Faktor Sport 01/2014

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Euro 4,50

FAKTOR Sotschi Spezial Das Magazin des Deutschen Olympischen Sportbundes

[Sport ]

Im Rausch der Rinne

[ Das Duo Wendl/Arlt und

die Feinheiten des Rodelns ]

Ganz bei sich

[ Erfolgsregisseur Christian Petzold und der Dreh des Sports ]

Kontrollierter Aufstieg

[ Das IOC und die Entwicklung der Marke Olympia ] Vorgestellt: Maria Höfl-Riesch und weitere deutsche Medaillenkandidaten für die Winterspiele

Favoriten wie Sie


Auf zu Olympia – vote für Deinen Lieblingsathleten und gewinne eine Reise nach Sotschi!

Alles für den entscheidenden Moment Hervorragende Technik und die Leidenschaft, alles zu geben, wenn es darauf ankommt, das verbindet uns mit Sportlern und Athleten. Deshalb unterstützen wir seit über 10 Jahren als Partner und offizieller Versicherer die Deutsche Olympiamannschaft.

Mehr Infos unter: www.zurich.de/sports

Konstantin Schad, Olympiateilnehmer Snowboard

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Faktor Sport [ Editorial ] 3

„Ein prall gefülltes Heft, das Ihnen Lust auf die Olympischen Winterspiele in Sotschi machen soll“ Chef de Mission: DOSB-Generaldirektor Michael Vesper

Liebe Sportfreunde,

Credit: picture-alliance

es ist ein einfaches Symbol: fünf Ringe, die ineinander verschlungen in fünf Farben für weltweite Verbundenheit stehen sollen; für ein friedliches Fest der Verständigung. Das versteht jeder. Auch deshalb sind die Olympischen Ringe das bekannteste Markenzeichen überhaupt. Olympische und Paralympische Spiele sind die größten Aufführungen des Sports, und sie folgen einer eigenen Dramaturgie. Um im Bilde zu bleiben, haben wir uns in dieser Spezialausgabe von „Faktor Sport“ der Begrifflichkeiten des Theaters bedient und das Geschehen in fünf Akte aufgeteilt (siehe Inhalt): im Mittelpunkt natürlich die Darsteller, die Athleten. Aktuelle wie Maria Höfl-Riesch (Ski alpin), Eric Frenzel (Nordische Kombination), die paralympische Langläuferin Andrea Eskau. Oder ehemalige, die das olympische Hochamt ausgeübt und als Fahnenträger die deutsche Mannschaft ins Stadion geführt haben. Langläufer Jochen Behle, Biathletin Kati Wilhelm oder Bobfahrer André Lange. Namen, die jeder Sportfan kennt. Sportfan, das ist auch Christian Petzold. Im Interview ergründet der Erfolgsregisseur die Augenblicke der Schönheit. Für ihn gilt, im Sport wie beim Filmemachen: dass man über die Arbeit zu etwas Erhabenem gelangt. Interessant ist natürlich auch die Verpackung, deshalb ist ein solches Großevent zugleich Modenschau, Stichwort Requisite. Wir präsentieren eine unterhaltsame Bildergeschichte über die Teambekleidung der vergangenen 60 Jahre. Und immer wichtig, was backstage passiert. Ein Blick ins Berliner Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten, wo Bobs, Schlitten und andere Geräte ihren Erfolgsschliff verpasst bekommen. Auszüge aus einem prall gefüllten Heft, das Ihnen Lust auf die Spiele machen soll. Wir vergessen nicht: Manches, was sich in und um Sotschi herum getan hat, ist kritikwürdig. Und so hat zur Vorbereitung auch gehört, viele Gespräche zu führen, unsere Position vorzutragen und auf Einhaltung olympischer Regeln zu drängen. Und so gehen wir davon aus, dass wir Wettkämpfe nicht nur in imposanten Arenen, sondern vor allem in olympischer Stimmung erleben werden. Große Aufführung: die Darsteller, Slalom-Spezialist Felix Neureuther sowie die Bobpiloten Francesco Friedrich und Alexander Mann (mit ihrem nagelneuen Arbeitsgerät „208“). Und die Bühne, der Olympische Park in Sotschi (v. o. n. u.)

Viel Spaß dabei,


Inhalt 4 [ Inhaltsverzeichnis ] Faktor Sport

Hier trifft man sie: Athleten im Deutschen Haus Seite 20

Foyer 36|Leerstellen-Liebhaber Der preisgekrönte Filmregisseur Christian Petzold über Sportdramaturgie 72|Druckabfall Humorberater Jonathan Briefs hilft Athleten gegen ihre Angst vorm Versagen

Darsteller 10|Treppchensteiger Kurzporträts der deutschen Medaillenaspiranten

Kunst auf Kufen: die deutschen Rodler Seite 28

28|Mit Dampf in der Rinne Das Doppel Tobias Wendl/Tobias Arlt und die deutsche Rodeldominanz 42|Wo bleibt Behle? Die schwarz-rot-goldenen Fahnenträger der vergangenen Winterspiele 46|Grün war die Hoffnung Traurig-schön: wie Biathlet Peter Angerer sich an Sarajevo erinnert 60|Großer Sport ganz einfach Katja Seizinger und das Wintermärchen von Lillehammer 74|Ein Norweger in XXL Der erfolgreichste Langläufer aller Zeiten: Bjørn Dæhlie

Erfolgsregisseur und Sportfan: Christian Petzold im Gespräch Seite 36

Bühne 08|Auf Tuchfühlung Eine Mannschaft, viele Fans – und das Motto: „Wir für Deutschland“ 16|Frontfiguren Der neue DOSB-Chef Alfons Hörmann / die Moderatoren von ARD und ZDF 18|Blockbildung Verwandtschaften im Team und die Geografie der Sportarten. Ein Einblick 24|Sport kompakt Olympia und Paralympics konzentrieren sich auf zwei Zentren

Credit: picture-alliance, imago-sportfoto

Eric Frenzel und andere olympische Medaillenkandidaten Seite 10


Faktor Sport [ Inhaltsverzeichnis ] 5

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olympische und Paralympische spiele sind große aufführungen. Wir haben deshalb eine begriffliche anleihe beim theater genommen. ein heft in fünf akten.

Zeigt her eure Kleider: die Outfits des Olympiateams Seite 50

Nur mit Schikane: was eine Abfahrtsstrecke braucht Seite 54

26|Für Faktenfreunde Was Sie zu den Spielen gewusst haben sollten 32|Schon angekommen? Slopestyle zwischen Spektakelsport und höheren Weihen 34|Lass Bilder sprechen Sotschi, mal ohne große Worte 40|Er will sich trauen Wie Verena Bentele TV-Moderator Markus Othmer bei den Paralympics helfen soll 54|Der Hang zum Gefälle Zwischen Hahnenkamm und Trampolin. Über Streckenprofile perfekter Abfahrten

]

Alte Strukturen, neue Erfolge: Jugendförderung in Russland Seite 62

BaCKstaGe 20|Die Sport-WG Im Deutschen Haus treffen sich Athleten, Förderer und Medien 48|Ticken sie noch richtig? Der Uhren-Experte Peter Hürzeler über Zeitnahme bei Olympischen Spielen 56|Die Erfolgsschrauber Besuch im Berliner Institut für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten 62|Alte Stärken Die Nachwuchsförderung in Russland profitiert von ehemaligen Sowjettrainern

Echte Erfolgsgeschichte: das IOC und die Ringe Seite 66

66|Vom Wert des Wachstums Wie das IOC die fünf Ringe zum Bestseller machte

reQUIsIte 06|Eine Frage der Haltung Skeleton: wie man kopfüber den Durchblick behalten kann 50|Und was trägst du? Eine kleine Geschichte der deutschen Mannschaftsbekleidung

73| Termine und Impressum


6 [ Requisite ] Faktor Sport

Erhobenen Hauptes

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er sich kopfüber in eine Aufgabe stürzt, muss nicht zwangsläufig den Überblick verlieren. Klar, manchmal kann ein Tunnelblick recht hilfreich sein. Etwa bei der Sportart Skeleton, in der sich Athleten wie die Sportsoldatin Katharina Heinz nach kurzem Sprint bäuchlings auf ihren Schlitten werfen und tollkühn durch den Eiskanal bergab rasen. Dabei sollte sich natürlich kein Fahrer ablenken lassen. Schon gar nicht, wenn er oder sie sich (wie hier) auf der olympischen Bob- und Schlittenbahn in Krasnaja Poljana den olympischen Traum erfüllen will. Das heißt aber nicht, dass Sportler grundsätzlich nicht sähen, was rechts und links der Eisröhre vor sich geht. Es gibt einiges zu kritisieren an diesem Olympiaausrichter. Das sehen auch die Aktiven. Wer seinen eigenen Kopf hat, wird innerhalb der Regeln eine Menge Möglichkeiten finden, seine Haltung zum Ausdruck zu bringen. js ]


Faktor Sport [ Requisite ] 7


Strand geht, Schnee kommt – „Wir für Deutschland“ bleibt: Die Einkleidung der Deutschen Olympiamannschaft 2014 bot Anlass für die symbolische Übergabe des Slogans. Julius Brink (l.) und Jonas Reckermann (r.), Gewinner von Beachvolleyball-Gold in London 2012, reichten eine Fahne an Monique Angermüller (Eisschnelllauf, 2. v. l.), Benedikt Mayr (Freeski, M.) und Andrea Rothfuss (paralympischer Skisport, 2. v. r.) weiter. In London hing sie im Olympischen Dorf. Und in Sotschi? Mal sehen.

8 [ Bühne ] Faktor Sport

Drei Wörter für den guten Geist Ein Land, ein Team: Bei den Spielen von London trat die Olympiamannschaft erstmals unter der Devise „Wir für Deutschland“ an. Für Sotschi gilt das gleiche Motto, aber es wird breiter kommuniziert. Text: Nicolas Richter

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Teamgedanke bei Olympischen Spielen? Nach Website samt Social Hub und – neu – Fotoblog sind auch Knotenpunkt der verbreiteter Wahrnehmung war das früher auf olympischen Kommunikation. Wobei  www.deutsche-olympiamannschaft.de einzelne Sportarten beschränkt. Deshalb hat von immer mehr Angeboten ergänzt wird, neuerdings einer App. Auch sie bietet der DOSB vor den Spielen von London den SloZugriff auf den Social Hub, setzt die User mit Athleten in Kontakt und informiert gan „Wir für Deutschland“ initiiert. Die dopetwa über die von ihnen via Twitter und Facebook verbreiteten Trainings- oder pelte Botschaft: Die „Deutsche OlympiamannWettkampferlebnisse. Sportler werden in Steckbriefen vorgestellt, zudem verschaft“ ist nicht nur ein Team, sondern dein sammelt die App Wissen über olympische Sportarten und enthält eine sogeTeam. Auf digitalen und sozialen Plattformen nannte Fancorner – Olympiabegeisterung erwünscht. bündelte sich der Austausch zwischen den Athleten und ihrem Publikum nicht nur, er vertief4 Letzteres gilt ebenso und ganz gezielt für ein weite sich auch. Gerade während der Spiele: 1,5 Millionen Aufrufe der Website, bis zu teres Webangebot, das der DOSB und die Stiftung 300.000 User des Twitter-Hashtags #WirfuerD, um zwei Zahlen zu nennen. Sotschi Deutsche Sporthilfe mit Blick auf Sotschi auf den 2014 ist dem Verband nun Anlass, „Wir für Deutschland“ auf den Wintersport zu überWeg gebracht haben. Bei www.anfeuern.de ist der tragen – und mehr als das. Name Programm: Auf 160 Zeichen, Format der Ge2 neration Twitter, sollen Anhänger der OlympiamannSo tritt auch die Deutsche Paralympische Mannschaft unter dem Claim schaft Glück wünschen, Mut zusprechen, Rückenauf. Als digitale Verlängerung hat der Deutsche Behindertensportverband wind geben. Und Rückenwind, so hofft der DOSB, (DBS) eine Website eingerichtet, die unter  www.deutsche-paralympisoll auch Bundespräsident Joachim Gauck geben, sche-mannschaft.de Themen rund um das Team sammelt. Ein Kernelement der zwar bekanntlich nicht nach Sotschi reist, die ist ein Online-Magazin, das vor allem eines möchte: Geschichten erzähEinladung zur Willkommensfeier der Deutschen len, und zwar über die deutschen Athleten. Die Seite richtet sich erstens Olympiamannschaft am Münchener Flughafen (24. an multiplizierende Leser wie Medien- und Verbandsvertreter, zweitens Februar) aber annehmen will. Manchmal geht es an den sogenannten Endkonsumenten, der in diesem Fall Sportfan ist. eben noch um physische Präsenz.

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1000 km Training für 49 schnelle Schritte.

Sportler brauchen Unterstützung. Nicht erst im entscheidenden Moment des Wettkampfs, sondern schon weit im Vorfeld. Auf dem langen und mühsamen Weg der Athleten zum Erfolg. Genau hier können wir einen hilfreichen Beitrag leisten. Wir unterstützen hoffnungsvolle Talente, fördern den Behinderten- und Breitensport sowie die sportlichen Aktivitäten im eigenen Unternehmen. Und wir fliegen – höher, schneller, weiter – deutsche Teams zu den großen Sportveranstaltungen weltweit. Alles für diesen Moment.

lufthansagroup.com/sport


10 [ Darsteller ] Faktor Sport

Hoffnung im Dutzend

Die einen lassen es auf sich zukommen, die anderen wollen Gold und nichts als Gold: Wer nach deutschen Medaillenkandidaten für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele 2014 sucht, kommt an sieben Frauen, vier Männern und einem Paar nicht vorbei. Text: Jochen Büttner

Rodeln

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Bob

Natalie Geisenberger

Sie fasste es selbst kaum: „Was für eine unglaubliche Saison.“ In sechs von neun Weltcuprennen ganz vorne, natürlich Gesamtsiegerin, dazu Welt- und Europameisterin: Der vergangene Winter hatte es für Natalie Geisenberger in sich – und dieser begann nicht schlechter. Vier Siege in den ersten vier Rennen. Es ist schon erstaunlich: Das deutsche Team dominiert seit Jahren die Weltspitze, und die 1,83 Meter große Bundespolizistin ragt aus diesem Team noch heraus. Klar, die Olympischen Spiele sind das Wichtigste, und da hat sie jetzt Druck. Wobei: Sie selbst sprach vor diesem Winter von „viel Selbstvertrauen, Spaß und Motivation“, die ihr die Erfolge gäben, „endlich“, sagte sie, als es losging, sei die eislose Zeit vorbei. Die Bahn in Sotschi macht ihr keine Sorgen, sie kam in der vergangenen Saison gut damit zurecht. „Sie hat aber einige schwierige und ungewöhnliche Stellen. Es gibt unter anderem drei Bergauf-Passagen“, schildert die kaum 26-Jährige (Geburtstag am 5. Februar) ihre Eindrücke. Aber auf dem Weg nach oben darf es ruhig auch mal bergauf gehen.

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Francesco Friedrich

Fährt Francesco Friedrich bald in den Spuren eines André Lange? Oder tut er es schon? Ist ja gar nicht so einfach: Bei der vergangenen Junioren-WM hat der Sportsoldat im Zweier- und Viererbob die Goldmedaille gewonnen. Um dann in St. Moritz, bei den „Großen“, als jüngster Bob-Weltmeister (im Zweier) aller Zeiten Sportgeschichte zu schreiben, natürlich mit Anschieber Jannis Bäcker. Im Oktober war er wieder Nachwuchsmann, als die Deutsche Sporthilfe ihn und Gino Gerhardi zu Siegern der Mannschaftswertung bei der Wahl zum „Juniorsportler des Jahres 2013“ kürte. Mit den Olympischen Spielen in Sotschi erwarten ihn nun seine ersten Olympischen Spiele, die ganz große Bühne. Er hat Druck, was sonst, aber nicht den ganz gewaltigen, weil er ja nicht der einzige deutsche Trumpf ist unter Piloten wie Thomas Florschütz und Maximilian Arndt. Mal schauen, was geht, besonders im Zweier, für den der neue „208“ bereitsteht (siehe Seite 56). Klar ist nur dies: Wer dort gewinnt, wird Nachfolger von André Lange, dem Olympiasieger von Vancouver.


Faktor Sport [ Darsteller ] 11

Nordische Kombination

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Eric Frenzel

Als Nordischer Kombinierer hat Eric Frenzel ziemlich spezielle olympische Erfahrungen. Die eine ist natürlich die Bronzemedaille mit dem Team 2010 in Vancouver. Die andere stammt vom Sommer 2012, als der zweifache Weltmeister als Tourist zu den Sommerspielen reiste, um mit Freundin Laura ein paar Wettkämpfe und in aller Ruhe die Londoner Sehenswürdigkeiten anzuschauen. Am Buckingham Palace gerieten sie in den Trubel enthusiastischer Fans, beim Frauenmarathon ging es gerade um die Medaillen. Ziemlich cool für den Sportsoldaten, mal die Gegenperspektive zu erleben – auch beim Langlauf stehen die Zuschauer ja an der Strecke und feuern die Athleten an. In Sotschi wird Frenzel wieder zu Letzteren gehören. Und wenn alles optimal läuft, wie Anfang dieses Winters, als er drei der ersten vier Weltcuprennen gewann, kann er sich dann richtig feiern lassen. An der Strecke und im sächsischen Geyer sowieso: Seine Heimatstadt hat dem 25-Jährigen bereits ein Denkmal gesetzt. In einer Glasvitrine im Rathaus ist die Frenzel-Erfolgsstory dokumentiert.

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Ski alpin

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Maria Höfl-Riesch

Die Queen von Whistler bestreitet in Sotschi definitiv ihre letzten Olympischen Spiele. Spätestens nach der WM 2015 in Vail will Maria Höfl-Riesch ihre Karriere beenden. Es wird ein Einschnitt werden, für sie und den Verband. Aber Moment, das ist Zukunft, die Gegenwart gleicht eher Anfang als Ende. Mit 29 Jahren haben andere Rennläuferinnen ihre Skier schon längst in die Hütte gehängt – Maria Höfl-Riesch hängte sich noch mal richtig rein. Sie begab sich in die Hände des Fitness-Gurus Heinrich Bergmüller, Spitzname „Schinderheini“. Der Österreicher formte seinerzeit Hermann Maier zum Powerpaket der Pisten, und von ihm, Maier, kam auch der Rat, es doch mal zu probieren mit dem Coach. Gesagt, gequält. Nach der Ausdauer-, auch Kraftausdauerphase bat Bergmüller zum Training der Rumpfmuskulatur und koordinativer Fähigkeiten, bevor – relativ spät, wie er sagt – die Schnellkraft zu ihrem Recht kam. Am Ende fühlte sich die zweifache Weltmeisterin bestens vorbereitet auf ihre letzte Olympia-Saison. Nur der „Schinderheini“ muss sich zu Hause fragen lassen, warum er die Konkurrenz seiner Landsfrauen stärkt.

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Eiskunstlauf

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Aljona Savchenko & Robin Szolkowy

Bronze bei Olympischen Spielen: ein Misserfolg? Immer noch frustriert saßen Aljona Savchenko und Robin Szolkowy eine Woche nach dem dritten Platz 2010 in Vancouver in einem Fernsehstudio und suchten nach einer Erklärung für das verpasste Mehr. Sie waren nach der Siegerehrung abgereist, hatten daheim trainiert, um extra für das Schaulaufen zurückzukehren. So ganz schienen sie nicht lassen zu können von Vancouver, und in ihren Augen blitzte erster Trotz auf: dann eben vier Jahre später in Sotschi! Jetzt, wo es so weit ist, wirkt es tatsächlich, als habe dieser Gedanke, dieser Trotz sie vier Jahre angetrieben. „Wir haben das Beste vorbereitet. Damit wollen wir Gold“, sagten die vierfachen Paarlauf-Weltmeister auf einer Pressekonferenz vor dem Saisonstart. Sowohl in ihrem Kurzprogramm als auch in ihrer Kür bieten sie eine Höchstschwierigkeit, die kein anderes Duo der Welt beherrscht: den dreifachen Wurfaxel. Im Übrigen wird es für sie, die in Sotschi 30 sein wird, und ihn, den 34-Jährigen, darauf ankommen, nicht an Kanada gestern zu denken, sondern an Russland heute. Eine Stütze kommt aus den Lautsprechern: Die Nussknacker-Suite von Peter Tschaikowsky liefert den Soundtrack für ihre letzte olympische Kür.

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Ski alpin

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Felix Neureuther

Eigentlich bringt den Routinier so schnell nichts aus der Ruhe. Und als sich Felix Neureuther im Sommer ein Überbein am linken Sprunggelenk entfernen ließ, postete er noch ein lustiges Krankenhaus-Foto durch die Welt. Schließlich lag er mit seinem Spezi Bastian Schweinsteiger in Zürich auf einem Zimmer, und die OP schien reine Routine zu sein. War sie aber nicht. Arglistige Streptokokken nisteten sich ein, es entstand totes Gewebe, die Wunde heilte nicht. Und das ausgerechnet vor dem OlympiaWinter und nach einer Saison, die dem Slalom-Spezialisten drei Saisonsiege und WM-Silber beschert hatte, plus die Annäherung an die Weltspitze im Riesenslalom. Mit dem Alter – Ende März wird er 30 – immer besser, immer konstanter geworden, galt der Garmisch-Partenkirchener als olympischer Medaillenanwärter. Und jetzt? Pechvogel-Stimmung? Von wegen. Der alpine Sonnyboy macht sich keinen Stress, er weiß inzwischen ja, wie weit ihn sein Talent bringen kann, wenn er es machen lässt, statt ständig zu fordern. Sein Fuß steckt in einem Spezialschuh: „Wenn ich drin bin, geht’s“, sagt er. Wie gut, das wird man sehen.

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Langlauf

Georg Kreiter

Seit vier Jahren, seit sein Kollege Martin Braxenthaler mit dem Monoski in Vancouver von Goldmedaille zu Goldmedaille raste, hat Georg Kreiter das Ziel vor Augen. „Wenn ich so weitermache wie bisher, wird mein Traum wahr, in Sotschi für mein Heimatland zu fahren“, sagte der damals 25-Jährige. Nach einem Motorradunfall querschnittgelähmt, saß der Thanninger (Bayern) im März 2006 erstmals auf einem Monoski. „Ich war von Anfang an begeistert“, sagt er. 2007 nahm er an einem Kurs „Einführung in den Skirennlauf“ teil, zwei Wochen später flatterte die erste Einladung für einen Sichtungslehrgang des Deutschen Paralympic Skiteam alpin auf den Tisch. Nun ist er Deutscher Meister im Slalom und Riesenslalom. Die Vorbereitungen auf die Paralympischen Winterspiele bestimmten den Tagesablauf der vergangenen Monate. International lief die Saison 2012/13 für den Mediengestalter zwar nicht rund, aber die bisherigen Vorbereitungslehrgänge inklusive Materialtests stimmen optimistisch. Mal sehen, ob Georg Kreiter in Sotschi Braxenthalers Spur erwischt.

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Andrea Eskau

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Es war im September 2012, Brands Hatch in London: Eine 1971 geborene Diplompsychologin aus dem thüringischen Apolda fegte mit ihrem Handbike über die Ziellinie: als Erste, zweimal binnen ein paar Tagen, im Zeitfahren wie im Straßenrennen. Und an was dachte Andrea Eskau mit den beiden Goldmedaillen um den Hals? An die Paralympischen Winterspiele. „Ab jetzt heißt das große Ziel Sotschi 2014“, erklärte sie und richtete sich nicht nur gedanklich auf den Wintersport ein. Noch im gleichen Monat begann sie mit der Vorbereitung. Sie ist ein sportlicher Tausendsassa, aber Talent und Begeisterung würden ihr noch keine paralympischen Medaillen bringen. Andrea Eskau will einfach sehr viel und sie ist bereit, alles dafür Erforderliche zu tun, sprich: Sie reißt einen Trainingskilometer nach dem anderen ab, ihrem von dem USRennfahrer Mario Andretti entliehenen Motto folgend. „Wenn alles unter Kontrolle zu sein scheint, dann bist du noch nicht schnell genug!“ Schnell genug, das wäre in diesem Fall nur der erste Platz. Nach dreimal Gold im Sommer möchte sie auch im Winter ganz oben stehen. Silber (im Skilanglauf) und Bronze (im Biathlon) hat sie ja schon, mitgebracht 2010 aus Vancouver.


