorschläge enthalten, welche der Fürst bezüglich Abaenderung der Constitution machen will. Die Abfassung eines solchen Mémoire hat besonders Baron Offenberg verlangt. Nach Empfang Euerer Excellenz hoher Weisunga habe ich dem Fürsten Carl vorgestellt, wie wenig erwünscht jetzt gerade eine europäische Discussion der hiesigen Frage sein würde. Seine Hoheit bedauert, daß die Absendung der Briefe nicht mehr rückgängig zu machen sei, doch erklärte er sich gleich bereit, das Mémoire, die eigentliche Substanz seiner Démarche, zurückzustellen und abzuwarten, bis von den Souverainen die Geneigtheit ausgesprochen werde, diese Frage zu erörtern. Der Fürst wiederholte mir bei dieser Gelegenheit, daß er vor allen Dingen wünsche, Nichts zu thun, was gegen die Billigung Euerer Excellenz sei, und er sein persönliches Interesse stets dem der deutschen Politik unterordnen werde. Er fügte hinzu, er habe nur den Zweck gehabt, unerwünschten hiesigen Verwickelungen v o r z u b e u g e n , denn er glaube immer noch, daß seine Abdankung bgrößere Verwirrungb 594  Offenberg und Green. Der danach genannte österreichische Generalkonsul: Zulauf. 595  Vgl. unten in Nr. 796* den ähnlich lautenden Brief an König Viktor Emanuel. – Der im folgenden genannte englische Botschafter in Konstantinopel: Elliot.

521

794*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I., Versailles, 12. – 24. Dezember 1870

anrichten würde, als wenn die Mächte sich ernstlich in’s Mittel legten, um sein Hierblieben zu ermöglichen. Ich muß die Aueßerung des Fürsten, Bezug nehmend auf meine ganze bisherige Berichterstattung, in soweit bestätigen, als ich die fernere Durchführung irgend einer Regierung hier mit der jetzigen Verfassung für durchaus unmöglich halte. Hierüber sind alle Stimmen der hiesigen Vertreter einig. Das persönliche Ansehen des Fürsten wird jetzt in einer Weise, wie nie zuvor, von der Presse und Kammeropposition herabgewürdigt, und gegen diese Elemente macht das Gesetz absolut wehrlos. Auf der andern Seite scheint mir auch jetzt noch keine u n m i t t e l b a r e Gefahr für den Fürsten und die Regierung vorhanden, wenn die Kammer wieder aufgelöst würde. Mit einiger Energie wird sich die Situation so lange halten lassen, bis der wiederhergestellte Friede den Mächten Zeit läßt, sich um hiesige Dinge zu kümmern. Dann müßte allerdings Etwas für Rumänien geschehen, wenn nicht der Fürst definitiv seine undankbare Rolle aufgeben soll. a

Dazu Randvermerk König Wilhelms I.: Ich kenne diese Weisung nicht? wünsche sie zu sehen. b–b Dazu Randvermerk König Wilhelms I.: Scheint mir richtig

794*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 244–270.

Gereiztheit zwischen König Wilhelm I. und Bismarck wegen der Reichstagsadresse; diese soll nach der Zustimmung der Fürsten (im Hauptquartier) ankommen. – König Ludwig II. soll seine Zustimmung telegraphisch übermitteln. – Bismarcks Krankheit. – Die deutschen Bischöfe und die Unfehlbarkeitsfrage. – Der Herzog von Sachsen-Weimar soll Statthalter von Elsaß und Lothringen werden. – Die Kronprinzessin und Bismarck. – Telegramm aus München. – Die Reichstagsabgeordneten. – Die Reichstagsadresse. – Bittere Worte Roons und des Kronprinzen über die Beschießung von Paris. – Die Luxemburg-Frage. – Intrigen im Hauptquartier. – Der Bischof von Orléans. – Weihnachtsfeier in der Präfektur von Versailles. Versailles, 12. – 24. Dezember 1870

522

797*. Bismarck an König Wilhelm I., Versailles, 14. Dezember 1870

795. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/12149, S. 428. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 151. Versailles, 13. Dezember 1870 Abgangsvermerk: Zur Station 13. Dezember 1870, 10 Uhr 20 Abends Für den Fall, daß Frankreich seine Mitwirkung bei der Conferenz596 versagt oder von unerfüllbaren Bedingungen abhängig macht, würden wir vorschlagen, Frankreich das Protokoll offen zu halten für späteren Beitritt. 796*. Fürst Karl an König Viktor Emanuel DDI II,1 S. 611. Handschreiben.

Die bisherigen vier Jahre haben erwiesen, daß die rumänische Regierung in ihrer Arbeit durch das Agitations- und Intrigenspiel paralysiert worden ist. Das ist nicht nur für das Land selbst, sondern auch für Europa untragbar. Die Lage der Donaufürstentümer sollte auf der Londoner Schwarzmeer-Konferenz behandelt werden597. Bukarest, 13. Dezember 1870 797*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 632–637. Immediatbericht.

Um den Krieg, der sich zu einem Volkskrieg ausgeweitet hat, schneller zu Ende zu führen, sind drastische Maßnahmen einzusetzen: volle Strenge des Kriegsrechts; Kontributionen in den Gemeinden; mehr Requisitionen auch außerhalb des Staatseigentums; Abführung von Geiseln; Gefangenenerschießung. Versailles, 14. Dezember 1870

596  Der

Konferenz in London über die Schwarzmeerfrage. auch den Brief des Fürsten Karl „an eine vertraute Persönlichkeit in Bonn“, den die „Allgemeine Augsburger Zeitung“ am 16. Januar 1871 veröffentlichte: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 12 (1871) S. 447–448. In diesem Brief stellte der Fürst die Möglichkeit einer freiwilligen Abdankung in Aussicht. 597  Vgl.

523

801. Bismarck an Schweinitz, Versailles, 15. Dezember 1870

798*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 632. Telegramm.

Eine außerordentliche Mission des Vatikans nach Versailles ist derzeit inopportun. Versailles, 14. Dezember 1870 799*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 630–631. Erlaß. – Vgl. auch Spitzemberg, Tagebuch S. 114; Abeken, Leben S. 475–477; Beust, Erinnerungen II S. 440–445; Schulthess’ Europ. Geschichtskalender 11 (1870) S. 139–140.

Nach dem Frieden von 1866 sollten sich die süddeutschen Regierungen zu einem Bund zusammentun; durch den französischen Krieg ist die Entwicklung anders verlaufen und hat zu einem neuen deutschen Bund geführt. Versailles, 14. Dezember 1870 800*. Bismarck an Bernstorff Rheindorf, Pontusfrage S. 160–162. Vertraulicher Erlaß. – Vgl. auch Bismarck, GW VIb S. 440–441.

O. Russell macht geltend, England müsse der öffentlichen Meinung wegen der Schwarzmeerfrage einen Trostpreis bieten. Deshalb bittet er Preußen, dem Dreiervertrag vom 15. April 1856 beizutreten oder – im Falle von orientalischen Komplikationen – doch neutral zu bleiben. Wegen der Beziehung zu Rußland muß das Ansinnen abgelehnt werden. – Möglicher Ablauf der Pontus-Konferenz. Versailles, 15. Dezember 1870 801. Bismarck an Schweinitz PA Berlin, RZ 201/8459, S. 177–179. Erlaß. Superrevidiertes Konzept.

No. 19.

Versailles, 15. Dezember 1870

Ueber etwaige Bestrebungen für den Anschluß der deutsch-österreichischen Provinzen an Deutschland habe ich mich wiederholt und namentlich durch einen längeren Erlaß aus dem Sommer dieses Jahres598 ausgesprochen. Es 598  Vom

524

23. Juli 1870: Bismarck, GW VIb S. 416–417.

803. Bernstorff an Bismarck, London, 16. Dezember 1870

hat nichts Auffallendes, daß solche Bestrebungen in der neuesten Zeit lebendiger geworden sind und sich in einer Demonstration der akademischen Jugend geäußert haben, die nach Ewp. gefälligem Bericht vom 6. d.M. zu ärgerlichen Auftritten geführt hat. Wenn Ewp. Stellung es auch mit sich bringt, daß Sie amtlich von solchen Vorkommnissen keine Notiz nehmen, so wird es doch dem Herrn Reichskanzler nicht unerwünscht sein, wenn Ew.p. gelegentlich ihm im Sinne des oben allegirten Erlasses wiederholen, daß wir alle antidynastischen Bestrebungen in der österreichisch-ungarischen Monarchie als antimonarchische in letzter Spitze auch gegen uns gerichtete ansehen. 802. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6164, S. 52. Telegramm.

No. 438.

Versailles, 16. Dezember 1870 Abgangsvermerk: 16. Dezember, 10 Uhr 9 Min. N. Ankunftsvermerk: 17. Dezember, 1 Uhr 25 V.

Ich bitte, den Hauptinhalt meiner Depesche vom 3n d.Mts. wegen Luxemburg599 zu einem officiösen Artikel zu verarbeiten und darin bei Erwähnung des Eisenbahnzuges nach Thionville besonderen Nachdruck darauf zu legen, daß derselbe Tage lang heimlich vorbereitet und im Einverständiß mit dem Commandanten der belagerten Festung durch das cernirende Corps bis in die Festung hineingeführt [worden] sei. 803. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6164, S. 188–195. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. Dezember 1870.

No. 424.

London, 16. Dezember 1870

Lord Granville hat mir heute den Inhalt seiner Antwort auf Eurer Excellenz Circulardepesche No. 81 vom 3ten d.M., die Neutralität des Großherzog­ thums Luxemburg betreffend600, ganz vertraulich mitgetheilt, indem er bemerkte, daß der in dem gestrigen Cabinetsrath angenommene Entwurf heute der Königin vorläge und daß er die Depesche, nachdem Ihre Majestät sie genehmigt haben werde, wahrscheinlich morgen nach Berlin absenden werde. Er deutete dabei an, daß er diesen längeren Weg wähle, um der Sache, die an sich der hiesigen Regierung sehr unangenehm ist, weil sie hier theilweise 599  Oben

Nr. 774.

600  Ebenda.

525

803. Bernstorff an Bismarck, London, 16. Dezember 1870

sehr scharf aufgefaßt und, wie ich bereits zu bemerken die Ehre gehabt habe, mit dem Circular des Fürsten Gortschakoff601 verglichen wird, keine größere Wichtigkeit und Eile als nöthig beizulegen. Er nannte die Antwort, die allerdings ein Bedauern über die Erklärung der Regierung Seiner Majestät des Königs ausspricht, eine so conciliante, als das Cabinet sie habe geben können, und soviel ist gewiß, daß die Englische Regierung nicht den Wunsch und die Absicht hat, aus dieser Frage irgend eine ernstliche Verwickelung entstehen zu lassen, wenn sie auch glaubt, das einseitige Zurücktreten von Vertrags-Verpflichtungen, welches sie darin erblickt, nicht billigen zu können. Ich habe diese Thatsache überhaupt nicht als in der Erklärung vom 3ten December liegend zugegeben, sondern die Neutralität von Luxemburg wenigstens für den gegenwärtigen Krieg durch die Großherzogliche Regierung selbst für verwirkt (forfeited) erklärt und bemerkt, daß die langwierige Procedur, wonach wir hätten uns erst an die Garantie-Mächte wenden sollen, damit sie den Fall untersuchten und event. die Großherzogliche Regierung zur Beobachtung der Neutralität anhielten, um so unthunlicher gewesen wäre, als eine der Garantie-Mächte selbst die Neutralität mit verletzt hätte und als es überhaupt im Kriege nicht auf unpractische Discussionen, sondern auf sofortige Anordnung zur Sicherheit der Truppen ankomme, wenn dieselbe gefährdet würde. Da Lord Granville meinte, daß die Sache anders läge, wenn wirkliche Gefahr vorhanden wäre, was aber doch jetzt höchstens mehr [nur?] der Fall sein könnte, wenn wir etwa von den Franzosen zurückgeschlagen würden, sagte ich, es scheine beinahe, als wenn es der Englischen Regierung lieber gewesen wäre, wenn wir gleich Luxemburg besetzt hätten, als die Gefahr vorhanden gewesen sei, was er indessen mit einem kleinen Schrei des Entsetzens verneinte. Baron Brunnow, der bekanntlich Luxemburg hier seit 1867 vertritt, sagte mir heute, Baron Knorring602 schreibe ihm aus dem Haag, daß er glaube, der König der Niederlande werde das Großherzogthum an den Prinzen Heinrich abtreten, so daß derselbe mit diesem ganz von aller Verbindung mit Holland gelösten deutschen Lande dem deutschen Reiche wieder beitreten könne. Was unter allen Umständen – auch in diesem Falle – im höchsten Grade wünschenswerth erscheinen dürfte, wäre, daß die französische EisenbahnGesellschaft für alle Zeit aus dem Ländchen entfernt würde.

601  Vom 31. Oktober 1870 betreffend die Aufkündigung der Schwarzmeerklausel von 1856. 602  Karl Vladimirovič Baron Knorring (1823–1871), russischer Gesandter in Den Haag 1867–1871. – Der im folgenden genannte: Wilhelm III. (1817–1890), König der Niederlande 1849–1890.

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806*. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 18. Dezember 1870

804*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 639–640. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 640–641; Keudell, Erinnerungen S. 464–467; Bismarck, GW VII S. 446–447; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 277–283, 284.

Er schickt ihm den Entwurf einer Antwort an die Adresse des Norddeutschen Reichstags, von dem eine Deputation inzwischen in Versailles eingetroffen war (währenddessen hatte König Ludwig II. die Aufforderung übersandt, daß der preußische König die Kaiserwürde übernehme). Versailles, 17. Dezember 1870 805. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6164, S. 122. Telegramm. Revidiertes Konzept.

No. 440.

Versailles, 18. Dezember 1870 Abgangsvermerk auf S. 121: 18. Dezember 1870, 2 Uhr 25 Min. Nachm. Ankunftsvermerk ebenda: 18. Dezember 1870, 6 Uhr 45 Min. Nachm.

Luxemburger Sache in der Presse in dem Sinne zu besprechen, daß uns die politische Stellung Luxemburgs gleichgültig, Neutralität unseren Interessen entsprechend, die Herrschaft, welche die französische Ostbahn im Großherzogthum übt, aber mit derselben schwer vereinbar; wir behielten uns vor, unsere Beschwerden und Ansprüche gegen Luxemburg schiedsrichterlicher Entscheidung zu unterziehen. 806*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 641. Telegramm. – Vgl. auch BDFA I F XXXII S. 284–286.

Die französischen Wünsche für den Abschluß eines Waffenstillstands und des Friedens können nicht angenommen werden. Versailles, 18. Dezember 1870

527

808. Prinz Heinrich an König Wilhelm I., Wulferdenze, 18. Dezember 1870

807*. O. Russell an Granville Russell, Letters from the Berlin Embassy S. 29–35. Privatdienstbrief. – Vgl. auch ebenda S. 38–41.

Bismarck über die bevorstehende Schwarzmeer-Konferenz in London: Die Frage, ob er dem Vertrag vom 15. April 1856 zusammen mit Italien beitreten wolle, hat er verneint; der deutsche Reichstag würde das nicht mitmachen. – Sein Erlaß wegen Luxemburg (vom 3. Dezember 1870) sei ein reiner Akt der Selbstverteidigung. Elsaß und Lothringen müßten wegen der besseren Verteidigung Süddeutschlands abgetreten werden. Während der Mission Thiers’ habe dieser durch eine dritte Person die Abtretung des Elsaß und Lothringens zugestanden gegen die Annexion Belgiens und die Ernennung Leopolds II. zum König von Frankreich. Versailles, 18. Dezember 1870 808. Prinz Heinrich an König Wilhelm I. PA Berlin, RZ 201/6165, S. 14–18. Handschreiben. Auszug von Schreiberhand (in indirekter Rede).

Wulferdenze[= Walferdingen], 18. Dezember 1870 Auszug aus dem Schreiben Sr. Königl. Hoheit des Prinzen Heinrich der Niederlande an Seine Majestät den König Sr. Königliche Hoheit der Prinz beruft sich auf die vielen Beweise gegenseitigen freundlichen Einvernehmens. Die Luxemburgische Regierung habe ihren Dank für das Wohlwollen Deutschlands zu zeigen gesucht durch das freundlichste Verhalten gegen die deutschen Verwundeten in diesem Krieg; das Land sei entrüstet gewesen, als die Inhumanität der französischen Regierung die Regierung gezwungen habe, die schon gegebene Erlaubniß zum Durchtransport deutscher Verwundeter zurückzunehmen. Die damals gezeigte Bereitwilligkeit sei auch in Berlin anerkannt worden. Es sei ungerecht, daß ganze Land verantwortlich zu machen für die Sympathie, welche vielleicht einige aufgeregte Köpfe für Frankreich empfinden. Die ganze Bevölkerung habe nur den einen Wunsch: unter dem natürlichen Schutz des Hauses Oranien unabhängig und neutral zu bleiben, und erkenne dankbar die Wohlthaten dieser ihm von Europa gegebenen Lage. An dem Eisenbahnzuge zur Verproviantirung trage die Großherzogliche Regierung keine Schuld. I h r e Eisenbahnbeamten könnten keine Schuld tragen, denn es gebe keine Luxemburgische Eisenbahn-Beamten, sondern nur Beamte der Französischen Ostbahn. Der Zug habe die Grenze bei Rottenburg [= Bettemburg] nicht passiren können, ohne von den Zollbeamten des Zoll528

808. Prinz Heinrich an König Wilhelm I., Wulferdenze, 18. Dezember 1870

vereins revidirt zu werden; die Luxemburgische Regierung, sobald sie von der Sache Kenntniß erhalten, hat gerichtliche Untersuchung eingeleitet; hat das Ergebniß am zweiten Tage (le surlendemain) selbst in Berlin angezeigt. Sie hat nicht gehindert, daß große Transporte aus Luxemburg über Conz und Saarbrücken zur Verproviantirung der deutschen Armee gegangen sind. Der zweite Anklagepunkt, die Passage entflohener Franzosen durch Luxemburg, werde mit besonderer Unfreundlichkeit vorgeworfen; und doch sei die Regierung ganz unschuldig. Viele Franzosen, denen die Preußischen Behörden auf ihr Ehrenwort die Erlaubniß gegeben, sich aufzuhalten, wo sie wollten, seien durch Luxemburg nach Belgien gegangen; die Ueberwachung der Gefangenen sei während zwei Mal 24 Stunden nach der Capitulation von Metz eine so laxe gewesen, daß man sich gefragt habe, ob die deutschen Autoritäten nicht etwa wünschten, von einem Theil ihrer Gefangenen debarrassirt zu werden. Nur aus Delikatesse habe man damals die höheren Militairbehörden der deutschen Armee nicht hiervon avertirt. Die Schuld falle also vielmehr auf die geringe Bewachung der Gefangenen. Ebensowenig sei es begründet, daß die Regierung das Verfahren des Französischen Vice-Consuls in Beförderung dieser Deserteure geduldet habe. Der Staatsminister Servais603 habe mündlich und schriftlich dem Vice-Consul die strengsten Maßregeln angedroht, sobald sie von dem Gerücht Kenntniß erhalten. Der Consul habe Alles geläugnet. Ohne Beweise des von ihm gemachten Mißbrauchs habe man ihn nicht verhindern können, seinen Landsleuten Unterstützung zu gewähren, wie es alle Consuln zu thun pflegten. Wäre der Luxemburgischen Regierung irgend eine Reclamation von den deutschen Regierungen oder den Armee-Befehlshabern zugekommen, so würde sie ihr sofort gerecht geworden sein. Die Berichte, welche in das Hauptquartier gelangt seien, müßten sehr ungenau und übertrieben gewesen sein. Während die Luxemburgische Regierung so verläumdet wurde, mußte sie selbst leider viele Willkürlichkeiten und Verletzungen ihrer Unterthanen durch Deutsche, selbst die Einäscherung von Dörfern, constatiren. Und doch habe die Wohlthätigkeit der Luxemburger sich selbst bis auf die Versorgung der deutschen Gefangenen in Montmédy und Longwy erstreckt und ist auch den aus Frankreich ausgewiesenen Deutschen zu Hülfe gekommen. Die Luxemburger haben durch diese Theilnahme von Anfang des Krieges an ihre Dankbarkeit für die Wohlthaten der ihnen von Deutschland gegebenen Neutralität zu zeigen gesucht. Der Prinz hofft, Seine Majestät der König werden [= werde] Luxemburg Gerechtigkeit widerfahren lassen und ihm seine Neutralität bewahren. 603  Emmanuel Servais (1811–1890), Staatsminister und Präsident der luxemburgischen Regierung 1867–1874.

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810. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 20. Dezember 1870

809. König Wilhelm I. an Prinz Heinrich PA Berlin, RZ 201/6164, S. 131. Telegramm. Revidiertes Konzept.

[o.Nr.]

Versailles, 19. Dezember 1870 Zur Station: 19. Dezember 1870, 6 ½ Uhr Nm.

Das Telegramm Eurer Königlichen Hoheit vom 9. d.M. habe Ich in Erwartung der in Aussicht gestellten Mittheilung der Großherzoglichen Regierung zu beantworten gezögert. Ich erwarte dieselbe seit zehn Tagen vergebens; es wird Mir selbst sehr erwünscht sein, wenn das Verhalten der Großherzoglichen Behörden Meine Truppen der Nothwendigkeit überhebt, gegen fernere mit der Neutralität des Großherzogthums unverträgliche Benachtheiligung der militärischen Interessen Deutschlands einzuschreiten. 810. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/6164, S. 199–200. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiger Entwurf.

[No. 162.]

Versailles, 20. Dezember 1870 Abgangsvermerk auf dem Reinkonzept S. 201: 20. Dezember 1870, 1 Uhr 30 Min. Nachm.

Bericht erhalten. Die englische Auffassung beweist einen Mangel an Wohlwollen im Urtheil und an Vertrauen in unsere Absichten, den wir nach unserem Verhalten zu der Belgisch-Lux. Neutralität nicht erwarteten. Analogie mit schwarzem Meer wäre da, wenn bei russisch-französ. Kriege die Türkei französ. Kriegsschiffe in das schwarze Meer gelassen u Rußland dann den Vertrag n i c h t gekündigt, sondern sich militairische Abwehr im neutralen Meer vorbehalten und bei den Vertragsmächten Verhandlungen über Entschädigung angekündigt hätte. Der Fall der Umgehung unserer Stellung durch französ. Streitkräfte auf neutralem Gebiete kann bei etwaiger Belagerung von Longwy sich jederzeit wiederholen. Wir haben kein Verlangen nach Luxemburg, aber Herrschaft der französ. Eisenbahn macht der ohnmächtigen Regierung jetzt eine neutrale Haltung fast unmöglich. Schriftliches geht heut ab.

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811. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 20. Dezember 1870

811. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/6164, S. 201–210. Erlaß. Reinkonzept.

No. 102.

Versailles, 20. Dezember 1870

Ew.p. gef. Bericht No. 424 vom 16. d.M. und der telegraphische Nachtrag dazu (No. 380) vom 19. ejusd. sind heute gleichzeitig in meine Hand gelangt. Ich habe mich beeilt, Ew.p. auf telegraphischem Wege mein Erstaunen über ein Mißverständniß auszusprechen, welches bei etwas mehr Wohlwollen im Urtheil und Vertrauen in unsere Absichten nicht entstanden wäre. Ew.p. haben vollkommen recht gehabt, in Ihrer Unterredung mit Lord Granville nicht zuzugeben, daß unsere Mittheilung an die Unterzeichner des Vertrages von 1867604 als eine einseitige Kündigung dieses Vertrages aufgefaßt werde. Lord Granville wird bei ruhiger Erwägung in dem ganzen Wortlaut der Mittheilung nicht ein Wort finden, welches so ausgelegt werden könnte. Es handelt sich nur um die Wahrung unserer gegenwärtigen m i l i t a i r i s c h e n Interessen, deren Beschädigung durch Connivenz der Luxemburgischen Behörden bei dem Bruche der Neutralität Seitens der Franzosen wir uns nicht gefallen lassen können. Die unberechtigte Vergleichung mit dem Vorgehen Rußlands habe ich schon in meinem Telegramm abgelehnt und den Unterschied des Verfahrens in beiden Fällen klar und bündig bezeichnet; ich brauche daher diese Ausführung hier nicht zu wiederholen. Aber ich mache darauf aufmerksam, daß unsere Mittheilung nach Luxemburg und an die Vertragsmächte vom 3. d.Mts. ausdrücklich Bezug nimmt auf die am Anfange des Krieges von uns abgegebene Erklärung, daß wir die Neutralität des Großherzogthums auch in unseren militairischen Operationen so lange achten würden, als sie vom Feinde geachtet und v o n d e r G r o ß herzoglichen Regierung selbst aufrecht erhalten werden w ü r d e . Gegen diese Erklärung hat sich damals von keiner Seite ein Widerspruch geltend gemacht und konnte es auch in der That nicht, da sie selbstverständlich war und keine kriegführende Macht jemals anders gehandelt hat, noch handeln kann. Es kann aber für Niemand ein Zweifel entstehen, daß durch die von uns constatirten Vorfälle ein Bruch der Neutralität sowohl von Seiten der Franzosen als der Großherzoglichen Regierung selbst stattgefunden hat, daß ohne irgend einen Versuch der Verhinderung oder des Protestes Seitens der letzteren Tausende von Combattanten über Luxemburgisches Gebiet nach Longwy und Montmédy der Französischen Nord-Armee zugeführt, daß von der Stadt 604  Der Londoner Vertrag vom 11. Mai 1867 stellte die Neutralität Luxemburgs unter die kollektive Garantie der unterzeichnenden europäischen Großmächte.

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811. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 20. Dezember 1870

Luxemburg die Festung Thionville während der Belagerung zur Nachtzeit unter Umständen verproviantirt ist, welche die Mitwissenschaft [!] der Behörden bei Vorbereitung und bei Verheimlichung dieser Unternehmung ­zweifellos machen. Aehnliche unberechtigte Mitwirkungen zu Gunsten der militairischen Operationen des Feindes können jeden Augenblick wieder eintreten, nicht, wenn wir – wie Lord Granville andeutet – geschlagen oder zurückgedrängt würden, sondern – und zwar alsdann in erhöhtem Verhältniß – sobald wir zur Belagerung von Longwy schreiten. Diese Festung liegt so nahe an der Belgischen und Luxemburgischen Grenze, daß wir nur von der einen Seite die Belagerungs-Operationen wirksam beginnen können, während die Communication der Festung nach Belgien und Luxemburg fast unbehindert bleiben müssen [= muß]. Hält man es in England nun für unsere Pflicht zuzulassen, daß die französischen Truppen von der Festung aus mit Verletzung der Neutralität über Belgisches oder Luxemburgisches Gebiet die Flügel unserer Aufstellung umgehen, um in unserem Rücken zu operiren und unsere Truppen von hinten oder in der Flanke anzugreifen und abzuwarten, ob der Angriff von den Truppen der ohnmächtigen Luxemburgischen Regierung verhindert werden wird, und, wenn das nicht geschieht, daß wir dann, wenn wir zu militairischen Gegenmaßregeln schreiten, erst vorher bei sämtlichen Unterzeichnern des Vertrages anfragen, um uns von ihnen über einen Protest oder die zu ergreifenden Maßregeln verständigen und uns inzwischen den ganzen Nachtheil des Neutralitätsbruches militairisch gefallen lassen sollten? Wenn die Großherzoglich Luxemburgische Regierung sich in der Lage finden sollte, uns dieser Nothwendigkeit zu überheben und selbst ihre Neutralität zu wahren, so wird uns das sehr angenehm sein. Sr. Majestät der König hat dies Allerhöchstselbst gegen den Prinzen Heinrich, Statthalter des Großherzogthums, ausgesprochen605, wovon ich Ew.p. in der Anlage Abschrift beifüge, so wie von dem Telegramm des Prinzen selbst, worauf dies die Antwort ist. Wir haben keine Absicht, die Selbstständigkeit des Großherzogthums jetzt oder später zu bedrohen oder zu schädigen. Aber wir sind entschlossen, unsere Truppen nicht unter dem Mißbrauche einer Neutralität leiden zu lassen, zu deren Wahrung gegenüber der das Großherzogthum factisch beherrschenden Französischen Eisenbahngesellschaft der Großherzoglichen Regierung die Macht zu fehlen scheint. Indem dieselbe sich dem Einflusse dieser französischen Gesellschaft ohne Widerstand fügt, giebt sie uns einen begründeten Anspruch auf Entschädigung; und wir behalten uns vor, die deshalb an sie zu stellenden Forderungen den übrigen Vertragsmächten mitzutheilen.

605  Oben

532

Nr. 809.

814*. Bismarck an Reuß, Versailles, 22. Dezember 1870

Indem ich für eine officielle Beantwortung den Eingang der Depesche Lord Granville’s selbst erwarte, ersuche ich Ew.pp. ergebenst, vorläufig die Angelegenheit meines Telegrammes und dieses Erlasses, dessen Inhalt Sie Lord Granville mündlich mitzutheilen ermächtigt sind, mit dem Königlich Großbritannischen Staatssecretair für die Auswärtigen Angelegenheiten zu besprechen. Ist es Ew.pp. möglich, in diesem Sinne auch auf eine richtigere Auffassung in der Englischen Presse hinzuwirken, so kann dies nur erwünscht sein. 812*. Werthern an Eisenhart Werthern, Tagebuch S. 335–338. Privatdienstbrief.

Die Annahme des Vertrags vom 23. November 1870 zwischen dem Norddeutschen Bund und Bayern über die Gründung eines deutschen Bundes wird möglicherweise durch die Zweite Kammer in München abgelehnt. Das dahinter steckende Intrigenspiel muß durchkreuzt werden. König Ludwig II. soll seine ganze Autorität für die Annahme des Vertrags einsetzen. München, 20. Dezember 1870 813*. Bismarck an Arnim Bismarck, GW VIb S. 643. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 672.

Der Klerus und seine Partei in Bayern wollen den Vertrag über den Eintritt Bayerns in das neue Deutschland verhindern. Trotzdem wird das Reich gegründet. Versailles, 21. Dezember 1870 814*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 643–644. Telegramm.

Er soll danken für die russische Ablehnung, einen Geleitschein für den französischen Vertreter auf der Londoner Konferenz zu vermitteln. Der Geleitschein wird nur im deutschen Hauptquartier ausgestellt. Versailles, 22. Dezember 1870

533

815. Bernstorff an Bismarck, London, 22. Dezember 1870

815. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6276, S. 20–27. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 27. Dezember 1870.

No. 437.

London, 22. Dezember 1870

Wie ich früher schon Gelegenheit hatte, Euerer Excellenz gehorsamst zu berichten, hat sich die öffentliche Meinung dieses Landes, die am Anfang des Kriegs mit so überwiegender Majorität auf Seiten Deutschlands und seines guten Rechtes stand, im Verlaufe desselben nicht unbedeutend zu unserem Nachtheil gewendet. Vielleicht liegt der Grund zum Theil in der hier herrschenden großen Friedensliebe, die dem Vernichtungskampf zwischen zwei befreundeten Nationen mit vielfach wirklich aufrichtigem Bedauern folgte. Galt daher damals der fast einmütige Protest gegen Frankreich besonders dem Friedensstörer, so wurden viele Leute nach Sédan durch die Annahme irregeführt, daß wir blos durch unsere territorialen Forderungen an der Fortsetzung des Krieges schuld seien. Oft begegnete man bereits der Ansicht hier, daß der Krieg überhaupt schon zu lange gedauert habe, und jetzt, wo das alte Jahr zu Ende geht, ohne das Ende des blutigen Werkes herbeizuführen, wo das Weihnachtsfest Friedensgedanken bringt, aber noch keine Aussicht auf Frieden, ist es begreiflich, daß die Menschen wieder mehr anfangen, darüber hin und her zu denken, wie man wohl dem Blutvergießen Ziel setzen könnte. Als einen Ausdruck dieser Stimmung erlaube ich mir Euerer Excellenz heute zwei Artikel der Times hierbei gehorsamst vorzulegen, welche hintereinander dieselbe Frage besprechen. Die Times ist der Ansicht, daß Deutschland ebenso sehr ein Interesse am baldigen Frieden habe wie Frankreich; es habe den Krieg zu seiner Vertheidigung begonnen und dem Französischen Volke eine gerechte Strafe auferlegt. Diese Strafe übertreffe aber bereits alles, was die Geschichte kenne. Frankreichs Kaiser, der den Krieg begonnen, sei in der Gefangenschaft, mit ihm aseine Marschälle und seine Armeen, seine Rathgeber im Exila, Frankreichs stärkste Festung606 in den Händen des Feindes, seine Provinzen vom Rhein bis zum Canal besetzt, seine Hauptstadt mit Feuer und Hunger bedroht, und Deutschlands Herrscher wohne seit 3 Monaten im Angesicht des Schlosses, das allem Ruhm Frankreichs gewidmet sei607. Wenn der Kriegstaumel die Deutschen nicht verblende, so müßten sie einsehen, daß die Opfer dieser Siege schon unendlich große sind, daß das Vaterland seine Ernährer vor dem Frühjahr wieder braucht, daß jeder Tag ferneren 606  Metz.

607  Versailles.

534

817. Bismarck an Reuß, Versailles, 24. Dezember 1870

Kampfes neue furchtbare Opfer und Verluste von ihnen verlangt; müßten sie einsehen, daß sie ihre Riesenkraft nicht mißbrauchen dürfen, um ein Land in den Staub zu treten, welches mit Verzweiflung kämpft, um wenigstens einige Fetzen seiner Ehre zu retten, daß es nicht gut ist, durch Ueberspannung des Sieges die Nemesis heraufzubeschwören, daß es vor allen Dingen Deutschland nicht gedient sein kann, einen solchen Grad von Haß und Elend in Frankreich hervorzurufen, daß eine Reihe neuer blutiger Kriege daraus entstehen müsse. – Endlich glaubt die Times auch vor einem etwaigen Wechsel des Kriegsglücks warnen zu müssen und dabei an die Winter-Campagne in Rußland im Jahre 1812 erinnern zu dürfen, wo des großen Napoleons Macht den ersten Stoß erlitten habe. Das Blatt geht aber dann dazu über, mit Recht zu bemerken, daß alle diese Ermahnungen an Deutschland nichts helfen könnten, so lange man nicht auch Frankreich die Verpflichtung nachzugeben klar machen könne. [Es folgen noch weitere Überlegungen aus dem Artikel der Times vom 22. Dezember 1870.] a–a

Dazu Vermerk Bismarcks am Rand: kommen aber wieder frei und haben sich ausgeruht.

