Beste Schweizer Langläuferin geht definitiv: Nathalie von Siebenthal mag nicht mehr − mit erst 26 Jahren

Die Schweizer Langläuferin Nathalie von Siebenthal beendet ihre Karriere wegen Motivationsproblemen. Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass ihr das Drumherum an den Wettkämpfen nicht behagt.

Elmar Wagner
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Nathalie von Siebenthal befände sich eigentlich im besten Langlaufalter. (Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone)

Nathalie von Siebenthal befände sich eigentlich im besten Langlaufalter. (Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone)

Nathalie von Siebenthal war eine erfrischend unkonventionelle Sportlerin. Wenn es ihr in einem Rennen nicht lief, griff sie schon im Zielraum zur schonungslos selbstkritischen Analyse. Sie sprach dann schon einmal von einem «peinlichen» Auftritt oder von einer «miserablen Leistung». Sie beschritt jedenfalls eigene Wege, und dazu gehörte auch, nicht alles dem Spitzensport unterzuordnen.

Sie liebte es, Bäuerin zu sein, arbeitete darum im Sommer immer auf der Alp ihres Vaters. So kam sie nur auf gut die Hälfte des Trainingsvolumens etwa der norwegischen Eliteläuferinnen. Doch ihr Trainer Peter von Allmen sagte: «Wenn sie nach dem spezifischen Training noch vier Stunden lang Zäune repariert, bringt das auch etwas.» Damit meinte er nicht nur die physische Komponente; es ging auch um mentale Aspekte.

Von Siebenthal machte nie einen Hehl daraus, dass ihr das ganze Drumherum neben den Wettkämpfen nicht behagt. Sie brauchte die Auszeiten in ihrer vertrauten Umgebung; in einem Trainingslager befiel sie schon einmal das Heimweh. Trotzdem überraschte sie im Februar an den Weltmeisterschaften in Seefeld mit ihrer Aussage, im kommenden Winter eine Wettkampfpause einlegen zu wollen. Die Chance auf eine Rückkehr bezifferte sie auf 30 Prozent.

Qualifikation für Berglauf-EM verpasst

Nun ist klar, dass sie nicht mehr in den Spitzensport zurückkehrt. Im Sommer versuchte sie erfolglos, sich für die Berglauf-EM zu qualifizieren. Doch bereits im September verspürte sie wieder Lust auf spezifisches Langlauftraining, sie heiratete und wollte im November gar wieder in ein Trainingslager einrücken. Doch dann absolvierte sie vor wenigen Tagen einen Berglauf und spürte, dass sie nicht mehr genug Biss hat, um zu leiden. Sie rief ihren Trainer an und sagte ihm: «Ich mag nicht mehr.»

Am Dienstag verkündete sie ihren definitiven Rücktritt. Von Siebenthals Abgang mit erst 26 Jahren ist ein herber Verlust für den Schweizer Langlaufsport. Sie war jahrelang die beste Läuferin über die langen Distanzen. Die grössten Erfolge feierte die Berner Oberländerin an den Olympischen Spielen 2018, an denen sie sowohl über 10 km Skating als auch im Skiathlon auf Platz sechs lief. An Weltmeisterschaften gelangen ihr drei Top-7-Resultate. Sie wird Swiss Ski auch als Schlüsselfigur in der Staffel fehlen.

Zwar gibt es die eine oder andere hoffnungsvolle Nachwuchsläuferin, doch diese werden bis zu den nächsten Olympischen Spielen kaum bereit sein. «Wir haben alles versucht, damit sie die Motivation wieder findet», sagt Peter von Allmen. Man sei miteinander im Gespräch geblieben, habe sich aber gleichzeitig bemüht, keinen Druck aufzubauen. Von Siebenthal hat auf ihre Art reagiert, sie sieht den Zeitpunkt für einen neuen Lebensabschnitt gekommen. In einem Communiqué teilte sie mit: «Ich freue mich auf freie Wochenenden, an Neujahr zu Hause zu sein und nach Lust und Laune langlaufen zu gehen − so lange und so langsam ich will.»