Kommentar

Zürcher Ständeratswahlen: Wenn die FDP konsequent ist, kann sie jetzt nur zu einem Schluss kommen

Regine Sauter liegt weit zurück. Die FDP sollte sie aus dem Rennen nehmen und sich hinter Gregor Rutz von der SVP stellen. Gefragt ist aber auch noch eine weitere Partei.

Zeno Geisseler 121 Kommentare 3 min
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Mit ihrem Konkurrenten Gregor Rutz im Walcheturm: Regine Sauter sollte den Weg frei machen für die SVP.

Mit ihrem Konkurrenten Gregor Rutz im Walcheturm: Regine Sauter sollte den Weg frei machen für die SVP.

Ennio Leanza / Keystone

Die Zürcher Ständeratswahlen von 2023 ähneln in vielem denen von 2019: Wieder ist der SP-Mann Daniel Jositsch schon im ersten Wahlgang problemlos gewählt worden. Und wieder müssen sich die SVP und die FDP darauf einigen, mit wem sie in die zweite Runde ziehen werden.

Dieses Mal liegen die Kräfteverhältnisse aber anders. 2019 holte Ruedi Noser von der FDP klar mehr Stimmen als Roger Köppel von der SVP, dieser zog sich zähneknirschend zurück. Das war damals der richtige und logische Schritt.

Jetzt hat der SVP-Mann Gregor Rutz sich sehr deutlich von der FDP-Kandidatin Regine Sauter absetzen können. Der Abstand zwischen Rutz und Sauter ist sogar noch etwas grösser als jener vor vier Jahren zwischen Köppel und Noser.

Auch auf der rot-grünen Seite sind die Ständeratswahlen von 2023 eine Inversion von 2019: Während damals die Grüne Marionna Schlatter vor der GLP-Frau Tiana Moser lag, hat sich Moser dieses Mal vor Daniel Leupi von den Grünen schieben können. Sie dürfte im zweiten Wahlgang nochmals antreten, und dies mit intakten Chancen.

Wer am 22. Oktober wie viele Stimmen geholt hat

Endresultat im 1. Wahlgang
*
Bisher im Amt.
gewählt
Daniel Jositsch
Daniel Jositsch
*
SP
236 775
Gregor Rutz
Gregor Rutz
SVP
154 910
Verfügbare Sitze: 2
Regine Sauter
Regine Sauter
FDP
120 571
Tiana Angelina Moser
Tiana Angelina Moser
GLP
105 604
Daniel Leupi
Daniel Leupi
Grüne
97 520
Philipp Kutter
Philipp Kutter
Mitte
66 770
Nik Gugger
Nik Gugger
EVP
32 941
Absolutes Mehr
218 128 Stimmen

Es liegt auf der Hand, was für die Bürgerlichen nun dieses Mal der richtige und logische Schritt ist: Die FDP muss verzichten und sich, genauso zähneknirschend wie vor vier Jahren die SVP, hinter den stärkeren Kandidaten scharen.

Für die Zürcher Freisinnigen ist dies schwierig und schmerzhaft, weil sie so ihren Ständeratssitz aufgeben müssen, den sie seit vierzig Jahren innehaben. Doch sie haben keine andere Wahl.

Natürlich, Sauter käme bei moderaten Wählern wohl besser an als Rutz, der konsequent auf SVP-Kurs politisiert. Die FDP-Frau würde zudem bei jenen punkten, denen die Parität der Geschlechter besonders wichtig ist.

Wäre Sauter im ersten Wahlgang nur leicht hinter Rutz zurückgelegen, wären dies alles tatsächlich Faktoren, die in die Strategie für den zweiten Wahlgang hätten hineinfliessen müssen.

Nur ist das nicht so. Sauter liegt nicht ein bisschen zurück. Sondern massiv. Wer wie die FDP-Führung ernsthaft glaubt, dass sie in einer zweiten Runde zur Überfliegerin würde, verkennt die Realität.

Zu dieser Realität gehört auch, dass die SVP bei über 34 000 Stimmen Vorsprung ihren Kandidaten sicher nicht aufgeben wird, um der Partnerin den Vortritt zu lassen.

Würde die FDP, unter welchem Titel auch immer, auf einer Kandidatur Sauters bestehen, dann würde sie damit weite Teile der SVP so sehr vor den Kopf stossen, dass ihre Kandidatin aus diesem Lager kaum noch Stimmen erhielte. Sauter würde am rechten Rand mehr Unterstützung verlieren, als sie in der Mitte je gewinnen könnte.

Doch auch mit Gregor Rutz ist der bürgerliche Sitz noch nicht gesichert. Es braucht nun ein starkes Bekenntnis einer dritten politischen Kraft: der Mitte. Sie war bei den Nationalratswahlen eine Listenverbindung mit der alles andere als bürgerlichen GLP eingegangen, was man ihr als reine wahlarithmetische Übung durchgehen lassen kann.

Beim Ständerat blieb die Mitte-Partei mit ihrem Kandidaten Philipp Kutter chancenlos. Nun muss sie Farbe bekennen und sich entscheiden, ob sie sich im bürgerlichen oder im rot-grünen Lager einordnet, ob sie also im zweiten Wahlgang Rutz von der SVP oder Moser von der GLP unterstützt.

Der Entscheid sollte ihr leichtfallen. Es kann auch nicht im Interesse der Mitte sein, dass der Wirtschaftskanton Zürich im Ständerat künftig von rot-grünen Kräften vertreten wird.

121 Kommentare
J. L.

Wenn sich die FDP jetzt zurückzieht, hat sie endgültig verloren. Einerseits verhilft sie damit der SVP zu einem Sitz, was kaum ein Ziel einer liberalen Partei sein kann, andererseits verärgert sie damit die weiblichen Wähler. Es gibt daher nur einen Schluss: Die FDP muss ihren Sitz verteidigen oder GLP vorschlagen! 

L. P.

Die NZZ politisiert seit Jahren auf SVP-Kurs und damit illiberal, denn die SVP ist nationalistisch-konservativ und weder gesellschafts- noch wirklich wirtschaftsliberal. Jede Listenverbindung mit der SVP und jedes Zurückstehen zugunsten der SVP nützt einzig dem bürgerlich-konservativen Original, der SVP.  Ob bewusst (wie bei Gujer) oder unbewusst (wie bei weiten Teilen der FDP selbst) stützt die NZZ die SVP. Migration, insbesondere durch Geflüchtete, ist für weite Teile der Bevölkerung ein Problem, das nur die SVP anspricht (aber keine Lösung dafür hat), während der politische Rest seit 30 Jahren den Vogel Strauss gibt. Die NZZ-Redaktion sollte sich für ihre Parteinahme zugunsten der SVP schämen.

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