816*. O. Russell an Granville BDFA I F XXXII S. 287. Vertraulicher Bericht.

Bismarck: Die selbsternannte Regierung der nationalen Verteidigung könnte ohne weiteres die alten „Conseils Généraux“ berufen, um einen Frieden zu schließen. Wenn es keine französische Regierung gebe, würde Preußen mehrere französische Provinzen besetzen, sie „wie Raupen einen Baum“ leerfressen und die ehemalige kaiserliche Regierung wiedereinsetzen. Versailles, 22. Dezember 1870 817. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12150, S. 165. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 90.

Versailles, 24. Dezember 1870

Antwort auf Telegramm 115. Die Wahl von Jules Favre608 erregt keinen Anstoß; die P e r s o n des französ. Bevollmächtigten ist uns überhaupt gleichgültig; und wir werden auch in der Sache keine Schwierigkeiten bereiten, vorausgesetzt, daß Form gefunden werde, aus welcher kein diesseitiges An608  Als

Vertreter Frankreichs auf der Londoner Konferenz. 535

820*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I., Versailles, 25. Dezember 1870

erkenntniß der jetzigen Regierung gefolgert werden kann. Die Haltung derselben läßt keine Aussicht darauf, daß der Friede mit ihr erreichbar sei. Sie fordert noch heut die Leidenschaften zum Kampf mit jedem völkerrechtswidrigen Mittel auf, anstatt auf Nothwendigkeit des Friedens vorzubereiten. 818*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 644–646. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 657 (Nr. 1998); Bismarck, GW VII S. 445.

Falls der bayerische Landtag das Verfassungsbündnis mit dem Norddeutschen Bund verwirft, verbleibt als Gebot der Stunde die Auflösung der Kammer. Die anderen süddeutschen Staaten haben die Verträge ratifiziert. Das bayerische Zögern verlängert den Krieg. In der Kaiserfrage ist ein ablehnendes Votum der bayerischen Kammer unerheblich. Versailles, 24. Dezember 1870 819*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 646–648. Erlaß.

Der Plan der Kaiserin Eugénie und ihrer wenigen Getreuen, sich in Frankreich wieder zu installieren, ist illusionär. Dagegen ist der Plan Persignys, den Cors législatif zu berufen und an das Land zu appellieren, eher durchführbar, wird aber hinfällig bei weiteren deutschen Siegen und dem Fall von Paris. Versailles, 25. Dezember 1870 820*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 270–290.

Verfrühter Glückwunsch aus Rom. – Gereiztes Verhältnis zwischen Bismarck und Moltke. – Der Kronprinz und die Proklamation der Kaiserwürde. – Ungünstige Nachrichten aus München. – Roon und das Kriegsende. – Die Kaiserproklamation verschoben. – Neujahrsgedanken. – Die versammelten Fürsten im Palais des Königs, darauf im Spiegelsaal des Schlosses. Trinksprüche des Königs und des Großherzogs von Baden. – Prinz Adalbert609. – Fran-

609  Adalbert (1811–1873), Prinz von Preußen; Admiral und Oberbefehlshaber der königlichen Marine.

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821. Arnim an Bismarck, Rom, 26. Dezember 1870

zösische Kolonien für Deutschland? Die Titelfrage für das neue Reich. – Das Verhältnis zwischen Bismarck und Moltke. Versailles, 25. Dezember 1870 – 6. Januar 1871 821. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6278, S. 28–30. Bericht. Behändigte Entzifferung. Praes.: 3. Januar 1871 (im AA).

No. 201.

Rom, 26. Dezember 1870

Es sind hier endlich Berichte des päpstlichen Nuntius610 über die Ausführung des Auftrags eingegangen, welchen der Papst dem Erzbischof von Tours ertheilt hatte. In meinem Bericht No. 198 hatte ich bereits gemeldet, über welche Schritte der Erzbischof mit dem päpstlichen Nuntius übereingekommen war. Die ganze Procedur ist aber bereits in dem ersten Stadium der Ausführung gescheitert. Herr Cremieux611 hat die Eröffnungen des Erzbischofs einfach mit dem Bemerken zurückgewiesen, daß er ihn entweder als einen Bevollmächtigten des Papstes oder als einen hervorragenden französischen Bürger betrachten müßte. Für die erste Qualität fehlten ihm die nöthigen Vollmachten. In der zweiten habe er nicht das Recht, sich in offizieller Weise in Regierungs-Angelegenheiten zu mischen. Es scheint, daß der Erzbischof hiernach der Sache keine weitere Folge gegeben hat. Ich vermuthe auch, daß ihm von Seiten des päpstlichen Nuntius keine Aufmunterung, noch viel weniger eine Leitung zu Theil geworden ist. Hier hatte man sich die Sache anders gedacht und war von der Ansicht ausgegangen, daß der Erzbischof von Tours sich mit seinem [= seinen?] Collegen zu gemeinsamem Auftreten zu einer Friedens-Ligue vereinigen würde, welche dann in weiterer Entwickelung die Geschicke Frankreichs in die Hände der Geistlichkeit legen sollte. Der Hergang ist ein neuer Beweis, wie wenig positiven Nutzen ein freundschaftliches Verhältniß zu dem Römischen Hofe gewährt. Selbst da, wo der gute Wille, nützlich zu sein, ohne Zweifel vorhanden ist, erweist er sich als ohnmächtig. Es liegt in den Wünschen des päpstlichen Hofes, wie ich dies bereits gemeldet habe, auf die nicht geglückte Unternehmung noch einmal in ostensibler Form zurückzukommen. Man kann sich jedoch der Befürchtung nicht verschließen, daß eine solche Intervention, selbst wenn sie möglich werden 610  Flavio Chigi (1810–1885), Apostolischer Nuntius in Paris 1862–1873. – Zum folgenden oben Nr. 717. 611  Adolphe Crémieux (1796–1880), Mitglied der Provisorischen Regierung (u. a. Justizminister) September 1870 – Februar 1871.

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823. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 30. Dezember 1870

sollte, entweder zu spät oder im Laufe der Ereignisse in ihr Gegentheil umschlagen und lästig werden würde. 822. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6165, S. 131. Telegramm in Typendruckschrift.

No. 459.

Versailles, 28. Dezember 1870, 9 Uhr 50 Min. V.

Die Luxemburgische Regierung beruft sich darauf, daß der Proviantzug nach Thionville auf der Eisenbahn von den Zollvereinsbeamten, die ihn revidiren mußten, ohne Beanstandung durchgelassen [worden] sei. Ich bitte, geeigneten Orts Ermittelung und Untersuchung über das Verhalten der Zollbeamten zu veranlassen. 823. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/6276, S. 198–199. Telegramm. Entzifferung.

No. 463.

Versailles, 30. Dezember 1870, 5 Uhr 10 Min. Nachm. Ankunft: 30. Dezember 1870, 9 Uhr 30 Min. Nachm.

An Prinz Reuß weiter zu telegraphiren: Bericht No. 240 und 242 erhalten. Wir haben Herrn Washburne612 wissen lassen, daß Mr. Jules Favre Geleitschein erhält, wenn er bei dem OberCommando des Belagerungs-Heeres ihn nachsucht. Wir müssen darauf bestehen, daß die Pariser Regierung direct einen Schritt thue, da sie bisher absichtlich die Taktik beobachtet, jede directe Berührung, die wir noch nie abgewiesen haben, zu vermeiden und ihre Wünsche über St. Petersburg, London oder Italien an uns zu bringen, in der Absicht, sie als Wünsche der Neutralen erscheinen zu lassen. Auf dieses Manœuvre uns einzulassen setzt uns politisch in nachtheilige Stellung. Wir haben daher in London, St. Petersburg und Florenz stets den Wunsch ausgedrückt, die Franzosen, wenn sie etwas von uns verlangen, direct an uns zu verweisen.

612  Elihu Benjamin Washburne (1816–1887), amerikanischer Gesandter in Paris 1869–1877.

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827*. Bismarck an Rosenberg, Versailles, 1. Januar 1871

824*. Bismarck an Canitz Bismarck, GW VIb S. 651. Telegramm.

Er soll in seinen Beziehungen zum neuen König von Spanien613 sich den anderen Gesandtschaften anschließen. Versailles, 30. Dezember 1870 825*. O. Russell an Granville Europa und die Türkei, Nr. 1071.

Bismarck lehnt Preußens Beitritt zum Dreiervertrag vom 15. April 1856, der die Integrität des Osmanischen Reiches feierlich garantiert, ab, weil er die Beziehungen zu Rußland nicht beeinträchtigen wolle. Versailles, 30. Dezember 1870 826*. Tagebucheintragung Kronprinz Friedrich Wilhelms Friedrich III., Kriegstagebuch S. 300–303. – Vgl. auch ebenda S. 304–305.

Er schlägt Bismarck vor, für die feierliche Kaiserproklamation den 18. Januar vorzusehen. Das Warten auf Bayerns Zustimmung ist unerträglich. Jedermann in Deutschland verlangt den Besitz von Elsaß und Lothringen. Erstaunlich, wie in Frankreich immer neue Armeen aus dem Boden wachsen. Man haßt uns immer mehr auf der Welt. „Bismarck hat uns groß und mächtig gemacht, aber er raubte uns unsere Freunde, die Sympathien der Welt.“ Deutschland hätte auch ohne Blut und Eisen mächtig werden können. „Der kühne, gewalttätige Junker hat es anders gewollt.“ Versailles, 31. Dezember 1870 827*. Bismarck an Rosenberg Bismarck, GW VIb S. 652. Erlaß.

Er soll dem neuen württembergischen Außenminister Wächter614 trotz dessen früherer Frankreichfreundlichkeit ohne Mißtrauen entgegenkommen. Versailles, 1. Januar 1871 613  Amadeus.

614  August Frhr. von Wächter (1807–1879), württembergischer Außenminister Januar 1871 – 1873 (zuvor 1855–1870 Gesandter in Paris).

539

830. Arnim an Bismarck, Rom, 3. Januar 1871

828*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 652–653. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 653–654.

Er ist mit dem Wunsch des Reichskanzlers Beust einverstanden, den Prager Frieden (Art. V wegen Nordschleswig) derzeit nicht zur Sprache zu bringen. – Der preußische König ist dankbar für die Sympathien des Kaisers von Österreich-Ungarn gegenüber der Entwicklung in Deutschland. Versailles, 1. Januar 1871 829*. Kronprinzessin Viktoria an Königin Victoria Victoria, Letters II,2 S. 101–104. Handschreiben. – Vgl. auch ebenda S. 108–111, 121–122; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 452–453.

Frankreich ist wie mit Blindheit geschlagen, daß es den ungleichen Kampf fortsetzt. Paris kann nicht weiter aushalten, denn die Bombardierung beginnt in Kürze. Es ist bedauerlich, daß die Deutschen in England immer mehr an Sympathien verlieren und die Presse sie als „Wandalen“ bezeichnet. In Zukunft sollten England, Deutschland und Österreich einen Dreierbund bilden. Versailles, 3. Januar 1871 830. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6278, S. 114–117. Ganz geheimer Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 9. Januar 1871 (im AA).

No. 3.

Rom, 3. Januar 1871

Bei der Unterredung mit Monsignor Franchi, über welche ich in No. 2 berichtet habe, fragte mich derselbe, ob es nicht möglich sei, Frankreich für die verlangte Gebietsabtretung Kompensationen zu gewähren. Ich erwiderte, daß nicht unsere Aufgabe sein könne, über andrer Leute Eigenthum zu Gunsten Frankreichs zu verfügen. Überdies läge es auch in keinem allgemeinen oder besonderen Interesse, auf irgend eine Weise den Eindruck zu verwischen, daß Frankreich für seine Vergehen ohne Kompensationen büßen müßte. Monsignor Franchi entwickelte dann seinen von Anfang an nicht schwer zu erratenden Gedanken näher dahin, ob es nicht möglich sei, Frankreich dadurch zum Nachgeben zu bewegen, daß man ihm für etwaige militairische Operationen in Italien freie Hand zusicherte. Es schien mir überflüssig, hierüber in sittliche Entrüstung zu gerathen.

540

832*. Bismarck an König Wilhelm I., Versailles, 5. Januar 1871

Ich machte dem Monsignor Franchi begreiflich, daß wir garnicht daran denken könnten, mit dem jetzigen Französischen Gouvernement in irgend welche Verhandlungen einzutreten, welche nicht ausschließlich unsere eigenen Geschäfte beträfen. Euere Excellenz haben in dieser Äußerung den ohnehin nicht sehr versteckten Schlüssel für Alles, was hier im Interesse der Menschlichkeit und des Friedens geschieht. Man wünscht den Frieden herzustellen, um jeden Preis, den wir verlangen, damit Frankreich Italien vernichten, Piemont annektieren und den Pabst restauriren kann. Hieraus folgt, daß die Römische Kurie in ihren Friedensbestrebungen zwar außerordentlich aufrichtig, aber in listigster Weise egoistisch ist. Der Wunsch, die Hand im Spiele zu haben, tritt bei jeder Gelegenheit in neuer Form hervor. Es geht nicht wohl an, diesem Wunsch in so entschiedener Form entgegenzustreben, daß er nicht wieder laut wird, weil damit auf den Eindruck verzichtet werden würde, welchen wir, als Freunde des Pabstes – meiner Meinung nach ohne Erfolg – unsern Katholiken machen wollen. Unter diesen Umständen finde ich mich täglich mehr in der Meinung bestärkt, daß meine Anwesenheit hier im Grunde nur dazu dient, unsere Stellung zu kompliziren, weil sie Hoffnungen erweckt, die nicht erfüllt werden, und intime Beziehungen aufrecht erhält, die sich wie ein Bleigewicht an unsre Füße hängen, ohne den Grund fester zu machen, auf dem wir stehen. 831*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 654. Telegramm.

Das Angebot des Prinzen Jérôme Napoléon, den Frieden herbeizuführen, ist zu gefährlich, da der Prinz in Frankreich zu unpopulär ist. Versailles, 4. Januar 1871 832*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 654–656. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 662–665; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 296–297, 298–299, 473–480.

Einzelheiten zu den äußeren Formen der neuen Kaiserwürde: Der Titel ist „Deutscher Kaiser“ (und nicht „erwählter Kaiser von Deutschland“); Wappen, Behördensiegel; Kokarde; Courtoisieformeln. Versailles, 5. Januar 1871

541

834. Bismarck an Prinz Heinrich, Versailles, 6. Januar 1871

833*. Bismarck an Thile Bismarck, GW VIb S. 657–658. Erlaß.

Die feindliche Einstellung der deutschen Presse ist auf die entsprechende Haltung der belgischen Presse zurückzuführen; die preußische Regierung teilt diese Gesinnung nicht. Versailles, 5. Januar 1871 834. Bismarck an Prinz Heinrich PA Berlin, RZ 201/6165, S. 223–232. Schreiben. Abschrift. – Das Reinkonzept mit etlichen Änderungen von Bismarcks Hand: ebenda S. 233–238.

[o.Nr.]

Versailles, 6. Januar 1871

Eurer Königlichen Hoheit ausführliches eigenhändiges Schreiben vom 18. v.Mts.615 habe ich mit Dankbarkeit empfangen; und wenn ich erst jetzt im neuen Jahre dazu komme, dasselbe zu beantworten, so darf ich Sie bitten, dies mit den Umständen zu entschuldigen, die im Drange des Augenblicks meine Kraft in Anspruch nehmen. Ich habe mich gefreut, darin den Versicherungen der Freundschaft und des Wunsches gegenseitiger guter Beziehungen zwischen Deutschland und dem Großherzogthum Luxemburg zu begegnen. Was Eure Königliche Hoheit persönlich betrifft, so bedarf es nicht erst dieser Versicherungen, um mich von Ihren Gesinnungen zu überzeugen, und ich will gern mit Ihnen annehmen, daß die Sympathien, welche unter einem Theil der Bevölkerung des Großherzogthums für die Feinde Deutschlands hervortreten, nicht der wahre Ausdruck der Gesinnungen des ganzen Landes sind. Ich spreche auch gern meinen Dank aus für die Theilnahme, die sich in Luxemburg auch für die Opfer des Krieges auf deutscher Seite gezeigt hat. Um so mehr habe ich die in der neueren Zeit vorgefallenen Thatsachen bedauert. Ich habe die ausführliche Darlegung in dem Schreiben Eurer Königlichen Hoheit mit sorgfältiger Aufmerksamkeit gelesen, und ich finde, daß Eure Königliche Hoheit die Thatsachen selbst, die Durchbringung eines Proviantzuges nach der belagerten Festung Thionville und die Durchzüge einer großen Anzahl Französischer Truppen unter offner Vermittlung des Französischen Vice-Consuls, nicht in Abrede stellen. Sie glauben aber, die Regierung des Großherzogthums von einer Schuld oder Verantwortlichkeit dafür frei sprechen zu sollen, weil bei ihr keine feindliche Absicht vorgewaltet habe, und hauptsächlich, weil sie n i c h t i n d e r L a g e g e w e s e n , e s 615  Vgl.

542

oben Nr. 808.

834. Bismarck an Prinz Heinrich, Versailles, 6. Januar 1871

z u v e r h i n d e r n . Die Beamten der Eisenbahn gehörten einer fremden französischen Gesellschaft an, über welche die Regierung keine Macht habe; und das Großherzogthum habe eine zu kleine Truppenmacht, um so außergewöhnlichen Verhältnissen, wie die gegenwärtigen, gewachsen zu sein. Ich will das Maß der Schuld und Verantwortlichkeit nicht untersuchen, welches die Regierung, ihre [= Ihre] Behörde, oder das Land treffen kann; ich will keinen Vorwurf feindseliger Gesinnung erheben –, aber ich muß mein Bedauern aussprechen, über die Erklärung, daß das Großherzogthum z u s c h w a c h sei, um den ihm durch die Neutralität auferlegten Pflichten zu genügen; z u s c h w a c h , um die Nachtheile zu verhüten, welche der deutschen Kriegführung aus der Verletzung der Neutralität erwachsen. Gestatten Eure Königliche Hoheit mir, dies Thema mit der kurzen Bemerkung abzuschließen, daß gerade dieses Erkenntniß mir die Pflicht auferlegt, die Abwehr solcher Nachtheile, welche die Regierung des Großherzogthums zu gewähren nicht im Stande ist, selbstständig in die Hand zu nehmen, und bei den militairischen Gegenmaßregeln mich durch eine Rücksicht künftig nicht mehr werde hemmen lassen können, zu deren Beobachtung die Behörden des Großherzogthums meine Gegner anzuhalten nicht im Stande sind. Ich habe Eurer Königlichen Hoheit schon in meinem Telegramm ausgesprochen, daß ich mich aufrichtig freuen werde, wenn dieser Fall nicht eintreten sollte, wenn die Behörden des Großherzogthums den Willen und die Macht beweisen sollten, die Wiederkehr ähnlicher Vorfälle zu verhindern, wie dies in dem ernsten Willen Eurer Königlichen Hoheit selbst liegt. Mit Bedauern muß ich hinzufügen, daß ich bisher die Ausführung dieser Intentionen noch immer vermisse. Aufgefangene Briefe von Kriegsgefangenen an ihre zurückgebliebenen Kameraden und zuverlässige Berichte aus Luxemburg und von der Gränze beweisen mir, daß noch fortwährend der Weg durch das Großherzogthum als der sicherste für die Flüchtlinge angesehen wird; daß die letzteren in dem Großherzogthum von Seiten der Bevölkerung und selbst von Seiten lokaler Behörden jede Art von Unterstützung und Hilfe finden; ja, daß eine förmliche Organisation, mit einem Comité in einem der Luxemburgischen Gränzorte, besteht, um die Entweichung der Kriegsgefangenen zu befördern, Civilkleidung für dieselben vorräthig zu halten und ihr weiteres Fortkommen zu erleichtern. Eurer Königlichen Hoheit sind diese Details unbekannt; ich habe meine Regierung beauftragt, sie zur Kenntniß des Großherzogthums zu bringen und Abhülfe zu verlangen. Um diese Uebelstände zu beseitigen, um diese Organisation zu zerstören und das Comité, dessen Mitglieder bekannt sind, aufzulösen; um die französischen Militairs, welche das Großherzogthum betreten, zu interniren, dazu muß, wie ich glaube, die Kraft der Behörden ausreichen; und wenn ihnen der Wille fehlen sollte, so darf ich hoffen, daß Eure Königliche Hoheit mit Ernst und Strenge sie dazu anhalten werden. Sollten die 543

835. Bismarck an die luxemburgische Regierung, Versailles, 6. Januar 1871

Intentionen Eurer Königlichen Hoheit dennoch umgangen und Ihre Befehle in dieser Beziehung auch ferner unausgeführt bleiben, so würde es mir freilich obliegen, selbst die geeigneten Maßregeln zu treffen, um die dargelegten Uebelstände zu beseitigen. Eure Königliche Hoheit werden, wie ich hoffen darf, in solchen Maßregeln keine Drohung gegen das Großherzogthum, keinen Eingriff in Ihre Rechte sehen – beides liegt mir fern! –, sondern nur eine mir durch die Pflicht gegen mein Land und namentlich gegen meine Armee gebotene Abwehr. Ich schließe mit dem Ausdruck der freundlichen Zuneigung und aufrichtigen Hochachtung, womit ich bin 835. Bismarck an die luxemburgische Regierung PA Berlin, RZ 201/6165, S. 284–295. Note. Abschrift. – Ebenda S. 176–221 sechs revidierte und superrevidierte Konzepte mit zahlreichen Revisionen von Bismarcks Hand zwischen dem 28. Dezember 1870 und dem 6. Januar 1871. – In französischer Übersetzung: Archives Dipl. 42 (1871) S. 1300–1302.

Versailles, 6. Januar 1871 Der unterzeichnete Kanzler des Deutschen Bundes hat die Ehre gehabt, durch Herrn Dr. Föhr die vom 14. v.Mts. datirte Antwort Seiner Excellenz des Herrn Staatsministers Servais616 auf die diesseitige Note vom 3n v.Mts. zu empfangen. Ein großer Theil dieses Schriftstückes ist der Ausführung gewidmet, daß der Großherzoglichen Regierung bei den in der Note vom 3n zur Sprache gebrachten neutralitätswidrigen Vorgängen ein Verschulden oder eine Verantwortlichkeit nicht zur Last falle. Es wird in dieser Beziehung geltend gemacht, daß die in Luxemburg domicilirenden und die dortigen Eisenbahnen verwaltenden Beamten im Dienste einer ausländischen Gesellschaft ständen und deshalb der Großherzoglichen Regierung nicht unterworfen seien und daß nach der Meinung der Großherzoglichen Regierung das Großherzogthum nach dem Vertrage vom 11. Mai 1867 nur eine geringe Militairmacht halten dürfe, welche zur Internirung von Tausenden von französischen Soldaten nicht ausreiche. Der Unterzeichnete enthält sich, hier auf die Erörterung näher einzugehen, welche in der durch die Note vom 3n v.Mts. vorbehaltenen Verfolgung von Entschädigungsansprüchen ihre Beachtung finden wird, während es sich für jetzt darum handelt, die Nachtheile von unserer Kriegführung abzuwenden, gegen welche wir vertragsmäßig durch die Neutralität Luxemburgs geschützt sein sollten und auch geschützt sein würden, wenn die Luxemburgische Re616  Gedruckt in: Archives Dipl. 41 (1871) S. 1184–1198. – Die im folgenden genannte Note: oben Nr. 774.

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835. Bismarck an die luxemburgische Regierung, Versailles, 6. Januar 1871

gierung nach dem Beispiele der belgischen dafür sorgte, daß ihre Neutralität von unseren Feinden ebenso gewissenhaft geachtet würde wie bisher von uns. Aus dem von ihr selbst behaupteten Unvermögen der Großherzoglichen Regierung, den erhobenen Beschwerden abzuhelfen, geht für uns an sich schon die Berechtigung hervor, diese Abhülfe einstweilen selbst in die Hand zu nehmen, um uns vor Schaden sicher zu stellen. Der Unterzeichnete beschränkt sich daher auf die Bemerkung, daß auch nur ein Versuch der Großherzoglichen Regierung, Angehörige der französischen Armee daran zu hindern, daß sie das neutrale Gebiet benutzen, um mit Umgehung unserer Stellungen die französische Armee zu erreichen, bisher nicht bekannt geworden und in dem Schreiben des Herrn Staatsministers Servais nicht behauptet ist. Dieses Schreiben läßt zwei Thatsachen unbestritten, welche der Art sind, wie man sich derselben von einem neutralen Staate nicht zu versehen hat. Um heimlich durch die Stellungen der deutschen Truppen Proviant in eine belagerte französische Festung zu liefern, ein Unternehmen, welches ein unmittelbares Eingreifen in militairische Operationen darstellt, ist in Luxemburg ein Zug von mehr als hundert Wagen bei Nacht abgefertigt, wenn nicht ausgerüstet worden und haben die Betheiligten von dort die Materialien und Werkzeuge zur Herstellung der auf französischem Gebiete von den deutschen Truppen zu ihrer Sicherheit unterbrochenen Bahnverbindung der zu diesem Zweck gemachten Arbeiten mitgeführt – ein Vorgang, an dessen völkerrechtlicher Beurtheilung es nichts ändern würde, wenn wirklich ein Theil der Lebensmittel, welche der deutschen A r m e e v e r w a l t u n g geliefert worden sind, aus Luxemburgischen Gebiet gekommen oder durch dasselbe zugeführt worden wäre. Lieferungen der letztern Art würden dem Verkehrsleben angehören. Die Verproviantirung einer belagerten Festung mit Durchbrechung der Cernirung aber gehört in das Gebiet der militairischen Operationen. Zweitens hat eine große Anzahl französischer Militairs, die meistens vom Schlachtfelde zersprengt oder sich aus Metz gerettet hatten oder aus der Kriegsgefangenschaft entsprungen waren, durch Luxemburg ungehindert ihren Weg nach Frankreich zum Wiedereintritt in die französische Armee genommen. Das ist nicht nur in den verflossenen Monaten, sondern auch, nachdem die Note vom 3. v.Mts. der Großherzoglichen Regierung zugegangen war, der Fall gewesen. Von glaubwürdiger Seite ist es zur Kenntnis des Unterzeichneten gebracht worden, daß sich zu dem Zweck, französischen Soldaten zur französischen Armee durchzuhelfen, in Grevenmachern ein Comité gebildet hat, welches unter anderen den Kaufmann Joseph Keifer617 und den Gerber Carl Beck, Schwestersohn des Dr Föhr, zu seinen Mitgliedern zählt und unter dem Vorsitz des Advokaten Namür im Hotel Letall-Sohn 617  Nicht

weiter identifiziert, auch nicht die dann genannten Personen. 545

835. Bismarck an die luxemburgische Regierung, Versailles, 6. Januar 1871

seine Versammlungen hält, daß der Stationsvorsteher Serta in Wasserbillig ein förmliches Magazin von Civilkleidern für französische Soldaten vorräthig hält und daß Polizeibeamte in Grevenmachern solchen französischen Soldaten, anstatt ihre Festnahme und Internirung zu versuchen, mit Rath und Empfehlung beigestanden haben, um ihnen Verkleidungen nachzuweisen. In die Hände der deutschen Truppen gefallene Briefe von entsprungenen Kriegsgefangenen, die sich wieder bei französischen Truppenkörpern befinden, an ihre in deutschen Festungen zurückgebliebenen Kameraden zeichnen den durch Luxemburg zu nehmenden Weg vor und rühmen die daselbst den Schreibern zu ihrem Fortkommen gewährte Hülfe. Der Unterzeichnete ist von Seiner Majestät dem Könige, seinem allergnädigsten Herrn, angewiesen, an die Großherzogliche Regierung das Verlangen zu stellen, daß das obenerwähnte, in Grevenmachern bestehende Comité aufgelöst und alle französischen Militairpersonen, welche das Gebiet des Großherzogthums betreten, interniert werden. Es versteht sich, daß deutsche Militairs, wenn solche die luxemburgische Grenze überschritten haben, derselben Maßregel hätten unterliegen müssen, und wäre der Unterzeichnete über dabei etwa vorkommende Widersetzlichkeiten dankbar gewesen. Einer gefälligen Mittheilung über die Erfüllung seines Verlangens entgegensehend, giebt der Unterzeichnete sich gern der Erwartung hin, daß er nicht ferner Anlaß finden werde, über Nichterfüllung der durch die Neutralität gebotenen Pflichten seitens der Großherzoglichen Regierung Beschwerde zu erheben. Er ist beauftragt zu erklären, daß, wenn dieser wiederholten und letzten Warnung ungeachtet der Fall vorkommen sollte, daß französische Militairs das neutrale Gebiet Luxemburgs betreten, ohne internirt zu werden, die Regierung Seiner Majestät des Königs sich genöthigt sehen würde, zur Abwehr gegen ein solches der Neutralität des Großherzogthums eben so sehr wie den Interessen ihrer eigenen Kriegführung widersprechendes Verfahren die geeigneten militairischen Maßregeln zu ergreifen, um dieselben eventuell auch auf das Gebiet des Großherzogthums auszudehnen. Um einer solchen unerwünschten Eventualität nach Möglichkeit vorzubeugen, wird der Unterzeichnete bei Seiner Majestät dem Könige die Ermächtigung beantragen, mit der Großherzoglichen Regierung durch einen besonderen nach Luxemburg zu sendenden Bevollmächtigten eine Erwägung der Mittel herbeizuführen, durch welche der Wiederkehr der vorgekommenen Irrungen in der Zukunft vorgebeugt werden kann. Der Unterzeichnete hat diese Mittheilung zur Kenntniß der neutralen Regierungen gebracht, welche den Vertrag vom 11. Mai 1867 mit unterzeichnet haben, und benutzt diese Gelegenheit, um der Großherzoglichen Regierung die Versicherung seiner ausgezeichneten Hochachtung zu erneuern

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838. Bismarck an Reuß, Versailles, 10. Januar 1871

836*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 290–315. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 319, 325–326.

Das Verhältnis zwischen Bismarck und Moltke. – Frontnachrichten. – Abeken über Bismarck und Moltke. – Elsaß, Lothringen, Metz. – Der Kronprinz will zwischen Bismarck und Moltke vermitteln. – Der Name „Deutscher Kaiser“ und damit zusammenhängende Benennungen. – Unterredung zwischen dem Kronprinzen und Moltke. – Bismarcks Klagen über Moltke. – Prinz Luitpold von Bayern will einen besonderen Eid für das bayerische Heer. – Der König von Bayern kommt nicht nach Versailles. – Die Bezeichnung „Deutscher Kaiser“. – Differenzen zwischen Bismarck und Moltke über die Weiterführung der Operationen nach der Einnahme von Paris. Versailles, 7. – 14. Januar 1871 837. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12103, S. 53. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 98.

Versailles, 9. Januar 1871

Fürst Carl v. Rumänien hat in einem Privatbriefe an mich meinen Rath verlangt; ich antworte ihm heut und rathe ihm, da er selbst im Innern keinen Halt sähe und vom Ausland nach meiner Meinung keine Hilfe zu erwarten hat, daß er aus seiner Stellung sich freiwillig zurückziehen möge, ehe er dazu gezwungen würde. So viel ich ihn kenne, wird er noch die Meinung seines Vaters618 einholen; aber die Crise kann möglicherweise sehr bald eintreten. 838. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12103, S. 57–60. Vertraulicher Erlaß. Abschrift.

No. 38.

Versailles, 10. Januar 1871

Euer Durchlaucht Bericht No 246 vom 30. Decbr. v.J. und No 3 vom 2  d Mts., die Stellung Sr. Hoheit des Fürsten von Rumänien betreffend, habe ich erhalten. Dieselben haben mich in der seit längerer Zeit gewonnenen Ueberzeugung bestärkt, daß, wie sehr auch Se.M. der Kaiser persönlich von wohlwollenden Gesinnungen für die Person des Fürsten Carl beseelt ist, n

618  Des

Fürsten Karl Anton. 547

839. Bismarck an Reuß, Versailles, 10. Januar 1871

doch der Fürst von Rußland keinen Beistand und keinen Halt für seine Stellung zu erwarten hat. Die Aufforderung des Fürsten Reichskanzlers, Vorschläge darüber zu machen, wie dem Fürsten zu helfen sey, haben Ew. Durchlaucht mit Recht abgelehnt. Es würde aus der Linie, welche wir unserer Politik vorgezeichnet haben, hinausgehen, wenn wir darin irgend ein Interesse Deutschlands an der Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes in Rumänien bekunden wollten. Die Berichte des Generals Ignatieff über die Stimmung des Großveziers Aali Pascha und dessen eventuelle Geneigtheit, dem Fürsten zu einer andern Verfassung zu verhelfen, flößen mir um so weniger Vertrauen ein, als die Stimmung der Pforte gegen den Fürsten gerade seit der Rückkehr des Gesandten von St. Petersburg nach Constantinopel sich verschlechtert zu haben scheint. Mir scheint die Stellung des Fürsten, da sich nach seinem eigenen Urtheil im Innern keine Elemente, auf die er sich stützen könnte, vorfinden und von außen keine Hülfe zu erwarten ist, in der That kaum noch haltbar zu sein und der Augenblick bevorzustehen, wo er sich fragen muß, ob es nicht besser sey, aus freiem Entschluß einen Schritt zu thun, der ihm sonst durch eine gewaltsame Catastrophe würde aufgezwungen werden. Ich habe ihm in einem Privatschreiben619 persönlich nur rathen können, sich diese Frage ernsthaft mit allen ihren Consequenzen vor[zu]legen und sich über die Entschlüsse klar zu werden, welche die Rücksicht auf die Würde seiner Person und seines Hauses erfordert. 839. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/12151, S. 120–125. Erlaß. Abschrift.