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Ski alpin

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Andrea RothfuSS

Das Highlight? Ganz klar: Sotschi 2013. „Super-Kombination abgesagt – damit hab ich die Gesamtweltcup-Wertung zum ersten Mal gewonnen! Juhuu!“, jubelte Andrea Rothfuss im März auf ihrer Facebook-Seite. Am Tag zuvor war sie schon zur besten Slalom- und Riesenslalomfahrerin der Saison gekürt worden, die Abfahrt gewann sie außerdem, es waren vorolympische Juhu-Tage für die 24-Jährige aus Mitteltal. Sotschi 2014? Seit Herbst kann man sagen, dass Andrea Rothfuss von Kopf bis Fuß auf die Winterspiele eingestellt ist; da präsentierte die Behindertensportlerin des Jahres 2009 nebst anderen Athleten in Düsseldorf den farbenfrohen Mannschaftszwirn der Paralympischen Mannschaft. Rein sportlich? Sie bringt schöne Erinnerungen mit und hoffentlich eine gute Form, der Rest hängt wohl auch von Nervenstärke ab. Denn da ist ihre Rivalin: Marie Bochet. Ihr musste sich Rothfuss bei der WM 2013 in La Molina gleich viermal geschlagen geben. In der Abfahrt, im Slalom, in der Super-Kombination und im Riesenslalom hatte die Französin jeweils die Nase vorn, für die Deutsche gab’s viermal Silber. Bei Olympia soll sich das ändern. Wenn’s geht, viermal.

Ski alpin

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So eben 21, aber schon ganz genau wissen, wie es geht. So ist das bei Anna Schaffelhuber. „Wenn man die Dinge halb/halb macht, kommt nix Gescheites bei raus“, sagt die 1,50 Meter kleine Powerfrau, und wer das nicht glauben will, der kann sie ja selbst fragen, die vierfache Weltmeisterin. Vielleicht spricht sie dann vom „Zwei-Welten-Prinzip: Wo ich gerade bin, gebe ich Vollgas“, so hat sie das mal formuliert. Das Prinzip führte sie zum Beispiel zum Abitur 2011: Im Winter gewann Anna Schaffelhuber drei WM-Titel, erst dann konzentrierte sie sich auf die Schule. Ergebnis der Reifeprüfung: 1,6. Zwei Jahre später hat die Monoskifahrerin aus dem niederbayerischen Bayerbach für die Mutter Konzepte zur Barrierefreiheit entwickelt, drei Siege im Gesamtweltcup eingefahren und Jura in München studiert. Bei der WM 2013 im spanischen La Molina verteidigte sie ihren Titel im Slalom, stand zudem im Riesenslalom und Super-G (beide Silber) sowie in der Super-Kombination und in der Abfahrt (beide Bronze) auf dem Stockerl. Auch eine paralympische Medaille hat sie schon, Bronze 2010, als 17-Jährige. Damals hatte sie der „Mittelbayerischen Zeitung“ vor den Spielen gesagt: „Längerfristig muss auch mal eine Goldene her.“ Anna Schaffelhuber, man traut es ihr zu, jetzt, in Sotschi.

Credit: picture-alliance, www.photo-hartmann.de

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Anna Schaffelhuber


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Ski alpin

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Anna-Lena Forster

Mit 14 Jahren bei Paralympischen Winterspielen: Diesen Traum erfüllte sich vor vier Jahren AnnaLena Forster. Die junge Skifahrerin kämpfte in Vancouver allerdings nicht um Medaillen, sie nahm am ersten Paralympischen Winter-Jugendlager teil. Zahlreiche Nachwuchssportler hatten sich beworben, und Anna-Lena Forster gehörte zu den glücklichen 13, die in den Flieger nach Westkanada steigen durften. Und jetzt, 2014? Sie zählt zur Weltspitze auf dem Monoski, insbesondere im Slalom, bei der WM in La Molina 2013 wurde sie da Zweite. Eine Entwicklung, die sich früh abzeichnete. Das Mädchen wurde ohne rechtes Bein geboren, das linke Bein ist nicht komplett. Doch die skibegeisterten Eltern nahmen sie an die Piste mit, und Anna-Lena hatte einfach keine Lust, mit der Oma in der Hütte zu sitzen. So erhielt das Kind einen Monoski mit spezieller Sitzschale. Ab ging’s. Vergangenes Jahr gab sie ihr Weltcup-Debüt. Und nun also wieder Paralympische Spiele. Sie wird diesmal als Aktive dabei sein, sie wird sogar um Medaillen kämpfen.

Biathlon

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Vivian Hösch

Das vergangene Jahr hätte für Vivian Hösch kaum besser beginnen können. Die 22-Jährige aus dem Schwarzwald feierte im USamerikanischen Cable über fünf Kilometer Skating ihren ersten Weltcup-Sieg. Zwei Monate später machte sie Bekanntschaft mit der Paralympics-Strecke und freundete sich gleich mal mit ihr an. Im Biathlon-Sprint über sechs Kilometer lief sie überraschend auf den dritten Platz. Jetzt steht sie vor der Verwirklichung eines Traums: der Teilnahme an Paralympischen Spielen. Die Freiburgerin erblindete im neunten Lebensjahr, aber das schmetterte sie nicht nieder, sie war bereits sehbehindert zur Welt gekommen, sie kannte es nicht anders. Hösch machte das Abitur, nahm die computergestützte Arbeit als Verwaltungsfachangestellte der Stadt Freiburg auf. Wer ihr beim Training im Schwarzwald begegnet, der glaubt kaum, dass sie nichts sieht. Dicht hinter ihrem Guide rauscht sie durch die Kurven der Langlaufstrecke und folgt seinen Kommandos. Das Gehör ist entscheidend. Sie schilderte mal, wie sie am Geräusch der Ski die Schneebeschaffenheit erkennen könne. Vivians Gespür für Schnee: Hoffentlich funktioniert es auch in Sotschi.

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Fragen an Alfons Hörmann

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ls die Wahl vorbei war, wurde die Heimat hörbar. Mit einem „Vergelt’s Gott“ bedankte sich Alfons Hörmann bei der DOSB-Mitgliederversammlung in Wiesbaden, die den Allgäuer mit 94,6 Prozent der Stimmen zum neuen Präsidenten des Dachverbandes gekürt hatte. Er fühle sich gestärkt, mit einem starken Präsidium den Marathon anzugehen, den seine neue Aufgabe darstelle, sagte der Nachfolger von Thomas Bach. Um im Bild zu bleiben: Der bisherige Präsident des Deutschen Skiverbandes hat sehr viel Grundlagentraining hinter sich: Drei Jahrzehnte in Spitzenpositionen von mittelständischen Unternehmen hätten ihm „wertvolle Erfahrungen in den Themen Strategie, Führung und Organisation“ vermittelt, sagt er. In Sotschi wird der 53-Jährige seinen ersten großen Auftritt in neuer Position haben.

Vom DSV- zum DOSB-Chef: Wie ändert sich Ihr Terminkalender für Sotschi? Vorher wäre es wahrscheinlich zu 90 Prozent Schnee gewesen und zu zehn Prozent anderes. Nun wird das Verhältnis, schätze ich, eher 50 zu 50 sein. Ich werde mich verstärkt um Sportpolitik und um Gäste im Deutschen Haus kümmern. Die Rolle wird allgemeiner. Aber ich freue mich darauf. Welchen Wettkampf wollen Sie keinesfalls verpassen? Ich werde versuchen, so viele wie möglich zu besuchen, insbesondere natürlich die Medaillenentscheidungen unseres Teams. Wäre die Abfahrt von Rosa Chutor eine Herausforderung für Sie? Ich kenne sie nur vom Fernsehen, von den Testwettkämpfen und kann sie daher nicht so ohne Weiteres einordnen. Es kommt darauf an, wie sie präpariert ist. Bei griffigem Schnee wären auch die Kandahar und die Streif in Kitzbühel kein so großes Problem. Aber bei spiegelblankem Eis, geglättet und gehärtet wie im Wettkampf – nein danke, dann lieber nicht. js ]

Zu 90 Prozent im Schnee: Bei den Winterspielen 2010 in Vancouver saß Alfons Hörmann dem DSV vor, in Sotschi repräsentiert er den DOSB – Sportpolitik wird wichtiger

Mit erfahrenen Moderatoren-Duos gestalten ARD und ZDF 240 Stunden olympisches Live-Programm. Über sein Outfit, besonders über das Karo-Sakko von London, kann man geteilter Meinung sein. In seinem Hauptfach, dem Moderieren von Sportsendungen, bietet Michael Antwerpes aber wenig Angriffsfläche – ihm geht einfach wenig daneben. In Sotschi steht der 50-Jährige nebst Gerhard Delling als sogenannter Anchor-Moderator vor der ARD-Kamera. So erwarten es die Zuschauer inzwischen: Seit 1994 hat Antwerpes alle Sommer- und Winterspiele begleitet. Auch das Zweite vertraut auf ein bewährtes Duo: Katrin Müller-Hohenstein und Rudi Cerne werden „ZDF Olympia live“ abwechselnd aus dem Panoramastudio im Olympic Parc von Sotschi moderieren. Live ist das Stichwort: Die öffentlichrechtlichen Sender übertragen 2014 mehr denn

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Stunden Berichterstattung sind bei ARD und ZDF für die Paralympischen Spiele vorgesehen.

Erstmals gemeinsam und nicht im International Broadcasting Center: ARD und ZDF teilen sich in Sotschi ein Studio mit einheitlichem Bühnenbild. Der 10 x 10 Meter große Glaswürfel steht direkt im Olympischen Park.

Credit: picture-alliance

Routine hinter Glas

je direkt von den Winterspielen: 240 Stunden sind es in der Summe. Hinzu kommen vier Livestreams im Internet mit einem Volumen von rund 500 Stunden. Es ist Usus geworden, dass die Sender ihre Reporter nicht alleine lassen und Experten verpflichten. Für die Spiele in Russland sind das die früheren Top-Athleten Sven Fischer (Biathlon), Marco Büchel aus Liechtenstein (Ski alpin), Katarina Witt (Eiskunstlauf), Kati Wilhelm (Biathlon), Dieter Thoma (Skispringen), Markus Wasmeier (Ski alpin) und Peter Schlickenrieder (Langlauf). Wie in London tritt zudem der als Mentaltrainer der Fußball-Nationalmannschaft bekannt gewordene Sportpsychologe Hans-Dieter Hermann auf. rk

Stunden berichten ARD und ZDF live von den Olympischen Spielen.


Wann ist ein Kreditinstitut gut für Deutschland? Wenn es nicht nur Vermögen aufbaut. Sondern auch Talent fördert. Sparkassen unterstützen den Sport in Deutschland. Sport stärkt das gesellschaftliche Miteinander durch Teamgeist, Toleranz und fairen Wettbewerb. Als größter nichtstaatlicher Sportförderer in Deutschland und seinen Regionen engagiert sich die Sparkassen-Finanzgruppe besonders auch für die Nachwuchsförderung im Breiten- wie im Spitzensport. Das ist gut für den Sport und gut für Deutschland. www.gut-fuer-deutschland.de

Sparkassen. Gut für Deutschland.


18 [ Bühne ] Faktor Sport

Ortsbande

Hamburg

Berlin

NRW Sachsen Thüringen

Ba-Wü

Bayern

Norddeutscher Ausreißer: eine Auswahl an Wintersportstandorten in Deutschland

Quattro-Antrieb: die vier Beckert-Geschwister – Pedro, Jessica, Stephanie und Patrick (v. l. n. r.) – bei der Deutschen Meisterschaft im Eisschnelllaufen, Ende Oktober 2013

NEUREUTHER

ST EPHA NIE, PAT RICK, JESSICA UND PEDRO

B ECK ER T R IE S C H

LO C H

BERG

Familienbande Verwandtschaft hält zusammen. Eine Bande, die im Kleinen wie im großen Ganzen funktioniert, zum Beispiel in der Deutschen Olympiamannschaft. In Erfurt drücken Stephanie und Patrick Beckert ihre Schlittschuhkufen ins Eis, beide haben ihr Ticket für Sotschi gebucht. Dahinter machen sich zwei jüngere Geschwister bereits für 2018 warm: Jessica und Pedro tragen gleichfalls den Talentierten-Stempel. Die Anlage haben die vier Zöglinge offenbar von der Mutter Angela Beckert: Sie war Eisschnellläuferin beim ESC Erfurt. Vorfreude auf Sotschi herrscht auch im Hause Loch. Felix Loch, Rodel-Olympiasieger in Vancouver, vertraut den Ratschlägen seines Vaters Norbert. Der muss es als Bundestrainer schließlich wissen. Einen Traum haben sich Luca und Paul Berg erfüllt. Schwester und Bruder treten beide im Snowboardcross an. Schwesterliche Hilfestellung können sich auch die Riesch-Sisters geben. In Vancouver gingen Doppel-Olympiasiegerin Maria Höfl-Riesch und Susanne Riesch gemeinsam an den Start. Für die ältere Maria ist Sotschi wohl der letzte olympische Einsatz, während die Jüngere nach einer langen Verletzung noch um den Anschluss an die Weltspitze kämpft. Den Ringen folgte bereits ein anderer in der Familie: Onkel Wolfgang Zimmerer gewann Gold im Zweierbob 1972 in Sapporo sowie einmal Silber (1976 im Zweierbob) und zweimal Bronze (1972 und 1976 im Vierer). Eine sehr erfolgreiche, mittlerweile auch bekannte Familiengeschichte schreiben die Neureuthers. Vater Christian siegte bei sechs Weltcup-Rennen im Slalom. Ehefrau Rosi Mittermaier wurde als Gold-Rosi 1976 in Innsbruck mit zwei Olympiasiegen zur deutschen Ski-Legende. Kein Wunder, dass Sohn Felix den Weg auf die Piste fand, im Slalom und Riesenslalom. jb

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Fußball funktioniert auf fast jedem Untergrund, Eisschnelllauf oder Ski alpin eher nicht. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft rekrutiert gerne einen Spieler aus Schleswig-Holstein. Aber ein Nordlicht auf der Skisprungschanze? Wohl bis auf Weiteres unvorstellbar. In einer anderen Wintersportart aber schreiben Hanseaten nun Geschichte: Mit der Deutschen Curling-Nationalmannschaft vom CC Hamburg um Skip John Jahr qualifizierte sich erstmals ein Team aus der Hafenstadt für Olympische Winterspiele. Feiert ein deutscher Wintersportler Erfolge, fällt es meist nicht schwer, seine Herkunft geografisch zuzuordnen. Eisschnelllauf zum Beispiel: Hier liegt man mit ziemlicher Sicherheit bei Berlin, Erfurt oder Inzell richtig. Rodeln, Bob und Skeleton zentrieren sich um die vier Bahnen in Deutschland: Altenberg in Sachsen, Berchtesgaden am bayerischen Königssee, Oberhof in Thüringen und Winterberg in Nordrhein-Westfalen. Ähnlich verhält es sich mit den Skispringern: Die Athleten kommen in der Regel aus dem Thüringer Wald, dem Erzgebirge, dem Schwarzwald, dem Allgäu oder Oberbayern. Ski alpin konzentriert sich verlässlich auf die Alpen. Doch es gab mal eine sehr erfolgreiche Sportlerin, die ausnahmsweise nicht am Fuße der Alpen zur Welt kam: die dreifache Olympiasiegerin Katja Seizinger (siehe S. 60), geboren in Datteln (NRW). Zugegeben, es gibt Sportarten, da fällt es nicht ganz so leicht, sie auf der Landkarte einzusortieren. Im Eiskunstlaufen etwa. Die aktuelle deutsche Meisterin Nathalie Weinzierl lebt in Mannheim, Aljona Savchenko und Robin Szolkowy sind Chemnitzer – aus dem Ruhrpott stammen Rudi Cerne (Wanne-Eickel) und Dagmar Lurz (Dortmund), die früher die nationale Szene bestimmten. Der ehemalige Erfolgsläufer Norbert Schramm wiederum hatte seine sportliche Heimat in Oberstdorf. Eishallen gibt es über das ganze Land verstreut. Da ist die Lage bei den Biathleten und Langläufern schon wieder überschaubarer – woran auch ein Event auf Schalke nichts ändert. Trainiert wird dort, wo schon immer trainiert wurde. Und gleich nebenan wohnen dann meist die Sportler. jb


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Wir fördern junge Talente. Das „Grüne Band“ prämiert Sportvereine für vorbildliche Talentförderung.

Mit dem Wettbewerb „Das Grüne Band für vorbildliche Talent förderung im Verein“ unterstützt die Commerzbank junge Athleten seit 28 Jahren auf ihrem Weg in den Spitzensport. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Olympischen Sportbund fördern wir die Begeisterung für den Sport, setzen ein Zeichen dafür, dass Erfolge mit fairen Mitteln möglich sind und belohnen engagierte Nachwuchsarbeit. Mehr Informationen unter www.dasgrueneband.com

Eine gemeinsame Initiative von


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Zu Hause auf Reisen Wenn die Deutsche Olympiamannschaft zu den Spielen reist, nimmt sie das „Deutsche Haus“ mit. Sein Ursprung liegt in Calgary 1988, in Sotschi folgt die 15. Ausfertigung. Was DOSB-Generaldirektor Michael Vesper einst das Wohnzimmer der Athleten taufte, hat viele Funktionen: Veranstaltungsort, Hospitality-Angebot, Interview-Zone und Schaufenster für die Wirtschaft. Seit 2010 in Vancouver wird der Schlüssel an die Paralympische Mannschaft weitergereicht. Sie zieht 14 Tage nach Ende der Olympischen Spiele in das Deutsche Haus Paralympics ein. Text: Marcus Meyer

Funkenflug unterm Gipfel Willkommen auf 600 Meter Höhe. Wer weiß, dass die Deutsche Olympiamannschaft bei Winterspielen traditionell die meisten Medaillen in den Bergen abräumt, der ahnt, dass der Standort des Deutschen Hauses in Krasnaja Poljana nicht ganz schlecht gewählt sein kann. Um das russische Skizentrum inmitten des sogenannten „Mountain Clusters“ gruppieren sich alpine und nordische Wettkampfstätten ebenso wie Bob- und Rodelbahn. Keine zehn Kilometer trennen Haus und Sport. Durch die Nähe zum Bahnhof „Krasnaja Poljana Hub“ und der neuen Hauptverkehrsstraße ist zudem eine zügige Anbindung an die Stadien in Sotschi gegeben. „Man fährt an der Skisprunganlage vorbei, Biathlon und Bob sind nicht weit, da springt bereits bei der Anfahrt zum Haus der olympische Funke über“, sagt Axel Achten, Geschäftsführer der Deutschen Sport-Marketing. Die DOSB-Vermarktungstochter scoutet seit 1992 mögliche Domizile in den olympischen Austragungsorten und ist verantwortlich für Konzeption und Umsetzung des Projektes. Seit 2000 in Sydney wird sie dabei durch die Messe Düsseldorf unterstützt. Einen Platz in der Hütte gefunden hat auch wieder das „Kufenstüberl“ des Bob- und Schlittenverbandes. Als häusliche Edelmetallschmiede sozusagen. In Vancouver betrug ihr Ausstoß zehn Medaillen.

Zwischen Sotschi und Himmel: Das Deutsche Haus liegt am Berg, in direkter Nähe der meisten Wettkampfstätten


Faktor Sport [ Backstage ] 21

Feiern und Fern-Kuscheln Louis van Gaal hat während der Olympischen Spiele noch niemand im Deutschen Haus gesichtet. Für den Ex-Trainer von Bayern München, besser bekannt als Feierbiest, haben sich aber standesgemäße Vertreter gefunden. Sie stammen zwar aus einer anderen Sportart, aber im Partymachen sind sie in jedem Fall ebenbürtig. Gemeint sind die Hockeydamen (Gold in Athen 2004) und Hockeymänner (Gold 2008 in Peking, 2012 in London). Ihre Feten mit spontanem Möbelrücken im „Wohnzimmer der Athleten“ (DOSB-Generaldirektor Michael Vesper) ragen aus dem Anekdotenschatz des Hauses heraus. Natürlich geht es nicht immer so hoch her im Treffpunkt der Deutschen Olympiamannschaft, aber nirgendwo sonst im deutschen Spitzensport sind Athleten so zahlreich und so hautnah zu erleben wie an diesem Ort. Unter dem Claim „Wir für Deutschland“ hat sich die Mannschaft seit London 2012 auch im Web zusammengefunden (siehe S. 8), in Sotschi wird die Kommunikation nun um einige Aspekte erweitert. „Social Media Corner“ heißt die digitale Kuschelecke im Deutschen Haus, in der die Aktivitäten in den sozialen Netzwerken gebündelt werden, ob auf Facebook, Blogs, Twitter oder – fast klassisch – im Videochat.

Achtung Möbelrücker: Wenn Hockeyspieler was zu feiern haben, wird das Deutsche Haus gern mal zum Partyraum – bei Winterspielen geht’ss tendenziell geordneter zu

Marken in Action: Das Wohnzimmer der Athleten ist auch Showroom der Wirtschaftspartner. Einige gestalten neben der Einrichtung auch das Unterhaltungsprogramm mit

Der Mehrwert der Nähe Das Deutsche Haus ist, salopp gesprochen, nicht allein Hotspot der Athleten, die nach erfolgreichen Wettkämpfen die Stimmung anfachen. Es ist im Kern auch eine Hospitality-Veranstaltung, ein Haus nicht nur des Sports, sondern ebenso der Wirtschaft. Die vollständig privat finanzierte Einrichtung wird maßgeblich von den Partnern der Deutschen Olympiamannschaft und den Förderern des Paralympischen Teams getragen – sie geben Geld, sie bauen mit, sie gestalten aus. Als Business-Plattform ist sie gleichermaßen Kontaktbörse wie Veranstaltungsort und Showroom. Viele der Unternehmen nutzen die olympische Aufmerksamkeit im Allgemeinen und die dieses Ortes im Speziellen, um Produkte (Adidas, Audi, Sioux, Felix Schoeller) oder Dienstleistungen (Lufthansa, Dertour) vorzustellen und die Besucher an Aktivstationen anzusprechen. Wie es in Sotschi die Sparkassen-Finanzgruppe mit einer Fotostation oder die Zurich Versicherungen mit einem Gewinnspiel für Vereine tun. Keine Frage, hier entsteht Aufmerksamkeit für Marken. Hier entsteht aber ein eigenes Ambiente, in dem sich neben den Athleten und den Unternehmensvertretern auch Personen der Medien, der Politik, der Kultur empfangen fühlen.


