The Red Bulletin DE 04/21

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DEUTSCHLAND APRIL 2021 € 2,50

ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN

BIKE SPECIAL

GEAR, HACKS, REISEN

GETREDBULLETIN.COM

Mountainbike-Ass ERIK FEDKO: Freude ist das beste Mittel gegen Lampenfieber!

Für Abonnenten der JETZT ABONNIEREN!

Easy Rider

Erik Fedko chillt in der „Schnitzelgrube“, einem Becken voller Schaumstoffwürfel, die Stürze beim Training abfedern.




E DI TO R I A L

WILLKOMMEN

ACTION AUF RÄDERN Skibergsteiger Anton Palzer sattelt jetzt auf Rad-Profi um. Autor ­Alexander NeumannDelbarre (o.) hat ihn ­interviewt: ab Seite 32

„ Ich glaube fest, dass es eine kreative Energie gibt.“ Sängerin Priya Ragu über ihren Durchbruch. Ab Seite 38

Viel Spaß mit der neuen Ausgabe von The Red Bulletin! Die Redaktion

NICOLAS MAHLER

Kurze Verschnaufpause für Mountainbiker Erik Fedko beim Cover­ shooting in Düsseldorf. Wie er bei Sprüngen vor zehntausenden ­Zuschauern entspannt bleibt: ab Seite 40

FRAGEN AN DEN UMSTEIGER

ROBERT WUNSCH (COVER)

ER BLEIBT IMMER COOL

Locker bleiben, wenn der Druck am größten ist – genau das ist die Stärke unseres Cover-Helden Erik Fedko. Wie der Mountainbike-Freerider das anstellt? Zum Beispiel, indem er auf Gemeinschaft ­vertraut: „Im Mountainbiken neiden wir uns nichts. Wenn ­einer der Jungs einen geilen Run raushaut, feiern ihn die anderen. Es herrscht eine positive Energie, und das nimmt einen Teil der Anspannung.“ Fedkos ganzes Rezept für Gelassenheit in Momenten, in denen tausende Zuschauer auf einen Fehler ­warten: ab Seite 40. Die Cover-Story ist nur eines der Glanzlichter unseres großen Bike-Specials (ab Seite 48). Darin beantworten unter anderem sieben Profis – von BMX-Athletin Lara Lessmann bis Triathlon-Ass Sebastian Kienle – die wichtigsten Fragen zur Radsaison 2021. Zum Beispiel: Wo gibt’s die besten Bike-Parks?

POINTEN FÜR DIE LETZTE SEITE

Nicolas Mahler, hier im Selbstporträt, ist preisgekrönter Comiczeichner und ab jetzt fix bei uns zu sehen: Seite 98 4

THE RED BULLETIN


LEAVE BORING BEHIND

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GET OUT THERE.


I N H A LT The Red Bulletin im April 2021

COVERSTORY

40 LOCKER IST LEICHTER

Mountainbike-Freerider Erik Fedko fährt unter Druck entspannt – auch weil er ein Rezept von Rockstars anwendet.

BIKE SPECIAL

62 ENDLICH SATTEL-FEST

E-Mountainbikes, Bordcomputer, Hightech-Helme – hier kommen außergewöhnliche Fahrräder und Zubehör.

48 AUF DEM SPRUNG  BMX-Athletin Lara ­Lessmann erklärt ihre wichtigsten Tricks.

RAP

66 Ü BER ALLE GRENZEN

18 OZEAN-GIGANTEN

An Bord bei den OffshoreSeglern der härtesten Regatta der Welt – der Vendée Globe.

BIKE SPECIAL

32 DER QUEREINSTEIGER VOM GIPFEL

Skibergsteiger Anton Palzer über seinen überraschenden Neuanfang als Rennrad-Profi.

FILM

36 T YP FÜR EXTREME

Schauspieler Oliver Masucci braucht Ausnahmesituationen, um sich zu entwickeln.

R&B

38 GÖTTLICHE STIMME

Die britische Hip-Hop-Künstlerin Stefflon Don singt in drei Sprachen und erobert mit ihren Songs die Rap-Welt.

KLETTERN

74 D IE GEHT STEIL

Warum Freeski-Athletin ­Nadine Wallner nach ­schweren Verletzungen ihre Rettung im Klettern fand.

GUIDE

81 TRAVEL. Wie Freizeit-Radler den Giro d’Italia hautnah erleben können – mit Elektro-Unterstützung. 86 L AUFEN. Vor dem Wings for Life World Run verraten drei Athleten ihre Lieblingsstrecken.

88 R ICHTIG GUTES ZEUG. Produkte und Events, die uns begeistern.

48 WECK DEN BIKER IN DIR 7 Athleten geben InsiderTipps, wie du das Beste aus dem Rad-Jahr 2021 holst. 8 GALLERY 14 ZAHLEN, BITTE!

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AUF ABENTEUERSUCHE  Schauspieler Oliver Masucci wächst an Grenzerfahrungen.

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

Weshalb Sängerin Priya Ragu ihren Durchbruch ihrem Tagebuch und gewissen höheren Kräften zuschreibt.

BIKE SPECIAL

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92 BULLEVARD DER HELDEN. Schriftsteller Michael Köhlmeier über Coco Chanels Weg aus dem Waisenhaus auf den Boulevard.

16 FUNDSTÜCK 17 PHILOSOPHEN-INTERVIEW

96 IMPRESSUM 98 CARTOON

66 AUF DREI SPRACHEN  Rapperin Stefflon Don begeistert mit internationalen Vibes.

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RED BULL CONTENT POOL, MARINA ROSA WEIGL, SALIM ADAM, JEAN-MARIE LIOT/MAÎTRE COQ

SEGELN


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AUF SIEGERKURS In 80 Tagen segelten die Skipper bei der Vendée Globe um die Welt (hier: das Boot des späteren ­Gewinners Yannick Bestaven). Unsere Geschichte zeigt die härteste Regatta der Welt hautnah.

THE RED BULLETIN

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SACHSENRING, DEUTSCHLAND

GOLD & GOOSE/RED BULL CONTENT POOL

Hier wird geblitzt Kaum ein Rennsport macht Geschwindigkeit so greifbar wie die Motorrad-Weltmeisterschaft MotoGP. Das ist selbst noch auf Fotos spürbar, wo das Tempo naturgemäß nur eine Ahnung ist: Hier sehen wir eine Aufnahme des Italieners ­Andrea Dovizioso auf dem ­Sachsenring. Am 28. März startet die MotoGP in Katar in ihre neue Saison, und ServusTV überträgt alle ­Rennen live – natürlich auch den ­Liqui Moly ­Motorrad Grand Prix Deutschland am 20. Juni. Alle Termine: motogp.servustv.de

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TRBOVLJE, SLOWENIEN

Alles senkrecht! Soll keiner sagen, Kohlekraftwerke wären heutzutage für nichts mehr gut: Dieses hier steht an der Save in Slowenien und zeichnet sich durch den mit 360 Metern höchsten Schornstein Europas aus. Mit dem Rauchen aufgehört hat er schon 2014. Seither dient das Ungetüm als Spielplatz für beherzte Kletterer. Janja Garnbret und Domen Škofic (re.), Sloweniens große Olympia-Hoffnungen, haben dort Ende Jänner einen Weltrekord aufgestellt: Sie bezwangen die höchste künstliche Kletterroute der Welt. Das Video: redbull.com/at-de/ films/360-ascent


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JAKOB SCHWEIGHOFER/RED BULL CONTENT POOL


SIDNEY, AUSTRALIEN

Die Natur des Parkour Ein ehemaliger Steinbruch südlich von Sidney, den im Lauf der Zeit die Natur wieder zurückerobert hat, bildet eine würdige Kulisse, um die Fähigkeiten des australischen Parkour-Athleten Alex Robinson darzustellen. Sein Landsmann, der Fotograf Eric Yip, wählte zu diesem Zweck die Technik der Mehrfach­belichtung – sie macht die Dynamik des Stunts erst sichtbar. Die Aufnahme schaffte es bis ins Semifinale des Red Bull-Illume-Fotowettbewerbs. Alle Teilnahme-Infos zu Red Bull Illume 2021: redbullillume.com


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ERIC YIP/RED BULL ILLUME


ZAHL E N, B I TT E !

50 JAHRE E-MAIL

Klammeraffengeil! Vor einem halben Jahrhundert wurde die erste E-Mail verschickt. Ihren Inhalt, wie viel Post ein Präsident versendet und was die Komikertruppe Monty Python mit der Erfindung von „Spam“ zu tun hat, verraten wir hier.

Minuten dauert ein Monty-­­PythonSketch aus dem Jahr 1970, in dem das Wort „Spam“ (Dosenfleisch) 132-mal fällt. Internet-Nutzer ­adaptierten die Bedeutung – für unverlangte Massen-E-Mails.

E-Mails verschickte US-Präsident Bill Clinton in seiner Amtszeit (1993 – 2001). Eine an John Glenn an Bord der Raumfähre „Disco­ very“ und eine Test-E-Mail.

Prozent aller E-Mails sind Spam.

2.690.160

298

E-Mails werden weltweit pro Sekunde versendet, zirka 200 Milliarden pro Tag.

Die „Simpsons“-Episode, in der Homer seine E-Mail-Adresse ­verrät: chunkylover53@aol.com. Die Sendungsmacher wollten Fans antworten, doch schon am Tag nach der Ausstrahlung war der Posteingang total überfüllt.

5,4

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250.821.495

Dollar spielte der Film „e-m@il für Dich“ mit Tom Hanks und Meg Ryan 1998 weltweit in die K ­ inokassen. Zum Zeitpunkt des Drehs hatte Ryan selbst noch keinen Computer.

7500

Mal mehr Speicherplatz bietet ein elektronisches Postfach heute (Gmail, 15 GB) im Vergleich zum ersten GratisAcount 1996 (Hotmail, 2 MB).

THE RED BULLETIN

CLAUDIA MEITERT

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Liter entsprechen einem ­„arroba“ (@). Mit dieser Einheit maß man im Mittelalter auf der iberischen Halbinsel Wein. Der Klammeraffe wird dort heute noch so genannt.

Stunden verbringen wir täglich mit E-Mails (3,3 Stunden Arbeitsund 2,1 Stunden Privatpost).

verschickte der US-Programmierer Ray Tomlinson die erste E-Mail. Der Inhalt: „QWERTYUIOP“ – die oberste Buchstabenzeile der ­US-Computertastatur.

Prozent größer ist die Wahr­ scheinlichkeit, dass eine E-Mail ­geöffnet wird, wenn sie ein Emoji im Betreff hat. Aber: Emojis senken das Ansehen des Absenders.

2

54,68

1971

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GETTY IMAGES (2), PICTUREDESK

2:03

123456

ist das am meisten verwendete Passwort, „Passwort“ liegt auf Rang vier.


KISKA.COM Foto: R. Schedl

TROTZE DER NORM Für diejenigen, die die Grenzen des Erkundens überschreiten möchten, ist die neue KTM 1290 SUPER ADVENTURE S das ultimative high-performance Travel-Bike. Dieses LC8-V2-Kraftpaket der neuen Generation stellt den Status Quo mit raffinierter Ergonomie, leistungssteigernder Technologie und High-EndKomponenten in Frage.

ERFAHRE MEHR AUF KTM.COM Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten! Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.


F U ND ST Ü CK

Michael Jordan, inzwischen 58, gilt laut NBA noch immer als der beste Basketballer, obwohl er schon seit 2003 nicht mehr aktiv ist.

MICHAEL JORDAN

„Nike Air 1s“-Basketballschuhe, entwickelt für Michael Jordan, den Rising Star der Chicago Bulls, 1985 „Es muss an den Schuhen liegen“, sagte Hollywood-Regisseur Spike Lee einmal über die unfassbaren Auftritte Michael Jordans. Die Wucht, die Eleganz und die Sprungkraft, die der Mann im Dress der Chicago Bulls zeigte, trugen ihm nicht zufällig den Kampfnamen „Air Jordan“ ein. Die Sneakers verhalfen auch der anfangs nur mäßig bekannten Sportartikelfirma Nike zu einem Höhenflug. Voriges Jahr kamen die signierten Treter bei einer Auktion für 560.000 Dollar unter den Hammer.

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THE RED BULLETIN

COURTESY OF SOTHEBY’S, GETTY IMAGES

Die können fliegen


DAS PHILO S O PHEN- IN T ERV IE W

FRIEDRICH NIETZSCHE SAGT:

„Reisen im Kopf sind Selbstbetrug“

DR. CHRISTOPH QUARCH

BENE ROHLMANN

Er war zeitlebens ein Gefangener eines von Migräne gequälten Körpers. Und hätte dennoch um nichts in der Welt auf seine Leiblichkeit verzichtet. Warum? Das erklärt der große Denker Friedrich Nietzsche in unserem fiktiven Interview mit dem deutschen Philosophen Christoph Quarch .

Wie kommen Sie denn darauf? Aus eigener Erfahrung. Wissen Sie, in meinen späteren Jahren war ich andauernd auf Reisen. Mein Leben glich dem eines Nomaden: immer auf der Suche nach guten Weideplätzen – allerdings nicht für mein Vieh, sondern für mein Denken. Dabei zog es mich vorzugsweise ins Hochgebirge, nach Sils Maria im Schweizer Oberengadin, wo ich meine größten Werke schrieb. Oder weiter in den Süden nach Nizza, Mailand, Venedig oder Ligurien. Diese Orte inspirierten mich und gaben mir eine gewisse Leichtigkeit. Vor ­allem linderten sie meine oft unerträglichen Kopfschmerzen.

the red bulletin: Bücher lesen, die Augen schließen und die Fantasie anschmeißen. Wäre das nicht eine elegante Weise, wie man auch in pandemischen Zeiten auf Reisen gehen könnte? friedrich nietzsche: Langsam, immer schön der Reihe nach: Bücher lesen finde ich super. Ich war immer Okay, aber das ist Ihre persönliche ein großer Leser und lasse mich gerne Erfahrung und noch keine philo­ von guten Autoren in ihre Welt sophische Theorie. ­ent­führen. Augen schließen ist definitiv auch eine feine Sache – Eben doch. Genau das ist mein „Mein Leben glich dem Punkt. Denn es gibt überhaupt das muss ich sowieso recht oft, weil ich immer wieder unter keine philosophischen Theorien, eines Nomaden: ­höllischer Migräne leide. Und die nicht irgendwie mit unserer immer auf der Suche was die Fantasie betrifft, bin ich körperlichen Befindlichkeit zu – bei aller Bescheidenheit – ein tun haben. Alles, was wir den­ nach Weideplätzen ken, wurzelt in unserem Körper. echter Champion; sonst hätte ich für mein Denken.“ Deshalb schicke ich in meinem mir wohl kaum einen so schrägen Hauptwerk „Also sprach Zara­ Weisen wie Zarathustra ausden­ ken können. Aber selbst das alles zusammengenom­ thustra“ auch ein paar markige Worte an die Adresse men: Die Idee, das Reisen ins Kopfkino zu verlegen, derer, die ich „Verächter des Leibes“ nenne. ­halte ich für ausgemachten Quatsch. Kurz gesagt: Friedrich Nietzsche ist kein großer Aber wieso? Ihr Kollege Kant hat sich ja auch Fan von Kopfreisen … ­gerühmt, seine Heimatstadt Königsberg Kein Fan? Sie sind ja ein richtiger Scherzbold. nie zu verlassen und die Welt vom Schreibtisch Nein, ich halte es sogar für eine verhängnisvolle aus zu erkunden. Krankheit des Denkens, den Geist vom Leib zu Vielleicht wollte er einfach nicht auf seine Königs­ ­trennen. Sehen Sie, der Mensch ist eine Ganzheit – berger Klopse verzichten. und Reisen ohne Körper ist daher nichts anderes als eine subtile Form des Selbstbetrugs. Das ist nicht Ihr Ernst? Der Deutsche FRIEDRICH NIETZSCHE (1844–1900) wurde Doch, ist es. Ich bin nämlich zutiefst davon überzeugt, ­be­reits in ungewöhnlich jungen Jahren Professor für alte Spradass so nebensächlich scheinende Dinge wie Klima, chen in Basel. Immer wiederkehrende Migräneschübe zwangen Küche oder Kultur für unser Befinden extrem wichtig ihn dazu, seine Lehrtätigkeit aufzugeben. Von 1879 bis 1889 sind – und zwar nicht nur für unser körperliches reiste er quer durch Europa, um Orte zu finden, an denen er es ­Befinden, sondern auch für unser Denken. So vertrete aushalten konnte. Er selbst sah sich als geistiger Wanderer. ich beispielsweise die These, dass meine deutschen CHRISTOPH QUARCH, 56, ist deutscher Philosoph, Theologe, Landsleute deshalb so mürrisch sind, weil sie in ein Unternehmens-Coach und Autor zahlreicher p ­ hilosophischer falsches Klima geraten sind und sich außerdem auch Bücher. Zuletzt erschienen: „Platon und die Folgen“, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart. noch schlecht ernähren.

THE RED BULLETIN

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DIE HÄRTESTE HOCHSEE-REGATTA DER WELT

In 80 Tagen um den Erdball, mutterseelenallein auf einer Rennyacht. Zwischen Stürmen, Kälte, Hitze, Schlafmangel und Einsamkeit: So überleben die Skipper die VENDÉE GLOBE, den Mount Everest der Segelregatten. Text ALEXANDER MUELLER-MACHECK

CHRISTOPHE FAVREAU

IN ZEHN SEKUNDEN SCHRILLT DIE ALARMGLOCKE


SCHLAFEN AUF SPEED Über 80 Tage lang maximal 20 Minuten am Stück, dann reißt dich das Bord­ system aus dem Erschöpfungsschlaf. Hier im Bild: der französische Skipper Arnaud Boissières, 48.

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BERNARD LE BARS/ALEA

So viele Konkurrenten in Sichtweite – das ist bei der Vendée Globe nur nach dem Start der Fall. Innerhalb von Stunden zerstreut sich das Feld über die Weite des Ozeans und hinter den Horizont. Ab dann bist du für Monate ganz allein unterwegs.

TOM MACKINGER

DIESEN AUSBLICK GIBT ES LEIDER NUR EIN EINZIGES MAL


Les Sables, FRA

AFRIKA

SÜDAMERIKA Gough Island

Kap der Guten Hoffnung, RSA

Kap Hoorn, CHI

Die Teilnehmer segeln von Frankreich nach Südafrika und umrunden dann die Welt im Südmeer nördlich der Antarktis, passieren Kap Hoorn und kehren über den Atlantik zurück nach Frankreich.

EN

VORSICHT, EISBERGE!

Kap Leeuwin, AUS

LI

ANTARKTIS

S AU

T

RA

Route Gates bzw. Checkpoints entlang der Route der Vendée Globe. Im Bereich der Antarktis halten sie die Segler in sicherer Distanz zu Eisbergen.

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VINCENT CURUTCHET

FRAUENPOWER IN DEN GEWALTEN DES ATLANTIKS Die Britin Samantha Davies, 46, unter rauen Bedingungen vor der französischen Atlantik­küste. Bereits sechs der 33 Teilnehmer sind Frauen. Sie fahren in derselben Wertung wie die Männer. Hier zählen ausschließlich Clever­ness, Können und Durchhaltevermögen.

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HAPPY BIRTHDAY!

Ihren 31. Geburtstag feierte die Französin Clarisse Crémer mit einem Kuchen im eiskalten Südmeer.

NICHT RAUCHEN. ESSEN!

Die französisch-deutsche Skipperin Isabelle Joschke, 44, schüttet Hanfsamen in ihre Hochsee-Bowl. Das gibt Kraft.

KOMMT EIN FISCHLEIN GEFLOGEN

NA DANN, PROST UND MAHLZEIT!

WENN SOGAR DAS OLIVENÖL FRIERT

Der Italiener Giancarlo Pedote, 45, hat Olivenöl von daheim mitgenommen. Wie man deutlich erkennen kann, leidet es genauso unter der Kälte wie der Koch.

Seemannsküche ist berüchtigt, Regatta­küche traditionell ein Alptraum. „Gut“ ist alles, was sich in einen Topf schütten lässt und im Handumdrehen fertig ist.