No. 40.

Versailles, 10. Januar 1871

Die durch Artikel 16 des Pariser Vertrages vom 30. März 1856 niedergesetzte Europäische Donauschiffahrts-Commission, deren Beibehaltung, laut Ew.p. gefälligem Bericht vom 26. v.Mts. No. 244, das Oestreichische Cabinet bei der Londoner Conferenz vorzuschlagen beabsichtigt, hat sich für den Handel und die Schiffahrt Deutschlands als so nützlich erwiesen, daß auch im deutschen Interesse ihre Beibehaltung zu wünschen ist. Die Donaufürstenthümer besitzen einen großen Reichthum an Erzeugnissen des Ackerbaues und der Viehzucht, deren das westliche Europa bedarf, und bedürfen eine[r] große[n] Menge von Erzeugnissen der Gewerbe, welche 619  Unten

548

die Nr. 840.

839. Bismarck an Reuß, Versailles, 10. Januar 1871

Deutschland und das westliche Europa hervorbringen. Für den vortheilhaften Absatz ihrer Erzeugnisse, von welchem ihre Fähigkeit zum Ankauf abendländischer Waaren abhängt, sind sie auf den Wasserweg nach dem Schwarzen Meere und von da auf den Seeweg angewiesen. Die Beschaffenheit dieses Wasserweges bedingt daher den Umfang des Waaren-Austausches zwischen den Fürstenthümern und dem mittleren und westlichen Europa. Bis zur Zeit des Pariser Friedens ließ die Beschaffenheit dieses Weges Alles zu wünschen übrig. Die Einfahrt aus dem Schwarzen Meere in die Sulina-Mündung war versandet, der Sulina-Arm war vollständig verwildert, die Producte, welche verschifft werden sollten, mußten aus den Donauhäfen mit schweren Kosten auf Leichter-Fahrzeugen den Seeschiffen zugeführt werden, die Beleuchtung war ungenügend, die Polizei noch schlechter. Dieser Zustand hat sich, dank der einsichtigen Thätigkeit der Europäischen Kommission, vollständig geändert. Die Barre an der Sulina-Mündung ist durch Moolenbauten in das Meer hinausgeschoben. Der Sulina-Arm hat eine gleichmäßige Fahrtiefe erhalten, welche die Beladung der Seeschiffe unmittelbar aus den Flußschiffen oder aus den Niederlagen in den Hafen gestattet, die Beleuchtung ist ausreichend, und die polizeilichen Einrichtungen entsprechen dem Bedürfniß. Diese Veränderung ist innerhalb eines Zeitraums und mit einem Aufwande ausgeführt, welche im Verhältniß zum Umfange der Aufgabe gering waren. Der Ertrag einer Abgabe, welche die Schiffahrt nicht drückt, reicht aus, die gemachten Anlagen zu unterhalten und eine zur schnelleren Vollendung dieser Anlagen vor drei Jahren aufgenommene Anleihe zu verzinsen und zu amortisiren. Der Waaren-Austausch, zwischen den Fürstenthümern und dem mittleren und westlichen Europa hat sich ungemein gehoben, und die Anzahl der deutschen Schiffe, welche die Producte der ersteren von der Donau nach den europäischen Häfen bringen, ist im stetigen Zunehmen. Es würde eine Täuschung sein zu glauben, daß mit der einmal erfolgten Herstellung eines befriedigenden Zustandes die Aufgabe gelöst sei. Es kommt darauf an, diesen Zustand zu erhalten, und zu diesem Zweck bedarf es einer kräftigen, über die Verfolgung localer oder nationaler Interessen erhabenen, lediglich das allgemeine Interesse des Handels und der Schiffahrt wahrnehmenden Leitung. Diese Erwägungen sind es, welche mich bestimmt haben, dem im Eingang erwähnten Vorschlage Oesterreichs das Wort zu reden. Ew.pp. wollen dieselben zur Kenntniß des Herrn Fürsten Gortschakoff bringen und dabei meinen Wunsch wiederholen, daß das Kaiserliche Cabinet diesem Vorschlage, dessen Gegenstand es als gleichgültig für Rußland bezeichnet hat, nicht entgegen sein wolle.

549

843*. König Wilhelm I. an König Ludwig II., Versailles, 12. Januar 1871

840*. Bismarck an Fürst Karl Charles Ier, Chronique S. 651–653. Schreiben. – Vgl. auch ebenda S. 656–658, 662–669; DDI II,2 S. 31–32, 34–35.

Wenn er – Fürst Karl – zurücktritt, wäre die Lage für den Frieden im Orient viel beunruhigender, als sie es jetzt ist. England befolgt in der rumänischen Frage dieselbe Politik wie der Sultan in Konstantinopel. Die russische Politik wird von der traditionellen Vorstellung gegen die Vereinigung der beiden Donaufürstentümer beherrscht. Deutschland kann in orientalischen Dingen derzeit nicht intervenieren. Er – Fürst Karl – muß also sein Verbleiben im Land allein von der internen Lage abhängig machen. Versailles, 10. Januar 1871 841*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 660–661. Telegramm. Vgl. auch ebenda S. 662 (Nr. 2002); Werthern, Tagebuch S. 108, 110.

Der bayerische Wunsch, die bayerische Armee vom Fahneneide gegenüber dem „Bundesfeldherrn“ (Kaiser) zu dispensieren, verhindert den Abschluß mit Bayern. Versailles, 11. Januar 1870 842*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 661. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 662 (Nr. 2002).

Die Idee der Kaiserin Eugénie, mit ihr einen Frieden für Frankreich zu schließen, kann weiterverfolgt werden. Versailles, 11. Januar 1871 843*. König Wilhelm I. an König Ludwig II. Werthern, Tagebuch S. 109. Handschreiben (Abschrift).

Mit Zustimmung der deutschen Fürsten und Städte nehme ich die deutsche Kaiserwürde an. Das Reich wird „nach Sicherstellung seiner Grenzen gegen Frankreich“ ein Reich des Friedens sein. Versailles, 12. Januar 1871

550

846. König Wilhelm I. an Fürst Karl, Versailles, 13. Januar 1871

844. Bismarck an Brassier PA Berlin, RZ 201/7583, S. 18. Telegramm. In Ziffern. Revidiertes Konzept.

No. 42.

Versailles, 12. Januar 1871 Abgangsvermerk: zur Station 12. Januar 1871, 5 Uhr 10 Nachm.

Telegramm No. 3. erhalten. Die nochmalige Anfrage Ew.pp. wundert mich. Bei bereitwilligem Eingehen auf hiesige Dispositionen werden Sie die schickliche Form, der Einladung620 vorzubeugen, oder, wenn sie dennoch erfolgt, sie abzulehnen, selbst finden. Die Begleitung ist aus Rücksicht auf die Katholiken in Deutschland nicht zulässig. 845*. Lyons an Granville Newton, Lyons I S. 356–359. Privatdienstbrief.

Preußen hat mit der Bombardierung von Paris begonnen. Thiers hat mir im tiefsten Vertrauen gesagt, daß Bismarck, als er ihn in Versailles besuchte, einen Frieden angeboten habe unter der Bedingung einer Kriegsentschädigung, der Übergabe von Straßburg und des Elsasses und der Belassung von Metz und Lothringens bei Frankreich; Favre habe diese Bedingungen strikt abgelehnt. Bordeaux, 12. Januar 1871 846. König Wilhelm I. an Fürst Karl PA Berlin, RZ 201/12103, S. 92–97. Handschreiben. Revidierte Abschrift.

[o. Nr.]

Versailles, 13. Januar 1871

Durchlauchtigster Fürst, freundlich lieber Vetter, Das Schreiben, welches Eure Hoheit am 9. Dezember v.Js. an Mich gerichtet haben, hat Meine ganze Theilnahme in Anspruch genommen, und nicht ohne tiefe Bewegung habe ich die Darstellung der schwierigen Lage lesen können, in welcher Sie und Ihr Land sich befinden. Ich habe dasselbe nicht ohne sorgfältige und eingehende Erwägung der Verhältnisse beantworten wollen, und Ew.pp. wissen, welche Befriedigung es mir gewähren würde, wenn Ich eine Ihren Wünschen entsprechende Entwicklung in Aussicht stellen könnte. 620  Die italienische Regierung bei ihrem Umzug von der bisherigen Hauptstadt Florenz nach Rom zu begleiten.

551

846. König Wilhelm I. an Fürst Karl, Versailles, 13. Januar 1871

Die Schwierigkeiten, mit welchen Ew. Hoheit von Anfang an zu kämpfen gehabt haben und welche in der Natur der dortigen Verhältnisse liegen, würdige Ich vollkommen. Daß es Ew. Hoheit nicht gelungen ist, sie zu überwinden, dafür suche Sie den Grund hauptsächlich in der Verfassung, welche Sie im Drange der Umstände gezwungen waren anzunehmen. Sie wünschen daher, daß die Mächte, unter deren Schutz das Land steht, im Verein mit der Oberlehnsherrlichen Macht621 Sie durch ihre Autorität in den Stand setzen mögen, dies Hinderniß zu beseitigen und mit größerem Vertrauen an dem Gedeihen des Landes zu arbeiten. Aber Ew. Hoheit erkennen selbst, daß es ein wirklich gemeinsamer Europäischer Act sein müßte, aus dem Sie die Kraft zu den nöthigen Maßregeln schöpfen würden, und ich muß es zu Meinem Bedauern aussprechen, daß nach Meiner Kenntniß der Verhältnisse keine Aussicht auf das Zustandekommen eines solchen gemeinsamen Actes, dem Ich Selbst Mich gern angeschlossen haben würde, vorhanden ist. Ich weiß nicht, welche Antwort Ew. Hoheit auf Ihr an die übrigen Souveräne gerichtetes Schreiben erhalten haben oder erhalten werden; aber nach den durch Meine Regierung vertraulich angestellten Ermittelungen muß Ich leider annehmen, daß keine der betheiligten Mächte bereit ist, ihr Gewicht für die Verbesserung oder auch nur die Erhaltung der bestehenden Zustände Rumäniens einzusetzen. Was für Elemente sich Ihnen im Lande selbst zur Beseitigung der drohenden Anarchie und zur Begründung einer festeren und besseren Ordnung darbieten und wie weit Sie dabei auf den Gehorsam der Truppen, auf den Patriotismus des Rumänischen Volkes und auf dessen Einsicht in seine wahren Bedürfnisse rechnen dürfen, das können Ew. Hoheit allein beurtheilen. Es wird Ew. Hoheit Aufgabe sein, diese inneren Elemente in Rechnung zu ziehen ohne Rücksicht auf Hülfe von außen her; und wenn eine gewissenhafte Erwägung Ew. Hoheit zu einem Schritte führen sollte, durch den Sie sich, wie Sie andeuten, von aller und jeder Verantwortlichkeit lossagen, so bin Ich gewiß, daß Ew. Hoheit diesen Schritt in einer Weise und zu einer Zeit thun werden, daß die volle Freiheit und Selbstständigkeit dieses Entschlusses klar hervortrete. Es ist nicht Meine Absicht, Ihnen einen Rath zu geben. Ich habe nur Meine Auffassung der Verhältnisse Ihnen darlegen und das Vertrauen aussprechen wollen, daß Ew. Hoheit selbst die Verhältnisse am richtigsten beurtheilen und danach die Entschlüsse fassen werden, welche die Rücksicht auf die Würde Ihrer Person Ihnen an die Hand giebt.

621  Dem

552

Osmanischen Reich.

848. Schweinitz an Bismarck, Wien, 14. Januar 1871

Unter allen Umständen bitte Ich Ew. Hoheit, Meiner aufrichtigen Freundschaft und unveränderlichen Zuneigung gewiß zu sein, mit welcher ich verbleibe Eurer Hoheit freundwilliger Vetter 847*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 666–669. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 697. Ferner einen weiteren Immediatbericht vom selben Tag in: Friedrich III., Kriegstagebuch S. 480–483.

Im Prinzip ist ein Friedensschluß sowohl mit den Bourbonen als auch mit den Orleanisten möglich. Die republikanische Partei ist in sich zu gespalten, um mit ihr einen Frieden von einiger Dauer zu schließen. Dagegen ist ein Frieden mit den Bonapartisten am ehesten realistisch. Die Bedingungen sind: Elsaß, 4 Mio. Franken und Besetzung. Versailles, 14. Januar 1871 848. Schweinitz an Bismarck PA Berlin, RZ 201/8422, S. 26–27. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 17. Januar, (in Versailles) 20. Januar 1871.

No. 17.

Wien, 14. Januar 1871

Bei Gelegenheit einer vertraulichen Unterhaltung, welche ich auf dem Casino in Pest mit dem Sectionschef von Hofmann622 hatte, entwickelte mir derselbe folgende Ansichten: Es muß jetzt, sagte Herr von Hofmann, ein Verkehr herbeigeführt werden, ähnlich dem, welcher zur Zeit des Fürsten Metternich623 bestand; damals wurde jede Frage zwischen Berlin und Wien vorher besprochen, ehe eines der beiden Cabinete weiter vorging; damals kam die Direction meist von Oesterreich, jetzt wird sie von Deutschland als dem mächtigeren Staate ausgehen. Auch wenn man sich nicht völlig verständigt, so ist eine solche objective Besprechung doch nützlich; selbst bei auseinander gehenden Ansichten wird sich eine Resultante ergeben. 622  Leopold Frhr. von Hofmann (1822–1886), Sektionschef im österreichisch-ungarischen Ministerium des Äußern 1869–1875. 623  Klemens Wenzel Fürst von Metternich (1773–1859), Haus-, Hof- und Staatskanzler 1821–1848.

553

849. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 14. Januar 1871

Herr von Hofmann ist bekanntlich oberster Leiter der Presse; ohne die Haltung derselben, die in grellem Widerspruch zu den amtlichen Aeußerungen steht, zu berühren, fragte ich beiläufig, woher denn die vielen Artikel kämen, welche eine Friedensvermittelung Oesterreichs verlangen? Herr von Hofmann antwortete mit Bestimmtheit: „Das kommt von Außen, von Berlin; und als wir hörten, daß Sie nach Pest kämen, so glaubten wir, es sei deshalb.“ 849. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6166, S. 54–58.Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 20. Januar (AA), 24. Januar 1871 (Versailles).

No. 13.

St. Petersburg, 14. Januar 1871

Als ich dem Fürsten Gortschakow heute Euerer Excellenz Depesche vom 6ten d.Mts., welche an die Großherzoglich Luxemburgische Regierung gerichtet ist624, vorgelesen hatte, fragte er mich, ob wir nicht eventuell geneigt sein würden, dieses Ländchen zu Deutschland zu schlagen? Luxemburg habe eine anerkannt wichtige militairische Bedeutung und müsse daher für Deutschland von Wichtigkeit sein. Die heutige politische Existenz dieser Provinz sei unnatürlich; halb durch den Zollverein in seinen Handels-Interessen zu Deutschland gehörig, würde sie faktisch von einem Fürsten besessen, der sie gern los werden möchte. Die Bevölkerung selbst, wenn sie auch viel französische Sympathien gezeigt habe, würde es sich gern gefallen lassen, dem großen Deutschland anzugehören. Die Frage der Selbstständigkeit Luxemburgs sei eigentlich nur eine persönliche Frage des Prinzen Heinrich der Niederlande, der in dies Land und in seine dortige Stellung verliebt sei. Dieser Prinz würde sich natürlich mit allen Kräften sträuben, seinen Hof aufzugeben, doch sei dies nicht in Anschlag zu bringen. „Ich weiß wohl“, fuhr der Kanzler fort, „daß Sie nicht autorisirt sind, mir auf meine Frage zu antworten oder sich in eine Diskussion der von mir angeregten Kombination einzulassen. Ich glaube aber, man müßte dieselbe ernsthaft in’s Auge fassen, weil sie den Friedensschluß vielleicht erleichtern dürfte. Luxemburg ist für Deutschland eine zu kostbare Erwerbung, um nicht dafür ein Stück von Deutsch-Lothringen, welches man jetzt nicht wieder herausgeben möchte, zu opfern. Es wäre gut, wenn wir nach Combinationen suchen, welche den Frieden beschleunigen könnten, denn es ist Zeit, daß man Frieden mache.“ Ich habe hierauf erwiedert, daß ich allerdings nicht in der Lage sei, diese vom Kanzler angeregte Kombination zu besprechen. Dieselbe sei zwar schon 624  Oben

554

Nr. 835.

851*. Bismarck an Favre, Versailles, 16. Januar 1871

öfters während der Dauer des Krieges in der ausländischen Presse behandelt worden, meine Allerhöchste Regierung habe sich indessen niemals darüber in irgend einer Weise geäußert. Was die Wiederherstellung des Friedens anbetreffe, so würde dieselbe von Seiner Majestät dem Könige ebenso dringend gewünscht wie von irgend Jemand. Leider sei aber bis jetzt in dem Verhalten der französischen Machthaber noch nicht die geringste Spur zu entdecken, daß diese den Frieden ernstlich haben wollten, noch daß sie sich dazu bequemen wollten, die wahre Sachlage anzuerkennen. Ich versicherte den [= dem] Kanzler auf’s Neue, daß jede direkt von den Franzosen an das deutsche Ober-Kommando gelangende, den Frieden oder den Waffenstillstand betreffende Äußerung dort entgegengenommen werden würde. 850*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 315–337. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 483–484.

König Wilhelm I. hat offiziell – nach Zustimmung aller Fürsten und Freien Städte – die Kaiserwürde angenommen. – Denkschriftenkrieg zwischen Moltke und Bismarck. – Der König lehnt die Bezeichnung „Deutscher Kaiser“ strikt ab. – Am 18. Januar Versammlung im Spiegelsaal des Schlosses Versailles; Ausrufung durch den Großherzog von Baden mit dem Hoch auf „Kaiser Wilhelm“ (statt „Kaiser von Deutschland/Deutscher Kaiser“). – Bismarcks Rücktrittsabsichten. – Die bayerische Abgeordnetenkammer hat die Verträge angenommen. – Keudell über Bismarck und Moltke und über den Friedensschluß. – Der Kronprinz und diese Differenzen. – Kultusminister Mühler. – Jules Favre bei Bismarck. Versailles, 15.–23. Januar 1871 851*. Bismarck an Favre Bismarck, GW VIb S. 669–671. Schreiben. – Vgl. ebenda S. 675, 676–678; Correspondence of Gladstone and Granville I S. 211.

Da die Regierung der Nationalen Verteidigung völkerrechtlich nicht anerkannt ist, kann er ihm keinen Geleitschein zur Teilnahme an der Londoner Konferenz ausstellen. Er sollte vielmehr in Paris bleiben zum Schutz der dort befindlichen Diplomaten der neutralen Staaten. Versailles, 16. Januar 1871

555

854. Bernstorff an Bismarck, London, 17. Januar 1871

852*. Bismarck an Itzenplitz Bismarck, GW VIb S. 671–672. Telegramm.

Übermittelt den Aufruf „An das deutsche Volk“625 bei der Ausrufung des Reiches am 18. Januar. Versailles, 17. Januar 1871 853*. Bismarck an Kern626 Documents dipl. suisses II S. 482–486. Note. – Vgl. auch ebenda S. 487–493.

Er lehnt es ab, den unterzeichnenden neutralen Diplomaten und ihren Staatsangehörigen während der Belagerung von Paris speziellen Schutz zu gewähren. Es hat in den voraufgegangenen Wochen nicht an Warnungen gefehlt, die Stadt zu verlassen. Versailles, 17. Januar 1871 854. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12151, S. 304–305. Telegramm. Entzifferung.

No. 25.

London, 17. Januar 1871, 6 Uhr 20 Min. Nachm. Ankunft: 17. Januar 1871, 10 Uhr 20 Min. Nachm.

Die Conferenz ist heute ohne Französischen Bevollmächtigten eröffnet und hat nicht viel über eine halbe Stunde gedauert627. Alle Erklärungen sind friedlich und versöhnlich. Protocoll ad hoc ohne Anstand von Allen unterschrieben. Die nächste Sitzung ist auf Lord Granville’s Vorschlag auf volle acht Tage verschoben, um M. Jules Favre Zeit zu geben zu kommen. Ich allein habe dies bekämpft und nächsten Freitag vorgeschlagen, und nur Graf Apponyi hat mich in so weit unterstützt, daß er Dienstag den 24n wenigstens als unwiderruflichen Termin festgesetzt wissen wollte, während Lord Granville sich noch vorbehielt, die Sitzung wieder um einen oder zwei Tage zu verschieben, wenn er am Dienstag bestimmt wüßte, daß M. Jules Favre am Mittwoch oder Donnerstag hier sein würde628. Bericht folgt per Post. 625  Text

u. a. in: StA 20 (1871) S. 97. Konrad Kern (1808–1888), Schweizer Gesandter in Paris 1857–1883. 627  Protokoll u. a. in: StA 20 (1871) S. 185–190. – Die folgende Sitzung fand am 24. Januar 1871 statt. Protokoll dieser Sitzung und der folgenden: ebenda S. 190–213. 628  Favre erschien tatsächlich auf keiner der folgenden Sitzungen. 626  Johann

556

858*. Bismarck an Flemming, Versailles, 22. Januar 1871

855. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12151, S. 312. Telegramm. Entzifferung.

No. 506.

Versailles, 18. Januar 1871, 11 Uhr 45 Min. Vorm. Ankunft: 18. Januar 1871, 3 Uhr 45 Min. Nachm.

Ich bitte, in Anknüpfung an eine Correspondenz aus Wien vom 11n d.M. in der Allgemeinen Zeitung vom 13ten in die Presse zu bringen, daß der preußische Botschafter die bestimmte Weisung habe, bei etwaiger Anregung der französischen Frage sofort und ohne Weiteres [die Londoner Konferenz] zu verlassen. 856*. Erbprinz Leopold an Erbprinzessin Antoinette629 Becker, „Diversion“ III S. 181–182. Schreiben. – Vgl. auch Abeken, Leben S. 495–497; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 329–330, 332–344; DDI II,2 S. 64.

Eben ist im Schloß von Versailles das Deutsche Kaiserreich proklamiert worden. Versailles, 18. Januar 1871 857*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 673–674. Telegramm.

Der Abgesandte der Kaiserin Eugénie zur Unterhandlung eines Waffenstillstandes kommt zu spät. Versailles, 20. Januar 1871 858*. Bismarck an Flemming Bismarck, GW VIb S. 674–675. Erlaß.

Der Bundesrat wird am 20. Februar, der Reichstag am 9. März zusammentreten. Versailles, 22. Januar 1871

629  Antoinette [Antonia] (1845–1913), geb. Infantin von Portugal; verheiratet 1861 mit Erbprinz Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen.

557

861. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 26. Januar 1871

859*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 338–363. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 352–353, 354–359.

Favre mehrmals bei Bismarck. – Delbrück gegen Kohlestationen in Übersee. – Feuereinstellung am 27. Januar. – Forckenbeck vom Preußischen Abgeordnetenhaus im Hauptquartier. – Am 28. Januar Waffenstillstand. – Besichtigung der Forts. – O. Russell. – Die Armee Bourbaki geht in die Schweiz. – Favre erneut mehrmals bei Bismarck. – Die Wahlen zur französischen Konstituante. – Bismarck gegen Favres Reise zur Londoner Konferenz wegen der Schwarzmeerfrage. – Gambetta. – Wünsche der deutschen Handelswelt wegen französischer Kolonien. – Rücktritt Gambettas in Bordeaux. – Die Wahlen zur Konstituante. Versailles, 24. Januar – 7. Februar 1871 860*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 675–676. Erlaß.

Aus dem Schreiben Granvilles an Favre geht erneut hervor, daß die Sympathien Englands bei Frankreich liegen. Das ist zu bedauern. Versailles, 25. Januar 1871 861. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12152, S. 175–176. Telegramm. Entzifferung.

No. 528.

Versailles, 26. Januar 1871, 2 Uhr - - Min. Vorm. Ankunft: 26. Januar 1871, 5 Uhr 35 Min. Nachm.

Graf Bernstorff’s Telegramm No. 31 über die Ergebnisse der Conferenz am 24ten muß als Duplicat in Ihren Händen sein630. Ich bitte an Prinz Reuß daraus die vier Artikel zu telegraphiren und hinzuzufügen: „Ich finde in dieser Redaction nichts, was unseren Interessen widerstrebte; und sie scheint den mir bisher bekannt gewordenen Intentionen des Russischen Cabinets zu entsprechen. Es wäre daher erwünscht, wenn letzteres seine Zustimmung gäbe. Über die Form der Abmachung, ob Convention oder Protokoll, sind wir bereit, auf Rußland’s Wünsche einzugehen, und wünschen nur, daß durch Formfrage der sächliche Abschluß nicht erschwert werde. 630  Vgl.

558

oben Anm. 627.

862. Bismarck an Reuß, Versailles, 26. Januar 1871

Graf Bernstorff sagt, die Donau-Frage werde noch zur Sprache kommen, alle anderen, insbesondere die rumänische, seien abgelehnt.“ 862. Bismarck an Reuß PA Berlin, RZ 201/6166, S. 93–95. Vertraulicher Erlaß. Revidiertes Konzept.

No. 45.

Versailles, 26. Januar 1871

Ew.pp. gef. Bericht No. 13 v. 14. d.M.631 habe ich erhalten und daraus mit Interesse die Gedanken ersehen, welche Fürst Gortschakov Ihnen in Bezug auf Luxemburg ausgesprochen hat, und kann die Art, wie Ew.pp. sich ihm gegenüber geäußert haben, nur billigen. Daß unseren letzten Verhandlungen mit Luxemburg, deren gerechte Verteidigung durch das Kaiserliche Kabinet uns zur Befriedigung gereicht hat, keine Absicht gegen die Unabhängigkeit des Großherzogthums zu Grunde gelegen hat, sondern daß dieselben nur unsere militairische Sicherung gegen die aus der Nichtaufrechterhaltung der Neutralität entspringenden Nachtheile bezweckten, haben Ew.pp. richtig aufgefaßt. Ich kann allerdings dem Herrn Kanzler darin beistimmen, daß die jetzige politische Existenz des Großherzogthums eine unnatürliche ist. Auch ist es wohl keinem Zweifel unterworfen, daß die Anlehnung an das deutsche Reich die natürlichste für das Großherzogthum sein würde. Aber dieselbe liegt mehr im Interesse Luxemburg’s als Deutschland’s und müßte eine freiwillige sein. Wir haben unsererseits kein Mittel und kein Bedürfniß, darauf hinzuwirken. Den Gedanken, daß eine solche Combination für die Friedensverhandlungen vermuthet werden könnte, habe Ew.pp. mit Recht abgelehnt. Wir sind nicht in der Lage, über fremdes Eigenthum zu verfügen, um Frankreich eine Erleichterung in der Gebiets-Abtretung, welche wir aus strategischen Rücksichten zur Sicherung der deutschen Grenze für nothwendig halten, zu gewähren. Wir haben der Kais. Russischen Regierung schon im September unser Programm und die Motive desselben mitgetheilt. Nachdem seit jener Zeit wieder beinahe 5 Monate einer Kriegführung verflossen sind, welche uns nur schwere Opfer auferlegt hat, wollen wir dieses Programm, welches eine strategisch schützende Grenze durch den Einschluß von Metz erstrebte, zwar nicht erweitern können, aber auch nicht hinter dasselbe zurückgehen. Bei aller seiner Ew.pp. bekannten Mäßigung und Friedensliebe würde Se Majestät der König es vor Deutschland nicht verantworten können, der Nation den Verzicht auf jenes Programm zuzumuthen. 631  Oben

Nr. 849. 559

864*. Bismarck an König Wilhelm I., Versailles, 28. Januar 1871

Ich bitte Ew.pp., an dieser Auffassung auch ferner festzuhalten. 863. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12152, S. 298–300. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 31. Januar, (in Versailles) 3. Februar 1871.

No. 20.

St. Petersburg, 27. Januar 1871

Das englische Kabinet hat durch Sir Andrew Buchanan632 den Fürsten Gortschakow bitten lassen, er möchte seine Zustimmung dazu geben, daß dem Parlament erklärt werden könne, Frankreich habe schon früher der Russischen Regierung Vorschläge wegen Abänderung der Restriktiv-Klauseln des Pariser Friedens gemacht. Lord Granville hat diese Autorisation als eine besondere Gefälligkeit verlangt, weil eine solche Erklärung das jetzige Ministerium vor dem Parlament wesentlich unterstützen könnte. England will also seine nachgiebige Haltung in der Frage gewissermaßen dadurch entschuldigen, daß Frankreich die jetzt beschlossene Aufhebung der für Rußland anstößigen Bestimmungen schon früher angeregt habe. Fürst Gortschakow hat dies verweigert. Er hat dem Botschafter erklärt, daß, wenn auch vielleicht Seitens der früheren Kaiserlich französischen Regierung hier und da eine wohlwollende Phrase gemacht worden sei, so könne er doch mit gutem Gewissen nicht behaupten, daß es bis zu förmlichen Vorschlägen gekommen sei633. Außerdem scheine es ihm nicht würdig, Frankreich, welches sich jetzt im Unglück und in vollkommener Ohnmacht befinde, vorzuschieben. 864*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 679–680. Immediatbericht. – Vgl. auch ebenda S. 680–681, 683–684, 693–694; Abeken, Leben S. 507, 508–510; BDFA I F XXXII S. 324–327.

Er meldet, daß der Waffenstillstand mit Frankreich geschlossen ist634. Versailles, 28. Januar 1871

632  Sir Andrew Buchanan (1807–1882), englischer Botschafter in St. Petersburg 1864 – Oktober 1871. 633  Zu förmlichen Abmachungen – allerdings geheimen – in dieser Hinsicht war es bereits 1858/59 bei der Vorbereitung des Krieges gegen Österreich gekommen. Vgl. z. B. Europa und die Türkei Nr. 208. 634  Text u. a. in: Archives Dipl. 41 (1871) S. 1418–1423; StA 20 (1871) S. 397– 401.

560

865. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 30. Januar 1871

865. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6284, S. 116–119. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 2. Februar (im AA), 5. Februar 1871 (in Versailles).

No. 22.

St. Petersburg, 30. Januar 1871

In Folge des mir durch Euerer Excellenz Telegramm No. 103 vom 28ten d. Mts. gewordenen Befehles habe ich die große Nachricht von der Kapitulation der Forts von Paris und von der Unterzeichnung des dreiwöchentlichen Waffenstillstandes sofort zur Kenntniß der hiesigen Regierung gebracht. Der Kaiser hat mir sehr herzlich gratulirt und die Hoffnung ausgesprochen, daß dieses große Ereigniß uns bald zum Frieden führen würde. Ich machte Seine Majestät darauf aufmerksam, wie wichtig es im allgemeinen Interesse sei, daß dieses Bollwerk Frankreichs gefallen und hiermit die Proklamationen und Hoffnungen der französischen Machthaber vernichtet worden wären, welche mit großer Bestimmtheit der ganzen Welt versichert hatten, Frankreich werde durch die Republik allein gerettet werden. Dieser Fall sei ein empfindlicher Schlag für die Republikanische Partei in allen Ländern, und jeder Wohlgesinnte würde dadurch gewinnen. Der Kaiser erwiederte mir: „C’est vrai, vous avez rendu un grand service au principe monarchique et toutes les Monarchies en sont redevables à la Prusse.“ Fürst Gortschakow knüpfte an seinen Glückwunsch die Bemerkung, er hoffte, der Sieger würde sich gemäßigt zeigen und den von aller Welt so heiß ersehnten Frieden ermöglichen. Ich habe ihm erwiedert, dies würde einzig und allein davon abhängen, ob die Franzosen wirklich zur Erkenntniß ihrer Lage gekommen seien. Der Eindruck, den diese Nachricht auf das hiesige Publikum gemacht hat, ist begreiflicherweise ein großer gewesen. Unsere Freunde freuen sich unseres neuen Triumphes, und alle diejenigen, die nach Frieden seufzen, sind zufrieden, weil sie hoffen, daß Letzterer nicht mehr lange auf sich warten lassen wird. Die wenigen eingefleischten Franzosen-Freunde allein ärgern sich, daß alle ihre Prophezeiungen zu Wasser geworden und daß die deutschen Armeen nicht gezwungen worden sind, die Belagerung aufzuheben. Man erklärt sich jetzt auch das Schreiben, welches Euere Excellenz unter dem 16ten Januar an Jules Favre gerichtet haben635 und welches Anfangs höchsten Ortes hier mißfallen haben soll. Man sieht ein, daß Herr Favre in Paris zurückgehalten werden mußte, um bei der nahe bevorstehenden und in

635  Bismarck,

GW VIb S. 669–671. 561

869*. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 2. Februar 1871

Versailles erwarteten Katastrophe die ihm gebührende und für uns nothwendige Rolle des Vermittlers zu übernehmen. 866*. Bismarck an König Wilhelm I. Bismarck, GW VIb S. 684–685. Immediatbericht.

Wegen der Konventionen mit den süddeutschen Staaten gibt es unterschiedliche Texte der Verfassungen des neuen Deutschland. Die Texte sollten jetzt vereinheitlicht werden. Versailles, 1. Februar 1871 867*. Schweinitz an Kronprinz Friedrich Wilhelm Friedrich III., Kriegstagebuch S. 485–486. Ganz vertraulicher Bericht.

Die Herausgabe der Reichskleinodien wäre eine Demütigung für Österreich. Dieses hat sich im jetzigen Krieg vortrefflich verhalten, obwohl viele Kreise sich am Krieg beteiligen wollten. Der Fortbestand der gefährdeten Monarchie ist für das neue Deutschland wichtig. Wien, 1. Februar 1871 868*. Bismarck an Bismarck-Bohlen636 Bismarck, GW VIb S. 686. Erlaß.