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Unverwechselbar ähnlich Es beginnt mit einem knackigen Zitat: „Das Format, in dem wir stattfinden, heißt Olympia. Und findet Olympia nicht statt, finden wir auch nicht statt.“ Wer das sagt? Na klar, Robert Harting, bekannt für klare Kante. Der Olympiasieger im Diskuswerfen spielt auf die Situation der Sommersportler an, die außerhalb des Ringe-Events kaum über Medienpräsenz verfügen. Im Winter mag das besser aussehen, beinah jedes Wochenende übertragen ARD und ZDF von den Weltcups auf Eis und Schnee, dennoch gilt: Die 16 olympischen Tage bestimmen das öffentliche Profil (maßgeblich) und die kommerzielle Ausbeute (in Maßen) der Athleten – und Verbände (siehe „Faktor Sport“, Ausgabe 04/2013). Sportlicher Erfolg ist die Basis, aber es bedarf des Megafons. Medienarbeit ist eins. Nach Sotschi reisen rund 140 schreibende Journalisten und 40 Fotografen aus Deutschland, nicht eingerechnet Redakteure der TV-Anstalten und Hörfunkstationen. Insgesamt sind etwa 2800 internationale Presseleute beim Organisationskomitee akkreditiert. Möglichst viele von ihnen gilt es zu erreichen. In der öffentlichen Kommunikation des DOSB (und des Deutschen Behindertensportverbandes bei den Paralympics) nimmt das Deutsche Haus eine zentrale Rolle ein. Hier finden täglich die Pressekonferenzen mit den Medaillengewinnern des Vortages statt, hier haben ARD und ZDF eine Fläche für Sportler-Interviews. Von hier werden die PKs per Livestream auf die Webseiten der Olympiamannschaft ( www.deutsche-olympiamannschaft.de) und die Sportplattform des DOSB ( www.splink.tv) gespielt. Und hier stehen den Journalisten Arbeitsplätze zur Verfügung, mit großer Nähe zur Mannschaft. Wer das Team als Fahnenträger beim Einlauf ins Stadion anführt, das verkündet der DOSB im Übrigen am 6. Februar, dann im sogenannten Showcase der Volkswagen Gruppe im Olympiapark von Sotschi (in dem sich auch Audi präsentiert). Bis dahin lässt sich auf Seite 42 schon mal über die Vorausgeher der letzten sechs Winterspiele blättern.

Megafon der Olympiamannschaft: Im Deutschen Haus finden täglich Pressekonferenzen mit Medaillengewinnern statt, die danach Einzel-Interviews geben. Wie 2010 der Nordische Kombinierer Tino Edelmann

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Tor zur Öffentlichkeit

Das Deutsche Haus ist eine reisende Einrichtung. Eine Marke. An wechselnden Orten soll sie einerseits wiedererkennbar die Niederlassung der Olympiamannschaft sein, andererseits den Charakter der jeweiligen Gastgeber aufnehmen. Mal bezieht man Lager in einer Universität (2010), mal in einem Hotel (2008) oder, wie zuletzt in London (2012), in einem Museum. Bei den Spielen 2006 in Turin war der olympische Sport gar Vorreiter des Deutschen Fußball-Bundes und seiner Pläne für 2014: Man zog sich im Bergdorf Sestriere sein eigenes Domizil hoch. Deutsche Häuser sind also eine knifflige Aufgabe, aus gestalterischer Sicht allemal. Ob karg wie in der Uni oder historisch wie im Museum, die Herausforderung sei, „aus dem Bestand etwas zu zaubern“, sagt Ricarda Kawe. Die 43-Jährige ist seit 2004 als Architektin (schulteconcept) an Bord des Projektteams, verfügt wie die Messe Düsseldorf über reichlich Erfahrung beim Bau der temporären Sport-Botschaft. Der Standort 2014 in Krasnaja Poljana biete insgesamt gute Voraussetzungen, sagt sie. „Das ist schon recht gemütlich.“ Kern des Hauses sind die „Datscha“ und das zweigeschossige „Chalet“, alles in allem stehen rund 700 Quadratmeter Fläche zur Verfügung. Keineswegs zu viel, der Pressekonferenzraum zum Beispiel dient mangels Alternativen auch als Veranstaltungsort. Während Olympia wird täglich mit rund 350 Hausbesuchern gerechnet, bei den Paralympics mit etwa 100.


Faktor Sport [ Backstage ] 23

Sie hat sich ihr Leben lang vorbereitet. Doch die Reise hat erst begonnen. Wir glauben an den Erfolg von langfristigem Einsatz. Deshalb unterst端tzen wir mehr als 40 ambitionierte Nachwuchssportler auf ihrem Weg zu den Olympischen Spielen. In langfristigem Einsatz steckt Energie


24 [ Bühne ] Faktor Sport

DIE HOTSPOTS DER SPIELE öhe des ) liegt auf H mpiapark (l. trecke der ly ss O rt er ah D : bf A en “, Teil der f zwei Eben be au Tu e n rt ia ka on st Po r „Est Meeres, de aja Poljana (Schwarzen) en bei Krasn rg Be n de Männer, in

KRASNAJA POLJANA

SOTSCHI 30 m NN

Galitsino

Malyy Akhun Khosta

Kazachiy Brod

Kudepsta Moldovka

Palmen, Strand und Wintersport: Auf den ersten Blick passt das Ambiente des russischen Badeparadieses am Schwarzen Meer nicht wirklich zu einem alpinen Sportprogramm. Gut, dass es ein Motto gibt: „Hot. Cool. Yours.“ Was so viel bedeutet wie: Wenn es zu heiß hergeht, immer schön cool bleiben. Es liegt ganz an dir. Aber die Olympischen Winterspiele finden nicht nur in Sotschi, sondern auch in Krasnaja Poljana statt. Übersetzen könnte man es mit

„Schöne Lichtung“, und die ist ein Bergdorf, 70 Kilometer entfernt in den Bergen des Kaukasus, Schauplatz der meisten Medaillenentscheidungen (69 von 98).

Und wo findet was statt? Auf Höhe des Meeresspiegels sieht es so aus: Im Olympiapark von Sotschi steht das Olympische Dorf und das Olympiastadion – Ort der Er-

öffnungs- und der Abschlussfeier. Etwa 40.000 Zuschauer passen hinein. Vier Jahre später wird das Stadion im Übrigen eine der Spielstätten der Fußball-Weltmeisterschaft sein. In dem Park, direkt am Schwarzen Meer, befinden sich die Hallen für die Indoor-Wettkämpfe. Zwei davon, die Schaiba- und die Bolschoi-Arena, stehen ausschließlich den Eishockeyspielern zur Verfügung. Der Ice Cube Curling Center verrät selbst, was in ihm stattfindet. Die Eisschnellläufer gehen in der Adler-Arena an den Start, Eiskunstläufer und Shorttracker im Iceberg Skating-Palast. Und in den Bergen? Schnee-, Bob- und Rodelwettbewerbe werden auf den Schanzen, Pisten und Bahnen rund um Krasnaja Poljana ausgetragen. Der Ort liegt auf etwa 600 Meter Höhe. Acht Kilometer entfernt befindet sich Rosa Chutor mit den neu erbauten Skisprung-, Alpin- sowie Freestyle- und Snowboard-Centern. In Zehn-Kilometer-Distanz von der Bergdorf-Zentrale liegt der Pseschako-Kamm mit dem Laura Biathlon- und Langlaufzentrum. Unweit davon, in Rschanaja Poljana, haben die Gastgeber die Bob- und Rodelbahn Sanki in den Berg gesetzt. jb

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600 m NN


© 2014 adidas AG. adidas, the 3-Bars logo and the 3-Stripes mark are registered trademarks of the adidas Group.

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Einsatz nahe den Wurzeln Vertraute Sprache, fremdes Land: Viele Teilnehmer dieses Projekts unternehmen eine Reise zu ihren Wurzeln. Bei den Winterspielen von Sotschi kommt eine deutsche Gruppe von Volunteers ex-sowjetischer Herkunft zum Einsatz, die sich mit Unterstützung des Programms „Integration durch Sport“ im Landessportverband Baden-Württemberg und im Landessportbund Brandenburg auf diesen Job vorbereitet haben. Die insgesamt 61 (relativ) jungen Männer und Frauen absolvierten in den vergangenen Monaten ein strammes Programm: halfen bei den Special Olympics Baden-Württemberg oder dem Baden-Marathon, nahmen an von Mitarbeitern des Organisationskomitees SOCOG geleiteten Mehrtagesseminaren teil und hatten Online-Tests in Englisch und Skype-Interviews zu bestehen. In Sotschi werden sie – das Gros kommt aus Baden-Württemberg (36), Brandenburg (8) und Rheinland-Pfalz (8) – an den Wettkampfstätten eingesetzt, dolmetschen oder begleiten offizielle Delegationen. Das Fern- und Kernziel des von der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) unterstützten Projekts: Ehrenamtliche mit Migrationsgeschichte für den organisierten Sport zu gewinnen. nr ]

Fünf Ringe, viele Fakten

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Goldmedaillen gibt es in der Küstenregion in Sotschi zu gewinnen, 69 in den Bergen in Krasnaja Poljana.

Bei den Paralympischen Winterspielen werden in 72 Wettbewerben Medaillen vergeben.

153

deutsche Athleten traten 2010 in Vancouver an. In Sotschi werden es mehr sein, voraussichtlich 165. Dass Eishockeymänner und die Curlingfrauen an der Qualifikation scheiterten, wird durch die neuen Sportarten zahlenmäßig kompensiert. Die paralympische Mannschaft reist mit 15 Athletinnen und Athleten in den Kaukasus.

Aktive aus 45 Nationen nehmen an den Paralympischen Winterspielen in Sotschi teil.

Zuwachs in Eis und Schnee Das Unterhaltungsangebot der Olympischen Spiele in Sotschi wird um ein Dutzend Sportarten erweitert gegenüber den Spielen 2010 in Vancouver. Die Zahl der Wettkämpfe steigt von 86 auf 98 an. Sehr erfreulich aus deutscher Sicht ist der neue Teamwettbewerb im Rodeln – hier winkt Gold. Auch im Eiskunstlaufen steht ein Mannschaftskampf im Programm, allerdings ohne deutsche Frauen, die die Qualifikation verpassten. Im Biathlon erproben sich erstmals die MixedStaffeln unter olympischen Bedingungen. Durchgesetzt haben sich die Damen in der Fliegerszene: Sie dürfen von der Normalschanze um Gold, Silber und Bronze springen. Und wer glaubte, dass Skier in der Halfpipe eher ungeeignet sind, der erhält exzellenten Anschauungsunterricht bei der Trendsportart für Männer und Frauen. Apropos Trend: In diese Kategorie gehören natürlich auch die Slopestyle-Wettbewerbe für Ski (siehe S. 32) und Snowboard sowie der Snowboard-Parallelslalom für Männer und Frauen. Und wenn schon vom Snowboard die Rede ist: Bei den Paralympischen Winterspielen gibt es nun Medaillen für die „Boarder“. Männer und Frauen starten beim Snowboardcross – also vier Starter gleichzeitig gegeneinander. Das verspricht heiße Rennen auf kaltem Grund. jb ]

Nachwuchs schnuppert olympische Luft: 40 Sportler und zehn Betreuer reisen in das Deutsche Olympische Jugendlager. Das dritte Mal führt DOSB-Generaldirektor Michael Vesper die Deutsche Olympiamannschaft nach Peking 2008 und London 2012 als Chef de Mission an. Sein Pendant beim Deutschen Behindertensportverband, Karl Quade (Vizepräsident Leistungssport), kommt bereits auf zehn Einsätze. Das Deutsche Haus im Restaurant Polyanka, der Treffpunkt für Athleten, Wirtschaft, Politik und Medien rund um die Deutsche Olympiamannschaft, steht nicht in Sotschi, sondern im Bergdorf Krasnaja Poljana (siehe S. 20). Es wird sowohl zu den Olympischen wie Paralympischen Spielen geöffnet sein.

2 3

der deutschen Sportfans erwarten laut einer SID-Umfrage von der Olympiamannschaft einen Platz unter den besten drei Nationen.

Erstmals werden bei Paralympischen Winterspielen Snowboard-Wettkämpfe ausgetragen. Frauen und Männer starten in der stehenden Klasse. Der Sieger steht nach drei Läufen fest.


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Die


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Text: Johannes Schweikle

S

o schnell kann sich ein Mensch verändern. Vor drei Stunden hing der 26-Jährige lässig im Sessel und erzählte mit fettem Grinsen, wie er als Kind das erste Mal zum Rennrodeln ging. In der Grundschule wurde ein Schnupperkurs angeboten, „und alles war besser als Unterricht“. Also rutschte er den Eiskanal runter. Jetzt geht Tobias Wendl kerzengerade wie ein Musterschüler. Er schielt weder nach links noch nach rechts, die ernsten Augen unter dem orangeroten Helm schauen konzentriert auf die flachen Stufen einer Stahlgittertreppe. Sie führt zum Starthaus. Ein paar Schritte hinter ihm folgt Tobias Arlt, ebenfalls 26, aber sechs Zentimeter kleiner. Er geht nicht ganz so aufrecht, denn er trägt den 30 Kilo schweren Schlitten. Stellt ihn aufs Eis und legt sich rücklings in die ungepolsterte Glasfaser-Schale. Dann wuchtet sich Tobias Wendl auf ihn. Jeder ruckelt ein bisschen, bis beide ihre Position gefunden haben. In der Startliste stehen sie als Wendl/ Arlt, in der Mannschaft heißen sie „die Tobis“. Wenn nichts schiefgeht, treten die beiden Rodler in Sotschi im Doppelsitzer für Deutschland an. Sehr gut möglich, dass sie eine Medaille holen.

Doppels Tobias Wendl und Tobias Arlt.

In der Erfolgsspur

Rodeln ist die erfolgreichste olympische Sportart in Deutschland. Das soll auch in Sotschi so bleiben. Einblick in eine kleine, feine Disziplin am Beispiel des

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An den beiden Athleten lässt sich zeigen, warum das Rodeln die erfolgreichste olympische Sportart in Deutschland ist – wozu sowohl Männer wie Frauen beitragen. Seit 1964 gehört diese Disziplin zum olympischen Programm. Seither hat Schwarz-Rot-Gold fast zwei Drittel aller Medaillen gewonnen. Und weil Rodeln so viel Edelmetall auswirft, sind viele Namen aus der Vergangenheit (Georg Hackl, Silke Kraushaar, Sylke Otto, Patric Leitner und Alexander Resch) wie aus der Gegenwart (Felix Loch, David Möller, Natalie Geisenberger, Tatjana Hüfner) auch über den Kreis der Kufenfans hinaus bekannt.

Vier Bahnen, viel Erfolg Doch worin liegt der Erfolg begründet? Bundestrainer Norbert Loch nennt zwei Gründe: „Wir haben in Deutschland vier Bahnen und traditionsreiche Vereine, die gute Arbeit leisten.“ Die Bob- und Rodelbahnen in Winterberg und am Königssee liegen in Westdeutschland, Altenberg und Oberhof stammen aus dem Erbe der DDR. Eine Auswahl, die einmalig ist auf der Welt. Tobias Arlt fing als Vierjähriger am Königssee mit dem Rodeln an, der andere Tobi stieg zwei Jahre später auf der-

selben Bahn ein. Als die beiden zwölf waren, schaute sich Norbert Loch, damals bayerischer Landestrainer, die Eltern an und befand, die beiden Jungs könnten ein gutes Doppel werden. Der Blick auf die Eltern galt der Körpergröße, die ihre Söhne mutmaßlich erreichen würden. Und die Prognose des Trainers traf ein: Wendl wurde 1,84 Meter groß, Arlt hörte bei 1,78 mit dem Wachsen auf. Das ist wichtig für den Doppelsitzer: Der Hintermann muss kleiner sein als sein Partner. Harmonie ist das Stichwort, auch abseits der Rinne muss es passen. Die beiden verbringen mehr Zeit miteinander als die meisten Ehepaare. Im Winter teilen sie sich ein Doppelzimmer. An freien Tagen fahren sie gemeinsam Ski oder Snowboard. Selbst ihre Bärte sind ähnlich. Der kleine Tobi ist der ruhigere. Allerdings seien sie beide gleich risikofreudig, heißt es. Was unbedingt notwendig ist, wenn sie mit mehr als 140 Stundenkilometern durch die Eisrinne fegen. Im Blindflug. Der hintere Mann sieht nichts – so wenig wie der vordere. Er muss den Kopf flach nach hinten strecken, jeder Blick in den Kurven wäre der Aerodynamik abträglich. Am Start klatschen sich die beiden dreimal mit der rechten Faust ab. Der vordere Tobi bekreuzigt sich. Der hintere

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kann das nicht – schließlich liegen da die 91 Kilo seines Partners. Die Ampel springt auf Grün. Wendl packt die beiden Griffe an der Bahn und schiebt den Schlitten an. Dann machen sie mit beiden Händen drei Pinguinschläge. Die Stahldornen an den Handschuhen kratzen auf dem Eis. Mehr Möglichkeiten hat ein Rodler nicht, seinen Schlitten zu beschleunigen. „Startzeit: 3,02“, sagt der Streckensprecher.

Groß fährt schnell „Schnell fahren können viele“, sagt der Bundestrainer, „auf den Start kommt es an.“ Deshalb haben sich die Rodler verändert. Sie müssen viel Kraft und Muskelmasse mitbringen. Sie trainieren nicht nur die Arme und den Rücken, sondern auch die Beine, obwohl ein Rodler die kaum braucht. „In den Oberschenkeln lässt sich am meisten Muskelmasse unterbringen“, sagt Loch lapidar. Am Oberkörper setzt die Aerodynamik Grenzen – das breite Kreuz eines Bodybuilders hätte zu viel Luftwiderstand. Und groß müssen sie sein, die Weltklasserodler. Wegen der Hebelwirkung der Arme. Der gedrungene Georg Hackl, mit fünf olympischen Medaillen und seiner bayerischen Art jahrelang das Gesicht des deutschen Kufensports, könnte heute nicht mehr vorne mithalten, sagt Norbert Loch. Hackl betreut die beiden Tobis als Trainer und Mechaniker. Sechs Stunden vor dem Start geht er in einem Konferenzraum des Mannschaftshotels in die Knie und untersucht die Kufen des Doppelsitzers. Kneift ein Auge zu, schaut mit dem anderen auf das Spurverlaufsmessgerät und fährt wie in Zeitlupe die Schiene aus Edelstahl ab. Wendl holt ein Paar aus einer Schaumstoffhülle, Arlt schaut in seinem Smartphone nach und sagt: „Die Nullfünfziger sind wir in Oberhof im zweiten Lauf gefahren.“ Es riecht nach Azeton, auf der Schraubenkiste liegt Panzerband. Hackl und die Tobis diskutieren über das richtige Material bei den herrschenden Wetterbedingungen. Ein Gespräch auf Augenhöhe zwischen Trainer und Sportler. Als sie sich geeinigt haben, klebt Tobias Wendl hingebungsvoll einen zwei Millimeter breiten Streifen Klebeband auf die Rückseite der Schiene. Der verändert den Winkel, mit dem sie auf die Kufe geschraubt wird. Eine Winzigkeit, zugegeben, jedoch eine entscheidende im Kampf um Sekundenbruchteile. Ein Rodler muss nicht nur geduldiger Tüftler sein. Er braucht eine Hingabe an den Sport, der für Laien schwer verständlich ist. Unter allen Randsportarten des Winters betreibt er die randständigs-

te, rauscht die Rinne runter, aber das Tempo seines Sports ist kaum zu erkennen. Es gibt auch keinen spektakulären Start wie bei den Bobfahrern, die bullige Kraft mit der Akrobatik von Turnern vereinen. Dem Zuschauer bleibt verborgen, dass die Athleten so viel Mut brauchen wie Abfahrer am Steilhang. „Ski fahren kann jeder“, sagt Tobias Arlt. „Wer einen Kurs macht, schafft es irgendwie den Berg runter.“ Man hört, dass er oft von der Seite angemacht wurde. Von Jungs, die sich für coole Hunde auf zwei Brettern halten. Denen hält er ein Selbstbewusstsein entgegen, das in unzähligen Fahrten gewachsen ist: „Das Rodeln musst du schon als Kind lernen. Sonst hast du keine Chance.“ Zum Steuern im Eiskanal gibt es kein Hilfsmittel. Das muss der Athlet allein mit seinem Körper hinkriegen. Der hintere muss auf die Hundertstelsekunde genau wissen, wann er mit der Schulter Druck gibt auf den Schlitten, dessen Schale sich dann leicht verzieht. Der andere drückt mit dem Bein vorn gegen den Aufbug der Kufe. Das muss ohne Kommando funktionieren, reden geht nicht während der Fahrt. Hinterher erklärt Tobias Arlt, wie sich das anfühlt, wenn die Lenkbewegungen nicht exakt waren: „Wie wenn du mit dem Auto von trockenem Asphalt auf Schneematsch kommst – du fährst wie auf Brei.“ Ein Rodler tastet sich bei jeder Fahrt im Eiskanal an den Grenzbereich heran. Auch Weltklasseathleten stürzen. Meist geht das glimpflich ab. Tobias Wendl zeigt am linken Ellbogen eine kleine Narbe – ein Andenken an Kurve 14 von Whistler. Diesmal geht alles glatt. 44,35 Sekunden – sieben Hundertstel schneller als die schärfsten Konkurrenten. Im Ziel springen beide vom Schlitten, klappen die Visiere hoch und diskutieren aufgekratzt. „Wahnsinn – plötzlich ging’s da runter in ein Loch“, sagt Wendl. Dann hören sie sich über Funk an, was die beiden Trainer zu kritisieren haben. „Die Neun seid ihr zu flach angefahren“, sagt Hackl. Sie seien ständig auf der Suche nach dem perfekten Lauf, sagt Tobias Arlt. Um sich diesem Ideal zu nähern, haben sie im Sommer sogar Reaktionsübungen gemacht, stellten sich mit dem Gesicht zur Wand, Abstand zwei Meter. Hinter ihrem Rücken warf der Trainer Tennisbälle, die plötzlich im Blickfeld auftauchten, gegen die Wand prallten – und die sie fangen mussten. Wären die beiden Tobis auch gute Torhüter im Handball? Da grinst Wendl: „Wenn ich nicht so Angst vor dem Ball hätte.“ ]

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Risikofreudigkeit. Die Weltmeister gehören in Sotschi zu den Medaillenkandidaten des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD)

„Ski fahren kann jeder“, rodeln eher nicht: Das Duo Tobias Arlt und Tobias Wendl harmoniert gut auf und neben dem Schlitten – auch in seiner

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So sehen Sieger aus – und wir fördern sie!

Wir sind Förderer des Schulsports in Deutschland und leisten damit einen Beitrag zur Integration von Menschen mit Behinderungen. Als neuer Hauptsponsor der Schulsportwettbewerbe Jugend trainiert für Olympia und Jugend trainiert für Paralympics möchten wir nicht nur sportliche Talente, sondern auch die Integration von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung über den Sport in die Gesellschaft fördern. Das ist uns eine Herzensangelegenheit – und eine große Herausforderung für die Zukunft! Mehr über das Engagement der DB unter www.deutschebahn.com/jugend-trainiert

DB. Zukunft bewegen.


32 [ Bühne ] Faktor Sport

Der Bonus des Andersseins Die Spektakeldisziplin Slopestyle wird in Sotschi doppelt olympisch, Snowboarder gehen ebenso an den Start wie Freeski-Fahrer. Die damit verbundenen Diskussionen spiegeln die Dynamik des winterlichen Trendsports wider. Text: Christoph Leischwitz

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dynamisch, hier geht es außer um Leistung auch um Lebensgefühl, weswegen sich die Szene stets die Frage stellt, ob Neuerungen wirklich Fortschritt bedeuten oder nur Anpassung. Die nationalen Verbände müssen diesen beiden Gesichtspunkten gerecht werden und sie mit ihren Möglichkeiten und Grenzen abgleichen. Die Breckenridge-Anekdote deutet an, was sich daraus etwa für den SVD und seine Slopestyle-Sparte ergeben kann. Wobei „Slopestyle“ nicht nur eine Snowboard-Disziplin bezeichnet, sondern auch einen Freeski-Wettkampf – und auch der hat in Sotschi Olympia-Premiere.

