Der Graf: "Fußball ist viel mehr als nur ein Sport"

Der Graf von Unheilig spricht nicht gern über sich selbst. Am liebsten lässt er Musik sprechen. Mit seiner Band begeistert er ein Millionenpublikum, die Songs sind populär bei Alt und Jung. Das aktuelle Album "Lichter der Stadt" wurde mit Vierfach-Platin ausgezeichnet.

Selten spricht der Graf auch über Fußball. Wenig Ahnung habe er vom Fußball, sagte der Graf in früheren Interviews. So ganz ist das aber nicht der Fall. Die fachliche Analyse überlässt er zwar den Experten und auch einen Lieblingsverein hat er nicht, doch mit der Nationalmannschaft fiebert er seit seiner Kindheit mit.

Jetzt tritt der Graf beim Festakt zum DFB-Bundestag am Donnerstag, 24. Oktober, in Nürnberg auf. Ein Erlebnis, das seinen Bezug zum Fußball noch einmal stärken wird. Im fanclub.dfb.de-Interview sprach DFB-Mitarbeiter Daniel Stolpe mit dem Grafen über einen Lebenstraum als Musiker und die Faszination des Fußballs auch für jene Menschen, die nicht jede Woche ins Stadion gehen.

fanclub.dfb.de: Graf von Unheilig, Sie werden beim DFB-Bundestag Ende Oktober in Nürnberg auftreten. War das eine ungewöhnliche Anfrage für Sie?

Der Graf: Für uns ist immer in erster Linie der Rahmen der Veranstaltung entscheidend: Wo soll das stattfinden? Und wie? Und diesmal wird es ja ein ganz besonderer Auftritt sein, mit einem großen Orchester im Hintergrund.

fanclub.dfb.de: Sie werden mit den Nürnberger Philharmonikern auf der Bühne stehen. Geht da für Sie auch ein Wunsch in Erfüllung?

Der Graf: Als der DFB mit der Möglichkeit auf uns zukam, war das für mich Grund genug, zuzusagen. Ich muss gestehen, dass ich davon schon lange geträumt habe.

fanclub.dfb.de: Hat das einen besonderen Grund?

Der Graf: Ich komme aus Aachen, bei uns in der Stadt gibt es ziemlich viele Kirchen und regelmäßig den so genannten "Tag der offenen Kirche". Einmal beim Spazierengehen hörte ich aus einer dieser Kirchen klassische Musik. Und weil "Tag der offenen Kirche" war, ging ich hinein, dort spielte ein großes Orchester – und wissen Sie was: Es war der absolute Wahnsinn! Ich hatte noch nie zuvor so wie in diesem Moment gespürt, wie Musik einen Menschen streicheln kann!

fanclub.dfb.de: Dabei sind Sie selbst Musiker!

Der Graf: Genau, und trotzdem war das für mich eine völlig neue Erfahrung. Seit diesem Tag hatte ich den Wunsch, einmal selbst mit einem großen Orchester auf der Bühne zu stehen.

fanclub.dfb.de: Wie wird die Vorbereitung sein? Müssen Sie bei den Proben etwas anders machen als sonst, gesanglich beispielsweise?

Der Graf: Nein, es geht immer darum, das zu singen, was du fühlst.

fanclub.dfb.de: Worauf stellen Sie als Sänger sich ein? Tage- oder gar wochenlange Proben mit dem Orchester werden kaum möglich sein?

Der Graf: Ich glaube, dass es für mich ein besonderes Gefühl sein wird, wenn ich mich auf der Bühne in einen so großen Klangteppich legen kann. Ein paar Mal werden wir schon gemeinsam üben. Aber grundsätzlich sind das alles studierte Musiker, ich hingegen bin eher Autodidakt und mache die Dinge aus dem Bauch heraus. Ich freue mich auf dieses Zusammentreffen und bin felsenfest überzeugt, dass es für alle ein Erlebnis wird.

fanclub.dfb.de: Es heißt von Ihnen, dass Sie Fußball nicht mögen. Stimmt das?

