Erlangen
Von Klimakrise bis Nature Writing

Poetenfest: Jedes Jahr am letzten August-Wochenende feiert Erlangen den Auftakt zum Bücherherbst

05.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:05 Uhr
Das Erlanger Poetenfest zählt zu den renommiertesten Literaturfestivals im deutschsprachigen Raum. Im Mittelpunkt stehen die Lesenachmittage im Schlossgarten. −Foto: Pöhlein

Erlangen (DK) Umweltschutz und Klimakrise, Aufrüstung und Kriegsgefahren, die Verrohung von Sprache und Gesellschaft und die Digitalisierung sind zentrale Themen des 39. Erlanger Poetenfests, das vom 29. August bis 1. September Buchschaffende und Literaturfreunde nach Mittelfranken lockt.

Beliebt sind dabei vor allem die langen Lesenachmittage im Schlossgarten (31. August und 1. September). Denn dann bekommt man - bei freiem Eintritt - im Halb-Stunden-Takt einen Überblick über die Neuerscheinungen des Bücherherbstes.

Dann liest etwa die Gewinnerin des Ingeborg-Bachmann-Preises Birgit Birnbacher aus ihrem Siegertext "Der Schrank". Aber auch Jan Brandt, Helene Bukowski, Kenah Cusanit, Gerhard Falkner, Norbert Gstrein, Andreas Maier, Jaroslav Rudi? oder Burkhard Spinnen werden erwartet, die vor malerischer Kulisse im Grünen Auszüge aus ihren neuen Werken vortragen.
Die traditionellen Autorenporträts im Markgrafentheater sind den Schriftstellerinnen Monika Maron (30. August, 20 Uhr) und Ulrike Draesner (31. August, 19.30 Uhr) sowie dem aus dem irakischen Kurdistan stammenden Bachtyar Ali, dem bekanntesten zeitgenössischen Autor seiner Heimat (1. September, 19.30 Uhr) gewidmet.

Schon sein gewaltiges Epos "Erste Erde", in dem er in sieben langen Schreibjahren auf unnachahmliche Weise das Wissen der Welt mit Poesie verband, hatte Raoul Schrott vor drei Jahren in Erlangen vorgestellt. Jetzt reist er mit seinem neuen Werk an: "Eine Geschichte des Windes oder Von dem deutschen Kanonier der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal" hat der Österreicher seinen neuen Roman genannt, in dessen Zentrum Hannes aus Aachen steht, der vor 500 Jahren mit Magellans Flotte zu den Gewürzinseln aufbrach - ins völlig Ungewisse. Meutereien, Schiffbrüche, Kämpfe, Menschenfresserei - am Ende kehrte bloß ein einziges Schiff zurück. Nur 18 Seeleute überlebten, unter ihnen "Juan Aleman". Dass er noch ein zweites und sogar drittes Mal zur Weltumsegelung aufbrach, ist alles, was man von ihm weiß. Raoul Schrott ist dieser Nebenfigur der Weltgeschichte hinterhergereist. Mit der Kulturwissenschaftlerin Gloria Meynen spricht er über Weltaneignung und Globalisierung (31. August, 21 Uhr Palais Stutterheim).

"Deutsch für alle! ": Abbas Khider beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit den Fallstricken des Deutschen. "Sprachwissenschaftlichen Schwachsinn" nennt er seine unterhaltsame Tour d'horizon, die zugleich ein Rückblick auf seine Migrationsgeschichte ist (31. August, 14 Uhr, Orangerie).

Es gibt Diskussionen über die Verrohung von Sprache und Gesellschaft (29. August, 18 Uhr, Palais Stutterheim), über Deutschland - 30 Jahre nach der Wiedervereinigung (30. August, 18.30 Uhr, Palais Stutterheim), über die Klimakrise (1. September, 11 Uhr, Markgrafentheater), über die Digitale Gesellschaft (1. September, 15 Uhr, Palais Stutterheim) und über den Untergang des Wohnbaukonzerns "Neue Heimat" in den 80er-Jahren und dessen Folgen für die Gemeinwirtschaft (31. August, 15.30 Uhr, Orangerie).

Geboten werden zudem ein Überblick über die immer populärer werdende Gattung "Nature Writing" (1. September, 18 Uhr, Orangerie), ein "Fulminantes Comic-Vorlesen" (31. August, 21 Uhr, Theater in der Garage) und eine spannende Performance zum "Thesaurus rex". 1062 Seiten dick ist diese seit mehr als einem Jahrzehnt kollektiv im Internet zusammengetragene Wortschatzsammlung. Die Worte darin gibt es allerdings nicht - sie entstehen durch Buchstabenverluste, -einfügungen und Verballhornungen. Initiiert hat sie der Luzerner Künstler René Gisler, der sie auf dem Poetenfest vorstellen wird (31. August, 19.30 Uhr, Orangerie).

"Alter Schwede! " sagt man bisweilen, wenn man seinem Erstaunen Ausdruck verleihen möchte. "Alter Schwede! " hat Rolf-Bernhard Essig seinen Wochenwandkalender für 2020 genannt, in dem er den Geschichten hinter vielen Redensarten nachspürt. "Mein Name ist Hase", "das geht doch auf keine Kuhhaut", "dasselbe in Grün": Rolf-Bernhard Essig weiß, woher das alles kommt und erklärt es dem Publikum (1. September, 11.30 Uhr, Stadtmuseum).

Weil das Jahr 2019 im Zeichen Theodor Fontanes steht, der vor 200 Jahren geboren wurde, feiern die Literaturkritiker Anne-Dore Krohn und Denis Scheck ihn mit einer literarischen Revue (1. September, 16 Uhr, Markgrafentheater).

Und natürlich warten auf der Bilderbuchwiese wie jedes Jahr eine Unmenge an Tast-, Wimmel-, Sach- und Märchenbücher, Comic-Alben oder Gedichtsammlungen auf junge Leseratten. Im Zirkuszelt auf der Nachbarwiese wird die Druckwerkstatt aufgebaut, die Kindern und Jugendlichen unter fachkundiger Anleitung die Möglichkeit bietet, in die Fußstapfen Gutenbergs zu treten. Das Junge Podium ist diesmal unter anderem mit Bob Konrad ("Der Knäckebrotkrach"), Mario Fesler ("Extrem gefährlich! Maus mit Mission") und Martin Muser ("Kannawoniwasein - Manchmal fliegt einem alles um die Ohren") besetzt.

Musik? Gibt es natürlich auch - von dem Violinisten Stefan Poetzsch und dem Schlagzeuger Christian Thomé, begleitet von Markus Stockhausen (31. August) und Njamy Sitson (1. September).

Das Programmheft mit ausführlichen Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen erscheint Mitte August. Informationen zum Kartenvorverkauf gibt es online unter www.poetenfest-erlangen.de.

Anja Witzke