Sprengt Oskar Freysinger die Formel?

Oskar Freysinger hat nicht nur seinen direkten Herausforderer Christian Varone deklassiert. Er geht noch vor den amtierenden CVP-Staatsräten als Spitzenreiter aus dem ersten Wahlgang hervor. Er ist für die Regierung gesetzt.

Luzius Theler, Sitten
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Oskar Freysinger hat alle Konkurrenten hinter sich gelassen. (Bild: Keystone)

Oskar Freysinger hat alle Konkurrenten hinter sich gelassen. (Bild: Keystone)

SVP-Herausforderer Oksar Freysinger hat im ersten Wahlgang der Walliser Staatsratswahlen für eine satte Überraschung gesorgt: Er führt das Feld der sieben Kandidaten an. Mit einem starken Abschneiden Freysingers war allgemein gerechnet worden. Doch nun hat er nicht einzig im deutschsprachigen Kantonsteil, sondern auch im Mittel- und Unterwallis mächtig aufgetrumpft: In der Schlussabrechnung des ersten Durchganges deklassiert er seinen direkten Herausforderer Christian Varone von den Freisinnig-Liberalen förmlich, und er überflügelte sogar die drei amtierenden CVP-Staatsräte.

Kippt das System?

Christian Varone konnte nur gerade die eigene Parteibasis überzeugen. Dass er im gemeinsamen Heimatort Savièse doppelt so viele Stimmen erhielt wie Freysinger, ist ihm wohl ein schwacher Trost. Der polarisierende SVP-Politiker hat offensichtlich eine allgemeine Unzufriedenheit in einem geschickten Wahlkampf erfolgreich thematisiert; dazu suchte er konsequent den direkten Kontakt zur Wählerschaft. Im Rahmen der Erwartungen blieb Staatsratspräsidentin Esther Waeber-Kalbermatten; die Grünen erreichen mit Christophe Clivaz einen Achtungserfolg. Die Stimmbeteiligung lag mit 68,14 erheblich höher als 2009 mit 54,6 Prozent.

Das hing nicht zuletzt mit der Abstimmung über die Revision des Raumplanungsgesetzes zusammen. In ersten Analysen gehen die Walliser Exponenten der CVP davon aus, dass sie bei den Staatsratswahlen auch deshalb unerwartet schwach abschnitten, weil die CVP Schweiz den Gegnern gute Wahlkampfmunition geliefert habe. Oskar Freysinger hat bereits angekündigt, dass er nach seiner wahrscheinlichen Wahl in den Staatsrat ein Doppelmandat bekleiden und im Nationalrat bleiben will. Das absolute Mehr schaffte keiner der Kandidierenden.

Nach dem überraschend starken Abschneiden Freysingers stellt sich für einen allfälligen zweiten Durchgang am 17. März für alle Parteien die Frage nach einem Strategiewechsel und nach Allianzen. Die Freisinnig-Liberalen müssen überdies entscheiden, ob sie tatsächlich mit dem angeschlagenen Christian Varone in den zweiten Wahlgang gehen wollen oder einen Pferdewechsel mitten im Strom riskieren. Die Partei entscheidet sich am Montagabend. Als mögliche elektorale Nothelfer böten sich Nationalrat Jean-René Germanier, Sittens Stadtpräsident Marcel Maurer oder Marc-André Berclaz aus Siders an. Auch sie würden aber den von einer Grundwelle getragenen Freysinger kaum stoppen können. Die CVP geht geschwächt aus den Staatsratswahlen hervor; sie kann sich nicht mehr mit der Rolle der Königsmacherin im zweiten Wahlgang begnügen. Theoretisch kämen die drei bisherigen Minderheitsparteien, die Freisinnig-Liberalen, die SP-Linksallianz und die SVP, auf einen Stimmenanteil von rund 60 Prozent.

Dies würde bei einer Allianz der Minderheiten ausreichen, um die schon bei den eidgenössischen Wahlen unter die 40-Prozent-Marke gerutschte und nun erneut schwache CVP eines ihrer drei Staatsratssitze zu berauben. Freysinger befindet sich in einer Position der Stärke. Doch ob die Freisinnig-Liberalen oder das links-grüne Lager grosse Lust verspüren, sich mit dem Tagessieger zu verbünden, steht auf einem anderen Blatt.

Falls sie bei einem freisinnig-liberalen Kandidatenwechsel nicht mehr durch die Bezirks-Klausel geschützt wird, könnte in der Schlussabrechnung nach dem zweiten Wahlgang sogar die SP die Zeche für das Vorrücken der SVP bezahlen, im anderen Falle flöge die FDP nach vielen Jahrzehnten aus der Regierung. Allerdings hat sich die SP-Exponentin gegenüber Christian Varone abgesetzt. Mit Christian Varone liesse sich kein Bündnis mit SVP und SP schmieden; mit einem unbelasteten FDP-Kandidaten hingegen könnten die Minderheiten dank dem Durchmarsch von Freysinger die bisherige Regierungsformel kippen.

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