Der Graf: Es stimmt, ich habe keinen Verein, dem ich jedes Wochenende die Daumen drücke. Aber wenn die Nationalmannschaft spielt, will ich das auch gerne sehen. Ich werde Jogi Löw und seinen Jungs bei der WM in Brasilien die Daumen drücken, und das ist jetzt nicht nur ein Spruch von mir, sondern irgendwann bin ich dann auch so im Fußballfieber, dass ich nur noch denke: "Los, jetzt schieß' doch!" Ich habe auch schon eine sehr schöne Weltmeisterschaft erlebt, die war so super, die werde ich nie vergessen...

fanclub.dfb.de: Welche war das?

Der Graf: Das war 1990 die WM in Italien! Zu der Zeit war ich bei der Bundeswehr. Wenn die deutsche Mannschaft spielte, trugen wir alle Trikots und saßen in großer Runde vor einem großen Fernseher. Wir haben live miterlebt, wie unsere Jungs Weltmeister geworden sind. Danach sind wir mit Fahnen behangen in die Stadt gefahren zum großen Marktplatz und haben dort gefeiert. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

fanclub.dfb.de: Und trotzdem sind Sie kein Fußball-Fan? So haben Sie es in früheren Interviews jedenfalls dargestellt.

Der Graf: Nein, das stimmt so nicht! Ich bin nur niemand, der zu Bundesliga-Spielen ins Stadion geht. Ich habe früher selber gekickt, ich finde den Sport toll und das, was er ausdrückt und was er vor allem auch bewirken kann. Fußball ist ja viel mehr als nur ein Sport, er reicht viel tiefer in ganz andere Bereiche des Lebens hinein.

fanclub.dfb.de: Der Trainer Bill Shankly sagte: "Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist." Shankly hat im Fußball nicht nur eine sportliche, sondern auch eine kulturelle und politische Angelegenheit gesehen. Wird der Fußball Ihrer Meinung nach mitunter auf ein zu hohes Podest gestellt?

Der Graf: Nein, das glaube ich nicht. Der Fußball hat sich so entwickelt, dass er so viele Menschen begeistert, dass sich automatisch in positiver Weise etwas bewegt, wann immer er stattfindet. Der Fußball ist eine Brücke zwischen den Ländern. Bei einer Weltmeisterschaft ist es so, als würden sich viele Zwänge in Luft auflösen. So wie beim "Sommermärchen" 2006, als man plötzlich wieder mit einer Deutschland-Fahne auf der Straße laufen konnte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wir konnten unser Land mal wieder feiern, das fand ich klasse.

fanclub.dfb.de: Das "Wunder von Bern", der erste deutsche WM-Sieg 1954, gilt sogar als inoffizielle Geburtsstunde der damals noch sehr fragilen und von der Kriegsschuld gezeichneten Bundesrepublik.

Der Graf: Ich war damals noch nicht geboren. Aber aus den Erzählungen meiner Eltern weiß ich, dass damals wirklich so ein Funke sprühte, der die Menschen wieder hoffen und an sich und ihr Land hat glauben lassen. Schön, wenn der Fußball zu so etwas im Stande ist!

fanclub.dfb.de: Welche ist Ihre früheste Fußballerinnerung?

Der Graf: (lacht) Ich weiß noch genau, wenn früher die Nationalmannschaft spielte und ein Tor gefallen ist, hörte man bei uns im Wohnzimmer die ganze Straße rufen und feiern. Vor allem wusste man, wer – wie wir – Kabel hatte und wer eine Schüssel auf dem Dach. Bei uns war jedes Mal noch der Eckball zu sehen, da wurde bei den Nachbarn schon das Tor bejubelt.

fanclub.dfb.de: Was haben Sie vom Triplegewinn der Bayern in der vergangenen Saison mitbekommen?