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THE RED BULLETIN

STEPHANE LE DIRAISON/TIME FOR OCEANS, CLARISSE CREMER/BANQUE POPULAIRE X, ISABELLE JOSCHKE/MACSF, GIANCARLO PEDOTE/PRYSMIAN GROUP, ALAN ROURA/LA FABRIQUE

Der Franzose Stéphane Le Diraison, 44, hat einen Fliegenden Fisch gefangen. Nein, er hat ihn nicht gegessen.


„JETZT HABT IHR MICH ZIEMLICH NACKT GESEHEN“ Zuerst eine üble Rückenverletzung nach einer Kollision mit Treibgut. Und dann noch Hydraulik­ öl aus einer defekten Leitung, das den Wohn­ bereich komplett versaute: Dem Schweizer Alan Roura, 29, kamen vor der Web­kamera die Tränen. Doch dann wurde er doch noch 16.!


NEPTUNS ZORN TREIBT UNS HINTER DEN HORIZONT Haushohe Wellen, Böen mit mehr als 100 km/h, Eisberge und Kormorane. Mit anderen Worten: ideale Bedingungen für Extremsegler. Im Bild: der Franzose Armel Tripon, 45, auf seiner Yacht „L’Occitane en Provence“. Die Boote gehören der Imoca-Klasse an und erreichen auf Tragflügeln sagenhafte 45 km/h Topspeed.


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PIERRE BOURAS/L‘OCCITANE EN PROVENCE


BASTELN AUF 29 METERN

Der französisch-italienische Skipper Sébastien Destremau, 56, klettert für eine Reparatur auf den Mast.

FENSTERGUCKER

Der Schweizer Alan Roura, 29, wagt einen Blick auf die Segel. Vor dem Bug das berüchtigte Kap Hoorn, die umstürmte Spitze Südamerikas.


BÜRO UNTER DECK

Der Deutsche Boris Herrmann, 39, in seiner Kommandozentrale unter Deck. Hier kommen alle Daten herein, die die Segler für ihre strategischen Entscheidungen brauchen.

FROHE WEIHNACHTEN

SEBASTIEN DESTREMAU/MERCI, ALAN ROURA/LA FABRIQUE, ANDREAS LINDLAHR, PIP HARE/MEDALLIA, ARMEL TRIPON/L‘OCCITANE EN PROVENCE, MARINE NATIONALE/DEFENSE

Pip Hare, 46, UK, freut sich über das Geschenk, das ihr „der Weihnachtsmann“ im Eismeer in die Socke steckte.

EINMAL RUNDHERUM SCHÖN MACHEN, BITTE

Der Franzose Armel Tripon, 45, interpretiert den Begriff Rasur deutlich radikaler als die meisten seiner Geschlechtsgenossen.

MANN ÜBER BORD!

Das Boot des 40-jährigen Franzosen Kevin Escoffier zerbrach im Sturm in einer Welle und sank. Der Skipper rettete sich mit einem Sprung auf sein Rettungsfloß und trieb acht Stunden zwischen fünf Meter hohen Wellen auf dem offenen Meer. Sein Landsmann Jean Le Cam, 61, fand ihn kurz nach zwei Uhr in der Nacht und zog ihn an Bord seiner Rennyacht. Für diese Rettungsaktion bekam Le Cam eine Zeitgutschrift von der Rennleitung. Der Schiffbrüchige wurde danach von einer Fregatte der französischen Marine übernommen und auf die Insel La Réunion gebracht. Auf dem Foto sehen wir, wie Escoffier zum Beiboot der Fregatte schwimmt. THE RED BULLETIN

WENN DER STURM PAUSE MACHT … … bleibt Zeit für tausend Aufgaben: Körperpflege, Reparaturen, Planung, Weihnachten feiern – und sein Leben retten.   29


BERNARD LE BARS/ALEA


SIEGER DER HERZEN Riesenfreude im Ziel der Vendée Globe im französischen Les Sables-d’Olonne im Team von Boris Herrmann (im Bild mit Champagnerflasche). Der sympathische 39-Jährige war nicht nur der erste Deutsche, der je an der härtesten Offshore-Regatta der Welt teilnahm, sondern er hatte bis knapp vor Schluss sogar realistische Chancen auf einen Podestplatz – bis ihn eine nächtliche Kollision mit einem Fischerboot ausbremste. Herrmann blieb zum Glück unverletzt. Seine Rennyacht wurde beschädigt, schaffte es aber noch über die Ziellinie – auf den unter diesen Bedingungen sensationellen Rang fünf. Boris’ Zeit: 80 Tage, 14 Stunden, 59 Minuten und 45 Sekunden. Den Gesamtsieg holte der Franzose Yannick Bestaven, 48, nach 80 Tagen, 3 Stunden, 44 Minuten und 46 Sekunden nonstop auf See.

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BIKE SPECIAL

Plötzlich Rennrad-Profi: Anton Palzer, 28, Vize-Welt­meister im Skibergsteigen, erklärt, wie ein überraschender ­Jobwechsel ungeahnte Kräfte in ihm freisetzt. Interview ALEXANDER NEUMANN-DELBARRE

Für einen Montagmorgen um 8.30 Uhr versprüht Anton Palzer, ­genannt Toni, beim Interview un­ verschämt gute Laune. Aber es sind ja auch faszinierende Zeiten, die er gerade erlebt. Seit Jahren ist er Deutschlands bester Skibergsteiger. Weltklasse darin, mit Fellen unter den Skiern tausende Meter aufzusteigen und in freiem Gelände wieder abzufahren. Mehrere Weltcups hat er gewonnen, 2017 wurde er ­Vize-Weltmeister im Sprint. Toni ist ein Star seines Sports – und wird jetzt zum Anfänger in einem anderen: Ab April startet er als Radprofi für den Rennstall BORA-hansgrohe. Ein paar Fragen an einen Mann, der keine Herausforderung scheut. the red bulletin: Toni, als Skibergsteiger mit 28 Jahren einen Neustart als Radprofi zu wagen – ist das eine verrückte Idee oder eine komplett verrückte? anton palzer: Eine mutige, würde ich sagen. Klar, keiner weiß, wie gut es laufen wird. Aber wenn du deine Komfortzone nicht verlässt, kannst du dich nicht weiterentwickeln. Dafür war es an der Zeit für dich? Absolut. Das Skibergsteigen war über viele Jahre meine Leidenschaft, und ich durfte tolle Erfolge feiern. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass es mich nicht mehr ganz so er-

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füllt wie früher. Über kurz oder lang wäre ich nicht mehr so glücklich damit gewesen – und wohl auch nicht mehr so erfolgreich. Egal wie gut deine körperlichen Voraussetzungen sind: Wenn die Motivation nicht zu hundert Prozent da ist, wirst du keine großen Erfolge einfahren. Wie entstand die Idee, es als ­Radprofi zu probieren? Ich habe immer gerne Rennen im TV angeschaut, bin im Sommer viel gefahren, weil es auch Teil meines Trainings war. Radprofi zu werden, das war ein Traum, der aber nicht realisierbar schien. Zu Freunden habe ich immer wieder mal gesagt: „Irgendwann versuche ich das.“ Aber ernst hat das niemand ge­ nommen – auch ich nicht. Wie wurde die Sache dann ernst? Es begann damit, dass ich mein Training fürs Skibergsteigen umstellen wollte. Ich hatte es immer alleine gestaltet und es im Rückblick auch gut gemacht. Aber ich war immer ein bisschen mit der Brechstange unterwegs, nach dem Motto: Viel bringt viel, und mehr bringt mehr. Irgendwann hat mein Körper gesagt: So geht’s nicht mehr. Ich wurde öfter krank, verpasste ganze Trainingswochen. Ein Freund von mir, der österreichische Radprofi Lukas Pöstlberger, empfahl mir, es mit einem Trainer aus dem Radsport zu probieren, um neue Impulse zu bekommen. Und er bot mir an, seinen

Den Mann, der heute auch dein Team-Trainer im Radsport ist. Genau. Vergangenen Mai begannen wir zusammenzuarbeiten. Im Radsport, wo alles gemessen wird, ist es relativ einfach zu sehen, ob einer was kann. Und der Helmut meinte recht bald: „Boah, du kannst richtig gut Rad fahren!“ Und so saß ich dann irgendwann mit den Chefs von ­BORA-hansgrohe zusammen, und sie fragten: „Toni, kannst du dir vorstellen, in den Radsport zu wechseln?“ Hast du gleich zugesagt? Nein, nicht sofort. Das hat mir schon auch ein bisschen Angst gemacht. Angst wovor? Davor, extrem viel aufgeben zu ­müssen, meine Sportstelle bei der Bundeswehr, einige Sponsoren. Und ich fragte mich natürlich, ob ich es als Radprofi überhaupt schaffe. Letztlich dachte ich aber: Wenn du die Chance jetzt nicht nutzt, ärgerst du dich in zehn Jahren hundertprozentig. Ob es klappt, weiß keiner – aber probieren muss ich es. Was heißt für dich, es klappt? Dass ich im Team eine wichtige Helferrolle übernehme und mich im Radsport etabliere. Du absolvierst noch die aktuelle Saison im Skibergsteigen. Ab Anfang April beginnt deine Karriere als Radprofi. Die Verwandlung vom Skibergsteiger zum Radrennfahrer: Wie läuft das ab? Mit guter Planung und Trainingssteuerung, um den Fokus auf dem Winter zu behalten, aber natürlich auch, um für die ersten Radrennen im Sommer bestmöglich vorbereitet zu sein. Als sich der Wechsel abgezeichnet hat, habe ich mein Training

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LORENZ RICHARD/RED BULL CONTENT POOL

„Als wärst du frisch verliebt“

Trainer beim Team BORA-hansgrohe zu fragen: Helmut Dollinger.


„Ob es klappt, weiß keiner, aber probieren muss ich es.“ Skibergsteiger Anton Palzer wagt den Umstieg ins Radprofi-Geschäft.

THE RED BULLETIN

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BIKE SPECIAL

In welchen Bereichen musst du auf dem Rad noch was lernen? In vielen. Ich bin zum Beispiel bisher oft zu harte Gänge gefahren. Am Berg war ich so mit 85 Umdrehungen pro Minute unterwegs, gut wären etwa 100. Ich probiere jetzt, meinen Körper darauf umzustellen. Das Gute als Quereinsteiger ist: Du lernst alles neu. Wenn du so etwas einem langjährigen Profi beibringen willst, ist es schwieriger. Wo musst du noch dazulernen? Renntaktik ist ein wichtiger Punkt. Auch in einem Fahrerfeld zu fahren ist neu für mich. Die Trainer sagen, dass das am Anfang ziemlich unangenehm ist, wenn man so eingekesselt ist. Und sonst? Viele Details. Als ich im Januar keine Ski-Wettkämpfe hatte, war ich zwei Wochen mit dem Team im Trainingslager am Gardasee. Da fiel auf, dass ich den Lenker beim Fahren fest umklammere. Das kommt vom Skibergsteigen, wo es wichtig ist, die Stöcke fest im Griff zu haben. Aber beim Radfahren bringt das nichts, weil du am Lenker

„In dem Team fahren Weltmeister. Klar hatte ich die Hose voll.“ keine Energie aufs Pedal bekommst. Da legt man die Hand locker auf. Der Radsport ist professionalisierter als das Skibergsteigen, es geht um mehr Geld, in deinem Team fahren Stars wie der dreifache Weltmeister Peter Sagan. Wie ist der Umgang untereinander: Wird mit härteren Bandagen gespielt? Vor dem ersten Teamtreffen am Tegernsee hatte ich die Hose voll. Peter Sagan, Emanuel Buchmann, Lennard Kämna, das sind so erfolgreiche Fahrer – und ich mittendrin. Aber ich wurde megaherzlich aufgenommen. Die sind alle extrem gut drauf, total lustig, am Abend wird Xbox gespielt, geflachst – aber um 7 Uhr steht jeder topfit auf der Matte und zieht dann das Training voll durch. Egal ob Schnee liegt, egal ob sechs Stunden mit Intervallfahrten

anstehen. Jeder dieser Fahrer ist Weltklasse, und das merkst du. Da geht im Training richtig was weiter. Was können deine neuen Kollegen von dir als Skibergsteiger lernen? Ich glaube, was ich vor allem einbringe, ist eine Begeisterung, die anstecken kann. Die Bedingungen im Profiradsport sind ja ganz anders als im Skibergsteigen. Allein das Trainingslager: Dir wird die Wäsche gewaschen, es sind fünf Masseure dabei, um deine Ernährung brauchst du dir keine Gedanken zu machen, und wenn du morgens auf dein Rad steigst, ist es top vorbereitet. Ein Wahnsinn! Ich bin ein offener Typ. Wenn ich gut drauf bin, zeige ich das. Und am Gardasee war ich zwei Wochen lang so gut drauf, dass die sportlichen Leiter sagten: „Toni, das ist so schön zu sehen, was du für eine Freude am Training hast!“ Und mein Kumpel Lukas Pöstlberger meinte: „Seit du dabei bist, hat mir das auch noch mal einen Extraschub Motivation gegeben.“ So was freut mich natürlich. Du hast schon einmal einen Neuanfang in einer zusätzlichen Disziplin hinter dir: Neben dem Skibergsteigen im Winter bist du im Sommer 2012 bei BerglaufWettbewerben angetreten. Hast du daraus etwas gelernt, was dir jetzt im Radsport hilft? Ja, das Wissen, wie beflügelnd so ein Neustart ist. Das war damals auch schon so. Es ist ein Gefühl, als wärst du frisch verliebt. Du hast Aufwind, schwebst. Das setzt neue Kräfte frei. Auf die kannst du bauen. Werden dir die Wettkämpfe im Skibergsteigen fehlen? Wenn es mir fehlt, kann ich ja zurückkehren. Die Berge stehen auch in zehn Jahren noch. Aber jetzt bin ich so was von bereit für etwas Neues! Ich will das jetzt machen, und ich will es gut machen. Und irgendwann will ich zu jungen Leuten sagen können: „Hey, wenn du mutig bist, motiviert und fleißig, dann kannst du alles schaffen im Leben.“ Diese Story möchte ich erzählen.

Palzer gewinnt Neuland: Bei Ausfahrten mit den neuen Kollegen vom Rennstall BORA-hansgrohe nähert er sich dem professionellen Radfahren an – hier im Wintertrainingslager am Gardasee.

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Verfolge Anton Palzers neue Abenteuer auf Instagram unter: @antonpalzer THE RED BULLETIN

CHRISTOF KREUTZER

vermehrt auf dem Rad verbracht. Während der Weltcup-Saison im ­Skibergsteigen natürlich hauptsächlich auf Skiern, aber das ist auch ein super Training fürs Radfahren.


TURBO LEVO SL THE POWER TO RIDE MORE TRAILS

I T ’ S Y O U , O N LY FA S T E R | T U R B O L E V O S L SPECIALIZED.COM


Oliver Masucci

„Jeder kann sich seine Realität schnitzen“ Schauspieler Oliver Masucci, 52, liebt die Extreme. Hier spricht er über den Reiz des Grenzbereichs, wie ihn Ziele inspirieren und warum Grinsen gegen Angst hilft. Text RÜDIGER STURM  Foto MARINA WEIGL

Von Rainer Werner Fassbinder bis Adolf Hitler: Oliver Masucci brilliert in exponierten Rollen. Auf Netflix ist er seit Februar in der ScienceFiction-Serie „Tribes of Europa“ zu ­sehen. Auch während des Videocalls er­leben wir ihn in einer besonderen Situation: Für einen Dreh logiert er in einem Hotel in England – wegen des Lockdowns als einziger Gast. the red bulletin: Sie tragen eine Manschette an der Hand … oliver masucci: Weil ich mir beim Downhill-Mountainbiken das Kahn­ bein gebrochen habe. Das wird noch eine komplizierte Operation erfordern, für die habe ich momen­ tan aber keine Zeit, weil ich gerade einen großen Film drehe. Suchen Sie das Extreme? In „Tribes of Europa“ geht es ums Überleben nach einer Katastrophe. Ich finde es schwach, wenn jemand von einem Abgrund erzählen will, ihn aber nicht erlebt hat. Es gab Zei­ ten, da habe ich Extreme ausgelotet. Ich habe Nächte durchgesoffen, in alle Richtungen gelebt, auf vier Büh­ nen gleichzeitig gespielt. Aber als meine Kinder kamen, habe ich mich gebremst, weil ich ihnen Halt geben wollte.

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Welche Grenzsituationen haben Sie beruflich schon überstanden? Für die Theaterinszenierung „Schlachten!“ stand ich zwölf Stun­ den auf der Bühne – im wahrsten Sinne des Wortes. Vor dem Dreh des Films „Er ist wieder da“ hatte ich massive Angst, denn ich musste da in der Öffentlichkeit als Adolf Hitler auftreten. In einer Situation wurde ich zwei Psychologinnen als Schizo­ phrener vorgestellt, der sich für den Führer hält. Die haben mich fünf Stunden lang therapiert. Wie haben Sie die Angst besiegt? Ich habe gelernt: Du musst einfach nur machen. Wenn du vor etwas Angst hast, dann musst du da hin­ eingehen. Ich habe gelernt, in ex­ tre­men Situationen nicht mehr zu ­denken und einfach loszulassen. Ein Beispiel, bitte. In einer Shakespeare-Inszenierung am Wiener Burgtheater musste ich einen Mono­log dreimal hintereinan­ der vortragen – jeweils unterschied­ lich interpretiert. Aber einmal ist mein Bühnenpartner nicht erschie­ nen. Ich stand zehn Minuten alleine da – vor 1400 Zuschauern. Da war die Frage: Soll ich mich schämen und abgehen, weil ich keinen Text mehr habe? Aber ich habe einfach weitergemacht auf Fantasie-Italie­ nisch, die Sprache aufgelöst und nur

noch „Bitzebatzebutze“ gesagt. Der ganze Saal hat vor Lachen getobt. Gibt es einen Trick, um solche ­Situationen zu meistern? Es kommt auf die Haltung an. In einer anderen Inszenierung muss­ te ich „O sole mio“ singen. Meine Musik­lehrerin an der Schule hatte mir eingeredet, dass ich unmusika­ lisch sei, also war ich bei der Premie­ re wahnsinnig aufgeregt. In der ers­ ten Reihe hörte ich eine Frau sagen: „O mein Gott, singt der schlecht!“ Alle guckten betreten. Kein Applaus. Jetzt hatte ich aber tags darauf die nächste Vorstellung. Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Und? Ich habe mit vollem Selbstbewusst­ sein schlecht gesungen und ins Publikum gegrinst. So dachten alle, ich würde absichtlich so singen. Mein Gesang war so beschissen wie vorher, aber es gab einen Riesen­ applaus. Du musst also aus deinen Defiziten etwas machen, du musst sie in etwas anderes verwandeln. Das braucht Selbstbewusstsein. Das habe ich auch erst lernen müssen. In der Schule war ich als Gastarbeiterkind Außenseiter, aber ich wollte wahrgenommen werden. Das habe ich in der Schauspielerei gefunden. Jeder sollte sich fragen: Wo sehe ich mich in Zukunft? Man darf nie auf das hören, was andere über einen sagen, sondern sollte sich selbst so erfinden, wie man sich ger­ ne haben möchte. Die Kunst besteht darin, nüchtern zu tun, was man be­ trunken gedacht hat, sagte Churchill – in einem Zustand also, in dem man keine Angst vor Konsequenzen in der sogenannten Realität hat. Jeder kann sich seine Realität schnitzen. Und dafür ist es hilfreich, zu kom­ munizieren. Geht auf die Leute zu, versteckt euch nicht! Die Sci-Fi-Serie „Tribes of Europa“ mit Masucci läuft jetzt auf: netflix.com

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„Wenn du vor etwas Angst hast, musst du da hineingehen.“ Masucci verlässt sich in schwierigen Situationen aufs Handeln.