Athleten betonen die Chancen Aber zunächst noch mal zu den breiten Brettern. Drei Snowboard-Disziplinen waren bereits olympisch, 2011 wurden vom IOC zwei weitere aufgenommen: neben dem Parallelslalom eben auch das spektakuläre Slopestyle, im Prinzip eine Königsdisziplin. Es gilt, einen aufwendig errichteten Parcours zu bewältigen, mit Kickern (Schanzen), Rails (Geländern), Half- und Quarterpipes. Aufgenommen wurde es, weil es vielerorts schon sehr beliebt ist. Doch spätestens mit Slopestyle in Sotschi stellt sich die Frage: Wie sehr darf und kann man eine Sportart verändern, die von Freigeistern ins Leben gerufen wurde? Stefan Knirsch sieht beide Seiten der Medaille. Der Geschäftsführer des SVD hat einen Interessen-Spagat zu bewältigen. „Da sind einerseits die strukturellen Möglichkeiten des Verbands. Und andererseits eine Sportart, die völlig ohne Strukturen etwas von Wert geschaffen hat“, sagt er. Die meisten Mitglieder sähen in Olympia eher eine Chance, kein Korsett: „Wir müssen ein tragfähiges Gesamtkonzept erarbeiten. Es geht erst einmal um Konsolidierung, nicht um Medaillen“, sagt er. Der Ausfall Mittermüllers sei natürlich „ein Schock“. Eine andere Weltklasse-Athletin im Slopestyle hat der Verband nicht. Und dabei geht da gerade die Post ab, siehe Breckenridge. Durch die international größere Aufmerksamkeit, sagt Mittermüller, nehme „die Leistungsdichte immer mehr zu“. Die Schanzen werden steiler und die Sprünge spektakulärer – allerdings unter den Besten oft auch immer ähnlicher. Das deutsche Aushängeschild hat daher das Gefühl, dass die Kampfrichter neuerdings verstärkt die Leistung an den Rails in Augenschein nehmen, die früher eher als Beiwerk zwischen den Sprüngen ange-

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s ist ein ziemlich kalter Hotspot, was auch sonst. Breckenridge, Colorado, die Erde bietet kaum bessere Orte, um sich auf ein wichtiges Snowboard-Event vorzubereiten. Trockene Luft, tiefe Temperaturen, beste Ausstattung der Pisten. In den ersten Wochen der Olympia-Saison trainieren hier Dutzende Athleten. Fast alle der üblichen Verdächtigen sind da, man kennt und mag sich, man tauscht sich aus. So ist das beim Snowboarden: Voneinander lernen, an Tricks und Grabs arbeiten, sich was abschauen, den Sport gemeinsam weiterentwickeln, diese Aspekte sind oft genauso wichtig wie die Suche nach dem Besten. Aber im Breckenridge des beginnenden Winters 2013/14 zeigt sich noch etwas: Die Sportart steht am Scheideweg. Das ist etwa im Gespräch mit Silvia Mittermüller rauszuhören. Die Münchnerin ist gekommen, um sich auf die Slopestyle-Rennen der Saison vorzubereiten, mit Sotschi als geplantem Höhepunkt – dass sie die Spiele verpassen wird, weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Sie erzählt von den informellen Tipps, die sie sich von den amerikanischen Kolleginnen abhole. „Zum Beispiel bei einem neuen Sprung, bei dem ich immer stürze. Dann kann ich schon mal fragen: ,Hey, was glaubst du, was ich besser machen kann?‘“, sagt sie. Und doch hat sich etwas verändert. Das US-Team macht nun sein eigenes Ding – und Mittermüller staunt: „Jeder Sprung, jeder Trick wird gefilmt, die Fahrerinnen stehen mit den Trainern in Funkverbindung. Und wenn sie wieder im Lift nach oben sitzen, haben sie ihre letzte Fahrt schon als Video auf dem Smartphone und können sich selbst analysieren.“ Das kann die 30-Jährige nicht – und gerade deshalb wäre ihr Start in Sotschi so wichtig gewesen. Doch die Hoffnungsträgerin des Snowboard Verbands Deutschland (SVD) verletzte sich in Colorado schwer, Achillessehnenriss, Operation statt Olympia. Ein schwerer Schlag, nicht nur für sie persönlich. Die deutsche Szene, und gerade das relativ junge Slopestyling, braucht Botschafter im eigenen Land. Weltklasse-Athleten, die den Sport populärer machen, populär genug, dass die Budgets schwellen und Strukturen ähnlich denen der USA oder skandinavischer Länder ermöglichen – und zumindest Mittermüllers Nachfolgerinnen einmal mit Funk und Video arbeiten können. Olympische Spiele sind für alle Sportarten eine Zäsur – und für Trendsportarten ganz besonders. Hier entwickeln sich Strukturen besonders


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 33 Die Stöcke wie Flügel: Egal, wo sein Kopf gerade ist, Slopestyler Benedikt Mayr will immer nach oben, auch in Sotschi

sehen wurden. Es wird also genauer hingesehen, es geht an die Details – Fortschritt oder Anpassung? Mittermüller betont, es sollte auch in Zukunft keine Pflichtsprünge mit kategorisierten Haltungsnoten geben. Ein Slopestyle-Ritt ist für ihresgleichen ein Gesamtkunstwerk, ohne Kreativität kommt es nicht zustande.

Aufbruchstimmung auf Skiern Die Freeskier werden in Sotschi erst olympisch – abgesehen vom Skicross, das beim Deutschen Skiverband (DSV) eigenständig ist –, und sie werden es zweifach: mit Halfpipe und, wie gesagt, Slopestyle. „Anders zu sein, bedeutet einen Bonus“, findet dessen Repräsentant Benedikt Mayr. Der 24-Jährige ist für den Olympiakader ebenso fest eingeplant wie seine kaum volljährige Kollegin Lisa Zimmermann. „Noten würden den Sport langweilig machen“, sagt er. Mayr ist ein typischer Vertreter seiner Zunft: Filmaufnahmen, für die er über Hausdächer oder Treppengeländer slidet, machen ihm genauso viel Spaß wie die Teilnahme an den X-Games oder dem Weltcup. Freeskier wollen das Abseitige, das Nichtzu-Fassende ihrer Sportart erhalten. Mayr hat dafür den passenden Betreuer: Thomas Hlawitschka vom Deutschen Skiverband engagierter, aber externer Bundestrainer, ist mit 27 Jahren schon von der alten Schule, einer von jenen, „die sich das selbst aufgebaut haben“, wie er sagt. „Einfach einen Trainingsplan erstellen und abar-

beiten, das funktioniert nicht. Der Schlüssel zum Erfolg ist die Gruppendynamik. Dass man über den Spaß neue Tricks lernt – mit einem guten Gefühl im Bauch.“ So einer ist Bundestrainer? Klingt, als könne im Freeskiing die Versöhnung gelingen: zwischen Leistung und Lebensgefühl. Zumal das IOC den extremen Skisport ja nicht trotz, sondern wegen seiner Wildheit geadelt hat. Hlawitschka sieht die Möglichkeiten, die Olympia dem noch nicht lange bestehenden Nationalteam trotz Erfolgsdrucks bietet: „Normalerweise haben wir während des Wettkampfs neue Tricks gelernt. Neu ist, sich in der Vorbereitung weiterzuentwickeln.“ Das mache den Sport besser. Zumal Olympia die Professionalisierung beschleunigt: Freeskier werden fast ausschließlich von Sponsoren und Ausrüstern bezahlt, ihre Reisen, den Tages- und Trainingsablauf organisieren sie weitgehend selbst. Dank Sotschi sind Kooperationen mit Skigebieten möglich, so wie es Hlawitschka respektive das von ihm mitgegründete Freeski Network mit dem Stubaital organisiert hat. Obendrein gibt es seit 2013 einen Trainingsstützpunkt für den Nationalkader, die Sportschule Puch bei Fürstenfeldbruck, und etwa sportmedizinische Untersuchungen. Ob Freeski oder Snowboard: Die Slopestyle-Protagonisten folgen der gleichen Logik. Es geht um höher, schneller oder weiter, aber auch um Ästhetik und Eigenheit – Unterschied als Selbstwert. Sie sind überzeugt, dass ihre Disziplin nur so lange ästhetisch bleibt, wie man rumspinnen und ausprobieren darf. „Solange es dabei bleibt, können beide Seiten voneinander profitieren“, sagt Bene Mayr. Er selbst freut sich ungemein auf Olympia. Der Bobanschieber Alexander Mann habe ihm gesagt, dass man das Flair, die Verbundenheit der Sportler im Olympischen Dorf nie vergessen werde. Und das ist eine Stelle, an der die Freestyler nichts anderes wollen als andere Athleten. ]


34 [ Bühne ] Faktor Sport

Blau, weiß, groß

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Von oben bis unten auf die Spiele eingestellt: Die Ringe haben vor Sotschis Flughafen Platz genommen (o. r.), das auch an der Schnellstraße „Blue Horizons“ (2. v. u. l.) ultraurban wirkt und an der Strandpromenade mit KaukasusBlick (o. l.) den Charme seiner Lage offenbart. Russisch niedlich wird die Stadt in den unvermeidlichen Matryoschkas, russisch groß im Olympiapark (2. v. o. r.), in dem das Olympiastadion „Fisht“ (u. l.) strahlt, nicht nur nachts. In Krasnaja Poljana warten die Sprungschanze und die Bobund Rodelbahn (2. v. u. M. und r.) ebenso auf die Athleten aus aller Welt wie der Ski- und Biathlonkomplex im Olympischen Dorf (u. r.). nr


Als offizieller Partner und Nationaler FĂśrderer des Deutschen Behindertensportverbandes wĂźnscht die Allianz dem deutschen Team viel Erfolg bei den XI. Paralympischen Winterspielen in Sotschi.

Anna Schaffelhuber Paralympionikin in der Disziplin Ski alpin


36 [ Foyer ] Faktor Sport

Mit dem Rücken zum Alltag Allzu viele Interviews mit Sportzeitschriften dürfte Christian Petzold noch nicht geführt haben, obwohl er das Rüstzeug dafür mitbringt: profunde Sachkenntnis. Der 53-Jährige ist einer der renommiertesten Kinoregisseure Deutschlands, vielfach ausgezeichnet für Filme wie „Die innere Sicherheit“, „Wolfsburg“ oder „Barbara“. Arbeiten, die durch stilistische Klarheit und Kargheit beeindrucken und wie sprachentrümpelt wirken. An diesem kalten Wintervormittag in einem Berliner Restaurant argumentiert Petzold äußerst wortreich. Er begeistert sich für Sport; allerdings weniger für dessen Vermarktung und mediale Präsentation. Ein Gespräch über die Schnittmenge zwischen Kino- und Stadionbesuch und die richtige Mischung: von Langeweile und künstlicher Dramaturgie bei Sportübertragungen. Interview: Marcus Meyer


Faktor Sport [ Foyer ] 37 oder Fußballer ist. Der Film hat eine eigene Form des Melodrams, die des Sports ist eine andere. Das Kino braucht das nicht. Würden Sie bei Sportübertragungen gern mal in die Regie eingreifen? Nein, die ist in der Regel schon okay. Man kann erkennen, ob jemand den Sport begreift. Ein guter Regisseur muss viele Events dieser Art gesehen haben, dann weiß er, wann die Perspektive wechseln muss. Ich mag die klassische Grammatik zwischen Nähe und Ferne. Etwa so wie beim Biathlon? Ein gutes Beispiel. War früher keine populäre Sportart, hätte man vorm Fernseher nicht ertragen. Erst die neuen Regeln und Techniken haben die Übertragung spannend gemacht.

Herr Petzold, wenn Sie als Regisseur und Filmkenner Ihre zehn liebsten Bewegtbildszenen aufzählen sollten, würden dazu auch Momente der Sportgeschichte zählen? Auf jeden Fall. Zum Beispiel Olympische Spiele 1972, Ulrike Meyfarth bei ihrem goldenen Sprung oder der Sieg der 4 x 100m-Staffel mit Heide Ecker-Rosendahl – oder etwas abstrakter beim Bobfahren: Deutschland I und Deutschland II, Namen wie Hoppe, Langen, Lange. Das ist Legende. Auch der Gewichtheber, der vor den Olympischen Spielen in Peking seine Frau verloren hatte, gehört dazu. Matthias Steiner. Genau. Die Szene, als er vor laufender Kamera das Bild seiner verstorbenen Frau zeigte, nachdem er die Goldmedaille im Gewichtheben gewonnen hatte. In diesem Augenblick dachte ich, es hat sich gelohnt, Olympia zu gucken. Waren Sie berührt? Sehr. Weil es ein Moment war, der nicht hergestellt wurde. Das hat mich daran erinnert, was Sport alles sein kann: eine klassische Tragödie. Dass man für einen Moment ganz bei sich ist. Trotz solcher Momente findet der Sport im Kino nicht statt. Sportlerfilme sind das Langweiligste, was es gibt. Man glaubt dem Schauspieler einfach nicht, dass er ein guter Skiläufer

Ein kleiner Parcours, schön regelmäßig an den Fans vorbei, wie in der Formel 1. So kann der Zuschauer verfolgen, wie der technische Aspekt und die Ausdauer in einem permanenten Widerstreit stehen. Es gewinnt der Athlet, der die Balance am besten halten kann. Wenn er zu schnell ist, zittert er womöglich und schießt daneben. Schießt er gut, aber läuft zu langsam, verliert er. Dieser Gegensatz wird durch die Übertragungsmöglichkeiten wunderbar transportiert, die Digitalkameras, die Splitscreens. Man hat Schütze wie Scheibe im Blick, sieht den Rauch beim Abfeuern des Schusses und gleichzeitig das Aufprallen der Kugel auf der Scheibe. Gibt es Sportarten, bei denen Ihnen in der Darstellung Verbesserungen einfallen würden, oder ist das Spiel ausgereizt? Ich denke vor allem: Wenn man die Werbung rausschmeißen würde, wäre schon viel gewonnen. Mehr Zeit zwischen den Geschehen macht das Ereignis schöner. Das Tollste beim Gewichtheben sind doch die Sekunden nach dem gelungenen oder misslungenen Versuch. Wenn der Gewichtheber von der Bühne abgeht, seine Hände sauber macht und der Trainer ihm das Handtuch über die Schultern legt. In diesem Moment wird auch die archaische, durchaus brutale Beziehung zwischen Coach und Athlet sichtbar. Werbeunterbrechungen dürften eher ein Problem des Fußballs sein, weniger der olympischen TV-Übertragungen, bei denen nicht in jeder Pause Spots gezeigt werden. Das stimmt. Es ist auch nicht so, dass ich den Leuten, die Werbung herstellen, jeg-

liche Kreativität abspreche. Aber in dem Augenblick, in dem ich mit dem Spot etwas verkaufen will, darf es keine Langeweile mehr geben. Sonst wäre mein Produkt ja nicht attraktiv. So kann der Zuschauer nicht mehr auf Entdeckungsreise gehen. Sie meinen die Aufbereitung des Sports, das Drumherum, das Ausdeuten durch Experten und Co-Kommentatoren? Doppelmoderationen sind das Schlimmste: wenn zwei sich unterhalten und das Eigentliche, nämlich der Sport, in den Hintergrund rückt. Ich bin für Reflexion. Aber sie darf nicht den Gegenstand vernichten, sondern muss ihn bereichern. Ich mag Analysen der Trainer oder so eine Sendung wie sie der von mir nicht geliebte Sender Sport1 am Montagabend bringt. Thomas Helmer empfängt zwei Fußballer, sie sitzen vor dem Monitor und besprechen anhand von Spielszenen eine Partie des Wochenendes. Das ist manchmal fantastisch. Was ich nicht mag, sind Interviews, in denen Athleten wie Feuerwehrleute nach dem Einsatz reden: vorsichtig, langweilig. Keiner dabei, der wie Sigmar Gabriel einfach mal raushaut. Hat diese Vielfalt, das Hin- und Herspringen zwischen den Sportarten bei OlympiaÜbertragungen, eine eigene Dramaturgie? Zunächst wird Olympia ja aufbereitet wie ein Produkt: Es gibt ein Corporate Branding, gleiche Farben, dieselben Getränke, vorgegebene Kamerapositionen. Aber dieses Produkt bietet weiterhin Durchlässigkeit. Für mich ist das interessant. Man schaltet den Fernseher ein und sieht Sportarten, die man nicht kennt. Dann erklärt ein guter Reporter, was zum Beispiel an Freestyle Ski oder Skeleton wichtig ist. So gerät man an Themen, mit denen man sich sonst nicht beschäftigt. Die Langeweile, die bei stundenlangen Übertragungen natürlich entsteht, hat dann eine eigene Dramaturgie. ... wie beim Skispringen. Bis es von RTL übertragen wurde. Dabei liebe ich die Leerstellen zwischen den Durchgängen, man kommt der Essenz des Sports und des Lebens nah. Müßiggang gehört dazu, es muss diese Inseln der Nichtverwertbarkeit geben, sonst stirbt alles ab. Der wahre Sport und Geld passen nicht zusammen. Leerstellen werden heute meist ausgeblendet, durch Kameraschwenks auf brüllende Zuschauer, Nägel kauende Trainer oder stoische Schiedsrichter. In einem Ma-

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38 [ Foyer ] Faktor Sport

Weil sie den Publikumsgeschmack trifft? Ich glaube, dass das die Leute nervt. Zerstört das die Einmaligkeit der von Ihnen beschriebenen Momente? Denken Sie an Bob Beamon, als er bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko den Weltrekord im Weitsprung aufgestellt hat (8,90 Meter, die Red.). Was wäre aus dieser Szene geworden? Das Unglaubliche der Leistung hat man erst viel später begriffen. Heutzutage folgen Reflexion und Begreifen dem Ereignis auf dem Fuß. Und die Sportler haben sich dieser Dramaturgie zu fügen. Da ist der Zauber weg. Und was ist mit dem Zauber von Matthias Steiner? Ja, der Sport ist anscheinend robust und schafft es, sich partiell seiner Verwertbarkeit zu widersetzen. An diesen nicht entzauberten Resten halte ich mich gern auf. Wahrscheinlich bin ich aber Teil des Problems, wenn ich als Angehöriger einer eventsüchtigen Gruppe ins Stadion gehe. Sie könnten verzichten. Ich habe eine Zeit lang probiert, den Fernseher nicht einzuschalten oder aus ökologischen Gründen kein Auto mehr zu fahren. Aber man kann sich nicht abwenden, eine individuelle Entscheidung führt keine gesellschaftlichen Veränderungen herbei. Hat die Präsentation des Sports Auswirkungen auf Ihre Arbeit, weil Zuschauer sich an Darstellungsformen aus dem Fußball oder bei Olympia gewöhnt haben? Ich glaube, ja. Wenn man Filme produziert, laufen diese ja nicht nur im Kino. Die meisten meiner Arbeiten werden vom Fernsehen kofinanziert und müssen sich daher in Beziehung setzen zum Rest des Programms. Dass die Dauer eines Spielfilms und die Länge eines Fußballspiels identisch sind, ist kein Zufall.

MAL REGIE, MAL REHA Es muss Liebe sein: Rund zweieinhalb Jahre seines Lebens habe er schon auf Krücken verbracht, sagt Christian Petzold: zweimal die Kreuzbänder gerissen, zweimal den Meniskus, ebenso oft waren die Sprunggelenke gebrochen. Und immer war der Fußball schuld. Trotzdem will der 53-Jährige noch drei, vier Jahre im Verein spielen. Petzold, dem laut eigener Aussage eine Begegnung mit der algerischen Nationalmannschaft sein beschränktes fußballerisches Talent vor Augen geführt hat, gehört außerhalb des Sports zu den erfolgreichsten deutschen Regisseuren. Er wird der sogenannten Berliner Schule zugerechnet, einer Gruppe von Filmemachern, die sich auf nüchtern-analytische Weise vor allem mit der deutschen Geschichte beschäftigen. Das berühmte New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) widmete der Bewegung im vergangenen Herbst sogar eine filmische Retrospektive. Zu den bekanntesten Werken Petzolds zählen „Die innere Sicherheit“, „Toter Mann“, „Wolfsburg“ und „Barbara“; er wurde unter anderem mit dem Grimme-Preis, dem Silbernen Bären (oben bei der Preisverleihung 2012) und dem Helmut-Käutner-Preis ausgezeichnet. Die Drehbücher schreibt er oft gemeinsam mit Harun Farocki, seinem ehemaligen Lehrer an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb). Petzolds Lebensmittelpunkt liegt in BerlinKreuzberg, wo er zusammen mit seiner Frau, der Dokumentarfilmregisseurin Aysun Bademsoy, und seinen Kindern lebt. mm

Und umgekehrt: Animiert der Sport Sie bei Ihren Filmen? Eine Direktübersetzung funktioniert nicht. Aber beim Fußball mache ich folgende Erfahrung: In jedem Spiel, auch den schlechten, gibt es Momente der Schönheit, die nicht aus dem Zufall entstehen, sondern aus Arbeit – und die sie zugleich überwinden. Das gilt im Sport wie beim Filmemachen: dass man über die Arbeit zu etwas Erhabenem gelangt. Funktioniert Sport für Sie auch in geschriebener Form, etwa in der Zeitung? Ja. Ist das gleichberechtigt mit dem Schauen? Nacherzählung ist für mich das Leben. Deswegen war „11 Freunde“ gleich so erfolgreich, weil es zum ersten Mal eine Zeitschrift gab, die die alten Mythen aufleben lässt. Von einem Fußball, den es so gar nicht mehr gibt ...

Genau, das macht Spaß. Ich finde die zum Aufklappen gedachten Fotos leerer Stadien fantastisch. Beim Playboy sind es nackte Frauen, hier sind es leere Stadien. Da denkt man an Elias Canetti (Schriftsteller, die Red.), der sagte: „Ein Sportstadion ist ein Ort, an dem jeder mit seinem Rücken zum Alltag sitzt.“ Ich bin allein, dadurch dass ich meinem Alltag den Rücken zukehre. Zugleich bin ich mit anderen zusammen, die wiederum auch allein sind. In dieser Konstellation entwickelt sich etwas, das wie ein Versprechen wirkt. Der Rücken zum Alltag, da denkt man an das Sommermärchen 2006. Fühlten Sie sich vom Nationalgefühl angesprochen, als es sich während des Turniers von seiner braunen Vergangenheit löste? Unbedingt. Und ich fand es nicht okay, wenn andere blöde Witze darüber gemacht haben. Meine Freunde, meine Familie und ich haben in diesen Wochen unheimlich viel Spaß gehabt. Mein Gefühl war: Von diesem Land wird niemals wieder ein Angriffskrieg ausgehen. ]

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gazin-Beitrag über den im TV gezeigten Schlichterprozess zu Stuttgart 21 haben Sie gelobt, wie dicht man an Protagonisten und Inhalten geblieben sei. Im Kinobereich hat diese Vereinheitlichung in der Darstellung und Dramaturgie Ende der 80er-Jahre eingesetzt, als Scriptdoktoren aus Amerika kamen und an deutschen Akademien lehrten. Plötzlich sahen alle Filme gleich aus: ähnlicher Musikeinsatz, ähnliche Form von Identifikationsmustern, Mitleidskino. Eine stereotype Aufbereitung, die mittlerweile in vielen Gesellschaftsbereichen zu beobachten ist.


