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bird bird

#18 Dale Allison über die Auferstehung Jesu

September 28, 2015
Q

Ich bin sehr neugierig auf Ihre Antwort auf Dale C. Allisons kürzlich erschienenes Buch Resurrecting Jesus[1]. Allison ist gläubiger Christ, hat aber einen interessanten Standpunkt bezüglich der Erscheinungen Jesu nach dessen Auferstehung – ein Standpunkt, von dem ich glaube, dass ihm in der Literatur über die Auferstehung noch nicht genügend Beachtung geschenkt wurde.

Im Gebiet der Parapsychologie wird derzeit viel Forschung betrieben, die Experten zu der Ansicht geführt hat, dass sich kürzlich verstorbene Menschen nach ihrem Tod lebend zeigen können. Diese Erscheinungen können von mehr als nur einer Person gesehen werden, und sie ereignen sich zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten.

Vielleicht ist das leere Grab ja kein ganz so fester Bestandteil der Überlieferung (viele Exegeten behaupten beispielsweise, dass 1Kor 15,3-5 kein leeres Grab impliziert), und vielleicht wurden die Erscheinungen ursprünglich nicht physisch gesehen. Doch als jemand wie Paulus oder Petrus dieses Phantasma Jesu nach dessen Tod sah, änderten sie die jüdische Vorstellung der Auferstehung, die zu der Zeit im Judentum nebensächlich war, so ab, dass es mit dem übereinstimmte, was sie offensichtlich mit ihren eigenen Augen sahen; mit etwas, das adäquat genug war, um die jüdische Vorstellung der Auferstehung in eine neue christianisierte Doktrin abzuwandeln.

Glenn

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Dr. Craig

Dr. craig’s response


A [

Ich habe nie eine bessere Argumentation für den Skeptizismus in Bezug auf Jesu Auferstehung gesehen als die in Allisons Buch Resurrecting Jesus: The Earliest Christian Tradition and Its Interpreters (New York: T. & T. Clark, 2005). Er ist weitaus überzeugender als Crossan, Lüdemann, Goulder und der Rest derjenigen, die die Historizität der Auferstehung Jesu abstreiten. Dass Allison trotz seiner skeptischen Argumente letztendlich die Fakten zu Jesu Begräbnis, leerem Grab, Erscheinungen nach seinem Tod und dem Glauben der Jünger an Jesu Auferstehung anerkennt und die Auferstehungshypothese als die Erklärung ansieht, die alle anderen konkurrierenden Hypothesen in den Schatten stellt, je nachdem, mit welcher Weltanschauung man in die Untersuchung des Falls einsteigt, zeugt von der Stärke der Argumentation für die Historizität der Auferstehung Jesu.

Zunächst möchte ich ein paar Gedanken zu den Hauptaussagen von Allisons Argument formulieren.

Neigungen und Zweifel

Er beginnt seine Untersuchung, indem er die Gründe dafür gesteht, warum er an Jesu Auferstehung glauben will und warum er an ihr zweifelt. Die vier Gründe für seine Neigung, Jesu Auferstehung anzuerkennen, sind: (1) Die Lehre Jesu bleibt sonst in der Luft hängen, ohne einen dramatischen Nachtrag nach dem Tod; (2) ein Gott, der in die Geschichte eingreift, ist dem fernen Gott des Deismus vorzuziehen; (3) Jesu physische Auferstehung ist eine überzeugende Bestätigung dafür, dass die materielle Welt gut ist; und (4) macht Jesu Auferstehung Hoffnung auf persönliche Unsterblichkeit (S. 214-219). Ich selbst habe auch all diese Neigungen.

Im Kern von Allisons Zweifel in Bezug auf die Auferstehung liegt das philosophische Problem der „zeitüberbrückenden Identität“[2]. Es fasziniert mich jedes Mal aufs Neue, wie philosophische Themen in scheinbar rein naturwissenschaftliche oder geschichtliche Diskussionen eindringen. Allison fällt es schwer, die Identität des auferstandenen Leibes mit dem sterblichen Leib in Fällen zu begreifen, in denen der sterbliche Leib vollständig vernichtet wurde (S. 219-228). Wenn raumzeitliche Kontinuität eine Bedingung für die zeitüberbrückende Identität ist, dann impliziert die durch die Auflösung des sterblichen Körpers verursachte Diskontinuität, dass der auferstandene Leib bestenfalls ein Duplikat des sterblichen Leibes ist, aber nicht identisch mit ihm ist. In einem solchen Fall erscheint es also unmöglich, zu behaupten, dass eben jener Leib auferweckt wird.