Der Graf: Ich habe es wahrgenommen, aber längst nicht so intensiv wie andere. Ich kann mir vorstellen, dass diese Saison für Bayern-Fans wie Weihnachten, Neujahr und Ostern auf einmal gewesen sein muss. Aber auch für mich als Außenstehenden war es durchaus gigantisch, dass da eine Mannschaft ist, die alles abräumt – und obendrein noch richtig guten Fußball spielt. Aber mich hat etwas anderes noch mehr beeindruckt.

fanclub.dfb.de: Und zwar?

Der Graf: Dass da mit Jupp Heynckes ein Trainer war, der vor gar nicht allzu langer Zeit schon komplett abgeschrieben war und der dann noch einmal so zurückkommt und solche Erfolge möglich macht. Das war für mich das Schönste an diesem Triple. Es imponiert mir allgemein, wenn jemand sich nicht kleinkriegen lässt, sondern an das glaubt und das tut, was er gerne macht; auch wenn alle anderen schon nicht mehr daran glauben. Bei Heynckes war das ja wohl der Fall. Und wenn man dann, wie er, als letzte Amtshandlung in seinem Trainerleben solche Geschichte schreibt, wie es vorher kein Mensch geschafft hat – einen besseren Abschied, als in diesem Alter auf dem Höhepunkt seines Schaffens abzutreten, kann es nicht geben. Dieses kleine Wunder hat mich wirklich berührt.

fanclub.dfb.de: Welche Art von Fußball möchten Sie sehen?

Der Graf: Mir ist nur eines wichtig: Dass die Jungs sich Mühe geben. Wenn ich merke, dass denen alles egal ist, werde ich sauer – besonders bei der Nationalmannschaft. Wir sind in dem Moment alle Deutschland, sie sind unsere Repräsentanten auf dem Platz. Fehler und Ballverluste dürfen passieren, aber kämpfen müssen die Spieler. Wir stehen nun mal für den Fleiß, für Kampfgeist und Disziplin, die typischen deutschen Tugenden, und die möchte ich auf dem Platz erkennen können. Ich war weiß Gott kein begnadeter Kicker, aber wenn wir bei uns in der Straße gespielt haben, wollte ich immer stürmen, ich wollte den Ball ins Tor schießen, ich wollte rennen und kämpfen, kämpfen, kämpfen – und nach dem Spiel richtig k.o. sein.

fanclub.dfb.de: Die aktuelle Generation spielt obendrein richtig ansehnlich Fußball.

Der Graf: Umso besser! Die momentane Begeisterung rund um die Nationalmannschaft gefällt mir auch total gut. Man darf nur nicht erwarten, dass das immer so bleibt. Ich kann mich noch an Rudi Völlers Wutausbruch nach einem Länderspiel erinnern (nach dem 0:0 auf Island am 6. September 2003 – Anm. d. Red.), als er mir wirklich aus dem Herzen gesprochen hat: Wir Deutschen zerreden alles immer sehr gerne, und es ist sehr leicht, alles und alle zu kritisieren. Aber ich denke mir: Nun lasst uns doch alle mal wieder hoffen und positiv an die Sache herangehen! Ich glaube übrigens, dass zu der Zeit bei mir auch der Punkt erreicht war, an dem ich zum Fußball auf Abstand gegangen bin.

fanclub.dfb.de: Welche Rolle spielt der Fußball in Musikerkreisen? Fachsimpelt man beispielsweise bei Konzerten oder Festivals?

Der Graf: Mir ist aufgefallen bei Konzerten, die wie Fußballspiele am Wochenende stattfinden, dass nur ich immer gut gelaunt bin. Bei den anderen richtet sich die Stimmung sehr verlässlich danach, ob ihre Mannschaft gerade verloren hat, dann sind die richtig mies drauf; und wenn sie gewonnen hat, könnten sie glücklicher kaum sein. Diese Launen wechseln echt ohne Ende, totale Euphorie oder eben tote Hose. Wenn du das als Außenstehender beobachtest: Das ist wirklich Wahnsinn!

fanclub.dfb.de: Der Fußball und die Musik begeistern die Massen nun mal gleichermaßen. Vereint wird beides in Fußballhymnen – kennen Sie eine?

