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Abstehende Ohren Ohren anlegen, bitte!

Kinder mit abstehenden Ohren müssen sich viele Hänseleien gefallen lassen. Um den kleinen Makel zu beheben, möchten viele Eltern oft schon im Säuglingsalter etwas gegen die abstehenden Ohren ihres Kindes unternehmen. Doch welche Methoden sind sinnvoll? Und ab welchem Alter kommt frühestens eine Operation infrage?

Ursache für abstehende Ohren - die Gene

Abstehende Ohren bei Kindern
© Thinkstock - ia_64

Etwa ein Baby von 2000 kommt mit einem oder zwei abstehenden Ohren zur Welt. Verantwortlich dafür sind in der Regel die elterlichen Gene. Sie bestimmen auch, welcher Teil des Ohres das Abstehen provoziert. Am häufigsten tut das die sogenannte Anthelix-Falte. So heißt der Knick, der den Übergang vom Ohraußenrand zur Ohrmulde bildet, bevor es in den Gehörgang geht. Diese Falte ist entweder zu flach oder gar nicht vorhanden. Folge: Die Ohrmuschel knickt nicht genug nach hinten zum Kopf. Doch auch die Ohrmulde selbst kann das Abstehen der Ohren begünstigen. Ist sie nämlich zu steil geformt, hält sie die Ohrmuschel wie eine Servierplatte vom Kopf fern. Nicht selten führt auch eine Kombination dieser beiden Varianten zu Segelohren.
Es gibt sogar Versuche zu bestimmen, ab wann wir Ohren überhaupt als abstehend empfinden. Nach Meinung einiger Experten dann, wenn zwischen Ohrrand und Kopf ein Abstand von mindestens 18 Millimetern herrscht. Andere Fachleute messen den Winkel, in dem die Ohrmuscheln vom Kopf wegzeigen, und diagnostizieren erst bei 30 Grad und mehr eine "Apostasis otum", wie das Abstehen von Ohren im Ärztedeutsch heißt. Medizinisch gesehen – etwa für das Hörvermögen –, sind diese Abweichungen von der Norm völlig unerheblich.

Kinderarzt Dr. Hilmar Uhlig

Wickelmethode und Co.

Ergebnisse von "Soft-Therapien" oft nicht dauerhaft

Am ältesten und schonendsten sind die Wickelmethoden: Dem Neugeborenen rund um die Uhr eine Mütze oder ein Stirnband aufsetzen, um seine Ohren so lange dicht ans Köpfchen zu drücken, bis sie – hoffentlich – von selbst dort bleiben. Diese jahrhundertealte Praxis empfehlen viele Hebammen heute noch – der Erfolg ist allerdings ungewiss bis mäßig. In Japan tragen neugeborene Babys mit Absteh-Ohren mehrere Wochen lang einen Mullbindenverband um den Kopf. Das anfänglich gute Ergebnis verwächst sich jedoch oft wieder mit den Jahren.

Die dritte "Soft-Therapie" praktiziert man in England: Damit die Ohren mehr zum Kopf hin wachsen, werden in den äußeren Rand der Ohrmuscheln individuell geformte Schienen eingesetzt. Wie dauerhaft die Erfolge sind, ist aber nicht belegt.
Garantiert wirksam war dagegen die Behandlungsmethode, die Ärzte in der DDR anwendeten: Sie erzeugten eine Wundfläche auf der Rückseite der Ohrmuscheln und nähten die Ränder der Ohren an die Kopfhaut. Ergebnis: Die Ohrmuscheln wuchsen am Kopf fest. Das Nachsehen hatten jedoch die Träger von Brillen, deren Bügel nun keinen Halt mehr fanden – weshalb diese Methode bei Patienten auch nicht sehr beliebt war.

Sympathische "Segelflieger"

Für prominente Erwachsene wie den Schauspieler Dominique Horwitz oder Prinz Charles können sie ein Markenzeichen sein, und auf viele Menschen wirken sie sympathisch. Vielen Betroffenen aber machen sie zu schaffen – meist, weil sie unter Spott leiden. Es gibt kaum ein Kind mit Absteh-Ohren, das nicht irgendwann "Dumbo", "Segelflieger" oder "Radarstation" genannt wird. Übrigens ist das nur in unserem Kulturkreis so. In fernöstlichen Ländern gelten abstehende Ohren als Zeichen von Weisheit und Reichtum.

Operation "Ohren anlegen"

Entscheidend ist, wie oft der Arzt die OP schon durchgeführt hat.

