Wintersport

Skispringen | Die DSV-Bilanz seit Hannawalds Tournee-Sieg

DSV wartet bei der Vierschanzentournee seit 2002 auf Gesamtsieg

Knapp gescheitert bis historisch schlecht: Die DSV-Bilanz seit Hannawalds Tournee-Sieg

Die DSV-Adler nahmen seit 2003 mehrfach Anlauf für einen Tournee-Sieg. Geklappt hat es nie.

Die DSV-Adler nahmen seit 2003 mehrfach Anlauf für einen Tournee-Sieg. Geklappt hat es nie. imago images (3)

Die vergangene Vierschanzentournee war aus DSV-Sicht eine zum Vergessen. Beim Gesamtsieg von Halvor Egner Granerud enttäuschten die deutschen Springer, Andreas Wellinger (Rang elf) war noch der beste. Diese Saison sind die Vorzeichen vor der Tournee aber ganz andere: In bislang acht Springen stehen drei Siege, drei zweite und vier dritte Plätze zu Buche. Vor allem der Doppelsieg von Karl Geiger in Klingenthal und der erste Weltcup-Sieg von Pius Paschke beim vorletzten Springen in Engelberg weckten Hoffnungen auf den ersten Tournee-Sieg seit Sven Hannawald 2002.

Allerdings hat die Tournee-Geschichte bislang gezeigt, dass nicht nur Seriensieger wie Stefan Kraft, der die restlichen fünf Saison-Springen inklusive Generalprobe in Engelberg gewann, dem DSV ab dem 29. einen Strich durch die Rechnung machen könnte. In den Jahren seit Hannawalds fulminanten Sieg mit vier gewonnen Einzelspringen, waren die deutschen Skiadler schon mehrfach nah dran, für den großen Wurf reichte es allerdings nie.

Hannawalds Top-Start folgt der Absturz in Garmisch-Partenkirchen

Ganz nah am Doppelerfolg war Hannawald selbst im Dezember 2002. Der damals 28-Jährige gewann in Oberstdorf nämlich auch sein fünftes Tournee-Springen in Folge, blieb dann aber beim Neujahrsspringen in Garmisch-Partenkirchen mit einem zwölften Platz weit hinter den Erwartungen zurück und verlor 20,5 Punkte auf den späteren Gesamtsieger Janne Ahonen. Ein vierter Platz in Innsbruck und ein zweiter (nur 0,7 Punkte hinter Tagessieger Björn Einar Romören) in Bischofshofen konnten das Auslassen nicht mehr wettmachen, Hannawald wurde aber immerhin noch Zweiter - mit nahezu dem Rückstand, den er sich in Garmisch eingebrockt hatte (23,6).

Michael Neumayer

Breites V von Michael Neumayer. imago images

2008: Neumayer profitiert und überrascht

In den folgenden Jahren war ein Podestplatz für DSV-Springer in der Gesamtwertung meist außer Reichweite, die einzigen Lichtblicke waren zwei dritte Plätze von Georg Späth in Garmisch-Partenkirchen (2004, 2005). Erst 2007/08 sollte Michael Neumayer wieder für ein Erfolgserlebnis sorgen. Der gebürtige Bad Reichenhaller ließ dabei nach einem siebten Platz beim Auftaktspringen mit einem dritten beim Neujahrsspringen bereits aufhorchen. Weil in Innsbruck am Bergisel zu viel Wind herrschte, fanden die Einzelwettbewerbe drei und vier jeweils in Bischofshofen statt.

Nach einem siebten Rang im ersten Wettkampf, landete Neumayer beim zweiten nur auf Platz zehn. Weil das Springen auf der Paul-Außerleitner-Schanze allerdings trotz schlechter Witterungsbedingungen im ersten Durchgang von der Jury weitergeführt wurde, fielen mehrere gut platzierte Athleten (wie Gregor Schlierenzauer, Simon Ammann oder Tom Hilde) weit zurück und machten den Weg auf den dritten Gesamtrang für Neumayer frei. Der Abstand auf Ahonen, der mit seinem fünften Tourneesieg seitdem alleiniger Rekordsieger (vor Jens Weißflog, vier Erfolge) ist, betrug aber schon 90,9 Punkte. 

Die nächste Durststrecke dauert bis 2015

Nach dem durchaus überraschenden Erfolg Neumayers konnten die DSV-Adler aber erneut nicht an die guten Leistungen anknüpfen. Zwar gelangen Martin Schmitt (2009 in Innsbruck) sowie Severin Freund (2012 in Oberstdorf) dritte Plätze, Richard Freitag gewann 2015 sogar am Bergisel in Innsbruck, doch in den Kampf um den Tourneesieg konnte kein deutscher Springer ernsthaft eingreifen. Das sollte sich erst im Dezember 2015 ändern.