Falls im Elsaß Wahlen zur Volksvertretung in Bordeaux stattfinden sollten, sind sie einfach zu ignorieren; sie werden nicht anerkannt. Versailles, 2. Februar 1871 869*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 686–687. Telegramm.

Die Paragraphen des Friedensinstruments sollen in Berlin auf deutsch entworfen, französisch übersetzt und hergesandt werden. Versailles, 2. Februar 1871

636  Graf Friedrich Theodor von Bismarck-Bohlen (1818–1894), Generalleutnant; Generalgouverneur des Elsaß 1870–1871; General der Kavallerie (Charakter) 1873.

562

871. Reuß an Bismarck, Petersburg, 3. Februar 1871

870. Bernstorff an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12153, S. 36–39. Telegramm. Entzifferung. Auszug.

No. 53.

London, 3. Februar 1871, 10 Uhr 1 Min. Nachm. Ankunft: 4. Februar 1871, 2 Uhr 15 Min. früh

Heutige mehr als fünf-stündliche Conferenz hat nicht viel weiter geführt637 […]. Baron Brunnow ist andererseits unzufrieden, daß die Donau-Frage in der Conferenz behandelt und drei darauf bezügliche Artikel in den Vertrag eingeschaltet werden sollen, weil dies keine politische, sondern eine commerzielle Frage sey und den Schluß der Conferenz verzögern könnte. Da sie aber mit der Frage des schwarzen Meeres in naher Verbindung steht und auch im Pariser Vertrag von 1856 behandelt worden ist, so bestand Graf Apponyi darauf, und die Artikel wurden in den Vertrags-Entwurf aufgenommen. Nur gegen die Verlängerung der europäischen Commission auf zwölf Jahre, wie Oesterreich sie vorschlägt, hatte Baron Brunnow nichts einzuwenden und behauptete, weiter gingen seine Instructionen nicht. Ew. Excellenz möchte ich wohl bitten, in St. Petersburg dahin wirken zu lassen, daß H. von Brunnow keine Schwierigkeiten weiter mache, da alsdann voraussichtlich weiteren Forderungen Oesterreichs vorgebeugt würde. Nächste Sitzung Dienstag, den 7ten d.Mts. Berichte folgen morgen durch Feldjäger. 871. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12153, S. 177–182. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 14. Februar, (in Versailles) 17. Februar 1871.

No. 25.

Petersburg, 3. Februar 1871

Euerer Excellenz hohen Erlaß No 44 vom 26. v.Mts., die Form-Frage der Konferenz-Beschlüsse betreffend, habe ich gestern zu erhalten die Ehre gehabt. Schon früher hatte ich die Ehre, Euerer Excellenz zu melden, daß Fürst Gortschakoff dem Russischen Bevollmächtigten freie Hand gelassen hätte, die Frage so zu regeln, wie sie in London sich als am zweckmäßigsten erweise, weil es nicht im Vortheil Rußlands liege, den sachlichen Abschluß durch Formfragen zu erschweren. 637  Protokoll der Londoner Schwarzmeer-Konferenz vom 3. Februar 1871 u. a. in: StA 20 (1871) S. 195–205.

563

871. Reuß an Bismarck, Petersburg, 3. Februar 1871

Es ist dem Kanzler vor Allem darum zu thun, daß ein Abschluß erfolge, und er glaubt, daß er sich in diesem Wunsch, außer mit Euerer Excellenz, auch mit dem Grafen Granville begegne. Das Kaiserliche Kabinet hat daher den Entschluß gefaßt, den Widerstand, den es anfänglich der Fassung des Art. II638 entgegengestellt, aufzugeben. Fürst Gortschakow legte hierauf gleich anfangs keinen Nachdruck, und war es namentlich der Kaiser, dem die Ausschließung der Uferstaaten anstößig erschien. Der Wunsch, schneller zu Ende zu kommen, hat aber auch den Kaiser bewogen, dieses Bedenken fallen zu lassen, und Baron Brunnow hat gestern den Befehl erhalten, die vier Artikel in ihrer ursprünglichen Fassung zu unterzeichnen, hierbei aber die Weisung bekommen, alles aufzubieten, um die endgültige Unterzeichnung eines internationalen Aktes zu Stande zu bringen. Es sei gleichgültig, ob dies in der Form einer Konvention oder eines Protokolles geschähe, nur müsse man ein fait accompli haben, wodurch die Mächte gebunden seien und welches die englischen Minister dem Parlament als eine abgemachte Sache vorlegen könnten. Lord Granville habe geglaubt, daß die Pariser Kapitulation das Erscheinen eines Franzosen in der Konferenz ermöglichen werde, und habe er deshalb den Abschluß hinausschieben wollen. Er, Fürst Gortschakow, sähe aber gar nicht ein, wozu dies nöthig wäre. Frankreich habe an den beiden ersten Hauptberathungen nicht Theil genommen, es sei daher ganz gleichgültig, ob es sich an der Letzten betheilige. Man habe einmal das Prinzip der Berathungen o h n e Frankreich, vorbehaltlich seines späteren Beitritts zu den gefaßten Beschlüssen, angenommen, und man möge dabei bleiben. Lord Granville habe ferner geäußert, die jetzigen Abmachungen müßten auf dem Europäischen Congreß validirt werden, welcher doch so wie so nach dem Frieden zusammen zu treten habe, um das neue Europäische Recht zu sanktioniren. Die Nothwendigkeit eines solchen Kongresses sei nun aber durchaus nicht erwiesen. Die Pontus-Frage sei im Begriff, durch eine eigene dazu versammelte Europäische Konferenz geregelt zu werden; hierzu sei daher ein Kongreß nicht mehr nöthig. Letzterer würde sich daher nur mit Ein-Registrirung des zwischen Deutschland und Frankreich abzuschließenden Friedens zu beschäftigen haben. Käme es zum Frieden, so seien dessen Bedingungen von Deutschland mit den Waffen erkämpft worden; da nun Niemand den Deutschen dabei geholfen habe, so sei auch Niemand berufen, sich in diesen Friedensschluß zu mischen; noch weniger sei es aber der Würde der Großmächte entsprechend, sich zu versammeln, blos um einen neuen Zustand zu sanktioniren, zu dessen Herstellung sie nicht beigetragen hätten.

638  Betreffend

564

die Öffnung der türkischen Meerengen (Text: ebanda S. 204).

872. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 3. Februar 1871

Zu Anfang des Krieges lautete die Sprache des Fürsten Reichs-Kanzlers anders, als er mir die Nothwendigkeit eines Europäischen Kongresses auseinander zu setzen versuchte. 872. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9869, S. 41–51. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 14. Februar, (in Versailles) 17. Februar 1871.

No. 28.

St. Petersburg, 3. Februar 1871

Fürst Gortschakow nahm heute Veranlassung, mir Einiges aus einer eben von Wien eingetroffenen Expedition vorzulesen, hierunter in ganz vertraulicher Weise einen Privatbrief des Herrn von Nowikow, der sich weitläuftig über die Politik des Grafen Beust ausläßt. Da der Kaiserliche Kanzler die Ansichten des Gesandten vollständig zu theilen schien und mir deshalb diesen Brief vorlas und mit Bemerkungen begleitete, so glaube ich den Inhalt desselben näher angeben zu müssen. Graf Beust ist nicht direkt feindselig gegen Rußland, er unterstellt seiner Person und seinem persönlichen Interesse aber die Politik der OesterreichischUngarischen Monarchie. Im Innern schmeichelt er bald dem Einen, bald dem Andern und führt Alle an der Nase herum. Er weiß, daß er mit dem von ihm erfundenen Dualismus stehen und fallen wird, sein ganzes Bestreben ist daher einzig und allein darauf gerichtet, diese Schöpfung so lange als möglich und mit allerhand Künsten zu erhalten, möge die Monarchie auch darüber zu Grunde gehen. Die Auswärtige Politik dient dem Kanzler nur zu diesem Zwecke. Um den Deutschen in Oestreich sich gefällig zu verweisen, läßt er den Prager Frieden639 ruhig zusammenstürzen und überbietet sich in Freundschaftsversicherungen gegen das neue deutsche Reich. Um den Ungarn Genüge zu leisten, zeigt er sich ein eifriger Verfechter der dortigen Interessen an der Donau, verlegt den Schwerpunkt nach Osten, schreibt und publizirt stichelnde Depeschen gegen das in Ungarn verhaßte Rußland und entschuldigt sich vor der Delegation wegen seiner Freundschaft mit Deutschland, indem er behauptet, die Avancen seien ihm von Versailles aus gemacht worden, und er habe nur darauf geantwortet. Außerdem läßt er durchblicken, daß die Preußisch-Deutsche Freundschaft auch ihre Früchte für Ungarn tragen werde und die Monarchie dadurch freie Hand nach dem Orient hin bekommen werde. Während Preußen der Wächter am Rhein sei, bleibe Oestreich-Ungarn der Wächter an der Donau etc. etc. Die Reise des Generals von Schweinitz nach Pest wird auch in dieser Richtung verwerthet. 639  Von

1866 (zwischen Österreich und Preußen). 565

872. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 3. Februar 1871

Die Nutzanwendung zu dieser Schilderung des politischen Charakters des Grafen Beust versäumte Fürst Gortschakow nicht zu machen. Sie lag nahe und hieß im kurzen Auszug: Graf Beust bemüht sich, die Kabinette von St. Petersburg und Berlin zu entzweien. Sein Spiel ist so perfide, daß es ihm vielleicht gelingen könnte, uns auf dem schlüpfrigen Boden der Oestreichischen Freundschaft unbemerkt bis zu einem Punkte zu führen, wo die Freundschaft für Oestreich sich mit den russischen Interessen nicht mehr vertragen dürfte. Der Kanzler bemerkte, er sei weit davon entfernt, hierdurch auch nur das geringste Mißtrauen gegen die zukünftige Politik Seiner Majestät des Kaisers, unseres Allergnädigsten Herrn, auszusprechen, denn das Vertrauen in Allerhöchstdessen unerschütterliche Freundschaft für Rußland sei felsenfest. Er halte es aber für seine Pflicht, uns bei Zeiten vor dem Wiener Ränkeschmied zu warnen. Die Reden desselben könnten nicht unbemerkt verhallen; sie würden auf die Russische Nation allmählich den Eindruck machen, als wenn das deutsche Reich sich zum Beschützer der antirussischen Interessen Oestreich-Ungarns gemacht habe; dieser Eindruck würde aber ein Mißtrauen gegen Deutschland in Rußland hervorrufen können, welches zu bedauern sei; ja einzelne besonders Preußenfeindliche Organe der hiesigen Presse fingen bereits an, über das Thema zu polemisiren, daß, wenn das deutsche Reich mit Frankreich fertig sein werde, es im Bunde mit Oestreich über Rußland herfallen würde. Ich dankte zuvörderst dem Kanzler für seine Mittheilung und für den Eifer, den er an den Tag gelegt, um uns vor Intriguen zu warnen, welche gegen unser gegenseitiges gutes Einvernehmen gesponnen würden. Ich versicherte ihm, daß solche Intriguen bei meinem Allerhöchsten Herrn keinen Boden finden könnten und daß, wenn anders man uns in Wien wirklich Fallen stellen wollte, ich nicht glaubte, daß wir hineingehen würden. Ich konnte aber nicht umhin, ihm mein größtes Erstaunen über den Anflug von Mißtrauen merken zu lassen, der offenbar in seinen Reden zu finden war. Ich sagte ihm, daß, wenn er mir von dem Verdachte spreche, der sich in Rußland gegen unsere Absichten zu zeigen beginne, ich ihn dagegen fragen möchte, wo denn der Umschwung in der öffentlichen Meinung geblieben sei, den er mir in so bestimmter Weise zu unseren Gunsten in Aussicht gestellt habe. Damals, als er sein Cirkular vom 19/31 October, ohne uns vorher zu avertiren, in einem Augenblick in die Welt geschleudert habe, der meiner Allerhöchsten Regierung nicht bequem gewesen sei, habe er an unsere Unterstützung appellirt und mir mehr als einmal versichert, daß unsere freundschaftliche Haltung das Verständniß der Russischen Nation für die vom Kaiser im jetzigen Kriege befolgte Politik erwecken werde. Rußland würde erkennen, wo es seine wahren Freunde zu suchen haben werde.

566

873. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 4. Februar 1871

Seit der Zeit habe die Regierung Seiner Majestät auf das Gewissenhafteste ihr Versprechen erfüllt, und brauchte ich nicht erst daran zu erinnern, welche Dienste der vom Kaiser Alexander so dringend gewünschten Sache von uns aus geleistet worden seien. Ich müßte dagegen anerkennen, daß damals meinem Wunsche entsprochen und der Russischen Presse größere Mäßigung anempfohlen worden sei. Lange habe dies jedoch nicht vorgehalten und jetzt, wo die Verdächtigungen gegen Deutschland wieder lauter zu werden anfingen, könnte ich nicht bemerken, daß Seitens der Kaiserlichen Regierung, die doch besser wisse, wie die Sachen ständen, irgend etwas geschehe, um den verbreiteten unsinnigen Annahmen entgegen zu treten und die irre geleitete öffentliche Meinung zu dirigiren. Dem Kanzler war es offenbar unbequem, daß ich den Spieß umgedreht hatte. Er fand hierauf nicht viel zu antworten; meinte, es sei schwierig für die Regierung, etwas über die Konferenz zu veröffentlichen und auf diese Weise dem Lande gegenüber von unserer freundschaftlichen Haltung Zeugniß abzulegen; vielleicht könnte in unserer Presse darüber geschrieben werden und dergl. mehr. Es ist zu bedauern, daß Fürst Gortschakow gegen Verdächtigungen, die hier in reichem Maße gegen uns ausgestreut werden und wozu die Wien’er Insinuationen einen gewünschten Vorwand geben, nicht selber fester gewaffnet ist. 873. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12153, S. 60–61. Telegramm. Entzifferung.

No. 554.

Versailles, 4. Februar 1871, 9 Uhr – Min. Nachm. Ankunft: 5. Februar 1871, 8 Uhr 30 Min. Vorm.

Theilen Sie dem Präsidenten Delbrück Graf v. Bernstorff’s Telegramm No. 53 wegen gestriger Conferenz mit und sagen Sie ihm, ich hätte an Graf Bernstorff telegraphirt: Wir hätten in St. Petersburg nicht ohne Widerstreben Zustimmung zu Verlängerung der europäischen Commission erlangt; weiteren Druck würden wir dort nicht ausüben, da unsere Handelsinteressen nicht weiter gingen; er möge sich mit Baron Brunnow verständigen, wie weit dieser gehen könne, und nicht darüber hinaus gehen.

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875. Wentzel an Bismarck, Darmstadt, 4. Februar 1871

874*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 687–688. Telegramm.

Er soll in die Presse streuen, daß Deutschland keinerlei französischen Kolonien haben wolle. Versailles, 4. Februar 1871 875. Wentzel an Bismarck PA Berlin, RZ 201/3031, S. 129–134. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 7. Februar 1871.

No. 3.

Darmstadt, 4. Februar 1871

Euerer Excellenz habe ich wiederholt zu melden Gelegenheit gehabt, wie die Begeisterung für die große nationale Sache seit dem Beginn des Krieges auch im Großherzogthum Hessen, namentlich in Darmstadt, in allen Kreisen – einige Unverbesserliche ausgenommen – mächtig hervorgetreten ist. Auch hier sind viele bisherige Gegner der deutschen Einheit unter Preußen zu warmen Vertretern dieser Einheit geworden. Allein es erscheint schon jetzt die Besorgniß nicht ungerechtfertigt, daß nach dem Kriege die früheren particularistischen und sonstigen Gegensätze wieder hervortreten könnten und daß der weiteren Entwickelung der Reichsverfassung von hier aus keine Förderung zu Theil werden möchte, wenn nicht das ganze gegenwärtige Regierungs-System offen und ehrlich verlassen und ein nationales Ministerium an die Stelle des jetzigen Ministeriums des allgemeinem Mißtrauens gesetzt wird. Die ganze Haltung des Freiherrn von Dalwigk auch nach dem Abschluß der Versailler Verträge hat, ungeachtet seiner patriotischen Versicherungen, bis jetzt nicht darauf schließen lassen, daß er seine Vergangenheit verleugnen und fortan in freudiger Hingebung befördern werde, was er seit 20 Jahren bekämpft hat. Hessen hat zwar ausgeführt, wozu es sich in Versailles verpflichtet und was durch die Umstände unvermeidlich geworden war. Aber der Geist der Verwaltung ist derselbe geblieben, und die hiesige Politik dürfte auch ferner nur immer dem Bedürfnisse des Augenblicks gehorchen. Ebensowenig haben sich die Personen geändert, die Träger des Systems sind in ihren einflußreichen Stellungen geblieben, und auch die neuesten Ernennungen sind in dem alten Sinne erfolgt. Selbst von dem Amte eines Bürgermeisters – die Regierung ernennt diesen aus dem Gemeinderath – hat man soeben einen bisherigen preußenfreundlichen Vertreter der nationalen Sache ausgeschlossen. In Mainz ist nämlich vor einigen Tagen dasjenige Mitglied des Gemeinderaths, welches nach fast all568

875. Wentzel an Bismarck, Darmstadt, 4. Februar 1871

gemeiner Ansicht am tüchtigsten und geeignetsten gewesen wäre und deshalb selbstverständlich erschien, der langjährige Beigeordnete Racké640, nicht zum Bürgermeister ernannt worden, und zwar offenbar nur um deshalb nicht, weil er immer der national-liberalen Partei angehört und deshalb in Opposition zur Regierung gestanden hat. Wenn Herr von Dalwigk mir gegenüber als Grund anführte, daß der p. Racké früher ein Richter gewesen und nicht ganz zuverlässig, überdies einer seiner größten persönlichen Gegner sei, so geht hieraus in Verbindung mit allen anderen Umständen nur hervor, daß Herr von Dalwigk überhaupt nicht versuchen will, sich mit seinen früheren Gegnern, den Vertretern der nationalen Sache, zu versöhnen oder sie zur Regierung heranzuziehen. Die Justiz ist unverändert in den Händen des ultramontanen Geheimen Raths Franck641, in dem sich bisher alle Fäden der preußenfeindlichen Politik nach Innen und nach Außen vereinigten. Solange dies der Fall ist, solange die Laufbahn aller Juristen von diesem Manne abhängt, werden die Gerichte, namentlich diejenigen für politische und Preß-Prozesse, weniger nach Tüchtigkeit und Würdigkeit, sondern so besetzt werden, wie es für die politischen Tendenzen des jetzigen Systems paßt. Auch von einer künftigen gemeinsamen Gesetzgebung wird schwerlich völlige Remedur zu erwarten sein, solange gegen die Ernennung der Richter, welche die Gesetze anwenden sollen, Bedenken der fraglichen Art vorliegen. Daß bei den in Rede stehenden Verhältnissen aber auch Hessen, wenn Seitens anderer Mittelstaaten der nationalen Entwickelung in einzelnen Fragen Schwierigkeiten entgegengesetzt werden sollten, sich einer solchen Coalition anschließen möchte, dafür spricht schon die bisherige Haltung der Hessischen Regierung im Bundesrath, wo dieselbe, besonders in Finanzfragen, gewöhnlich unter die Zahl der Widersprechenden war. Es läßt sich wohl annehmen, daß Seine Königliche Hoheit der Großherzog642 früher oder später, Wünsche irgend welcher Art haben dürfte, für deren Erfüllung er vielleicht gern andere Zugeständnisse machen würde. Falls nicht bei einer anderen Gelegenheit, so möchte das bei der Verhandlung über eine neue Militair-Konvention geschehen, indem Ihm Alles daran liegt, die 640  Karl Racké (1825–1898), Mitglied des Stadtrats von Mainz 1861–1870; Bürgermeister der Stadt Mainz Juni 1871–1872. 641  Eugen Frank (1832–1893), Hofgerichtsrat am Hofgericht Darmstadt 1869– 1879; Mitglied des Zentrums. 642  Ludwig III. (1806–1877), Großherzog von Hessen-Darmstadt 1848–1877. – Zum folgenden: Das Großherzogtum Darmstadt nahm im Norddeutschen Bund eine Zwitterstellung ein. Der nordmainische Teil gehörte zum Norddeutschen Bund, der südmainische Teil nicht. Trotzdem traten durch die Militärkonvention zwischen Preußen und Hessen vom 7. April 1867 sämtliche hessischen Truppen als geschlossene Division in den Verband der preußischen Armee ein und unterstanden daher dem Oberbefehl des preußischen Königs.

569

876. Arnim an Bismarck, Rom, 4. Februar 1871

Hessische Division als solche erhalten zu sehen, während 2 bis 3 Bataillone an einer Division fehlen, sobald die Infanterie-Regimenter nicht mehr wie jetzt aus 2 Bataillonen bestehen. Der Großherzog legt auf den baldigen Abschluß der neuen Convention einen solchen Werth, daß schon die Rede davon war, den Großherzoglichen Brigade-Commandeur, Oberst von Lyncker643, zur Verhandlung nach Versailles zu schicken. Für den Fall derartiger etwaiger Wünsche erlaube Euerer Excellenz hochgeneigter Erwägung ich mir, unmaßgeblich anheimzustellen, ob nicht die Ersetzung des Herrn von Dalwigk durch eine bundesfreundliche, uns genehme Persönlichkeit – ich darf deshalb auch meinen Bericht vom 23. Juli v.J. Bezug nehmen – als Bedingung eines jeden Entgegenkommens aufzustellen und eine Garantie dafür zu verlangen sein möchte, daß auch Hessen die neue Ordnung aufrichtig acceptirt. Ich möchte mir hiervon um so mehr einen Erfolg versprechen, als der Großherzog sich bisher immer in würdiger Weise auf den Boden der neuen Thatsachen zu stellen gewußt und darauf gehalten hat, daß das genau erfüllt werde, wozu er sich verpflichtet hat. 876. Arnim an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6288, S. 117–123. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 10. Februar (im AA), 14. Februar 1871 (in Versailles).

No. 13.

Rom, 4. Februar 1871

Euere Excellenz werden durch die Zeitungen von dem Circular Kenntniß erhalten haben, welches der Erzbischof von Tours an die übrigen Bischöfe von Frankreich gerichtet hat, um dem Befehle des Papstes nachzukommen644. – Hier habe ich dasselbe nur in Italienischer Sprache gefunden. Bemerkenswerth in dem Schreiben des Erzbischofs ist die ausdrückliche Behauptung, daß der heilige Vater bei seinen Friedensrathschlägen nicht eine Verkleinerung des Landes der ältesten Tochter der Kirche im Sinne gehabt haben könne. Ich habe auch diesen Brief des Erzbischofs, welcher den wirklichen Intentionen des Papstes ein ganz entschiedenes Dementi giebt, anicht zur Sprache gebracht.a – Aus meiner Gesammtberichterstattung werden Euere Excellenz b ersehen haben, daß und aus welchen Gründen mir jede Einmischung des Papstes in unsre Händel als ein Uebel erscheint, welches zu vermeiden ist.b 643  Ludwig von Lyncker (1821–1882), hessen-darmstädtischer Oberst; kommandierte im Krieg gegen Frankreich die 2. Infanterie-Brigade; nach dem Krieg wurde er in die preußische Armee übernommen; 1873 Generalmajor; a. D. als Generalleutnant. 644  Oben Anm. 556.

570

876. Arnim an Bismarck, Rom, 4. Februar 1871

Als die Idee, auf die Pacification Frankreichs durch den Clerus zu wirken, zuerst auftauchte, befanden wir uns in einem Stadium des Krieges, wo die Unbequemlichkeit, dem Papste gegenüber cVerpflichtungen zu übernehmenc, noch an der Hoffnung auf Beendigung des Blutvergießens eine Compensation finden konnte. Wir haben gesehen, welch elendes Resultat die im Vatican ersonnene diplomatische Campagne gehabt hat. d Jetzt – post festum – dem Vatican zu einer Pacificationscomödie Veranlassung zu gebend würde zwecklos sein. Konversationen mit dem Cardinal645 über diese Dinge können jetzt nur noch dazu dienen, eAct zu nehmen von der Thatsache, daß Rom sich in der letztvergangenen Zeit uns gegenüber unfähig und unzuverlässig erwiesen hat.e – Aber ich scheue, wie ich schon telegraphisch gesagt, bei eindringlicher Mahnung dem Anerbieten weitgreifender Intervention zu begegnen, welche uns zuletzt nur lästig sein könnte. Ich komme bei dieser Gelegenheit auf das Gebet gegen Ketzer zurück, welches der Erzbischof von Tours gebilligt hat. – Seine Majestät der Kaiser haben bemerkt, daß die stille Mißbilligung des Papstes nicht viel helfen würde. Mit Rücksicht darauf will ich nicht unterlassen mitzutheilen, daß Monsignor Franchi dem Grafen Tauffkirchen versprochen hat, feine in starken Ausdrücken abgefaßte Mißbilligung solle dem Erzbischof notificirt und auch publicirt werden.f Ich habe nicht der Mühe werth gehalten, hievon telegraphische Meldung zu machen, weil ich überzeugt war, daß nichts der Art geschehen würde. Ich habe auch bisher keine Kenntniß, daß dem Versprechen des Msgr. Franchi irgendwie Folge gegeben worden wäre. – Euere Excellenz werden sich erinnern, daß der Papst die Absicht geäußert hat, eine Beglückwünschungsmission nach Versailles zu schicken. Auch hievon ist mit keinem Worte mehr die Rede. – Ich würde zwar ohne Zweifel leicht die Idee wieder aufleben lassen und die Ausführung sichern können, aber ich trage ohne ausdrücklichen Auftrag gBedenken, diese Unternehmung irgendwie zu fördern.g – Man kann sich im Vatican ohne Nachhülfe erinnern, daß Seine Majestät den Herzog von Ratibor in besonderer Mission nach Rom schickte646, um dem Papst zu seinem Jubiläum zu gratuliren. – Wenn meine Berichte dazu gedient haben sollten, den Beweis zu führen, daß mit dem Vatican, so wie er seit Jahren und jetzt sich zeigt, hpolitische Geschäfte überhaupt nicht gemacht werden können, würden sie nicht vergeblich geschrieben sein.h 645  Antonelli. 646  Oben

Nr. 37. 571

876. Arnim an Bismarck, Rom, 4. Februar 1871

Der Vatican ist halb wie ein Siechenhaus, halb wie ein Nonnenkloster, in denen der Schlaf vollständiger Apathie abwechselt mit dem Ausbruch verspäteter Leidenschaften. Einige faiseurs – Monsignore Merode im Interesse der Sache, Monsignore Franchi im Interesse seiner Carriere – suchen von Zeit zu Zeit den Zauber zu brechen und durch den Verkehr mit der Außenwelt Luft in die dumpfen Räume zu bringen. Monsignore Franchi – geleitet von dem Bedürfniß nach außerordentlichen Missionen und der Nuntiatur in Berlin – unternimmt dergleichen Expeditionen mit Vorliebe in Anlehnung an mich und ohne Vorwissen des Cardinals. – Der Papst pflegt mit einer gewissen Jugendlichkeit darauf einzugehen, aber das Resultat ist bisher fast immer null gewesen und Rückversinken in Apathie. Daneben geht die stetige, überall wirksame, nach allen Richtungen fühlbare Thätigkeit der Jesuiten, welche von den kleinen Verirrungen des Vaticans nur Notiz nehmen, um sie zu beseitigen. – Sie organisiren die Vereins­ thätigkeit. Sie betreiben mit Ernst und Vorsicht die Verleumdung Mißliebiger. Sie sorgen für die Lobpreisung der Zuverlässigen von einem Pol zum Andern. Sie dirigiren die ultramontanen Kammerparteien in München, Wien und Berlin. Sie werden endlich unablässig verfolgen und hemmeni das Protestantische Kaiserthum nicht weniger, als sie verfolgt haben das Protestantische Preußen. – Mit ihnen jFrieden zu suchenj ist ein fruchtloses Beginnen, was man auch thun möge, um sie zu gewinnen. Die Jesuiten aber behaupten, daß s i e eins sind mit dem Römischen Papst, wie der Römische Papst eins geworden ist mit dem allmächtigen Gott. a–a

Dazu am Rand zwei Fragezeichen durch Bismarck. Dazu folgender Vermerk Bismarcks am Rand: darauf kommt es nicht an, sondern d e m P a p s t e den Mangel an Gegenseitigkeit nachzuweisen. c–c Dazu am Rand zwei Fragezeichen Bismarcks. d–d Dazu folgender Vermerk Bismarcks am Rand: verlangt Niemand e–e Dazu folgender Vermerk Bismarcks am Rand: das ist aber wichtig f–f Dazu am Rand folgender Vermerk Bismarcks: mahnen g–g Dazu am Rand folgender Vermerk Bismarcks: mit Recht h–h Dazu folgender Vermerk Bismarcks am Rand: kann doch b e n u t z t werden, und wird es! i Dazu am Rand folgender Vermerk Bismarcks: non possumus? h–h Dazu am Rand folgender Vermerk Bismarcks: der Frieden muß solange Pio IX lebt, in statu erhalten werden, après nous verrons. Uebertreibungen in Belletristik. Wir haben keinen activen Beruf in der Sache, müssen reifen oder faulen lassen. b–b

572

879*. Bismarck an Reuß, Versailles, 6. Februar 1871

877. Bismarck an Gerolt PA Berlin, RZ 201/6286, S. 33. Telegramm. In Ziffern. Eigenhändiges Konzept.

[o.Nr.] Versailles, 5. Februar 1871 Abgangsvermerk: Zur Station: 5. Februar 1871, 12 Uhr 50 Nachm. In Presse verbreiten, daß überseeische Erwerbungen nicht unsere Absicht. 878. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12153, S. 78–79. Telegramm. Entzifferung.

No. 559.

Versailles, 5. Februar 1871, 8 Uhr 55 Min. Nachm. Ankunft: 6. Februar 1871, 12 Uhr 35 Min. Vorm.

Antwort auf Telegramm No. 38. An Prinz Reuß zu telegraphiren. In der Donau-Frage ist Graf Bernstorff angewiesen, außer der Fortdauer der europäischen Commission, welche Rußland angenommen, nichts zu unterstützen, wozu Baron Brunnow nicht zustimmen kann. Seine Majestät ersieht aber mit Bedauern aus Ihrem Bericht No. 22 vom 30. Januar647, daß unser vollständiges Entgegenkommen für alle Wünsche Rußlands in der Conferenz von St. Petersburg aus, in Bezug auf die französische Friedens-Frage, immer noch mit neuen Ermahnungen zur Mäßigung erwiedert wird. Verhehlen Sie dies dort nicht. 879*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 688–689. Erlaß. – Vgl. auch ebenda S. 701, 703, 707.

Auf der Londoner Konferenz wurde die Behandlung der Donaufrage unterstützt, weil sie für den deutschen Handel Bedeutung hat. Wenn zwischen Österreich und Rußland zu wählen ist, hat letzteres immer Vorrang. Versailles, 6. Februar 1871

647  Oben

Nr. 865. 573

883*. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 10. Februar 1871

880*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 690. Erlaß.

Er hat am Anschluß der deutschen Erblande Österreichs an Deutschland kein Interesse. Versailles, 7. Februar 1871 881*. Bismarck an Roeder Bismarck, GW VIb S. 690–691. Telegramm. – Vgl. auch Documents dipl. suisses II S. 496–497, 505–507, 510–515.

Die in die Schweiz übergetretene Armee Bourbaki648 kann erst nach Friedensschluß auf französischen Boden zurückkommen. Versailles, 8. Februar 1871 882*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 363–385. – Vgl. auch Friedrich III., Kriegstagebuch S. 379–381.

Bismarck versus Moltke wegen des Waffenstillstands. – Die Kriegskontribution. – Streit über die Annexion von Metz. – Roggenbach als Generalgouverneur des Elsaß? – Bummel durch Paris. – Wahlen zur französischen Nationalversammlung. – Unterredungen mit dem Kardinal von Rouen, Bonnechose649. – Ergebnis der Wahlen zur französischen Nationalversammlung. – Die neue französische Regierung. – Die psychischen Folgen des Krieges. Versailles, 8. – 19. Februar 1871 883*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 691–692. Vertraulicher Erlaß.

Der Erlaß des englischen Außenministers Granville an Loftus zeigt ein weiteres Mal die englischen Sympathien für Frankreich. Versailles, 10. Februar 1871 648  Der „Armée de l’Est“ unter Bourbaki wurde der Rückzug nach Besançon und Lyon von den Deutschen abgeschnitten. Die Armee – 87.000 Man stark – flüchtete Anfang Februar 1871 in die Schweiz, wo sie für sechs Wochen interniert wurde. 649  Henri-Marie-Gaston Boisnormand de Bonnechose (1800–1883), Erzbischof von Rouen 1858–1883.

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885. Werthern an Bismarck, München, 12. Februar 1871

884*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 694. Erlaß.

Thiers hat mitunter geäußert, daß eine nähere Verbindung mit Belgien für Frankreich eine Kompensation für die an Deutschland abzutretenden Provinzen sein könne. Versailles, 12. Februar 1871 885. Werthern an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6290, S. 60–62. Vertraulicher Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 14. Februar 1871.

No. 10.

München, 12. Februar 1871

Bei seinem gestrigen Besuche äußerte sich der Graf Bray sehr dankbar & anerkennend über Euerer Excellenz Aufforderung, zum Frieden nach Versailles zu kommen, schien im Grunde aber recht wenig Lust zu haben, derselben Folge zu leisten. Die (damals viel belachte) Aeußerung Sr.K.H. des Prinzen Ludwig am Schlusse seiner Rede für die Verträge650, „daß man Bayern vergrößern müsse, damit es abgehalten werde zu thun, was Preußen gethan habe, nemlich zu annectiren“, spukt in den Köpfen der sämmtlichen Königlichen Prinzen & eben so ist in diesen Kreisen von Nichts mehr die Rede als von Rückerstattung der 1866 an uns gezahlten 30 Millionen651. Die AltBayerische Hoffnung, jetzt die obere Spitze des Großherzogthums Baden652 wieder zu erwerben & auf diese Weise eine Verbindung zwischen Franken & der Rheinprovinz her zu stellen, scheint zwar aufgegeben; desto erwünschter aber wäre höchsten Ortes eine Vergrößerung der Rheinpfalz selbst an ihrer südlichen Grenze653.