Es ist schon seltsam, dass dieser Gedanke bei Allison zu Zweifeln an der buchstäblichen Auferstehung Jesu führt, denn im Fall Jesus wurde der sterbliche Leib nicht vernichtet, sodass es keine raumzeitliche Diskontinuität gab, die die Identität ausschließen könnte. Es war ganz klar der Leib im Grab, der auferweckt wurde (deswegen ja das leere Grab). Selbst wenn Gott – in Fällen, wo der sterbliche Leib ganz und gar aufgelöst wurde – einen brandneuen „Doppelgänger“ aus dem Nichts erschaffen muss: Wie könnte das denn Auswirkungen auf einen Forscher und dessen Einschätzung der Belege für Jesu Auferstehung haben?

Allison behauptet, dass Jesu Auferstehung in diesem Fall zur Ausnahme wird, zu einer Anomalie. Ich denke, diese Behauptung ist höchst fraglich. Nach jüdischem Glauben waren die Knochen der Toten die Hauptbestandteile der Auferstehung (daher auch der jüdische Brauch der Knochenaufbewahrung in Ossuarien für die eschatologische Auferstehung), und Skelettüberreste halten erstaunlich lange, ja, es existieren noch einige aus prähistorischen Zeiten. Solange es keine weltweite Katastrophe gibt, sorgt zudem die Explosion der Weltbevölkerung dafür, dass es stets mehr kürzlich Verstorbene als länger Verstorbene geben wird. Doch lassen wir das einmal beiseite. Diese lehrmäßigen Themen sind in Bezug auf eine historische Bewertung unserer Quellen irrelevant. Nehmen wir der Argumentation halber einmal an, dass Gott sich bei der eschatologischen Auferstehung dazu entscheidet, die Gebeine aller Toten aufzuerwecken, deren Überreste noch existieren, und neue Leiber für die Toten zu erschaffen, von denen es keine Überreste gibt: Wie könnte das denn Auswirkungen auf jemandes Einschätzung der historischen Belege für Jesu Auferstehung haben?

Ich glaube, dass Allisons eigentliches Problem das nur allzu geläufige Vorurteil gegenüber der physischen, leiblichen Unsterblichkeit ist. Er sagt: „Ich glaube, ob richtiger- oder fälschlicherweise, an eine künftige Existenz, die frei von den Einschränkungen der materiellen Körperlichkeit ist, wie wir sie bisher kennen (…) Ich glaube nicht, dass unser Leben in der künftigen Welt in irgendeiner Weise von der Wiederherstellung unseres jetzigen Fleisches und unserer jetzigen Gebeine abhängt; und wenn das bei uns so ist, wie ist es dann bei Jesus?“ (S. 225, 344). Dann werden philosophische Probleme in Bezug auf die Identität in dem Versuch verwendet, dieses Vorurteil zu rechtfertigen. Aber diese Probleme zeigen höchstens, dass die Auferstehungsleiber von Menschen, deren sterbliche Leiber sich vollständig aufgelöst haben, Duplikate dieser Leiber sind, und nicht numerisch identisch mit ihnen sind. Doch das untergräbt eine Lehre der physischen, leiblichen Unsterblichkeit in keiner Weise. Allisons Skeptizismus ist daher bloß eine unberechtigte Voreingenommenheit.

Beachten Sie hierbei, dass das Duplikat eines Leibes die persönliche Identität des verstorbenen und auferweckten Menschen überhaupt nicht ausschließt, wenn man, wie Allison, an die Realität einer Seele glaubt, die nicht eins mit dem Leib ist. Nach jüdischem Glauben ging die Seele nach dem leiblichen Tod zu Gott bis zur eschatologischen Auferstehung, wo dann die Gebeine der Toten auferweckt werden, der Leib wiederhergestellt und die Seele wieder mit dem Leib vereint wird. Durch das Postulieren eines derartigen Zwischenzustandes zwischen Tod und Auferstehung war die persönliche Identität gesichert – auch in Fällen, wo es keine sterblichen Überreste mehr gab. Probleme mit der persönlichen Identität ergeben sich nur für Theologen, die Materialisten sind oder den Zwischenzustand der Seele nach dem Tod abstreiten. Da Allison Dualist ist, sollte es für ihn überhaupt kein Problem in Bezug auf die persönliche Identität derjenigen geben, die Gott von den Toten auferweckt.

