Tour de Ski: Dario Cologna zeigt eine blasse Vorstellung

Im Massenstart-Rennen über 15 km klassisch in Oberstdorf wird der Vorjahressieger vom Schnee gebremst. Es wird aber auch klar, dass seine Form nicht stimmt. Er sagt: «Der Zug nach vorn ist abgefahren.»

Elmar Wagner
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Dichtes Schneetreiben beim Massenstart-Rennen über 15 km klassisch in Oberstdorf – und Dario Cologna läuft nicht in den vordersten Positionen. (Bild: Philipp Guelland / EPA)

Dichtes Schneetreiben beim Massenstart-Rennen über 15 km klassisch in Oberstdorf – und Dario Cologna läuft nicht in den vordersten Positionen. (Bild: Philipp Guelland / EPA)

Für den Wintersportort Oberstdorf war der anhaltende Schneefall vom Mittwoch natürlich ein Segen; doch für die Langlaufelite war er ein Spielverderber. Das Weiss legte sich in die Spuren und bremste die Athleten. Wer vorne lief, brauchte mehr Kraft, und wer überholte, musste sich durch Tiefschnee pflügen.

Das war ungefähr jene Konstellation, die Dario Cologna auch als Erklärung für sein schlechtes Ergebnis im Massenstartrennen über 15 km klassisch bemühte. Und hinzu kam ein Vorfall in der letzten Runde, als Martin Sundby vor ihm stürzte. Cologna hängte mit einem Ski ein – und schon war die grosse Masse weg. Er lief als 23. ins Ziel, sein junger Teamkollege Beda Klee war deutlich vor ihm klassiert (siehe Zusatz).

Zweieinhalb Minuten zurück

Der Titelverteidiger Cologna liegt nun im 16. Gesamtrang; sein Rückstand auf den Leader Johannes Klaebo beträgt zweieinhalb Minuten. Da hilft nur noch sehr grosser Optimismus, und den mag auch Cologna nicht mehr aufbringen. «Der Zug nach vorn ist abgefahren», sagt er. Es ist ein Faktum, dass die Form des 32-Jährigen nicht an jene des Vorjahres heranreicht, als er an der Tour von Beginn weg in jeder Prüfung dominant auftrat.

Nun ist Colognas Vorstellung blasser; er kann den kleinen Widerwärtigkeiten nicht souverän begegnen. Im ersten Distanzrennen der Tour wies er darauf hin, dass er nicht auf schnelle Mitläufer habe zählen können. Im Sprint im Münstertal qualifizierte er sich zwar für die Viertelfinals, liess sich dort aber mehrmals einklemmen. Und am Mittwoch konnte er in den Zwischensprints um Bonussekunden nichts ausrichten, weil er in den entscheidenden Momenten zu weit hinten lief.

Dario Cologna liegt derzeit nicht auf der Höhe der Erwartungen. (Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone)

Dario Cologna liegt derzeit nicht auf der Höhe der Erwartungen. (Bild: Gian Ehrenzeller / Keystone)

Cologna verschliesst die Augen nicht vor der Realität. «An dieser Tour passiert bei mir immer wieder etwas, das nicht rund läuft. Das ist sicher kein Zufall», sagt er. Tatsache ist, dass sich Cologna schon seit Wochen nicht auf der Höhe der Erwartungen bewegt. Diese konnte er nur mit dem 4. Rang über 15 km Skating bei seinem Saisonstart in Lillehammer erfüllen. Positiv überraschte er einzig mit seiner achtbesten Qualifikationszeit im Tour-Sprint vom Neujahrstag im Münstertal.

Das grosse Ziel ist noch weit weg

Sonst war da aber nur gehobenes Mittelmass, jedenfalls gemessen an den Leistungen, die der vierfache Olympiasieger noch im letzten Winter gezeigt hatte. Vor dieser Saison hatte nichts auf eine flach verlaufende Formkurve hingewiesen. Cologna war nach Wadenproblemen im Frühjahr zwar etwas verspätet im Aufbau, bereits im Spätsommer hatten die Trainings aber wieder Topwerte gezeigt. Auch das Asthma kann Cologna jüngst nicht entscheidend behindert haben. Der Teamarzt Patrick Noack sagt, man habe den Reizhusten im Griff.

Cologna hat in der Vergangenheit wiederholt bewiesen, dass er sich aus einer schwierigen Situation befreien kann. So würde es nicht überraschen, wenn er an dieser Tour de Ski in einer Etappe plötzlich wieder ganz nach vorne läuft. Und ohnehin ist sein grosses Saisonziel noch weit weg: die 50 km Skating an den Weltmeisterschaften Ende Februar. Einen ähnlichen Fokus wird auch Nathalie von Siebenthal finden müssen. Der Tour-Achten des Vorjahres klebte am Mittwoch der Schnee an den Ski; sie fiel in den 22. Gesamtrang zurück.

Der junge Beda Klee läuft in die Weltelite

wag. · Dieser Mann aus dem Toggenburg ist erst 22-jährig, aber er spricht schon wie ein Routinier. «In einem Rennen mit Massenstart muss man sich breit machen und im letzten Aufstieg einfach Gas geben.» Ja genau, so einfach scheint das zu sein. Beda Klee lief in Oberstdorf über 15 km klassisch in den 11. Rang, mitten in die Weltelite. Das ist sehr beachtlich, denn Klee ist erst ein gutes halbes Dutzend Weltcup-Rennen gelaufen; von einem Routinier kann nicht die Rede sein. Seine Haltung aber stimmt jetzt schon, vor der Tour-Etappe in Oberstdorf sagte er sich: «Ich riskiere etwas, und wenn ich einbreche, ist das nicht so tragisch.» Dieses Risiko brachte ihn weit nach vorne, er lief immerhin zwölf Positionen vor Dario Cologna ins Ziel. Das sei schon ein spezielles Erlebnis, sagte Klee, ohne darob gleich die Hierarchie aus den Augen zu verlieren. «Mir wäre es lieber, Dario hätte gewonnen, und ich wäre Zweiter geworden», sagte er. Klee ist Mitglied des B-Kaders, gilt aber als Talent, das in allen Sparten ein grosses Potenzial hat. An den Junioren-WM 2016 wurde er Vierter über 10 km klassisch, an den U-23-WM 2018 klassierte er sich im Skating-Sprint ebenfalls im vierten Rang.

Nun will er endlich seine erste WM-Medaille; Ende Januar eröffnen sich ihm in Lahti die nächsten Chancen auf Edelmetall. Daher wird Klee am Donnerstag aus der Tour de Ski aussteigen, obwohl er im 22. Gesamtrang liegt. Doch der Wattwiler, der in Davos das Sportgymnasium absolvierte und dort in einer WG lebt, sieht den Ausstieg pragmatisch: Er sei jung und erhalte später noch die Gelegenheit, die ganze Tour zu laufen. Das stimmt, obwohl es auch andere Relationen zu beachten gilt: In Klees Alter gewann Cologna seine erste Tour de Ski und führt der Norweger Johannes Klaebo die derzeitige Tour an.