Der Graf: (überlegt, singt erst langsam und leise, dann lauter und schneller) Die Sportfreunde Stiller fallen mir ein mit ihrem "'54, '74, '90, 2006...mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein...".

fanclub.dfb.de: Wäre das für Sie eine Herausforderung: Eine Einlaufmusik, die das Publikum und die Spieler gleichermaßen antreibt?

Der Graf: Diese Frage einem Musiker zu stellen, ist in etwa so, wie wenn man einen Fußballer fragt: "Ey, sag' mal, möchtest Du für Real Madrid spielen?" Der sagt doch auch niemals Nein. Aber er hat im ersten Moment trotzdem sicher Angst vor der eigenen Courage, vor der Verantwortung, die Leute nicht enttäuschen zu dürfen.

fanclub.dfb.de: Also?

Der Graf: Natürlich ist der Gedanke toll! Ich wäre jedenfalls total offen für eine solche Herausforderung und würde es auch probieren wollen.

fanclub.dfb.de: Mit einem Text über Fußball?

Der Graf: Nein, ich glaube, manchmal sind Worte zu viel. Allgemein ist Instrumentalmusik eine Sprache, die jeder Mensch auf der Welt versteht.

Das meinen DFB.de-User:

"Hallo Leute, echt super das Interview mit dem Grafen. Hat mir sehr gefallen. So frei und offen geantwortet: seine Kindheit und seine Vergangenheit ein wenig mit eingebracht. Hat bestimmt Spaß gemacht, so ein Interview zu führen. Alles Liebe und Gute von einem ganz treuen Fan des Grafen." (Sabine Wiechmann, Berlin)

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Der Graf von Unheilig spricht nicht gern über sich selbst. Am liebsten lässt er Musik sprechen. Mit seiner Band begeistert er ein Millionenpublikum, die Songs sind populär bei Alt und Jung. Das aktuelle Album "Lichter der Stadt" wurde mit Vierfach-Platin ausgezeichnet.

Selten spricht der Graf auch über Fußball. Wenig Ahnung habe er vom Fußball, sagte der Graf in früheren Interviews. So ganz ist das aber nicht der Fall. Die fachliche Analyse überlässt er zwar den Experten und auch einen Lieblingsverein hat er nicht, doch mit der Nationalmannschaft fiebert er seit seiner Kindheit mit.

Jetzt tritt der Graf beim Festakt zum DFB-Bundestag am Donnerstag, 24. Oktober, in Nürnberg auf. Ein Erlebnis, das seinen Bezug zum Fußball noch einmal stärken wird. Im fanclub.dfb.de-Interview sprach DFB-Mitarbeiter Daniel Stolpe mit dem Grafen über einen Lebenstraum als Musiker und die Faszination des Fußballs auch für jene Menschen, die nicht jede Woche ins Stadion gehen.

fanclub.dfb.de: Graf von Unheilig, Sie werden beim DFB-Bundestag Ende Oktober in Nürnberg auftreten. War das eine ungewöhnliche Anfrage für Sie?

Der Graf: Für uns ist immer in erster Linie der Rahmen der Veranstaltung entscheidend: Wo soll das stattfinden? Und wie? Und diesmal wird es ja ein ganz besonderer Auftritt sein, mit einem großen Orchester im Hintergrund.

fanclub.dfb.de: Sie werden mit den Nürnberger Philharmonikern auf der Bühne stehen. Geht da für Sie auch ein Wunsch in Erfüllung?

Der Graf: Als der DFB mit der Möglichkeit auf uns zukam, war das für mich Grund genug, zuzusagen. Ich muss gestehen, dass ich davon schon lange geträumt habe.

fanclub.dfb.de: Hat das einen besonderen Grund?

