Forschung

Was Importin alpha-3 mit Schmerzen zu tun hat

Auf der Suche nach neuen Therapien gegen Schmerzen sind Forscher fündig geworden. Sie haben dafür Vorgänge der biomolekularen Informationsübertragung innerhalb von Neuronen unter die Lupe genommen.

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Neuronen: Was spielt sich beim Symptom „Schmerz“ in ihnen und um sie herum ab?

Was spielt sich beim Symptom „Schmerz“ in und um Neuronen ab? Forscher wollen das im Detail klären.

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Berlin. Ein neuer Ansatz für die Behandlung bei chronischen Schmerzen zielt auf ein Molekül, das Schmerzsignale in die Zellkerne von Nervenzellen leitet. Sein Name: Importin alpha-3 (Science 2020; online 14. August).

Importine sind Moleküle, die die biomolekulare Informationsübertragung innerhalb von Zellen regulieren, auch innerhalb von Nervenzellen, erklärt das Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in einer Mitteilung zur Veröffentlichung der Studie. Sie erleichterten den Transport zwischen Zellkern und Zytoplasma, schleusten Moleküle in und aus dem Zellkern heraus und kontrollierten somit den Zugang zu den Genen. Der neue Therapieansatz sei das Ergebnis einer Zusammenarbeit zwischen Forschern des Weizmann-Institut für Wissenschaften (WIS) in Rehovot (Israel) und des MDC.

Forschung an genetisch veränderten Mäusen

Seit Jahren schon untersuche das Team um Professor Michael Bader am MDC die Bedeutung von Importinen. „Zu diesem Zweck haben wir Mäuse genetisch so verändert, dass in jeder Linie eines dieser Importine fehlte“, wird Bader zitiert. Verhaltensanalysen dieser verschiedenen Mauslinien hätten dann ergeben, dass Importin alpha-3 als einziges Importin an der Steuerung der Schmerz-Signalwege beteiligt ist, meldet das MDC.

Darauf aufbauend hätten die Forscher festgestellt, dass Importin alpha-3 das Protein c-Fos in den Zellkern schleust. C-Fos ist ein Transkriptionsfaktor – ein Molekül, das die Expression zahlreicher Gene erhöht oder senkt. „Weitere Experimente zeigten, dass sich c-Fos bei Mäusen mit chronischen Schmerzen in den Zellkernen der peripheren Nervenzellen ansammelt“, berichtet das MDC.

Mithilfe spezialisierter Viren wurde Importin alpha-3 oder c-Fos in den peripheren Nervenzellen der Mäuse deaktiviert oder seine Produktion reduziert. Daraufhin hätten diese Mäuse im Gegensatz zu den normalen Mäusen eine deutlich verringerte Reaktion auf chronische Schmerzsituationen gezeigt, so das MDC. „Weitere Forschungen offenbarten, dass Importin alpha-3 eine entscheidende Rolle bei chronischen Schmerzen spielt.“ C-Fos sei ebenfalls an frühzeitigen Schmerzreaktionen beteiligt, doch scheine es in diesen frühen Phasen auf anderem Wege in den Zellkern zu gelangen. Das Blockieren von Importin alpha-3 könnte also ein geeignetes Mittel sein, um anhaltende, chronische Schmerzen zu verhindern, fasst das MDC zusammen.

Ein potenzielles Wirkstoffziel

Mithilfe einer spezialisierten Datenbank, die Connectivity Map (CMap) des US-amerikanischen Broad Institute in Massachusetts, hätten die Forscher dann rund 30 existierende Medikamente identifiziert, die ihre Wirkung an dem Importin-alpha-3-c-Fos-Signalweg ausüben könnten, wie das MDC berichtet. Bei fast zwei Dritteln der identifizierten Präparate sei die schmerzlindernde Wirkung bislang unbekannt gewesen. Das Team wählte zwei Präparate aus, ein kardiotonisches Mittel und ein Antibiotikum. Beide Medikamente wurden erneut an Mäusen getestet. Und tatsächlich: Die Injektion dieser Präparate linderte bei den Mäusen die neuropathischen Schmerzsymptome.

„Die Präparate, die wir im Rahmen dieser Datenbankrecherche identifiziert haben, sind eine Art Schnellspur – ein Beweis dafür, dass bereits für andere Leiden zugelassene Medikamente wahrscheinlich auch zur Behandlung von chronischen Schmerzen eingesetzt werden können“, wird Erstautorin Dr. Letizia Marvaldi, Mitarbeiterin am WIS, zitiert. „Da diese Präparate nachweislich für den Menschen ungefährlich sind, könnten klinische Versuche zeitnah aufgenommen werden.“ (eb)

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