Mercedes E50 AMG ab 4.000 €
347 PS in dezenter Verpackung

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Das magische Kürzel AMG am Heck, dazu 347 PS und 480 Nm unter der Haube. Kann man da einer E-Klasse aus der etwas verrufenen W210-Baureihe mit dem Vieraugengesicht widerstehen?

Mercedes-Benz E50 AMG, Frontansicht
Foto: Sabine Hofmann

Noch heute finden sogar viele Mercedes-Fans die Karosserieform der im Frühjahr 1995 vorgestellten E-Klasse etwas gewöhnungsbedürftig. Das seltsame Vieraugen-Gesicht der W210-Baureihe brach mit einer langen Tradition und löste die 1971 mit dem 107er-SL eingeführten rechteckigen Breitbandscheinwerfer ab. Sie waren für Mercedes-Personenwagen so typisch wie Bonos Sonnenbrille, die man durch John Lennons Nickelbrille ersetzt hat.

Immerhin erzielten die Mercedes-Designer mit den vier hochgestellten, ovalen Einzelscheinwerfern eine gewisse Dynamik, weil die Kotflügel und die Kühlerfront jetzt wieder deutlichere Konturen zeigen. Allerdings geht dann ab der A-Säule bis zur Heckstoßstange die Spannung komplett verloren. In diesen Bereichen erscheint die E-Klasse so weich und fast schon rundlich wie die zwei Jahre zuvor präsentierte C-Klasse. Kleine Räder und massive, aufgeklebte Seitenschutzleisten erzeugen bei den Basisversionen eine gewisse Schwerfälligkeit.

W210-Frust durch Rost

Während man über die Optik der W210-Baureihe noch lange diskutieren wird, sind die bereits früh aufgetretenen Rostprobleme leider oft unübersehbar. Schon nach drei bis vier Jahren zeigte sich an den Türunterseiten und Haubenkanten starker Befall. Als Ursachen hierfür gelten vor allem der bereits 1992 einsetzende Wechsel auf wasserlösliche Lacke, dazu schlechte Entgratung der Blechteile und Fehler bei der kathodischen Tauchlackierung.

Doch jetzt ist Schluss mit der Nörgelei, denn gerade kommt Max mit einem Mercedes E50 AMG um die Ecke. Die Power-Limousine löste den legendären, 320 PS starken E 500 aus der W124-Baureihe ab. Dank des Vieraugen- Gesichts ist der silberne Riese sofort als W210 erkennbar – hat sich aber sonst radikal verändert. Die tiefergelegte Karosserie, relativ dezente Schweller- und Spoileranbauten und vor allem die üppige Bereifung machen aus dem biederen Schrebergarten-Shuttle einen richtigen Autobahn-Burner. So wuchs das Format der Hinterräder von 195/65-15 auf gewaltige 265/40-18. Und die Motorleistung im Vergleich zur schwächsten Motorisierung von mageren 95 (E 220 Diesel) auf gewaltige 347 PS.

Max gefällt der Wagen. Er macht derzeit bei Motor Klassik ein Praktikum und fährt privat einen eleganten Mercedes 300 SE W126 in Diamant-blau metallic. Es ist nicht der erste für junge Leute noch bezahlbare Mercedes-Klassiker, den Max jetzt besitzt. Der angehende Kommunikationswissenschaftler kennt sich gut aus mit Strich-Acht, W123 und W124. Aber W210?

Bulliger als der W124-E500

Wir stellen ihm deshalb die Gewissensfrage: Würde er seinen 300 SE gegen den Mercedes E50 AMG tauschen? Wird Max zu Mad Max? Oder hat er allein schon mit der Optik der W210-Baureihe Probleme?

Nein, hat er nicht: "Ich sehe in dem Design des W210 einen für Mercedes wichtigen Schritt zur Moderne. Es war richtig, mit den optischen Anleihen an Vorgänger oder bereits existierende Modelle aufzuhören." Das sei besonders gut mit dem Mercedes E50 AMG gelungen, der noch eine Spur bulliger und dynamischer als der viel gelobte Vorgänger E 500 auf seinen breiten Reifen steht. Und es ist ein richtiger AMG, der vor 20 Jahren fast 150.000 Mark gekostet hat.