Podium Vierschanzentournee 2016

Das Podest 2016: 1. Peter Prevc (Mitte, Slowenien), 2. Severin Freund (li., Deutschland), 3. Michael Hayböck (r., Österreich) imago/Sammy Minkoff

Freunds Zweikampf mit Prevc - Freitag im Pech

Zu Beginn der 64. Vierschanzentournee setzte Freund mit seinem Auftaktsieg in Oberstdorf gleich mal ein Ausrufezeichen. Peter Prevc, der als Führender des Gesamtweltcups angereist war und hinter dem Deutschen auf Rang drei einkam, schlug aber postwendend zurück. Der Slowene gewann die folgenden drei Springen, Freund wurde Dritter (Garmisch-Partenkirchen) und zweimal Zweiter (Innsbruck und Bischofshofen). Am Ende landete er auf dem zweiten Gesamtrang und sorgte damit für das beste DSV-Abschneiden seit Hannawald 2003.

Die folgende Tournee verlief für Freund und das gesamte Team enttäuschend. 2017/18 sprang dann mit Freitag ein deutscher DSV-Adler beim Auftakt- und beim Neujahrsspringen hinter dem jeweils siegreichen Kamil Stoch auf den zweiten Tagesrang. Am Bergisel, wo Freitag zuvor bereits gewonnen hatte (2015), stürzte der Erlabrunner aber im ersten Durchgang, die Tournee war für ihn beendet. Teamkollege Wellinger übernahm (zwei dritte Plätze in Innsbruck und Bischofshofen) und kam in der Endabrechnung hinter Gesamtsieger Stoch, der wie Hannawald alle Springen gewann, auf den zweiten Rang.

Doppel-Podest 2019

Auch bei der nächsten Tournee spielten die deutschen Springer wieder eine gute Rolle. Markus Eisenbichler ließ nach zwei zweiten Plätzen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen eine bessere Gesamtplatzierung mit einem 13. Rang in Innsbruck liegen. Trotzdem wurde der Siegsdorfer in der Endabrechnung Zweiter, Stephan Leyhe erreichte einen starken dritten Platz. Nicht zu schlagen war Ryoyu Kobayashi, der wie im Jahr zuvor Stoch mit vier Einzelsiegen dominierte.

Geigers erste Durchgänge in Innsbruck kosten bessere Platzierungen

Bei der 68. Vierschanzentournee hätte es dann fast für den ersten deutschen Erfolg seit 2002 gereicht, wäre da nicht der erste Durchgang am Bergisel gewesen. Geiger hatte sich mit zwei zweiten Plätzen (hinter Kobayashi und Marius Lindvik) in Stellung gebracht, kam dann im ersten Versuch in Innsbruck allerdings nicht über 117,5 Meter hinaus. Zwar gelang ihm in Durchgang zwei eine Steigerung, Geiger verlor aber auf den Tageszweiten Dawid Kubacki (hinter Lindvik) 15,5 Punkte. Im abschließenden Wettkampf in Bischofshofen sprang Geiger auf Rang zwei, hinter Kubacki, der sich am Ende den Tourneesieg holte. Geiger wurde mit 23,2 Punkten Rückstand auf Kubacki hinter Lindvik Dritter.

Karl Geiger

Karl Geiger fliegt in Innsbruck auf das Meer aus Fans zu. imago images/dmuk-media

In der nächsten Saison griff Geiger gleich wieder an und gewann sein Heimspringen in Oberstdorf. Nach einem fünften Rang beim Neujahrsspringen war es dann erneut die Bergiselschanze, die eine bessere Platzierung verhinderte. Geiger verpatzte wieder den ersten Durchgang und verlor satte 27,4 Punkte auf Tagessieger Stoch. Durch einen abschließenden dritten Rang in Bischofshofen schob sich Geiger aber immerhin noch auf den zweiten Gesamtplatz (1062,5), hinter Stoch (1110,6), der seinen dritten Tournee-Sieg bejubelte.

Geiger scheitert erneut - Vergangene Tournee historisch schlecht

Im Dezember 2021 reiste Geiger als Gesamtführender zur Tournee. Die 70. Austragung verlief dann aber durchwachsen. Ein fünfter, ein siebter, ein vierter und ein dritter Rang bedeuteten in der Endabrechnung nur Rang vier - vor Eisenbichler, der sich in Garmisch-Partenkirchen dem späteren Gesamtsieger Kobayashi nur um 0,2 Punkte hatte geschlagen geben müssen.

Bei der vergangenen Vierschanzentournee lief es für die DSV-Adler dann gar nicht. Am Ende war es gar das schlechteste Abschneiden seit 1994/1995.

Die Vorzeichen vor der 72. Austragung sind dagegen so gut wie selten zuvor. Allerdings zeigt die Tournee immer wieder, dass sie ihre eigenen Gesetze hat und auch die ein oder andere Überraschung bringen kann. Man denke nur an den Erfolg von Thomas Diethart 2014 zurück. Der Überraschungssieger aus Österreich gewann in seiner Karriere genau zwei Weltcup-Springen, diese allerdings in Garmisch-Partenkirchen und Bischofshofen auf der Tournee.

sts

Österreichische Dominanz, viermal Ahonen, zwei Dreierpacker: Die Tourneesieger seit Hannawald