Eine Kündigung erzeugt Unsicherheit in der Bobszene

Der Präsident von Swiss Sliding arbeitet nicht mehr für den Hauptsponsor des Verbandes. Droht nun in einer für den Schweizer Bobsport schwierigen Zeit der Verlust von Unterstützungsleistungen?

Marco Ackermann
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Michael Vogt, hier mit dem Anschieber Sandro Michel auf dem Bild, ist die neue Hoffnung in den Schweizer Bob-Teams. Am Wochenende wird er das erste Mal ein Weltcup-Rennen bestreiten. (Bild: Giancarlo Cattaneo / Keystone)

Michael Vogt, hier mit dem Anschieber Sandro Michel auf dem Bild, ist die neue Hoffnung in den Schweizer Bob-Teams. Am Wochenende wird er das erste Mal ein Weltcup-Rennen bestreiten. (Bild: Giancarlo Cattaneo / Keystone)

Es war eine kleine Meldung, aber sie genügte, um in der Schweizer Bobszene Fragen aufzuwerfen. Im Laufe des Sommers wurde bekannt, dass Jürg Möckli in seiner Funktion als CEO die Firma Ferag «auf eigenen Wunsch» verlässt. Die Ferag ist der wichtigste Sponsor des Verbandes Swiss Sliding, dieser wird von Möckli präsidiert. Die Firma stellt nicht nur Geld zur Verfügung, sondern auch ein erhebliches Mass an Dienstleistungen. Die Geschäftsführung von Swiss Sliding besorgte die von der Ferag angestellte Judith Huddleston am Firmensitz in Hinwil, doch auch sie ist aus dem Unternehmen ausgeschieden. Droht Swiss Sliding nach diesen Abgängen der Verlust von Unterstützungsleistungen?

Möckli und ein Sprecher der Ferag verneinen. Es heisst auf beiden Seiten, die Zusammenarbeit werde im gewohnten Rahmen fortgesetzt, zumindest bis auf weiteres. Die Geschäftsstelle von Swiss Sliding verbleibt in Hinwil (und wird nach wie vor von Huddleston betreut). Und deshalb ist nicht ausgeschlossen, dass die Ferag als Hauptsponsor an Bord bleibt, solange Möckli dem Verband vorsteht.

Möckli ist im vergangenen Juni an der Delegiertenversammlung von Swiss Sliding für weitere zwei Jahre als Präsident gewählt worden. Ob er Mitte 2020 erneut kandidiere, sei offen, sagt Möckli. Für eine solche Entscheidung sei es noch zu früh. Als er als Kopf eines neuen Vorstands 2015 die Führung des Verbands übernommen hatte, reichten die Pläne bis zu den Olympischen Spielen 2022. Im Vorstand sitzen auch der Olympiasieger Ekkehard Fasser und der Weltmeister Ivo Rüegg.

20-jähriger Hoffnungsträger

Das Gremium kann für sich in Anspruch nehmen, Swiss Sliding in finanzieller Hinsicht konsolidiert zu haben. Als sie den Verband übernommen hätten, habe dieser Schulden gehabt, sagt Möckli. Nun hätten sie sogar die von Swiss Olympic geforderte Eigenkapitalquote übertroffen. Am Donnerstag vermeldete Möckli, die Bank Julius Bär steige nächste Woche als gewichtiger Co-Sponsor ein.

Im sportlichen Bereich verlegte der Vorstand den Fokus auf die Nachwuchsförderung, die davor ein Jahrzehnt lang vernachlässigt worden war. Nur: Bis die Talente über genug Routine verfügen, um an der Weltspitze mitzufahren, wird wohl der eine oder andere Winter vergehen. Wenn an diesem Wochenende in Sigulda (Lettland) der Weltcup-Auftakt erfolgt, steht Swiss Sliding an einem Neuanfang. Nachdem die arrivierten Steuerleute Beat Hefti, Rico Peter, Clemens Bracher und Sabina Hafner zurückgetreten sind, fehlen Athleten mit Aussichten auf Top-Ergebnisse. Mit derart geringen Chancen sind die Schweizer Bobfahrer noch nie in eine Saison gestartet.

Der neue Hoffnungsträger ist einer, der erst vor 13 Monaten sein erstes internationales Rennen absolvierte. Der 20-jährige Schwyzer Michael Vogt gibt am Samstag sein Weltcup-Debüt. Sein Ziel ist es erst einmal, sich für Final-Durchgänge zu qualifizieren. Dafür benötigt er Top-20-Klassierungen. Potenzial hat Vogt zweifellos. In diesem Frühjahr war er Zweiter an den U-23-WM. Und vom Bobclub Zürichsee erhält er gutes Material. Vogt darf den Viererschlitten pilotieren, mit dem Rico Peter an den Winterspielen in Pyeongchang den 4. Rang erreichte.

51-jähriger Lückenfüller

Zwar gibt es noch einen zweiten Steuermann, der in Sigulda die Schweizer Fahnen hochhält. Doch eine Perspektive, wie sie sich der Verband vorstellt, kann Pius Meyerhans nicht bieten. Der schrille Landwirt, der seine Crew als «A-Team» vermarktet, ist 51 Jahre alt und hat aufgrund der Defizite in der Athletik ein zu grosses Handicap beim so entscheidenden Start.

Angesichts dieser Faktenlage muss interessieren, was im Europacup passiert. Auf der zweithöchsten Stufe gelang den Schweizern ein passabler Saisoneinstieg. Am Donnerstag in Altenberg, auf der vielleicht schwierigsten Bahn der Welt, reihten sich vier Zweier-Teams in den Top 10 ein, unter ihnen drei Bob-Lenker, die im letzten Winter noch Anschieber waren. Es könnten erste Schritte gewesen sein aus der grossen Krise.