20 Jahre VW Phaeton: Der nie gezeigte Nachfolger

Vor 20 Jahren kam der Phaeton auf den Markt, mit dem VW abheben wollte. Ein Nachfolger war 2015 fertig, allerdings zum denkbar schlechtesten Moment.

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VW Phaeton 1 und 2

(Bild: VW)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Christian Lorenz
Inhaltsverzeichnis

Die VW-Luxuslimousine Phaeton (intern: D1) wird 20 Jahre alt. Sie schaffte es zwischen 2002 und 2016 zwar, viel Respekt für ihre überlegene Qualität zu gewinnen, war aber kein Erfolg am Markt. Zum Jubiläum zeigt Volkswagen erstmals den nahezu fertigen Nachfolger D2, den der Vorstand dann nicht freigab. So blieb der Phaeton ein tragischer Held – wie sein Namensvetter in der griechischen Mythologie.

"Hier ruht Phaethon, der Lenker des väterlichen Wagens; zwar konnte er ihn nicht meistern, starb aber, nachdem er Großes gewagt hatte." Nach Ovid ist das die Grabinschrift für Phaethon, den Sohn des römischen Sonnengottes Sol. Phaethon hatte seinen Vater überredet, dass er ihn den Sonnenwagen lenken ließ, konnte ihn aber nicht kontrollieren und löste so eine Katastrophe biblischen Ausmaßes aus. Nicht nur er selbst, sondern darüber hinaus ein Großteil der Menschheit verlor dabei ihr Leben.

Irgendwie passt dieser Name ironisch zum bisher einzigen und nicht sehr erfolgreichen Versuch von Volkswagen, in der absoluten Oberklasse mit einem kompromisslosen Qualitätsprodukt gegen Mercedes S-Klasse, BMW 7er und nicht zuletzt den konzerneigenen Audi A8 anzutreten. Auch wenn man den Volkswagen ohne zweites h schreibt und sein Name auf eine gängige Karosseriebezeichung von großen luxuriösen Kutschen bis hin zu repräsentativen Vorkriegsautomobilen zurückgreift.

Was hat man dem VW Phaeton nicht alles an Spot und Häme hinterhergeworfen: "Blähton" und "Passat XXL" waren noch die freundlichen Bezeichnungen, mit denen diese Luxuslimousine versehen wurde. Dabei übersehen Kritiker leicht, mit welchem Engagement dieses Auto entwickelt und gebaut wurde.

(Bild: Volkswagen)

Der Phaeton war eine mit manischer Qualitätssucht scheinbar gegen alle unternehmerische Vernunft durchgesetzte, fixe Idee vom Autonarren Ferdinand Piëch, Volkswagen-Vorstand von 1993 bis 2002. Es ging sogar so weit, dass sich das Gerücht verbreitete, Piëch habe mit dem teuren Flop Phaeton bewusst seinen Nachfolger Bernd Pischetsrieder sabotiert. Pitschetsrieders Scheitern als Vorstand war tatsächlich auch eine Folge der Riesenverluste durch den Phaeton und seine sündhaft teure gläserne Manufaktur, wo er in Dresden in klinisch sauberer Handarbeit publikumswirksam quasi als Kunsthandwerk entstand.

Der Phaeton setzte qualitativ Maßstäbe, die bis heute kaum ein Auto erreicht. Nahezu ohne Rücksicht auf die Kosten wurde eine Fertigungspräzision umgesetzt, die bei Fugen-Fetischisten Tränen der Ergriffenheit auslöst. Sprichwörtlich geworden ist auch die mit unglaublichem Aufwand nahezu zugfrei gehaltene Klimaautomatik, deren unter Edelholzzierteilen versteckte Luftausströmer sich erst bei Bedarf automatisch und lautlos öffnen.

Optisch war der VW Phaeton reizlos. Nicht ohne Kalkül, denn auf den damaligen Hauptabsatzmärkten wurde formaler Mut in dieser Klasse nicht belohnt.

(Bild: Volkswagen)

Im Dezember 2001 startete die Produktion der 5,06 m langen und 1,9 m breiten Luxuslimousine. Wahlweise gab es eine Langversion mit um 120 mm verlängerten Radstand. Eine adaptive Zweiachs-Luftfederung gehörte zum Serienumfang. Einstiegsversion war ein 3.2 V6-Benziner mit 177 kW und Frontantrieb. Zweiter Ottomotor war ein imposanter, aus zwei V6-Motoren zusammengesetzter, W12 mit 309 kW und serienmäßigem Allradantrieb.

Das eigenständige Ausrufezeichen setzte der herrlich unvernünftige V10 TDI. Mit 230 kW war er laut Volkswagen die damals stärkste Diesellimousine der Welt, die aber 2006 an der Euro4-Umweltnorm scheiterte und aus dem Programm flog. Im Laufe der 14-jährigen Bauzeit wurde dem Phaeton zahlreiche Modellpflegen, neue Versionen sowie Verbesserungen beschert. 2003 kam als empfehlenswerter Benziner ein 4.2 V8 hinzu.