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Priya Ragu

„Ich glaube an kreative Energie“ Priya Ragu, 35, erobert gerade die Popwelt. Warum die Schweizerin mit tamilischen Wurzeln ihre Band per Tinder-Taktik suchte und wie sie Selbstsicherheit fand. Interview SABRINA LUTTENBERGER  Foto JENNY BROUGH

Im Nachhinein betrachtet war für Priya Ragu alles nur eine Frage der Zeit. Seit Jahren wird sie als kommender Superstar gehandelt – schließlich hat sie es bereits 2013 ins Finale des wichtigsten Schweizer Nachwuchswettbewerbs, der „Demo­tape Clinic“, geschafft. Im Alter von 34 war es endlich so weit: Seit vergangenem Frühjahr hat Priya Ragu ihren ersten Plattenvertrag in der Tasche. Die Single „Good Love 2.0“ landete im Soundtrack von „FIFA 21“, dem bekanntesten Fußballvideospiel der Welt. Und ihr Sound wird von Kritikern hoch gelobt, manche sagen sogar: Klingt wie nie gehört. Er ist geprägt von Priyas tamilischen Wurzeln – ihre Eltern waren in den 1980er-Jahren, noch vor ­Priyas Geburt, aus Sri Lanka in die Schweiz geflüchtet – und ihrer Leidenschaft für amerikanischen R ’n’ B. Warum gut Ding in ihrem Fall besonders viel Weile brauchte? Weil es dauerte, bis Priya sich klar wurde, dass sie wirklich nur eines will: ­Musik machen. Ab März 2020 ging dann alles ganz schnell: Lockdown, Label und ab nach London – in der britischen Metropole stellte sie eine Band zusammen. Und hatte ­damit endlich Gewissheit: Ja, das lange Warten hat sich gelohnt.

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the red bulletin: Dir wurde seit deiner Teenagerzeit Talent nachgesagt. Trotzdem hast du erst spät Musik veröffentlicht. Warum? priya ragu: Ich bin jetzt viel selbstsicherer als früher. Es stimmt, es hat lange gedauert, bis ich eigene Songs geschrieben habe und bis mir die innere Stimme gesagt hat: „Komm, lass uns das jetzt wirklich mal probieren!“ (Lacht.) Als ich Ende 2018 das erste Lied ver­öffentlicht habe, bekam ich viel Aufmerksamkeit. Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ausgerechnet 2020 war dann dein Jahr: Du hast einen Vertrag beim Major-Label Warner bekommen. Ich weiß! Ich weiß! Das ist ein echtes Privileg. Ich meine, das ist ja wahrscheinlich auch das erste Mal in der Geschichte, dass eine Künstlerin über einen Zoom-Call gesignt wurde. Auch die Musiker für die Band habe ich online ausgewählt. Das Management hat mir Vorschläge geschickt, also wirklich vier verschiedene Gitar­risten, vier Pianisten, Drummer … Und dann konnte ich wie im Katalog auswählen. Oder wie auf Tinder: links, links, rechts. Du warst ja schon einmal in einer Band. So hat alles angefangen. Ich bin mit tamilischer Filmmusik aus Kollywood aufgewachsen – im Norden Indiens sagt man ja Bollywood, im Süden ist es Kollywood. Mein Vater hatte eine kleine Band zusammengestellt, die Kollywood-

Lieder gecovert hat. Mein Bruder hat Keyboard gespielt, und ich hab gesungen. Wir waren so ein bisschen die Ausnahmetalente in der Familie. Wenn am Wochenende die ganze Familie zu uns gekommen ist, dann hieß es auch immer gleich: „Priya, sing uns mal was vor!“ Wie war das dann für dich, plötzlich eigene Songs zu schreiben? Das Schreiben ist mir definitiv nicht so leichtgefallen, die Melodien kamen jedoch immer schnell. Ich glaube fest daran, dass es so etwas wie eine kreative Energie gibt und dass die ­etwas Göttliches ist. Manchmal kommen einem Ideen, man nimmt sie auf, und im Nachhinein denkt man sich: „Oh shit, war ich das jetzt? Wie hab ich das gemacht?“ Bist du ein spiritueller Mensch? Schon eher. Ich glaube an Karma und Wieder­geburt. Ich glaube auch, Spiritualität hat etwas mit einem selbst zu tun. Dass man in sich geht, die Antworten in sich selbst sucht und findet. Es gibt immer eine innere Stimme, die dir sagt, was du eigentlich willst. Ich hab die Stimme auch sagen hören, dass ich eigentlich Musikerin sein möchte, hab sie aber bewusst ignoriert. Mir hat die Selbstsicherheit gefehlt. Wie bist du dann selbstsicherer geworden? Durch viel Übung! Ich bin zum Beispiel am Morgen aufgestanden und habe drei Seiten in mein Tagebuch geschrieben, meine Gedanken, meine Unsicherheiten – so bin ich auf Lösungen gekommen, das war für mich ziemlich therapeutisch. Dann habe ich das Buch „Der Weg des Künstlers“ von Julia Cameron gelesen, in dem es darum geht, seine Kreativität zu entdecken, was mich total motiviert hat. Man muss, glaube ich, ständig an sich arbeiten, sich fordern und sich aus der Komfortzone trauen.

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„Man findet die Antworten in sich selbst.“ Ihre Spiritualität gibt Priya Ragu Kraft – in der Kunst und im Leben.

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BIKE SPECIAL

LOCKER IST LEICHTER Wie man seine Nerven im Zaum hält, selbst wenn zehntausende Zuschauer auf einen Fehler warten: MountainbikeFreerider ERIK FEDKO, 23, hat da einen Trumpf in der Hinterhand. Text WERNER JESSNER  Fotos ROBERT WUNSCH

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Das kleine Einmaleins: Backflips gehören zum Standard-Repertoire von Freerider Erik Fedko.


BIKE SPECIAL

E

rik Fedko wusste etwas, was die anderen nicht wussten. Er hatte zu Hause an etwas gebastelt, von dem keiner etwas ahnte. An etwas sehr Kompliziertem. Es war ihm gelungen. Er wusste, dass ihm das niemand so schnell nachmachen würde. Wie jeder gute Handwerker, Ingenieur oder Künstler gab ihm das, was er nur für sich im eigenen Garten geschafft hatte, die Bestätigung, sein Handwerk tatsächlich zu beherrschen. Was für Mountainbiker Fedko eine neue Trick-Combo ist, mag für andere das komplizierte Kochrezept sein, das schon einmal perfekt gelungen ist, zum Beispiel ein luftig-leichtes Soufflé. Ob man es bereits beim nächsten Mal für Freunde zubereitet? Vielleicht. Wenn, dann wird man auf jeden Fall entspannter an die Sache herangehen können. Es hat ja bereits einmal geklappt. Whistler in der kanadischen Provinz British Columbia, zwei Autostunden nördlich von Vancouver gelegen, ist für Mountainbiker das, was Kitzbühel für Skifahrer, Wimbledon für Tennisspieler oder Indianapolis für Auto-Rennfahrer ist: Mekka, Medina, Lourdes, Fatima und Hölle zugleich. Doch statt religiöser ­Devotionalien führt hier jeder der Andächtigen ein Mountainbike zum Fullface-Helm mit, und „jeder“ bedeutet ­tatsächlich jeder und jede, vom Pflichtschüler bis zur Großmutter. Nirgendwo sonst wird dem Gott der grobstolligen Räder so intensiv gehuldigt, und der größte Feiertag ist der Red Bull Joyride beim legendären Crankworx-Festival. Auf einem ultraschwierigen, jedes Jahr neu gebauten Slopestyle-Kurs mit meterhohen künstlichen Hindernissen bringen die besten Freerider der Welt ihre Skills dar, und jedes Fußballstadion der Welt wäre stolz auf diese Atmosphäre. Mehrere zehntausend Fans brüllen sich die Seelen aus dem Leib, sie machen Party und feiern; der gesamte Hang ist voller Menschen, die das Fahrradfahren und 42

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„WENN DU LOSFÄHRST, MUSST DU DICH COMMITTEN: DANN GIBT ES KEIN ZUCKEN MEHR, KEIN BREMSEN.“ Erik Fedko über sein Mindset beim Wettkampf

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Style geht Erik über alles: „Ich würde nie mit, sagen wir, gelben Hosen und grünem Shirt an den Start gehen.“


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-fliegen feiern. Und genau wie in Kitz­ bühel, Wimbledon oder Indianapolis ist das Publikum fachkundig, hier vielleicht noch mehr als sonst wo. Weil wirklich jeder (ja, jeder) hier selbst Mountainbiker ist, kann er genau einschätzen, was die Stars auf diesem Kurs leisten. Oben macht sich ein junger Mann für seinen Run bereit, der aus einem – in den Augen der Fans hier – bikemäßigen Entwicklungsland stammt. Er ist groß, schlank, blond, sein Name ist Erik Fedko, und er stammt aus – erraten! – Deutschland. Die bloße Tatsache, es hierher­ geschafft zu haben, bedeutet Neuland für den Mann aus Fröndenberg bei Dortmund. Unter die ersten zehn zu kommen wäre ein Wahnsinn, Top Five ein Traum. Der Name Fedko sagt den Gläubigen hier in Whistler anno 2018 noch nichts – oder höchstens einigen wenigen, die den Fahrer im Jahr zuvor beim Red Bull District Ride gesehen hatten, wo er Platz 5 belegt und damit die Wild Card für den Red Bull Joyride gelöst hatte. Der Rest sollte ihn hier und heute kennenlernen.

„MAN MUSS DAS SCHON AUCH WOLLEN: VOLLE LEISTUNG UNTER BEOBACHTUNG ABLIEFERN.“ gefesselt. Beim sechsten japst der Kommentator ungläubig „Oh, come on!“, während der andere amimäßig eloquent noch um Professionalität bemüht ist: „Er hat so viel Spaß da draußen, wenn er die größten Combos raushaut, die wir

an diesem Tag bislang gesehen haben“, oder: „Dieser Junge wird von Mal zu Mal besser.“ Sein Co gibt im Ziel endgültig die Kontrolle ab: „Ridiculous. Erik Fedko ist der Terminator!“ Kollege cool, voll in seiner Rolle: „Wir haben bereits im Training gesehen, dass dieser Kerl gut ist und Selbstvertrauen hat. Aber im Contest Komplika­ tionen einzubauen, ohne sie im Training ausprobiert zu haben, das ist dann doch noch eine ganz andere Nummer.“ Fedko hatte hier quasi live ein Soufflé zube­ reitet, locker, leicht, perfekt gelungen. Platz drei in der Kathedrale des Slope­ style: Das möchten andere gern irgendwann in ihrer Karriere erreichen. Fedko schaffte es bei seiner Premiere.

KARTEN AUF DEN TISCH

Die Masse tobt, die Boxen pumpen, die Sprecher schreien sich die Seele aus dem Leib. Was geht einem in diesem Moment durch den Kopf, Erik Fedko? „Du willst zeigen, was du kannst.“ Die Stadion­ sprecher äußerten Bedenken: „Er fährt hier mit der internationalen Spitze. Aber es ist sein erstes Mal auf der größten Bühne der Welt.“ Warst du deswegen aufgeregt, Erik? „Nicht mehr als sonst. Eigentlich war ich sogar ziemlich locker. Ein ge­wisses Bauchkribbeln war da.“ Hast du ein spezielles Ritual, um dieses Kribbeln zu kanalisieren? „Ich denke an das Feeling, das mir ein geglückter Lauf im Ziel bescheren würde. Und daran, dass ich die Tricks beherrsche, zumindest grundsätzlich – selbst wenn ich sie bisher nur im Training gezeigt habe und im Contest noch nicht auspacken musste.“ Was er hier auspacken musste? Wir werden gleich darauf zurückkommen und übergeben einstweilen wieder an die Stadion­sprecher: „Er wirkt außergewöhnlich ruhig dafür, dass es sein ­erstes Mal ist.“ Nach dem zweiten Sprung, den der eine Kommentator bloß benennt („360 Tailwhip to Barspin“), brüllt der andere bereits völlig fassungslos „What!?!“ ins Mikro. Mit seinem vierten Sprung hat Erik Fedko das fachkundige Publikum THE RED BULLETIN

Aufbruch in ein neues Jahr: Nachdem es 2020 kaum Contests gab, hofft Erik heuer auf einen vollen Kalender.

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BIKE SPECIAL

Die Körpersprache der Athleten am Start lässt ahnen, welche Stürme im In­ neren toben. Kleine Fehler könnten jeder­ zeit eine Verletzung bedeuten – so wie in Eriks Lehrjahren, als regelmäßig Schlüs­ selbeine brachen, „links, rechts, links, ­immer schön abwechselnd, bis meine ­Eltern fragten, ob ich nicht aufhören wol­ le mit dem Fahren. Aber es hat einfach zu viel Spaß gemacht, und jeder Tag, den ich nicht auf dem Bike verbringen konn­ te, war ein verlorener Tag für mich.“ ­Natürlich denkt Erik nicht an Verletzun­ gen, wenn er sich geistig bereit macht für die entscheidenden Sekunden. „Ich ver­ suche, in meine Zone zu kommen, und fühle mich eigentlich recht locker dabei.“

CHILLÄX, MANN!

ERIK FEDKOS TRICK FÜR GELASSENHEIT: „ICH WILL IMMER MEHR KÖNNEN, ALS ICH ZEIGEN MUSS.“ 46

Heimarbeit: Voriges Jahr hat Erik Fedko seine Tricks im Hinterhof weiter verfeinert.

positiver Energie aufzuladen und ­locker drauf zu sein statt angespannt.“ Eigentlich ist Erik gelernter Zerspa­ nungsmechaniker. Doch jeden Tag ab sieben Uhr an der Drehbank zu stehen hätte ihn langfristig nicht glücklich ge­ macht: „Ich hätte mich fortbilden und später einen Uni-Abschluss machen ­können, aber der Weg dorthin erschien mir lang – und langweilig. Meine Energie wollte ich lieber anders fokussieren.“ Besser ein wenig zu viel Action hier und da als die ewig gleiche Leier, das sieht Erik Fedko als Schlüssel dafür an, ­wirklich gut zu werden in dem, was man macht. Ein Talent, das sein Mentor und Ma­ nager Tarek Rasouli, der seit Jahrzehn­ ten Weltklasse-Biker betreut, rasch er­ kannt hat. „Erik ist mir zum ersten Mal bei einem kleinen Event in Deutschland aufgefallen, er kann maximal 15 Jahre alt gewesen sein. Zusätzlich hatte er nicht nur Motocross-Background, son­

dern Biss. Zu biken hatte er mit einem Billig-Rad begonnen, das ihm sein Vater immer wieder mit dem Schweißgerät ­reparieren musste, weil die Belastungen für den Rahmen wieder einmal zu hoch waren. Spätestens nach seinem fünften Platz beim Red Bull District Ride in Nürnberg 2017 musste man ihn auf dem Schirm haben. Total auf dem Boden ge­ blieben, aber Mega-Style, und MegaStanding unter den anderen Ridern.“ Letzteres verdiente er sich unter ande­ rem durch Tricks, die sonst keiner kann. Tarek: „Den ‚360 Super Indian Air‘ be­ herrscht nach wie vor sonst keiner“ ­(dieser Sprung besteht aus einer vollen Drehung um die Hochachse, bei der man das Bike am Sattel packt und die Beine überkreuzt nach hinten wegstreckt). Ganz im Vertrauen: Wie sehr wackeln einem 23 Jahre alten Bike-Pro die Knie, wenn er zum ersten Mal etwas raushau­ en muss – etwas, was noch kein Mensch vor ihm gestanden ist? „Es ist ja nicht so, THE RED BULLETIN

MAKE-UP: MELANIE BULU/AGENTUR NINA KLEIN, LOCATION: SUPERFLY.DE

Dabei hilft ihm der Teamgeist, der unter den besten Freeridern der Welt herrscht: Man baut gemeinsam Selbstvertrauen auf und pusht sich gegenseitig. Wenn ei­ nem mulmig zumute ist, hilft die Gruppe. „Mountain­biken ist ein Sport, in dem man sich nichts neidet. Wenn einer der Jungs einen geilen Run raushaut, feiern ihn die anderen. Es herrscht eine positive Ener­ gie, und das nimmt einen Teil der Anspan­ nung weg, die dich sonst verkrampft.“ Viele schütteln am Start die Muskeln aus, springen rum, manche blödeln. Nur ein, zwei verkriechen sich unter ihren Kopfhörern und wollen in Ruhe gelassen werden. Das ist ein dramatischer Unter­ schied zu etwa Skispringern, von denen sich der Großteil durch schiere Konzen­ tration in mental andere Sphären beamt. „Wahrscheinlich funktioniert es für sie. Mir entspricht der Mountainbike-Life­ style mehr. Dazu gehört, jeden Run mit


„IN DIESEM SPORT HERRSCHT EINE POSITIVE ENERGIE, DAS NIMMT EINEN TEIL DER ANSPANNUNG.“ Ich habe Tricks in der Pipeline, die ich zwar bereits beherrsche, allerdings noch nie in einem Contest auspacken musste. Etwas zu machen, wenn alle zuschauen, ist die dritte Ebene der Perfektion.“ Siehe Whistler 2018, 30.000 Fans.

ECHTE PERFORMANCE

Das kannst du auch!

HENNER THIES

Im Video-Tutorial zeigt Erik, wie man eine Rampe baut. Wer fliegen will, braucht einen Absprung. In seinem neuen Video-Tutorial erklärt Erik, wie Freizeit-Mountainbiker eigene Rampen bauen können. Mit dem Obstacle-Schreiner Andreas Schützenberger zeigt er Schritt für Schritt, wie die Konstruktion gelingt. Kein Mountainbiker? Kein Problem: In weiteren Folgen verraten BMX-Athlet Bruno ­Hoffmann, Snowboarder Benny Urban sowie die Skater Vladik Scholz und Jost Arens, wie man ihre Hindernisse ­nachbaut. Jetzt ansehen: redbull.com THE RED BULLETIN

dass man das zum ersten Mal vor der Weltöffentlichkeit versucht. Zuerst pro­ biert man den Sprung in ein Luftkissen, da kann eigentlich nicht so viel passie­ ren, außer dass das Bike auf dich drauf­ fällt. Das gibt dann halt blaue Flecken. Der größte Schritt ist der zu einer Lan­ dung auf festem Untergrund. Wenn du losfährst, musst du dich committen: Dann gibt es kein Zucken mehr, kein Bremsen. Tu, was du dir vorgenommen hast. Klar bist du nervös, aber denk im­ mer daran, wie es sich anfühlen wird, den Trick gestanden zu haben!“ Oft braucht es hunderte Versuche, bis sich das hässliche Gefühl am Start verflüchtigt, manchmal reichen schon ein paar Dutzend – und da ist es egal, ob man im Luftkissen oder auf dem Erdhü­ gel landet. Den Trick, warum etwas, was im Training gelingt, auch auf der großen Bühne funktioniert, teilt er sich übrigens mit vielen Profi-Musikern: „Ich will im­ mer mehr können, als ich zeigen muss.

Jetzt kommt die schlechte Nachricht: „Ich habe Kumpels, die fahren nur zum Spaß und hauen Tricks raus, die kann nicht mal ich. Daher dachte ich, ich müsste sie zu Contests schleppen und sie würden dort alles abräumen. Haben sie aber nicht. Da ging gar nichts mehr. Man muss das schon auch wollen: volle Leistung unter Beobachtung abliefern.“ Druck aufzubauen brächte in der Situa­ tion gar nichts, schon gar nicht in einem so exponierten Sport. Da würde man sich zu rasch und zu oft wehtun. Erik Fedko erkennt man im Wett­ kampf in aller Regel an der präzisesten Landung, an der größten Höhe, an der exaktesten Ausführung. Es sieht leicht aus, was er macht, weil er nämlich be­ reits viel weiter ist in seiner Entwicklung. Er macht das, womit er sich wohlfühlt, selbst wenn es für den Rest nicht im An­ satz kopierbar ist. Manager Rasouli: „Erik versucht keine verrückten Sachen, von denen er nicht weiß, ob er sie schafft. Er weiß, was er kann, und darum schafft er es auch, innerlich ruhig zu bleiben, wenn es zählt.“ Vielleicht ist es das, was man sich von ihm abschauen kann: Dass man das Limit zuerst für sich selbst verschiebt und sei­ ne Karten erst offenlegt, wenn es wirk­ lich sein muss. Dass man seine Gäste erst dann mit einem Soufflé zu verblüffen versucht, wenn man sicher ist, dass es gelingt. Wenn es bis dann Bratäpfel zum Dessert gibt – auch gut. Die lieben alle. Seine neuesten Stunts und Trips zeigt Erik Fedko regelmäßig auf Instagram: @erik_fedko

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BIKE SPECIAL

KOMMT ZEIT, KOMMT RAD

Wie geht ein Rückwärtssalto? Wo sind die besten Bike-Parks? Und wozu brauchen Radler Beinstulpen? Sieben Top-Athleten klären alle Fragen zur Bike-Saison. Text JOHANNES MITTERER

LARA LESSMANN, 21 Die BMX-Athletin verrät ihre Tricks.