Der Mercedes E50 AMG ist nach dem C 36 AMG das zweite AMG-Modell, das direkt über Mercedes geordert werden konnte und in den Preislisten aufgeführt war. Mercedes lieferte aus dem Sindelfinger Werk eine vormontierte E 420-Karosserie mit Avantgarde-Ausstattung zu AMG nach Affalterbach. Dort erhielten die Autos die Karosserie-Anbauteile, das Sportfahrwerk mitsamt Felgen, verstärkte Bremsen, elektrisch verstellbare Sportsitze sowie ein modifiziertes Kombi-Instrument mit Anzeigen für die Öltemperatur und Batteriespannung.

Und natürlich den klassisch getunten Fünfliter-V8 mit vergrößerten und polierten Ansaugkanälen, größeren Einlassventilen und zwei Nockenwellen mit anderen Steuerzeiten. Dazu kommt beim Mercedes E50 AMG noch eine doppelflutige Auspuffanlage.

Dezenter Innenraum mit Luxus-Touch

Wesentlich zurückhaltender zeigt sich dagegen der Innenraum des Mercedes E50 AMG, der weitgehend der Ausstattungslinie Avantgarde entspricht. Deren Zierteile an Türen, Armaturenbrett und auf der Mittelkonsole bestehen aus dunklem Vogelaugenahorn-Edelholz, das jedoch eher wie Kunststoff aussieht. Dadurch wirkt das Interieur relativ dunkel und vor allem schmucklos. Es gibt nicht einmal weiße Tacho- und Drehzahlmesser-Skalen oder ein paar hübsche Zusatzinstrumente auf der Mittelkonsole.

In der Dunkelkammer

Max hat damit keine Probleme. Ihm gefällt das sportlich-karge, dunkle Interieur, in dem sich immerhin elektrisch verstellbare Sitze, eine Zweizonen-Klimaautomatik, ein elektrisches Heckrollo und einiges mehr an Komfort-Einrichtungen verstecken. Er findet jedoch den Platz hinter dem Lenkrad im Mercedes E50 AMG etwas beengter als im Vorgänger W124, was wohl an den schräger stehenden A-Säulen liegt. Trotzdem ist die Sicht nach vorn über den Mercedes-Stern hinweg auf die Straße wegen der relativ hohen Sitzposition ausgezeichnet.

Unser junger Mercedes-Fan hat jetzt auf dem Beifahrersitz Platz genommen, und wir starten den Motor. Besonders im direkten Vergleich mit modernen AMG-Boliden, die ihren Fahrer mit einem brünftigen Startbrüller begrü.en, wirkt unser Mercedes E50 AMG geradezu zivilisiert. Bei Standgas ist der seidig laufende V8 akustisch kaum zu vernehmen. Dass er dennoch so aufmerksam wie ein Dobermann unter der Motorhaube döst, merkt man beim Tritt aufs Gaspedal.

Ohne Druckverlust

Zum Beispiel bei einem Vollgas-Start aus einer Autobahn-Tanke heraus bei wenig Verkehr: Dann nagelt der Mercedes E50 AMG nach nur zwei Sekunden die zweite Fahrstufe rein – und noch immer drückt es die Köpfe der Passagiere brutal nach hinten. Ohne großen Druckverlust geht es jetzt in der dritten Stufe weiter, dann in der vierten, wo der V8 mit energischem Knurren schon etwas länger bei 5000/min dreht, um die Tachonadel auf die 200-km/h-Marke zu stemmen. Höchst beeindruckend, wie der Kraftfluss auch ohne Doppelkupplungsgetriebe nie zum Erliegen kommt. Die Fünfgangautomatik bringt fast das Gleiche. Hier noch die Zahlen: 0 bis 100 km/h in sechs, 0 bis 200 km/h in 21,6 Sekunden (Testwerte auto motor und sport).