Im Kindergarten spielt das Aussehen noch keine große Rolle, doch Schulkinder kennen oft keine Gnade. Wollen Eltern ihr Kind deshalb operieren lassen, empfiehlt sich als idealer Zeitpunkt – auch aus medizinischer Sicht – das letzte Vorschuljahr. Denn mit fünf, sechs Jahren wächst der Ohrknorpel kaum noch, ist aber immer noch relativ weich und formbar.

Zuständig für den Eingriff sind Ärzte verschiedener chirurgischer Richtungen: Kinderchirurgen, Hals-Nasen-Ohren-Chirurgen, ästhetisch-plastische Chirurgen sowie Mund-Kiefer-Gesichts-Chirurgen. "Entscheidend ist nicht die Fachrichtung, sondern, wie oft jemand diese Operation schon gemacht hat", sagt Privatdozent Dr. Rainer Staudenmaier, Leitender Oberarzt der HNO-Klinik im Münchener Klinikum Rechts der Isar. Er empfiehlt, sich bei der Suche nach einem Operateur an die Empfehlung des Kinderarztes zu halten. "Der weiß, in welcher Praxis oder Klinik entsprechend erfahrene Chirurgen arbeiten."

Beim ersten Termin werden die Eltern beraten und die Kinderohren von allen Seiten fotografiert. Diese Fotos dienen nicht nur dazu, das spätere Operationsergebnis mit dem Ausgangszustand zu vergleichen. Der Arzt braucht sie, um bei der Krankenkasse – egal, ob gesetzlich oder privat – die Übernahme der Kosten zu beantragen. Bei Kindern bis zwölf Jahren übernimmt die Kasse sie in den meisten Fällen. Bis zur Operation vergehen dann meist noch einige Wochen. In dieser Zeit kann sich das Kind an den Gedanken gewöhnen, operiert zu werden. Rollenspiele mit Puppe oder Teddy sowie Arzt-Bilderbücher helfen dabei. Auch die Aussicht, nach der ambulanten Operation gleich wieder nach Hause zu dürfen, tut gut.

Und so funktioniert es:

In der Regel werden Kinder bis zum Schulalter in Vollnarkose operiert. Mit örtlicher Betäubung sind sie bei solchen Eingriffen erfahrungsgemäß zu unruhig. Die Operation selbst dauert zwischen eineinhalb und drei Stunden – je nachdem, ob nur ein Ohr absteht oder alle beide. Und mit welcher Technik operiert wird. Immerhin gibt es mehr als 200 Methoden, die sich aber – ganz grob – drei Gruppen zuordnen lassen:

Nahttechniken: Dabei werden unter der Haut nicht resorbierbare Fäden aus Seide oder Goretex durch den Ohrknorpel gezogen und so gespannt und verknotet, dass sich die Anthelix-Falte bildet bzw. stärker hervortritt.

Schnitt-Ritz-Techniken: Dabei bearbeitet der Chirurg den Ohrknorpel durch Abschaben, Einritzen und Einschneiden so sehr, bis sich dieser formen lässt.

Kombinierte Naht-Schnitt-Techniken: Weil man damit noch genauer auf die individuellen Gewebe- und Ohrformunterschiede eingehen kann, setzen sehr viele Chirurgen auf diese Variante. Bei einem sehr festen Ohrknorpel beispielsweise bringt eine reine Nahttechnik nicht sehr viel. Dann ist es sinnvoll, den Ohrknorpel vorher durch Schaben auszudünnen, damit die Fäden die neue Form auch halten können. Und reines Ritzen und Schneiden genügt oft nicht, um das Ohrrelief möglichst fein und natürlich zu gestalten. Sieht man den Ohren später an, dass sie operiert wurden, gilt der Eingriff als misslungen.

Auch deshalb übrigens arbeiten die meisten Chirurgen nur an der Rückseite der Ohren. So können keine sichtbaren Narben entstehen. Obwohl die Ohren sehr stark durchblutet sind, brauchen selbst in der ersten Nacht nach der Operation nur die wenigsten kleinen Patienten ein Schmerzzäpfchen. Falls sich das Kind dennoch nicht ganz wohlfühlt: Schon am nächsten Tag ist es wieder beim Arzt – zum ersten Verbandswechsel. Dabei kontrolliert der Doktor, ob die operierten Ohren richtig anliegen, ob sich ein Bluterguss oder eine Druckstelle gebildet hat. Meist ist alles in Ordnung. Zu Komplikationen kommt es nach solchen Ohrplastiken nur selten.

Drei, vier Tage später wird der Verband erneut gewechselt, nach einer weiteren Woche wird er schließlich abgenommen. Dann muss das Kind noch acht bis zehn Tage lang rund um die Uhr ein Stirnband tragen, eine weitere Woche lang dann noch nachts. Und als Lohn für soviel Tapferkeit muss es sich nie mehr "Dumbo" oder "Segelflieger" nennen lassen.

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