Dienstag, 30. April 2024

Olympia vor 10 Jahren
Sotschi 2014 - Der Krieg und die Spiele

Im Februar 2014 richtet Russland in Sotschi die Olympischen Winterspiele aus. Auch dank Doping ist der Gastgeber erfolgreich. Wladimir Putins Beliebtheitswerte schießen in die Höhe. Nach den Spielen besetzt Russland die Krim.

Von Carsten Upadek | 11.02.2024
Russlands Präsident Wladimir Putin läuft bei der Schlusszeremonie zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi auf der Zuschauertribüne entlang.
Putins Spiele: Wladimir Putin nutzte die Olympischen Winterspiele in Sotschi, um Russland von seiner schönsten Seite zu zeigen. Die Rechnung ging auf. Seine Beliebheitswerte stiegen rasant. (imago / ITAR-TASS / )
Es herrscht Anspannung im russischen Sotschi an diesem 7. Februar 2014, dem Tag der Eröffnung der Olympischen Winterspiele. Islamisten haben mit Anschlägen gedroht. Die Region am Schwarzen Meer gleicht einer Festung - 37.000 Soldaten, 11.000 Überwachungskameras, Kriegsschiffe, Jagdflugzeuge. Nichts soll schiefgehen, bei seinen Spielen. Denen von Machthaber Wladimir Putin.
Es sind wohl die teuersten Wettkämpfe der Geschichte: etwa 50 Milliarden Euro. Ein Feuerwerk von Korruption - aufgedeckt schon vor den Spielen in einem Bericht durch den Oppositionspolitiker Boris Nemzow – und durch den Journalisten Leonid Martynyuk, der heute in den USA lebt: "Putin und seine Freunde aus Politik und privaten Firmen haben 24, 25 Milliarden Dollar gestohlen. Das ist die Hälfte der Gesamtkosten der Winterspiele in Sotschi."

Korruption, Bereicherung und Auftragsmord?

Mit Putin befreundete Unternehmer seien beim Bau von Straßen und Wettkampfstätten reich geworden, so Martynyuk. Dessen Freund und Mitautor Boris Nemzov wird am 27. Februar 2015 in Sichtweite zum Kreml durch Schüsse in Rücken und Hinterkopf getötet. Verurteilt werden später ein tschetschenischer Ex-Soldat und einige Helfer. Der Auftraggeber und das Motiv bleiben unklar.
"Boris Nemzov, da bin ich mir sicher, wurde auf Befehl von Wladimir Putin ermordet. Es gab verschiedene Gründe, einer davon war unser Bericht über Korruption in Sotschi.”
Boris Nemzow (li.) und Oppositionsaktivist Leonid Martynyuk schütteln sich die Hände. (Archivbild von 2012).
Leonid Martynyuk (r.) enthüllte zusammen mit dem russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow die Korruption rund um die Spiele von Sotschi 2014. Nemzow wurde 2015 in Moskau ermordet. Martynyuk floh in die USA. (Archivbild von 2012). (imago stock&people / imago stock&people)
Der Bericht erzeugt weltweit Aufsehen vor den Spielen 2014. Martynyuk flieht Ende des gleichen Jahres aus Russland, weil er fürchtete, verhaftet zu werden.
Public Viewing im Olympiapark im Februar 2014. Unter den Zuschauern sind auch die Freundinnen Marina und Stefaniya aus Sotschi. Sie feuern die russischen Eiskunstläufer an - und die holen Gold. "Mein Herz schlägt so wild! Mir sind sogar die Tränen gekommen. Ich bin einfach so glücklich über unser Land und diesen Sieg."

"Putin ist nicht einfach nur Präsident, sondern ein Zar"

Vier Jahre zuvor in Kanada waren es gerade drei Goldmedaillen. Am Ende dieser Spiele im eigenen Land 13. Und jeden einzelnen Sieg habe die russische Propaganda auch zum Sieg von Wladimir Putin gemacht, so Leonid Martynyuk.
"Er hat Russland wieder groß gemacht. Trotz Korruption, Armut, schlechter Infrastruktur, glauben die Menschen: Wir sind wieder so bedeutend, wie wir früher waren."
Feuerwerk explodiert über dem Olympia-Park von Sotschi bei der Schlussfeier der Olympischen Winterspiele 2014.
Gigantismus, Größenwahn, Kostenexplosion: Die Winterspiele von Sotschi 2024 schlugen mit 50,8 Milliarden Dollar zu Buche. Damit kosteten die Spiele so viel wie alle 21 Olympischen Winterspiele davor zusammen. (dpa / picture alliance / Christian Charisius)
Wie zu Sowjetzeiten oder noch eher - Putin bedient die Sehnsucht der Russen nach vergangener Bedeutung. Beim Public Viewing 2014 findet Zuschauerin Stefaniya: "Russland ist auf globaler Ebene dank ihm nun wieder eine Weltmacht. Stark, kraftvoll. Putin ist irgendwie nicht einfach nur Präsident, sondern ein Zar."

Systematisches Doping, Betrug, kriminelle Machenschaften

Und dem Herrscher scheint jedes Mittel recht für den Erfolg. Auch systematisches Doping von russischen Sportlern und Betrug bei den Kontrollen. Durch Löcher in den Wänden des Kontrolllabors sollen hunderte positive Urinproben ausgetauscht worden sein, auch Journalist Hajo Seppelt recherchierte ausführlich dazu:
"Der Leiter des Doping-Kontrolllabors, Grigori Rodtschenkow, der sozusagen Drahtzieher des Systems war, der hat später alles ausgeplaudert und erzählt, dass selbst Putin über diese Machenschaften Bescheid wusste."
In den letzten Tagen der Spiele in Russland treten die Wettkämpfe in den Hintergrund. Im Nachbarland Ukraine eskaliert die Gewalt zwischen damals pro-russischer Regierung und Demonstranten. Putin befiehlt die Besetzung der Halbinsel Krim, wie er später selbst im russischen Staatsfernsehen zugibt. „Ich sagte meinen Kollegen, wir sind nun gezwungen an der Rückkehr der Krim nach Russland zu arbeiten.“

Invasion für den Machterhalt

Die Beliebtheitswerte des Präsidenten beim russischen Volk steigen 2014 durch Olympia und Krimbesetzung deutlich – das zeigen Zahlen des unabhängigen Meinungsforschungsinstituts „Lewada-Zentrum“. Exil-Journalist Leonid Martynyuk sagt: Putin wisse, dass ihm durch Krieg und Spiele die Zustimmung beim Volk gewiss sei.
"Nach 2014 sind seine Zustimmungswerte wieder abgesunken – von 2015 bis 2022. Dann ist Putin in die Ukraine einmarschiert und seine Beliebtheit ist wieder gestiegen. Die Invasion ist Teil seiner Strategie, sich an der Macht zu halten."
23. Februar 2014. Die Olympischen Spiele im russischen Sotschi werden beendet. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees, Thomas Bach, ist zufrieden: "Ich möchte mich bedanken beim russischen Präsidenten Wladimir Putin, der mit seinem persönlichen Einsatz zu dem außergewöhnlichen Erfolg dieser Winterspiele beigetragen hat."
Für Wladimir Putin sind seine Spiele ein Erfolg. Russland holt die meisten Medaillen. Die Annexion der Krim, sie läuft an. Wladimir Putin festigt seine Macht in Russland - auch dank der Winterspiele von Sotschi.