Der Graf: Ich komme aus Aachen, bei uns in der Stadt gibt es ziemlich viele Kirchen und regelmäßig den so genannten "Tag der offenen Kirche". Einmal beim Spazierengehen hörte ich aus einer dieser Kirchen klassische Musik. Und weil "Tag der offenen Kirche" war, ging ich hinein, dort spielte ein großes Orchester – und wissen Sie was: Es war der absolute Wahnsinn! Ich hatte noch nie zuvor so wie in diesem Moment gespürt, wie Musik einen Menschen streicheln kann!

fanclub.dfb.de: Dabei sind Sie selbst Musiker!

Der Graf: Genau, und trotzdem war das für mich eine völlig neue Erfahrung. Seit diesem Tag hatte ich den Wunsch, einmal selbst mit einem großen Orchester auf der Bühne zu stehen.

fanclub.dfb.de: Wie wird die Vorbereitung sein? Müssen Sie bei den Proben etwas anders machen als sonst, gesanglich beispielsweise?

Der Graf: Nein, es geht immer darum, das zu singen, was du fühlst.

fanclub.dfb.de: Worauf stellen Sie als Sänger sich ein? Tage- oder gar wochenlange Proben mit dem Orchester werden kaum möglich sein?

Der Graf: Ich glaube, dass es für mich ein besonderes Gefühl sein wird, wenn ich mich auf der Bühne in einen so großen Klangteppich legen kann. Ein paar Mal werden wir schon gemeinsam üben. Aber grundsätzlich sind das alles studierte Musiker, ich hingegen bin eher Autodidakt und mache die Dinge aus dem Bauch heraus. Ich freue mich auf dieses Zusammentreffen und bin felsenfest überzeugt, dass es für alle ein Erlebnis wird.

fanclub.dfb.de: Es heißt von Ihnen, dass Sie Fußball nicht mögen. Stimmt das?

Der Graf: Es stimmt, ich habe keinen Verein, dem ich jedes Wochenende die Daumen drücke. Aber wenn die Nationalmannschaft spielt, will ich das auch gerne sehen. Ich werde Jogi Löw und seinen Jungs bei der WM in Brasilien die Daumen drücken, und das ist jetzt nicht nur ein Spruch von mir, sondern irgendwann bin ich dann auch so im Fußballfieber, dass ich nur noch denke: "Los, jetzt schieß' doch!" Ich habe auch schon eine sehr schöne Weltmeisterschaft erlebt, die war so super, die werde ich nie vergessen...

fanclub.dfb.de: Welche war das?

Der Graf: Das war 1990 die WM in Italien! Zu der Zeit war ich bei der Bundeswehr. Wenn die deutsche Mannschaft spielte, trugen wir alle Trikots und saßen in großer Runde vor einem großen Fernseher. Wir haben live miterlebt, wie unsere Jungs Weltmeister geworden sind. Danach sind wir mit Fahnen behangen in die Stadt gefahren zum großen Marktplatz und haben dort gefeiert. Das werde ich mein Leben lang nicht vergessen.

fanclub.dfb.de: Und trotzdem sind Sie kein Fußball-Fan? So haben Sie es in früheren Interviews jedenfalls dargestellt.

Der Graf: Nein, das stimmt so nicht! Ich bin nur niemand, der zu Bundesliga-Spielen ins Stadion geht. Ich habe früher selber gekickt, ich finde den Sport toll und das, was er ausdrückt und was er vor allem auch bewirken kann. Fußball ist ja viel mehr als nur ein Sport, er reicht viel tiefer in ganz andere Bereiche des Lebens hinein.

fanclub.dfb.de: Der Trainer Bill Shankly sagte: "Es gibt Leute, die denken Fußball ist eine Frage von Leben und Tod. Ich mag diese Einstellung nicht. Ich kann ihnen versichern, dass es noch sehr viel ernster ist." Shankly hat im Fußball nicht nur eine sportliche, sondern auch eine kulturelle und politische Angelegenheit gesehen. Wird der Fußball Ihrer Meinung nach mitunter auf ein zu hohes Podest gestellt?