650  Gemeint sind die Verträge über den Eintritt Bayerns in den Norddeutschen Bund. Ausführliche Zusammenfassung der Debatten in der bayerischen Zweiten Kammer (auch in der Ersten Kammer) in: Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender 11 (1870) S. 222–230, 234–235 (ebenda S. 242–250 der Vertrag mit Bayern vom 23. November 1870); ferner ebenda 12 (1871) S. 38–58, 63–72. – Der im folgenden zitierte Redeteil des Prinzen Ludwig ist dort nicht abgedruckt. 651  Gemäß Artikel II des Friedensvertrags zwischen Preußen und Bayern vom 22. August 1866 in Berlin. 652  Gemeint ist vermutlich der östliche Teil des Kurfürstentums Pfalz (mit Heidelberg) vor 1789, der durch den Reichsdeputationsschluß von 1803 teilweise und endgültig durch den Wiener Kongreß von 1815 an Baden gefallen war. 653  Ins Elsaß hinein.

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886. Keyserling an Bismarck, Konstantinopel, 13. Februar 1871

Der Graf Bray fühlt, daß weder in der einen noch in der andern Beziehung etwas zu erlangen sein wird, & fürchtet, durch Unterzeichnung des Friedensvertrages, der Bayern läßt, wie es ist, seiner Stellung bei den Königlichen Prinzen noch mehr Eintrag zu thun. Daher seine Bedenken gegen die Reise nach Versailles. Da er aber die Ernennung der drei Minister Lutz654, Schlör und Pfretzschner zu Mitgliedern des Bundesraths beantragt hat & wünscht, daß sie bei dessen Zusammentritt anwesend seien, woraus folgt, daß er Niemand hat, den er an seiner Stelle schicken könnte, so glaube ich doch, daß er sich zuletzt der definitiven Aufforderung Euerer Excellenz nicht entziehen wird. 886. Keyserling an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12104, S. 26–29. Bericht. Abschrift.

[o.Nr.]

Konstantinopel, 13. Februar 1871

Die Versuche Musurus Pascha’s655, auf der London’er Conferenz das Interventionsrecht der Pforte in den Donaufürstentümern zur Sprache zu bringen, werden zwar von Aali Pascha desavouirt und der persönlichen Initiative seines übereifrigen phanariotischen Vertreters zugeschrieben, allein es ist mir nicht unwahrscheinlich, daß trotz der amtlichen Ableugnung der Türkische Botschafter den Auftrag erhalten habe, wenigstens das Terrain nach jener Richtung hin zu sondiren. Aali Pascha erklärt zwar, daß Musurus neuerdings angewiesen worden, sich solcher Versuche zu enthalten, allein er bemüht sich hervorzuheben, daß die Pforte nicht die erste gewesen sei, welche das ursprünglich genau begrenzte und auf die Pontusfrage beschränkte Programm der Conferenz zu erweitern gestrebt habe. Alle Anträge betreffs der Donaucommission656, der Stationäre an den Donaumündungen, des Eisernen Thores u.s.w. seien eben so viele nova, die entgegen der ursprünglichen Vereinbarung vorgebracht worden seien. 654  Johann

1871.

Ritter von Lutz (1826–1890), bayerischer Justizminister 1867 – Juni

655  Kostaki Musurus Pascha (1807–1891) türkischer Botschafter (bis 1856 Gesandter) in London 1851–1885. – Zum folgenden Begriff phanariotisch: Fanarioten sind griechischstämmige Bewohner im Nordwestteil von Konstantinopel, die von der Pforte für diplomatische Dienste eingesetzt wurden. 656  Die „Europäische Donaukommission“, bestehend aus Vertretern der Teilnehmerstaaten am Krimkrieg, sollte ursprünglich nur zwei Jahre bestehen und die Beachtung der Freiheit der Donauschiffahrt überwachen. Eine zweite Kommission, die „Ständige Uferstaatenkommission“ sollte sich um die Schiffbarmachung der Donauschiffahrt kümmern. Das Mandat der Europäischen Donaukommission wurde nach 1856 immer wieder verlängert; sie übernahm auch die Aufgaben der Uferstaatenkom-

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886. Keyserling an Bismarck, Konstantinopel, 13. Februar 1871

Wie ich Eurer Excellenz bereits telegraphisch anzuzeigen mich beehrte, hat die Pforte in die Verlängerung des Mandats der Europäischen Donaucommission gewilligt, dagegen sträubt sie sich einstweilen noch gegen die vom Baron Prokesch betriebenen weiteren Concessionen in der Donaufrage. Die Berathung über Wegräumung der Flußhindernisse am Eisernen Thore657 ist ihr unangenehm, weil sie darin die Wahrscheinlichkeit sieht, zu bedeutenden Geldleistungen für jene Arbeiten herbeigezogen zu werden. Sie wünscht deshalb diese Discussion hinausgeschoben zu sehen und glaubt, nach Türkischer Logik, durch ein solches Hinausschieben in infinitum der Verpflichtung ganz entgehen zu können. Die Ausdehnung des Verwaltungsgebiets der Europäischen Commission von Isaktscha bis nach Ibrailia658 stößt aber auf noch größeren Widerstand. Es sei dies, führt Aali Pascha aus, eine weitere Modification des Pariser Friedens (Art. 16), und er müsse sich hier wie bei der Frage wegen der Stationäre659 in der Donaumündung durch die Rücksicht leiten lassen, so wenig wie möglich an andere Stipulationen dieses Tractates zu rühren, die nicht unmittelbar mit der Neutralität des Schwarzen Meeres in Verbindung ständen. Mir ist es nicht zweifelhaft, daß außer diesem allgemeinen Bedenken die Eifersucht der Pforte auf eine Ausdehnung der Rechte der Europäischen Commission eine Hauptrolle bei dieser Auffassung spielt; aus meinen eigenen Erfahrungen als Mitglied der Commission muß ich aber hervorheben, daß eine solche territoriale Ausdehnung ihrer Competenz für die allgemeinen Schifffahrts-Interessen nur sehr vortheilhaft wirken würde.

mission. – Der im folgenden verwendete Begriff „Stationäre“ bedeutet die an der Mündung der Donau stationierten Schiffe, welche die Schiffahrt ein- und ausfahrender Schiffe überwachen sollte. 657  Am Durchbruch der Donau durch die Südkarpaten – eine 120 km lange Durchfahrtstrecke, die für die Schiffahrt größte Schwierigkeiten bot (Stromengen, Stromschnellen, Felsen). Heute sind die Schwierigkeiten gemeistert. 658  Am Donauknie (Isaccea kurz vor der Auffächerung in die drei Donaumündungsarme). 659  Oben Anm. 656. 577

890*. Bismarck an Trochu, Versailles, 16. Februar 1871

887*. Bismarck an Schweinitz Bismarck, GW VIb S. 696–699. Erlaß.

Er soll angesichts der Bildung des neuen kaum deutschfreundlichen Ministeriums Hohenwart/Schäffle660 in Wien einfach ein „ruhiger und wohlwollender Beobachter“ sein. Versailles, 15. Februar 1871 888*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 701. Telegramm.

Nach Bekanntwerden der Zusammensetzung der französischen Nationalversammlung: Die Republik gewährt bessere Friedensaussichten als die Wiederkehr der Orleanisten. Versailles, 16. Februar 1871 889*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 701. Telegramm.

Er soll sich mit Brunnov abstimmen, ob ein französischer Vertreter zur Londoner Schwarzmeerkonferenz noch hinzugezogen werden solle. Versailles, 16. Februar 1871 890*. Bismarck an Trochu661 Bismarck, GW VIb S. 700. Schreiben.

Er rechtfertigt sich für die Veröffentlichung eines Telegramms an Gambetta; er wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten Frankreichs mischen. Versailles, 16. Februar 1871

660  Karl Graf von Hohenwart (1824–1899), österreichischer Ministerpräsident Februar 1870 – Oktober 1871. – Albert Schäffle (1831–1903), österreichischer Handelsminister Februar 1870 – Oktober 1871. – Hohenwart versuchte, einen Ausgleich mit den staatsrechtlichen Bestrebungen der Slawen des Reiches (besonders mit den Tschechen) auf föderalistischer Grundlage durchzusetzen. 661  Louis-Jules Trochu (1815–1896), General; an der Jahreswende 1870/71 Präsident des Nationalen Verteidigungsrates; Generalgouverneur von Paris August 1870 –

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892*. Bismarck an Werthern, Versailles, 17. Februar 1871

891. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/9863, S. 299–310. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 19. Februar, (in Versailles) 22. Februar 1871.

No. 33.

St. Petersburg, 16. Februar 1871

In meinem gehorsamsten Bericht No. 28 vom 3ten d.M.662 hatte ich mich beehrt, Euerer Excellenz von den Besorgnissen zu sprechen, die Fürst Gortschakow wegen unseres Verhältnisses zu Oestreich zu hegen schien. Ich konnte heute bemerken, daß der Kanzler von diesen Befürchtungen zurückgekommen ist. Seine Majestät der Kaiser Alexander, der mir übrigens nicht ein einziges Mal von ähnlichen Besorgnissen gesprochen hat, sagte mir gestern, er habe mit großer Genugthuung von der Sprache gehört, die General von Schweinitz in Wien führe und wonach es dem dortigen Kabinet nicht zweifelhaft sein dürfte, welcher Freundschaft Seine Majestät der Kaiser und König, unser Allergnädigster Herr, den Vorzug geben werde. Auch Fürst Gortschakoff sprach mir hierüber und, ohne daß ich ihm heute irgendwie hierzu Veranlassung gegeben hätte, protestirte er gegen die Annahme, als wenn er unserer Politik nur einen Augenblick mißtraut hätte. Er sagte, es käme immer mehr zu Tage, daß Graf Beust wegen seiner Balancir-Politik gegenüber den Delegationen663 versucht habe, ein größeres Einverständniß des deutschen Reiches durchblicken zu lassen, als dieses wirklich bestehe. Jetzt nun, nachdem die Delegationen nicht mehr zu fürchten seien, habe er sich geäußert, daß er ganz bereit wäre, sich den Russischen Wünschen gefällig zu erzeigen. 892*. Bismarck an Werthern Bismarck, GW VIb S. 702. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 704–705.

Ein bayerischer Vertreter kann zu den Friedensverhandlungen nach Versailles kommen. Versailles, 17. Februar 1871

Januar 1871. – Der im folgenden genannte: Léon Gambetta (1838–1882), Führer der radikalen französischen Republikaner; Kriegsminister Oktober 1870 – Februar 1871. 662  Oben Nr. 872. 663  Den legislativen Körperschaften für die gemeinsamen Angelegenheiten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie. 579

895. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 18. Februar 1871

893*. Bismarck an Reuß Bismarck, GW VIb S. 702–703. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 704.

Nur für den Fall, daß die Nationalversammlung in Bordeaux Friedensverhandlungen ablehnte, kämen Verhandlungen mit einer kaiserlichen Regentschaft in Frage. Versailles, 18. Februar 1871 894*. Werthern an Bismarck Werthern, Tagebuch S. 339–340. Bericht. – Vgl. auch ebenda S. 340–343.

Laut Graf Holnstein ist das psychische Verhalten König Ludwigs besorgniserregend; er bereue zutiefst die Unterzeichnung des Vertrags (vom 23. November 1870) und trage sich mit Rücktrittsgedanken. München, 18. Februar 1871 895. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12104, S. 18–20. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: (im AA) 24. Februar, (in Versailles) 28. Februar 1871.

No. 35.

St. Petersburg, 18. Februar 1871

Fürst Gortschakow hat mir mitgetheilt, daß Seine Majestät der Kaiser Alexander heute das Antwort-Schreiben an den Fürsten Carl von Rumänien auf dessen bekannten Brief unterzeichnet habe, daß dieses Schreiben nicht näher auf die Wünsche des Fürsten eingehe, aber in höflicher Form die Versicherung enthalte, daß der Fürst immer auf die moralische Unterstützung Rußlands rechnen könne. Der Kaiser würde es gern sehen, wenn es dem Fürsten gelingen sollte, mit Hülfe der im Lande befindlichen konservativen Elemente sich zu behaupten und seiner Autorität Geltung zu verschaffen. Der Kanzler machte zu dieser Mittheilung die Bemerkung, daß es in der That sehr zu wünschen wäre, wenn Prinz Carl seinen Platz nicht aufgeben würde, weil man nicht absehen könnte, was nach seinem Abgang für ein Zustand eintreten werde. Es schiene übrigens, als wenn die Drohung, das Land zu verlassen, doch schon einigen Eindruck gemacht habe. Ich erwiederte hierauf, daß nach meinen Nachrichten der Prinz lediglich aus Rechtlichkeit bis jetzt in Bukarest zurückgehalten würde, weil er es für seine Pflicht halte, vor seinem Abgang die finanziellen Zustände, insonderheit die Eisenbahn-Angelegenheiten, zu regeln. Dieser Haltung sei die größte

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897*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I., Versailles, 20. Februar 1871

Anerkennung zu zollen, um so mehr als die Stellung, die man dem Souverän dort gemacht habe, für einen Prinzen von Hohenzollern höchst peinlich sein müßte. Als mir der Kanzler hierauf auseinander setzen wollte, daß die Kaiserlich Russische Regierung nichts gethan habe, was das Ansehen und die Stellung des Fürsten hätte untergraben können, habe ich geglaubt, mich jeglicher Erwiederung enthalten zu sollen. Es würde offenbar der hiesigen Regierung j e t z t nicht bequem sein, wenn in Rumänien ein Umsturz erfolgte. 896*. Bismarck an das Auswärtige Amt Bismarck, GW VIb S. 703. Telegramm.

Er soll vorsichtig sondieren: Falls der neue zur Londoner SchwarzmeerKonferenz zugezogene französische Vertreter Schwierigkeiten machen sollte, könnte die Sache bei den deutsch-französischen Friedensverhandlungen aufgenommen werden. Versailles, 19. Februar 1871 897*. Tagebucheintragungen Großherzog Friedrichs I. Friedrich I. von Baden, Briefwechsel II S. 385–410. – Vgl. ausführlich zu den Verhandlungen zu einem Präliminarfrieden: Thiers, Notes S. 109–127. Ferner: Keudell, Erinnerungen S. 473–475; Friedrich III., Kriegstagebuch S. 388–389, 391–399, 415–416; Bismarck, GW VII S. 504–505.

Einladungen an die drei Könige von Bayern, Sachsen und Württemberg zu den Friedensverhandlungen. – Zu den Friedensbedingungen: Bismarck will keine überseeischen Besitzungen. – Das neue französische Ministerium unter Thiers. – Bismarck will lieber die Abtretung von Luxemburg (Festung) als Metz. – Thiers gegenüber dem Kronprinzen: Elsaß trete man ab, aber Metz und Lothringen müßten Frankreich erhalten bleiben. – Bismarck und der Kronprinz gegen die Abtretung von Metz. – Genesis der Forderung des Elsasses. – Verhandlungen zwischen Bismarck und Thiers/Favre: Frankreich zediert das Elsaß und Lothringen (mit Metz); Belfort bleibt französisch; 5 Mrd. Kriegsentschädigung. – Einzelheiten der Friedenspräliminarien. – Heerschau von 30.000 deutschen Truppen für die Besetzung von Paris. – Ungünstige Nachricht über König Ludwig II. – Die Nationalversammlung in Bordeaux nimmt die Präliminarien an. – Truppenaufstellung. – Arnim aus Rom angekommen; er wird mit den Friedensverhandlungen in Brüssel be-

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898. Reuß an Bismarck, St. Petersburg, 21. Februar 1871

traut. – Abfahrt aus Paris nach vier Monaten Aufenthalt. – Rückkunft in Karlsruhe am 8. März. Versailles, 20. Februar–8. März 1871 898. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6294, S. 217–221. Bericht. Behändigte Ausfertigung. Praes.: 26. Februar (im AA), 1. März 1871 (in Versailles).

No. 38.

St. Petersburg, 21. Februar 1871

Euerer Excellenz Telegramm No. 109 vom 18ten d.Mts.664, eine eventuelle Combination mit der Napoleonischen Dynastie betreffend, habe ich zu erhalten die Ehre gehabt. Ich habe gesprächsweise dem Fürsten Gortschakoff gegenüber die Sache angebracht und, wie ich mir wohl denken konnte, wenig Anklang damit gefunden, da ich weiß, welche Antipathien der Kaiser Alexander gegen das Wiedererscheinen dieser Dynastie hat. Der Kanzler meinte, er glaube nicht, daß die Verhandlungen mit der Constituante scheitern würden. Die Mehrheit derselben sei entschieden für den Frieden, und Herr Thiers habe längst den schwierigsten Punkt, die GebietsAbtretung, für ein nothwendiges Uebel anerkannt. Es würde sich da nur um einige Quadratmeilen und einige Millionen Kriegsentschädigung mehr oder weniger handeln. Würde man in Versailles in letzterem Punkt nicht allzu große Forderungen stellen, außerdem aber durch die Behandlung der Eigenliebe der französischen Negoziateure dieselben zu gewinnen suchen, so würde man zu günstigen Resultaten kommen. Sollte dies aber wider Erwarten nicht der Fall sein, so sei es besser, den Krieg fortzuführen, als der französischen Nation eine Dynastie aufzunöthigen, die sie nicht wolle. Ein Abschluß mit Letzterer würde nur einen ScheinFrieden zur Folge haben. Diese Dynastie sei von allen vernünftigen und wohldenkenden Menschen sowohl in Frankreich wie auch in ganz Europa gerichtet worden. Das Plebiszit sei vor den letzten Wahlen vollständig verblichena. Ein bonapartistischer Thron, wenn er auch mit Hülfe der französischen Kriegsgefangenen wieder aufgerichtet würde, würde doch immer nur durch die Deutschen Bajonette zu halten sein und mit deren Verschwinden ebenso schnell zusammenstürzen. Ein mit demselben abgeschlossener Frieden würde von der darauf folgenden Revolution nicht anerkannt werden, und es würde sich daher eine unübersehbare Reihe von Verwickelungen daran knüpfen. Dies könnte soweit gehen, daß die Angelegenheit sogar eine Europäische 664  Oben

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Nr. 893*.

899*. Landsberge an Gericke, London, 22. Februar 1871

werden könnte, weil die Mächte ein Interesse dabei hätten, daß Frankreich wieder zur Ruhe komme und eine honette Regierung erhielte. Die Mächte hätten dabei ein Interesse, weil man Frankreich nicht von der Karte Europa’s wegwischen könne und man sich darauf einrichten müsse, in der Euro­ päischen Staaten-Familie wieder mit ihm zu leben. Ich habe dem Kanzler hierauf erwidert, daß ich mir nicht anmaßen wolle, die Zukunft vorher zu sagen, daß es für Deutschland aber wichtig sei, einen genügenden Frieden zu schließen. Sei dieses große Ziel nicht möglich, mit der Versammlung in Bordeaux zu erreichen, so müsse man eben andere Mittel suchen. Es sei daher wichtig, daß jene Versammlung nicht durch trügerische Hoffnungen irre geleitet und dadurch zu eigensinnigem Festhalten von Chimären gebracht würde. Welches Gewicht Seine Majestät der Kaiser, unser Allergnädigster Herr, auf die Ansichten des Kaisers Alexander über diesen Punkt legt, habe ich sehr entschieden hervorgehoben, ich bin aber immer wieder darauf zurück gekommen, daß in erster Linie das Interesse Deutschlands maaßgebend sein müsse. Ich erlaube mir hierbei, auf’s Neue zu wiederholen, welchen entschiedenen Widerwillen der Kaiser Alexander gegen die Familie Bonaparte hat, die er aus innerster Seele verachtet. a

Dazu am Rand der Vermerk Bismarcks: aber ein neues?

899*. Landsberge an Gericke665 Bescheiden betr. de buitenlandse politiek II,1 S. 35–36. Bericht.

Favre scheint bei den Friedensverhandlungen mit Bismarck den Besitz des Großherzogtums Luxemburg angeboten zu haben, um Metz zu retten. London, 22. Februar 1871

665  Johann Wilhelm van Landsberge (1830–1905), holländischer Ministerresident in London 1871. – Louis Baron Gericke van Herwijnen (1814–1899), holländischer Außenminister Januar 1871 – 1874.

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901. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 23. Februar 1871

900. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12153, S. 420–421. Telegramm. Entzifferung.

No. 591.

Versailles, 23. Februar 1871, 12 Uhr 20 Min. Vorm. Ankunft: 23. Februar 1871, 2 Uhr 55 Min. Vorm.

Für Prinzen Reuß nach St. Petersburg. Die letzte Depesche im Englischen Blaubuch über den Vertrag vom 30. März [1856] No 201 vom 4n Februar666 läßt befürchten, daß die Conferenz von Französischem Bevollmächtigten unter Englischer Connivenz zu Hereinziehung der französischen Frage benutzt werden solle. Graf v. Bernstorff hat Lord Granville bestimmt erklärt, daß er dann die Conferenz verlassen und weitere Theilnahme ablehnen werde. Wir freuen uns, aus Ihren Depeschen zu entnehmen, daß wir dabei auf Rußlands Unterstützung rechnen dürfen. Wirken Sie dahin, daß Baron Brunnow Instruction in diesem Sinne erhält und nicht eigenem Ermessen überlassen bleibt. 901. Bismarck an Bernstorff PA Berlin, RZ 201/12153, S. 414–419. Erlaß. Superrevidiertes Konzept.

No. 153.

Versailles, 23. Februar 1871

Ewpp. haben in dem gef. Bericht No. 92 vom 17. dM. meine Aufmerksamkeit auf die letzte Nummer der dem Parlamente vorgelegten Correspondenz über die Pontus-Frage, No. 201, von Lord Granville an Lord Lyons, d.d. 4. Febr., gelenkt und mir zugleich Ihre Unterredung über diesen Gegenstand mit dem Kgl. Großbritannischen Staatssekretair für die Ausw. Angelegenheiten mitgetheilt. Ich habe nicht verfehlt, Ewpp. Bericht und die Depesche Lord Granville’s zur Kenntniß Sr.M. des Königs zu bringen; und Allerhöchstderselbe hat mich beauftragt, Ewpp. Seine Billigung der von Ihnen gegen Lord Granville gethanen Aeußerungen auszusprechen. Der letztere kann darüber nicht im Zweifel sein, daß in dem Schluß seiner Depesche eine direkte Ermuthigung, ja Aufforderung für die französische 666  Der entsprechende Passus in dem Erlaß Granvilles an Lyons vom 4. Februar 1871 lautet: „If the French Plenipotentiary wished to bring the question of peace before the Conference I should be obliged, as President, to object. […] But if at the end of the Conference, or even after one of its sittings, he wished […] to bring any subject before them, in that case it would not be my dury to interfere. Each Plenipotentiary would act individually […].“ (Correspondence Respecting the Treaty of March 30, 1856. [Bluebook.] London 1871, S. 105.)

584

901. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 23. Februar 1871

Regierung gefunden werden mußte, die Theilnahme ihres Bevollmächtigten an der Conferenz dazu zu benutzen, um die neutralen Mächte mit der zwischen uns und Frankreich schwebenden Differenz zu befassen und wo möglich eine Einmischung derselben in die Friedenverhandlungen herbeizuführen. Daß Lord Granville sich der Bedeutung seiner Worte bewußt gewesen, zeigt unter Anderem der Umstand, daß er mit Herrn Brunnow noch besonders über dasjenige gesprochen hatte, was geschehen würde, wenn nach dem Schluß des Protokolls der französische Bevollmächtigte das Wort ergriffe, um seinen versammelten Collegen die französische Frage vorzulegen. Auf Befehl Sr. Majestät ersuche ich Ewpp., dem Kgl. Großbritannischen Staatssekretair zu wiederholen, daß wir zu einem Versuch, unsere Verhandlungen mit Frankreich vor das Forum der zur Conferenz versammelten Vertreter der Europäischen Mächte zu ziehen, nicht die Hand bieten würden und daß, wenn Ld Granville wirklich der Sache Folge geben wollte, S. Majestät darin einen Akt unfreundlicher Politik Englands erblicken müßte. Die Folge müßte sein, daß Ewpp. die Conferenz verließen; und Ewpp. haben Recht gethan, darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn dies einmal geschehen, Sie nicht wieder in derselben erscheinen würden. Ich bitte Ewpp., Lord Granville daran zu erinnern, wie dankbar er selbst sich bei dem Auftauchen der Pontus-Frage dafür gezeigt hat, daß wir durch die Anregung der Conferenz und unsere Befürwortung derselben in St. Petersburg das Mittel dargeboten haben, eine schwierige Frage zu einer für alle ehrenwerthen Lösung zu bringen. Der Großbritannische Staatssekretair hat diesen Dank noch besonders gegen Lord A. Loftus in Berlin ausgesprochen in einer Depesche, von der ich Abschrift beifüge. Wir würden eine Bethätigung dieser Gesinnung darin nicht finden können, wenn die von uns bereitwillig vorgeschlagene u. geforderte Conferenz vermöge einer Unterscheidung zwischen ihren amtlichen u. nichtamtlichen Momenten, auf welche wir in gutem Glauben unvorbereitet waren, zur Schädigung unserer Interessen benutzt werden sollte. Ewpp. erwähnen noch in Ihren neuesten Berichten wiederholt, mit welchem Widerwillen in England man auf eine Fortsetzung resp. Wiederaufnahme des Krieges blicken würde. Wenn die französische Nation ihrem eigenen dringenden Friedensbedürfniß zuwider den Kampf wieder aufnehmen sollte, so kann sie dies hauptsächlich nur in der Illusion thun, daß England sich ihrer annehmen werde. Von einer Ermuthigung der französischen Nation zur Verlängerung des Kriegs würde auch die Verantwortlichkeit für letztre vor Europa nicht zu trennen sein. Ich ersuche Ewpp., Lord Granville auf die naheliegenden Folgen aufmerksam zu machen, welche aus dem Mißlingen des Versuches, mit der Versammlung von Bordeaux und der von ihr eingesetzten Regierung zum Frieden zu kommen, entstehen könne. Wir haben alsdann nur unser eigenes In585

903. Bismarck an das Auswärtige Amt, Versailles, 24. Februar 1871

teresse zu Rathe zu ziehen, welches uns gebietet, nur diejenige Regierung in Frankreich anzuerkennen, welche uns den Frieden, welchen wir verlangen müssen, gewährt. Wir haben uns bis jetzt eine Restauration der Napoleonischen Dynastie nicht zur Aufgabe gestellt, sondern der französischen Nation die volle Freiheit belassen; wenn wir aber dazu getrieben werden, so wird man sich über die Mittel, welche uns dafür zu Gebote stehen, nicht täuschen können. 902. Bismarck an Roeder PA Berlin, RZ 201/11316, S. 257. Telegramm. In Ziffern. Abschrift.

No. 18.

Versailles, 24. Februar 1871

Kern hat mir als Folgen der wahrscheinlichen Abtretung des Elsaß an uns schweizer Wünsche bezüglich einiger Terr[itorial]änderungen an der schweizer Grenze bezeichnet. Eine Aeußerung darüber habe ich abgelehnt, so lange der Friede nicht geschlossen. Ich weiß nicht, ob Kern Auftrag gehabt, dieser Mittheilung die von dem jetzigen Zeitpunkt fast untrennbare Form einer Einmischung in die schwebenden Friedensverhandlungen zu geben, die wir allen andern Staaten versagen, halte aber bei Vergleichung mit den Aeußerungen von Thiers für sehr wahrscheinlich, daß Kern auf Verabredung mit ihm gehandelt. Wirken Sie dahin, daß der Eifer Kern’s gezügelt wird. 903. Bismarck an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12153, S. 439–440. Telegramm. Entzifferung.

No. 594.

Versailles, 24. Februar 1871, 2 Uhr 30 Min. Nachm. Ankunft: 24. Februar 1871, 5 Uhr 20 Min. Nachm.

An Prinzen Reuß nach St. Petersburg. Graf v. Bernstorff telegraphirt unterm 23n: Baron Brunnow habe um Instruction über die Ausdehnung des Wirkungskreises der Europäischen Commission bis Ibraila und über die Oesterreichischerseits angeregte Aufrechterhaltung der Neutralität der Sulina-Mündung gebeten und wünsche, daß Euere Durchlaucht von hier im Sinne der Zustimmung instruirt werden möchten. Baron Brunnow’s Bericht werde den 22n oder 23n in St. Petersburg ankommen. Wir haben kein Bedenken dagegen, wünschen aber auch in diesem Punkte nur zu thun, was dort genehm ist. Befürworten Sie also die Sache nur, wenn und so weit Sie erkennen können, daß es dem Fürsten Gortschakoff erwünscht ist. Graf von Bernstorff bemerkt, daß ihm von Baron 586

906*. Bismarck an Bernstorff, Versailles, 27. Februar 1871

Brunnow’s Vorschlag, Donaufrage auf besonderer Conferenz zu behandeln, Nichts bekannt sei. 904. Reuß an Bismarck PA Berlin, RZ 201/12153, S. 441. Telegramm. Entzifferung.

No. 22.

Versailles, 24. Februar 1871, 1 Uhr 40 Min. Nachm. Ankunft: 24. Februar 1871, 8 Uhr 30 Min. Nachm.

Fürst Gortschakoff wiederholt, daß Baron Brunnow ebenso wenig wie Graf Bernstorff dulden wird, daß in der Conferenz französischer Bevollmächtigter von Frieden spreche. Außerhalb oder nach Schluß der Conferenz sei dies nicht zu verhindern. 905*. Kern an Schenk667 Documents dipl. suisses II S. 522–526. – Vgl. auch ebenda S. 527–530.

Unterredung mit Bismarck: Die Schweizer Forderungen, die Grenze zu Frankreich (und zum Elsaß) zu verändern, lehnt dieser derzeit ab; zunächst müsse der Frieden mit Frankreich geschlossen werden. Paris, 24. Februar 1871 906*. Bismarck an Bernstorff Bismarck, GW VIb S. 708. Telegramm. – Vgl. auch ebenda S. 708–709; Bismarck, GW VII S. 505–506; GW XIV,2 S. 816; Abeken, Leben S. 524–528, 530, 532–533; DDI II,2 S. 225–227.

Der Präliminarfriede vom 26. Februar 1871668 legt fest: Abtretung des Gouvernements Straßburg mit Metz, aber ohne Belfort; 5 Mrd. frs. Kriegsentschädigung; Pfandbesetzung. Versailles, 27. Februar 1871

667  Carl Schenk (1823–1895), Bundespräsident der Schweiz 1871; ansonsten zahlreiche Ministerfunktionen zwischen 1864 bis 1893. 668  Text u. a. in: StA 20 (1871) S. 411–416: Archives Dipl. 43 (1873) S. 9–15.

587

909. Bernstorff an das Auswärtige Amt, London, 12. März 1871

907*. Launay an Visconti Venosta DDI II,2 S. 225–227. Bericht.

Die Nachricht vom Abschluß des Präliminarfriedens ist eingetroffen. Von den Territorialklauseln wird die Rückgabe von Belfort kritisiert, dessen Belagerung den Tod so vieler Landwehrmänner gekostet hat. Mit Elsaß und Lothringen wird nun eine neue kompakte natürliche Grenze zwischen Deutschland und Frankreich gebildet. In den Augen der patriotischen Franzosen wird der Friede nur mehr ein Waffenstillstand sein. Italien sollte künftig sein Schicksal nicht an Frankreich binden. Berlin, 27. Februar 1871 908. Favre an Bismarck PA Berlin, RZ 201/6296, S. 55. Telegramm. Behändigte Abschrift. Praes.: 2. März 1871.

[o.Nr.]

Paris, le 1 Mars 1871, 10h 18 soir

Je reçois à l’instant de M. Thiers une dépêche m’annonçant que ce soir à sept heures l’assemblée de Bordeaux a ratifié le traité du 26 février. Je rappelle à Votre Excellence que l’art. 3 de ce traité porte: Immédiatement après la ratification du présent traité par l’assemblée nationale siégeant à Bordeaux les troupes allemandes quitteront l’intérieur de Paris ainsi que les forts de la rive gauche de la Seine. Je prie en conséquence Votre Excellence de vouloir conformément à cette stipulation faire donner l’ordre à vos troupes de se retirer immédiatement. Je prie Votre Excellence de me faire savoir de suite si cet ordre va être exécuté. 909. Bernstorff an das Auswärtige Amt PA Berlin, RZ 201/12154, S. 54. Telegramm. Entzifferung.

No. 91.

London, 12. März 1871, 6 Uhr 5 Min. Vorm. Ankunft: 12. März 1871, 9 Uhr 50 Min. Nachm.

Es ist uns nach neuen heftigen Kämpfen mit Musurus Pascha und zwischen ihm und dem italienischen Bevollmächtigten669, welche eine abermalige längere Verschiebung herbeizuführen drohten, endlich gelungen, den ganzen Vertrag genehmigt zu sehen. Das englische Exemplar wird morgen 669  Carlo

588

Cadorna (1809–1891), italienischer Gesandter in London 1869–1875.

910*. Bernstorff an Bismarck, London, 14. März 1871

gezeichnet. Abschrift des Textes schicke ich Ew. Excellenz morgen durch Frühpost. 910*. Bernstorff an Bismarck Große Politik II S. 20–25. Bericht und Anlage.