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40 [ Bühne ] Faktor Sport

m Ende der OlympiTV-Moderator Markus Othmer steht vor sei- Medaillengewinner wie Matthias Berg und Gerd Schönfelschen Spiele wird Marner Paralympics-Premiere – und will sich der stehen als Co-Kommentakus Othmer es halten toren zur Verfügung. „Sie sind wie alle Kollegen von „trauen, jede Frage zu stellen“. enorm wichtig, weil sie einen ARD und ZDF; Koffer Text: Roland Karle Zugang zu den Sportlern herpacken, ab nach Hause. Mit eistellen“, sagt Othmer. nem Unterschied: Schon zwei Er meint das in zweifaWochen später kehrt er zucher Hinsicht: Der Kontakt von rück. Am 7. März beginnen die Journalisten zu Athleten mit Paralympics, dann schlägt OthHandicap ist punktueller als mers Stunde als Frontmann zu den Olympiateilnehmern, der ARD. die persönliche Bande zwiDie Frage nach Unterschen Experten und Aktiven schieden und Ähnlichkeiten wirkt da hilfreich. Mehr aber zwischen Olympia und Pazählt, dass Schönfelder und ralympics – das ist alles vielCo „die Leistung der Sportler fach strapaziert worden. Eher besser einschätzen und einordungeübt wirkt der Blick auf nen können“. die andere Seite, auf MedienWas Othmer unbedingt schaffende wie Othmer. Desvermeiden möchte: Wissenslüsen beruflichen Alltag prägen cken. Wer wenig über die AthFußball-Bundesliga und Winleten weiß, stellt die immer tersport sowie Moderationen gleichen Fragen; die erste zum von Sportsendungen und MuWettkampf, die zweite zur Besikspektakeln („Night of the hinderung. Er will mehr: „Ich Proms“). Sportler mit Handigehe generell offen auf andere cap zu begleiten, ist für ihn Menschen zu und traue mich, zwar nicht neu, aber wesentjede Frage zu stellen. Es darf lich ungewohnter. Was nichts kein Tabu geben. Das sagt auch an seinem journalistischen Verena.“ Selbstverständnis ändert: „Für Verena, das ist Verena mich steht die sportliche LeisBentele, von Geburt an blind, tung im Vordergrund. Aber wir eine überragende Biathletin wollen über den Wettkampf Keine Beschönigung oder Betroffenheit: Das TV-Team Markus Othmer und Veund Skilangläuferin. Sie starhinaus, egal ob Behindertenrena Bentele will ohne Tabus von den Paralympics berichten tete vier Mal bei Paralympics, oder Nichtbehindertensport, gewann zwölf Goldmedaillen. etwas über den Menschen erIn Sotschi wird auch sie dem fahren.“ Moderator zur Seite stehen. In Ein schmaler Grat: hier den den vergangenen Monaten haben die beiden gemeinsam geübt. Leistungssportler zu bewerten, da die Person zu beschreiben – Wie das aussieht, erzählte Bentele in München bei der Präsentaohne in die Mitleidsfalle zu tappen. Peter Kaadtmann, gemeinsation der TV-Teams für die anstehenden Spiele: „Ich werde Marmer Teamchef von ARD und ZDF bei den Paralympics, formuliert kus die Augen verbinden und ihn auf die Loipe schicken.“ Natürden Fernsehauftrag so: „Unser Ziel ist eine Gleichbehandlung lich bei laufender Kamera. nicht behinderter und behinderter Teilnehmer der Olympischen Othmer hätte so eine Aktion vielleicht vermieden. Wie das und der Paralympischen Spiele.“ Soll heißen: konsequentes Wegso ist, wenn sich Nichtbehinderte im Fangzaun politischer Korlassen von Beschönigung und Betroffenheit. Ob das klappt? rektheiten verheddern. Ihn einzureißen, fällt der gleichermaSportlich befindet sich die deutsche Paralympics-Mannßen klugen wie schlagfertigen Bentele leichter. Nachdem Othschaft im Umbruch. Rund ein Dutzend Athleten treten in Sotmer sie mal gefragt hatte, wie sie eigentlich flirte, fand er später schi an, nachdem Curling und Sledgeeishockey die Qualifikaeine SMS von ihr auf seinem Handy. Mit kurzem Gruß: „Dein tion verpasst und etliche erfolgreiche Athleten ihre Karriere Blind Date“. ] beendet haben. Das hat für Fernsehleute auch Vorteile. Einstige

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Grüße vom Blind Date


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rts 6,1–5,2; 0–6,9; außero 9, s rt ro ne in 0 km: 164 –152. rauch in l/10 : kombiniert km g/ in en Kraftstoffverb mission 1–5,8; CO2-E kombiniert 7,


42 [ Darsteller ] Faktor Sport

Die Vorläufer Der gewisse Moment kommt zu dir, vielleicht. Er kommt nicht von allein, alles andere als das, aber du kannst ihn nicht heraufbeschwören: Es ist schon erstaunlich, wie eigen, wie verschieden die Karrieren der bundesdeutschen Fahnenträger bei den Winterspielen seit 1992 verlaufen sind – und wie sie doch erst im Paket erahnen lassen, was es auf sich hat mit dem Geheimnis des olympischen Erfolges, mit dem Geist der großen Sportler. Sprechen Kati Wilhelm und Jochen Behle von Ehrlichkeit und treffen sich Mark Kirchner und André Lange in der Ruhe, so betonen die Geschichten von Wolfgang Hoppe und Hilde Gerg den Faktor Selbstdisziplin. Am Ende bleibt überdies die nicht neue Erkenntnis: Ohne Glück und Selbstglauben geht nichts. Text: Peter Stützer

Wolfgang Hoppe, Bob. Doppelgold 1984 in Sarajevo. Fahnenträger 1992 in Albertville

Mark Kirchner, Biathlon. Doppelgold 1992 in Albertville, Staffelgold 1994. Fahnenträger 1994 in Lillehammer

Gold? Wolfgang Hoppe erzählt von der Glasvitrine zu Hause, Glas, damit es jeder sehen kann, das erste und das zweite Gold bei Olympischen Spielen. Hoppe hat beides 1984 aus Sarajevo mitgebracht. Sah aus wie geplant. War es aber nicht. Da spielen ja auch noch ein paar andere mit, Kollege Zufall, Abteilung Glück, keine Ahnung, sagt er, ohne die geht nichts. „Olympia-Gold kannst du nicht bestellen und auch nicht planen, das kommt zu dir, wenn die Zeit reif ist.“ Und selbst dann sind noch viele Fragen offen, das Wetter, die Bahn, die Vorbereitung, die Form, die Gegner, der Rücken und auch die Vergangenheit. Die einen haben Hoppe schnell den vaterländischen Verdienstorden in Gold umgehängt. Das roch nach Schwierigkeiten mit den anderen, die gab es dann auch mit Verspätung. Er verweist auf seinen ganz speziellen Druck jenseits der Bobbahn. Damals. „Klappe halten, Olympiasieger werden“, das schien ihm das Beste, es wurde noch mal Silber in Albertville und Bronze in Lillehammer, aber etwas anderes zählte mehr: Sie haben ihm die Hand gereicht, er hat sie genommen. 1992. Hoppe führte die erste gesamtdeutsche Olympiamannschaft ins Stadion. „Das war mir eine Ehre, egal was manche sagen.“ Zumindest in diesem Moment wusste er alle Kollegen und Funktionäre hinter sich.

Still ruhte der See, denn der Wind schwieg an diesem goldenen Tag in Lillehammer. Das war schon mal nicht schlecht, sagt Mark Kirchner, für den die Spiele 1994 sowieso toll begonnen hatten, mit einer Eröffnungsfeier, bei der er die deutsche Fahne getragen hatte. Und an jenem Tag kam die Stille dazu, das war ein bisschen so, als hätte ihm schon jemand geflüstert, dass er heute Olympiasieger werden würde, mit der Staffel, zum insgesamt dritten Mal. Ein bisschen muss er sich an der Stelle mal selbst loben. „Gold holt nicht jeder“, was gäbe das auch für ein Gedränge. „Und Fahnenträger bei Olympia, das wird erst recht nicht jeder.“ Kirchner, der Biokraft-Tanker. Auch als Bundestrainer Herren wirkt der Thüringer gern mal so, als ob er gut über den Weltfrieden parlieren könnte, um die lauten Fragen nach den Medaillen beiseitezuschieben, bis der Druck schwindet. Aber oft wollen die Jungen ja selber wissen: Wie werde ich Olympiasieger? Dann zählt er auf: Training, Schlaf, Disziplin, Konzentration. Von allem reichlich. Und Ruhe, die volle Dröhnung Ruhe. Was Kirchner auch sagt: „Es gibt Gold nicht auf Rezept.“ Selbstvertrauen muss man halt mitbringen, oft macht das den Unterschied. Damals, zu seiner aktiven olympischen Zeit, rief er immer seinen Plan auf. Nichts Besonderes, das genau nicht; es war der Standardplan, alles wie immer. Begonnen beim ruhigen Bierchen am Abend davor.


Salt Lake City und die gemischten Gefühle: Hilde Gerg trug 2002 die Fahne, sportlich hatte sie bei diesen Spielen reichlich Pech

Jochen Behle, Skilanglauf. Keine Olympiamedaille. Fahnenträger 1998 in Nagano Ja, da ist er doch, Behle, Jochen Behle. Verlustig gegangen im tiefen Wald, das fürchtete einst der stilbildende, leider kürzlich verstorbene ZDF-Reporter Bruno Moravetz, rief immer wieder „Wo ist Behle?“ ins Mikro. So wurde der Läufer berühmt und 1998 deutscher Fahnenträger, diesmal einer ohne goldene Vorgeschichte. Aufgetaucht aus Wald und Finsternis wurde er Bundestrainer. „Aber es wurde mir nichts geschenkt.“ Nie hatten sie hier einen besseren, einen erfolgreicheren, Behle wurde großartiger Langlauf-Bundestrainer. Und dann war er plötzlich weg, wirklich plötzlich. Nach zehn Jahren schmiss er hin, so muss man das sagen. Er und seine Athleten, was hatten sie nicht geschafft: Gold in Vancouver für Evi Sachenbacher und Claudia Nystad, die Männer holten viermal den Gesamtweltcup, die ganze Sportart schien wiederbelebt. Aber irgendwann wollten die Kollegen vom Biathlon auch schnelle Langläufer, und vor allem wollten die Langläufer selbst nicht mehr vereint trainieren. Behle, impulsive Seele, kritischer Geist, war anderer Meinung als Verband und Athleten, sprach von verlorenem Vertrauen und Abnutzung und ging. Er arbeitet mit dem Nachwuchs, führt eine Stiftung zugunsten von Kindern unter der Armutsgrenze. Manchmal fragt jemand: Wie bitte geht’s zum Gold? Dann zählt Behle auf: „Ehrgeiz, Wille, Talent, Ehrlichkeit und ein gutes Umfeld.“ Und den richtigen Trainer, möchte man anfügen.


44 [ Darsteller ] Faktor Sport Hilde Gerg, Ski alpin. Gold 1998. Fahnenträgerin 2002 in Salt Lake City

Kati Wilhelm, Biathlon. Doppelgold 2002, Gold 2006. Fahnenträgerin 2006 in Turin

Nicht jede Karriere verläuft linear, schnurstracks geradeaus. Für Hilde Gerg, zum Beispiel, sollte das Leben immer neue, immer tragischere Fallstricke parat haben. Auf und ab, auf und ab, auf der Piste und abseits davon. Sie holte Slalomgold in Nagano, ihr Trainer war Wolfgang Graßl. Als die beiden auch privat gemeinsame Sache machten, erfuhr die Gerg schmerzhaft, was Bruch im Team und Stutenbiss bedeuten. Er: Rücktritt. Sie: immer weiter, immer weiter. Beide: Hochzeit, Anna und Wolfgang, die Kinder. Ihre Welt war, wie sie sein sollte, auch ohne den Sport, den sie 2005, nach dem zweiten Kreuzbandriss, aufgab. Aber dann, 2010, wurde ihr Wolfgang mit Aortariss tot im Auto gefunden, was für eine Tragödie. Von da an war nichts mehr klar, verschoben sich alle Maßstäbe. Sie sagt nicht viel, „für mich war die Zeit stehen geblieben“. Alles ist relativ. Nach dem größten Triumph befragt, nennt Hilde Gerg „den ersten Abfahrtssieg nach meinem Unterschenkelbruch“. Nicht etwa Olympia, keine Rede von dem Tag 1998, an dem sie Gold holte, sie hat ihn fast vergessen. Wie so vieles in den letzten Jahren, in denen auch ihr Cousin starb, bei einem Silvesterunfall. Den Kindern gilt ihre Liebe, ihre Zuversicht. Wer so viel erlitten hat, der weiß, welche Gedanken seine Freunde sind. Über Wolfgang sagt sie: „Seine Zeit war einfach abgelaufen.“

Ein pralles Leben. Und nicht eben unauffällig, das Schunkellied kriecht ins Ohr: „Sie hat die Haare schön!“ Schön rot, dazu dieses Dauerlachen – doch, doch, Kati Wilhelm ist eine Persönlichkeit und, da waren sich 2006 alle einig, eine ideale Besetzung des Fahnenträger-Jobs. Man kannte sie, mochte sie, unabhängig vom Erfolg, da blieben ja das Lachen und die Frisur, manchmal wirkte es, als habe der Sport nichts zu bestellen gegen das Rot, gut so: „Sonst erkennt mich ja keiner mehr.“ Weil sie reden kann, klug, schön und erfolgreich ist, wird sie auch als Ex-Athletin häufig zu Vorträgen gebeten, am liebsten erzählt sie dann von Olympia, das so anders ist als all die anderen Wettbewerbe. „Nichts reicht an die Spiele heran, als Sportler würde ich immer wieder alles daransetzen, dabei zu sein.“ Dass sie es dreimal geschafft hat (1998 noch als Langläuferin) und so oft so weit vorn landete, in Salt Lake City sogar zweimal ganz vorn, macht sie dankbar. „An jeder Medaille haben so viele Menschen einen Anteil, die Trainer, die Physios, der Freund, die Familie. Ich bin in dieser Kette nur zufällig diejenige, die dieses Goldstück um den Hals hängen hat.“ Das soll jeder wissen, der nach oben will, alleine bist du nichts, in einem guten Team kannst du alles sein. Sie war und ist vieles, Abiturientin, Hauptfeldwebel bei der Bundeswehr, Studentin in International Management, Mitglied der Bundesversammlung zur Wahl des Bundespräsidenten, bald zweifache Mutter, Co-Moderatorin im Fernsehen. Das alles, sagt sie, „kannst du nur schaffen, wenn du zuverlässig bist, ehrlich, fleißig und ein charakterstarker Mensch.“

„Nichts reicht an die Spiele heran, als Sportler würde ich immer wieder alles daransetzen, dabei zu sein“

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Kati Wilhelm


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 45 André Lange, Bob. Gold 2002 und 2010, Doppelgold 2006. Fahnenträger 2010 in Vancouver Der Thüringer an sich gilt als gesellig, witzig und trinkfest. So gesehen ist André Lange ein würdiger Vertreter seiner Heimat, eine ganze, ereignisreiche und erfolgreiche Karriere lang. Wenn der Bobfahrer auf Medaillenjagd ging, war er kaum zu überhören, zu übersehen ohnehin nicht. Dreimal Gold hatte er schon in der Tasche, angefangen 2002 in Salt Lake City, ehe es Richtung Vancouver ging. Oben, in Whistler, zum Ende der Karriere, kam dann noch eins dazu, diesmal im Zweierbob. Er hatte ja immer beides drauf, auch den dicken Vierer-Schlitten schob er immer mit dieser fast unverschämten äußerlichen Ruhe an den Start, um ihn genauso durch die Eisbahn zu steuern. Die Ruhe des jetzt und auch schon vorher voll auf diesen Moment Konzentrierten, der alles getan hatte, was zu tun gewesen war, nach der Devise „Arbeit, Arbeit, Arbeit“ von Anfang an. Wobei er hart, aber fröhlich gearbeitet hat, und hinterher genauso gefeiert. Er lacht. Ein jeder müsse seinen Weg alleine bestimmen, die deutliche Ansprache gehört bei ihm dazu, drum herumreden sollen andere. „Ein geiler Lohn für die Schufterei und die Entbehrungen“, sei das Gold, vom ersten bis zum letzten, und das Fahnetragen sowieso, das hat ihn stolz gemacht. Und damit das auch keinem verborgen blieb, begab es sich, dass die deutsche Delegation bei den Olympischen Spielen in Vancouver einem Vorläufer mit wasserstoffblond gefärbten Haaren folgte.

Der große Wasserstoffblonde mit den schwarzen Schuhen: André Lange führt die Deutsche Olympiamannschaft 2010 an


46 [ Darsteller Spiegelbild] ]Faktor FaktorSport Sport

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er zur Peter Anger eilt Biathlet 84 fit 19 ut O en n el te rspi ün-weiß-ro hen Winte n Olympisc sicher: Im gr ss de i hu be sc d er Stil- un Kilomet lle über zehn Silbermedai

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E


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 47

Telekom für Deutschland.

Eine Spendenaktion der Deutschen Sporthilfe.

Telekom für Deutschland Deutschlands Sportlerinnen und Sportler begeistern mit ihren Erfolgen. Unterstützen auch Sie die deutschen Nachwuchs- und Spitzenathleten im Trainingsalltag und bei Wettkämpfen und tragen Sie mit dazu bei, dass wir uns gemeinsam über zahlreiche Erfolge freuen dürfen. Weitere Informationen unter www.sporthilfe.de


48 [ Backstage ] Faktor Sport

e i d r e b Ü g n u s s Verme t i e Z r de

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Herr Hürzeler, Omega präsentiert zu den Spielen meist technische Innovationen. Was dürfen wir in Sotschi erwarten? Weiterentwicklungen gibt es vor allem in der visuellen Darstellung der Zeitdaten. Beim Eisschnelllauf werden wir eine Linie einblenden können, die zeigt, wo sich der bislang Schnellste nach Ablauf der jeweils aktuellen Sekundenzahl befunden hat – man sieht also, wie ein Läufer der bisherigen Bestzeit hinterherfährt oder sie hinter sich lässt. Die Zeitnahme bei den Spielen ist mittlerweile extrem ausgedehnt. Ständig werden individuelle Zeiten der Teilnehmer, Zwischenzeiten, Vergleichszeiten oder bisherige Rekordzeiten eingeblendet. Fürchten Sie nicht, dass Olympia zum Zahlenwerk mutiert? Nein. Natürlich darf man es nicht übertreiben. Aber Sie müssen auch sehen, dass viele Sportarten für die Fernsehzuschauer sehr langweilig sein würden, wenn es keine Zwischen- oder Vergleichszeiten gäbe. Die Daten sorgen vor allem bei Ausdauerdisziplinen erst für die richtige Dramatik. Und die Athleten und Trainer sind dankbar. Für sie kann es nicht genug Daten geben. Die allermeisten Messungen sind heute computerisiert. Wo wird in Sotschi das menschliche Auge noch eine Rolle spielen? Beim Start im Eisschnelllauf. Hier ist es bislang nicht möglich, den Startzeitpunkt der einzelnen Läufer automatisch zu erfas-

menschlichem Ermessen. Als oberster Zeitnehmer bei internationalen Wettkämpfen haben Sie Zugriff auf alle Daten. Verraten Sie uns ein Geheimnis: Die beiden Franzosen Jérémy Stravius und Camille Lacourt haben sich 2011 den Weltmeistertitel über 100 Meter Rücken geteilt – für beide wurden 52,76 Sekunden ausgewiesen. Wer von den beiden hat – bei mikroskopischer Betrachtung – als Erster angeschlagen? Das weiß ich nicht. Warum nicht? Omega kann doch problemlos nicht nur Hundertstel-, sondern auch Tausendstel- und mittlerweile sogar Millionstelsekunden messen. Das haben wir in Schanghai aber nicht getan. Wir messen das, was vom Organisationskomitee gewünscht und von den Statuten vorgegeben wird. Und das sind in diesem Fall Hundertstel, zwei Stellen nach dem Komma. Genauere Daten gibt es nicht – auch wenn mich vor allem die französische Presse bestürmt hat, den „eigentlichen“ Sieger zu verraten. Wieso konnten Sie eine solche Aussage dann 1984 bei den Olympischen Spielen in Los Angeles treffen? Die Amerikanerinnen Carrie Steinseifer und Nancy Hogshead schwammen die 100 Meter Freistil in 55,92 Sekunden und bekamen beide Gold. Es wurde aber bekannt, dass Steinseifer bei einer Tausendstel-Messung vorn gelegen hätte. Und genau diese öffentlichen Diskussionen will man nicht mehr. Daher wird heute nur so genau gemessen, wie auch gewertet wird.

Credit: picture-alliance, Omega

Intervie


Faktor Sport [ Backstage ] 49

auf der kunden ertstelse d n ren-Exu h H U : n n De hrzehnte Ja it se – Spur eler ter Hürz perte Pe

Wo finden Sie denn feinere Messungen sinnvoll? Es kommt immer auf die Geschwindigkeit an, mit der sich Sportler bewegen – und damit auf die zurückgelegte Distanz pro Sekunde. Beim Langlauf wird nur nach Zehnteln gestoppt, in der Formel 1 aber nach Tausendsteln. Zeit und Raum sind immer im Zusammenhang zu sehen.

Was spricht denn dagegen, auf drei Stellen hinter dem Komma zu stoppen? Ein einziges Mal, bei den Spielen 1972 in München, wurde dies im Schwimmen praktiziert. Der Goldmedaillengewinner über 400 Lagen (Gunnar Larsson aus Schweden, die Red.) war genau zwei Tausendstelsekunden schneller als der Zweitplatzierte. Danach rückte man wieder davon ab, weil Tausendstel im Schwimmen zu genau sind. Gerecht wäre eine solche Messung nur, wenn alle Teilnehmer auf derselben Bahn schwimmen würden. Das tun sie nicht, und die Bahnen sind bis zu fünf Millimeter unterschiedlich lang, hier liegt die Toleranzgrenze. Eine Tausendstelsekunde entspricht beim Schwimmen aber einer Länge von lediglich rund 1,7 Millimetern. Also ist sie als Zeiteinheit zu genau. Ausrichter und Öffentlichkeit wollen aber eindeutige Sieger. Ja, was aber teilweise zu problematischen Entscheidungen führt. Nehmen Sie den Triathlon der Damen 2012 in London. Zwei Frauen liefen auf die Hundertstelsekunde gleich schnell. Da die Hundertstel die geltende Währung ist, hätten beide Gold bekommen müssen. Dennoch entschied man sich per Fotofinish für eine der beiden. So etwas ist nicht in Ordnung. Gibt es ein Missverhältnis zwischen der Gerechtigkeit, die eine extrem genaue Zeitnahme ermöglicht, und den Ungerechtigkeiten durch nicht beeinflussbare physikalische Umstände wie Gegenwind, blendende Sonne, Bahnbeschaffenheit? Ja. Diese Ungerechtigkeiten wird man nie komplett beseitigen können. Wir kommen zwar immer ein Stück weiter – etwa indem wir beim Skispringen die Windeffekte in die Weiten einrechnen. Aber eine endgültige Gerechtigkeit wird es nicht geben. Ein Beispiel: Wenn der Eisschnellläufer beim Zieleinlauf die Kufe nicht komplett auf dem Eis hat, sondern ein wenig anhebt, hat er einen minimalen Nachteil. Die Zielantenne misst nämlich die Berührung mit der Ziellinie.

