Großbritannien: Leitzins-Schocktherapie notwendig
Im April beschleunigte sich die Kerninflation völlig überraschend in Großbritannien auf 6,8 Prozent, ausgehend von 6,2 Prozent im März. Die Kerninflation im Vereinigten Königreich entkoppelte sich somit vom allgemeinen Inflationstrend: In den USA und der Eurozone waren nämlich zuletzt Rückgänge zu beobachten.
Der Grund für die ungünstige britische Inflationsentwicklung ist eine klassische Lohn-Preis-Spirale. So verzeichneten die Löhne im April einen Anstieg um 6,5 Prozent zum Vorjahr, was bei einem stagnierenden Produktivitätswachstum einen Anstieg der Lohnstückkosten in gleicher Höhe bedeutet. Die Inflationsdynamik scheint sich also zu verfestigen.
Vor diesem Hintergrund könnte es für die Bank von England notwendig werden, den Leitzins über die Kerninflation anzuheben, um die Inflationsdynamik zu brechen. Vor der Finanzmarktkrise 2009 war dies eigentlich das typische Bild für die meisten Wirtschaftsräume. Die Bank von England (Donnerstag) steht also vor einer großen Herausforderung, wenn sie den Leitzins tatsächlich bis auf 7,0 Prozent oder höher anheben müsste. Derzeit preisen die Finanzmarktakteure Leitzinserhöhungen bis auf 5,75 Prozent bis Jahresende ein.
Für die Sitzung am Donnerstag wird interessanterweise nur mit einem Schritt von 25 Basispunkten gerechnet. Vor dem Hintergrund der ungünstigen Inflationsdynamik rechnen wir jedoch mit einem Zinsschritt von mindestens 50 Basispunkten.
Großbritannien: Abwärtsdruck auf das britische Pfund
Natürlich hat die Geldpolitik einen Einfluss auf die Währungsentwicklung. Sollte die Bank von England den Leitzins stärker als erwartet anheben, dürfte dies temporär die britische Währung stärken.
Unsere Analysen zeigen jedoch, dass über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren die relative Inflationsentwicklung und die relative Entwicklung der Staatsschulden die maßgeblichen Einflussfaktoren auf die Währungsentwicklung sind. Für unsere Währungsmodelle verwenden wir die Prognosen der OECD für Inflation und Staatsschulden, die erst kürzlich aktualisiert wurden.
Die höhere Inflation in Großbritannien sowie die merklich schneller steigenden Staatsschulden gegenüber der Eurozone bedeuten, dass das britische Pfund auf Sicht der nächsten zwölf Monate gegenüber dem Euro an Wert verlieren könnte. Der Prognosekorridor liegt dabei zwischen 0,92 und 1,0 EUR/GBP.
Der zeitliche Ablauf könnte folgendermaßen aussehen: Die starken Leitzinserhöhungen haben eine sehr tiefe Rezession zur Folge – und wieder merklich fallende Inflationsraten, sodass im Jahr 2024 die Leitzinsen in Großbritannien wieder deutlich stärker gesenkt werden könnten. Das würde wiederum das britische Pfund erheblich schwächen.
USA: Wohnimmobilienmarkt im Fokus
In den USA steht der Wohnimmobilienmarkt immer besonders im Fokus, da er frühzyklisch ist und daher oft wertvolle Signale für die zukünftige Richtung der US-Wirtschaft sendet. Der Grund dafür ist, dass geldpolitische Impulse unter allen Branchen am schnellsten auf den Wohnimmobilienmarkt einwirken.
In der kommenden Woche werden mit dem NAHB-Index (Montag), den Neubaubeginnen und den Neubauanträgen (jeweils Dienstag) sowie den Umsätzen bestehender Wohnimmobilien (Donnerstag) zahlreiche Daten zum Wohnimmobilienmarkt veröffentlicht.
Nach einem schwachen Jahr 2022 gab es zuletzt erste Stabilisierungstendenzen. Sollten sich die Erholungstendenzen fortsetzen, würde damit das Szenario einer „weichen Landung“ immer wahrscheinlicher. Der Aktienindex der Immobilienaktien zeigte bisher jedoch noch keine Erholungstendenzen. Vor diesem Hintergrund bestehen eher Risiken für Enttäuschungen.
Darüber hinaus werden noch die Einkaufsmanagerindizes (Freitag) veröffentlicht, wobei sie für die USA erfahrungsgemäß nicht so aussagekräftig sind. Auch wird Jerome Powell am Donnerstag vor dem Bankenausschuss des US-Senats eine Rede halten.
Seit der US-Notenbanksitzung am Mittwoch haben sich die Finanzierungsbedingungen für die US-Wirtschaft nochmals merklich verbessert, was die Wachstumsperspektiven aufhellt. Eine Beschleunigung des Wirtschaftswachstums könnte jedoch auch die Inflation wieder stärken. Wie wird also US-Notenbankpräsident Powell darauf reagieren?
Erste Analysten sprechen schon von einem Glaubwürdigkeitsverlust der US-Notenbank, da sie am Mittwoch trotz hoher Wachstums- und Inflationsprognosen den Leitzins nicht angehoben hat. Sollte also Jerome Powell an seiner Argumentationslinie von Mittwoch festhalten, droht eine weitere Schwäche des US-Dollars. Auf Basis der neuen OECD-Prognosen signalisiert unser Modell gute Chancen für den Euro bis auf 1,15 EUR/USD in den kommenden 12 Monaten aufzuwerten.
Konjunkturdaten in Japan und Europa
Am Freitag werden die ersten Schätzungen der Einkaufsmanagerindizes für Juni aus Europa und Japan veröffentlicht. In der Regel haben sie eine gute Aussagekraft.
In Europa gibt es derzeit eine extreme Divergenz zwischen einer rezessiven Industrie und einem boomenden Dienstleistungssektor. Die spannende Frage ist, wird der Dienstleistungssektor die Industrie mit nach oben ziehen – oder wird es umgekehrt sein? Auch wird das Konsumentenvertrauen am Donnerstag veröffentlicht.
In Japan läuft die Konjunktur insgesamt gut, was sich auch im Juni fortgesetzt haben dürfte. Dementsprechend gewinnt die Inflation (Freitag) auch zunehmend an Dynamik und ist sogar dabei, das Inflationsziel zu überschießen.
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