Nach langwierigen Verhandlungen ist am 13. März der Vertrag über die Revision des Pariser Vertrags von 1856 unterzeichnet worden670. Darin ist auch ein Passus über die Verlängerung der Dauer der Europäischen Donauschiffahrtskommission enthalten. – In der Anlage der „Londoner Pontusvertrag“. London, 14. März 1871

670  Text

u. a. in: Große Politik II S. 23–25; Archives Dipl. 45 (1873) S. 370–374. 589

Verzeichnis der Quellen und der Literatur 1. Verzeichnis der Archivalien a) Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes [PA] RZ 201/6 RZ 201/9

RZ 201/16 RZ 201/25 RZ 201/36 RZ 201/60 RZ 201/61 RZ 201/2701

RZ 201/2702 RZ 201/3022

RZ 201/3031

RZ 201/3193

590

Acta betr. die Einwirkung auf die Presse im Interesse Preußens 1. Februar – 31. Oktober 1870 Acta betr. die Zusammenkunft Seiner Kgl. Hoheit des Regenten, Prinzen von Preußen, und Seiner Majestät des Kaisers von Rußland in Breslau im Jahr 1859 und Seiner Majestät des Königs und Seiner Majestät des Kaisers von Rußland im Jahr 1870 Acta betr. Auszüge aus den Protokollen der Conseil- und Staatsministerial-Beratungen, welche die auswärtigen Angelegenheiten berühren. 1. Januar 1865 – 31. Dez. 1873 Acta betr. die Haltung der inländischen Presse und des Verhältnisses der Königl. Regierung zu derselben 21. Januar 1869 –  21. Dezember 1870 Acta betr. Umtriebe der im Jahre 1866 depossedierten Fürsten 30. Dezember 1868 – 11. Mai 1876 Acta betr. die Reise Seiner Königlichen Hoheit des Kronprinzen nach dem Orient und zur Eröffnung des Suez-Kanals. Bd. 1. 1. Januar 1869 – 31. Dezember 1870 Acta betr. die Frage einer allgemeinen Entwaffnung. Bd. 1. 1. Januar 1868 – 31. Dezember 1880 Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu München sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Bayerns. 1. Januar – 31. Dezember 1869 dsgl. 1. Januar – 31. Dezember 1870 Acta betr. die Verwaltung des Königreichs Hannover durch preußische Kommissarien nach der Okkupation desselben von seiten Preußens infolge des Bundesbeschlusses vom 14.06.1866 – Umtriebe des Hannoverschen Hofes. 1. Mai 1869 – 31. August 1870 Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Darmstadt sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Darmstadts. 1. Januar 1870 – 31.  Dezember 1871 Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Dresden sowie mit anderen Kabinetten über die inneren Zustände des Königreichs Sachsen. 1. Januar – 31. Dezember 1869



Verzeichnis der Quellen und der Literatur

RZ 201/3194 RZ 201/3351

RZ 201/3352 RZ 201/4311 RZ 201/4312 RZ 201/4314 RZ 201/4318

RZ 201/5125 RZ 201/5126 RZ 201/5360 RZ 201/5362 RZ 201/5363A RZ 201/6159 RZ 201/6160 RZ 201/6164 RZ 201/6165 RZ 201/6166 RZ 201/6187 RZ 201/6189 RZ 201/6191 RZ RZ RZ RZ RZ

201/6192 201/6197 201/6198 201/6204 201/6206

dsgl. 1. Januar 1870 – 31. Dezember 1871 Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Stuttgart sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Württembergs. 1. Januar  –  31. Dezember 1869 desgl. 3. Januar – 30. Dezember 1870 Acta betr. das Verhalten der französischen Regierung hinsichtlich der Abtretung belgischer Eisenbahnen an französische Gesellschaften. 16. Dezember 1868 – 26. März 1869 dsgl. 27. März – 2. Juni 1869 dsgl. 1. August 1869 – 31. März 1873 Acta betr. die bei Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges von England angeregten Verhandlungen behufs Abschließung eines neuen Vertrages zur Aufrechterhaltung der Unabhängigkeit und Neutralität Belgiens. 30. Juli 1870 – 22. Januar 1875 Acta betr. die Verhandlungen über die Abstimmung in den nördlichen Distrikten Schleswigs in Folge des Artikels V des Prager Friedens. 1. Juli 1868 – 17. November 1869 dsgl. 18. November 1869 – 31. Dezember 1870 Acta betr. die politischen Beziehungen Preußens zu England. 4. Dezember 1868 – 25. Juli 1873 Schriftwechsel mit der Königl. Botschaft zu London sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten. 1. Juli – 31.  Dezember 1869 dsgl. 1. Januar – 8. März 1870 Acta betr. die politischen Beziehungen Preußens zu Frankreich. 1. März – 3. Juni 1869 dsgl. 4. Juni 1869 – 4. August 1870 Acta betr. die von Frankreich den Vergrößerungen Preußens gegenüber beanspruchten Kompensationen (Regelung der Luxemburger Frage). 1. Dezember 1870 – Januar 1871 dsgl. 22. Dezember 1870 – 10. Januar 1871 dsgl. 11. Januar 1871 – 25. Oktober 1913 Acta betr. die angeblichen Verhandlungen Frankreichs mit Italien und Österreich über eine gegen Preußen zu schließende Tripel­ allianz. 1. Februar 1869 – 30. September 1870 Schriftwechsel mit der Botschaft zu Paris sowie mit anderen Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände Frankreichs. 1. März – 21. April 1870 Akten betr. den Krieg mit Frankreich 1870 – 1871. 15. – 16. Juli 1870 dsgl. 17. Juli 1870 dsgl. 20. Juli 1870 (erste Hälfte) dsgl. 20. Juli 1870 (zweite Hälfte) dsgl. 23. Juli 1870 dsgl. 25. Juli 1870 591

Verzeichnis der Quellen und der Literatur RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ

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201/6207 201/6209 201/6210 201/6211 201/6212 201/6215 201/6217 201/6219 201/6221 201/6225 201/6226 201/6227 201/6230 201/6236 201/6241 201/6243 201/6244 201/6245 201/6246 201/6248 201/6249 201/6254 201/6256 201/6257 201/6260 201/6261 201/6263 201/6265 201/6266 201/6270 201/6271 201/6272 201/6276 201/6278 201/6282 201/6284 201/6286 201/6288 201/6290 201/6293 201/6294 201/6296 201/6346

dsgl. 26. Juli 1870 dsgl. 28. Juli 1870 dsgl. 29. Juli 1870 dsgl. 30. Juli 1870 dsgl. 31. Juli 1870 dsgl. 4. August 1870 dsgl. 5. August 1870 dsgl. 7. August 1870 dsgl. 9. August 1870 dsgl. 13. August 1870 dsgl. 14. – 15. August 1870 dsgl. 16. – 17. August 1870 dsgl. 21. August 1870 dsgl. 29. August 1870 dsgl. 5. –  6. September 1870 dsgl. 9. – 10. September 1870 dsgl. 11. – 12. September 1870 dsgl. 13. – 14. September 1870 dsgl. 15. – 16. September 1870 dsgl. 19. – 21. September 1870 dsgl. 22. – 24. September 1870 dsgl. 7. – 10. Oktober 1870 dsgl. 14. – 16. Oktober 1870 dsgl. 17. – 20. Oktober 1870 dsgl. 26. – 28. Oktober 1870 dsgl. 29. – 31. Oktober 1870 dsgl. 3. – 4. November 1870 dsgl. 9. – 13. November 1870 dsgl. 14. – 16. November 1870 dsgl. 26. – 30. November 1870 dsgl. 5. – 7. Dezember 1870 dsgl. 8. – 11. Dezember 1870 dsgl. 27. – 31. Dezember 1870 dsgl. 8. – 12. Januar 1871 dsgl. 26. – 28. Januar 1871 dsgl. 1. – 2. Februar 1871 dsgl. 5. – 6. Februar 1871 dsgl. 9. – 10. Februar 1871 dsgl. 14. – 16. Februar 1871 dsgl. 22. – 24. Februar 1871 dsgl. 25. – 26. Februar 1871 dsgl. 2. – 4. März 1871 Geheime Akten betr. den Krieg mit Frankreich 1870–1871. 17. – 31.  Juli 1870



Verzeichnis der Quellen und der Literatur

RZ 201/7552 RZ 201/7553 RZ 201/7558

RZ 201/7566 RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ

201/7567 201/7568 201/7568A 201/7569 201/7570 201/7571 201/7575

RZ 201/7577 RZ 201/7581 RZ 201/7582 RZ 201/7583 RZ 201/8216

RZ 201/8419 RZ RZ RZ RZ

201/8420 201/8421 201/8422 201/8437

RZ 201/8442 RZ 201/8458

RZ 201/8459

Acta betr. die durch die Ausführung der Konvention vom 15.09.1864 notwendig gewordene Regelung der Römischen Frage. 1. August – 14. Oktober 1870 dsgl. 15. Oktober 1870 – 31. Januar 1871 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Florenz sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Italiens. 17. Januar – 24.  Dezember 1868 Acta betr. das durch den Papst zum 08.12.1869 nach Rom berufene ökumenische Konzil. 1. Januar 1868 – 14. Juni 1869 15. Juni – 25. November 1869 dsgl. 26. November 1869 – 23. Januar 1870 dsgl. 1. – 23. Januar 1870 dsgl. 24. Januar – 24. März 1870 dsgl. 25. März – 13. April 1870 dsgl. 14. April – 28. August 1870 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Rom mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse des Kirchenstaates. 1. Januar 1869 – 31.  Dezember 1870 Acta betr. die Sendung des Herzogs von Ratibor nach Rom zum 50jährigen Priesterjubiläum des Papstes. 1. März – 31. Mai 1869 Acta betr. Schriftwechsel mit der Gesandtschaft zu Florenz sowie mit anderen Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Italiens. 1. Januar – 31. Oktober 1870 dsgl. 1. November – 31. Dezember 1870 dsgl. 1. Januar – 31. Juli 1871 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königlichen Gesandtschaft im Haag sowie mit andern Königlichen Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse der Niederlande. 1. Januar 1868 – 31. Dezember 1870 Acta betr. die Haltung Österreichs Preußen gegenüber. 15. Dezember 1868 – 11. Juli 1869 dsgl. 12. – 31. Juli 1869 dsgl. 1.– 31. August 1869 dsgl. 1. September – 31. Dezember 1871 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft in Wien sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Österreichs. 16. März – 8. Juni 1869 Acta betr. Schriftwechsel mit dem Konsulat in Pest über ungarische Zustände. 1. Januar 1869 – 31. Dezember 1870 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft in Wien sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Österreichs. 1. Juni  – 31. Oktober 1870 dsgl. 1. November – 31. Dezember 1870 593

Verzeichnis der Quellen und der Literatur RZ 201/9863 RZ 201/9865

RZ 201/9866 RZ 201/9867 RZ 201/11316

RZ 201/12099 RZ RZ RZ RZ RZ RZ

201/12100 201/12101 201/12102 201/12103 201/12104 201/12129

RZ 201/12130 RZ 201/12146 RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ RZ

201/12147 201/12148 201/12149 201/12150 201/12151 201/12152 201/12153 201/12154 201/12170

Acta betr. die politischen Beziehungen Preußens zu Rußland. 1. Januar 1868 – 31. Dezember 1873 Acta betr. Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Petersburg sowie mit anderen Königlichen Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse Rußlands. 1. Januar – 15. September 1869 dsgl. 16. September – 31. Dezember 1869 dsgl. 1. Januar – 31. Dezember 1870 Schriftwechsel mit der Königl. Gesandtschaft zu Bern sowie mit anderen Königl. Missionen und fremden Kabinetten über die inneren Zustände und Verhältnisse der Schweiz 1. Januar 1869 –  31. Dezember 1871 Acta betr. die politischen Verhältnisse der Fürstentümer Moldau und Walachei. 14. Februar – 3. Juni 1869 dsgl. 4. Juni – 31. Oktober 1869 dsgl. 1. November 1869 – 28. März 1870 dsgl. 1. Juni – 31. Dezember 1870 dsgl. 1. Januar – 14. Februar 1871 dsgl. 16. Februar – 14. April 1871 Acta betr. die Verhältnisse Montenegros 1. Januar 1867 – 31. Dezember 1869 dsgl. 1. Januar – 31. Juli 1870 Acta betr. die Verhandlungen über die Orientalische (Russische, Türkische) Frage nach dem Abschluß des Friedens vom 30. März 1856. 19. November 1869 – 18. November 1870 dsgl. 19. – 24. November 1870 dsgl. 25. – 30. November 1870 dsgl. 1. – 14. Dezember 1870 dsgl. 15. – 31. Dezember 1870 dsgl. 1. – 19. Januar 1871 dsgl. 20. – 31. Januar 1871 dsgl. 1. – 28. Februar 1871 dsgl. 1. März 1871 – 31. Dezember 1893 Acta betr. die politischen Verhältnisse der Fürstentümer Moldau und Walachei. 1. April – 31. Mai 1870

b) Wojewódzkie Archivum Państwowe w Jeleniej Góry. Archivum książąt Reussów w Staniszowie [Staatliches Kreisarchiv in Hirschberg. Archiv des Fürsten Reuß Stonsdorf] Sygnatur 268

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Korespondęncja rodzinna ks. Reuß 1869–1870 [Familienkorrespondenz des Fürsten Reuß 1869–1870]



Verzeichnis der Quellen und der Literatur

2. Verzeichnis der gedruckten Quellen und der Literatur Abeken, Heinrich: Ein schlichtes Leben in bewegter Zeit. Aus Briefen zusammengestellt. Berlin 1898 Actenstücke zur Geschichte des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche im 19. Jahrhundert mit Anmerkungen hrsg. v. H[ugo] von Kremer-Auenrode. T. 2. Actenstücke das Vaticanische Concil und die daran schließenden Conflicte betr. Leipzig 1876 [Ndr. Hildesheim/New York 1976] Althoff, Frank: Zum Selbstverständnis der preußischen Herrscher nach der Reichsgründung 1871. In: Forschungen zur Brandenburgischen und Preußischen Geschichte N.F. 31 (2021) S. 53 – 75 Archives Diplomatiques. Recueil de diplomatie et d’histoire. [Ndr. Nendeln (Lie.) 1969] [benutzt nach der Bandbezeichnung des Nachdrucks] 35 – 36 (1869) 37 – 40 (1870) 41 – 42 (1871) [Aristarchi Bey, Yanko:] De Bagdad à Berlin. L’itinéraire de Yanko Aristarchi Bey. Diplomate Ottoman. Correspondance officielle et privée. Istanbul 2008 Auswärtige Politik Preußens, Die –. Diplomatische Aktenstücke. Hrsg. vom Reichsinstitut für Geschichte des neuen Deutschlands unter Leitung von Arnold Oskar Meyer [unterschiedliche Herausgeber]. Bd. 8 u. 10. Oldenburg i. O./Berlin 8:

[1866 VIII 8 – 1867 V]. Bearb. v. Herbert Michaelis. 1934

10: [1868 IV 10 – 1869 II]. Bearb. v. Herbert Michaelis. 1939 [Bamberger, Ludwig:] Bismarcks großes Spiel. Die geheimen Tagebücher Ludwig Bambergers (1867–1897). Eingel. u. hrsg. v. Ernst Feder. Frankfurt a. M. 1932 Baumgarten, Hermann/Ludwig Jolly: Staatsminister Jolly. Ein Lebensbild. Tübingen 1897 [auch online] Becker: „Diversion“ → Bismarcks spanische „Diversion“ Benedetti, Vincent: Ma mission en Prusse. Paris 1871 [auch online] [Bernstorff, Graf Albrecht von:] Im Kampfe für Preußens Ehre. Aus dem Nachlaß des Grafen Albrecht v. Bernstorff. Hrsg. v. Karl Ringhoffer. Berlin 1906 Bescheiden betreffende de buitenlandse Politiek van Nederland 1848 – 1919. Tweede periode 1871 – 1898. Uitg. door J[oannes] Woltring. Deel 1. 1871 – 1874. ̓s-Gra­ venhage 1962 = Rijks geschiedkundige publicatiën. Grote Serie 107 Beust, Friedrich Ferdinand Graf von: Aus drei Viertel-Jahrhunderten. Erinnerungen und Aufzeichnungen. Bd. 2. 1866–1885. Stuttgart 1887 [auch online] Bismarck, Otto Fürst von: Die gesammelten Werke. Berlin [Ndr. Nendeln (Lie) 1972] 6a: Politische Schriften 1867 bis 1869. Bearb. v. Friedrich Thimme. 1930 6b: Politische Schriften 1869 bis 1871. Bearb. v. Friedrich Thimme. 1931

595

Verzeichnis der Quellen und der Literatur 7: Gespräche. Bis zur Aufrichtung des Deutschen Reiches. Hrsg. u. bearb. v. Willy Andreas. 1924 11: Reden. 1858 bis 1878. Bearb. v. Wilhelm Schüßler. 1929 14,2:  Briefe. Hrsg. v. Wolfgang Windelband u. Werner Frauendienst. Bd. 2. 1862 – 1898. 1933 Bismarcks spanische „Diversion“ 1870 und der preußisch-deutsche Reichsgründungskrieg. Quellen zur Vor- und Nachgeschichte der Hohenzollern-Kandidatur für den Thron in Madrid 1866–1932. Bd. 1 – 3. Hrsg. v. Josef Becker unter Mitarbeit von Michael Schmid. Paderborn 1: Der Weg zum spanischen Thronangebot. Spätjahr 1866 – 4. April 1870. 2003 2: Aus der Krise der kleindeutschen Nationalpolitik in die preußisch-französische Julikrise 1870. 5. April 1870 – 12. Juli 1870. 2003 3: Spanische „Diversion“, „Emser Depesche“ und Reichsgründungslegende bis zum Ende der Weimarer Republik. 12. Juli 1870 – 1. September 1932. 2007 Bismarck und die Nordschleswigsche Frage 1864–1879. Die diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes zur Geschichte des Artikels V des Prager Friedens. Im Auftrag des Auswärtigen Amts hrsg. v. Walter Platzhoff [u. a.]. Berlin 1925 Bourguinat, Nicolas/Gilles Vogt: La guerre franco-allemande de 1870. Une histoire globale. Paris 2020 Bray-Steinburg, Graf Otto von: Denkwürdigkeiten aus seinem Leben [1807 – 1870]. Stuttgart 1909 British Documents on Foreign Affairs. Reports and Papers from the Foreign Office Confidential Print. Ed. Kenneth Bourne a. D. Cameron Watt. Part 1. From the Mid-Nineteenth-Century to the First World War. Series F. Europe, 1848 – 1914. Ed. John F. V. Keiger. Vol. 4, 31 – 33. [Frederick, Md.] 4: The Low Countries: Luxemburg, 1867 – 1914; Belgium 1862–1914. 1987 31: Franco-Prussian War, July 1870. 1991 32: Franco-Prussian War, July 1870 – Feb. 1871. 1991 33: The Habsburg Monarchy 1859 – 1905. 1991 Burgaud, Stéphanie: La politique russe de Bismarck et l’unification allemande. M ­ ythe fondateur et réalités politiques. Straßburg 2010 = Les mondes germaniques 14 Carmel, Alex: Palästina-Chronik 1853 – 1882. Ulm 1978 Carmel, Alex: Die Siedlungen der württembergischen Templer in Palästina 1868– 1918. Ihre lokalpolitischen und internationalen Probleme. Stuttgart 1973 = Veröffentlichungen der Kommission f. Geschichtl. Landeskunde in Baden-Württemberg B/77 Charles Ier, Roi de Roumanie. Chronique, actes, documents. Publ. par A. Sturdza. Vol. 1. 1866 – 1875. Bukarest 1899 [auch online] Consolidated Treaty Series [CTS]. Ed. and annotated by Clive Parry. Vol. 88 (1838/ 39). Dobbs Ferry 1969 Constabel, Adelheid → Vorgeschichte 596



Verzeichnis der Quellen und der Literatur

Correspondenzen des Kaiserlich-Königlichen gemeinsamen Ministeriums des Äußern. No.  1, 3 – 5. Wien 1: Vom November 1866 bis Ende 1867. 1868 3: Vom November 1868 bis Juli 1869. 1869 4: Vom August 1869 bis November 1870. 1870 5: Vom November 1870 bis April 1871. 1871 [Dalwigk zu Lichtenfels, Freiherr Reinhard von:] Die Tagebücher des Freiherrn Reinhard von Dalwigk zu Lichtenfels aus den Jahren 1860 – 1871. Hrsg. v. Wilhelm Schüßler. Stuttgart/Berlin 1920 [Ndr. Osnabrück 1967; auch online] = Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts 2 Documenti Diplomatici Italiani [DDI]. Prima Serie: 1861–1870. [Hrsg. v.] Ministero degli affari esteri. Commissione per la pubblicazione dei documenti diplomatici. Rom 11: [1869 I 1 – X 5]. 1989 12: [1869 X 6 – 1870 VII 4]. 1990 13: [1870 VII – IX 20]. 1963 Seconda Serie: 1870–1896 1: [1870 IX 21 – XII 31]. 1960 2: [1871 I 1 – VI 30]. 1966 Documents diplomatiques suisses. Diplomatische Dokumente der Schweiz. Documenti diplomatici svizzeri. 1848 – 1945. [Hrsg. v. d.] Commission für die Veröffentlichung diplomatischer Dokumente der Schweiz […]. Band 2 [1861 I 1 – 1872 XII 24]. Prép. par Jean Charles Biaudet […]. Bern 1985 Doeberl, M[ichael]: Bayern und die Bismarckische Reichsgründung. München/Berlin 1925 Döllinger, Ignaz von: Briefwechsel 1820–1890. Bearb. v. Victor Conzemius. Bd. 2. 1869 – 1870. München 1965 [Empress Frederick:] Letters of the Empress Frederick. Ed. by Frederick Ponsonby. London 1928 Europäischer Geschichtskalender. Hrsg. v. H[einrich] Schulthess. Nördlingen 8 (1867)  10 (1869) 1870  11 (1870) 1871  12 (1871) 1872 Europa und die Türkei 1856 –1875. Geheime Akten aus den Kanzleien der europäischen Großmächte. Europe and Turkey … Hrsg. v./Ed. by/Publ. par Winfried Baumgart. Paderborn 2023 Fleury, Emile Félix: La France et la Russie en 1870. D’après les papiers du général Comte Fleury. Paris 1902 [auch online] [Friedrich III:] Kaiser Friedrich III. Tagebücher 1866 – 1888. Hrsg. u. bearb. v. Winfried Baumgart. Red.: Mathias Friedel. Paderborn [u. a.] 2012 [Friedrich III., Kaiser:] Kaiser Friedrich. Das Kriegstagebuch von 1870/71. Hrsg. v. Heinrich Otto Meisner. Berlin/Leipzig 1926

597

Verzeichnis der Quellen und der Literatur [Friedrich I. von Baden:] Großherzog Friedrich I. von Baden und die deutsche Politik von 1854–1871. Briefwechsel, Denkschriften, Tagebücher. Hrsg. v. der Badischen Historischen Kommission. Bearb. v. Hermann Oncken. Bd. 1 – 2. Berlin/Leipzig 1927 = Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts 22–23 [Friedrich Wilhelm = Friedrich III.:] Tagebuch meiner Reise nach dem Morgenlande 1869. Bericht des preußischen Kronprinzen Friedrich Wilhelm über seine Reise zur Einweihung des Suez-Kanals. Hrsg. v. Hans Rothfels. Frankfurt a. M./Berlin 1971 Friesen, Richard Freiherr von: Erinnerungen aus meinem Leben. Bd. 3 [1867 – 1876]. Aus dem Nachlaß hrsg. v. Heinrich Freiherr von Friesen. Dresden 1910 [Gladstone, William Ewart:] The Gladstone Diaries. Ed. by M.R.D. Foot. Vol. 7. 1869 – 1871. Oxford 1982 Große Politik der Europäischen Kabinette 1871 – 1914, Die –. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes. Im Auftrage des Auswärtigen Amtes hrsg. v. Johann Lepsius, Albrecht Mendelssohn Bartholdy u. Friedrich Thimme. Bd. 1. Der Berliner Kongreß, seine Voraussetzungen und Nachwirkungen 1871– 1878. Berlin 1926 Guedalla, Philipp: The Queen and Mr. Gladstone [1845 – 1898]. London 1933 Habsburgermonarchie 1818 – 1918. Im Auftrag der Kommission für die Geschichte der Habsburgermonarchie hrsg. v. Helmut Rumpler u. Peter Urbanitsch. Bd. 7. Verfassung und Parlamentarismus. 1. Teilband. Verfassungsrecht, Verfassungswirklichkeit, zentrale Repräsentationskörperschaften. Wien 2000 Hähnsen: → Ursprung und Geschichte Hassel, Paul: Aus dem Leben des Königs Albert von Sachsen. Bd. 2. König Albert als Kronprinz. Berlin 1900 [auch online] [Hohenlohe-Schillingsfürst, Chlodwig zu:] Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Im Auftrag des Prinzen Alexander zu HohenloheSchillingsfürst hrsg. v. Friedrich Curtius. Bd.  1. [1819  –  1870]. – Bd.  2. [1870 – 1901]. Stuttgart 1906 [auch online] Huber, Ernst Rudolf: Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789. Bd. 3. Bismarck und das Reich. Stuttgart 1963 Huber, Ernst Rudolf/Wolfgang Huber: Staat und Kirche im 19. und 20. Jahrhundert. Dokumente zur Geschichte des deutschen Staatskirchenrechts. Bd. 2. Staat und Kirche im Zeitalter des Hochkonstitutionalismus und des Kulturkampfs 1848– 1890. Berlin 1976 Independența României. Documente. Vol. 2,1. Corespondentă diplomatică străină 1853 – 1877 mai. Bukarest 1977 Jansen, Guenter: Großherzog Nicolaus Friedrich Peter von Oldenburg. Oldenburg 1903 [auch online] [Johann von Sachsen:] Briefwechsel zwischen König Johann von Sachsen und den Königen Friedrich Wilhelm IV. und Wilhelm I. von Preußen [1825 – 1873]. Hrsg. v. Hellmut Kretzschmar. Göttingen 1958 = Deutsche Geschichtsquellen des 19. u. 20. Jahrhunderts 42 598



Verzeichnis der Quellen und der Literatur

Kaiser Friedrich III. → Friedrich III. Ketteler, Wilhelm Emmanuel Freiherr von: Sämtliche Werke und Briefe. Im Auftrag der Akademie d. Wiss. u. d. Literatur, Mainz, hrsg. v. Erwin Iserloh. Mainz. Abt. I. Bd. 3: Schriften, Briefe und Materialien zum Vaticanum I. 1867–1875. 1982 Abt 2. Briefwechsel und öffentliche Erklärungen. Bd. 5: Briefe und öffentliche Erklärungen. 1866 – 1870. 1997. – Bd. 6: Briefe und öffentliche Erklärungen. 1871 – 1877. 2001 Keudell, Robert von: Fürst und Fürstin Bismarck. Erinnerungen aus den Jahren 1846 bis 1872. Berlin/Stuttgart 1901 [auch online] Kremer-Auenrode, Actenstücke → Actenstücke Lappenküper, Ulrich: Bismarck und Frankreich 1815 bis 1898. Chancen zur Bildung einer „ganz unwiderstehlichen Macht“? Paderborn 2019 = Otto-von-BismarckStiftung. Wissenschaftliche Reihe 27 Letters of he Empress Frederick [1858 – 1900]. Ed. by Frederick Ponsonby. London 1928 Lorenz, Ottokar: Kaiser Wilhelm und die Begründung des Reiches 1866–1817 nach Schriften und Mitteilungen beteiligter Fürsten und Staatsmänner. Jena 1902 [auch online] Lutz, Heinrich: Österreich-Ungarn und die Gründung des Deutschen Reiches. Euro­ päische Entscheidungen 1867 – 1871. Frankfurt a. M. [u. a.] 1979 Michael, Horst: Bismarck, England und Europa (vorwiegend von 1866–1870). Eine Studie zur Geschichte Bismarcks und der Reichsgründung. München 1930 = Forschungen z. Mittelalterlichen u. Neueren Geschichte 5 Mittnacht, Hermann Freiherr von: Rückblicke [1867 – 1870]. Stuttgart

1–4

1909

[Morier, Robert:] Memoirs and Letters of the Right Hon. Sir Robert Morier from 1826 to 1876. By His Daughter Rosslyn Wemyss. Vol. 2 [1865 – 1876]. London 1911 [auch online] Newton, Thomas W.L.: Lord Lyons. A Record of British Diplomacy. Vol. 1 [1859 –  1871]. – Vol. 2 [1871 – 1887]. London 1913 [auch online] Oncken, Hermann [Hrsg.]: Die Rheinpolitik Kaiser Napoleons III. von 1863 bis 1870 und der Ursprung des Krieges von 1870/71. Nach den Staatsakten von Österreich, Preußen und den süddeutschen Staaten. Bd. 1 – 2. Berlin/Leipzig 1926 [Ndr. Osnabrück 1867] = Deutsche Geschichtsquellen des 19. Jahrhunderts 20 – 21 2: Juli 1866 bis Juli 1868 3: Juli 1868 bis August 1870 Origines Diplomatiques [OD] de la guerre de 1870 – 1871. Les –. Recueil de documents publié par le Ministère des Affaires étrangères. Tomes 11, 24 – 29. Paris 11: [1866 VII 11 – VIII 6]. 1920 24: [1869 III 9 – V 31]. 1929 25: [ 1869 VI 1 – XI 15]. 1929 26: [1869 XI 17 – 1870 III 3]. 1929 599

Verzeichnis der Quellen und der Literatur 27: [1870 III 4 – VI 30]. 1930 28: [1870 VII 1 – 15]. 1931 29: [1870 VII 16 – VIII 10]. 1932 Peyron, Elie: Le Rôle de l’Impératrice Eugénie (en Septembre et Octobre 1870). In: Revue d’Histoire du XIX siècle 87 (1921) S. 293 – 304 Plessis, Alain: De la fête impériale au mur des fédérés 1852 – 1871. Paris 1973 [letzte Aufl: 2001] Political Correspondence of Mr. Gladstone and Lord Granville, 1868–1876. The –, Vol. 1. 1868 – 1871. London 1952 = Camden Third Series 81 Protokolle des gemeinsamen Ministerrates der österreichisch-ungarischen Monarchie 1867–1918. Hrsg. v. Ungarischen Komitee für die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle unter Mitarbeit des Österr. Komitees für die Veröffentlichung der Ministerratsprotokolle. Bd. 1,2. Die Protokolle … 1870/1. Bearb. v. Éva Somogyi. Budapest 2011 Rheindorf, Kurt: England und der Deutsch-Französische Krieg 1870/71. Ein Beitrag zur englischen Politik in der Zeit des Übergangs vom Manchestertum zum Imperialismus. Mit Benutzung bisher unveröffentlichten Materials. Bonn 1923 [auch online] Rheindorf, Kurt: Die Schwarze-Meer-(Pontus-)Frage vom Pariser Frieden von 1856 bis zum Abschluß der Londoner Konferenz von 1871. Ein Beitrag zu den orientalischen Fragen und zur Politik der Großmächte im Zeitalter Bismarcks. Unter Benutzung bisher unveröffentlichten Materials. Berlin 1925 [Russell, Odo:] Letters from the Berlin Embassy. Selections from the Private Correspondence of British Representatives at Berlin, and Foreign Secretary, Lord Granville, 1871–1874, 1880–1885. Ed. … by Paul Knaplund. Washington 1944 = Annual Report of the American Historical Association for the year 1942 … 2 Salomon, Henry: L’ambassade de Richard de Metternich à Paris. Paris 1931 Schatz, Klaus: Vaticanum I. Bd. 1 – 3. Paderborn [u. a.] 1992 – 1994. Schulthess’ Europäischer Geschichtskalender → Europäischer Geschichtskalender Schulze-Wegener, Guntram: Albrecht von Roon. Kriegsminister, Generalfeldmarschall, Ministerpräsident. Berlin 2011 [Schweinitz, Lothar von:] Denkwürdigkeiten des Botschafters General von Schweinitz. Bd. 1. [1822 – 1877]. Berlin 1927 [Spitzemberg, Hildegard Freifrau von:] Das Tagebuch der Baronin Spitzemberg geb. Freiin von Varnbüler. Aufzeichnungen aus der Hofgesellschaft des Hohenzollernreiches [1859 – 1914]. Ausgew. u. hrsg. v. Rudolf Vierhaus. Göttingen 1960 = Deutsche Geschichtsquellen des 19. u. 20. Jahrhunderts 43 Staatsarchiv, Das –. Sammlung der officiellen Actenstücke zur Geschichte der Gegenwart. Bd. 17 – 19, 20 – 21, 24. Hrsg. v. [Karl Ludwig] Aegidi u. [Alfred] Klauhold. Hamburg 17: Juli –  Dezember 1869. 1869 18: Januar –  Juni 1870. 1870 600



Verzeichnis der Quellen und der Literatur 19: Juli –  Dezember 1870. 1870 20: Juli –  Dezember 1871. 1871 24: (1868 – 1871). 1876

Stehlin, Stewart A.: Bismarck and the Guelph Problem 1866–1890. A Study in Particularist Opposition to National Unity. Den Haag 1973 [Thiers, Adolphe:] Notes et souvernirs de M. Thiers. 1870 – 73. Voyage diplomatique. Proposition d’un Armistice. Préliminaires de paix. Présidence de la République. Paris 1901 [auch online] Ursprung und Geschichte des Artikels V des Prager Friedens. Die deutschen Akten zur Frage der Teilung Schleswigs (1863–1879). Hrsg. v. Fritz Hähnsen. Bd. 2. Die Geschichte des Artikels V des Prager Friedens von den Nikolsburger Friedenspräliminarien bis zur Aufhebung der Vereinbarung mit Österreich [1866 VII 30 – 1880 I 10]. Breslau 1929 = Veröffentlichungen der Schleswig-Holsteinischen Universitätsgesellschaft 21,2 Valentin, Veit: Bismarcks Reichsgründung im Urteil englischer Diplomaten. Amsterdam 1937 [auch online] [Victoria:] The Letters of Queen Victoria. Second Series. A Selection from Her Majesty’s Correspondence and Journal between the Years 1862 and 1878. Ed. by George E. Buckle. Vol. 1 – 2. London 1926 1: 1862 – 1869 2: 1870 – 1878 Vorgeschichte des Kulturkampfs. Die –. Quellenveröffentlichung aus dem Deutschen Zentralarchiv. Bearb. v. Adelheid Constabel. Hrsg. v. d. Staatlichen Archivverwaltung im Ministerium des Innern. Berlin 1956 = Schriftenreihe der Staatlichen Archivverwaltung 6 Wertheimer, Eduard von: Graf Julius Andrássy. Sein Leben und seine Zeit. Nach ungedruckten Quellen. Bd. 1. Bis zur Ernennung zum Minister des Äußern. Stuttgart 1910 [Werthern, Georg Freiherr von:] Ein preußischer Gesandter in München. Georg Freiherr von Werthern. Tagebuch und politische Korrespondenz mit Bismarck 1867 –  1888. Hrsg. u. bearb. v. Winfried Baumgart = Deutsche Geschichtsquellen des 19. u. 20. Jahrhunderts 74 Your Dear Letter. Private Correspondence of Queen Victoria and the German Crown Princess. 1865 – 1871. Ed. by Roger Fulford. London 1981 = Private Correspondence of Queen Victoria 3 Zimmer, Frank (Hrsg.): Vom Norddeutschen Bund ins Deutsche Reich. Gesandtschaftsberichte und Briefe des großherzoglich hessischen Gesandten Karl Hofmann aus Berlin 1866 – 1872. […] Darmstadt 2000