FABIO SCHÄFER, 34 Mit dem Abenteurer auf Gravel-Tour.

SEBASTIAN KIENLE, 36 Der Triathlet zeigt die coolsten Gadgets.

RACHEL ATHERTON, 33 Das Downhill-Ass gibt Mental-Tipps.

PATRICK SEABASE, 37 Der Fixie-Pionier macht dich fit.

MICHAEL STRASSER, 37 Der Langstrecken-Star teilt Rezepte.

JASPER JAUCH, 29 Der Mountainbiker empfiehlt Trail-Parks.


MICHAEL MÜLLER (2), MARCEL LÄMMERHIRT/RED BULL CONTENT POOL, JANNIK HAMMES, GRAEME MURRAY/RED BULL CONTENT POOL, DAN WILTON, PHIL GALE, CRAIG KOLESKY

Downhill-Mountainbiker Jasper Jauch liegt von Natur aus gut in der Kurve.

ACTION IM BLICK

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BMX-Athletin Lara Lessmann, 21, aus Berlin ist Vorreiterin der weiblichen Szene und tritt in der Olympia-Disziplin BMX Park an.

LARA LESSMANN

6. Backflip

FLIEGEN FÜR ANFÄNGER Zum Zuschauen oder Ausprobieren: So funktionieren die Tricks der neuen Olympia-Disziplin BMX Park.

nieren kann – zum Beispiel mit einem Can-Can – und so eine höhere Wertung bekommt. Wenn man den Lenker möglichst langsam dreht, beweist man außerdem eine gute Radkontrolle. Auch das kann mehr Punkte bringen.“

1. Can-Can

Bein über Rahmen

2. Barspin

Der Dreh mit der Gabel „Eine Lenkerdrehung um 360 Grad. Der Barspin gehört zu den Basics im BMX. Man kann ihn überall machen: in der Luft, auf einer Rampe oder darüber, egal. Cool ­daran ist, dass man ihn mit vielen anderen Tricks kombi50

4. Tailwhip

Ein wenig neuer Schwung für dein Bike „Man hält den Lenker fest und kickt mit einem Fuß gegen die Kurbel, damit sich das Rad um genau 360 Grad dreht. Der eigene Körper bleibt währenddessen gerade. Ist eher was für Fortgeschrittene, weil man sehr viel Radkontrolle braucht – und viel Selbstvertrauen, dass man am Ende auch wieder auf die Pedale findet. Am besten übt man den Trick erst einmal mit einem Schaumstoffbecken hinter dem Absprung. Man muss sich trauen, schneller anzufahren und höher zu springen, dann klappt der Trick besser, weil man mehr Zeit hat. Wichtig für die Wertung ist übrigens, dass man wieder sauber auf den Pedalen landet.“

„Anfahren, in die Knie gehen und dann mit dem Schwung der Rampe mitgehen, sodass man sich gefühlt fast automatisch dreht. Wenn man merkt, dass man sich zu schnell dreht, kann man den Körper ein bisschen strecken, um die Drehung zu bremsen. Das merkt die Jury aber – und schon gibt’s Punkteabzug. Schöner ist es, wenn man in einer sauberen, gleichmäßigen Drehung durchkommt. Mehr Punkte gibt es auch, wenn man höher und weiter springt, am besten über die ganze Rampe. Bei der Landung drücke ich immer die Bremse, damit ich den Schwung ein bisschen ausgleichen kann.“

7. Crankflip Barspin

3. No Hand

5. 360

„Auch ein Basic-Trick, den man sehr einfach üben kann: Erst probiert man, eine Hand vom Lenker zu nehmen, dann beide Hände. Wenn man besser wird, kann man den Trick schneller anfahren, höher springen und dann irgendwann den Lenker zwischen Hüfte und Bauch einklemmen und die Arme so weit nach oben oder zur Seite strecken, wie es geht. Je länger man den Trick halten kann und je gestreckter die Arme sind, desto höher die Wertung.“

„Hier dreht man sich mitsamt dem Rad einmal komplett um die Hochachse im Kreis. Das ist einer der Basic-Tricks, und er lässt sich gut üben: Erst dreht man sich nur um 180 Grad, dann irgendwann komplett. Wichtig ist, schon auf der Rampe einzulenken und dann alles herumzureißen, den Kopf, die Schultern, alles. In der Luft sollte man sich dann aber frühzeitig einen Punkt suchen, an dem man landen will. So verhindert man, dass man überdreht.“

Im Flugmodus

Kreisverkehr

„Hier führt man zwei Tricks gleichzeitig in der Luft aus. Crankspin bedeutet, dass man die Kurbel einmal komplett rückwärts im Kreis dreht. Man nimmt also die Füße von den Pedalen. ­Kombiniert mit dem Barspin (s. o.) bedeutet das, dass man das Rad für kurze Zeit komplett loslassen muss. ­Voraussetzung dafür ist, dass man jeden Trick für sich zu 100 Prozent beherrscht. Den Crankflip Barspin habe ich als erste Frau geschafft, das war schon ein Highlight. Aber er hat mich auch einiges an Nerven gekostet.“ THE RED BULLETIN

TOM MACKINGER

Einfach loslassen

MARCEL LÄMMERHIRT/RED BULL CONTENT POOL

„Das ist mein Lieblingstrick, und der gelingt mir auch am schönsten“, sagt Lara Lessmann. „Man streckt in der Luft ein Bein über den Rahmen. Leichter ist es, wenn man das vordere Bein nimmt, dann findet man besser wieder aufs Pedal. Man muss nur ein bisschen beweglich sein und den Lenker gut festhalten. Je gestreckter das Bein und je mehr man den Lenker vom Körper wegdrückt, desto mehr Punkte gibt es.“

Salto rückwärts


BIKE SPECIAL

8. Toboggan

Lenker-Sattel-Kombi „Der Toboggan ist bei BowlFahrern beliebter als bei ParkFahrern, in jedem Fall aber auch für Einsteiger geeignet: In der Luft greift die eine Hand zum Sattel, die andere Hand dreht den Lenker um 90 Grad – und dann wieder alles zurück für die Landung. Auch hier gilt: Je weiter man sich streckt, desto besser sieht’s aus. Und das bedeutet: mehr Punkte!“

VÖLLIG LOSGELÖST In ihrem neuen Video erkundet Lara Lessmann neue Playgrounds in Berlin – ohne Punktrichter, mit umso mehr Style. Jetzt anschauen auf: redbull.com


FABIO IM FREIEN Beim Graveln geht es nie um die schnellste, sondern immer um die schönste Strecke.

Gravel-Bike eine Alternative sein. Genauso für Rennradfahrer, die eine Abwechslung zum leistungsgetriebenen ­Kilometerschrubben suchen und die nicht mehr ausschließlich auf asphaltierte Straßen festgelegt sein wollen – für die verspricht ein ­GravelBike mehr Flexibilität, auch etwas mehr Abenteuer. Man kann fast überall damit fahren, und das auch über weite Strecken.“

Bike-Abenteurer Fabio Schäfer, 34, aus dem Hunsrück unterhält knapp 250.000 Abonnenten auf YouTube mit seinen Videos.

FABIO SCHÄFER

SO STEIGST DU DIESEN SOMMER QUERFELD EIN Rennrad trifft Gelände: fünf Tipps für alle, die mit der neuen Rad-Disziplin Gravel liebäugeln. 52

1. Überlege, was du wirklich willst „Gravel-Bikes (von ,gravel‘, engl. Schotter; Anm.) sind grob gesagt geländetaugliche Rennräder. Sie zu fahren bedeutet für mich die Freiheit, sich treiben zu lassen. Spontan bei der Haustür raus, mit Helm und T-Shirt, und los. Wer Mountainbike fährt und die Suche nach einem guten Trail, die Anfahrt, das viele Material als zu aufwendig empfindet, für den könnte ein

„Die Disziplin ist noch relativ jung, deshalb kommt es vor, dass Leute, die ein GravelBike kaufen möchten, aus Versehen in einer anderen Kategorie landen: beim CycloCross. Das ist eine Art Rennrad mit breiteren Reifen, speziell für bestimmte Rennen ausgelegt und damit unge­ eignet für die Abenteuer, die man mit dem Gravel-Bike sucht. Dieses hat zwar auch den klassischen Rennrad­ lenker, ist aber noch robuster gebaut, und man sitzt deutlich aufrechter. Wichtig sind die korrekte Rahmengröße und ein passender Sattel (in manchen Läden kann man einen Abdruck machen lassen). Ich würde auch zu Scheibenbremsen raten und zu Tubeless-Reifen, also Reifen ohne Schlauch, damit hat man weniger Pannen. Und ich empfehle breite Klickpedale statt der schmalen Rennradversion, deren Auflageflächen bieten gerade auf ruppigem Untergrund mehr Halt. Und statt Rennradschuhen lieber Modelle mit Outdoor-Charakter: Mit denen kannst du im Gelände besser laufen.“ THE RED BULLETIN

JANNIK HAMMES

2. So wählst du das richtige Bike


BIKE SPECIAL „Das Besondere am Gravel-Biken ist, dass man flexibel ist und sich treiben lassen kann.“

3. Steck alles in eine Tasche „Das Schöne am Gravel-Biken ist für mich, dass man zum Start nicht viel mehr braucht als ein Rad und einen Helm. Purer Minimalismus. Alles weitere hängt dann von den Touren ab, die man machen möchte. Wer mehrere Tage am Stück fahren will, braucht natürlich einen Schlafsack, Gaskocher, Wechselklamotten, Regenjacke. Ganz wichtig: ­alles in einer Lenker- oder Satteltasche verstauen, auf keinen Fall in einem Ruck­ sack. Der wird nämlich bei längeren Touren zur reinsten Qual. Ein Radcomputer kann hilfreich sein, wenn man seine Route nachvollziehen möchte. Schutzbleche sind so eine Sache – sie schauen halt nicht besonders cool aus. Aber bei Regen freut man sich drüber.“

ALLES MATSCH: Schutzbleche gibt’s optional, Schäfer braucht so was nicht.

GEMÜTLICHER TYP MIT HANG ZUR ACTION So geht Gravel-Bike: kleine Materialkunde am Beispiel des Canyon Grail CF SLX 8 eTap. 3

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2 BREITER BEREIFT 40 Millimeter Durchmesser bieten beste Balance zwischen Effizienz auf Straße und Grip im Gelände – es geht aber auch noch breiter.

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GELEGT Das Tretlager bietet im Vergleich zum Rennrad etwas mehr Bodenfreiheit, damit bei Ausfahrten im Gelände nichts in die Quere kommt.

3 STÄRKER

GEBOGEN Für stabileres Handling abseits der Asphaltpisten sind die Lenkerenden beim Gravel-Bike etwas weiter nach außen gebogen.

4. Taste dich langsam heran ans neue Terrain „Wer vom Mountainbike kommt, für den sind Klick­ pedale vielleicht ungewohnt. Am besten übt man an einer Laterne das Ein- und Ausstei­ gen. Auch mit dem Rennrad­ lenker und der Gangschal­ tung sollte man sich vertraut machen. Es kann sein, dass man bei den ersten Fahrten Nackenschmerzen bekommt, das legt sich irgendwann. Rennradfahrer haben damit weniger Probleme, für die werden eher die wechselnden Untergründe neu sein – Kies­ straßen, Waldwege, Matsch. Einfach langsam dran gewöh­ nen. Wenn es unruhig wird, im Stehen fahren und die Pe­ dale waagerecht stellen, da­ mit man nicht hängenbleibt.“

5. Plane deine Routen unterwegs „Hier kommt die große Frei­ heit zur Geltung, die für mich das Gravel-Biken vor allem ausmacht. Ob man nun eine 20-Kilometer-Runde macht oder eine größere Tour: Man startet an der eigenen Haus­ tür und schaut, wo es einen hintreibt. An Kreuzungen ver­ suche ich stets die Straße zu nehmen, die von der Zivilisa­ tion wegführt, immer eher Richtung Wald. Aber man kann mit dem Gravel-Rad auch durch die Stadt fahren. Wer mag, kann sich auch ein Ziel aussuchen und dann ­versuchen, den schönsten Weg dorthin zu finden. Wie gesagt, das Besondere am ­Gravel-Biken ist für mich, dass man vollkommen flexibel ist und sich treiben lassen kann.“   53


Ironman-Sieger Sebastian Kienle, 36, aus Mühlacker setzt im Training auf Tech und Daten.

SEBASTIAN KIENLE

UPDATES FÜR ALLE FÄLLE Fünf besondere Produkte, die dein Training aufs nächste Level heben.

3. Für mehr Farbe „Die Zeiten, in denen Rad­ socken kurz und weiß sein mussten, sind vorbei“, meint Kienle. „Mit diesen Modellen von Sporcks wird man gut ­gesehen, was die Sicherheit erhöht. Die sich bewegenden Beine nehmen auch Auto­ fahrer schneller wahr – wer überfährt schon Flamingos?“ 17,95 Euro; sporcks.com

1. Für beste Sicht Du hältst Insekten für harmlos? Nur so lange, bis dir eine bei Tempo 50 ins Auge fliegt. Vor so einer Erfahrung schützt dich eine Brille wie die Oakley Jawbreaker. Sebastian: „Ihre photochromatischen Gläser passen sich außerdem der Helligkeit an.“

4. Fürs Training drinnen

2. Für leichte Beine Zur Erholung nach schweren Einheiten benutzt Sebastian Kienle Beinstulpen, Marke NormaTec PULSE 2.0. Die blasen sich mit Luft auf und beschleunigen durch gezielten Druck die Regeneration der Muskulatur – fast so gut wie ein privater Masseur. ca. 1225 Euro, etwa via perform-better.de

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„Die Straßen mögen virtuell sein, die Schmerzen sind real“, sagt Sebastian über sein Training mit der Zwift-App. Sein Set-up: Tacx Neo2T Trainer als Rolle, Wahoo Headwind Ventilator, Apple TV 4K, großer Bildschirm. Zwift-Abo: 15 Euro/Monat; zwift.com

5. Für besseren Sitz „Das vielleicht Wichtigste für nachhaltigen Spaß am Radfahren ist die Po-Gesundheit“, sagt Kienle. Dafür ideal: die Gesäßcreme Muc-Off Luxury Chamois Cream. 26,95 Euro; muc-off.com THE RED BULLETIN

GRAEME MURRAY/RED BULL CONTENT POOL, KEVIN SAWYER/RED BULL CONTENT POOL

207 Euro; oakley.com


BIKE SPECIAL

„Auch HobbySportler können dank moderner Technik präziser trainieren als je zuvor.“ Sebastian Kienle meint, dass Hightech-Einsatz ­jeden Radler besser macht.


ALLES IM FLUSS Jasper Jauch im perfekten Flow durch den Wald. Mountainbike-Profi Jasper Jauch, 29, aus Miesbach arbeitet als Guide und Berater der Bike-Industrie.

JASPER JAUCH

1. Festival-Feeling

Sechs Bike-Parks in Deutschland, die du möglicherweise sehr dreckig, aber garantiert glücklich verlässt.

Geeignet für: alle! Wirklich! Im Bayerischen Wald, direkt an der tschechischen Grenze, hat Freeride-Pionier Diddie Schneider ein breites Angebot an Abfahrten geschaffen, die für alle Altersstufen und für jedes Können etwas bieten. Etwas Besonderes, weil … man auf dem Parkplatz campen darf (so es die aktuellen

ZURÜCK ZU DEN WURZELN

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Bikepark Geisskopf im Bayerischen Wald

Maßnahmen zulassen). Leute machen Lagerfeuer oder grillen, man unterhält sich übers Biken und bekommt vielleicht ein Ersatzteil, das man gerade ganz dringend braucht. Auf keinen Fall verpassen: Wer auf flüssige, schnelle Abfahrten steht, nimmt den 2500 Meter langen „Flow Country“-Trail. Es gibt auch Trails über Wurzelpassagen und Steinfelder und sogar eine Bergauf-Strecke speziell für E-Biker. ­mtbzone-bikepark.com/geisskopf THE RED BULLETIN


BIKE SPECIAL

2. Berg-Magie

Bikepark Samerberg bei Rosenheim Geeignet für: Alpen-Fans, die vom Lift den Blick auf Almwiesen und Bergwälder genießen wollen. Wer sich umdreht, sieht das Chiemgauer Alpenvorland. Etwas Besonderes, weil … es sich wie ein Kurzurlaub anfühlt: ein relativ kleiner Park, familiäre Atmosphäre und trotzdem für alle was dabei – inklusive Bike-Spiel­ platz für Kinder. Auf keinen Fall verpassen: die für alle Levels geeignete Hauptstrecke – mit vielen Kurven, Tables und Wellen. Davon zweigen anspruchs­ volle Single-Trails ab, die teils wurzelig und damit technisch herausfordernd sind. Bessere Fahrer trauen sich den „Road­ gap“, einen meterhohen Sprung über die Strecke. bikepark-samerberg.de

3. City-Hopping

MARTIN ERD, RIDETIME.DE, THAIGAH

Bike-Region Freiburg und Umland

Geeignet für: Biker mit Lust auf einen Städte­trip. Der lokale Moun­ tainbike-Verein hat in der Stadt und drumherum einiges auf die Beine gestellt, was Spaß macht. Etwas Besonderes, weil … man eben nicht wie sonst in einem Skigebiet fährt, son­ dern in der City. Im Stadtteil Zähringen wartet ein asphal­ tierter öffentlicher Pump­ track, in einem Weingarten ist ein Dirtpark angelegt. Wei­ tere Trails im Schwarzwald sind mit dem Bike erreichbar. Auf keinen Fall verpassen: Beim „Baden to the Bone“Trail im Umland schlägt mein Freerider-Herz höher – an­ THE RED BULLETIN

spruchsvolle Strecke mit grö­ ßeren Sprüngen und Drops. Karten mit GPS-Daten unter: mountainbike-freiburg.com

4. Kletter-Paradies Heumödern Trails in Treuchtlingen

Geeignet für: Leute, die treten wollen. Hier gibt es nämlich keinen Lift, deshalb sind vor allem Endu­ rance-Fahrer unterwegs. Man strampelt durch die Natur, das Gelände ist nicht sonder­ lich steil. Super für lässige Ausflüge. Etwas Besonderes, weil … das Trailcenter vor Ort Fahr­ technikkurse anbietet, die einen wirklich weiterbringen. Auf keinen Fall verpassen: die eine steile Abfahrt, die schnell in eine scharfe Kurve einbiegt. Der lehmige Unter­ grund ist bei Nässe besonders rutschig. Wer sich nicht traut, schaut den Profis zu. Ach ja, und die Kaspressknödel, die in der Talstation serviert wer­ den, sollte man auf jeden Fall probieren. heumoederntrails.de

Endlich brettern: Bike-Park-Spaß für alle in Treuchtlingen

GLÜCKSKARTE Gut verteilt: Wo in der Republik du Jaspers liebste Bike-Parks findest.

Bikepark Winterberg in der Eifel

Auf keinen Fall verpassen: Es gibt ein paar sehr ab­ wechslungsreiche DownhillStrecken, größtenteils führen sie durch den Wald. Mir gefällt vor allem die FreerideStrecke, da sind ein paar ­große Sprünge drin.

