Dario Cologna ist nicht auf Olympiakurs – und seine Zeit wird sehr knapp

Der 35-jährige Bündner steigt vorzeitig aus seiner letzten Tour de Ski aus. Offiziell wegen Reizhustens, aber es ist das Gesamtbild seiner Leistungen, das nicht stimmt.

Elmar Wagner
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Dario Cologna nach dem 15-km-Rennen in Lenzerheide: nur Rang 20 nach einem Stockbruch.

Dario Cologna nach dem 15-km-Rennen in Lenzerheide: nur Rang 20 nach einem Stockbruch.

Peter Schneider / Keystone

Am Montag ereignete sich Historisches an der Tour de Ski. Der Norweger Johannes Klaebo lief über 15 km in der klassischen Technik entfesselt zu seinem 46. Weltcup-Sieg. Damit egalisierte er die Rekordmarke seines Landsmanns Björn Dählie – und das mit erst 25 Jahren. Klaebo wird Dählie wohl sehr bald überholen, denn der Gesamtsieg an der Tour de Ski dürfte ihm nicht mehr zu nehmen sein; am Dienstag steht die Schlussetappe hinauf zur Alpe Cermis an.

«Es tut nicht weh»

Dario Cologna wird dann nicht mehr dabei sein, und das hat ebenfalls historisches Gewicht. Er, der vor 14 Jahren erstmals zur Tour startete und sie danach viermal gewann, kann das letzte Etappenrennen seiner Karriere nicht beenden, kann sich nicht verabschieden vom mythischen Aufstieg im Val di Fiemme. «Es tut nicht weh», sagte Cologna im SRF-Interview tapfer. Doch die Umstände seines vorzeitigen Ausstiegs werden ihn beunruhigen: Sein Reizhusten wurde täglich stärker; er konnte sich von den Anstrengungen in der Loipe nicht mehr erholen.

Am Montagvormittag entschied der 35-Jährige zusammen mit dem Arzt und dem Trainerstab, dass es keinen Sinn ergibt, zu einem weiteren Teilstück der Tour zu starten. Er reiste nach Davos ab.

Der Reizhusten ist seit Jahren ein limitierender Faktor bei Cologna. Das Problem trat jeweils vorab an der Tour de Ski auf, wo es fast täglich Rennen zu bewältigen gibt und sich das Zwerchfell vor allem nach den Extrembelastungen in den Sprintprüfungen verkrampft. «Ich muss nach den Rennen mehr leiden als während des Rennens», sagte Cologna auch schon, in einem Anflug von Galgenhumor. Verschiedene Ansätze in der Medikation brachten keine entscheidende Verbesserung.

Das könnte auch bezüglich der Olympischen Spiele in Peking skeptisch stimmen, denn im Wettkampfgebiet herrscht im Februar jeweils grosse Kälte. Doch Cologna winkt ab: Schon an den Spielen 2018 in Pyeongchang hätten Temperaturen bis minus 20 Grad geherrscht; da zwischen den Renneinsätzen aber genügend Zeit gewesen sei, habe die Lunge nicht überreagiert. Cologna wird sich an seinen letzten Spielen auf den Staffelwettbewerb und das abschliessende 50-km-Rennen konzentrieren, da dürfte der Negativeffekt eines täglichen Einsatzes nicht zu spüren sein.

Cologna sprach im Val di Fiemme nur vom Reizhusten, um seinen Ausstieg aus der Tour zu begründen. Doch der Langlaufchef von Swiss Ski, Christian Flury, sagt: «Das war nicht der Hauptgrund. Wir studierten das Gesamtbild von Colognas Leistungen, und dieses zeigte uns, dass wir nicht dort sind, wo wir sein müssten.» Im Klartext: Der Bündner ist nicht auf Olympiakurs. Flury vermeidet in seinen Ausführungen, davon zu sprechen, «zu spät» unterwegs zu sein. Doch es ist offensichtlich, dass sich Cologna in einem harten Wettlauf gegen die Zeit befindet.

Ein Best-of-Video von Dario Cologna.

Youtube

Noch vor der Tour de Ski hatte er bekräftigt, dass er auch an seinen vierten Olympischen Spielen eine Medaille gewinnen wolle. Dieses Ziel ist umso weiter in die Ferne gerückt, als Cologna Rennen nötig hätte, um seine Form zu verbessern. Jetzt ist es laut Flury aber denkbar, dass Cologna vor Peking gar keine Rennen mehr bestreitet; am Mittwoch werde darüber entschieden. Die fehlenden Wettkämpfe würde man dann auf dem Langlauf-Band zu simulieren versuchen.

Die jetzige Situation ist das Resultat unglücklicher Verhängnisse, jenseits des fortgeschrittenen Alters: Zuerst erlitt Cologna im Oktober bei einem Rollski-Sturz Verletzungen im Knie, dann versuchte er die Verspätung im Aufbau mit mehr Trainingsstunden zu kompensieren – und geriet im Dezember in eine Art Übertraining. Ausgerechnet er, der seine Form einst so perfekt steuern konnte.

Ein X-Faktor-Athlet

Die Korrekturen erfolgten zwar sofort, doch die Tour de Ski zeigte, dass sich der Vorzeigeathlet nicht auf der Höhe der Anforderungen befindet. Im ersten Distanzrennen in Lenzerheide klassierte er sich nach einem Stockbruch im 20. Rang und sprach trotzdem von «einem kleinen Schritt vorwärts». Im 15-km-Rennen im Skating-Stil in Oberstdorf ging er ein Risiko ein, biss sich bis zur Schlussrunde in der kleinen Spitzengruppe fest, überforderte sich dabei und wurde in den 15. Rang zurückgespült. «Ich hätte gescheiter etwas Tempo herausgenommen», sagte er danach. Da sprach nicht der Cologna der guten Tage.

Da bleibt nur die zarte Hoffnung, dass sich das Wunder von Sotschi 2014 wiederholt, als Cologna nach einer Verletzung zweimal olympisches Gold gewann. Sein Trainer Kein Einaste meint: «Dario ist ein X-Faktor-Athlet. Er kann am entscheidenden Tag in Topform sein.»

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