601

Register Kursiv gesetzte Zahlen bei Personennamen verweisen auf biographische Daten für diese Person (in der Regel für den Zeitraum 1856–1875). – ä, ö, ü werden wie a, o, u eingereiht (ae, oe, ue jedoch nicht). Aali Pascha, Großwesir  67 u. A. 1, 156, 170, 171, 409, 495, 548, 576 Abd ül-Asis  137 u. A. 147, 170, 328 Abeken, H.  143 u. A. 158, 256–257, 289 –– Konzil  145–147, 153 Abrüstung  23 –– Bismarck  139, 210, 221 –– Clarendon  250–251, 349 u. A. 411–412 –– Napoleon  137 –– Ollivier  215 –– Wilhelm I.  163, 245 Adalbert, Prinz  536 zu. A. 609, 291 Adlung, J.  82 u. A. 42 Adolph, Herzog  102 u. A. 82 Ägypten –– deutsche Kolonisten  137 –– Türkei  171 Alabamafrage  34, 131 u. A. 134, 138, 490–491 Albert, Kronprinz  203 u. A. 253, 376 Albrecht, Erzherzog  261 u. A. 322, 4, 262, 280, 281, 282, 447 Albrecht, Prinz  201 u. A. 249 Aleksandr Aleksandrovič  197 u. A. 245, 237, 506 Alexander II., Zar  71 u. A. 17 –– Beust  579 –– Clarendon  266 –– Dänemark  319, 345 –– Deutsch-Französ. Krieg  301, 371–374, 380–381, 445 602

–– Elsaß-Lothr.  381, 383, 402, 469–470 –– Fleury  176, 184, 324–325 –– Frankreich  140–142, 175, 320 –– Hohenzollernkandidatur  319, 323–324 –– Napoleon III.  582 –– Nečaev  506–507 –– Neutralität  346 –– Nordschleswig  18, 185, 189, 190, 196 –– Österreich  280–282, 306–307, 315, 318, 349 –– Otway  197 –– Preußen  71, 135, 136, 174, 200, 397 –– Reuß  354 –– Schwarzmeerfrage  33, 382, 383, 409, 431, 433, 446 –– Süddeutschland  327, 486 –– Thiers  442–445, 462 –– Wilhelm I.  17, 199, 276, 329, 330–331 Alfons, Prinz  208 u. A. 260 Algerien  191, 192, 220 Alten, G. v.  179 u. A. 225, 180–184 Amadeus, Herzog  460 u. A. 531, 453, 464, 539 Amalie, Königin  268 u. A. 330 Amerika → Vereinigte Staaten Andrássy, G. Graf  93 u. A. 66, 2, 150 –– Beust  416, 437, 457, 463, 475–478, 484–486 –– Bismarck  22, 210, 417, 440, 497–499, 504

Register –– Deutsch-Französ. Krieg  309 –– Elsaß-Lothr.  406 –– Preußen  162–163 –– Rumänien  489–490 –– Schweinitz  314–315, 394, 436–438, 455–456 André, A.  102 u. A. 80 Annenkov, M. N.  472 u. A. 549, 473 Antoinette, Infantin  557 u. A. 629 Antonelli, G.  154 u. A. 184, 253, 254–255, 257, 412 Antwerpen  264–265 Apponyi, A. Gräfin  502 u. A. 579 Apponyi, R. Graf  502 u. A. 579, 556, 563 Aprilvertrag (1856)  498 u. A. 575, 524, 528 –– Bismarck  539 Aristarchi Bey, J.  67 u. A. 1, 77, 137, 160 Armee –– preußische  3, 251–252 –– türkische  186–188 Arnim, H. Graf v.  79 u. A. 32, 28 –– Bismarck  271–272, 273, 431 –– Döllinger  117 –– Franchi  540–541 –– Friedensverhandlungen  581 –– Guibert  537, 570–571 –– Konzil  29–31, 117–118, 127, 147, 148, 178, 205–206, 223, 233–237, 240, 241, 246–247, 253, 254–255, 257–260, 268–269, 271, 272–273 –– Pius IX.  479, 515 –– Papsttum  572 –– Rom  411–414, 417, 418, 440–442, 466 –– Rücktritt  260 Artom, I.  316 u. A. 367 Asteriades, Sekretär  183 Augusta, Königin  68 u. A. 8, 152 u. A. 180 Augusta Maria, Prinzessin  267 u. A. 329, 268

Auswärtiges Amt  208 Avril, A. baron d’  334 u. A. 392 Baden  103, 177, 188 –– Bayern  575 –– Bismarck  227–228, 355 –– deutsche Einheit  27, 159, 450, 486 –– Deutsch-Französ. Krieg  299, 311 –– Elsaß  421 –– Friedrich I.  423 –– Ludwig II.  400 –– Preußen  297 Balan, H. v.  96 u. A. 69 –– Beust  155 –– Friedrich Wilhelm  160 Baltische Provinzen → Ostseeprovinzen Bamberg, F.  223 u. A. 277 Bamberger, L.  355 u. A. 415, 512 –– Kaiserproklamation  473 Bancroft, G.  467 u. A. 543, 493, 499–500 Banneville, G. marquis de  252 u. A. 311, 253, 254, 256 Bartels, R.  243 u. An. 301, 244 Bayern  25, 26, 27, 103, 132 –– Bismarck  224, 292, 352, 361, 497, 536, 550 –– Bray  405–406 –– Dalwigk  422 –– Delbrück  473 –– deutsche Einheit  471, 492, 533, 575 u. A. 650 –– Deutsch-Französ. Krieg  311, 351 –– Friedrich I.  423 –– Friedrich Wilhelm  539 –– Friesen  425 –– Gorčakov  350–351 –– Gramont  302 –– Hohenzollernkandidatur  280 –– Innenpolitik  195–196 –– Italien  310 –– Lothringen  421 –– Ludwig II.  213, 334, 453 603

Register –– Mobilmachung  295 –– Preußen  216, 266 –– Sonderrechte  431, 474, 486 –– Vatikanisches Konzil  108 u. A. 95, 242, 248 –– Werthern  68 –– Wilhelm I.  346–347 Bazaine, F. de  415 u. A. 491, 416, 420, 454, 470 u. A. 546 Belgien –– Bismarck  83, 88, 90, 316, 343, 396, 440, 542 –– Deutsch-Französ. Krieg  366 u. A. 429 –– Eisenbahnkrise (1869)  14–15, 22, 67 u. A. 4, 71, 74, 75–76, 82, 84 u. A. 47, 113, 121, 130, 264 –– England  340 –– Frankreich  72, 85, 112 u. A. 103, 115, 348 u. A. 410–411, 459 –– Napoleon III.  84–85, 104, 132, 133 –– Neutralität  356 u. A. 416 –– Thiers  379, 575 Beaulieu, A. baron de  83 u. A. 44 Beirut  185, 186 Belfort  581, 587, 588 –– Benedetti, V. Graf  116 u. A. 110, 2 – Bismarck  90–91, 299, 332–333 –– Dänemark  336 –– Ems  9, 283, 285, 289, 306, 317, 330 –– Gotthard-Bahn  274 –– Hessen  252–253 –– Hohenzollernkandidatur  116 –– Nordschleswig  19, 192, 249–250 –– Preußen  196, 270 –– Vertrag (1866)  322 u. A. 374, 327–328, 332, 348 u. A. 410–411, 356 –– Wilhelm I.  285, 289, 299 Bernstorff, A. Graf v.  70 u. A. 13, 229, 270 –– Abrüstung  250–251 –– Belgien  74, 83–84, 112, 264–265, 337, 340, 341–342, 345 –– Benedetti  327–328 604

–– Bismarck  502 –– Dänemark  335 –– England  24, 290, 338, 534–535 –– Gramont  279 –– Granville  368–370, 408 –– Londoner Konferenz  556, 584 –– Otway  197–198 –– Paris  508 –– Sachsen  207 –– Schwarzmeerfrage  480, 489, 491 –– Süddeutschland  341 Bernstorff, A. Gräfin v.  265 u. A. 327 Beust, F. Graf v.  72 u. A. 20, 20, 110, 111, 150, 162 –– Alexander II.  174 –– Andrássy  416, 437, 457, 475–478, 484–486 –– Bismarck  21, 22, 386, 395, 398, 400, 407, 414, 417, 432–433, 440, 447, 463, 487 –– Charakteristik  151–152 –– Deutsch-Französ. Krieg  286, 296, 309, 317, 361, 362 –– Gorčakov  566, 579 –– Hohenzollernkandidatur  278–279 –– Österreich-Ungarn  94 –– Polen  113, 116, 225 –– Novikov  565 –– Rotbücher  154 u. A. 184 –– Sachsen  145 u. A. 163, 217 –– Schweinitz  321, 394, 410 –– Süddeutschland  148 –– Tripelallianz  5, 6, 143–144, 263, 284 –– Vatikanisches Konzil  122, 123, 241, 242 Bibesco, N.  326 u. A. 379 Bibesco, Oberst  365 Biedermann, K.  216 u. A. 269, 217 Bismarck, J. Gräfin v.  387 u. A. 454 Bismarck, O. Fürst v.  67 u. A. 2 –– Abrüstung  23, 139, 210 –– Andrássy  417, 440, 497–499 –– Arnim  34, 271–273, 431

Register –– Baden  197, 227 –– Bayern  25, 27, 198, 224, 227, 292, 311, 352, 361, 431, 492, 497, 536, 550 –– Bazaine  454 –– Belgien  23, 83, 88, 90, 113, 316, 342, 360, 396, 440, 542 –– Benedetti  299, 332–333 –– Beust  21, 22, 386, 395, 398, 400, 407, 414, 417, 432–433, 440, 446, 463, 487 –– Dalwigk  423 –– Dänemark  336, 384 –– deutsche Einheit  2, 69, 188, 239, 260 –– Deutsch-Französ. Krieg  283 –– Donau  548–549, 558, 573, 586–587 –– Elsaß(-Lothringen)  355, 367, 379, 388, 389, 400, 406, 415, 416, 455, 461, 586 –– Emser Depesche  308 –– England  291, 332, 380, 387, 479, 574 –– englische Legion  331 –– Eugénie  388 –– Favre  405, 408, 415, 417, 419, 424, 438, 555 –– Frankreich  109, 411, 586 –– Friedensbedingungen  553 –– Friedrich Wilhelm  156, 487, 512, 539 –– Gorčakov  435 –– Gramont  280, 290 –– Granville  332 –– Hannover  105, 107, 163, 224, 266 –– Hohenlohe-Schillingsfürst  222 –– Hohenzollernkandidatur  8, 229, 237–239, 249, 263, 265, 271, 276, 277, 279, 280, 285, 287, 288, 291, 292, 310, 449 –– Italien  337, 416, 449, 551 –– Kaiser/-titel, -proklamation  211–121, 245, 255, 342, 541 –– Karl  36, 243, 514, 547–548, 550 –– Karl Anton  330

–– Kolonien (französ.)  568, 573 –– Königstein  195 –– kriegsbereit  1, 2, 67, 96–97, 98, 103–104, 159, 188, 189, 247 –– Ledóchowski  460 –– London (Konferenz)  501–502, 509, 524, 533, 557, 578, 581, 584–585 –– Ludwig II.  400 –– Luxemburg  454, 509–511, 525, 559 –– Mobilmachung  295–296, 300 –– Moltke  488, 536, 547, 555, 574 –– Montenegro  76–77 –– Napoleon III.  313, 343, 357, 386, 387, 416, 512 –– Nordschleswig  164, 192, 196 –– Orientalische Frage  199 –– Österreich  204, 283, 304, 323, 363, 377, 380, 433, 465, 574 –– Paris (Bombardierung)  12, 517–518, 523 –– Pariser Frieden (1856)  377 –– Pius IX.  89–90, 96, 407, 572 –– Polen  75 –– Rom  376, 432, 471, 474, 495 –– Rumänien  211, 226, 504 –– Russell  498–499 –– Rußland  112, 435–436, 573 –– Sachsen  422 –– Schwarzmeerfrage  415, 424, 432, 473, 480, 487, 493, 494, 495, 496, 497, 503 –– Spanien  10, 294, 304 –– Süddeutschland  73, 91, 95, 104, 138, 255, 263–264, 276, 292, 294, 304, 375, 524 –– Thiers  453, 462, 467 –– Tripelallianz  4, 91, 137, 342, 356 –– Usedom  87 A. 56 –– Vatikanisches Konzil  29–31, 95, 108, 127, 151, 179, 208, 210, 224, 245, 269 –– Vereinigte Staaten  294, 367, 384, 401, 467–468, 488, 493, 496 –– Versailles  472 605

Register –– Viktor Emanuel  375 –– Welfen  313 –– Welfenfonds  192 –– Wentzel  322 –– Württemberg  223, 288, 366 Bismarck-Bohlen, Graf F.  562 u. A. 636 Blanc, A.  296 u. A. 345 Bloomfield, J. Lord  110 u. A. 100 Böck von Wülfingen, G.  106 u. A. 90 Bojanowski, V. v.  136 u. A. 145, 501 Bonnechose, H. 574 u. A. 649 Bosnien  126 Bothmer, M. Graf v.  331 u. A. 387 Bourbaki, C.  463 u. A. 536, 558, 574 u. A. 648 Boyer, Baron N.  463 u. A. 536 Brandenburg, G. Graf v.  109 u. A. 98 Brassier de Saint-Simon, M.  208 u. A. 260, 376, 389–390, 398, 417, 431, 453, 465 Brătianu, I. C.  150 u. A. 175, 238 Bray, O. Graf v.  227 u. A. 283, 25, 26, 228–229, 350–351 –– Deutsch-Französ. Krieg  378 –– Deutschland  406, 471 –– Eslaß-Lothringen  472 –– Hohenzollernkandidatur  280 –– Kaiserproklamation  439 –– Süddeutschland  405–406 –– Vatikanisches Konzil  241, 242, 248 –– Versailles  575–576 Brunnov, F. I. Graf  335 u. A. 394, 339, 358, 480, 502, 526, 564 Buchanan, Sir A.  560 u. A. 632 Bucher, L.  147 u. A. 166, 9, 21, 156, 249, 271 –– Suezkanal  154 Busch, C. A.  173 u. A. 215 Bylandt, K. Graf v.  298 u. A. 347 Cadore, J. marquis de  213 u. A. 263, 266 Cadorna, C.  588 u. A. 669 Cadorna, R.  417 u. A. 493 606

Caetani, M.  441 u. A. 515 Canitz, J. Frhr. v.  243 u. A. 300 Carathéodory Pascha, A.  328 u. A. 383 Castellane, P. comte de  477 u. A. 555 Cazaux, J. marquis de  284 u. A. 341 Châlons (Militärlager)  138 Chigi, F.  537 u. A. 610 Chotek, B. Graf  318 u. A. 368, 327, 502 Christian IX., König  159 u. A. 196, 339 Clarendon, E. H. Villiers, 5th Earl of  177 u. A. 222 Clarendon, G. Villiers, Earl of  71 u. A. 16, 98 –– Abrüstung  221, 245, 250–251 –– Alexander  II.  266, 270 –– Baden  28 –– Belgien  23, 71, 83, 84, 85, 112, 130, 348 A. 411 –– Preußen  176–177 –– Sachsen  207 Cochinchina  461 Coëhorn, M. v.  421 u. A. 494 Cornot de Cussy, H. baron de  429 u. A. 502, 510 Crémieux, A.  537 u. A. 611 Cuza, A. I.  239 u. A. 295, 490 u. A. 567 Dalwigk, R. Frhr. v.  122 u. A. 117, 27, 322, 420–422, 472, 568, 569, 570 –– Bismarck  423 –– Elsaß-Lothringen  351 Damaskus  187 Dänemark  335, 336 –– Alexander  II.  319 –– Bismarck  384 –– Frankreich  302, 322, 323, 339, 342, 345 –– Neutralität  349–350 –– Nordschleswig  17, 18, 19, 193 –– Preußen  160 Danzig  14, 363 Darboy, G.  258 u. A. 319 Daru, N. comte  209 u. A. 261, 219–221, 248–259, 257

Register Déak, F. v.  93 u. A. 65, 456 Delbrück, R.  287 u. A. 342, 380, 405, 406, 425, 473, 515 Deutsche Einheit –– Baden  197 –– Bayern  198, 407, 533, 575 u. A. 650 –– Bismarck  2, 69, 90–91, 209, 239, 261, 264, 471, 527, 650 –– Bray  439 –– Dalwigk  420–421 –– Ernst II.  450 –– Friedrich I.  384, 422–423 –– Friesen  396, 425–426, 512 –– Jolly  386 –– Ludwig II.  213, 453 –– Suckow  392–393 –– Titov  405 –– Werthern  190, 380 Deutscher Bund –– Festungen, 70, 73, 109 u. A. 97, 138, 151 Deutsch-Französischer Krieg  1–4, 9–13 –– Bayern  378 –– Beust  317, 361, 362 –– Friedensbedingungen  445–446, 562 –– Friedensverhandlungen  581, 587 –– Kriegserklärung  302, 330 –– Mobilmachung  296, 300 –– Rumänien  364–365 –– Sedan  362 u. A. 423, 387, 391 –– Vermittlung  296–297, 298, 301, 312; → Vermittlung –– Waffenstillstand  406, 438, 443, 462, 466, 470, 483, 508, 527, 560 u. A. 634, 561 –– Wörth  359 u. A. 419 –– → Paris/Bombardierung Deutschland –– England  534 –– Frankreich  260 –– Granville  369 –– Österreich  197, 397, 477–478, 524, 562, 574

–– Ozerov  350 –– Rumänien  489 –– Rußland  566 –– Viktoria  540 Deutschliberale Verfassungspartei  93 u. A. 64, 94 Djemil Pascha, M.  344 u. A. 405 Dolgorukov, N. S.  124 u. A. 121 Döllinger, I.  117 u. A. 113, 72, 214 u. A. 265 Donau  37, 548–549, 563–564, 567, 573, 576–577, 586–587, 589 Dönhoff, C. Graf v.  151 u. A. 176 „Dresdner Zeitung“ 152 u. A. 178 Drouyn de Lhuys, E.  102 u. A. 80 Dubs, J.  519 u. A. 592 Duesberg, F. v.  178 u. A. 224 Düfflipp, L. v.  379 u. A. 445 Dupanloup, F.  247 u. A. 304 Düppel  250 u. A. 308, 254 Eberhard, M.  206 u. A. 258 Edward, Prince of Wales  157 u. A. 190 Eichmann, F. v.  109 u. A. 96, 145 u. A. 163, 201–204, 216–217, 267, 268 –– Friesen  425–426 Eisenbahnen –– Belgien → Belgien/Eisenbahnkrise –– Gotthard  73 u. A. 23 –– Rumänien  244 Eisenhart, J. A. v.  168 u. A. 207, 228, 378, 496 Elbzoll  264 u. A. 326 Elliot, Sir H.  321 u. A. 372 Elsaß  11, 15 –– Albert  376 –– Alexander II.  372, 402, 469–470 –– Bismarck  355, 367, 379, 400, 406, 415, 417, 424, 455, 461, 528, 551, 553, 562 –– Bray  472 –– Dalwigk  351, 420–421 –– Friedensverhandlungen  588 –– Friedrich I.  422, 503, 547 607

Register –– Gladstone  473 –– Gorčakov  554 –– Manteuffel  388 –– Roggenbach  387 –– Rußland  404 –– Schweiz  420, 586, 587 –– Thiers  452, 581 –– Varnbüler  384 –– Viktoria  520 –– Werthern  380 Ems –– Benedetti  283, 285, 317, 330 –– „Depesche“ 9, 289 –– Wilhelm I.  285, 293 England –– Belgien  81, 82, 83, 130, 337, 341–342 –– Bismarck  291, 332, 380, 387, 479 –– Deutschland  396, 534, 540 –– Frankreich  558, 574 –– Hohenzollernkandidatur  279, 293 –– Legion  331 –– Luxemburg  526 –– Neutralität  338, 368–369 –– Preußen  22–24, 290, 385 –– Rußland  481 –– Schwarzmeerfrage  480, 491 –– Vatikanisches Konzil  254–255, 256–257 –– Vermittlung  295, 298, 464 Entwaffnung → Abrüstung Epureano, M. C.  489 u. A. 565 Ernst II., Herzog  450 u. A. 518, 474, 486 Eugénie, Kaiserin  154 u. A. 183, 16, 208, 461, 463, 464, 550, 557 –– Bismarck  388, 536 –– Suezkanal  154, 156, 157 Eulenburg, A. Graf zu  388 u. A. 456 Eulenburg, F. A. Graf zu  80 u. A. 36, 105, u. A. 88, 106, 164 Europäisches Konzert  255 608

Fabrice, O. Frhr. v.  85 u. A. 50, 203 u. A. 252, 207, 217, 266, 267 Falbe, C. F.  254 u. A. 315 Falcinelli, M.  411 u. A. 483 Favre, J.  390 u. A. 459, 561 –– Bismarck  424, 535, 555, 558 –– Elsaß  551 –– Friedensverhandlungen  405, 408, 415, 419, 438 –– Friedensziele  13, 390–391, 416, 424 –– Italien  419 –– London (Konferenz)  513, 538, 556 –– Luxemburg  583 –– Thiers  588 Feder, G. v.  196 u. A. 243 Feoktistov, E. M.  134 u. A. 140 Ferdinand Maximilian, Fürst  267 u. A. 329, 268 Fernow, T.  367 u. A. 430 Feßler, J.  129 u. A. 130 Fischer, F. v.  111 u. A. 102 Fish, H.  491 u. A. 571, 492 Flemming, A. Graf v.  311 u. A. 361 Fleury, E. comte  176 u. A. 220, 18, 237, 300, 306, 324–325, 345 –– Nordschleswig  184–185, 188, 189–190, 194, 199, 207 u. A. 259, 209 Föhr, J. P.  304 u. A. 352, 545 Forckenbeck, M. v.  558 Förster, H.  206 u. A. 258, 258 Franchi, A.  413 u. A. 489, 540–541, 571, 572 Frank, E.  569 u. A. 641 Franko Pascha  186 u. A. 236, 187 Frankreich –– Belgien  72, 75–76, 80–81, 84 u. A. 47, 88, 112, 115, 130–131, 264, 459 –– Beust  286 –– Bismarck  109, 414, 535, 586 –– England  558, 574 –– Friedensbedingungen  362–363, 395, 401, 461, 472 –– Gorčakov  582

Register –– Hohenzollernkandidatur  287 –– innere Lage  131–132, 140–141, 260 –– Italien  540–541, 588 –– kriegsbereit  98, 159, 238, 243, 261–262, 279 –– Kriegsziel  310 –– London (Konferenz)  522, 585 –– Luxemburg  427, 428, 429 –– Nordschleswig  194 –– Orient  334 –– Österreich  175, 324–325, 329, 361 –– Preußen  184 –– Rom  364 u. A. 433 –– Rumänien  326, 337 –– Rußland  312, 443 –– Schweden  274, 361 –– Tripelallianz  88 –– Vatikanisches Konzil  253 –– Waffenstillstand  462 –– Wilhelm I.  303 Franz II., Kaiser  393 u. A. 465 Franz Joseph, Kaiser  78 u. A. 31, 201, 282, 393 –– Napoleon III.  329 –– Orientreise  174 –– Tripelallianz  5 –– Viktor Emanuel  335 Freese, J.  103 u. A. 84 Frère-Orban, H.  115 u. A. 108, 112 A. 103 Freyberg, K. Frhr. v.  331 u. A. 387 Freydorf, R. v.  167 u. A. 206, 231, 297, 450 Friedensverhandlungen  483–484, 507, 581, 587 u. A. 668 Friedensvertrag  562 Friedrich I. von Baden, Großherzog  97 u. A. 71, 486 –– Bismarck  536, 547, 574 –– deutsche Einheit  2, 27, 28, 103, 384, 423, 494, 512 –– Elsaß-Lothringen  422, 503, 547, 581 –– Favre  558

–– Friedensbedingungen  581–582 –– Kaiserproklamation  461, 469, 474, 502, 522, 547, 555 –– Metz  574 –– Preußen  4 –– Waffenstillstand  558 Friedrich, Kurfürst  100 u. A. 78 Friedrich, Kronprinz  159 u. A. 196 Friedrich, Herzog  388 u. A. 456 Friedrich, Prinz  219 u. A. 272, 8, 9, 242, 244, 256 Friedrich Karl, Prinz  442 u. A. 516, 470 Friedrich Wilhelm I., Kurfürst  99 u. A. 76 Friedrich Wilhelm, Kronprinz  75 u. A. 26, 522 –– Alexander II.  276 –– Bayern  346 –– Bismarck  12–13, 512, 539, 555 –– deutsche Einheit  486–487 –– Kaiserproklamation  515, 539 –– Orientreise  154, 156–158, 160, 162–163, 170–173, 179–184, 185–188 –– Süddeutschland  310 Friesen, R. v.  145 u. A. 163, 3, 16, 159, 198, 201–203, 217, 218, 222, 268, 422, 425, 473 –– deutsche Einheit  396 Fröbel, J.  96 u. A. 49 Frossard, C.  261 u. A. 322 Gablenz, L. Frhr. v.  488 u. A. 564 Gaertner, K. v.  426 u. A. 498 Galizien  113, 114 u. A. 107, 118, 281, 306, 307 Gambetta, L.  579 u. A. 661, 466, 472, 558 Gautier, T.  461 u. A. 533 Geffcken, H.  13 Gelzer, J.  97 u. A. 71, 496 Georg V., König  99 u. A. 76, 220 George, Herzog v. Cambridge  341 u.  A. 402 Gericke, L. Baron  583 u. A. 665 609

Register Ghika, I.  239 u. A. 295 Giese, J.  178 u. A. 223 Giskra, K.  111 u. A. 101, 225 Gladstone, W. E.  290 u. A. 343, 335 –– Bismarck  502 –– Elsaß-Lothringen  473 Gobat, S.  182 u. A. 231 Goltz, R. Graf v. d.  80 u. A. 35, 110 u. A. 99, 111 Gołuchowski, A.  94 u. A. 67 Gorčakov, A. M.  68 u. A. 7, 17, 108, 137, 174, 484 –– Beust  566, 576 –– Bismarck  470 –– Elsaß-Lothringen  383 –– Frankreich  130–132 –– Hohenzollernkandidatur  290 –– Karl  580–581 –– Kongreß  19–20, 35, 403, 431, 433 –– London (Konferenz)  511, 513, 563 –– Luxemburg  559 –– Nordschleswig  184–185 –– Orient  274–275 –– Preußen  397 –– Reuß  402 –– Rumänien  481–482, 505 –– Schwarzmeerfrage  32, 33, 358, 396, 403–405, 471 –– St.-Georgs-Orden  199–200 –– Šuvalov  136 –– Thiers  444 –– Vermittlung  357, 367 Gordon, G.  384 u. A. 452 Gotthard-Bahn  73 u. A. 23 Gramont, A. duc de  149 u. A. 172, 477 –– Bayern  302 –– Belgien  348 u. A. 411 –– Bismarck  290 –– Dänemark  322, 323, 342 –– Deutsch-Französischer Krieg  14, 278, 279, 284, 309 –– Friedensbedingungen  362–363, 395 610

–– Hohenzollernkandidatur  283, 287, 288, 293, 317 –– Kriegserklärung  302 –– Mainz  276 –– Nordschleswig  254 –– Rußland  326 –– Schwarzmeerfrage  312 –– Tripelallianz  6, 305, 310, 326, 355 Granville, G. L. Gower, Lord  280 u. A. 337 –– Belgien  341, 345 –– Bismarck  23, 332, 343, 502 –– Dänemark  335, 336 –– Favre  408 –– London (Konferenz)  35, 560, 564, 584 u. A. 666, 585 –– Luxemburg  525–526 –– Paris  455, 508 –– Vermittlung  296 Green, J.  334 u. A. 392, 521 Greßer, F. v.  195 u. A. 242, 196 Griechenland  107 u. A. 94, 112 Grolmann, E. v.  331 u. A. 387 Guibert, J.  479 u. A. 556, 570–570 Gute Dienste → Vermittlung Hannover  100, 101, 105–107, 267–268 –– Bismarck  224, 266 –– Legion  191–192, 220–221 Hammer, B.  519 u. A. 592 Hammopnd, E.  368 u. A. 431 Hatzfeldt, P. Graf v.  79 u. A. 33, 80–82 Hausmann, G.-E. Baron  80 u. A. 37 u. 38 Hefele, K. J. v.  123 u. A. 118 Heinrich, Prinz  427 u. A. 500, 526, 528–530, 532, 542, 554 Heinrich, Graf von Chambord (Heinrich V.)  449 u. A. 517, 479 Helene, Großfürstin  358 u. A. 417, 32, 33, 367, 383, 385, 404, 444 Helgoland  173, 438 „Hertha“, SMS  180 u. A. 226

Register Herwarth von Bittenfeld, E.  311 u. A. 361 Herzegowina  126 → Bosnien Herzog, H.  308 u. A. 356 Hessen  27, 100, 252–253, 421, 422, 568–570 –– Bismarck  460 Heydebrand, T. v.  159 u. A. 195 Heydt, A. Frhr. v. d.  105 u. A. 88, 106 Hietzing  135 u. A. 143 Hochshild, K. Baron v.  336 u. A. 395 Hoffmann, C.  180 u. A. 226 Hoffmann, O.  105 u. A. 87 Hofmann, C.  173 u. A. 216 Hofmann, K. v.  252 u. A. 312, 253 Hofmann, L. Frhr. v.  158 u. A. 193, 553 u. A. 622, 554 Hohenlohe-Schillingsfürst, Fürst C. zu  70 u. A. 14 –– Bismarck  222 –– Entlassung  224 u. A. 279 –– Innenpolitik  195–196 –– Karl I.  166, 168, 169 –– Konzil  29, 108 u. A. 95, 122–123, 128–129, 133, 145, 146, 147, 151 –– Moltke  132 –– Varnbüler  152 Hohenlohe-Schillingsfürst, G. Graf zu  123 u. A. 119 Hohenthal, K. Graf v.  204 u. A. 254 Hohenwart, K. Graf v.  578 u. A. 660 Hohenzollernkandidatur, spanische  7–9, 95, 208 A. 260 –– Benedetti  116 –– Beust  286 –– Bismarck  229, 237–238, 263, 257, 271, 276, 277, 279, 285, 291, 292, 310, 473 –– Bray  280 –– Bucher  249 –– Canitz  243 –– England  293 –– Eugénie  208 –– Frankreich  278

–– Gramont  289, 293, 317 –– Karl Anton  253, 271, 330 –– Leopold  224, 262, 269 –– Philipp  283 –– Wilhelm I.  227, 239–240, 256 Holland  98 Holnstein, M. Graf v.  378 u. 443, 26, 492, 580 Hompesch, F. Graf v.  369 u. A. 433 Hörmann, W.  195 u. A. 242, 196 Howard, Sir H.  280 u. A. 337 Hoyos, E. Graf  102 u. A. 83 Hübner, A. Graf v.  458 u. A. 530, 394 Ignat’ev, N. P.  408 u. A. 480, 446, 470, 471, 495, 548 Ismail Pascha  133 u. A. 138, 137 –– Europareise  154 u. A. 182 Italien  274 –– Bismarck  401, 416, 449, 551 –– Brassier  390 –– Deutsch-Französ. Krieg  4, 333, 389 –– Frankreich  540–541, 588 –– Österreich  340 –– Rom  386, 390, 418, 439 u. A. 514, 466, 474 –– Südtirol  5 –– Thiers  454 –– Tripelallianz  7, 72, 77, 88–89, 92, 123, 261, 340, 352 Itzenplitz, H. Graf v.  107 u. A. 93 Jansen, G.  422 u. A. 495 Jarras, H.  261 u. A. 322 Jérôme Napoleon (Bonaparte)  541 Jerusalem  160, 173, 179, 180–183 Johann, König  201 u. A. 250, 202, 218, 268, 351, 473, 496 Jolly, J.  384 u. A. 453, 386 Jomini, A. G.  120 u. A. 120, 132, 312 Jomini, A.-H.  120 u. A. 120 Joris, J.  429 u. A. 503 Juden (Rumänien)  149, 238 611