Geeignet für: Familien, die Rundum-Unter­ haltung suchen. Der Winter­ berg ist ein Erlebnisberg mit elf Abfahrten für alle Könnerstufen. Etwas Besonderes, weil … der Sessellift besonders schnell ist. Und weil hier jedes Jahr ein riesiges Moun­ tainbike-Festival stattfindet, gibt es auch einen großen Slopestyle-Park für richtig große Sprünge. Auf keinen Fall verpassen: die Single-Trails! Da geht es steil und durch enge Kurven bergab. Wald und Wiesen wechseln sich ab, teilweise sind steinige, wurzelige Pas­ sagen dabei. Aber auch die Flow-Strecke macht viel Spaß, und es gibt ein paar Spezialstrecken: eine Jump Line für alle, die gern weit fliegen, oder eine Linie mit besonders vielen Holzelemen­ ten für Wallrides und Drops.

outdoorwerkstatt.eu

bikepark-winterberg.de

Racepark Schulenberg 5

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Bikepark Winterberg Heumödern Trails

5. Große Freiheit Racepark Schulenberg im Oberharz

Geeignet für: Fortgeschrittene, die sich von einer kleinen Tour vom Parkplatz zum Start nicht abschrecken lassen. Rucksack für den Tag packen, und los geht’s. Etwas Besonderes, weil … ein Schlepplift auf den Berg führt. Das ist schon etwas ­tricky. Bügel hinter den Sattel klemmen, und ab geht’s. Aber Vorsicht: Das Aussteigen ist meistens das größere Problem.

6. Auf dem Sprung

Bikepark Geisskopf

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Bike-Region Freiburg

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Bikepark Samerberg

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Rachel Atherton, 33, aus Dyfi, UK, ist Gesamtweltcupsiegerin 2007 und Weltmeisterin 2016.

RACHEL ATHERTON

Die Ausnahme-Athletin verrät, wie man sich motiviert, Ängste besiegt und Kräfte mobilisiert, wenn’s drauf ankommt. the red bulletin: Kennst du das Gefühl, einmal gar keine Lust zum Radfahren zu haben? rachel atherton: Ja, im Winter habe ich das eigentlich jeden Tag. Nach schwereren Verletzungen gibt es auch immer wieder Momente, in denen ich Angst habe und etwas Extra-Motivation brauche. Wenn ich müde oder gestresst bin, kann der erste Schritt ebenfalls hart sein. ­Obwohl ich genau weiß, dass ich mich hinterher fantastisch fühle. Wie schaffst du den ersten Schritt dann trotzdem? Manchmal setze ich mir kleine Ziele und sage: Gib dir fünf Minuten, trink eine Tasse Tee und dann raus! Und ich setze kleine Schritte, um näher ans Ziel zu kommen. Dann ziehe ich langsam meine Rennausrüstung an, die Klamotten, die Schuhe, den Regenschutz. Wenn du erst einmal umgezogen bist, kommt auch die nötige Einstellung, und dann bist du schon fast auf dem Bike. Was, wenn der Kopf trotzdem nicht mitkommt? Ich schreibe gerne Tagebuch. Darin blättere ich und lese, wie fantastisch ich nach einer früheren Fahrt drauf war. Wie frisch die Luft war, wie überragend die Aussicht vom Berg, wie lebendig und glücklich ich mich gefühlt habe. Das motiviert mich. Hast du manchmal Angst, wenn du auf dem Bike bist? 58

Ja, vor allem im Zusammenhang mit Verletzungen. Abgesehen davon hat jede Situation auf dem Bike eine eigene Form der Angst oder Nervosität. Da ist die Renn-Nervosität, wenn es darum geht, Leistung zu bringen. Und da ist eine andere Nervosität, wenn ich in den Bike-Park gehe und weiß: Heute werde ich den größten Sprung im Park machen. Aber ich glaube, Angst zu haben ist sehr nützlich. Dann ist man fokussierter.

„Wenn alles wehtut und der Druck hoch ist, konzentriere ich mich aufs Atmen.“ Aber was, wenn du Zweifel hast, ob du dich überhaupt trauen sollst? Ich sage immer: Schau auf die Beweise. Du solltest keinen Fünf-MeterDrop machen, wenn du nicht vorher einen Drei-Meter-Drop und einen Ein-Meter-Drop gepackt hast. Du musst dir selbst bewiesen haben, dass es möglich ist. Und wenn alle anderen den Sprung machen? Du musst auf dich schauen, zu hundert Prozent. Du kämpfst mit dir selbst, und du entwickelst dich selbst.

Manchmal spürt man Druck, weil jemand anderes eine bestimmte Linie fährt oder schneller ist. Aber es ist besser, deinen Weg selbstbewusst zu gehen, als zögerlich jemand anderem hinterherzufahren. Wie hältst du durch, wenn die Beine vor Anstrengung schmerzen? Wenn alles wehtut und der Druck hoch ist, konzentriere ich mich aufs Atmen. Atmen ist das Zentrum von allem. Es sorgt dafür, dass dein Körper genug Sauerstoff hat, um Leistung zu bringen. Und gleich­zeitig entspannt es dich mental, verhindert, dass du zu viel nachdenkst. Die Energie muss in die Hüfte und die Beine, nicht in den Kopf. Trotzdem passiert es häufig beim Sport, dass man das bewusste Atmen vergisst. Was tust du dagegen? Wenn ich eine Strecke trainiere, suche ich mir fixe Orte aus, an denen ich einmal tief durchatme und ein Reset mache. Das kann nach einem bestimmten Sprung sein oder bei einem Banner. Wenn das nicht reicht, schreib es dir auf den Lenker oder deine Ärmel: „Atme!“ Dann ist es das Letzte, was du vor der Fahrt liest. Du hattest schon schwere Verletzungen in deiner Karriere, gerade kämpfst du dich nach einem Riss der Achillessehne zurück. Verlierst du auch mal die Motivation? Diese Frage wird einem oft gestellt, und man antwortet schnell: Nein, nie! Aber die Wahrheit ist: Natürlich verlierst du die Motivation, wenn du verletzt bist, Schmerzen hast und monatelang nicht fahren kannst, wenn du nicht gehen kannst und auf Krücken angewiesen bist. Wie schaffst du es dann zurück? Du musst dir Zeit geben, all deine ­Gefühle zu verarbeiten, zu heilen, und dir erlauben, traurig zu sein. Kein Druck, keine Eile! Wenn man diesen Prozess durchsteht und dann wieder auf dem Bike sitzt, fühlt man sich so großartig, so glücklich – wie ein besserer Mensch. THE RED BULLETIN

DAN WILTON

„DIE ENERGIE MUSS IN DIE HÜFTE UND DIE BEINE, NICHT IN DEN KOPF“


BIKE SPECIAL

„Wenn du einmal umgezogen bist, kommt auch die nötige Einstellung.“ Rachel Atherton glaubt an die Macht der kleinen Schritte.


„Wichtig: Rumpf anspannen, durch die Nase atmen und die Übungen sauber ausführen.“ Mit Disziplin und einem Hauch Wahnsinn meistert Seabase seine Projekte.

Fixie-Pionier Patrick Seabase, 37, aus Bern, CH, braucht keine Gänge, um an einem Tag 8600 Höhenmeter zu schaffen.

2. Squats

PATRICK SEABASE

ERST MAL EINE GRUNDLAGE SCHAFFEN Rumpf ist Trumpf: Diese drei Übungen bringen den Körper für neue BikeAbenteuer in Form. 1. Hüftheber

Verbessert die Gesäßmuskulatur

Stärken die Beine Hüftbreit stehen (auf Dreh­ scheiben, falls vorhanden), Fußspitzen zeigen nach vorne, Hände sind vor der Brust zusammengeführt. Dann langsam und kon­ trolliert in die Knie gehen, die Knie dabei leicht nach außen drücken. 3 × 20 Wiederholungen

3. Wallangel

Kräftigt den Rücken Leicht in die Knie gehen, mit dem Rücken gegen die Wand. Hände auf Höhe der Ohren nach oben führen, bis die Arme gestreckt sind. Po, Rücken und Schultern be­rühren dabei stets die Wand. 3 × 6 Wiederholungen

PHIL GALE

TOM MACKINGER

Flach hinlegen, Beine anwinkeln, Füße flach abstellen (auf Drehscheiben, falls vorhanden). Die Arme sind senkrecht nach oben gestreckt. Dann Gesäß anspannen und anheben, bis Rücken, Po und Oberschenkel eine gerade Linie bilden. Langsam wieder ablegen. Eine Kreditkarte zwischen den Knien aktiviert zusätzlich die Adduktoren. 3 × 12 Wiederholungen

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BIKE SPECIAL Langstrecken-Star Michael Strasser, 37, aus Wien, AT, hat bereits Russland, Afrika und Amerika mit dem Rennrad durchquert.

MICHAEL STRASSER

DREI GÄNGE, DIE LANGE TOUREN MÖGLICH MACHEN Die besten Rezepte zum richtigen Zeitpunkt – Ernährungstipps für jede Phase einer Ausfahrt. 1. Vor dem Start

3. Nach der Ankunft

„48 Stunden vor der Tour ­beginne ich meine Energie­ speicher aufzuladen, etwa mit Haferflocken. Am Vor­ abend esse ich meistens ge­ kochte Eier mit Kartoffeln. Am Morgen vor dem Start gibt’s dann einen großen Topf Porridge, das sind komplexe Kohlenhydrate, die über einen längeren Zeitraum ab­gebaut werden, dazu Leinsamen, Nüsse und eine Banane. ­Zusatztipps: ein paar Tropfen Kokosöl bringen extra Ener­ gie, Pfeffer und Kurkuma hemmen Entzündungen.“

„Jetzt braucht der Körper schnell Proteine – etwa einen schnellen Shake aus Dinkel­ milch, Proteinpulver und Ba­ nanen. Ich trinke den schon unter der Dusche. Danach mach ich mir dann was Ein­ faches zu essen, irgendwas mit Reis oder Kartoffeln. ­Gemüse gare ich meistens im Ofen oder brate es kurz an, dann ist es besser ver­ träglich als roh.“

Her mit den Kohlehydraten

Shake it, Baby!

PORRIDGE ZUTATEN FÜR 1 PORTION

ZUBEREITUNG

50 g Haferflocken

1. Haferflocken in einer Pfanne bei großer Hitze kurz anrösten.

250 ml Wasser, Milch oder eine Pflanzenmilchalternative deiner Wahl 1 Prise Salz

2. Milch, Pflanzenmilch oder Wasser mit einer Prise Salz in einen Topf geben und erwärmen. 3. Die leicht angerösteten Haferflocken hinzufügen und unter ständigem Rühren zum Kochen bringen. 4. Nach ungefähr fünf Minuten, wenn der Brei schön eingedickt ist, den Topf von der Platte nehmen. Fertig!

2. Auf Tour

CHRISTOP WISSER, CRAIG KOLESKY, GETTY IMAGES

Smarte Flüssignahrung „Wenn du Hunger spürst, ist es zu spät, dann fällst du in ein Energieloch. Mein Rad­ computer erinnert mich alle 15 Minuten ans Trinken und Essen, wobei ich auf flüssige Nahrung setze. Dafür mische ich in einer Trinkflasche ­Wasser und etwas Sirup für den Geschmack mit 50 bis 60 Gramm Maisstärkepulver, was bis zu drei Müsliriegel ­ersetzt. Und für die letzten Meter kann man sich eine Dose Red Bull für den finalen Schub gönnen.“ THE RED BULLETIN

Von Alaska bis Argentinien: Unter dem Motto „Ice2Ice“ radelte Michael Strasser im Jahr 2018 in 84 Tagen, 11 Stunden und 50 Minuten durch den amerikanischen Kontinent – 23.000 Kilometer, in Welt­rekord-Zeit. Ein Kamerateam begleitete ihn auf der Tour. Die Dokumentation gibt’s auf: redbull.com

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SATTEL-FEST Vom Weltraum-Bike bis zum Sprungzähler: alles, was diese Radsaison schöner macht. Text JOHANNES MITTERER

Eine Frage der Haltung POC Crave Clarity Leicht, biegsam, rutschfest: Diese Sonnenbrille hat Nasenteil und Bügel aus Gummi, so bleibt sie auch bei Regen immer standhaft auf ihrem Posten. Die Gläser lassen Wasser und Dreck abperlen. 199 Euro, pocsports.com

Steiles Gerät Giant Trance X Advanced Pro Für Entdecker: Das Giant Trance X packt brutale Enduro-Touren und steile Singletrails. 150 mm Feder­ weg vorne, 135 mm am Heck stecken schroffes Gelände weg, 29-Zoll-Laufräder sorgen für Stabilität. 8299 Euro, giant-bicycles.com

Rückenwind serienmäßig HaiBike XDURO Nduro 10.0 Da gehen noch mehr Berge: Dieses E-EnduroMountain­bike mit 120-Nm-Motor und integriertem Akku (630 Wh) eröffnet unentdecktes Terrain – dank integrierter Leuchten auch nach Sonnenuntergang. 8999 Euro, haibike.com

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Vorsicht, bissig: Die Magura Scheiben­ bremsen packen kräftig zu.

Präzision aus dem Weltraum Alu Tech CNC eFanes Computerunterstützte Fräsen aus der Raumfahrttechnik schnitten den Alurahmen dieses E-Mountainbikes. Voilà: präzise Arbeit und kein Gramm zu viel. Für den Biker heißt das: Downhill-Spaß für viele Jahre. 15.999,90 Euro, alutech-cycles.com

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BIKE SPECIAL

Es lebe der Sport! KTM Macina Sport 610 Trekking in der sportlicheren Variante: Man sitzt hier etwas mehr nach vorne gebeugt als bei anderen ­Trekking-Modellen von KTM, das verringert den Luftwiderstand. Den Rest erledigt der Bosch Performance CX-Motor mit bärenstarken 85 Nm Drehmoment. 4099 Euro, ktm-bikes.at

Durstlöscher

Trittsicher

Energiebündel

Osprey Salida 8 L

Uyn Mountainbike-Socken

Thule Rail Backpack 18 L

In diesem schicken Damenrucksack herrscht dank vieler Organisationsfächer immer Ordnung. Praktisch: Das Ventil der Trinkblase (2,5 l) lässt sich mit einem Magnet am Brustgurt befestigen. 100 Euro, ospreyeurope.com

Was müssen Socken können? Luft gut zirkulieren lassen? Check: Mikrokanäle mit 3D-Struktur! Gut passen, ohne Druckstellen zu verursachen? Check: anatomisch geformte Bündchen! Beides in einem? Jackpot! 16,90 Euro, uynsports.com

Für den ambitionierten E-Biker: Dieser 18-LiterRucksack hat eine spezielle, stabilisierte Tasche für die Ersatzbatterie – und eine sichere Passform, die auch aggressive Downhills möglich macht. 229,95 Euro, thule.com

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Roter Blitz

Schaltzentrale

Shimano S-Phyre SH-RC902

Bosch Nyon

Ein Rennrad-Schuh soll die Kraft ohne Verluste aufs Pedal übertragen. Und komfortabel sein. Wie das geht? Mit Verdrehschutz, steifer Zwischensohle aus Carbonfaser-Verbundstoff und einigem mehr. 359,95 Euro, bike.shimano.com

Spezial-Bordcomputer für E-Bikes: Touchdisplay in ­Farbe, intelligentes Navi und stets vernetzt mit dem Handy, um Routen und Aktivitäten zu s­ ynchronisieren. Wetterfest ist er sowieso. 349 Euro, bosch-ebike.com

Mobiler Türöffner Carqon Komfort für alle: Beim Carqon Lastenrad steigen die Kinder bequem durch eine Tür in die Transportbox. Und der kräftige Motor von Bosch, die komfortable Federgabel und XL-Reifen machen es dem Fahrer gemütlich. Auf Wunsch mit zweitem Akku. 5299 Euro, carqon.com

Coole Hülle: Außen ist die Box aus robustem Aluminium.

Gut zu wissen Garmin Edge 1030 Dieser GPS-Computer ist ein treuer Assistent: Er behält die Trainingsbelastung im Blick, teilt Anstiege ein, schlägt Alarm, wenn man essen sollte, und zählt die Sprünge auf der MTB-Tour. 699,99 Euro, garmin.com

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BIKE SPECIAL

Frische Brise: Klug ange­ ordnete Öffnungen sorgen für optimale Klimatisierung.

Auf der Hut Alpina Rootage Sicherer geht’s nicht: Dieser Helm schützt den Kopf mit Kohlefaserplatten in der Außenschale sowie mit Kanten, die zusätzlich mit Keramik verstärkt sind. Innen ist der Helm dafür umso weicher. 169,95 Euro, alpina-sports.com

Kalt-Schale

Erste Hilfe

Schichtbetrieb

Löffler M Bike L/S Jersey Speed

Deuter Tool Pocket

Sportful LIGHT NORAIN VEST

Dieses Langarm-Jersey mit Thermo-Innenvelours verlängert die Radsaison. Schlechtes Wetter? Gibt’s doch gar nicht. 109,99 Euro, loeffler.at

Der größte Ärger? Panne und kein Werkzeug ­ abei. Mit dieser aufgeräumten Tool Box von d ­Deuter hat man das Wichtigste immer griffbereit. 19,95 Euro, deuter.com

Graue Wolken und trotzdem Lust auf eine Tour? Dann besser diese Weste einpacken: Sie ist wasser­fest, atmungsaktiv und vor allem: leicht zu verstauen. 99,90 Euro, sportful.com

Allround-Talent

Alles auf Speed

Scott Scale Contessa

Specialized Tarmac SL7

Alles dran, alles drin: Dieses Cross-Country-­ Damenbike von Scott hat einen leichten Carbonfaser-­ Rahmen, drei Federwegeinstellungen und ist als Hardtail auch auf der Straße flott unterwegs. 2199 Euro, scott-sports.com

Ein Gerät im Geiste des Gelben Trikots: Das Tarmac SL7-Rennrad musste erst durch den Windkanal, bevor es auf die Straße durfte. Dazu wurde die Kabel­ führung optimiert und das Rad neu ausbalanciert. 5599 Euro, specialized.com

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„Ich bin Künstlerin, ich bin so frei“ Von London bis Los Angeles: STEFFLON DON, 29, erobert gerade die Hip-Hop-Welt. Hier erklärt die Britin, warum sie in drei Sprachen rappt, wie sie auf dem Schulhof Selbstvertrauen lernte und was sie von den Instagram-Bossen fordert. Text FLORIAN OBKIRCHER Fotos SALIM ADAM 66


Alarmstufe Rot: Stefflon Don sieht immer top aus, anscheinend sogar beim Abwasch.


