Für die Schweizer geht die Abfahrt in Kitzbühel mit einem nie erwarteten Ergebnis zu Ende. Hinter Peter Fill schafften es Beat Feuz und Carlo Janka aufs Podium.
Werner Eisenring (sda), Kitzbühel
In Kitzbühel wurden schon viele Kapitel in Sachen Triumph und Tragödie geschrieben. Doch die 76. Austragung der Hahnenkamm-Abfahrt reizte die Emotionen ganz besonders aus. Die knapp 50 000 Zuschauer sahen eine Prüfung am und teils über dem Limit. Knapp zwei Stunden dauerte das Spektakel, ehe es abgebrochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt waren exakt jene 30 Fahrer im Ziel, die es gemäss Reglement braucht, um eine Abfahrt zu werten.
Den Zuschauern stockte der Atem gleich mehrmals. Es begann mit dem Sturz des Österreichers Georg Streitberger, der nach dem Hausberg in der Kompression vor der Einfahrt zur Traverse ins Fangnetz flog und für einen ersten längeren Unterbruch sorgte. Der Rettungs-Helikopter musste aber später noch ein zweites und ein drittes Mal ausrücken, und diesmal galt es, die beiden Top-Favoriten zu bergen. Dem Österreicher Hannes Reichelt, Hahnenkamm-Gewinner von 2014, und kurz darauf auch dem Norweger Aksel Lund Svindal, Dominator der bisherigen Speed-Saison, wurde dasselbe Loch wie schon Streitberger zum Verhängnis (siehe Box unten).
Sowohl Reichelt als auch Svindal kämpften bei ziemlich grenzwertigen Bedingungen, denn just bei der Fahrt der Favoriten war die Sicht besonders schlecht. Carlo Janka und Beat Feuz, mit den Nummern 10 und 12 gestartet, hatten diesbezüglich noch bessere Verhältnisse vorgefunden. «In Wengen hatten wir Pech mit der Nummer, diesmal aber waren wir sicher bevorteilt», befand Janka hinterher.
Der Bündner war mit Bestzeit ins Ziel gefahren, ehe ihn wenig später Teamkollege Feuz an der Spitze ablöste. Dass kurz darauf der Südtiroler Peter Fill die beiden Schweizer auf die Positionen 2 und 3 verdrängte, tat deren Freude keinen Abbruch. Denn mit dieser Ausbeute hatte nun wirklich keiner gerechnet, nicht in dieser schwierigen Saison, in der die 5. Plätze von Janka die bisherigen Schweizer Bestwerte im Männer-Team waren.
Der Emmentaler Beat Feuz ist und bleibt ein Phänomen. Anfang September hatte sich Feuz im Trainingslager in Chile einen Teilabriss der Achillessehne zugezogen, was ihn bis zur Vorwoche von den Rennpisten fernhielt. In Wengen war ihm als Elfter der Abfahrt ein beeindruckendes Comeback gelungen. Dass er nun aber sieben Tage später gar das Podium stürmen würde, machte selbst ihn fast sprachlos. «Es ist unbeschreiblich. Für einen Platz in den Top 15 hätte ich sofort unterschrieben», erklärte der knapp 29-Jährige aus Schangnau. «In Wengen war ich schon immer schnell, doch Kitzbühel ist halt nochmals eine andere Stufe. Im ersten Training hatte ich in der Traverse noch ‹Schiss›, und auch im Rennen brauchte es Überwindung.»
Erst tags zuvor hatte sich Feuz dazu entschlossen, seinen Verletzten-Status, der ihm für nächsten Winter gute Startnummern bewahrt hätte, aufs Spiel zu setzen. Er wollte unbedingt wieder Rennen fahren.
Wie Feuz erreichte auch Carlo Janka erstmals auf der Streif das Podium. Nie war er über Rang 6 hinausgekommen, fast immer befand er sich in der Traverse «im Sumpf», wie er es nennt. Diese Passage meisterte er gestern aber erstmals in den letzten neun Jahren ohne zu patzen. «Perfekt war es nicht, aber so hoch bin ich noch nie über die Stelle gekommen», freute sich der Bündner.
Auch Marc Gisin durfte auf seine Leistung stolz sein. Der Engelberger, der sich auf der gleichen Piste im Vorjahr eine schwere Hirnerschütterung eingehandelt hatte, schaffte es als Fünfter erstmals in einer Abfahrt in die Top 10. «Es war schwer, sich auf die Bedingungen einzustellen. Die Unterbrüche und das lange Warten haben die Aufgabe schwer gemacht», erklärte der grossgewachsene Obwaldner.
Peter Fill, schon in Lake Louise zu Saisonbeginn als Zweiter hinter Svindal auf dem Podest, errang seinen zweiten Weltcupsieg. Die Premiere – realisiert im November 2008 ebenfalls in Lake Louise – liegt schon lange zurück. Der Südtiroler bezeichnete seinen Sieg als zweitgrössten Triumph: «Der Grösste war die Geburt meines Sohnes.» Der kleine Leon war genau am Samstag zwei Jahre alt geworden.
1. Fill (ITA) 1:52,37
2. Feuz (SUI) 0,37 zurück
3. Janka (SUI) 0,65
4. Clarey (FRA) 0,80. 5. Gisin (SUI) 1,06. 6. Kilde (NOR) 1,22. 7. Kriechmayr (AUT) 1,26. 8. Théaux (FRA) 1,40. 9. Poisson (FRA) 1,44. 10. Striedinger (AUT) 1,46. 11. Guay (CAN) 1,51. 12. Baumann (AUT) 1,71. 13. Weibrecht (USA) 1,79. 14. Jansrud (NOR) 1,89. 15. Osborne-Paradis (CAN) 1,93. 16. Paris (ITA) 1,96. 17. Sander (GER) 2,00. 18. Ganong (USA) 2,06. 19. Innerhofer (ITA), Thomsen (CAN) 2,24. – 30 Fahrer gestartet, 24 klassiert. – Ausgeschieden: Svindal (NOR), Streitberger (AUT), Reichelt (AUT), Kröll (AUT), Muzaton (FRA), Nyman (USA).
Bemerkung: Die Abfahrt wurde wegen der schlechter werdenden Wetterbedingungen nach 30 Fahrern aus Sicherheitsgründen abgebrochen. Das Rennen wird dennoch gewertet.
Gesamtwertung (nach 21 von 45 Rennen): 1. Svindal (NOR) 916 Punkte. 2. Hirscher (AUT) 809. 3. Kristoffersen (NOR) 671. 4. Jansrud (NOR) 621. 5. Muffat-Jeandet (FRA) 440. 6. Fill (ITA) 430. – Ferner: 12. Janka (SUI) 323. 35. Gisin (SUI) 134. 41. Feuz (SUI) 119.
Abfahrt (nach 6 von 11 Rennen): 1. Svindal (NOR) 436 Punkte. 2. Fill (ITA) 291. 3. Fayed (FRA) 238. 4. Reichelt (AUT) 228. 5. Théaux (FRA) 224. 6. Jansrud (NOR) 213. 7. Janka (SUI) 211. – Ferner: 18. Feuz (SUI) 104. 20. Gisin (SUI) 92.