Auch Max ist von der Antriebseinheit des Mercedes E50 AMG begeistert. Ihn haben besonders das exzellente Ansprechverhalten und die sanft arbeitende Abbremsfunktion der Automatik überzeugt: "Da liegen natürlich Welten zu meinem 300 SE. Der braucht immer ein bis zwei Sekunden Bedenkzeit, wenn ich mal schnelle Fahrt anfordere. Geh ich dann vom Gas, rollt der Wagen einfach weiter."

Mercedes E50 AMG als idealer Reisewagen

Selbstverständlich hat Mercedes die Leistung der Bremsen und auch das Handling der immerhin rund 1,7 Tonnen schweren Business-Limousine auf die hohe Motorleistung abgestimmt. Die neu eingeführte Vorderradaufhängung mit doppelten Querlenkern sowie die neue Zahnstangenlenkung bieten hierfür gute Voraussetzungen. Der Mercedes E50 AMG fährt sich erstaunlich direkt und agil, ohne dabei übertriebene Härte zu zeigen. Dadurch empfiehlt sich die geräumige AMG-Limousine auch für längere Urlaubsfahrten mit der ganzen Familie. Wenn es sein muss, bis nach Istanbul oder bis nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate, wo die schnellen AMG-Mercedes besonders hoch im Kurs stehen.

Doch wie würde sich nun Max entscheiden? Findet er den Mercedes E50 AMG attraktiv genug, um ihn gegen seinen 27 Jahre alten 300 SE mit nur 188 PS einzutauschen? Max zögert ein wenig mit der Antwort: "Natürlich sind die Fahrleistungen des gierig am Gas hängenden V8 absolut top. Da kann man nicht genug davon kriegen, muss dann aber an der Tankstelle dafür bluten."

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Nein, seinen 300 SE würde er für das AMG-Powerauto nicht hergeben, das ihm auch zu nah an moderne Autos herankommt: "Der Mercedes E50 AMG hat nicht dieses grundsolide, schon etwas antiquierte Flair meiner S-Klasse." Und dann sind noch die oft versteckten Rostprobleme. Aber als Ergänzung zu seinem 300 SE kann sich Max den E 50 oder den sieben PS stärkeren E 55 schon vorstellen. "Außerdem ist anzunehmen, dass die gerade ihr Preis-Tief erreicht haben", erklärt der Redaktions-Praktikant.

Sein persönlicher Tipp lautet daher: "Obwohl ich kein großer Fan von den T-Modellen bin, ist für einen Sammler der Mercedes E50 AMG oder E 55 als Kombi die wohl attraktivere Variante." Der Mehrpreis zur Limousine ist minimal.

So viel kostet ein Mercedes E50 AMG

Derzeit sind die Preise für den Mercedes E50 AMG noch recht günstig. Selbst gut gepflegtre Zustand-2-Exemplare kosten kaum mehr als 10.000 Euro, wie Classic-Analytics meldet. Im Zustand 4 werden für einen E50 AMG rund 4.000 fällig.

Fazit

Auch nach 20 Jahren beeindruckt der E 50 AMG durch exzellente Fahrleistungen, viel Platz und sogar ordentlichen Fahrkomfort. Wer ein gepflegtes Exemplar erwischt, der sollte zugreifen und das Super-Car zum heutigen Dumping-Preis sofort kaufen.

Technische Daten
Mercedes E 50 AMG
Grundpreis75.850 €
Außenmaße4795 x 1799 x 1411 mm
Kofferraumvolumen500 l
Hubraum / Motor4973 cm³ / 8-Zylinder
Leistung255 kW / 347 PS bei 5750 U/min
Höchstgeschwindigkeit250 km/h
Die aktuelle Ausgabe
Motor Klassik 05 / 2024
Motor Klassik 05 / 2024

Erscheinungsdatum 11.04.2024

148 Seiten