A

Als die britische Rapperin Stefflon Don 2016 zum ersten Mal auftauchte, drehten sich alle nach ihr um. Ihr Flow auf dem Debüt-Mixtape „Real Ting“ war nahtlos, im Text mischte sich jamaikanischer ­Dialekt mit East-Londoner Slang und ­Bezügen zum amerikanischen Hip-Hop. Im Gegensatz zur generell unauf­geregten Grundhaltung der britischen Rap-Szene war ihr Auftreten glamourös und kühn – ein kommender Superstar. Schon im November 2016 wurde sie in der BBC-Umfrage „Sound of 2017“ ­gelistet, in der es um die heißesten Newcomer des kommenden Jahres ging. Vier Monate später unterschrieb sie bei einem großen Label einen Deal für umgerechnet 1,3 Millionen Euro, und im August 2017 erreichte „Hurtin’ Me“, ihre gemeinsame Single mit dem US-Rapper French Montana, Platz sieben in den ­britischen Single-Charts. Seither hat die heute 29-Jährige, die mit bürgerlichem Namen Stephanie Allen heißt, diverse Awards kassiert und mit Künstlern wie Sean Paul, Nile Rodgers, Charli XCX, Skepta, Drake und Mariah Carey zusammengearbeitet. 2018 landete sie als erste britische Künstlerin überhaupt auf der „Freshman List“ des legendären amerikanischen Hip-Hop-Magazins „XXL“. Im Alter von fünf Jahren zog die in Birmingham geborene Tochter jamaikanischer Eltern mit ihrer Familie in die nieder­ländische Hafenstadt Rotterdam, mit vierzehn ging es dann wieder zurück nach Großbritannien, in den Londoner Bezirk Hackney. So ist Stefflon Dons ­Musik eine Mischung aus Dancehall, ­Grime, R & B und House, aus ihren ­Versen lassen sich Einflüsse von London, ­Jamaika, den ­Niederlanden und den USA ­herauslesen. In verschiedenen Kulturen aufzuwachsen habe ihren Horizont ­erweitert, e­ rklärt sie. Die vielen musikalischen Einflüsse seien gewissermaßen das Geheimnis i­ hres Erfolges. 68

the red bulletin: Sie haben unverkennbar eine East-Londoner Schnauze, aber Sie verwenden auch jamaikanischen Dialekt und a ­ merikanischen Slang. Bisweilen r­ appen Sie sogar auf Niederländisch … stefflon don: Weil ich in so einem diversen Umfeld groß geworden bin. Meine Kindheit habe ich größtenteils in Rotterdam verbracht, dort sprechen die Leute amerikanisches Englisch. Und ich bin in einem jamaikanischen Haushalt aufgewachsen. Außerdem hatte ich weiße Freunde, türkische Freunde, marok­kanische Freunde. Die Leute sind dort wirklich aufgeschlossen, also habe ich viel über ihre Kulturen und Traditionen, ihr Essen und ihre Musik gelernt. Welche musikalischen Einflüsse haben Sie aus Rotterdam mitgenommen? Die Niederlande waren ja einmal eine Kolonialmacht in Suriname (das südamerikanische Land stand zwischen 1667 und 1975 unter niederländischer Flagge; Anm.), und die surinamische Kultur ist in Rotter­dam stark zu spüren, ähnlich wie die jamaikanische in London. Die Sprache in Suriname ist eine Mischung aus Spanisch, Französisch, Niederländisch und Englisch. In Rotterdam habe ich ständig surinamische Songs gehört, und wir Kids haben auch diese SlangAusdrücke verwendet. Das scheint sich übrigens sogar auf meine Aussprache auszuwirken: Unlängst war ich in Spanien, und ein paar Einheimische dachten, ich sei eine von ihnen. Dabei spreche ich alles andere als flüssig Spanisch. Meinen Sie, dass sich das Niederländische auf Ihre Rap-Künste auswirkt? Auf jeden Fall. Wenn ich Niederländisch spreche, dann richtig schnell. Deshalb habe ich auch so eine flinke Zunge beim Rappen. Das war am Anfang meiner ­Karriere ein Riesenvorteil.

Sie sind für Ihren eklektischen Musikstil bekannt. Auf Ihrem neuen Mixtape „Island 54“ kommen Afrobeats dazu. Wäre den Produzenten lieber, Sie ­würden bei einer Sache bleiben, um Ihre Fans nicht zu überfordern? Na ja, ich finde, es gibt Künstler, die kann man auf jede Schiene setzen, ob das jetzt Latin oder Slow Jam oder Alternative ist – weil ihre Stimme wie ein Instrument ist. Die halten durch ihre Stimme so einen ganz bestimmten Sound. Ich finde, ich gehöre da dazu. Auf meiner nächsten Single spreche ich sogar Yoruba (eine Sprache, die hauptsächlich in Westafrika verbreitet ist; Anm.). Das Publikum wird schockiert sein, das ist wieder etwas ­völlig anderes. Mit diesen Dingen habe ich ­immer schon gern experimentiert. Ich bin Künstlerin, ich bin so frei. Ihr Bruder, der Rapper Dutchavelli, sagte in einem Interview über seine Rückkehr aus Rotterdam nach Großbritannien: „Ich hatte einen Akzent, viele Wörter habe ich nicht gekannt. Das hat mir die Schulzeit ruiniert.“ War das bei Ihnen auch so? Als ich zurückkam, hatte ich den eigen­ artigsten Akzent – ich war hin- und her­ gerissen zwischen Amerikanisch und ­Jamaikanisch. Den Londonern habe ich oft gesagt, ich käme aus Jamaika – aber sie haben mir nicht geglaubt: „Du bist nicht aus Jamaika! Was ist das für ein A ­ kzent?“ Das war sehr schwierig. Wie haben Sie es geschafft, akzeptiert zu werden? Gott sei Dank bin ich mit Selbstvertrauen geboren. Wenn mich die anderen THE RED BULLETIN


„Haltet euch fern von allen, die euch herunterreden, auch wenn es Freunde oder Familienmitglieder sind. Und fragt sie nicht um Rat. Man muss im Leben begreifen, dass niemand auf alles eine Antwort hat.“


„Gott sei Dank bin ich mit Selbst­vertrauen geboren. Wenn mich die anderen Jugendlichen aufziehen wollten – und das wollten sie sehr oft –, habe ich immer dagegengehalten.“


Jugendlichen aufziehen wollten – und das wollten sie sehr oft –, habe ich ­immer ­dagegengehalten. Wenn einem das ­gelingt, dann erntet man Respekt, das gilt überall im Leben. Nach einiger Zeit waren sie so verwirrt von meinem Selbst­ bewusstsein, dass sie entschieden haben, mich zu mögen. Wie können sich andere auch solches Selbstvertrauen erarbeiten? Haltet euch fern von allen, die euch her­ unterreden, auch wenn es Freunde oder Familienmitglieder sind. Meidet Leute, die euch euer Selbstbewusstsein nehmen. Oder fragt sie zumindest nicht um Rat, wenn ihr ohnehin wisst, dass nichts da­ bei herauskommt. Man muss im Leben einfach begreifen, dass niemand auf ­alles eine Antwort hat. Glaubt an euch, so schöpft ihr Selbstvertrauen! Sie selbst haben gute Ratschläge zu Beginn Ihrer Karriere bekommen, nämlich von Rapper Drake. Er hat zu ­Ihnen gesagt: „Egal was du machst, schau, dass dein Gegner Angst vor dir hat.“ Folgen Sie dieser Maxime ­immer noch? Zu hundert Prozent. Ob man Installateur oder Tischlerin oder Gamer ist, man sollte immer der Beste sein wollen. Wozu macht man es sonst? Als ich mit dem Rappen angefangen habe, war ich allzeit bereit, zu jedem Beat sofort mit einem Rap einzusteigen. Ich hatte immer genü­ gend Text parat, sodass ich alle anderen in Grund und Boden rappen konnte, die auch das Mikro ergriffen haben. Gnadenlos! Ja, das war immer schon meine Menta­ lität. Die Leute sollen meinetwegen ihre Texte umschreiben wollen. Mir ist es nämlich auch schon oft so gegangen. Ich habe andere Frauen rappen gehört und mir gedacht: „O Gott, das, was ich geschrieben habe, ist nicht so gut. Ich muss mich hinsetzen und das Zeug ­umschreiben.“ So soll es auch anderen gehen, wenn sie mich hören. Denn so führt man einen gesunden Dialog, so bringt man einander gegenseitig nach vorn. Wenn Leute einander nie heraus­ fordern, sondern immer nur hinterher­ rennen, dann stecken wir fest. So ist das jetzt schon seit geraumer Zeit. Niemand versucht, der Beste zu sein. Ich sehe viele, die sich denken: „Ach, das funk­

THE RED BULLETIN

„Auf Social Media geht es nur mehr darum, auf Nummer sicher zu gehen.“ tioniert, das war in den Charts – mach ich halt etwas Ähnliches.“ Woran liegt das, meinen Sie? Man wird heute als Künstler anders ­kritisiert als damals, als ich angefangen habe. Da gab es noch keine InstagramTrolle. Ich konnte ohne Angst Videos online stellen, die vielleicht nicht ganz so waren, wie ich es wollte – und ich musste das auch tun, weil ich mir nichts anderes leisten konnte. Jüngere Künstler stehen gegenwärtig noch viel stärker unter Beob­achtung, und das von Leuten, die gar keine Ahnung haben, wovon sie reden, und ihre eigenen U ­ nsicherheiten in den sozialen Medien auf andere projizieren. Plattformen wie Instagram sind für einen Mangel an Krea­tivität in dieser Künstler­generation verantwort­ lich. Selbst für die Etablierten ist es echt schwierig ­geworden, wirklich aus­ zudrücken, was sie wollen oder wie es ihnen geht. Das klingt, als hätten Sie durchaus ­Erfahrung damit. Ich habe meine Familie oft auf Snapchat aufgenommen, und ich habe immer ­offen zu allen möglichen Themen meine Meinung gesagt, was mich ein paarmal in Schwierigkeiten gebracht hat. (2018 entschuldigte sie sich für Tweets, die sie fünf Jahre davor gepostet hatte, wonach „dunkelhäutige Mädchen ihre Hautfarbe ändern“ würden, wenn sie das könnten; Anm.) Ich habe Ärger gekriegt für Sa­ chen, die ich nicht so gemeint habe, Din­ ge wurden aus dem Zusammenhang ge­ rissen. Da dachte ich mir: „Habt ihr es überhaupt verdient, zu erfahren, wer ich wirklich bin, wenn ihr einfach kleine Ein­ zelteile hernehmt und sie so zusammen­ baut, dass ich wie jemand erscheine, der ich gar nicht bin?“ So funktioniert das Internet heutzutage. Die Leute sehen dein Bild und denken: „Wo ist da etwas, was nicht stimmt? Wo ich einhaken

kann?“ Sie schauen in die Kommentare, um zu s­ ehen, welches Narrativ sich durchsetzt. Man soll gar nicht man selbst sein. Man soll nicht jemand sein, der selbständig denkt. Es geht immer nur darum, auf Nummer sicher zu gehen und anderen hinterherzurennen. Und das möchte ich gern hinter mir lassen. Gibt es eine Möglichkeit, das Internet wieder zu einem positiveren Ort zu machen? Tatsächlich habe ich mich ein paarmal mit einer Führungspersönlichkeit von ­Instagram getroffen. Dabei habe ich unter anderem angeregt, dass man die Likes zu den Kommentaren abschafft. Wie meinen Sie das? Früher konnte man Posts kommentieren, aber man konnte für den Kommentar keine Likes bekommen. Heutzutage kommentieren die Leute immer extremer und gemeiner, weil sie hervorstechen und Likes sammeln wollen. Das ist wie ein Wettbewerb, der zur Folge hat, dass du dir deinen Post anschaust und fest­ stellst, dass ein hass­erfüllter Kommentar darunter 3000 Likes hat. Das fühlt sich furchtbar an! Die Leute ver­stehen nicht, wie schädlich Instagram für uns und die nächste Generation ist. Alle fassen das Problem mit Samthandschuhen an und sagen: „Jaja, das ist schon schlimm.“ Die Leute sind deshalb extrem verunsichert, verzichten auf Kreativität und teilen kei­ ne neuen Ideen mehr. Das ist ein äußerst schwerwiegendes Problem, über das mehr gesprochen werden und wobei sich dringend etwas ändern sollte. In diesem Sinne – was ist Ihre Strategie, um bei Verstand zu bleiben? Ich habe großes Glück mit meiner Fami­ lie. Ich habe einen großes Haus gekauft, und mein (elfjähriger; Anm.) Sohn, die meisten meiner sechs Geschwister und meine Mutter wohnen bei mir. Das ist der Hauptgrund, warum mit mir alles okay ist. Und ich bin heilfroh, nicht im Social-­ Media-Zeitalter groß geworden zu sein. Daher habe ich einen Realitätssinn. Ich weiß, was es bedeutet, originell zu sein. Ich weiß, was es bedeutet, nichts darauf zu geben, was vielleicht irgendwer sagt. Das kann mir niemand nehmen. Stefflon Dons neues Mixtape „Island 54“ ist jetzt erhältlich: stefflondonofficial.com

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SPORTLICHER EYECATCHER Auf Schnee kommen die dynamischen Talente des Audi e-tron S Sportback * besonders zum Tragen.

NEULAND ENTDECKEN

Für seine Abenteuer war Freerider Bene Mayr auf dem ganzen Erdball unterwegs. Doch in diesem Winter ist vieles anders: Er entdeckt seine Hausberge neu – auf zwei Brettern, die für ihn die Welt bedeuten. Über 15 Jahre lang bereiste der gebürtige Münchner Bene Mayr die ganze Welt, um sich extremen Herausforderungen zu stellen. Doch in diesen speziellen ­Zeiten sind weder Reisen in ferne Länder noch Schlangen an den Liften eine Option für den extremen Abenteurer. Daher bricht er auf, die nahe gelegenen Berge seiner Heimat neu zu erkunden – mit dabei: zwei seiner besten Kumpel und der Audi e-tron S Sportback *.

UMWELTFREUNDLICHER ABENTEURER Der Audi e-tron S Sportback * elektrisiert sowohl im Stand als auch in Fahrt.

Tour 1: Lacherspitze Es ist kurz vor der Morgendämmerung, als Bene in seinen Wagen steigt, um ­seinen Freund Sven Kueenle abzuholen. ­ Ihr Ziel: die Lacherspitze auf 1724 Metern. An nur wenigen Orten in Bayern verbindet sich die Schönheit der Alpen mit den Ansprüchen ans Freeriden so intensiv wie in dieser Region. Die Luft beißt an diesem Tag, und schon beim

„ GRENZEN EXISTIEREN NUR IM KOPF.“ Freeskier Bene Mayr

Anschnallen der Ski ist klar: Das wird eine geniale Tour. Sie tauchen ein in die endlose Freiheit eines unverspurten Pulverschnee­ hanges. Schwung für Schwung zeichnen sie ihre Spuren in den frischen Schnee. Der imposante Wendelstein steht als stiller Beobachter in der Ferne. Danach geht es für Bene direkt weiter zu seinem Kumpel, dem deutschen Freeski-Nationaltrainer Thomas Hlawitschka – rein elektrisch, versteht sich.


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ANTON BREY

SPRUNG INS GLÜCK Wenn einem der See zu Füßen liegt und der Blick in die Weite schweift.

Tour 2: Martinskopf 11 Kilometer. 3 Stunden. 918 Höhen­ meter: Die ­heutige Tour steht. Zuvor noch ein letzter Check der lokalen ­L awinen- und Wetterlage – perfekt. Es sind nur wenige Kilometer von Thomas’ Haustür bis zum Ausgangs­ punkt am Walchensee. Doch schon die Fahrt auf den schneebedeckten Straßen dorthin lässt die Vorfreude der beiden Abenteurer im Minutentakt steigen.

Am Parkplatz ­angekommen, führt sie der erste ­Aufstieg durch lichten Wald hinauf bis zum Herzogstand – Münchens b ­ erühmtestem Hausberg – und dann weiter bis zum Martinskopf. Der Blick von dort oben reicht weit über den ­zugefrorenen See hinaus. Vor ihnen u ­ nberührter Tiefschneehang. Es ist e ­ iner jener Momente, in denen sich Bene denkt: „Wie schön ist eigent­ lich meine Heimat!“

* Audi e-tron S Sportback: Stromverbrauch kombiniert in kWh/100 km: 28,3–26,4 (NEFZ)/ 28,1–25,6 (WLTP). CO 2-Emission ­kombiniert in g/km: 0. Angaben zu den Strom-/Kraftstoff­ verbräuchen und CO 2 -Emissionen bei Spannbreiten in Abhängigkeit von der gewählten Ausstattung.

Mehr erfahren: audi.de/e-tron


Hand­arbeit Nach einem schweren Sturz hielt Freeride-Weltmeisterin NADINE WALLNER, 31, nur noch ein 40-Zentimeter-Nagel zusammen. Dann lernte die Österreicherin beim Klettern, dass kluge Taktik besser ist als forscher Angriff. Text WOLFGANG WIESER Fotos GIAN PAUL LOZZA


SELBSTBEWUSST

Ein Löwe ziert den linken Unterarm von Nadine Wallner. Was er bedeutet, bleibt ihr Geheimnis.

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DURCHTRAINIERT Selbst im Studio zeigt sich, wie gut Nadine Wallner in Form ist.


ELEGANT

Bei Dreharbeiten für ServusTV lässt Nadine den Schnee stauben.

J ANDREAS VIGL

„ Ja“, sagt Nadine und lacht. Sie sitzt in einem Café in Innsbruck im österreichischen Tirol, frühstückt Spiegeleier und trägt ein Klettertop, in dem ihre Arme aussehen, als hätte sie ein Renaissance-Künstler aus Marmor gemeißelt: formvollendet und beein­druckend. Wer ihr das sagt, erntet ein offenes Lachen, das „Ja“ als Bestätigung gibt es als selbst­bewusste Draufgabe. Die Ski- und Bergführerin ist zweifache Freeride-Weltmeisterin und hat als Kletterin im Blitztempo Höchstleistungen erbracht – trotz jahrelangem Leidensweg. the red bulletin: Ich habe mich ­gefragt, wie deine Hände aussehen. Würdest du sie mir bitte zeigen? nadine wallner: Heute sind sie ­verschoratzt.

THE RED BULLETIN

Wie bitte? Ramponiert. Ich war alpinklettern. Sind sie dein wichtigstes Werkzeug? Beim Klettern nicht unbedingt. Natürlich greife ich zu, aber wichtiger sind die Füße, weil ich mit den Füßen den Druck von den Fingern nehme und mich so positioniere, dass ich weniger Kraft ­brauche. Das heißt, ein dicker Bizeps hilft nicht immer. Schadet aber auch nicht, nehme ich an. Wo steckt die eigentliche Kraft – in den Füßen, den Fingern oder doch ganz oben, im Kopf? Der Körper muss funktionieren, aber entscheidend ist der Kopf. Ich habe gelernt, dass Taktik und Überlegung beim Klettern wichtiger sind als beim Skifahren. Taktik ist beim Skifahren auch wichtig, aber man muss schneller entscheiden und im richtigen Moment bedingungs­ loses Commitment aufbringen.

D

ass ihr Körper funktioniert, ist nicht selbstverständlich. Die Karriere der 31-Jährigen ist gezeichnet von Verletzungen, die andere zur Verzweiflung getrieben hätten. Am Neujahrstag 2004 stürzt ­Nadine im Training so schwer, dass ihr die Milz entfernt werden muss. Sie wird Skilehrerin, absolviert eine

­ usbildung zur Skiführerin und fängt A nach Jahren als Freeriderin neu an. Und beweist erneut ihr Gespür für Schnee: 2013 holt Nadine als jüngste Athletin den Weltmeistertitel, 2014 ­wiederholt sie ihren Triumph, trotzdem endet das Jahr tränenreich. Bei Dreh­arbeiten in Alaska stürzt Nadine. Diagnose: offener Bruch des linken Schien- und Wadenbeins, ihr wird ein 40-Zentimeter-Nagel eingesetzt. Waren deine Unfälle Folge dieser Alles-oder-nichts-Philosophie? Nein, ich hatte einfach zu wenig Erfahrung, deshalb habe ich einen Fehler gemacht, der mich viel gekostet hat. Es war ein langwieriger Prozess, wieder fit zu werden. Alles wieder okay? Ja, das Metall ist weg, nur wenn ich acht Stunden Steigeisen anhab, spür ich das. Aber nach acht Stunden mit Steigeisen tun jedem Menschen die Füße weh.

„Entscheidend ist der Kopf. Ein dicker Bizeps hilft nicht immer.“   77


KONZENTRIERT

Nadine beim Klettern im öster­ reichischen Salzkammergut.

ENTSPANNT

Nadine im Studio, das Seil hat sie jederzeit im Griff.

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Wieso hat es so schnell geklappt? Keine Ahnung, ich war einfach motiviert. Ich habe jeden Tag mit der Babsi trainiert. Wir waren Feuer und Flamme, ich habe sie dafür zum Skifahren mitgenommen.