Was waren für Sie die größten Meilensteine in puncto Zeitnahme? Als Quantensprung gilt das Jahr 1962, als wir erstmals bei TVLive-Übertragungen die Zeiten einblenden konnten. Seit den Spielen 2004 in Athen ist es zudem möglich, den Zielfilm in der Leichtathletik direkt im Fernsehen zu zeigen. Beim Schwimmen war die Einführung der Zeitmessung über die automatischen Anschlagmatten in Mexiko 1968 sehr bedeutsam. Ist Olympia ein Techniktreiber? Ja. Wir planen immer von Olympia zu Olympia. Allerdings dauert es eine gewisse Zeit, bis eine Innovation wirklich bei Wettkämpfen eingesetzt wird. Die Verbände sind in dieser Hinsicht sehr langsam. Omega konnte 1948 bereits die vollelektronische Messung der Spiele anbieten, Realität wurde sie aber erst 1968 in Mexiko. Was wir einsetzen, entscheidet sich immer erst kurz vor den Spielen. Omega betreibt für Olympia einen großen Aufwand. Dieser wird zum größten Teil vom IOC getragen, trotzdem bleiben millionenschwere Kosten für den Konzern. Lohnt sich der Aufwand? Diese Frage war in den 80er-Jahren auch intern umstritten. Doch Nicolas Hayek, der Gründer des Swatch-Konzerns, setzte sich damals durch. Er bestand darauf, das Engagement bei internationalen Sportwettkämpfen weiterzuführen. Es geht Omega um den Imageeffekt. Interessiert sich die Öffentlichkeit überhaupt für das Thema Zeitmessung? Ein großer Teil der Zuschauer weiß, dass Omega für die Messung zuständig ist. Aber es ist wie bei so vielen Dingen: Das Thema interessiert vor allem dann, wenn etwas schiefläuft. Haben Sie im Laufe Ihrer Tätigkeit etwas Neues über Zeit gelernt? Vor allem eines: dass Zeit von jedem anders erlebt wird. Zeit ist relativ. Wie sagte Maurice Chevalier: „Eine schöne Uhr zeigt die Zeit. Eine schöne Frau lässt sie vergessen.“ ]


50 [ Requisite ] Faktor Sport

Dress for Success

1952

Olympia ist nicht allein eine Leistungsschau, sondern auch eine der Mode. Seit vielen Jahren pflegen Partner wie Adidas, Bogner und Sioux enge Bande mit der Deutschen Olympiamannschaft – und mittlerweile auch mit dem Pendant aus dem paralympischen Bereich. Schon 1928 in Amsterdam trugen Athleten Spezialschuhe aus der Werkstatt von Adi Dassler, acht Jahre später in Garmisch-Partenkirchen sorgte Bogner erstmals für das MannschaftsOutfit und Sioux machte 1972 in Sapporo Bekanntschaft mit den Ringen. Ein (nicht ganz vollständiger) Rückblick auf Mode, Medaillen und olympische Märchen.

oslo Elegant und gleichzeitig dezent präsentiert sich ein gut gelauntes deutsches Damenteam. Deutschland darf erstmals nach dem Krieg wieder an Spielen teilnehmen – und stellt eine Gold-Gewinnerin: Die legendäre, nie bezwungene Ria Baran gewinnt mit Paul Falk im Eiskunstlauf. Danach ruft Holiday on Ice.

Text: Klaus Janke

1968

1972

grenoble Jetzt sind Streifen gefragt, unter anderem von Angelika Dünhaupt-Duballa, Bronze-Gewinnerin im Rodel-Einsitzer, und Kombinationsfahrer Ludwig „Luggi“ Leitner. Für den Goldmedaillengewinner von Innsbruck reicht es diesmal nur für Platz fünf. Dafür darf er ein Jahr später Bond-Darsteller George Lazenby „Im Geheimdienst Ihrer Majestät“ doubeln.

Sapporo Bei Disziplinen wie Bobfahren kann die richtige Kleidung für den entscheidenden Vorsprung sorgen. Im Zweierbob setzen sich Wolfgang Zimmerer (l.) – der Onkel von Maria Höfl-Riesch – und Peter Utzschneider für das deutsche Team durch. In Sapporo hat Schuh-Ausstatter Sioux seinen ersten Olympia-Auftritt.


Faktor Sport [ Requisite] 51

1960

1964

Squaw Valley Mehr Funktionalität, mehr Farbe – so sieht die Kleidung von GoldGewinnern wie Heidi Biebl (Abfahrtslauf) und Georg Thoma (Nordische Kombination) nun aus. Bogner, seit 1936 Ausstatter, steuert nicht nur Outfits bei. Willy Bogner junior, Firmenchef in spe, fährt im Slalom mit – und verpasst im zweiten Lauf die große Gold-Chance.

1976

Innsbruck Zum dritten und letzten Mal bei Winterspielen zieht ein gesamtdeutsches Team aus Athleten der Bundesrepublik und der DDR ein – angeführt von Fahnenträger Georg Thoma. Die Ausstattung wird brüderlich geteilt: Die Sportler tragen Mäntel aus dem Westen, die Mützen kommen aus volkseigener Produktion.

1980

Innsbruck Ganz in Weiß ziehen die deutschen Damen ein, in Kontrast zu den schwarz gewandeten Herren. Verbindendes Element: der rote Schal. Der Sportanzug hängt noch heute bei Rosi Mittermaier im Schrank, die nach den Spielen nur noch „Gold-Rosi“ heißt: Gold in der Abfahrt, Gold im Slalom und Silber im Riesenslalom.

Lake Placid Die stilbewussten 80er beginnen: Irene Epple, Silber-Gewinnerin im Riesenslalom, präsentiert sich als „Lady in Red“, und AbfahrtSpezialist Michael Veith beweist, dass man zum taubenblauen Skianzug durchaus ein graues, mit Längsstreifen aufgepepptes CasualJackett tragen kann. Anything goes.


52 [ Requisite ] Faktor Sport

1984

1988

Calgary Selbst die Ohren verhüllen einige deutsche Sportler beim Einzug im McMahon Stadium. Man hätte wissen können, dass es im Februar extrem kalt in der kanadischen Stadt ist. Den Temperaturen trotzt unter anderem Katarina Witt, allerdings in der Halle. Sie wird nach Sarajevo zum zweiten Mal die Queen des Eiskunstlaufs.

Sarajevo Im Erscheinungsjahr des Filmklassikers „Ghostbusters“ treten auch die deutschen Wintersportler im futuristischen Dress auf – wie bereit für waghalsige Einsätze. Helfen tut das nicht: Das deutsche Team landet nur zweimal ganz vorn – durch Biathlet Peter Angerer (siehe S. 46) und das Rodelduo Hans Stanggassinger und Franz Wembacher.

2010

Turin Tradition trifft Moderne: Der Biathlet Sven Fischer peppt seine Funktionskleidung mit Edelweißmotiven auf. Dazu passt das Gold am roten Band für den Sieg im 10-KilometerSprint perfekt. Wer so viel Sinn für Optik hat, der muss zum Fernsehen. Fischer tritt 2007 als Co-Moderator beim ZDF an.

Vancouver Auf eine Stippvisite ins Deutsche Haus kommt Eishockey-Legende Wayne Gretzky, auch bekannt als „The Great One“. Da ihm die weißen Trainingsjacken des deutschen Teams so gut gefallen, freut er sich natürlich, dass er eine abstauben kann. Gern geschehen, Wayne.

Credit: picture-alliance, Bogner

2006


Faktor Sport [ Requisite] 53

1992

1998

Nagano Ein Biathlet hat viel zu schleppen: Deshalb schwört Mark Kirchner (l.), aufgrund seiner Leistungen auch „der Außerirdische“ genannt, auf die geräumige Sporttasche von Adidas. Weil Edelmetall fehlt, wird sie auch auf dem Rückflug aus Japan nicht bis zum Äußersten strapaziert, so wenig wie beim Nordischen Kombinierer Jens Deimel (r.).

Albertville Bobfahrer Wolfgang Hoppe führt das erste gesamtdeutsche Team nach der Wiedervereinigung als Fahnenträger ins „Theatre des Ceremonies“. Die Athleten ziehen sich mit Pelzkragen und Kappen warm an, müssen sie aber nicht: Die Konkurrenz ist zahm, die meisten Medaillen gehen nach Deutschland.

2014

Sotschi Ohne Zweifel wissen die Sportler selbst am besten, was eine gute Mütze ausmacht. Deshalb hat Biathletin und Hobby-Strickerin Magdalena Neuner (l.) für Sotschi gleich selbst eine Linie für Adidas entworfen. Paralympionikin Andrea Rothfuß besitzt bereits eine Neuner-Modell – und macht damit eine gute Figur.

„An der Farbe lässt sich die Sinnesweise, an dem Schnitt die Lebensweise des Menschen erkennen“ Johann Wolfgang von Goethe


Credit: picture-alliance

Die perfekte

Piz Nair: steilster

Russian Trampolin

70 m

ellste Abfahrt 160

e: weitester Sprung

Lauberhorn: schn

ster Sprung 80 m

Linie Mausefalle: weite

km/h

Start 100 % Gef채lle

54 [ B체hne ] Faktor Sport


Faktor Sport [ Bühne ] 55

Es ist die spektakulärste Disziplin des Skisports: die Abfahrt. In Sotschi haben die Organisatoren eine gänzlich neue Piste in den Berg gehauen. Das legt die Frage nahe, wie der ideale Hang eigentlich aussieht. Erkundungen unter den Klassikern der Szene. Text: Johannes Schweikle

V

or ein paar Jahren flog Bernhard Russi über einen Urwald im Kaukasus. Das Gebirge war unberührt und wild, der riesige Hubschrauber fand keinen Platz zum Landen. Also sprang Russi aus ein paar Metern Höhe ab. Mit Landkarte, Kompass und Taschenlampe kämpfte er sich durch Nebel und Gestrüpp den Berg hinunter. Im Unterholz machte Russi Notizen. Dann rückten die Holzfäller an, später kamen die Bagger. Aus den Schneisen im Urwald wurde die 3,5 Kilometer lange Piste „Rosa Chutor“. Dort werden die Abfahrer im Februar um olympische Medaillen kämpfen. Bernhard Russi ist 65 Jahre alt und stammt aus der Schweiz. 1972 gewann er das olympische Abfahrtsrennen von Sapporo, vier Jahre später holte er in Innsbruck Silber hinter Franz Klammer. Mitte der 80er-Jahre wechselte er auf die andere Seite des Fangzauns. Seither entwirft der gelernte Bauzeichner an den Bergen dieser Welt neue Pisten für die schnellste Disziplin des Skisports. Was also braucht es für eine gute Abfahrt?

Von null auf 130 Als St. Moritz den Zuschlag für die Skiweltmeisterschaften 2003 erhielt, war klar: Die eher langweilige Strecke am Piz Nair musste spektakulärer werden. Klar war auch, dass die Baggerfahrer im Engadin nicht so hemmungslos wühlen durften wie im Kaukasus. Also ließ Bernhard Russi eine schlichte Stahltreppe mit 187 Stufen bauen, die von der Bergbahn hinauf zum Starthaus führt, und der Superlativ war fast schon fertig: der steilste Start aller Abfahrtspisten. 100 Prozent Gefälle, in sieben Sekunden beschleunigen die Skifahrer von null auf 130 Stundenkilometer. „Ich hatte am Start die Hosen gestrichen voll“, gibt der Österreicher Rainer Schönfelder zu. Er ist gelernter Slalomfahrer, und in solchen Fällen lästern die gelernten Abfahrer gern über die Kollegen, die halt langsam um viele Stangen kurven. Doch der Pistenbauer Bernhard Russi nimmt ihn vor der Häme der Tempobolzer in Schutz. „Beim Blick aus dem Starthaus muss man schlucken“, sagt Russi, „das ist wie der erste Kopfsprung vom Fünfmeterbrett.“

Die Mausefalle Trotz aller Erdbewegungen, die Bernhard Russi auf verschiedenen Kontinenten veranlasst, ist das Hahnenkammrennen in Kitzbühel immer noch die spektakulärste Abfahrt der Welt. 1931 wurde dieser Klassiker zum ersten Mal ausgetragen, seither ist die Mausefalle

zum Inbegriff einer Mutprobe geworden. Kurz nach dem Start, wenn die Läufer auf Tempo gekommen sind, springen sie über eine Kante ins Nichts. Auch für die Helfer, die sich mit Steigeisen an den Stiefeln fest an den Streckenrand krallen, ist der Tiefblick ins Tal beeindruckend: Weit unten liegt Kitzbühel, links ragen die Felswände des Wilden Kaisergebirges in den Himmel. Die Sprünge an der Mausefalle gehen 80 Meter weit, und selbst die Hasardeure des Skisports müssen sich auf diesem Flug gewaltig zusammenreißen. Wenn alles gut geht, schwärmen sie hinterher von der Überwindung, die es für ihre Disziplin braucht. Und der Schnellste der Mutigen bekommt ein schwebendes Denkmal: Sein Name wird auf einer Gondel der Hahnenkammbahn verewigt.

Reine Schikane Das Lauberhorn steht im Berner Oberland, genauer gesagt bei Wengen. Fürs Fernsehen liefert es die perfekten Bilder: Die Abfahrer rasen vor dem Hintergrund von Eiger, Mönch und Jungfrau ins Tal. Und sie sorgen verlässlich für zwei Superlative, die sich eigentlich zu widersprechen scheinen. Auf dieser klassischen Strecke sind sie am schnellsten unterwegs – die Höchstgeschwindigkeiten liegen bei knapp 160 Stundenkilometern. Gleichzeitig müssen die Athleten hier die größte Ausdauer beweisen. Die Strecke ist 4,5 Kilometer lang, länger als alle anderen Abfahrten. In der Regel brauchen die Schnellsten um die zweieinhalb Minuten. Lange Gleitstücke wechseln sich ab mit bizarren Schikanen. An einer Stelle führt die Strecke durch einen schmalen, niedrigen Tunnel, der die Schienen der altehrwürdigen Zahnradbahn unterquert. Kurz vor diesem Nadelöhr ist der Schweizer Bruno Kernen brutal ins Fangnetz geknallt, seither heißt diese Passage „Kernen-S“. Wer es schafft, muss noch durchs „ÖsterreicherLoch“. Hier haben die Wellen in der Piste unter anderem Toni Sailer abgeworfen.

Russian Trampoline So heißt einer der großen Sprünge, die Bernhard Russi in die Piste von Sotschi eingebaut hat. Bislang wurde sie erst einmal in einem Weltcuprennen getestet. Vor dem Start war der Pistenbauer nervös. „Ich hoffe, dass nicht hirnlos auf die Sprünge zugefahren wird“, sagte Russi. Die Abfahrer flogen 70 Meter weit. Das Trampolin warf keinen böse ab. Aber das war nicht jedem recht. Nach dem Rennen beschwerte sich der Amerikaner Bode Miller über zu viele Tore auf der Piste. Sie nähmen das Tempo und das Risiko und somit die Würze aus der Abfahrt. „Keiner stürzt“, motzte Miller, „so nimmt man dem Sport das Herz.“ ]


56 [ Backstage ] Faktor Sport

Wider den Widerstand Olympische Spiele. Für das FES in Berlin bedeutet das einen langen Wettlauf mit der Zeit. Vor Sotschi haben die Techniker zwei Jahre an den neuen Bobs „208“ und „408“ gefeilt. Auch in der letzten Phase vor den Spielen f liegt der Staub und fallen die Späne – nur feiner. Text: Frank Heike

Fehlt da einer? Die Bobfahrer Francesco Friedrich und der abgetauchte Partner Alexander Mann testen ihr neues Arbeitsgerät im Windkanal

I

m Allerheiligsten des deutschen Sports sitzt jeder Handgriff. Ein Mitarbeiter im Blaumann laminiert eine vordere Bobhaube, Schicht auf Schicht verklebt er konzentriert mit Harz; er behandelt das Gerät wie eine Kostbarkeit. Ein Radio dudelt, übertönt das Rauschen der Lüftung. Seine junge Kollegin im T-Shirt, warm genug ist es hier, schmirgelt ein paar Tische weiter an einem Stück Rodel, pinselt die Späne vom Tisch. Weiter geht’s. Es sind Schlitten, die bei Weltcups fuhren und ausgebessert werden. Und zwar in Handarbeit, schließlich ist dies das Berliner Institut für die Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES). Wer ihm und seinen Mitarbeitern auf die Finger schaut, bekommt auch als Techniklaie eine Vorstellung davon, woher der gute Ruf deutscher Ingenieurskunst rührt. Erst recht, wenn er dafür diese Phase wählt, die der Vorbereitung auf Olympische (Winter-)Spiele. Es ist ein Wettbewerb der Nationen, in dem sich das FES behauptet. Ein Wettbewerb um kostbare Kleinigkeiten, um techni-

sche Details und zeitliche Winzigkeiten, die im Medaillenkampf entscheiden können – und es in der Vergangenheit oft zugunsten der Deutschen taten. Das FES genießt einen glänzenden, ja sagenumwobenen Ruf. Die von Oberschöneweide ausgelieferten Geräte haben deutschen Sportlern seit 1962 zu einer Flut von Medaillen verholfen. Die Ehrentafel der Sieger unten im Gebäudeflur ist fünf Meter breit und anderthalb Meter hoch, bald wird sie zu klein sein. An den Aufgängen hängen zig Bilder, auf denen Anni Friesinger, Sandra Kiriasis oder Birgit Fischer den FESTechnikern danken: „In jeder kniffligen Situation ist auf euch Verlass“, haben Ruderinnen draufgeschrieben. Der technisch aufwendige Bobsport ist ein gutes Beispiel zu zeigen, woher der Ruf und der Ruhm des FES rühren. Im Raum neben dem Radio lagern Kufen in einer Holzkiste. Schwere Stahlschienen sind das, an den Enden leicht gebogen. Sie werden einmal einen deutschen Viererbob tragen. Aber nicht so. Vor der Montage stehen drei Tage der Verfeinerung. Erst wird die Kufe


Faktor Sport [ Backstage ] 57

Abholen, ausprobieren Zwei Städte, Leipzig und Berlin, zwei Institute, IAT und FES; dazwischen ein enger Austausch, um die Entwicklung von Sportgeräten und deren Einsatz durch die Athleten optimal aufeinander abzustimmen. Eric Frenzel eignet sich sehr gut als Werbefigur. „Ohne die Arbeit von IAT und FES wäre ich nicht da, wo ich jetzt bin“, sagt der 25 Jahre alte Athlet aus Annaberg-Buchholz. Nach seiner Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Vancouver will Frenzel in der Nordischen Kombination am 12. Februar 2014 zwei Plätze höher klettern. Im Vertrauen auf sich, auf andere und auf das bewährte Zusammenspiel zweier Institute. Seit Wochen arbeitet das Leipziger Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) daran, das optimale Tempo Frenzels für den Absprung zu errechnen. In Berlin-Oberschöneweide feilen die Ingenieure und Techniker des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) an seiner Bindung, dem Stück zwischen Stiefel und Ski. Eine ganz alltägliche Zusammenarbeit der beiden Einrichtungen des deutschen Spitzensports, die rechtlich vom gemeinsamen Trägerverein IAT/FES e. V. des DOSB getragen und aus Mitteln des Bundesinnenministeriums finanziert werden. Trotz der räumlichen Entfernung sind sie eng genug miteinander verzahnt, dass ihr Arbeiten ineinandergreift: In Berlin bekommen die Sportler ihr Gerät. In Leipzig wird ihnen gezeigt, wie sie es am aussichtsreichsten einsetzen. Seit 1992 wirken am IAT vor allem Sportwissenschaftler und Sportmediziner daran, die Leistungsmöglichkeiten deutscher Athleten durch bestes Training und beste Wettkampfbegleitung auszuschöpfen. Die Zusammenarbeit mit den Olympiastützpunkten ist eng. Das IAT unter der Leitung von Professor Arndt Pfützner unterstützt mit seinen über 100 Mitarbeitern etwa 1000 Sportler und ihre Trainer in 18 Sommer- und sechs Wintersportarten. Oft geht es um Biomechanik, also um möglichst ideale Bewegungsabläufe. Das FES existiert inklusive seiner Vorgängerformen seit 1962. Hier werden modernste Geräte für die Sportarten Rad, Kanu, Rudern, Leichtathletik, Bob, Rodeln, Skeleton, Ski, Segeln, Eisschnelllauf, Schießen, Schwimmen, Triathlon und paralympisches Segeln entwickelt. Vor allem durch den Bobund Rodelbau ist das FES unter der Leitung von Harald Schaale bekannt geworden. fei

von einer CNC-Fräse vollautomatisch gefräst, immer wieder, immer feiner, beäugt vom zuständigen Techniker. Der legt am Ende selbst Hand an und feilt und schmirgelt, bis der Kufenschwung ihn befriedigt. Das nennt man Feinschliff. 30.000 Euro können Kufen einbringen, auf denen jemand Weltmeister wurde. Kostbare Kleinigkeiten. Der Wettbewerb ist hart und regt immer wieder Debatten an, was legal und legitim ist, man kennt das aus der Formel 1. Der Stahl zum Beispiel: Er kommt aus Schweden, aber das stört Michael Nitsch nicht. Dass er allerdings über die Schweiz vertrieben und dann als Rohling an alle Bobnationen verkauft wird, findet der FES-Projektleiter Bob schlecht. Die Schweizer Piloten sind Konkurrenten der Deutschen. Im Übrigen legt Nitsch Wert auf die Feststellung, dass beim FES alles mit rechten Dingen zugeht. „Von uns ist noch kein Bob wegen eines Regelverstoßes herausgenommen worden. Das könnten wir uns gar nicht leisten als staatliche Einrichtung.“

Der 48 Jahre alte Maschinenbauer mit dem Kinnbart und dem „Eisern-Union“-Schlüsselband arbeitet seit 1992 hier. Ein Ost-Berliner, seine Antworten auf ein paar Grundsatzfragen machen es hörbar. Ist die Konkurrenz härter geworden? Nitsch: „Man kann nicht sagen, die anderen hätten aufgeholt, deshalb sei es schwieriger für uns. Es ist eher so, dass andere Hauruckprojekte machen. Die Italiener hatten für Turin 2006 aufgerüstet, dann weniger gemacht, jetzt haben sie wieder angefangen mit dem Ferrari-Bob. Bei uns läuft es sehr zentral und kontinuierlich. Kontinuität spart Geld. Wir werden auch gefragt: Wie macht ihr das? Nicht die technische Lösung, sondern die Organisation interessiert die Konkurrenten.“ 6,2 Millionen Euro hauptsächlich aus Mitteln des Bundesinnenministeriums beträgt das Budget des FES in diesem Jahr. Die knapp 70 Mitarbeiter des Instituts betreuen 13 Sportarten. In-

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58 [ Backstage ] Faktor Sport genieure, Physiker, Bootsbauer, Elektroniker und Werkzeugmacher arbeiten hier. Die Verwaltung besteht nur aus fünf Personen. Bei allen neidischen Vergleichen aus Österreich, Kanada, der Schweiz oder den USA sind Kopierversuche der Organisationsform bislang gescheitert. Wird von FES-Technik abgekupfert? Nitsch: „Unsere Geräte werden bei Weltcups und Titelkämpfen ständig offen transportiert. Da kann jeder draufschauen. Aber wir können nur vermuten, ob jemand etwas abschaut und nachbaut. Allerdings haben wir bei fremden Bobs in letzter Zeit unseren angeschärften oberen Haubenkiel gesehen oder die Kontur unserer vorderen Abweiser.“ Gab es Abwerbeversuche bei Ihren Kollegen? Nitsch: „Nein. Hier ist personalmäßig kein Abfluss, die Leute gehen bei uns in Rente. Das ist auch eine Stärke.“ Hektik ist in dem viergeschossigen Bau mit Spreeblick nicht zu spüren. Fröhliches Pfeifen klingt mehr als einmal über die lee-

ren Flure. Früher, zu DDR-Zeiten, war hier ein Maschinenhandel, Keilriemen, Kolben, Motoren, so etwas. Heute sind alle Türen verschlossen. Fremde kommen nur herein, wenn sie erwartet werden. Das hat weniger mit Spionage zu tun als mit einigen Einbrüchen vor Jahren. Hier sind die Bobs und Schlitten für Sotschi entstanden. „208“ und „408“ heißt der Stolz der Techniker; sechs „208er“ und drei „408er“ werden zu den Spielen fliegen. Die Flotte ist nagelneu, im Windkanal erprobt und praktisch getestet, unter anderem auf der Olympiabahn. Zum ersten Mal werden alle Gefährte des Bob- und Schlittenverbands für Deutschland (BSD) vom FES kommen; früher stammte öfter mal eines vom Rosenheimer Konkurrenten Singer – André Langes Wechsel in dessen Viererbob sorgte 2008 für Schlagzeilen. Das war nicht gut für das FES, aber beste Werbung für Singer: Für Langes Bob wurden 100.000 Euro geboten. Michael Nitsch sagt: „Für den Verband ist eine so große, gleiche Flotte eine kribblige Sache. Er steht komplett in der Verantwortung, was die Bobs betrifft. Früher hatten die Piloten ver-

Groß aufgefahren: Otto Bock stellt als Serviceprovider des Paralympischen Organisationskomitees zwei Werkstätten und 26 Techniker zur Verfügung

Routiniers des Schnelleingriffs Seit 1988 begleitet das Medizintechnikunternehmen Otto Bock Olympische Spiele. Ein Dienst an den Athleten, nicht nur den deutschen – und ein Akt des Marketings.