All das offenbart die Irrelevanz von Zweifeln an der leiblichen Identität bei vernichteten toten Körpern in Bezug auf die Frage der buchstäblichen Auferstehung Jesu. Zusammenfassend kann man sagen, dass derlei Zweifel aus drei Gründen irrelevant sind: (1) Was bei der Auferstehung der Toten zählt, ist nicht die körperliche Identität, sondern die persönliche Identität, welche durch das Überleben der Seele sichergestellt wird; (2) nach jüdischem Glauben würden die Gebeine der Toten auferweckt, sodass strenge körperliche Identität kein Problem darstellt; (3) im Fall Jesus ist die körperliche Identität unproblematisch.

Ich werde die knifflige Frage, ob raumzeitliche Kontinuität – wie Allison annimmt – wirklich eine Bedingung für die physikalische zeitüberbrückende Identität ist, deshalb nicht weiter vertiefen. Ich weise schlichtweg darauf hin, dass dies höchst umstritten ist und somit überhaupt nicht davon auszugehen ist, dass Gott nicht in der Lage ist, ein physikalisches Objekt zu schaffen, es dann zu zerstören und dann wieder zu erschaffen (siehe Trenton Merricks, „There are No Criteria of Identity over Time“, Nous 33 (1998): 106-124, der dahingehend argumentiert, dass es keine informativen, notwendigen und ausreichenden Bedingungen für die zeitüberbrückende Identität gibt). In diesem Fall können die Leiber der Auferstandenen und ihre sterblichen Leiber identisch sein, unabhängig davon, ob Letztere vergangen sind.

Die Fakten

Wenden wir uns nun also den Belegen für Jesu Auferstehung selbst zu und stellen wir einige Überlegungen über Allisons Umgang mit dem leeren Grab an. Er ist mit Ihrer Hypothese, dass das leere Grab eine spätentwickelte Legende ist, nicht einverstanden – trotz seiner offensichtlichen theologischen Verachtung dafür. In diesem Kontext ist es äußerst bedeutend, dass Allison starke Argumente für die Historizität von Jesu Begräbnis durch Joseph von Arimatäa vorbringt (S. 252-263). Eine der Ironien, die in seinem Umgang mit dem Begräbnis und den Erzählungen vom leeren Grab zutage treten und die Allison selbst anscheinend nicht bemerkt hat, ist die, dass quasi dieselben Argumente, die ihn zu seinem selbstbewussten und uneingeschränkten Urteil „sehr wahrscheinlich“ in Bezug auf das Begräbnis durch Joseph gebracht haben (z. B. vielfache Belege, keine legendenhaften Ausschmückungen, beschämende Eigenschaften der Erzählungen, Verwendung von Eigennamen, das Wissen der Öffentlichkeit vom Begräbnis und der Lage des Grabes), auch für die Historizität des leeren Grabes sprechen, die er „äußerst zögerlich“ für „historisch wahrscheinlich“ befindet (S. 332, 362)! Hier wird offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen, was von seiner Abneigung gegenüber materieller Kontinuität zwischen dem sterblichen Leib und dem auferstandenen Leib rührt.

Allison untersucht sieben Argumente für die Tatsache des leeren Grabes, nach zunehmender Überzeugungskraft geordnet.

1. Die ersten polemischen Aussagen von jüdischer Seite setzen das leere Grab voraus. Der Vorwurf der Juden, dass die Jünger den Leichnam gestohlen haben, setzt voraus, dass der Leichnam fehlte (Mt 28,11-15). Allison ficht dieses Argument wegen der Ungewissheit darüber an, wann die polemischen Aussagen gemacht wurden. Doch mit seinem Geständnis, dass er nicht versteht, warum dieser Abschnitt „den Stempel einer in die Länge gezogenen Auseinandersetzung trägt“, übersieht Allison das Entwicklungsmuster von Behauptung und Gegenbehauptung in der Überlieferungsgeschichte, die hinter Matthäus‘ Geschichte mit der Wache steckt:

Christ: „Der Herr ist auferstanden!“
Jude: „Nein, seine Jünger haben seinen Leichnam gestohlen.“
Christ: „Die Wache am Grab hätte so einen Diebstahl verhindert.“
Jude: „Nein, die Wache ist eingeschlafen.“
Christ: „Die Ältesten haben die Wache bestochen, damit sie das sagen.“