Der Graf: Nein, das glaube ich nicht. Der Fußball hat sich so entwickelt, dass er so viele Menschen begeistert, dass sich automatisch in positiver Weise etwas bewegt, wann immer er stattfindet. Der Fußball ist eine Brücke zwischen den Ländern. Bei einer Weltmeisterschaft ist es so, als würden sich viele Zwänge in Luft auflösen. So wie beim "Sommermärchen" 2006, als man plötzlich wieder mit einer Deutschland-Fahne auf der Straße laufen konnte, ohne deshalb ein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Wir konnten unser Land mal wieder feiern, das fand ich klasse.

fanclub.dfb.de: Das "Wunder von Bern", der erste deutsche WM-Sieg 1954, gilt sogar als inoffizielle Geburtsstunde der damals noch sehr fragilen und von der Kriegsschuld gezeichneten Bundesrepublik.

Der Graf: Ich war damals noch nicht geboren. Aber aus den Erzählungen meiner Eltern weiß ich, dass damals wirklich so ein Funke sprühte, der die Menschen wieder hoffen und an sich und ihr Land hat glauben lassen. Schön, wenn der Fußball zu so etwas im Stande ist!

fanclub.dfb.de: Welche ist Ihre früheste Fußballerinnerung?

Der Graf: (lacht) Ich weiß noch genau, wenn früher die Nationalmannschaft spielte und ein Tor gefallen ist, hörte man bei uns im Wohnzimmer die ganze Straße rufen und feiern. Vor allem wusste man, wer – wie wir – Kabel hatte und wer eine Schüssel auf dem Dach. Bei uns war jedes Mal noch der Eckball zu sehen, da wurde bei den Nachbarn schon das Tor bejubelt.

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fanclub.dfb.de: Was haben Sie vom Triplegewinn der Bayern in der vergangenen Saison mitbekommen?

Der Graf: Ich habe es wahrgenommen, aber längst nicht so intensiv wie andere. Ich kann mir vorstellen, dass diese Saison für Bayern-Fans wie Weihnachten, Neujahr und Ostern auf einmal gewesen sein muss. Aber auch für mich als Außenstehenden war es durchaus gigantisch, dass da eine Mannschaft ist, die alles abräumt – und obendrein noch richtig guten Fußball spielt. Aber mich hat etwas anderes noch mehr beeindruckt.

fanclub.dfb.de: Und zwar?

Der Graf: Dass da mit Jupp Heynckes ein Trainer war, der vor gar nicht allzu langer Zeit schon komplett abgeschrieben war und der dann noch einmal so zurückkommt und solche Erfolge möglich macht. Das war für mich das Schönste an diesem Triple. Es imponiert mir allgemein, wenn jemand sich nicht kleinkriegen lässt, sondern an das glaubt und das tut, was er gerne macht; auch wenn alle anderen schon nicht mehr daran glauben. Bei Heynckes war das ja wohl der Fall. Und wenn man dann, wie er, als letzte Amtshandlung in seinem Trainerleben solche Geschichte schreibt, wie es vorher kein Mensch geschafft hat – einen besseren Abschied, als in diesem Alter auf dem Höhepunkt seines Schaffens abzutreten, kann es nicht geben. Dieses kleine Wunder hat mich wirklich berührt.

fanclub.dfb.de: Welche Art von Fußball möchten Sie sehen?