Eine EDV-gesteuerte Lagerlogistik soll gewährleisten, dass alle Ersatzteile jederzeit verfügbar sind. Und was nicht ausgetauscht werden kann oder muss, kommt unter das Schweißgerät. An den Schlitten der Sledge-Eishockeyspieler etwa bricht sehr schnell mal etwas, zudem hat das Team „immer viel mit den Rollstühlen zu tun“, wie Herzog sagt. Otto Bock gehört zu jenen Unternehmen, auf die der viel zitierte Begriff des „Partners“ viel besser passt als der des „Sponsors“. Man kann es glauben, wenn Herzog sagt, „dass paralympischer Leistungssport ohne den Werkstattservice vor Ort gar nicht möglich wäre“. Zudem treibt der Medizintechnik-Spezialist die Entwicklung der Geräte voran – nicht nur unter Leistungsgesichtspunkten. In Sotschi etwa kommt eine gerade erst markteingeführte Sportprothese zum Einsatz, die natürlichere und stabilere Bewegung ermöglichen soll als der Monoski. Über einen Entriegelungsmechanismus ist sie schnell zu öffnen. Ein- und Aussteigen, etwa am Lift, wird so komfortabler. Auch abseits der Spiele haben oberschenkelamputierte Snowboarder und Alpin-Skifahrer nun die Auswahl. fei

Credit: picture-alliance

Es werde Hunderte von Reparaturfällen geben, sagt Rüdiger Herzog, und er spricht aus Erfahrung. Der Sprecher von Otto Bock hat seit 2004 alle Paralympics erlebt, er weiß, dass in Sotschi zwar nicht so viele Aufgaben anfallen wie bei Olympischen Sommerspielen, aber immer noch reichlich. Das Unternehmen aus dem Eichsfeld hat vom Organisationskomitee wieder den Zuschlag als sogenannter Technischer Serviceprovider erhalten. Nicht nur die deutschen Athleten versorgen die Duderstädter, sondern die aus der ganzen Welt. So wie immer, seit Otto Bock 1988 paralympische Premiere feierte. Bereits am 1. März, eine Woche vor der Eröffnungsfeier, nimmt eine Mannschaft von 26 Orthopädietechnikern die Arbeit in Sotschi auf. Sie leisten in je einer Werkstätte in den beiden Athletendörfern Dienst, aber auch mit einer mobilen Einsatzeinheit an den Rennstrecken. „Wir haben zehn Nationalitäten im Team, damit wir die meisten Athleten in ihrer Muttersprache betreuen können“, sagt Herzog. Fünf russische Techniker stelle die Tochtergesellschaft in Moskau.


Faktor Sport [ Backstage ] 59

Macht Erfolg träge? Nitsch: „Das ist kompliziert. Viel Erfolg bedeutet entspanntes Arbeiten, ansonsten hat man eher Druck. Aber selbst wenn die Geräte gut laufen, muss man innovativ bleiben. Es sind ja immer Wellenbewegungen. 2007/2008 hatten wir im Viererbob den Anschluss an die Weltspitze verpasst. André Lange hat es mit dem Hintern gespürt: Leute, irgendetwas stimmt hier nicht.“

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Wie groß ist der Anteil des Athleten am Erfolg? Nitsch: „Die Komponente Sportler ist hochvariabel. Plus/minus zwei Zehntelsekunden pro Fahrt hat der Pilot in den Händen. Wenn einer viermal schlecht fährt, heißt es gern: Das Material ist schlecht. Wenn alle Rahmenbedingungen und die Leistungen der Sportler gleich wären, gewinnt der mit dem besten Material.“

Das war ein wertvoller Impuls. Im Herbst 2009 hatte das FES wieder einen starken Vierer. 2011 wurde der Potsdamer Manuel Machata darin Weltmeister. Nitsch und seine Leute warten gerade sehnsüchtig auf die Rückmeldung der Crew um den jungen Viererbob-Weltmeister Francesco Friedrich. Er gilt als innovativ und fleißig und ist ehrlich genug, schlechte Fahrten auf seine Kappe zu nehmen. Nitsch über Friedrich: „Der fettet noch mal die Achsen vor der Fahrt, der nimmt das Schmirgelpapier heraus. Andere denken: Was aus Berlin kommt, wird schon schnell sein.“ Es ist der Idealfall von Geben und Nehmen zwischen Ingenieur und Pilot. In der Olympiasaison teilen die Fahrer – per Skype, Telefon oder Mail – ihre Erfahrungen der ersten Weltcups in Übersee mit. Zurück in Berlin, werden die Bobs dann perfektioniert, um beim Höhepunkt das bestmögliche Fahrzeug zu haben. Kurvenlage, Lenkfähigkeit, immer geht es darum, was Nitsch so beschreibt: „Unsere Hauptaufgabe ist es, Widerstand zu vermindern.“ Hinten, in der Halle mit den Kufen, stehen zwei Mitarbeiter an einem Kanu. Es ist ein Prototyp für Rio 2016. Wenn der erste Schnee fällt, hat in Oberschöneweide die Sommersaison längst begonnen. ]

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schiedene, zum Teil selbst gebaute Bobs. Der Verband konnte bei Problemen mit dem Material auf sie verweisen.“ Die enge Zusammenarbeit habe mit André Lange begonnen. Das Thema wirft weitere Fragen auf.

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60 [ Darsteller ] Faktor Sport

Katja Seizinger, ganz locker: im Gespräch wie in der Abfahrtsentscheidung, in der sie einen Tag später, am 19. Februar 1994, Gold holte

„Mensch, was ist denn hier los“

Das Sommermärchen kennen wir, es gibt aber auch eines im Schnee: Wer von unvergleichlichen Olympischen Winterspielen schwärmt, nennt den Namen Lillehammer. Vor 20 Jahren gewann Katja Seizinger dort Abfahrtsgold. Einer Legende auf der Spur.

Nicht viel Gedöns: Auch bei der Abschlussfeier war der Sport ganz bei sich – und in Gedenken an die im Krieg zerstörte bosnische Hauptstadt Sarajevo, in der 1984 die Olympischen Winterspiele stattgefunden hatten (siehe S. 46)

Als ob sie sich für dieses Fest entschuldigen müsste, sagte Aase Kleveland: „So sind wir Norweger doch eigentlich gar nicht.“ Die Kulturministerin hatte Mühe, ihre Landsleute wiederzuerkennen, damals bei den Olympischen Spielen in Lillehammer. Menschen, die als ruhig, in sich gekehrt, eigenbrötlerisch galten, gelang Unerwartetes: aus Olympia 1994 ein Wintermärchen zu machen, von dem Sportler und Besucher bis heute schwärmen. Katja Seizinger tut das auch. Sie war in den 1990er-Jahren eine der weltbesten Skiläuferinnen, gewann 36 Weltcup-Rennen und zwei Mal die Gesamt-Veranstaltung, startete bei den Olympischen Spielen in Albertville, Lillehammer und Nagano und kehrte mit drei Gold- und zwei Bronzemedaillen zurück. In Norwegen ging Seizinger als Top-Favoritin auf die Abfahrt. Sie dominierte die Disziplin seit einigen Wintern, entsprechend gewaltig waren die Erwartungen. Auch an sich selbst: „Ich spürte diese Anspannung. Es war Olympia, und ich wollte natürlich den Sieg. Vier Tage zuvor im Super G war ich ausgeschieden, das machte die Situation nicht gerade einfacher.“ Das bezaubernde Flair, von dem heute noch alle reden, wenn es um das gerade mal 26.000 Einwohner zählende Lillehammer geht, erfasste auch die Athleten. „Als aktiver Sportler ist man sehr auf seinen Wettkampf konzentriert und bekommt von dem ganzen Drumherum meist nur wenig mit. Bei Olympia 1994 war das genauso – und doch anders. Ich kann mich an das Schlussstück auf der Abfahrt erinnern. Es ging die letzten 15 Sekunden fast nur geradeaus und aus den Augenwinkeln habe ich die vielen, vielen Leute an der Strecke wahrgenommen. ,Mensch, was ist denn hier los‘, habe ich gedacht. Mitten im Rennen! So etwas ist mir sonst nie passiert.“

Seizinger ist an diesem 19. Februar 1994 die Schnellste. Sie gewinnt ihr erstes olympisches Gold. Als fast noch überwältigender als die Freude darüber empfindet sie das Erlebnis bei der Siegerehrung. „Bjørn Erlend Dæhlie, der norwegische Superstar im Langlauf, hatte das Verfolgungsrennen für sich entschieden. Er und die anderen Medaillengewinner im Langlauf waren nach uns an der Reihe. Das Publikum, das alle Sportler eine enorme Wertschätzung spüren ließ, war jetzt noch aufgedrehter und begeisterter als sonst. 25.000 glückstrunkene Menschen bei der Siegerehrung – das war sensationell. Selbst mein Trainer Alois Glaner, der schon seit Jahrzehnten dabei war, fand das ,einzigartig‘.“ Was war dieses Einzigartige an Lillehammer? Warum wird dieser Olympia-Ort mit so vielen Superlativen – die spannendsten Wettbewerbe, die tollsten Wettkampfstätten, das herrlichste Wetter, das beste Publikum – überhäuft? „Es hat wirklich alles gepasst. Die Begeisterung der Leute war echt und spontan, zugleich sind sich die Norweger in ihrer typischen Bescheidenheit und Naturverbundenheit treu geblieben. Der Sport, so empfand ich es, war auf das Wesentliche, auf sich selbst reduziert, und zwar im positivsten Sinne.“ Oslo hat sich für die Olympischen Spiele 2022 beworben. Die Hauptstadt Norwegens, gerade mal 180 Kilometer von Lillehammer entfernt. „Klar, es hat auch nach 1994 tolle Olympische Winterspiele gegeben. Über Vancouver zum Beispiel höre ich viel Gutes. Für mich bleibt Lillehammer deshalb ein leuchtendes Beispiel, weil es Sport, Natur und Menschen auf ursprüngliche Weise verbunden hat. Sollte Oslo für 2022 den Zuschlag bekommen, ist für mich die spannendste Frage, ob es den Norwegern noch mal gelingt zu zeigen, dass großer Sport ganz einfach sein kann.“

Credit: picture-alliance

Text: Roland Karle


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 61

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62 [ Backstage ] Faktor Sport Freude auf Schlittschuhen: Die 14-jährige Eiskunstläuferin Yelena Radionowa gehört zu den großen russischen Talenten

Kraft der Vergangenheit Russland hat zu Olympia viel Geld investiert, nicht allein in Infrastruktur, sondern auch in die Talentförderung. Der Nachwuchs allerdings profitiert noch von Trainern sowjetischer Schule, die vor allem aus Liebe zum Sport arbeiten. Text: Stefan Scholl


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lückliche Kinder können langweilig aussehen, vor allem, wenn sie Leistungssport betreiben. Die Flutlichter unter der Hallendecke scheinen auf dem blau umrandeten Eisspiegel wider, darüber schweben drei, vier Mädchengestalten. Sie kurven, kreisen und wirbeln sehr anmutig, kein Zweifel, hier laufen talentierte Kinder Schlittschuh. Aber ihre Gesichter sind ernst und konzentriert, man muss ihre Blicke einfangen, Blicke, die vor Eifer lodern, um zu sehen, wie glücklich Schlittschuhlaufen machen kann.

Faktor Sport [ Backstage ] 63 Das Eis ist makellos, Luftfeuchtigkeit und Temperatur steuert ein Computer, die Mädchen des „Kinder- und Jugendsportzentrums für Wintersportarten der Stadt Sotschi“ üben in einer der hochmodernen Trainingshallen des Olympischen Parks am Schwarzen Meer. Vermutlich wären die Kinder auf einem weniger perfekten Eis genauso glücklich. Aber sie gehören zu der ersten Athleten-Generation, die von der olympischen Infrastruktur profitiert. Man kann die Eisbahnen am Schwarzmeerufer, wo es im Sommer auf 40 Grad hochkocht, als russischen Anachronismus betrachten. Die Kühlaggregate der Schnelllaufarena und des kleineren Hockeystadions sollen nach Olympia in Eishallen anderer Städte montiert werden. „Aber die neuen Übungsbedingungen stimulieren die Kinder“, sagt Trainerin Anastasija Chripkowa. Vorher hätten sie auf einer kleineren, von Hockeyspielern zerfurchten Eisbahn geübt. Verständlich daher ihre Hoffnung, dass die Trainingshallen bleiben. Russlands Elite, seine sportlichen Organisationen, das ist unübersehbar, wol-

len die Welt beeindrucken. Sie hoffen auf die Schubkraft erfolgreicher Spiele. Trotzdem werden die 17 olympischen Tage den russischen Wintersport nicht auf den Kopf stellen. Zumindest das Nachwuchssystem nicht, das vorher schon funktionierte und dessen Pädagogen sich mit wenig Geld zufriedengeben.

Füllhorn für den Sport Was sie aber schätzen, die Pädagogen, ist die Stabilität, die unter Staatschef Wladimir Putin zurückgekehrt ist. Dass Gehälter regelmäßig überwiesen und Geräte, Wettkampfreisen und Trainingslager finanziert werden. Abgesehen von der kräftigen Finanzspritze für die Spiele in Sotschi, steckt die Regierung jährlich (umgerechnet) knapp 4,5 Milliarden Euro in den Sport. Vor elf, zwölf Jahren trampelten sibirische Skilehrer die Skatingpisten für ihre Schützlinge auf breiten Jagdskiern platt, jetzt gibt es wieder Benzin für Motorschlitten. „Auf lokaler Ebene“, sagt Natalja Nitschtschun, Direktorin des „Kinder- und Jugendsportzentrums“, „kehren wir zum sowjetischen System zurück.“ Damals konnten Schüler diese Einrichtungen in der Freizeit besuchen, sich in allen möglichen Disziplinen versuchen und als künftige Leistungssportler empfehlen. Man veranstaltete Schul-, Stadtund Regionalmeisterschaften, aus deren Sieger Gebietsauswahlen formiert wurden. Die stärksten Athleten bildeten die „olympische Reserve“. Parallel dazu teilte man in Leistungskategorien ein: „Wettkämpfer der 3., der 2. oder 1. Kategorie“, „Kandidaten zum Meister des Sportes“ oder „Meister des Sportes“. Jugendliche mit überdurchschnittlichen Ergebnissen wurden in überregionale Sportinternate aufgenommen, danach in die Clubs von Armee, KGB, Eisenbahn oder Gewerkschaften, als „Staatsamateure“, oder genauer: als staatliche Berufssportler. Jetzt arbeiten in Sotschi 16 „Kinderund Jugendsportschulen“, eine davon ist Natalja Nitschtschuns „Kinder- und Jugendsportzentrum“. 14 verschiedene Wintersportarten gehören zum Angebot, das wie zu Sowjetzeiten kostenlos ist. Die Trainer sind meist von sowjetischen Lehrern ausgebildet worden, etwa Anastasija, ehemalige ukrainische Paarlaufmeisterin. So schaffen die Kinder- und Jugendsportschulen wieder die Grundlage der meisten russischen Sportkarrieren. Vier jugendliche Eishockeyspieler hat das Zentrum an das Sportinternat von „Kuban Krasnodar“ abgegeben, einer spielt für den „HC Dimitrow“ bei Moskau.

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64 [ Backstage ] Faktor Sport

Countdown für Olympia: Für einen Einsatz in Sotschi ist der Nachwuchs zu jung, aber die besondere Atmosphäre lässt sich schnuppern

machen andere Gründe die beste Förderung zunichte: Beim Kampf um Nationalmannschaftsplätze kam es zu Intrigen der Regionalverbände, die einige Ausnahmeathletinnen ins sportliche Exil trieben. Darunter Darja Domratschewa, zweimalige Weltmeisterin im Biathlon. Sie startet nun für Weißrussland.

Die Kader entscheiden alles Beim Nachwuchs von Juri Golubjenko, Skisprungtrainer in Gasparjans Nachwuchszentrum, ist indes nichts vom Geldfluss angekommen. Zwar wurden im alpinen Wettkampfort Krasnaja Poljana für insgesamt 270 Millionen Dollar zwei hochmoderne Wettkampfschanzen errichtet – für die Erwachsenen, nicht für die Kleinen. „Vielleicht werden die nach Olympia noch gebaut“, sagt Springertrainer Golubjenko. Und wenn nicht? Dann legt er eben selbst Hand an, so wie vor ein paar Jahren im Badeort Kudepsta am Schwarzen Meer, als er eine 20-Meter-Sommerschanze zimmerte und sie mit DDR-Kunstgrasmatten belegte. Die Lagerreste hatte er aus der 2500 Kilometer entfernten Skisprungmetropole Tschaikowski mit dem Kleinlaster herbeigeschafft. Solche Trainingsanlagen seien wichtig. „Entscheidende Fertigkeiten wie Sprungkraft und Beweglichkeit erlernen Kinder ja auf kleinen Schanzen“, sagt Golubjenko. Die 16-jährige Alina zum Beispiel gehört für die olympischen Springen in Krasnaja Poljana zum erweiterten Kandidatinnenkreis. In den chaotischen 90er-Jahren fuhr Golubjenko Taxi, jetzt verdient er 700 Euro, erfüllt gleichzeitig die Funktionen eines Sportschullehrers sowie eines Trainers des regionalen Nachwuchszentrums. Er gehört zu jenen Pädagogen, die wie zu Sowjetzeiten oftmals nicht wegen des Geldes, sondern für das Glück der Kinder arbeiten. „Manchmal hast du einen Trainer und nichts passiert“, sagt Petros Gasparjan. „Dann fängt ein anderer an, und plötzlich sind Erfolge da.“ Oder wie es einst sehr sowjetisch hieß: „Die Kader entscheiden alles.“ Golubjenko trainiert mehr Mädchen als Jungs. Sie tragen schwarze Springeranzüge und schleppen riesige alte „Germanika“- oder „Fischer“-Ski durchs Unterholz zum Startturm. Oben geht Irma, elf, in die Abfahrtshocke, entschlossen, nicht allein die Schwerkraft, sondern auch die Angst zu überwinden. Tatjana, zwölf, die nächste in der Reihe, lächelt selbstsicher. „Wir“, verkündet sie, „fahren nach Südkorea.“ Die Winterspiele in Pyeongchang beginnen am 7. Februar 2018. ]

Credit: picture-alliance

Andere vielversprechende Talente sind zum „Nachwuchszentrum für Wintersportarten“ der Region Krasnodar gewechselt. Dessen Geschicke leitet Direktor Petros Gasparjan und er glaubt nicht an die Wiedergeburt des sowjetischen Systems. „Das Selektionssystem funktioniert nicht so wie früher, es gibt keine regelmäßigen Meisterschaften mehr auf allen regionalen Ebenen. Sport ist auch in Russland eher Freizeitbeschäftigung. Trotzdem werden wir den Westen überflügeln. Wir können viel Geld in den Sport stecken, dadurch wird das System professioneller werden.“ Diese staatlichen Finanzspritzen haben zur Kräftigung des Sportsystems beigetragen, auch durch Einkauf von Knowhow. Selbst in russischen Domänen wie Langlauf oder Biathlon arbeiten mittlerweile Trainer aus Deutschland, Norwegen oder der Schweiz. Zusätzlich übernehmen Staatskonzerne die Patenschaft über Sportarten, Gazprom etwa sponsert die russischen Biathleten. Manchmal aber


Faktor Sport [ Backstage ] 65

„Die Konzentration halten.“

Jeder hat ein Ziel. Die GlücksSpirale unterstützt den Spitzen- und Breitensport bislang mit mehr als 660 Millionen Euro.

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66 [ Backstage ] Faktor Sport

Markenwerte und Meilensteine Anfang 1894, Aufbruch 1981: Durch kontrollierte Kommerzialisierung hat das IOC die Olympischen Spiele auch wirtschaftlich zum Großereignis gemacht. Text: Roland Karle

Einmarsch Schwarz in Weiß: Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit wurden 1896 im rekonstruierten Olympiastadion der Antike eröffnet, bürgerlicher Name „PanathinaikoStadion“. Dunkel gekleidete Offizielle begrüßten etwa 250 bis 300 ausschließlich männliche Athleten (die Zahlenangaben schwanken) in dem Halbrund aus hellen Tribünen – die nicht marmorn waren wie geplant, sondern hölzern, ein von der knappen Zeit erzwungenes Provisorium

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m kommenden Juni wird das Internationale Olympische Komitee (IOC) 120 Jahre alt. Aus kleinen Anfängen hat sich die Dachorganisation der Olympischen Spiele zu einem globalen Netzwerk entwickelt. Die größte Sportveranstaltung der Welt hat in den vergangenen Jahrzehnten wirtschaftliche Rekorde erzielt – einen nach dem anderen. Dazu beigetragen haben unter anderem die Beschränkung auf einen exklusiven Kreis von Partnern, der konsequente Schutz der Marke „Olympia“ und das strikte Werbeverbot für Athleten. Wesentliche Lokomotive des enormen Umsatzwachstums ist das Fernsehen: Das Spektakel Olympische Spiele fesselt Milliarden Menschen am Bildschirm, und diese Attraktivität als TV-Lagerfeuer lässt seinen Marktwert weiter steigen.


Faktor Sport [ Backstage ] 67

Die Anfänge: Coubertins Initiative Als im Jahr 1896 die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit in Athen stattfanden, wurde damit nicht nur ein Ereignis der Antike wiederbelebt. Den Initiatoren um Baron Pierre de Coubertin ging es um mehr: Der Sport sollte durch seine Völker verbindende Kraft dazu beitragen, nationale Egoismen zu schrumpfen und internationales Miteinander zu stärken. Zwei Jahre zuvor war der Grundstein dafür gelegt worden: Auf dem internationalen Sportkongress an der Sorbonne in Paris entstand das Comité International Olympique (CIO), das sich um die Vorbereitung und Organisation der Spiele kümmern sollte. Das geschah am 23. Juni 1894, der daher als Gründungstag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gilt.

Sieben aus sechzehn: Einige Mitglieder des 1894 gegründeten IOC stellen sich dem Fotografen, darunter der Deutsche Willibald Karl August Gebhardt (l. außen), der französische Impulsgeber Pierre de Coubertin (3. v. r.) und der erste IOC-Präsident Dimitrios Vikelas aus Griechenland (2. v. r.)

