Beat Hefti und der Schweizer Bobsport zwischen Putin, Gold und Österreicherwitzen

Mit fast 2000 Tagen Verspätung werden die früheren Bobfahrer Beat Hefti und Alex Baumann am Freitagabend in Schwellbrunn als Olympiasieger geehrt – im Verband ist derweil Unruhe.

Marco Ackermann
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Aus diesem Jubel über Silber 2014 in Sotschi ist für Beat Hefti und Alex Baumann irgendwann Gold geworden. (Bild: Tobias Hase / EPA)

Aus diesem Jubel über Silber 2014 in Sotschi ist für Beat Hefti und Alex Baumann irgendwann Gold geworden. (Bild: Tobias Hase / EPA)

Der angeschlagene Schweizer Bobsport hat wieder einmal etwas zu feiern. Die zurückgetretenen Beat Hefti und Alex Baumann erhalten am Freitagabend ihre Olympiagoldmedaillen von Sotschi. Weil die damaligen Sieger um Alexander Subkow in russische Dopingmachenschaften verwickelt waren, sind die beiden Appenzeller vom 2. auf den 1. Platz gerückt. Das ist seit Ende März unumstösslich. Nachdem das juristische Geplänkel anderthalb Jahre gedauert hat, findet nun die offizielle Zeremonie für die neuen Olympiasieger statt, in Schwellbrunn, Heftis Heimatdorf in Ausserrhoden.

Im Auftrag des Internationalen Olympischen Komitees (IOK) wird der Swiss-Olympic-Präsident Jürg Stahl die Medaillen an die zwei Sportler überreichen. Es wird die olympische Fahne aufgezogen, es ertönt die olympische Hymne. Die Zeremonie ist öffentlich, gefestet wird mit Jodelchörli und DJ. Hefti hofft auf mindestens 500 Gäste.

Vom IOK ist keiner da. Hefti ist darob irritiert. Er hat auch schon gesagt, er würde sich wünschen, Wladimir Putin übergäbe ihm das Gold, damit er Russlands Präsident tief in die Augen blicken könnte. Hefti sieht die neue Medaillenverteilung als «Zeichen gegen Doping», als «Richtigstellung für die Geschichtsbücher». Er war schon immer ein Mann der markigen Worte. Mit Verzögerung kommt seine Karriere doch noch zu einem würdigen Abschluss.

Beat Hefti ist der beste Schweizer Bobfahrer der letzten zwei Jahrzehnte. Er hat in diesem Sport alles gewonnen: 4 Olympiamedaillen, 6 WM-Medaillen (Gold 2007 in St. Moritz), 6 EM-Titel, 31 Weltcup-Rennen. Er war der stärkste Anschieber der Welt und später auch ein guter Steuermann. Den Erfolg suchte er zuweilen verbissen. Und so schmerzte es ihn, wie seine Karriere zu enden schien.

Wechselhafte Beziehung

Im Februar 2018, mit 40 Jahren, hatte Hefti noch einmal an Olympischen Spielen teilnehmen wollen. Doch er konnte sich nicht qualifizieren. Mit unerfahrenen Anschiebern hatte er kaum eine Chance auf Topresultate. Und im Verband Swiss Sliding, mit dem er manche Diskussion ausgefochten hatte, fehlte ihm die Rückendeckung. Seit den Schweizer Meisterschaften 2017 absolvierte Hefti kein wichtiges Rennen mehr, doch offiziell gab er nie den Rücktritt, er hatte mit dem Bobsport nicht abgeschlossen.

Mit seiner mobilen Anschubbahn tourt er immer noch durch das Land, um athletische Talente zu entdecken, nachdem der Bobverband die Nachwuchsförderung lange verschlafen hat. Auf diese Weise war Hefti auch auf Alex Baumann gestossen, 2006, als er sich zum Steuermann ausbildete. An einem Turnfest in Herisau stach ihm der frühere Leichtathlet als potenzieller Anschieber ins Auge. Sie spannten zusammen.