Register Kaiser/-titel, -proklamation  245, 255, 342 –– Bamberger  473 –– Bismarck  352, 501, 515, 527, 541 –– Friedrich I.  384, 474 u. A. 580, 536 –– Friedrich Wilhelm  487, 539 –– Granville  370 –– Jolly  386 –– Leopold  557 –– Ludwig II.  412, 461, 473, 494, 496, 501, 503, 505, 512, 527 –– Roggenbach  387 –– Versailles  555 –– Wilhelm I.  475, 550, 555 Kaiserswerth  185 Kanzler, H.  412 u. A. 486 Kapitulationen (Türkei)  133 A. 138 Karl I., König  165 u. A. 202, 28, 166–167, 168, 169, 188, 350, 391, 392 Karl, Fürst  69 u. A. 11, 10, 36–37, 149, 150, 211, 239, 242, 275, 321, 325–326, 328, 334, 364, 365, 481, 482, 489, 490, 504, 580, 581 –– Bismarck  514, 547–548, 550, 556 –– Leopold  227 –– Londoner Konferenz (1871)  519, 520–522, 523 –– Rücktritt  505 Karl, Prinz  116 u. A. 111 Karl Alexander, Großherzog  503 u. A. 580 Karl Anton, Fürst  156 u. A. 186, 8, 9, 253, 262, 271, 547 –– Deutsch-Französ. Krieg  361 –– Leopold  227, 244 –– Karl Ludwig, Erzherzog  215 u. A. 267 Katakazi, K. G.  491 u. A. 571 Katkov, M. N.  134 u. A. 139, 17, 200, 507 Katte, F. v.  176 u. A. 221 Kellersperg, E. Frhr. v.  94 u. A. 67 Kern, J.  556 u. A. 626, 586, 587 612

Ketteler, W. E.  129 u. A. 130, 206, 260 u. A. 321 Keyserling, H. Graf v.  148 u. A. 169, 173, 211, 321, 344, 495 –– Donau  576–577 Kiamil Pascha  181 u. A. 230 Kirchenstaat –– Bismarck  353, 376 → Rom Kiselev, P. D.  481 u. A. 558 Kiß, N.  347 u. A. 409 Klaczko, J.  225 u. A. 281, 21, 398 Knorring, K. V. Baron  526 u. A. 602 Kogălniceanu, M.  148 u. A. 170, 149–150 Kolonien (französ.)  438, 537, 558, 568, 573 Kongreß (1870)  33, 35 –– Alexander II.  382, 402 –– Gorčakov  403, 431, 433, 471, 565 –– Granville  564 Königstein (Festung)  195 u. A. 241 Konkordat (1855)  485 u. A. 561 Könneritz, Graf R. v.  377 u. A. 442 Könneritz, H. Frhr. v.  202 u. A. 251, 203 Konstantin Nikolaevič, Großfürst  174 u. A. 217, 397 u. A. 471 Konstantinopel –– Friedrich Wilhelm  170–173 Konsulargerichtsbarkeit 149 u. A. 174 Konsuln (Balkan)  124, 127 Kött, C. F.  153 u. A. 181 Krause, H. v.  250 u. A. 309, 327, 329, 332 Kremenz, P.  210 u. A. 262 Kreta (Aufstand)  68 u. A. 8, 84 u. A. 96, 107 A. 94 Kriegskonterbande  24 Kriegsziele (deutsche u. französ.)  13–16 → Deutsch-Französ. Krieg Krimkrieg  307 u. A. 354 Krüger, H. A.  263 u. A. 325 Kübeck, A. v.  277 u. A. 333

Register Kuefstein, C. Graf v.  102 u. A. 83 Kuhn, F. Frhr. v.  309 u. A. 359, 455 Kutuzov, Graf V. P.  374 u. A. 437 Kyrillos II., Patriarch  183 u. A. 232 Ladenberg, A.  92 u. A. 62 La Marmora  87 A. 56 Landsberge, J. v.  583 u. A. 665 Lasker, E.  227 u. A. 284 Launay, E. conte de  71 u. A. 18, 103, 137, 185, 204, 209–210, 290, 318, 418, 419, 460, 588 –– Bismarck  2, 260–261, 263, 333 La Tour, H. prince de  139 u. A. 151, 149, 159, 220, 312, 377 La Valette, C. marquis de  74 u. A. 24, 85, 108, 109 A. 96, 121, 122, 137, 335, 345 Lebœuf, E.  284 u. A. 340 Lebrun, B.  261 u. A. 322 Ledóchowski, M. Graf v.  205 u. A. 256, 206, 460, 474, 486 Lefebvre de Béhaine, E. comte  139 u. A. 150, 188 Lehnert, H.  99 u. A. 75, 101 Leonhardt, A.  145 u. A. 163 Leopold II., König  75 u. A. 26, 115, 265, 528 –– Wilhelm I.  458–459 Leopold, Erbprinz (v. HohenzollernSigm.)  79 u. A. 32, 6, 8, 9, 36, 208, 219 –– Alexander II.  306, 324 –– Beust  284–285 –– Bismarck  229, 237–238, 267, 271, 287, 288 –– Canitz  243 –– England  286 –– Gramont  317 –– Kaiserproklamation  557 –– Salazar  277 –– spanische Kandidatur  224, 226, 227, 244, 265, 269, 271, 278, 283, 284, 361, 449

–– Versen  262, 269 –– Werthern  156 –– Wilhelm I.  240, 284 Le Sourd, G.  263 u. A. 324 Levy, A.  244 u. A. 302 Lichtenberg, F. Frhr. v.  126 u. A. 126, 127 Limburg-Stirum, F. Graf zu  154 u. A. 184 Lippert, L.  109 u. A. 98 Loftus, A.  Lord  82 u. A. 41, 104, 255, 286, 291, 316, 336–337, 377, 462, 502 Londoner Konferenz (1871)  34, 35–37 –– Alexander II.  516–517 –– Bernstorff  588–589 –– Bismarck  500, 501, 509, 524, 557, 578, 584–585 –– Donau  563 u. A. 637, 564, 567, 576–577, 586–587 –– Frankreich  507, 523, 581 –– Gorčakov  513–514, 563 –– Granville  556 –– Karl  519 –– Musurus Pascha  576 –– Rumänien  559 –– Vertrag  589 u. A. 670 Loos, A. v.  223 u. A. 276 Lothringen  11, 15, 351, 469 → Elsaß-Lothringen Louis-Philippe, König  345 u. A. 407 Louis Philippe, Graf  175 u. A. 219 Lubliner Union  143 u. A. 160 Lucciardi, Abbé  102 u. A. 83 Ludwig II., König  68 u. A. 6, 25, 166–167, 168, 222, 314, 378 –– Bayern  334 –– Bismarck  400 –– deutsche Einheit  213, 533 –– Holnstein  580 –– Kaiserproklamation  439, 453, 461, 469, 473, 492, 494, 496, 501, 503, 505, 512, 522, 547, 550 613

Register –– Preußen  195–196 –– Wilhelm I.  483–484 Ludwig III., Großherzog  569 u. A. 642, 570 Ludwig XIV., König  452 u. A. 521 Ludwig, Prinz  198 u. A. 246, 575 Ludwig Victor, Erzherzog  116 u. A. 111 Luise, Prinzessin  159 u. A. 196 Luitpold, Prinz  169 u. A. 209, 198, 314, 331, 447 Lutz, J. Ritter v.  576 u. A. 654 Luxemburg  10, 426–430, 462, 530, 581 –– Bismarck  454, 509–511, 525, 527, 528, 530–533, 538, 542–546, 559 –– Favre  583 –– Gorčakov  554–555 –– Granville  525–526 –– Heinrich  528–529 –– Neutralität  304 Lyncker, L. v.  570 u. A. 643 Lyons, R.  215, 377, 390, 408, 472, 551 Mainlinie  141 Mainz  109, 568–569 –– Festung  276, 287 Malaret, J. baron de  310 u. A. 360 Malet, Sir  416 u. A. 492, 12 Manning, E. H.  129 u. A. 130 Manteuffel, O. Frhr. v.  388 u. A. 457 Maria M. Romanowska, Prinzessin  404 u. A. 476 Marie, Königin  163 u. A. 199 Marija Aleksandrovna, Zarin  371 u. A. 434 Marija Nikolaevna, Großfürstin  397 u. A. 471 Maroniten  186 u. A. 236 Martin, K.  205 u. A. 257, 206 Mavrogheni, P.  334 u. A. 391 Mečerskij, A. V.  323 u. A. 375, 464 Melchers, P.  161 u. A. 197 Mellinet, A.  149 Menabrea, F. conte  71 u. A. 18 614

Mendelssohn-Bartholdy, K.  399 u. A. 473 Mensdorff-Pouilly, A. Graf v.  79 u. A. 32 Merode, S. de  413 u. A. 489, 572 Metternich, K. Fürst v.  553 u. A. 623 Metternich, R. Fürst v.  72 u. A. 20, 5, 6, 284, 286, 362 –– Tripelallianz  123–124 Metz  355, 372, 406, 416, 444, 452, 454, 462, 463, 469, 470 u. A. 546, 510, 534, 551, 581, 587 Michail, Großfürst  358 u. A. 417 Migliorati, G. marquese di  313 u. A. 364 Miljutin, D. A.  506 u. A. 582 Minghetti, M.  411 u. A. 483 Mittnacht, H. v.  232 u. A. 291, 28, 392, 449 Mohl, R. v.  167 u. A. 206, 439 Moltke, H. Graf v.  103 u. A. 85, 132, 514 –– Bismarck  488, 536, 547, 555, 574 –– deutsche Einheit  2 Moltke-Huitfeld, L. Graf  349 u. A. 413 Montalambert, C. Forbes, duc de  246 u. A. 303 Montenegro  76–79, 124–127, 213, 216 u. A. 268, 249 Montpensier, A. Herzog von  95 u. A. 68 Morenheim, A. Baron  339 u. A. 397 Moritz, Prinz  323 u. A. 375 Mosbourg, L. A. comte de  297 u. A. 346, 311, 312 „Moskauer Zeitung“ 87 u. A. 54, 135 u. A. 141, 136 Motley, J. L.  438 u. A. 513 Mühler, H. v.  99 u. A. 75, 107, 145, 146, 147, 161–162, 178, 179, 212, 555 Mülinen, R. Graf  274 Münch, J. Frhr. v.  278 u. A. 335 Murad, S.  180 u. A. 226 Musurus Pascha, K.  576 u. A. 655, 588

Register Napoleon I., Kaiser  91 u. A. 60 Napoleon III., Kaiser  68 u. A. 9 –– Abrüstung  137 –– Alexander II.  374 –– Belgien  14, 74, 84–85, 104, 121, 132, 133 –– Benedetti  348 –– Bismarck  313, 343, 357, 386, 387, 416, 512, 513 –– Brassier  389 –– Deutsch-Französ. Krieg  300, 312, 313, 320, 341 –– Franz Joseph  329 –– Gorčakov  582–583 –– innere Lage  81 u. A. 39, 131–132, 140–141 –– kriegsbereit  1, 3, 27–28, 71–72, 81, 103, 120, 141–142, 161, 177, 209, 262 –– Mainlinie  194 –– Nordschleswig  17, 188–189 –– Rhein  265, 336–337 –– Rom  139 –– Rußland  306 –– Tripelallianz  5, 123, 139, 158, 161, 301, 342 –– Wilhelm I.  286 –– Wilhelmshöhe  454 Napoléon, (Joseph Bonaparte)  85 u. A. 52 Napoléon Eugène (Bonaparte), Prince Impérial  175 u. A. 219, 359 u. A. 420 Nassau  102 Nečaev, S. G.  506 u. A. 581 Niederlande –– Neutralität  298 Niel, A.  85 u. A. 51, 3 Nigra, C. Graf v.  279 u. A. 336 Nikolaj Nikolaevič  506 u. A. 582 Nikolaus, Fürst  67 u. A. 2, 76, 78, 125 Nikolaus Maksimilianovič, Herzog  324 u. A. 377 Nizza  352 Nordschleswig  17, 19

–– Alexander II.  276 –– Benedetti  249–250 –– Bismarck  188, 540 –– Deputation  164 u. A. 200, 185 –– England  335 –– Gramont  254 –– Fleury  184–185, 189–190, 192 –– Krüger  263 –– Napoleon III.  188–189 –– Rußland  197 –– Wilhelm I.  192–194, 207, 209 Nothomb, J. baron de  333 u. A. 390 Novikov, E. P.  484 u. A. 560, 565 Nubar Pascha  137 Offenberg, H. Baron v.  326 u. A. 381, 334, 482, 505, 521 Okunev, G. N.  320 u. A. 370, 339, 395 Olga Nikolaevna, Königin  276 u. A. 331 Ollivier, É.  215 u. A. 266, 131 A. 135, 252, 344 –– Hohenzollernkandidatur  278, 286 Olozaga, S. du  277 u. A. 332 Orientalische Frage  249, 274–275, 409, 489, 499 –– Bismarck  199 Österreich-Ungarn –– Alexander II.  306, 307, 315, 349 –– Bismarck  204, 283, 304, 323, 363, 377, 380, 433, 465, 574 –– Deutsch-Französ. Krieg  6, 286, 317 –– Deutschland  197, 397, 439, 477–478, 524, 562 –– Frankreich  175, 324–325, 329, 361 –– Gramont  326 –– innere Lage  93–95 –– Italien  340 –– Preußen  20–22, 119, 128, 148, 152, 155, 156, 174, 204, 281, 330–331, 433, 457, 476 –– Rußland  88, 301, 304, 316, 318, 475, 478 –– Serbien  126 615

Register –– Tripelallianz  72, 88–89, 92, 340, 352 –– Wilhelm I.  303 Ostseeprovinzen  75, 86–87, 136, 249 –– Ignat’ev  409 Ottenfels, M. v.  309 u. A. 357 Otto, Prinz  503 Otway, J. A.  197 u. A. 244, 198 Oubril, P. v.  67 u. A. 2, 71, 111, 136, 399, 465 –– Wilhelm I.  91 Ozerov, I. P.  165 u. A. 203, 166, 169, 350 Paget, Sir A.  454 u. A. 523 Palikao, C. Cousin-M., Herzog von  389 u. A. 458 Paris –– Bismarck  517–518, 556 –– Bombardierung  12, 13, 415, 451, 455, 465, 503, 508, 512, 514, 522, 551, 561 –– Viktoria  540 Pariser Frieden (1856)  31–33, 358, 367, 385, 589 –– Alexander II.  383, 409 –– Andrássy  485 –– Bismarck  377 –– Gorčakov  403 –– → Schwarzmeerfrage Paul, Vincent de  185 u. A. 235 Perglas, J. Frhr. v.  70 u. A. 14, 216, 243, 245, 247, 310, 352 Perponcher, W. Graf v.  80 u. A. 35 Persigny, J. duc de  102 u. A. 80, 454, 536 Peter II., Großherzog  163 u. A. 199, 398 Pfordten, L. Frhr. v.  229 u. A. 287, 378 Pfretzschner, A. v.  228 u. A. 285, 576 Pfuel, R. v.  300 u. A. 350, 301 Philipp, Graf  283 u. A. 339 Pirch, W. v.  305 u. A. 353 Pius IX., Papst  79 u. A. 32, 246, 272–273, 327, 412, 413, 418, 419, 514, 515 616

–– Bismarck  407 –– Deutschland  474 –– Guibert  479 u. A. 556 –– Jubiläum  89–90 –– Preußen  401, 424 –– Rom (Besetzung)  439 –– Vermittlung  327, 515, 571 –– Wilhelm II.  448 Plate, F. v.  106 u. A. 90 Platen-Hallermund, J. Reichsgraf v.  267 u. A. 329, 268 Platen-Hallermund, W. Reichsgräfin von  267 u. A. 329, 268 Podbielski, T. v.  474 u. A. 551 Polen  75, 116, 315 –– Andrássy  456 –– Beust  113–114 –– Österreich  281 Ponza, C. conte  411 u. A. 485, 418 Potocki, A. Graf  309 u. A. 359 Prager Frieden (Art. V)  18, 19, 164 u. A. 200, 184, 193, 194, 247, 316, 335 u. A. 393, 540, 565 Pranckh, S. Frhr. v.  165 u. A. 203, 166, 168, 196, 314, 378 Preußen –– Alexander II.  200 –– Andrássy  163 –– Außenministerium  196 –– Bayern  216, 224, 266 –– Beust  285 –– Dänemark  160, 193 –– England  22–24, 290, 385 –– Frankreich  184, 287 –– Holland  98 –– Karl I.  165 –– kriegsbereit  111, 291 –– Luxemburg  428 –– Ollivier  278 –– Österreich  20–22, 119, 128, 148, 152, 155, 156, 174, 204, 281, 283, 330–331, 386, 393, 433, 457, 476 –– Ostseeprovinzen  249

Register –– Pius IX.  424 –– Rumänien  328 –– Rußland  16–20, 71, 87, 192, 197, 200–201, 204, 249, 274–275, 303, 307, 397, 435–436, 453 –– Thiers  451 –– Vatikan  154 –– Vatikanisches Konzil  28–31, 434 Prévost-Paradol, L.  213 u. A. 264 Prim, J.  224 u. A. 278, 271, 277, 283 Prokesch von Osten, A. Frhr. v.  437 u. A. 511, 502, 577 Quadt, F. v.  248 u. A. 306 Raasløff, W. v.  302 u. A. 351 Racké, K.  569 u. A. 640 Radowitz, J. M. v.  165 u. A. 201, 238–239, 305, 519 –– Rumänien  325–326, 364–365 Rancés, M.  95 u. A. 68 Ranke, L. v.  450 u. A. 519 –– Thiers  450–453 Ratibor, V. Herzog v.  89 u. A. 58, 96, 571 Rayneval, A. comte de  195 u. A. 241 Rechenberg, J. Frhr. v.  85 u. A. 25 Renard, B.  96 u. A. 69 Renouard, A.  421 u. A. 494 Reuß, Heinrich VII. Prinz  69 u. A. 10 –– Alexander II.  174–176, 280–282, 383, 394, 507 –– Amerika  490 –– Beust  565–566, 579 –– Bismarck  76 –– Dänemark  339, 349–350 –– Deutsch-Französ. Krieg  362–363, 371–374, 445–446 –– Elsaß-Lothringen  469–470 –– Frankreich  130–132, 140–143 –– Gorčakov  402, 511, 513–514 –– Ignat’ev  408–409 –– Jomini  120–121 –– Karl  580–581

–– London (Konferenz)  587 –– Montenegro  124–127 –– Nečaev  506 –– Österreich  349 –– Ostseeprovinzen  86–87 –– Presse  134–137 –– Rumänien  328, 480–482, 505 –– Rußland  199–201, 316, 318, 346, 353–354, 397–398 –– Schwarzmeerfrage  33, 385, 401–405, 433, 516–517 –– Thiers  442–445, 462 Reuß, Heinrich XIII. Prinz  80 u. A. 37, 15 Rhein  265, 310 –– Napoleon III.  337 Richthofen, E. Frhr. v.  359 u. A. 418 Roeder, E. v.  309 u. A. 358 Roeder, M. v.  73 u. A. 22, 308, 401 Roggenbach, F. Frhr. v.  387 u. A. 455, 473, 474, 512, 574 Rom –– Besetzung –– französische  88 u. A. 57, 139, 161, 310, 316, 360 u. A. 433 –– italienische  386, 390, 398 u. A. 472, 400, 411–414, 417, 418, 431–432, 434, 440–442, 465, 466, 471, 474, 495 Roon, A. Graf v.  101 u. A. 79, 141, 522, 536 Rösing, J.  468 u. A. 545 Rosenberg, A. Frhr. v.  73 u. A. 21, 229, 391–393 Rothschild, L.  340 u. A. 400 Rouher, E.  85 u. A. 52, 131 A. 135, 161, 198, 461 –– Tripelallianz  5 Rovereto  5 Rumänien  36, 69–70, 114, 150, 211, 305, 520–522, 559 –– Bismarck  504 –– Deutsch-Französ. Krieg  364–365 –– Eisenbahnen  244 617

Register –– Frankreich  344 –– Juden  149, 238 –– Rußland  275, 480–482 –– Titel  226 –– Tripelallianz  333–334 –– Türkei  321 –– Wilhelm I.  552 Rüppell, K.  106 u. A. 89 Rüşdi Pascha, M.  171 u. A. 212 Russell, J. Earl  340 u. A. 399 Russell, Lord O.  98 u. A. 74, 34 –– Bismarck  535 –– London (Konferenz)  528 –– Versailles  480, 487, 494, 495, 498–499, 500 –– Vatikan. Konzil  254–255, 256 „Russkij Invalid“ 201 u. A. 249 Rußland –– Andrássy  485 –– Bismarck  112, 497, 573 –– Deutsch-Französ. Krieg  312 –– Deutschland  566 –– Donau  586 –– England  481 –– Frankreich  312, 443 –– Gramont  326 –– Montenegro  78 –– Neutralität  353–354, 368 –– Orient  274–275 –– Österreich  88, 301, 304, 316, 318, 475, 478 –– Presse  134–135 –– Preußen  16–20, 71, 87, 192, 197, 200–201, 204, 249, 274–275, 303, 307, 397, 435–436, 453 –– Rumänien  482 –– Vereinigte Staaten  491–492, 496 Sachsen  202, 216–218, 222, 267–268, 425, 474 Saint-Ferréol, L. vicomte de  322 u. A. 373 Saint-Vallier, C. comte de  152 u. A. 179, 276 618

Salazar, E.  155 u. A. 186, 219, 226, 267 Savoyen  308 u. A. 355, 519 Sayn-Wittgenstein, A. Fürstin  449 u. A. 517 Schäffle, A.  578 u. A. 660 Schenk, C.  587 u. A. 667 Scheurlen, K. v.  392 u. A. 463 Schick, C.  181 u. A. 229 Schleinitz, A. Frhr. v.  239 u. A. 296 Schleswig  302; → Nordschleswig Schlör, G. v.  166 u. A. 204, 576 Schönian, A.  106 u. A. 89 Schubert, H. v.  196 u. A. 243 Schüler, J. v.  106 u. A. 92 Schwarzmeerfrage  32–36, 472 A. 549, 475, 478 –– Alexander II.  431, 433, 446, 469 –– Bismarck  415, 424, 432, 473, 487, 493 u. A. 572, 494, 495, 496, 497, 503 –– England  489, 491 –– Friedrich Wilhelm  486 –– Gorčakov  358 u. A. 417, 396, 471, 566, 567 –– Gramont  312 –– Helene  385 –– Ignat’ev –– Konstantinopel  493 –– London (Konferenz)  500, 501; → London/Konferenz –– Rußland  480 u. A. 557 Schweden  274 –– Deutsch-Französ. Krieg  359–361 –– Neutralität  336 Schweinitz, H. L. v.  134 u. A. 140, 21, 22, 228–229 –– Andrássy  314–315, 406, 436–438, 455–457, 484–486 –– Beust  321, 394, 410 –– Hofmann  553–554 –– Österreich  393, 562 –– Ranke  450 –– Thiers  450–453 Schweitzer, F. v.  299 u. A. 348

Register Schweiz  123–124, 274, 308–309, 314, 519 –– Elsaß  420, 586, 587 Selchow, W. v.  99 u. A. 75, 106 Sella, Q.  376 u. A. 441 Serbien  126 Servais, E.  529 u. A. 603, 544, 545 Snider, J.  172 u. A. 214 Soden, O. Frhr. v.  166 u. A. 205, 168, 169 Solms, E. Graf zu  67 u. A. 3, 71, 102, 108, 279 Spanien  460 –– Bismarck  294, 304 –– Leopold  449 –– Thronfolge  453 Spanische Thronkandidatur → Hohenzollernkandidatur „Spenersche Zeitung“ 407 u. A. 479 Spitzemberg, H. Freiin v.  391 u. A. 462 Spitzemberg, K. Frhr. v.  247 u. A. 305, 391 u. A. 461 Spitzemberg, W. Frhr. v.  391 u. A. 461 Staatsministerium  99–101, 105–107 Stackelberg, E. Graf v.  140 u. A. 152, 141 Steege, L.  70 u. A. 12 Stein, K. Frhr. v. u. z.  410 u. A. 481 Stein, O.  205 u. A. 256 Stieber, W.  191 u. A. 239 Stockholm  10 Stoffel, E.  243 u. A. 299, 310 Stolberg-Wernigerode, O., Graf zu  106 u. A. 89 Straßburg  372, 406, 410, 421, 438, 444, 452, 462, 555 Strat, I.  325 u. A. 378 Stremauchov, P. N.  482 u. A. 559 Strousberg, B. H.  89 u. A. 58, 244, 265 Suckow, A. Frhr. v.  391 u. A. 462, 392 Süddeutschland  24–28, 70 u. A. 15, 81, 96, 111, 127 –– Alexander  276, 327, 486

–– Andrássy  163 –– Baden  311 –– Bayern  351 –– Beust  144, 148, 321 –– Bismarck  73, 91, 95, 104, 138, 209, 247, 255, 263–264, 283, 292, 294, 304, 316, 388, 472, 524 –– Bray  228–229, 405 –– Clarendon  176–177 –– Elsaß  415 –– Frankreich  341 –– Friedrich Wilhelm  310 –– Friesen  424 –– Gorčakov  290 –– Jolly  386 –– Karl I.  169 –– Mainlinie  141 –– Schutz- und Trutzbündnisse  226, 230–233, 318 Südtirol  5, 72, 89, 124, 144 Suezkanal  133 u. A. 138 –– Friedrich Wilhelm  154 u. A. 182, 156–157, 173 Šuvalov, P. A.  135 u. A. 142, 136, 137, 200 Syllabus errorum  123 u. A. 119 Szécsen, A. Graf  458 u. A. 530, 486 Tann, L. Frhr. v. d.  165 u. A. 203 Taube, A. Frhr. v.  392 u. A. 463 Tauffkirchen, C. Graf v.  242 u. A. 298, 571 Tempelgesellschaft  180 Tessin  5, 72, 124 Theremin, L.  158 u. A. 192 Thiel, A.  210 u. A. 262, 212 Thiers, A.  379 u. A. 446, 464, 478 –– Alexander II.  442–445 –– Belgien  575 –– Bismarck  13, 453, 462, 467, 551 –– Elsaß  581, 586 –– Europareise  11, 379 A. 446 –– Favre  588 619

Register –– Italien  454 –– Ranke  450–453 Thile, H. v.  76 u. A. 27, 239, 256, 348, 355–356, 362, 399–400, 401, 407, 416, 418–419, 463, 465–466, 488, 499–500, 514, 518 –– Napoleon III.  188–189 –– Vatikanisches Konzil  178–179 Thomas, Herzog  219 u. A. 272 „Times“  332 Tirol  310 → Südtirol Tissot, C.-J.  390 u. A. 460, 508 Titov, V. P.  405 u. A. 477 Tkalac, I. I.  260 u. A. 320 Trauttmansdorff, F. Graf  240 u. A. 297, 259 Tresckow, H. v.  138 u. A. 149, 270, 474 Tripelallianz  4–7, 68 u. A. 9, 72 u. A. 19, 73, 77, 87, 88–89, 90, 91, 92, 94, 129 –– Beust  143–144, 263, 284 –– Bismarck  137, 209, 342, 356, 375 –– Frankreich  261 –– Franz Joseph  335 –– Friedrich I.  384 –– Gorčakov  350–351 –– Gramont  305, 310, 326, 355 –– Napoleon III.  123, 139, 158, 161, 301 –– Rumänien  333, 344 –– Text  340, 352 –– Viktor Emanuel  277, 292, 356 –– Vimarcati  257, 285, 293, 298, 316, 342 –– Visconti Venosta  316–317 –– Vitzthum  198 Trochu, L-J.  578 u. A. 661 Tscherkessen  456 u. A. 525 Türkei  68, 344, 498 –– Andrássy  456 –– Armee  186–188 –– Donau  577 –– Friedrich Wilhelm  171–173 620

–– Griechenland  84 A. 46, 107 u. A. 94, 112 –– Rumänien  321, 326 –– Schwarzmeerfrage  489 Uebel, X.  156 u. A. 189 Uexküll-Güldenband, K. Frhr. v.  113 u. A. 104, 143 Ungarn  93–94, 95, 114, 456 –– Legion  347 u. A. 409 Ungern-Sternberg, Baron  86 u. A. 53 Usedom, G. Graf v.  79 u. A. 34, 87 u. A. 56 Usedom, O. Gräfin  79 u. A. 34, 80 Valuev, P. A.  136 u. A. 146 Varnbüler, Frhr. K. v.  103 u. A. 85, 28, 122, 123, 151, 152, 188, 223, 226, 232–233, 276, 384 –– Rücktritt  391 u. A. 461, 392 Vatikan  101; → Rom Vatikanisches Konzil  28–31, 72 u. A. 19, 127, 148, 223, 225 u. A. 282 –– Abeken  153 –– Antonelli  254–255 –– Arnim  233–237, 240, 246–247, 253, 257–260, 268–269, 272–273 –– Bayern  108 u. A. 95 –– Bismarck  127, 133, 208, 210, 225, 245 –– Bray  248 –– England  254–255, 256–257 –– Fuldaer Bischofskonferenz  145 u. A. 165 –– Ledóchowski  205–206 –– Mühler  212 –– Preußen  154, 434 –– Thile  178–179 –– Unfehlbarkeitsdogma  434 u. A. 509 –– Werthern  122–123, 214 –– Wilhelm I.  153, 256 Vereinigte Staaten  10, 34, 287, 294 –– Bancroft  499–500 –– Bismarck  213, 367, 384, 467–468, 488, 493

Register –– England  131 u. A. 134, 490 –– Rußland  419–492, 496 Vermittlung  11, 74 u. A. 24, 85, 284, 296–297, 298, 301 –– Bismarck  295 –– England  464 –– Gorčakov  357–358, 368 –– Granville  296 –– Italien  377 –– Napoleon III.  313 –– Pius IX.  327, 515, 571 –– Rußland  312 –– USA  401 Versailles –– Bismarck  472 –– Friedens/-verhandlungen, -schluß  483 –– Kaiserproklamation  27, 555 Versen, M. v.  262 u. A. 323, 9, 269 Victoria, Königin  152 u. A. 180, 207, 520 –– Deutschland  396 –– Wilhelm I.  430 Viktor Emanuel, König  68 u. A. 9, 7 –– Bismarck  375 –– Rom  310, 442, 495 –– Tripelallianz  5, 198, 277, 292, 335, 356 Viktoria, Prinzessin  75 u. A. 26, 13, 182, 276, 522 –– Deutschland  540 Villiers, Lady E. T.  98 u. A. 74 Vimercati, O. conte  68 u. A. 9, 129, 139, 257, 342 –– Tripelallianz  5, 285, 293, 298 Vind, C. v.  344 u. A. 406 Visconti Venosta, E. marchese  208 u. A. 260, 316–317, 406, 411, 416, 418, 419, 454, 465, 466 –– Napoleon III.  355 –– Tripelallianz  277 Vitzthum von Eckstädt, K. Graf  72 u. A. 20 –– Tripelallianz  161, 198

Vivenot, A. Ritter v.  111 u. A. 102 Vogel von Falckenstein, E.  89 u. A. 59, 90 Völderndorff, O. Frhr. v.  169 u. A. 208 Wächter, A. Frhr. v.  539 u. A. 614 Waecker, L. v.  475 u. A. 552, 488, 500–501 –– Andrássy  476–478 Waffenstillstand  406, 438, 443, 462, 466, 470, 483, 508, 527, 558, 561 –– Text  560 u. A. 634 Wagener, H.  98 u. A. 75 Wagner, R. Frhr. v.  232 u. A. 291 Waldersee, A. Graf v.  251 u. A. 310, 3, 280 Walter, A.  217 u. A. 269 Washburne, E.  538 u. A. 612 Wedel, Graf E. v.  305 u. A. 353 Wehrmann, O.  106 u. A. 89 Welfen, Welfentum  102–103, 106, 135 –– Bismarck  313 –– Legion  128 u. A. 129, 191–192, 220–221, 223 Welti, E.  73 u. A. 22, 308 u. A. 356, 309 Wentzel, O.  294 u. A. 344, 322, 420–422, 568–570 Werder, B. v.  282 u. A. 338, 300, 319, 323, 328, 330, 373 –– Alexander II.  306–307 Werther, K. Frhr. v.  78 u. A. 30, 113, 143, 158, 162–163, 276–277, 278, 283, 284, 288 –– Beust  110, 118–119 –– Hannover  219–221 –– Vatikanisches Konzil  252 Werthern, G. Graf v.  68 u. A. 5, 7 –– Bayern  68, 248, 314, 350–351, 377–379, 533 –– Bray  575–576 –– deutsche Einheit  2, 190 –– Elsaß-Lothringen  380 –– Ludwig II.  26 –– Vatikanisches Konzil  122–123, 128–128, 214, 241–242 621

Register Wesdehlen, L. Graf v.  77 u. A. 28, 87, 92 Westman, V. I.  346 u. A. 408 Wilhelm I., König/Kaiser  658 u. A. 8 –– Abrüstung  23, 163, 245, 303 –– Alexander II.  143, 276, 329, 330–331 –– Bayern  346–347 –– Benedetti  285, 289, 299 –– deutsche Einheit  177 –– Elsaß-Lothringen  385 –– Gramont  280, 293 –– Heinrich  530 –– Hohenzollernkandidatur  227, 239–240, 256, 317 –– Johann  496 –– Kaiser  211–212, 351, 421, 439, 475, 515 –– Karl  37, 551–553 –– kriegsbereit  142, 143 –– Leopold  284, 458–459 –– Ludwig II.  26, 346, 483–484, 550 –– Napoleon III.  91, 286 –– Nordschleswig  192–194, 207, 209 –– Pius IX.  448 –– Rom  434

622

–– Südbund  103 –– Tripelallianz  87 –– Vatikanisches Konzil  153, 256, 217 –– Victoria  430 Wilhelm III., König  526 u. A. 602 Wilhelmshaven  116 Willich, W. v.  311 u. A. 361 Wilmowski, K. v.  129 u. A. 131 Wimpffen, F. Graf v.  110 u. A. 99, 128, 162, 270 Winkler, ORegR  106 u. A. 91 Wodehouse, Curril H.  475 u. A. 551 Wodehouse, J., Earl of Kimberley  338 u. A. 396 Wolanski, Geheimkämmerer  82 Wolff, A. v.  105 u. A. 87 Wollmann, Archivar  348 Wollny, R.  99 u. A. 76, 101 Württemberg  28, 223, 231, 288, 422, 423 –– Bismarck  366 –– Preußen  266 Zirndorfer, S.  102 u. A. 81 Zulauf, N.  149 u. A. 173, 334, 365, 521