Die Struktur: Präsident, Board, Kommissionen, Session Das IOC ist die höchste Instanz der Olympischen Bewegung. Es fungiert als eingetragener Verein nach Schweizer Recht mit Sitz in Lausanne und koordiniert die Zusammenarbeit mit und zwischen den Nationalen Olympischen Komitees (NOK), den Internationalen Sportverbänden (IF), den Athleten, den Organisationskomitees für die Olympischen Spiele (OCOG), den internationalen Wirtschaftspartnern, den Medien und den Organisationen der Vereinten Nationen. Schaltzentrale des IOC ist das 1921 konstituierte Executive Board (EB), bestehend aus dem Präsidenten – seit September Thomas Bach – den Vizepräsidenten (die Marokkanerin Nawal El Moutawakel, der Brite Craig Reedie und der Australier John Coates) und zehn weiteren IOC-Mitgliedern. Das EB wird alle vier Jahre auf einer IOC-Session von den 115 Mitgliedern des Komitees gewählt. Die IOC-Session ist vergleichbar einer Generalversammlung, findet jährlich statt und entscheidet unter anderem darüber, welche der kandidierenden Städte zum Gastgeber von Olympischen Spielen wird. Wichtiger Bestandteil des IOC sind die derzeit 22 Kommissionen, die sich jeweils aus IOC-Mitgliedern sowie externen Experten und Vertretern von Sportorganisationen zusammensetzen. Jede Kommission beschäftigt sich mit Fragen zu einem Thema, zum Beispiel Ethik, Finanzen, Athleten, Medien, Medizin, Olympisches Programm.

Das kantige Heim der Ringe: Das IOC hat sein Hauptquartier in Lausanne, es ist ein eingetragener Verein nach Schweizer Recht

Shakehands, Mr. President: Eisschnellläufer Erhard Keller lässt sich von Avery Brundage zu 500-Meter-Gold bei den Winterspielen 1972 gratulieren – Zeiten der lupenreinen Amateure und leeren IOC-Kassen

Die Entwicklung: Vom Kleinbüro zur Weltfirma Bis in die 1970er-Jahre hinein stand das IOC finanziell auf mageren Beinen. Präsident Avery Brundage erledigte einen Großteil der anfallenden Arbeiten über sein privates Büro in Chicago, während am IOC-Sitz in Lausanne nur eine Halbtagssekretärin und ehrenamtliche Mitarbeiter tätig waren. Die gezielte Vermarktung von Sponsoren- und Medienrechten an den Olympischen Spielen? Unter Brundage war das kein Thema.

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68 [ Backstage ] Faktor Sport

Der Umbruch: Abbau der Amateurschranke

Alles neu macht Baden-Baden: Der vom damaligen Bundespräsident Karl Carstens eröffnete Olympische Kongress von 1981 hebt die Amateurschranke. Die Spiele werden wertvoller, sportlich und kommerziell

Auf dem Olympischen Kongress 1981 in Baden-Baden wurde ein Ende der finanziellen Selbstbeschränkung beschlossen. Zu jener Zeit nahm weltweit die Bereitschaft von Städten ab, sich für die Ausrichtung der Spiele zu bewerben. Der Grund: knappe Kassen, steigende Kosten, geringe Vermarktungserlöse. Dann folgte, was Olympia zum wirtschaftlichen Großereignis machte und die Ausrichtung so attraktiv wie nie: Der damalige IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch beschwor „kommerzielle Ehrlichkeit“. Olympia wurde offensiv und professionell vermarktet, Spitzenfunktionäre und Sportler durften nun richtig Geld verdienen. Zuvor waren die Ansprüche kollidiert: jener, dass die Olympische Bewegung dem Amateurideal folge, mit jenem, dass sich bei Olympischen Spielen die sportlich Besten treffen und messen sollen. Der Mainzer Sportökonom Holger Preuß wertet die Abschaffung des Amateurparagrafen als „richtige und wegweisende Entscheidung“ des IOC. Seither sind die besten Athleten der Welt am Start, „das interessiert die Menschen und damit auch Medien und Sponsoren“. Außerdem attestiert der Olympia-Forscher dem IOC, sehr innovativ zu sein, wenn es darum geht, die Rechte der Partner zu schützen und exklusive Sponsorenpakete anzubieten.

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Begehrte Bilder Umsatz durch den Verkauf von TV-Rechten an Olympischen Spielen seit 1960 Erlöse in Mio. US-Dollar

2569,0

1279,5 831,0

WIntErSPIELE

736,1 352,9

0,1 Squaw Valley 1960

8,5 Sapporo 1972

1739,0

102,7

1494,0 1331,6

Sarajevo 1984

Lillehammer 1994

Salt Lake City 2002

Turin 2006

Vancouver 2010

SOMMErSPIELE

636,1 286,9

1,2 Quelle: IOC

Rom 1960

17,8 München 1972

Los Angeles 1984

Barcelona 1992

Sydney 2000

Athen 2004

Peking 2008

London 2012


Faktor Sport [ Backstage ] 69


70 [ Backstage ] Faktor Sport

Die Sponsoren: Wert der Exklusivität

Er läuft und läuft und läuft: Der Vertrag zwischen Coca-Cola und dem IOC wurde 2008 um sage und schreibe zwölf Jahre verlängert. Der ausdauerndste Olympische Partner fördert die Spiele seit 1928

Wer Partner des IOC ist, sichert sich einen Platz im Olymp der Werbung. Der Preis ist hoch, die Lage in der Sponsorenloge dafür exklusiv. Zehn Unternehmen bilden derzeit „The Olympic Partner (TOP) Programme“: CocaCola, Atos, Dow, General Electric, McDonald’s, Omega, Panasonic, Procter & Gamble, Samsung, Visa. Für die Olympiade 2009 bis 2012 flossen aus diesem Kreis 950 Millionen US-Dollar in die IOC-Kasse. Das ist fast zehn Mal so viel wie vor 24 Jahren, als die damals neun Firmen zusammen 96 Millionen Dollar zahlten. Die Gelder der TOP-Partner machten in diesem Zeitraum rund zwölf Prozent der olympischen Gesamteinnahmen aus (siehe Tabelle). Fast die Hälfte der Erlöse stammt aus der Vermarktung der Medienrechte, während die nationalen Sponsoren aus den Ländern der Gastgeberstädte in der letzten Olympiade knapp 23 Prozent beisteuerten und der Ticketverkauf auf einen Anteil von 15 Prozent kam.

Die Medienrechte: Explosion der Preise

Die bisherigen IOC-Präsidenten 1894 – 1896

Dimitrios Vikelas, Griechenland

1896 – 1916

Pierre de Coubertin, Frankreich

1916 – 1919 Godefroy de Blonay, Schweiz (kommissarisch) 1919 – 1925

Pierre de Coubertin, Frankreich

1925 – 1942

Henri de Baillet-Latour, Belgien

1946 – 1952

Sigfrid Edström, Schweden

1952 – 1972

Avery Brundage, USA

1972 – 1980

Lord Killanin, Irland

1980 – 2001

Juan Antonio Samaranch, Spanien

2001 – 2013

Jacques Rogge, Belgien

Seit 2013

Thomas Bach, Deutschland

Die Geldempfänger: Wer vom Wachstum profitiert Rund 90 Prozent seiner Einnahmen schüttet das IOC an Organisationen der Olympischen Bewegung aus. So landet die Hälfte der Vermarktungseinnahmen aus dem TOP-Programm plus ein Drittel bis ein Viertel der Medienerlöse bei den OCOGs. Die NOKs haben in der Olympiade 2009 bis 2012 zusammen die Rekordsumme von 819 Millionen US-Dollar erhalten. An die 28 internationalen Fachverbände (IFs) der olympischen Sommersportarten 2012 (London) wurden 519 Millionen US-Dollar überwiesen, an die sieben IFs der Winterspiele 2010 (Vancouver) 209 Millionen. ]

Credit: picture-alliance

Strand und kein Schatten: Olympiasieger wie Julius Brink (vorne) und Jonas Reckermann strahlen immer heller, der mediale Fortschritt macht’s möglich. Und die Preise ziehen mit

1972 in München tröpfelten gerade mal 17,8 Millionen US-Dollar aus dem Verkauf der TV-Rechte aufs IOC-Konto, während es 1984 in Los Angeles schon 287 Millionen Dollar waren – eine Versechzehnfachung. Im Lichte der Gegenwart erscheint dieser damals so gewaltige Sprung eher wie ein kleiner Hüpfer: Für die Übertragungsrechte an den Olympischen Spielen 2012 in London wurde die Rekordsumme von 2,57 Milliarden US-Dollar bezahlt – und mit 3,6 Milliarden Menschen in 220 Ländern eine neue Höchstreichweite im TV erzielt. Die Explosion der Preise erfordert bisweilen Zugeständnisse und Entgegenkommen des Sports. Dass beispielsweise Beachvolleyball ins Programm der Spiele von Atlanta 1996 aufgenommen wurde, hatte auch damit zu tun, dass der übertragende US-Sender NBC daran gesteigertes Interesse hatte. Und in Peking 2008 fanden die quotenstarken Sportarten Schwimmen und Turnen am Vormittag statt, um in den USA zur Hauptsendezeit übertragen werden zu können. Die „kontrollierte Kommerzialisierung“, wie IOC-Präsident Thomas Bach diese Entwicklung schon vor Jahren nannte, deckt sich durchaus mit der Olympischen Charta, dem Grundgesetz für die Spiele. Darin wird das IOC verpflichtet, eine komplette Berichterstattung über die unterschiedlichsten Medien und die größtmögliche weltweite Reichweite zu garantieren. Ein Ende des Umsatzwachstums scheint nicht in Sicht. Durch neue digitale Medienkanäle und Plattformen steigen Reichweite und die Zahl der Verbreitungswege – erfreuliche Perspektiven für den Sport.


3

1993 bis 1996 1 TV-Rechte

5

6

1

3

4

1997 bis 2000

2 TOP-Programm*

8046 5

6

1

2*

3

4

6

1

2*

3

4

5

170 (2,1 %) 6

2005 bis 2008 4 Ticketing

5 Lizenzen

1238 (15,4 %)

185 (3,4 %)

274 (5,0 %)

866 (15,9 %) 87 (2,1 %) 5

2001 bis 2004

3 Sponsoren-Programm im Gastgeberland

950 (11,8 %)

1555 (28,5 %) 2*

411 (9,8 %)

796 (19,0 %)

663 (15,8 %) 66 (1,7 %)

625 (16,6 %)

655 (17,4 %)

579 (15,4 %)

115 (4,4 %)

451 (17,1 %) 4

1838 (22,8 %)

2232 (53,3 %)

1845 (48,9 %)

2630 2*

534 (20,3 %)

279 (10,6 %)

1251 (47,6 %) 1

2570 (47,2 %)

3770

4187

Einnahmen aus der Vermarktung Olympischer Spiele, nach Umsatzsäulen Erlöse je Olympiade in Mio. US-Dollar (in Klammern Prozentanteil)

3850 (47,9 %)

5450

Nur Ticketing stagniert

1

2*

3

4

5

6

2009 bis 2012 6 Summe

* Weltweite Exklusiv-Sponsoren

Quelle: IOC

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Engagement verbindet. Ihr Ziel haben sie schon lange im Visier: die Paralympischen Winterspiele 2014 in Sotschi. Die Chancen auf paralympische Medaillen sind gut für die beiden Athletinnen im Nordic Paralympic Ski Team Deutschland. Denn ob Biathlon oder Langlauf – den Freundinnen ist bei Weltcups und Meisterschaften in jüngster Zeit fast immer ein Platz auf dem Siegertreppchen sicher. Mit viel Optimismus, der richtigen Portion Ehrgeiz und einem starken Team an ihrer Seite sind sie in die harte Trainingssaison gestartet. Da können wir uns gemeinsam mit ihnen heute schon auf die Wettkämpfe in Sotschi freuen! Vivian Hösch (links) und Anja Wicker, Nationalmannschaftslehrgang in Oberhof, Oktober 2013

Weitere Informationen zu unserem Engagement unter: http://www.neumannmueller.com/de/unternehmen/partnerschaften/paralympics


72 [ Foyer ] Faktor Sport

Sprung Der als Kunstwerk

Viele Sportler leiden unter dem Druck, im entscheidenden Augenblick nicht ihre optimale Leistung abrufen zu können. Jonathan Briefs gewährt Einblicke in den humorvollen Umgang mit der Angst vorm Versagen und der Suche nach dem Flow. Text: Klaus Janke

S

gefangen hat. Dort haben sie die verschüttgegangene Begeisterung wieder freigelegt. Andreas Kofler war dabei. Er hatte danach nur Misserfolge, war frustriert, hat sich aber anscheinend an diese Trainingsmethode erinnert und ist mit seinem Stützpunkttrainer wieder zur Kinderschanze gegangen, um bei null anzufangen. 2010 gewann er dann die Vierschanzentournee. Oder Felix Neureuther, jemand, der unbedingt positive Stimulanz braucht, sonst fährt „Jeder spürt den Druck, und es ist er nur auf Sicherheit, um Fehler sinnlos, ihn wegzureden. Er gehört zu vermeiden. Er erzählte mir, dazu. Man kann daraus sogar etwas „Ich habe keine Lösung … aber ich bewundere das Problem.“ dass seine bisherige Erfahrung Positives machen. Manche Sportler Jonathan Briefs coacht Sportler mit Humor war, dass er pro Saison zweimal schaffen es, von der Konzentration aufs Treppchen fahre. ,Nun stand auf das Ergebnis zur Freude am Erich schon zweimal drauf und wir lebnis zu kommen. Sie betrachten den sind erst am Anfang des WeltSkisprung nicht als unvermeidliche Pflichterfüllung, sondern als Kunstwerk. Der Sprung ist – unabhängig cups. Ich kann also gar nicht mehr gewinnen.‘ Eine Regel, wie in Stein von der Weite – etwas sehr Schönes, Erhabenes. Sie schaffen dieses Schöne, gemeißelt; sie war selbst gebaut und natürlich durch Erfahrung zemenwie ein Künstler es tut. Der Künstler genießt es, seine Fähigkeiten zu zei- tiert, sodass er blockiert hat. Das ist Selbstdemontage, ,Mindfuck‘, wie gen. Sie springen nicht weit, weil sie müssen, sondern weil sie es können.“ eine Kollegin sagt. Aber damit kann man natürlich umgehen. Man kann provozieren, zuspitzen, Widerstand und Energie erzeugen und damit eine Briefs arbeitet hauptberuflich auch mit Führungskräften, die konstruktive neue Regel schaffen.“ Schwierigkeiten im Berufsalltag haben. Seine Methode nennt er „provokatives Coaching“, weil er die Probleme nicht kleinre- Bei Jonathan Briefs gibt es viel zu lachen. Sein letztes Buch det, sondern aufbläst, dramatisiert. Das regt zum Widerspruch heißt „Ich habe keine Lösung … aber ich bewundere das Proban und motiviert zum Handeln. Briefs selbst treibt weder Leis- lem“. Das wirkt befreiend. Der Briefs-Humor ist aber keiner der tungssport noch kennt er sich damit aus. Als Exot wendet er bei Distanz – er will die Sportler nicht dazu bringen, über die Dinge den Sportlern Techniken an, gegen die sie nicht immun sind. zu lachen und damit auch über ihnen zu stehen. Es geht im Gegenteil darum, mit spielerischer Leichtigkeit einfacher in den Stellt Fragen, die ihnen noch niemand gestellt hat. „Flow“ zu kommen – jene Befindlichkeit, über die so viel gere„Von Athleten, die nur Druck, aber keinen Spaß mehr empfinden, will det wird, die sich aber doch so selten einstellt. ich wissen: Warum hast du als kleines Kind angefangen, auf Skiern zu stehen? Erinnerst du dich an die Sehnsucht, die damit verbunden „Das ist der Zustand, in dem ein Sportler völlig konzentriert ist. Er ist war? Diese Faszination, die nichts mit Leistung zu tun hatte? Das Trai- nicht unter-, aber auch nicht überfordert. Es geht nur noch ums Tun, nerteam und ich haben die österreichischen Skispringer zum Beispiel nicht mehr um das Ergebnis. Der ,Flow‘ kann sich beim Eisschnelllauf dazu gebracht, auf eine Kinderschanze zu gehen, dahin, wo alles an- einstellen, beim Abwaschen oder bei der Büroarbeit. Oder auch nie.“ ]

Credit: Danny Frede, picture-alliance, GQ

otschi: der Endpunkt, auf den sich die Wintersportler vier Jahre physisch und gedanklich vorbereitet haben. Alles vergeblich, wenn es jetzt hakt – diese Vorstellung kann lähmen. Humorberater Jonathan Briefs, der unter anderem die österreichischen Skispringer coachte und sich heute als „Freund der Mannschaft“ bezeichnet, weicht nicht aus, sondern sieht den Tatsachen lieber ins Auge.


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 73

Geangeltes Wachstum 2013 stieg die Zahl der DOSB-Mitgliedschaften erneut an – wie stets seit 2005 –, und zwar um 218.000 auf 27,992 Millionen. Das relativ starke Plus verdankt sich neben dem Zuwachs in einigen Fachverbänden der Fusion zwischen dem Verband Deutscher Sportfischer (VDSF) und dem bisher nicht im DOSB organisierten Deutschen Anglerverband (DAV), der 159.365 Mitglieder mitbrachte. Die Zahl der Vereine sank 2013 leicht, von 91.080 auf 90.784.

Fairplay-Preis an Storls Retter Andrej Schukow hat im August in Moskau „nur meinen Job gemacht“, sagt er – für David Storl war’s Gold wert. Der russische Kampfrichter hat für seinen unbürokratischen Einsatz bei der Leichtathletik-WM, als er den zunächst ungültig gegebenen Versuch des Kugelstoßers nachträglich wertete, den von DOSB, Bundesinnenministerium und Verband Deutscher Sportjournalisten erstmals verliehenen „Fairplay-Preis des Deutschen Sports“ erhalten – gemeinsam mit Kai Pfaffenbach. Der deutsche Fotograf hatte den Versuch aufgenommen und die Bilder Storl und Schukow gezeigt. Neben Storls Rettern wurde in Wiesbaden der VfB Oldisleben mit einem Sonderpreis geehrt.

Termine

Impressum Herausgeber

Grünes Band bezieht Publikum ein Das Grüne Band wird breiter: Ein Publikumspreis ergänzt den etablierten Wettbewerb (2013 zum 27. Mal) für leistungsorientierte Nachwuchsförderung im Verein. Bis zum 1. März können OnlineWähler ihre Stimme für einen der Preisträger des vergangenen Jahres abgeben. An der Abstimmung unter  www.dasgrueneband.com kann jede und jeder teilnehmen, also auch Mitglieder und Anhänger der 50 Kandidaten. Die Bewerbungsfrist für das Grüne Band 2014 läuft noch bis zum 31. März – interessierte Vereine oder Vereinsabteilungen richten sich an ihren Spitzensportverband.

Deutscher Olympischer Sportbund Otto-Fleck-Schneise 12 | D-60528 Frankfurt am Main AG Frankfurt | VR 13581 Generaldirektor Dr. Michael Vesper

Gleichstellung bleibt das Ziel Fast 20 Jahre ist es her, dass bei der ersten Konferenz dieser Art die „Brighton Declaration on Women and Sport“ verkündet wurde. Von mehr als 380 Sportorganisationen unterzeichnet, wurde sie nur bedingt in Praxis umgesetzt. Die Gleichstellung der Geschlechter ist im Sport auf vielen Ebenen Ziel, nicht Realität, Stichwort Führungspositionen. Wie damit umzugehen ist, wird die sechste Weltkonferenz „Frauen und Sport“ vom 12. bis 15. Juni 2014 in Helsinki erörtern.

Bildnachweis

23. Januar Frankfurt DOSB-Neujahrsempfang

Gestaltung Janine Fischer, Jan Gläsker, Andrea Welge

7. – 23. Februar Sotschi Olympische Winterspiele

Lektorat www.sprachenfabrik.de

7. – 16. März Sotschi Paralympische Winterspiele Versuchsanordnung: Kampfrichter, Fotograf und Athlet prüfen den richtigen Stoß

13. – 16. März Harrachov, Tschechien Skiflug-WM

Engagierte Köpfe

14. – 16. März Montreal, Kanada Shorttrack-WM

Hannelore Kraft und Peter Terwiesch: NordrheinWestfalens Ministerpräsidentin und der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens ABB, Partner von Special Olympics Deutschland, haben vom DOSB den Preis „Pro Ehrenamt 2013“ erhalten – erstmals ging er an zwei Personen. Kraft habe die Absicherung des gemeinwohlorientierten Sports in Nordrhein-Westfalen zur Chefsache gemacht, sagte Walter Schneeloch, DOSB-Vizepräsident Sportentwicklung, in seiner Laudatio. Gleiches gilt für Terwiesch: Er setzt das Engagement von ABB selbst um. Seit 2000 fördert der Konzern der Energie- und Automatisierungstechnik den Sport von Menschen mit geistiger Behinderung.

21. – 23. März Heerenveen, Niederlande Eisschnelllauf-WM Mehrkampf

Deutsche Sport-Marketing GmbH Schaumainkai 91 | D-60596 Frankfurt am Main AG Frankfurt | HRB 26615 | USt-IdNr. DE114139775 Geschäftsführer Axel Achten Redaktionsleitung Marcus Meyer (DSM) E-Mail: marcus.meyer@faktorsport.net Jörg Stratmann (DOSB) E-Mail: stratmann@dosb.de

picture-alliance | imago-sportfoto | Danny Frede | GQ | www.photo-hartmann.de | Omega Autoren Jochen Büttner (jb) | Frank Heike (fei) | Klaus Janke (kj) | Roland Karle (rk) | Christoph Leischwitz | Marcus Meyer (mm) | Peter Stützer | Nicolas Richter (nr) | Stefan Scholl | Johannes Schweikle | Jörg Stratmann (js) | Michael Vesper Konzeption, Realisation, Druck, Vermarktung Medienfabrik Gütersloh GmbH Carl-Bertelsmann-Straße 33 33311 Gütersloh Telefon: 05241 23480-0 | Telefax: 05241 23480-215 www.medienfabrik.de

Bildbearbeitung Adriane Anhuth

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Mit freundlicher Unterstützung der Fotoagentur dpa Picture-Alliance GmbH

24. – 30. März Saitama, Japan Eiskunstlauf-WM 1. – 4. April Vantaa, Finnland Ringer-EM 24. – 27. April Montpellier, Frankreich Judo-EM

Nicht leicht, aber in diesem Fall selbstverständlich. So kommentierten Julius Brink und Jonas Reckermann in Interviews („Süddeutsche Zeitung“, „Spiegel Online“) den Kuss, den sich die Beachvolleyball-Olympiasieger kürzlich gaben: Teil der Aktion „Mundpropaganda – Gentlemen gegen Homophobie“. Siehe  www.gq.de/mundpropaganda


74 [ Darsteller ] Faktor Sport

Norweger in Übergröße

Credit: picture-alliance

K

indermund tut Wahrheit kund. „Skilaufen ist, wenn Papa gewinnt und die anderen ihm alle hinterherlaufen“, sprach der kleine Dæhlie, einer der zwei Söhne des großen, des übergroßen. Acht olympische Goldmedaillen, neun Weltmeistertitel und einiges edles Metall mehr haben ihn zum erfolgreichsten Wintersportler der Welt gemacht. Und das, obwohl er die letzten geplanten Triumphe noch verpasste, im Sommer vor den Winterspielen 2002 in Salt Lake City verletzte er sich auf Rollerskiern, das Karriereende. Seine Landsleute liebten den Bodenständigen, lieben ihn bis heute, da sie den Gründer eines Herstellers von Funktionsbekleidung meist in der Werbung sehen oder vor der Kamera. Bjørn Dæhlie, 46 Jahre alt, ein Sportler der Unsterblichkeit? Wenn einer alles gewinnt außer einem ganz bestimmten Rennen, dann kann Bewunderung endlos sein. Und Dæhlie, der Norweger, hat tatsächlich nie am Holmenkollen in Oslo gewonnen. ps/nr ]


Faktor Sport [ Spiegelbild ] 75

GEMEINSAM UNTERSTÜTZEN WIR DIE DEUTSCHE OLYMPIAMANNSCHAFT FO LGT D ER D EUTS C H EN O LYM P IA MA N N S C HA FT AU F FAC EB O O K .C O M/O LYM P IA MA N N S C HA FT

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