Exklusiv in BILD! Eiskunstlauf-Trainer Steuer packt aus: So war das mit der Stasi

Von: Von TOBIAS HOLTKAMP

Jetzt spricht er!

Eiskunstlauf-Trainer Ingo Steuer (39) war vor Olympia wegen seiner Stasi-Vergangenheit in die Schlagzeilen geraten. Als „IM Torsten“ hatte er u.a. Katarina Witt (40) jahrelang bespitzelt. Die Betreuung seines Paares Aljona Sawtschenko/ Robin Szolkowy bei Olympia erklagte Steuer vor Gericht. Bisher schwieg der „Stasi-Trainer“ zu seiner DDR-Zeit. Jetzt das 1. Interview – in BILD.

BILD: Wie geht’s Ihnen?

Ingo Steuer: „Wie geht es einem, der wochenlang wie ein Schwerverbrecher oder Mörder behandelt wird? Ich lebe ein anderes Leben. Es schlugen Leute auf mich ein, die ich gar nicht kenne. Da kam eine Lawine ins Rollen, die mich fast erdrückt hätte. Es gab brutale Situationen.“

BILD: Zum Beispiel?

Steuer: „Wenn Sie zu Ihren Eltern kommen, den Menschen, die Ihnen näher sind als alle anderen – und plötzlich gucken selbst die Sie zweifelnd an und fragen: ‚Junge, was hast du gemacht?’ Das ist heftig.”

BILD: Moment mal, Sie haben als Stasi-Spitzel gearbeitet. Das ist keine Bagatelle!

Steuer: „Ja, im Nachhinein war’s ein Fehler. Ich schäme mich für die Zeit. Aber ich war damals 18. Ich konnte nicht ahnen, was passieren wird. Ich hätte in meinem Sport – und er war mein Leben – keine Zukunft gehabt, wenn ich mich der Arbeit verweigert hätte.”

BILD: Haben Sie Sportkameraden verraten?

Steuer: „Ganz deutlich: Nein. Ich habe nie jemanden in Schwierigkeiten gebracht. Das schwöre ich. Ich habe Lapalien aufgeschrieben. Mir wurde auch mehrfach gesagt, daß meine Angaben dem Ministerium nicht weiterhelfen würden.”

BILD: Wie wurden Sie als IM ausgewählt?

Steuer: „Seit ich 11 war, wurde ich beobachtet. Kurz nach meinem 18. Geburtstag standen dann die Männer vor unserer Tür. Sie wußten genau, wann meine Eltern weg waren. Es ging ihnen darum, alles über Katarina Witt zu erfahren. Sie war ein riesiger DDR-Star, der Westen lockte mit viel Geld. Es sollte verhindert werden, daß Katarina flüchtet.”

BILD: Sie hätten doch ablehnen können!

Steuer: „Das hätte für mich, der schon nicht in der Partei war, schlimme Konsequenzen gehabt. Und ehrlich: Das Interesse an meiner Person hat mir auch geschmeichelt. Ich hatte keine schöne Kindheit, in der Schule war ich Außenseiter. Als die Männer kamen, war es das 1. Mal, daß mir jemand zugehört hat.”

BILD: Die Vorsitzende der Unabhängigen Stasi-Kommission des deutschen Sports hat sie als Stasi-Spitzenverdiener bezeichnet.

Steuer: „Ich weiß nicht, wie Frau Laurien darauf kommt. Sie behauptet, ich habe im Vierteljahr 4000 Mark für die Spitzeldienste bekommen. Das ist Rufmord, dreist und nur falsch! Ich habe für meine Berichte nie einen Pfennig bekommen – nur als Unterstützung meines Sports gab’s mal 100 oder 150 Mark. Frau Laurien sind die Aussagen mittlerweile per einstweiliger Verfügung untersagt worden.”

BILD: Ist Katarina Witt sauer auf Sie?

Steuer: „Nein. Sie weiß ja, was lief. Katarina weiß, daß ich ihr nie geschadet habe. Und daß es Berichte gab, die man unterschreiben mußte, obwohl sie nicht von einem selbst waren. Da standen Offiziere unter Höllendruck und schrieben irgendwelche Gerüchte auf.”

BILD: Wissen Sie, warum Ihre Stasi-Vergangenheit ausgerechnet vor Olympia öffentlich gemacht wurde?

Steuer: „Nein. Aber ich weiß, daß meine erfolgshungrige, ab und zu arrogante Art vielen nicht paßt. Einige in der Szene gönnen mir nullkommanull Erfolg. Für die war es das größte, mich plötzlich an der Wand zu sehen. Olympia war wie unter einer Glocke, Aljona hat viel geweint.“

BILD: Wer stand zu Ihnen?

Steuer: „Unsere Gegner! Die Russen, die Chinesen haben nicht begriffen, warum wir Deutschen uns selbst zerfleischen. So kam es für sie rüber. Wegen einer 20 Jahre alten Sache.”

BILD: Haben Sie Ihren Verband auf Ihrer Seite?

Steuer: „Ich glaube nicht. Ich muß das so hart sagen: Der Verband hat keinen Arsch in der Hose! Nach außen stellen sie sich hin und sagen, sie helfen, wo sie können. Aber in Wirklichkeit kommt nichts. Die Herren wirken komplett überfordert.”

BILD: Ihre Kritik wird sie nicht beschwichtigen.

Steuer: „Ich ärgere mich halt maßlos. Ich will Deutschland wieder an die Weltspitze führen. Wir können ganz bald wieder große Titel gewinnen. Aber der Verband rührt sich nicht. Dabei haben sie dank unserer Erfolge zuletzt viel Geld verdient. Ich befürchte, es wird irgendwo versickern.”

BILD: Wie meinen Sie das?

Steuer: „Ich habe bei Olmypia so viele Funktionäre gesehen, die tauchen das ganze Jahr über nicht auf. Was glauben Sie, wen wir mit den Reisespesen alles fördern könnten?”

BILD: Denken Sie daran, Deutschland zu verlassen?

Steuer: „Ich hoffe nicht, daß es so weit kommen muß. Wir wollen unsere Zukunft hier haben. Aber trotzdem halte ich meine Augen natürlich auf.“

BILD: Was haben Sie noch für Einkünfte?

Steuer: „Nichts mehr. Klar, ich könnte morgen wieder mit Shows anfangen – aber das will ich nicht. Ich will Trainer sein. Ich will da anknüpfen, wo ich selbst mit Mandy Wötzel nicht weitergekommen bin.”

BILD: Ihre Ex-Partnerin Mandy Wötzel spricht von „Angstgefühlen“, wenn sie Sie heute sieht. Sie hätten sie zum Ende ihrer gemeinsamen Karriere in Depressionen getrieben.

Steuer: „Mandy ist frustriert. Der Ärger, daß ich mich 2001 gegen sie und für den Trainerjob entschieden habe, sitzt noch tief. Dadurch sind ihr Einnahmen verloren gegangen. Aber ich konnte nicht mehr. Ich hatte mit Aljona und Robin ein Paar gefunden, mit dem ich auf den Gipfel kann. Hoffentlich läßt man uns.“

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