B

ald klettert Nadine immer schwierigere Routen, die selbst Kletter­ kollegen staunen lassen. 2019 schafft sie als zweite Frau die „Prinzip Hoffnung“ an der Bürser Platte (im Bezirk Bludenz, Vorarlberg; Anm.), die gilt als eine der schwersten Routen Europas: Wo Kletterer auf diesem glatten Fels Halt finden, bleibt Normalsterblichen ein absolutes Rätsel. Doch das Tempo, das Nadine geht, verlangt erneut Tribut. Sie verletzt sich am Mittelfinger der rechten Hand. 2019 folgt die nächste OP, erst im vergangenen Frühjahr klettert sie wieder. Hast du bei all diesen Verletzungen nie daran gedacht, aufzugeben? Nein, dafür ist das Skifahren zu gut, dafür ist das Klettern zu gut, dafür ist das Am-Berg-Sein zu gut. Als wir uns gestern abgeseilt haben, ist es bereits dunkel geworden. Im Winter mach ich das oft, dass ich bis zum Schluss am Berg bin, da will ich einfach nicht heimgehen,

„Ich habe einen Fehler gemacht, der mich viel gekostet hat.“ da finde ich es so gut da draußen, da tät ich am liebsten oben bleiben. Tust du das auch manchmal, oben ­bleiben? Ja. Hin und wieder schon. Zelt oder Hütte? Je nachdem, was sich anbietet. Klettern oder Skifahren? Das kann man nicht sagen. Ich mag Skifahren, weil es so locker ist, weil es so leicht ist, weil es easy geht, fast von allein; beim Klettern muss man brutal viel Aufwand betreiben. Aber wenn es geht, ist es brutal gut. Wo’s rauf und runter geht: Nadine Wallner auf Instagram @nadinewallner THE RED BULLETIN

PHILIP PLATZER/RED BULL CONTENT POOL

Warum kletterst du überhaupt? Begonnen habe ich nach meinem Bruch in Alaska aus therapeu­tischen Gründen. Über ihre Schwester Claudia habe ich die Weltklasse-Kletterin Barbara Zangerl kennengelernt. Wir haben uns zum Bouldern getroffen. Und dann meinte die Babsi, komm morgen um sieben Uhr früh zum Trainieren, und dann ist es schnell gegangen. Ich hab gleich ein paar Schwierigkeitsgrade übersprungen.


KRÄFTIG

Die Jahre am Fels haben Nadine zu einem beeindruckenden Muskelpaket gemacht.


ANZ E I GE

must-haves

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1  THE GOLDEN MEAN

2  EINFACH BESSER ESSEN.

3  SATTER SOUND, NULL ABLENKUNG

4  MEHR POWER BEIM SPORT

5  ÜBER ALLE BERGE

6  ENDURO-DOWNHILL BRILLE DE LUXE

Nicht halb, nicht ganz und trotzdem: perfekt. Der Jethelm ROOTAGE EVO von ALPINA bietet mehr Schutz als ein gewöhnlicher Enduro-Helm, ist aber leichter und variabler als ein Fullface-Helm. Der Dreiviertel-Helm ist die goldene Mitte. Egal ob auf dem Trail, beim Freeriden oder mit dem E-Fully im Bikepark – der ROOTAGE EVO ist eine gute Wahl. alpina-sports.com

Xenofit competition – die isotonische EnergiePower wurde speziell für den Ausdauersport entwickelt. Es enthält eine ausgewogene Mischung aus Kohlenhydraten, Mineralstoffen und Vitamin-BKomplex. Erhältlich in vier Geschmacksrichtungen: Früchte-Tee, Mango-Maracuja, Grüner Apfel und Citrus-Frucht. xenofit.de

Dank HelloFresh gehören Warteschlangen im Supermarkt und die mühsame Rezeptplanung der Vergangenheit an. Der All-in-one-Service liefert dir die perfekte Kombination aus grammgenauen Zutaten und kreativen Rezepten direkt vor die Haustür. Sichere dir jetzt 50 Euro Rabatt auf 4 HelloFresh-Boxen mit dem Code HFXRB auf hellofresh.de/redbulletin

Leichter Carbon-Rahmen mit kompaktem Antriebssystem? Das brandneue Trek E-Caliber bietet beides. Und definiert so die Kategorie der leichten E-MTBs neu. Neben dem leistungsstarken FAZUA-Antrieb beeindruckt das Bike zudem mit Treks exklusiver IsoStrut-Technologie und einer qualitativ hochwertigen Ausstattung. trekbikes.com & fazua.com

Ob beim Laufen oder Yoga – die JBL Reflect MINI NC sind perfekt für deinen Athleisure-Lifestyle. Die InEar-Sport-Kopfhörer mit aktivem Noise-Cancelling ermöglichen es dir, dich voll auf dein Fitnessziel zu konzentrieren, während die Smart Ambient-Technologie dafür sorgt, dass du deine Umgebung wahrnimmst und dich mit Freunden unterhalten kannst. jbl.com

Die Smith Squad MTB ist für anspruchsvolle Downhill-Fahrten konzipiert, bei denen eine kristallklare Sicht erforderlich ist. Sie bietet dir maximale Belüftung, hervorragenden Halt und eine exzellente Helmintegration. Kontraststarke ChromaPop™-Gläser sowie die klare Ersatzscheibe lassen das MTB-Herz höherschlagen. smithoptics.com


GUIDE

LA PRESSE/ALFREDO FALCONE

Tipps für ein Leben abseits des Alltäglichen

ASPHALT-HELDEN Mit Biss: Hier im Bild zeigen die Amateurfahrer Profi-Spirit.

Auf E-Rennrädern können Amateure den Profi-Fahrern beim Giro d‘Italia nacheifern. Auf der nächsten Seite geht‘s los!

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GUIDE Reisen

„Der Giro-E ist mehr echter Giro, als ich mir je erträumt hätte.“ Autor und Hobby-Radler Martin Foszczynski nahm die Herausforderung an. Hier erzählt er uns davon.

C

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Adria im Blick: Von Manfredonia nach Vieste rollt man am Sporn von Italiens Stiefel entlang.

Ex-Profi wieder in einen Vollblut-Renn­ fahrer. Eine dicke Ader auf seiner Schläfe erzählt von 14 Tour-de-France-Teilnahmen und zwei Giro-Etappensiegen. Jetzt führt Max das ENIT-Team des italienischen Tourismusbüros an und trägt seit Tagen das violette Trikot des Gesamtführenden – eine Wertung, die sich beim Giro-E aus der Mannschaftsleistung bei täglichen „Challenges“ sowie den Ziel-Sprints der Mannschaftskapitäne zusammensetzt. Und dieses Trikot will er um jeden Preis verteidigen. Am zweiten Tag ist der Ab­ lauf schon ein bisschen Routine – und doch fühlt man sich wie im falschen Film. Wie bei den Pros werden wir vor zahlrei­ chen Schaulustigen auf einer Bühne prä­

sentiert. Das Abspielen des Team-Songs beim „Einzug“ darf ebenso wenig fehlen wie die Unterschrift im Rennbuch. Heute heißt es, sich die Kräfte auf 97 hügeligen Kilometern nach Vieste an der Adria gut einzuteilen. Schon wenige Minuten nach dem Start schrauben wir uns den Monte Sant’Angelo von Meeres­ niveau auf 800 Meter hoch. Bis oben ­sollen wir einen Speed von 23 km/h hal­ ten. Plötzlich streikt der Elektromotor meiner tschechischen Kollegin Michaela. Ich höre sie hinter mir nach Luft japsen, während Max sie von der Seite anbrüllt: „Dai, dai, Michaela!“ Mit letzter Kraft ­rettet sie sich über die Kuppe. Auf der höchsten von fünf Stufen ist der Akku THE RED BULLETIN

LA PRESSE/ANDREA ALFANO(2), LA PRESSE/ALFREDO FALCONE MARTIN FOSZCZYNSKI

aazzo!“ Massimiliano Lelli ist sauer. Sehr sauer sogar. „Dove team?“ – Wo ist das Team? Ich kann kaum Italienisch, aber was mir mein Kapitän gerade an den Kopf wirft, verstehe ich: Ich habe es verkackt! Mein Puls rast. Wir stehen auf der flirren­ den Autobahn irgendwo zwischen Grot­ taglie und Brindisi in Apulien, an Italiens Stiefelabsatz, während eine Radler­ gruppe nach der anderen an uns vorbei­ braust. „Max“ hält ungeduldig Ausschau nach den restlichen vier Team-Mitglie­ dern, die ich habe abreißen lassen, weil ich mich verbissen auf sein Hinterrad konzentrierte, um den 40-km/h-Schnitt zu halten. Der größtmögliche Fehler! Ins Ziel rollen wir wieder geschlossen ein – nur eine Stunde später werden hier Peter Sagan und Co um den Sieg sprinten. Immerhin habe ich heute zwei wichtige Dinge über den Giro-E, an dem auch Freizeit-Radler wie ich teilnehmen dürfen, gelernt. Erstens: Diese Italien­ rundfahrt ist kein echtes Rennen, auch wenn wir mit sündteuren E-Rennmaschi­ nen und auf den verkürzten OriginalEtappen unterwegs sind. Was zählt, ist nur die Team-Performance, nicht die des Einzel­nen. Und zweitens: Es geht trotzdem um etwas – zumindest wenn „Max“ Lelli Kapitän deines Teams ist. Im Sattel verwandelt sich der sanftmütige


Italien

Unsere drei Test-Etappen Etappe 6 GROTTAGLIE –  BRINDISI Auf dieser kurzen und flachen SpeedEtappe über die Autostrada 7 bleiben die Akkus fast unangetastet. Ziel ist die süditalienische Hafenstadt Brindisi. Distanz  53 km Schwierigkeit          Etappe 7 MANFREDONIA – VIESTE Entlang des Sporns des italienischen Stiefels eröffnen sich immer wieder traumhafte Ausblicke auf den Golf von Manfredonia. Das hügelige Terrain und bissige Anstiege summieren sich im Ziel auf fast 2000 Höhenmeter. Sehenswert: der natürliche Felsbogen am Strand von Vieste. Distanz  97 km Schwierigkeit

Rom

Caramanico Terme

Vieste

Roccaraso Manfredonia Brindisi Grottaglie

Etappe 8 CARAMANICO TERME –  ROCCARASO Fast nur bergauf: Es geht durch den rauen Majella-Nationalpark hoch nach Roccaraso, einen Skiort auf 1658 m. Der letzte Anstieg über Kehren ist bis zu 12 Prozent steil und verlangt Profis wie Amateuren alles ab. Distanz  71 km Schwierigkeit

Selbst die Bergdörfer der Abruzzen schmücken pinke Giro-Ballons.

Chef: Ex-Profi Massimiliano Lelli (li.) war Kapitän des Teams unseres Autors. THE RED BULLETIN

bergauf binnen weniger Kilometer leer. Pro Etappe sind nur zwei Batteriewechsel erlaubt – mit dem Energievorrat muss man also sparsam haushalten. Endlich bergab! Wir rollen am Golf von Manfredonia entlang, die Adria immer im Blick, vorbei an Fischerdörfern und Steilklippen. Im Pinienwald des Gegen­ anstiegs spreche ich ein zierliches Mädel mit tätowierten Unterarmen vom Team Toyota an. Der kleine Flirt bringt großes Ungemach, denn ich vergesse den AkkuWechsel – der nächste Kar­dinalfehler! Bertrand, der gemütliche Franzose aus meinem Team, saugt schon an der drit­ ten Batterie – für mich ist keine mehr übrig, ich muss mit den letzten Reserven   83


GUIDE Reisen

Zielankunft in Vieste: Beim Giro-E geht es in erster Linie um den Spaß, nicht um das Sprinten.

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Hier geht’s ab PARIS–ROUBAIX CHALLENGE 10. April 2021 Nur 24 Stunden vor den Profis können Amateur-Rennradler den Ritt durch die kopfsteingepflasterte „Hölle des Nordens“ wagen. Anders als beim legendären Rennklassiker stehen drei Routen von 70 bis 172 km zur Auswahl. parisroubaixchallenge.com

„Krämpfe plagen meine Schenkel.“ Autor Martin Foszczynski in Aktion

der größten Radrennen der Welt zu fahren. So nahe komme ich dieser Illusion wohl nie wieder. Der Giro 2021 findet von 8. bis 30. Mai statt. Startplätze für den Giro-E gibt es im Team von RCS Sport. Preis pro Etappe: 1000 EUR; giroe.it

LA MARMOTTE 27. Juni 2021 Auf den Spuren der legendären Alpen-­ Anstiege der Tour de France: Wer diese 177-km-Runde über Alpe d’Huez, Galibier und Co bewältigt, hat in Summe brutale 5000 Höhenmeter in den Beinen. lepapemarmottegranfondoalpes.com L’EROICA 3. Oktober 2021 Wolltrikots statt Lycra: Die legendärste Vintage-Radrundfahrt der Welt lockt ­tausende Bike-Freaks ins kleine Gaiole in Chianti. Zugelassen sind nur vor 1987 produzierte Rennräder, gefahren wird auf den Schotterstraßen der Toskana.  eroica.cc THE RED BULLETIN

MARTIN FOSZCZYNSKI

Drei weitere ganz besondere Radrennen für Amateur-Fahrer.

LA PRESSE/ALFREDO FALCONE, MAURO BELLUCCI

meines Akkus auskommen. Böse Krämpfe plagen meine Oberschenkel, während ich meinen Daumen daran ­hindere, den Power-Knopf zu drücken. Im Zielort Vieste zeigt der Akku­stand noch zwei Prozent. Am dritten Tag hat es um zehn Grad abgekühlt, und es regnet. Wir sind mittlerweile in der Gebirgsregion der Abruzzen. Mit dem Skiort Roccaraso steht eine echte Bergankunft mit 1800 Höhenmetern auf dem Programm. Gleichmäßig spulen wir unser Tempo auf die Straße. „Very good, guys!“, kommt es da sogar dem Kapitän über die Lippen. Doch was wäre eine Giro-Etappe ohne Drama? Diesmal trifft es Co-Kapitän Maurizio. Die letzte Team-Challenge hat eben begonnen, bloß: Seine Batterie ist leer. Max schiebt ihn, ich helfe mit. Endlich sind wir als echtes Team unterwegs. Die letzten Kilometer sind bis zu 12 Prozent steil – so ein Anstieg ist selbst mit E-Motor eine Schinderei. Ich ziehe im Sprühnebel davon. Diese Momente möchte ich ganz für mich allein erleiden. Ich möchte einmal das Gefühl auskosten, als gefeierter Held ins Etappenziel eines


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GUIDE Fitness

„Meine schnellste Pace bin ich mit der App gelaufen.“ Florian Neuschwander, Ultrarunner

TRAINING

Auf die Plätze! Am 9. Mai fällt der Startschuss für den Wings for Life World Run. Hol dir die App, wähle eine Stre­ cke und werde Teil einer welt­ umspannenden Laufbewegung!

Beim Wings for Life World Run laufen ­Menschen in aller Welt gleichzeitig für den g ­ uten Zweck. 100 Prozent der Startgelder gehen an ­Forschungsprojekte zur Heilung von Rückenmarksverletzungen. Melde dich an auf: wingsforlifeworldrun.com

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Extrameilen: Ausdauerläufer Florian Neuschwander in Aktion

Routenfinder de luxe Drei Top-Athleten verraten ihre liebsten Laufstrecken.

Florian Neuschwander

ULTRARUNNER Lieblingsstrecke: Englischer Garten/Isar-Trails

Seehaus im Englischen Garten

München, Bayern

Tim Ole Naske

RUDERER Lieblingsstrecke: Eichbaumsee/Elbstückrundweg

Restaurant Zum Eichbaum

Hamburg

Ruwen Faller

ATHLETIKTRAINER RB LEIPZIG Lieblingsstrecke: um den Markkleeberger See Parkplatz Markkleeberger See

Leipzig, Sachsen

Info: ca. 25 km (Englischer ­Garten bis Flaucher und zurück), flach, Asphalt, Schotter

Info: 13 km (Rundweg Eichbaum­ see und an der Elbe entlang), flach, Asphalt, Schotter

Info: 10 km (Rundweg Mark­ kleeberger See), flach, Asphalt, Schotter, Sand

„Diese Strecke ist so schön, dass ich im Training mal un­geplant einen Marathon gelaufen bin. Vom Seehaus eine Runde durch den Nordteil des Englischen Gartens, dann die Isar hinunter bis zum Flaucher, wo die Trails beginnen und die Natur mit jedem Meter wilder wird. Wer will, läuft weiter bis nach Wolfratshausen.“

„Vom Parkplatz des Lokals Zum Eichbaum geht’s runter zum See, dann Richtung Westen zur Regattastrecke – mit etwas Glück siehst du Ruderer beim Training. Später geht’s durchs Naturschutzgebiet Reit. Hier umdrehen oder weiter über den Ochsenwerder Norderdeich bis zur Tatenberger Schleuse und am Wasser zurück.“

„Hier wird dir garantiert nie langweilig: Unterwegs kommst du an einer speziellen Kanuschleuse vorbei, und die Natur am Ufer ist sowieso wunderschön. Abwechslung bietet auch der Untergrund – von Asphalt über Sand bis Schotter. Gegen den Uhrzeigersinn ist’s intensiver, Puste sparen für den Anstieg nach dem Kanupark!“ THE RED BULLETIN

PHIL PHAM/RED BULL CONTENT POOL, FLO HAGENA FOR WINGS FOR LIFE WORLD RUN, HENNING NOCKEL/RED BULL CONTENT POOL, RB LEIPZIG FLORIAN OBKIRCHER

Wings for Life World Run, das heißt: 77.103 Menschen laufen zeitgleich in 104 Ländern. Ver­ bunden sind sie durch ihren Wil­ len, Querschnittslähmung heilbar zu machen – 100 Prozent des Startgeldes gehen an die Rücken­ marksforschung –, und durch eine App. Letztere gibt den Start­ schuss, feuert dich an und lässt dich wissen, wenn dich das „Cat­ cher Car“ einholt – sprich: wenn das Rennen für dich zu Ende ist. Wo du läufst, ist deine Ent­ scheidung. Ultrarunner Florian Neuschwander lief voriges Jahr in seiner Wahlheimat Inzell in Bayern und schaffte 63,2 Kilo­meter. Das war persönlicher Rekord: „Allein und mit Support der App bin ich meine bisher schnellste Pace überhaupt beim Wings for Life World Run gelaufen.“ Hier empfehlen Neuschwander und zwei weitere Experten ihre liebsten Laufstrecken.


Von der Garageneinfahrt geht´s ab in den Bikepark: Das neue STP 20 ist perfekt für Kids, die es richtig krachen lassen wollen, egal bei welchem Wetter!

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AluxX Rahmen I 7-Gang Shimano Schaltung mit Drehgriffschalter I 160mm Scheibenbremsen mit kurzem Hebel I 2,6 x 20“ Reifen I 10,5 Kg I

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GUIDE Tipps & Trends

Richtig gutes Zeug Handverlesene Liebhaberstücke, Tipps und Termine: Hier kommen die Empfehlungen der Redaktion. Text WOLFGANG WIESER

ENDLICH WIEDER STRAHLEN COMEBACK DES PULLUNDERS Wir wussten gar nicht, wie sehr wir sie vermisst hatten: Doch seit Kean Etro den Pullundern ein Comeback beschert hat, ist endlich wieder Grund zum ­Strahlen, zum Beispiel in zitronig frischem Neongelb. etro.com

KLAPPERN GEHÖRT ZUM GESCHÄFT DIE RÜCKKEHR DER CLOGS

SO ANZIEHEND WAR PARIS NOCH NIE

Ein Schuh für alle, die sich noch an die 1970er e­ rinnern können. Damals klapperte der Zeitgeist in Clogs durch die Straßen. Bally hat die Holzpantoffeln jetzt wieder­belebt. Man möchte beinah weinen vor so viel Retro-Glück. bally.com

DIE SKYLINE-JACKE Liebe auf den ersten Blick: Mann trägt im nächsten Winter die französische Hauptstadt – und zwar nicht nur im Herzen, sondern ­direkt am Körper. Von Stardesigner Virgil Abloh für Louis Vuitton. louisvuitton.com

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Zieh den Tod auf Carpe diem oder so Diese Uhr von Bell & Ross liebt den großen Auftritt, inklusive spektakulärer Zeichen: Wer dieses Pracht­ stück aufzieht, ver­setzt den Totenkopf in Bewegung. Was uns alle daran erinnert, unsere Zeit gut zu nutzen. bellross.com

HELL, YEAH! Das skelettierte Gehäuse (45 × 46,5 mm) ist aus mattschwarzer Keramik.