Zum mit Abstand meistverkauften Phaeton wurde der ab 2004 angebotene Einstiegsdiesel 3.0 V6 TDI, der in seiner letzten Ausbaustufe 180 kW leistete. 2011 entfiel das Topmodell W12 und der Einstiegs-Benziner 3.2 V6 wurde durch gleich zwei V6-Modelle mit 3 und 3,6 Litern Hubraum ersetzt. Der Phaeton spielte die Rolle der komfortablen Luxuslimousine ohne große fahrdynamische Ambitionen bravourös und musste sich auch in Vergleichstests nicht vor dem größten Konkurrenten, der Mercedes S-Klasse, verstecken.

Alles in diesem Innenraum wirkt wie aus dem Vollen gefräst. Anders als heute oft zu beobachten, umfasst das auch Bereiche, die nicht im direkten Sichtfeld liegen.

(Bild: Volkswagen)

Bei den zahlreichen Modellpflegemaßnahmen zwischen 2007 und 2014 hielten im Phaeton damals so zukunftsweisende Systeme wie Touchscreen, Kohlefaser-Keramik-Bremsen (W12) und eine kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung Einzug. Der radarbasierte Abstandsregeltempomat wurde auf dem damaligen Stand der Technik optimiert und gehörte zu den am besten funktionierenden im zeitgenössischen Umfeld.

Vom Dezember 2001 bis zum Produktionsende am 18. März 2016 wurden 84.235 Phaetons gebaut. Zum Vergleich: Von der Mercedes S-Klasse der Baureihe 221 wurden in der deutlich kürzeren Bauzeit von September 2005 bis Mai 2013 nicht weniger als 537.519 Fahrzeuge produziert. Schlagzeilen machte der Phaeton mit dem Unfalltod von Jörg Haider, des sehr umstrittenen, von vielen mit Sorgen und Kopfschütteln betrachteten Kärntner Landeshauptmanns und früheren FPÖ-Vorsitzenden. Mit hohem Blutalkoholgehalt kam Haider mit seinem Phaeton V6 mit 142 km/h in einer Zone, in der nur 70 km/h erlaubt war, von der Straße ab und überschlug sich mehrmals. Auch die überragende passive Sicherheit des VW-Flaggschiffs konnte Haider nicht retten. Man fühlt sich an Ovid und das tragische Ende Phaethons erinnert.

Der zweite VW Phaeton sollte 2015 auf den Markt kommen. Konzeptionell hatte sich VW keine grundlegende Änderung überlegt. Auch dieses Auto sollte eine Luxuslimousine mit überragender Qualität werden.

(Bild: Volkswagen)

Der geplante Nachfolger, den VW anlässlich des Jubiläums nun erstmals ins Licht der Öffentlichkeit stellt, sollte 2015 vorgestellt und auf den Markt gebracht werden. Trotz des wirtschaftlichen Fehlschlags hatte sich der Vorstand dazu durchgerungen, die Entwicklung einer zweiten Generation zu genehmigen. Konzeptionell wollte man am Konzept festhalten und dem fehlenden Prestige der Limousine wieder kompromisslose Qualität entgegensetzen. Auch der zweite Phaeton wäre ein schweres Luxusauto mit einer feudalen Anmutung geworden.

Optisch wäre das Auto auch im Jahr 2022 vermittelbar.

(Bild: Volkswagen)

Doch es kam anders: Kurz vor der Premiere flog der Betrug mit Abgaswerten in Dieselmotoren auf. Der schwere Tanker Volkswagen war auf einmal in stürmischer See. Der Konzern hatte plötzlich ernstliche Probleme am Hals, deren Aufarbeitung ihn absehbar enorm viel Geld kosten würde. Auf einen Schlag war damit auch klar: Für alles, was kaum Rendite einfährt, werden die Ressourcen gestrichen. Doch das war nicht allein der Grund, warum es den praktisch fertig entwickelten, zweiten Phaeton nie zu kaufen gab. Keiner der Verantwortlichen wollte sich der medialen Detonation aussetzen, die die Premiere einer schweren Luxuslimousine mitten im Abgas-Skandal ganz ohne jeden Zweifel ausgelöst hätte. Nicht einmal die argumentativ biegsamsten Öffenlichkeitsvermittler hätten die von der Gesellschaft eingeforderte Demut, verstanden zu haben, was man da angerichtet hat, mit einer glänzend-rauschenden Phaeton-Vorstellung unter einen Hut bringen können.

Der große Bildschirm in der Mitte hat es letztlich in die Serie geschafft: Im 2018 vorgestellten Touareg.

(Bild: Volkswagen)

Teile haben es aber noch in Serie geschafft, und sie zeugen von einer gewissen Weitsicht. Dazu zählt das riesige Display in der Mitte. Schon 2010 habe man das Wachstum bei den Displays vorausgesehen und das Armaturenbrett des Phaeton entsprechend geplant, heißt es bei Volkswagen. Genau das findet sich im 2018 vorgestellten VW Touareg wieder. Zumindest im Detail hat VW den zweiten Phaeton auf diese Art weiterleben lassen.

(chlo)