Die beiden hatten eine wechselhafte Beziehung: Baumann konnte sich zunächst nicht durchsetzen und kam auf wenige reizvolle Einsätze. Er wechselte deshalb das Team. Doch 2012 kehrte er zu Hefti zurück, in dem Wissen, dass dieser ihm eine gute Perspektive bot. Als sich Hefti entscheiden musste, mit wem er an den Winterspielen in Sotschi Zweierbob fährt, gab er Baumann den Vorzug – und nicht Thomas Lamparter, seinem langjährigen Stammbremser. Lamparter sagte später: «Beat hätte wohl auch mit mir die Silbermedaille geholt.» Wie man heute weiss, war der Entscheid für Baumann sogar Gold wert.

Baumann sagte immer, er habe sich an Heftis eigenwilliger Art nie gestört, aber er wolle auch im Viererbob um Spitzenergebnisse kämpfen. So wechselte er 2016 zu Heftis Gegenspieler Rico Peter, der auf beide Schlitten setzte. Mit diesem Transfer verliess beide Appenzeller das sportliche Glück. Baumann durfte zwar nach Pyeongchang reisen, war dort jedoch Ersatz. Er kämpfte mit körperlichen Problemen. Heute arbeiten Hefti und Baumann fast Tür an Tür für einen grossen Lebensmittelproduzenten in Bazenheid; der eine als Event-Manager, der andere in der Qualitätsprüfung.

Für den Schweizer Bobverband ist dieser nachträgliche Olympiasieg der erste seit 1994 und dem Duo Weder/Acklin. Auch wenn er ausserhalb der Agenda zustande gekommen ist: Für manche mag er wirken wie Balsam auf geschundene Seelen. Im vergangenen Sommer musste der Verband bei der Zusammenstellung des Nationalkaders praktisch bei null beginnen. Der 21-jährige Rookie Michael Vogt hat die Ehre im Winter mit guten Leistungen gerettet. Doch Turbulenzen blieben nicht aus.

Swiss Sliding hat im Frühling nach nur einer Saison den Leistungssportchef Lukas Fischer entlassen. Ihm wurde mitgeteilt, der Verband suche jemanden, der eine Vergangenheit im Bobsport habe.

Anfang Juni stellte Österreichs Bobverband Wolfgang Stampfer als Nationaltrainer vor, obwohl Swiss Sliding keine öffentliche Mitteilung gemacht hatte, dass der Tiroler die Betreuung der Schweizer niedergelegt habe. Mehr als zwei Wochen nach Stampfers Präsentation in dessen Heimat führte ihn Swiss Sliding auf der Website noch immer als Chefcoach. Die Schweizer Bobfahrer sollten in nächster Zeit vorsichtig sein mit Österreicherwitzen.

Stampfer dürfte schwer zu ersetzen sein. Er brachte sowohl viel Routine mit als auch ein immenses Know-how in Materialfragen. Er sieht in Österreich grösseren Gestaltungsraum für seine Ideen.

Mächtiger Nachwuchschef

Es sind der Umwälzungen nicht genug für den Bobverband: Die Firma Ferag aus Hinwil, die zuletzt wichtigste Unterstützerin, erscheint auf der neuen Website nicht mehr unter den Co-Sponsoren und ist nicht mehr der Sitz der Geschäftsstelle. Dieser befindet sich neu in Egg. Der Verbandspräsident Jürg Möckli beschwichtigt: «Die Finanzen sind bis 2022 gesichert. Mutationen gibt es in jedem Unternehmen. Unser Nachwuchs ist gut.»

Unterdessen hat Swiss Sliding mit dem früheren Anschieber Stefan Riniker einen Leistungssportchef gefunden. Gespräche mit möglichen Nationaltrainern sollen im Gang sein. Ausgeschlossen wird die Beförderung des Nachwuchsverantwortlichen Christoph Langen zum Chefcoach. Dieser Schritt hätte aber auch erstaunt wegen dessen Liaison mit der Weltcup-Fahrerin Martina Fontanive. Doch es gehört quasi zum Anforderungsprofil des Nationaltrainers: Er wird auskommen müssen mit Langen, dem mehrfachen Olympiasieger und Weltmeister aus Deutschland, der im Verband eine Hausmacht hat und mit der Meinung nicht hinter dem Berg hält.

Es sind spannende Fragen, die sich bei Swiss Sliding stellen. Antworten gibt es womöglich am Samstag an der Delegiertenversammlung in Oberarth. Dort führt der ehemalige Spitzenfahrer Martin Annen die «Horseshoe»-Bar. Wiederum dort lernte Beat Hefti seine Frau kennen.

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