Der Graf: Mir ist nur eines wichtig: Dass die Jungs sich Mühe geben. Wenn ich merke, dass denen alles egal ist, werde ich sauer – besonders bei der Nationalmannschaft. Wir sind in dem Moment alle Deutschland, sie sind unsere Repräsentanten auf dem Platz. Fehler und Ballverluste dürfen passieren, aber kämpfen müssen die Spieler. Wir stehen nun mal für den Fleiß, für Kampfgeist und Disziplin, die typischen deutschen Tugenden, und die möchte ich auf dem Platz erkennen können. Ich war weiß Gott kein begnadeter Kicker, aber wenn wir bei uns in der Straße gespielt haben, wollte ich immer stürmen, ich wollte den Ball ins Tor schießen, ich wollte rennen und kämpfen, kämpfen, kämpfen – und nach dem Spiel richtig k.o. sein.

fanclub.dfb.de: Die aktuelle Generation spielt obendrein richtig ansehnlich Fußball.

Der Graf: Umso besser! Die momentane Begeisterung rund um die Nationalmannschaft gefällt mir auch total gut. Man darf nur nicht erwarten, dass das immer so bleibt. Ich kann mich noch an Rudi Völlers Wutausbruch nach einem Länderspiel erinnern (nach dem 0:0 auf Island am 6. September 2003 – Anm. d. Red.), als er mir wirklich aus dem Herzen gesprochen hat: Wir Deutschen zerreden alles immer sehr gerne, und es ist sehr leicht, alles und alle zu kritisieren. Aber ich denke mir: Nun lasst uns doch alle mal wieder hoffen und positiv an die Sache herangehen! Ich glaube übrigens, dass zu der Zeit bei mir auch der Punkt erreicht war, an dem ich zum Fußball auf Abstand gegangen bin.

fanclub.dfb.de: Welche Rolle spielt der Fußball in Musikerkreisen? Fachsimpelt man beispielsweise bei Konzerten oder Festivals?

Der Graf: Mir ist aufgefallen bei Konzerten, die wie Fußballspiele am Wochenende stattfinden, dass nur ich immer gut gelaunt bin. Bei den anderen richtet sich die Stimmung sehr verlässlich danach, ob ihre Mannschaft gerade verloren hat, dann sind die richtig mies drauf; und wenn sie gewonnen hat, könnten sie glücklicher kaum sein. Diese Launen wechseln echt ohne Ende, totale Euphorie oder eben tote Hose. Wenn du das als Außenstehender beobachtest: Das ist wirklich Wahnsinn!

fanclub.dfb.de: Der Fußball und die Musik begeistern die Massen nun mal gleichermaßen. Vereint wird beides in Fußballhymnen – kennen Sie eine?

Der Graf: (überlegt, singt erst langsam und leise, dann lauter und schneller) Die Sportfreunde Stiller fallen mir ein mit ihrem "'54, '74, '90, 2006...mit dem Herz in der Hand und der Leidenschaft im Bein...".

fanclub.dfb.de: Wäre das für Sie eine Herausforderung: Eine Einlaufmusik, die das Publikum und die Spieler gleichermaßen antreibt?

Der Graf: Diese Frage einem Musiker zu stellen, ist in etwa so, wie wenn man einen Fußballer fragt: "Ey, sag' mal, möchtest Du für Real Madrid spielen?" Der sagt doch auch niemals Nein. Aber er hat im ersten Moment trotzdem sicher Angst vor der eigenen Courage, vor der Verantwortung, die Leute nicht enttäuschen zu dürfen.

fanclub.dfb.de: Also?

Der Graf: Natürlich ist der Gedanke toll! Ich wäre jedenfalls total offen für eine solche Herausforderung und würde es auch probieren wollen.

fanclub.dfb.de: Mit einem Text über Fußball?

Der Graf: Nein, ich glaube, manchmal sind Worte zu viel. Allgemein ist Instrumentalmusik eine Sprache, die jeder Mensch auf der Welt versteht.

Das meinen DFB.de-User:

"Hallo Leute, echt super das Interview mit dem Grafen. Hat mir sehr gefallen. So frei und offen geantwortet: seine Kindheit und seine Vergangenheit ein wenig mit eingebracht. Hat bestimmt Spaß gemacht, so ein Interview zu führen. Alles Liebe und Gute von einem ganz treuen Fan des Grafen." (Sabine Wiechmann, Berlin)