Wer bremst, gewinnt

LOUIS VUITTON, BALLY, BELL&ROSS, ROCKET, ANDY WOLF, ETRO

Smarte City-Rakete Dieses Bike hat einen E-Motor und ein Energierückgewinnungssystem, was die Reichweite auf 150 Kilometer schraubt. Außerdem lässt es sich für Öffi-Fahrten hand­ lich zusammenlegen. rocket-ebike.com

PERFEKT IM DUETT LÄSSIGER DURCHBLICK Trägt er Neon-Pullunder (linke Seite), schützt sie sich vor seiner Strahlkraft mit dem Modell „Alexandria“. Im Duett wirkt das Ensemble geradezu genial – das macht gute Laune auf der ganzen Linie. andy-wolf.com

FÜR STOCK & STEIN 10,1 cm breite Reifen, perfekt für jedes Terrain.

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Das war ein Baum

WO STRATEGEN ZUM GAMING-DUELL ANTRETEN RED BULL SOLO Q IST ZURÜCK

Wenn Rucksäcke wachsen

Weltweit verabreden sich hunderte Millionen Menschen online zum ­Fantasy-Strategie-Spiel „League of Legends“. Nun lädt sie das internationale Turnier Red Bull Solo Q wieder zu einer besonderen Challenge ein. Statt wie üblich in Teams b ­ ekämpfen sich die Gamer in 1:1-­Duellen. Los geht’s auf nationaler Ebene. Deutschland: 27. 3.– 3. 4. Qualifier; 11. 4. Finale. Jetzt anmelden: redbull.com

Seine Heimat ist das schwedische Küsten­ städtchen Örnsköldsvik. Dort ist dieser Rucksack gewachsen. Denn er ist aus einem Zellulosegarn gewebt, das aus Holz gewonnen wird. fjallraven.com

FESTIVAL DER OFFENSIV-KUNST IN SACHSEN RB LEIPZIG FORDERT FC BAYERN Spitzenspiel erwartet: Wenn diese beiden Teams am 27. Spieltag der Fußball-Bundesliga (3.– 5. 4., genauer Termin noch offen) aufeinander­ treffen, stehen die Chancen auf ein Spektakel gut – schon das Hinspiel endete 3:3. Gastgeber Leipzig (im Bild: Mittelfeld-Ass Amadou ­Haidara) will dem Rekordmeister aus München zum ersten Mal seit 2018 drei Punkte abluchsen. dierotenbullen.com

Zauberhafter Trick: 32 Figuren und das Spielbrett finden in einer Rolle Platz.

Taschen-Schach So genial ließ sich das Spiel noch nie einstecken Eine würdige Idee für den königlichsten Zeitvertreib von allen: Beim Crownes Chess verschwindet – ähnlich wie bei einer russischen Puppe – eine Figur in der anderen. Den Kickstarter-Hit gibt’s ab März im Handel. kickstarter.com

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FJALLRAVEN, GETTY IMAGES, DESIGN NEST, RADO, NASA, BEN THOUARD/RED BULL ILLUME, MATTHIAS HESCHL/RED BULL CONTENT POOL

HOLZWEG Das Material stammt aus Wäldern, deren ­Bewirtschaftung genau kontrolliert wird.


GUIDE Tipps & Trends

DIE ZEIT VERDIENT AUFMERKSAMKEIT

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WER WEISS, WIE SPÄT ES IST?

Der weltgrößte Fotowettbewerb Red Bull Illume startet Fotograf Ben Thouard hat diese Welle meisterhaft eingefangen – eines von v ­ ielen inspirierenden Bildern aus dem weltgrößten Bewerb für Abenteuer- und Action­ fotografie. Anmeldungen für 2021 sind bis 31. Juli möglich. redbullillume.com

Doch, da sind Zeiger! Dass es etwas Zeit braucht, sie zu entdecken, ist Kalkül. Trendforscherin Li Edelkoort hat diese Uhr für Rado entwickelt. Ihre Idee: Wer genau hinschauen muss, erkennt den Wert der Zeit. rado.com

SOUNDMACHINE Mit zwei Mikrofonen nimmt der Perseverance Rover die Mars-Klänge auf.

Wie klingt der Mars? Open Mic am Roten Planeten Seit der Landung des Perseverance Rovers (am 18. Februar) ist der Sound des Roten Planeten kein Geheimnis mehr. Wer in seine Klangwelt rein­hören will, klickt auf die Seite der NASA. mars.nasa.gov

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B O U L E VARD DER HEL DEN

COCO CHANEL

DIE ERFINDUNG DES „KLEINEN SCHWARZEN“

Serie: MICHAEL KÖHLMEIER erzählt die außergewöhnlichen Geschichten inspirierender Figuren – faktentreu, aber mit literarischer Freiheit. Folge 1: Wie sich ein Mädchen aus dem Waisenhaus zur Modekönigin adelte.

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rotz der gewaltigen Revolution – anderes behauptete, nicht nur als Lügnerin dastehen und als eine, die ihren Vater manche sagen, gerade deswegen und ihre Mutter verleugnete, sie hätte in – blieben die Klassenunterschiede Zukunft auch mit mächtigen Feinden zu in Frankreich länger bestehen als rechnen. Auf den Boulevard wollte und in manchen anderen europäischen konnte sie nicht verzichten. Also wählte sie Ländern, vielleicht nicht offiziell, dafür die Legende. aber im täglichen gesellschaftlichen Umgang der Menschen miteinander. Noch bis Wenn der Name Coco Chanel fällt, woran MICHAEL KÖHLMEIER Der österreichische denken Sie? An zwei Dinge: z­ weitens an in die Mitte des 20. Jahrhunderts genügte Bestsellerautor gilt das Parfum Chanel Nº 5 – e­ rstens aber an es nicht, wenn allein Leistung einer adeals Größe unter den ligen Herkunft entgegengehalten wurde. das „kleine Schwarze“. Jede Frau weiß, deutschsprachigen Jedenfalls nicht, wenn man zur Spitze der was gemeint ist. Es gehört zu den größten Erzählern. Gesellschaft gehören wollte. Gegen den Erfindungen der Modebranche – la petite Zuletzt erschienen: Adel, der seine Abstammung bis auf viele robe noire. Dieses schlichte Kleid ist mehr „Die Märchen“, Verlag Carl Hanser. Generationen ausleuchtete, half nur die als ein Stück Stoff, es ist ein Begriff, ein Legende, die um die Vergangenheit den ­Begriff, der sich von seiner Erfinderin Nebel des Gerüchts hauchte. Auf die Nebelschwaden emanzipiert hat. Ich kann mir denken, es gibt junge ließ sich alles Mögliche projizieren – tatsächlich alles Frauen, die beides kennen, Coco Chanel und das Mögliche. Wer es schaffte, sich zu einer Legende zu Kleid, aber nicht wissen, dass Erstere die Erfinderin stilisieren, der hatte es geschafft, der verkehrte in der von Letzterem ist. In Amerika heißt es little black dress gleichen Liga wie ein Marquis oder eine Marquise. und wird als LBD abgekürzt. Das kleine Schwarze Gabrielle Chasnel alias Coco Chanel (1883–1971) wurde „die Uniform für alle Frauen mit Geschmack“ hatte das sehr früh begriffen. Sie stammte nicht genannt. Jede Frau, die etwas auf sich hält, so habe aus armen Verhältnissen, nein, aus elenden. Wo ich erst kürzlich gelesen, hat eines in ihrem Schrank sie als Kind lebte, dort wurde gehungert und gefroren. hängen, auch heute. Die Mutter starb, da war sie zwölf. Ihr Vater, ein Hausierer, steckte sie und ihre Schwester ins Waisenenn es Coco Chanel schon nicht gelingen haus. Dort lernte sie nähen. Die Nonnen meinten, konnte, um ihre Herkunft eine Legende zu dieses Handwerk biete zumindest eine geringe Chance, spinnen, dann sollte wenigstens ihre größte dass sich ein Mädchen wie sie später wenigstens einen Erfindung legendären Ursprungs sein. Irgendwann geringen Lebensunterhalt verdiente. Später schämte merkte sie ironisch an, bei hundert Interviews werde sich der Mode-Superstar Coco Chanel für ihre Kindsie neunundneunzigmal gefragt, wie sie auf die Idee heit, lange versuchte sie, ihre Biografie zu verbergen zu dem kleinen Schwarzen gekommen sei. Am Anfang oder zu beschönigen. Aber die Neugierpresse hatte wollte sie sich gebildet geben und sagte, die Lektüre längst alles herausgefunden, und Coco war durch und von Tolstois Anna Karenina habe sie darauf gebracht. durch Realistin, sie wusste, sie würde im Wettstreit Bald merkte sie, das machte sich in der Welt der Mode um die Deutung ihres Lebens gegen die eifrigen und nicht gut. Welche Frau wollte sich schon kleiden wie eifern­den Reporter unterliegen; sie würde, wenn sie eine russische Romanfigur aus dem 19. Jahrhundert?

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GETTY IMAGES BENE ROHLMANN, CLAUDIA MEITERT MICHAEL KÖHLMEIER

Das 20. Jahrhundert würde das Jahrhundert Amerikas werden. Aus Amerika kam der Jazz, aus Amerika kam das Geld, aus Amerika kam der inbrünstige Glaube, jeder Mensch könne es vom Tellerwäscher zum Mil­lio­ när schaffen. Diese moderne Interpretation des Wer­ degangs eines klassischen Genies war inspirierend. Daraus ließ sich eine brauchbare, das Geschäft beflü­ gelnde Legende bauen – und nicht nur eine … Hier nun drei Legenden, wie Coco Chanel auf die Idee mit dem kleinen Schwarzen gekommen war.

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m Waisenhaus bekam die kleine Gabrielle von ­einer der Nonnen zu Weihnachten die Märchen von Charles Perrault geschenkt. Eine der bekanntesten Geschichten in der Sammlung ist Cendrillon ou la Petite Pantoufle de verre. Wir finden dieses Märchen auch bei den Brüdern Grimm, dort heißt es Aschenputtel. Es ist die rührende Mär von dem armen Mäd­ chen, das von seiner Stiefmutter ge­demütigt wird und hinter dem Ofen in der Asche sitzt, während ihre Halbschwestern auf dem glänzenden Ball des Prinzen

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B OU L EVAR D DE R HE L D E N

tanzen. Sie habe, erzählte Coco, ihrer älteren Schwes­ ter und den anderen Mädchen im Waisenhaus dieses Märchen erzählt, immer wieder, und habe es dabei ordentlich ausgeschmückt. Als Aschenputtel endlich in den Palast eingeladen wurde, habe sie kein pas­ sendes Kleid gehabt, alles, was sie besaß, waren die Fetzen, die ihr die Stiefmutter hingeworfen hatte, und die ­waren obendrein schwarz von Ruß und Asche. Da habe das arme Mädchen Nadel und Faden genommen und aus den Fetzen ein Kleid genäht. Für ein Ballkleid mit Schleppe und langen Ärmeln und Rüschen und ­Fältchen habe der Stoff nicht gereicht, nur ein schlich­ tes Kleid sei sich ausgegangen – das kleine Schwarze. Diese Version erzeugte Rührung und speiste den Hunger nach Kitsch, war aber um einen Dreh zu harmlos. Es gab Frauen und Männer, die wollten es so haben, und die sollten es auch so kriegen. Die Harm­ losen allerdings gehörten nicht zur ersten Kundschaft, das kleine Schwarze war zwar schlicht, aber es betonte die Erotik, die ein Kleidungs­stück ausstrahlen kann, auf eine Art, wie sie den anspruchs­vollen Damen bis­ her nicht vor Augen geführt worden war. Einer Legen­ de, das begriff Coco Chanel instinktiv, muss eine Ge­ genlegende Kontra bieten, das bringt Dynamik in die Sache, Streit, und Streit ist gut, denn er zwingt dazu, Partei zu ergreifen, und wer Partei ergreift, macht eine ­Sache zu seiner eigenen Sache und kämpft dafür.

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ie zweite Geschichte war nicht harmlos, sie ließ Skandalöses ahnen. Darum hat Coco diese Legende nie selbst erzählt, aber sie hat gezielt Gerüchte gezündet. Im Waisenhaus des Klosters Obazine erlernte ­Gabrielle das Handwerk der Näherin. Dazu angeleitet wurde sie von einer jungen Nonne, die unter­schied sich von den anderen Schwestern durch ihre Schön­ heit und Sanftmut. Diese Frau – die in den ­Gerüchten einmal Michelle, dann Manon, dann ­Louise hieß – ver­ liebte sich in Gabrielle und zog sie allen anderen Mäd­ chen vor. Auch Gabrielle verliebte sich, aber ihre Ge­ fühle waren andere als die der jungen Ordensfrau, sie genoss das Lob, sie genoss, wenn ihr über die Haare gestrichen wurde, sie genoss es, wenn sie Süßigkeiten geschenkt bekam. Michelle aber – nennen wir sie so – begehrte die erst Vierzehnjährige, und ihre Leiden­ schaft war umso heftiger und schmerzlicher, als sie diese Regungen bis dahin nicht in sich gespürt hatte. Sie war als Kind ins Kloster gesteckt worden, weil sich ihre Eltern getrennt und die Ehebrüche, die sie began­ gen hatten, wiedergutmachen wollten, indem sie ihre Tochter dem Himmel schenkten. Mit sechzehn war sie

Zu einer Legende, das begriff Coco Chanel, muss es eine Gegenlegende geben. 94

geweiht worden, nun war sie zwanzig. Wenn in ­ihrem bis­herigen Leben von Liebe gesprochen worden war, dann von der Liebe zum Herrn Jesus Christ. Aber den gab es nicht. Oder gab es nicht mehr. Oder hatte es nie gegeben. Man konnte ihn nicht berühren, und wenn man ihn berührte, berührte man den kalten Stein einer Statue. Wie konnte sich ein Mensch, der alle Sinne beisammenhatte, in die Figur einer bloßen Erzählung verlieben? Als die junge Nonne Gabrielle begegnete, fiel alle Jenseitigkeit von ihr ab; alle Sehnsucht nach dem Gottessohn kam ihr lächerlich vor, wenn sie das ebenso zarte wie herbe Gesicht des Mädchens sah. Sie wollte nicht mehr Nonne sein. Sie wollte Liebe, rich­tige Liebe. Als die beiden eines Tages allein waren – so die Legende –, habe Michelle ihre Tracht ausge­ zogen und sie von sich geworfen. Im Unterrock sei sie vor Gabrielle gestanden – und dieser Unterrock war klein und schwarz. Coco, dies beschworen ihre Freunde, habe nichts weiter zu dieser Legende beigetragen, als dass sie in einem der vielen Interviews sagte, das kleine Schwarze erinnere sie an eine Frau im Unterrock, die sie irgend­ wann als Kind im katholischen Waisenhaus gesehen habe. Die hundert Münder des Gerüchts machten ­daraus die Geschichte einer verzweifelten Liebe. Gut fürs Geschäft. Dementiert hat Coco ­Chanel die Er­ zählung übrigens nie, bestätigt aber auch nicht. Die dritte ­Legende bildet eine Synthese von erster und zweiter. Sie ist harmlos und fromm, zugleich aber auch lasziv, in prüden Kreisen wurde sie sogar als ­gotteslästerlich verurteilt.

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s heißt: In der Karwoche seien die Zöglinge des Waisenhauses angewiesen worden, die Verhül­ lungstücher für die Kirche zu nähen. Es ist ja bis heute üblich, dass am Karfreitag und am Karsamstag die Kreuze und die Bilder um den Altar verhängt werden – und zwar mit violettem Stoff. Aus Versehen sei eine überzählige Bahn schwarz geliefert worden. Die habe Gabrielle versteckt. Sie war damals ein puber­ tierendes Mädchen, neugierig auf Abenteuer, sie habe sich gemeinsam mit anderen aus dem Waisenhaus heimlich mit Buben aus der Umgebung getroffen. Man habe sich im Dorf zu einem Ostertanzabend verab­ redet. Alle anderen hatten sogenannte gute Kleidung, nämlich solche, die man am Sonntag anzog. Gabrielle war die Ärmste der Armen, sie besaß nur eine Garni­ tur, und die war schäbig. Um sich für den Tanz schön zu machen, habe sie sich aus dem überschüssigen Stoff ein Kleid genäht. Und weil erstens nur wenig Stoff übrig war, zweitens sie noch nicht gut genug nähen konnte, sie also auf jeglichen Zierrat verzichten musste, sei eben nur ein knappes, schlichtes Kleid ­daraus geworden – das kleine Schwarze. Wie auch immer die Wahrheit lauten mag: Das kleine Schwarze wurde zur Legende. Und dieses hübsche Ding hat sich nicht nur von seiner Erfinderin­ emanzipiert, sondern auch von den Geschichten und Gerüchten, die sich um seine Entstehung ranken – wie die Rosen um das Schloss von Dornröschen, einer fernen Verwandten von Aschenputtel.

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Gesamtleitung Alexander Müller-Macheck, Sara Car-Varming (Stv.) Chefredaktion Andreas Rottenschlager, Andreas Wollinger (Stv.) Creative Direction Erik Turek, Kasimir Reimann (Stv.) Art Direction Marion Bernert-Thomann, Miles English, Tara Thompson Grafik Martina de Carvalho-Hutter, Cornelia Gleichweit, Kevin Goll Fotoredaktion Eva Kerschbaum (Ltg.), Marion Batty (Stv.), Susie Forman, Tahira Mirza, Rudi Übelhör Digitalredaktion Christian Eberle-Abasolo (Ltg.), Lisa Hechenberger, Elena Rodriguez Angelina, Benjamin Sullivan Head of Audio Florian Obkircher Special Projects Arkadiusz Piatek Managing Editors Ulrich Corazza, Marion Lukas-Wildmann Publishing Management Ivona Glibusic, Bernhard Schmied, Anna Wilczek Managing Director Stefan Ebner Head of Media Sales & Partnerships Lukas Scharmbacher Head of Co-Publishing Susanne Degn-Pfleger Projektmanagement Co-Publishing, B2B-Marketing & Communication Katrin Sigl (Ltg.), Mathias Blaha, Katrin Dollenz, Thomas Hammerschmied, Teresa Kronreif (B2B), Eva Pech, Valentina Pierer, Stefan Portenkirchner (Communication) Creative Services Verena Schörkhuber-Zöhrer (Ltg.), Sara Wonka, Julia Bianca Zmek, Edith Zöchling-Marchart Commercial Management Co-Publishing Alexandra Ita Editorial Co-Publishing Raffael Fritz (Ltg.), Gundi Bittermann, Mariella Reithoffer, Wolfgang Wieser Executive Creative Director Markus Kietreiber Projekt Management Creative Elisabeth Kopanz Art Direction Co-Publishing Peter Knehtl (Ltg.), Erwin Edtmayer, Andreea Parvu, Dominik Uhl Commercial Design Simone Fischer, Martina Maier, Alexandra Schendl, Julia Schinzel, Florian Solly, S ­ tephan Zenz Abo & Vertrieb Peter Schiffer (Ltg.), Marija Althajm, Nicole Glaser, Victoria Schwärzler, Yoldaş Yarar Anzeigenservice Manuela Brandstätter, Monika Spitaler Herstellung & Produktion Veronika Felder (Ltg.), Friedrich Indich, Walter O. Sádaba, Sabine Wessig Lithografie Clemens Ragotzky (Ltg.), Claudia Heis, Nenad Isailović, Sandra Maiko Krutz, Josef Mühlbacher Finanzen Mariia Gerutska (Ltg.), Klaus Pleninger MIT Christoph Kocsisek, Michael Thaler Operations Melanie Grasserbauer, Alexander Peham, Yvonne Tremmel Projekt Management Gabriela-Teresa Humer Herausgeber & Geschäftsführer Andreas Kornhofer Verlagsanschrift Heinrich-Collin-Straße 1, A-1140 Wien Telefon +43 1 90221-0 Fax +43 1 90221-28809 Web redbulletin.com Medieninhaber, Verlag & Herausgeber Red Bull Media House GmbH, Oberst-Lepperdinger-Straße 11–15, A-5071 Wals bei Salzburg, FN 297115i, Landesgericht Salzburg, ATU63611700 Geschäftsführer Dkfm. Dietrich Mateschitz, Dietmar Otti, Christopher Reindl, Marcus Weber

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