Die Juden reagierten auf die Verkündigung der Auferstehung Jesu von christlicher Seite einfach nur mit der Behauptung, dass die Jünger den Leichnam gestohlen hatten. Das mit der Wache konnte nur eine Weiterentwicklung von christlicher Seite sein, und nicht von jüdischer. Anschließend brauchten Christen die Bestechung der Wache gar nicht zu erfinden; es reichte schon die Behauptung, dass das Grab bewacht worden war. Die Bestechung kommt erst als Reaktion auf die zweite polemische Aussage zur Sprache, also auf die Behauptung der Juden, die Wache sei eingeschlafen. Dieser Teil der Geschichte konnte nur eine Weiterentwicklung von jüdischer Seite sein, da er für die christliche Polemik nutzlos ist. Auf der letzten Stufe, als Matthäus sein Evangelium schrieb, antworten die Christen mit der Behauptung, dass die Wache bestochen wurde. Aufgrund der frühen Datierung der prämarkinischen Passionsgeschichte brauchen wir uns nicht mit Allisons Vermutung herumzuschlagen, dass die Auseinandersetzung zwischen Markus und Matthäus aufkam, so lange wir mit „Markus“ die markinische Überlieferung meinen.

2. Jesu Grab wurde nicht verehrt. Das ist am besten mit der Tatsache zu erklären, dass Jesu Gebeine dort nicht mehr lagen. Allison weist dieses Argument zurück, weil die Lage des Grabes sehr wohl im Gedächtnis der Christen geblieben ist (S. 313). Doch Allisons Antwort geht am Wesentlichen vorbei. Die Sache ist, dass es keinen Ort gab, von dem man wusste, dass dort die Überreste Jesu lagen, sodass man sie dort aufbewahren und ehren könnte. Das steht historisch gesehen außer Frage. Allisons Behauptung, dass Jesu Gebeine vielleicht in einer zwielichtigen Verbrechergrabstätte lagen und deshalb nicht verehrt wurden, widerspricht seiner späteren Behauptung in der Diskussion des Begräbnisses, der zufolge Menschen, die ein solch schändliches Ereignis wie das Kreuz positiv darstellen können, problemlos auch ein Begräbnis in einem Graben hätten positiv darstellen können (S. 354), beispielsweise weil die Gebeine Jesu die Stätte heiligten. Das ist nur eine der vielen internen Spannungen in Allisons Umgang mit den Belegen.

3. Die von Paulus in 1. Korinther 15,3-5 zitierte Formel setzt ein leeres Grab voraus. Allison ist der Meinung, dass das zwar zeigt, dass Paulus aus theologischen Gründen an das leere Grab geglaubt haben mag, aber nicht belegt, dass er tatsächlich historisches Wissen darüber hatte (S. 316). Der Schwachpunkt in dieser Antwort ist, dass ein Vergleich der vierzeiligen, von Paulus weitergegebenen Formel mit den Erzählungen in den Evangelien und den Predigten in der Apostelgeschichte ergibt, dass die Formel in der zweiten und dritten Zeile die Geschichten vom Begräbnis und dem leeren Grab zusammenfasst. Kurioserweise erkennt Allison selbst an, dass „1Kor 15,3-8 eine Zusammenfassung traditioneller Erzählungen sein muss, die sonst ausführlicher geschildert werden“ (ebd., S. 235; vgl. seine Fußnote S. 133). Dies ist ein weiteres Beispiel für die vielen internen Spannungen in Allisons Ausführungen.

4. Die Jünger hätten bei einem besetzten Grab die Auferstehung in Jerusalem gar nicht verkündigen können. Hier sehen wir, wie Allisons Skeptizismus zu Verzweiflung wird. Er behauptet, dass die Jünger vielleicht so von der Auferstehung Jesu überzeugt waren, dass sie es nie für nötig erachteten, die Grabstätte zu besuchen. Das ist schlichtweg albern (sie sind nie zurückgegangen? nicht einmal, um zu sehen, wo der Herr lag, geschweige denn, um das zu überprüfen?) und widerspricht Allisons eigener Aussage, dass die Grabstätte im Gedächtnis der Christen geblieben ist. Genauso albern ist Allisons Mutmaßung, dass die Jerusalemer Behörden das Grab nie inspiziert haben, weil „es sie einfach nicht kümmerte, weil sie das alles nicht sonderlich ernst genommen haben oder es bloß als kleine, vorübergehende Belästigung ansahen“ (S. 319) – und das obwohl sie Saulus von Tarsus engagierten, um der frühen Jesus-Bewegung den Garaus zu machen!

5. Die Geschichte vom leeren Grab weist keinerlei theologische oder legendenhafte Ausschmückungen auf. Allison stimmt dem zu; das ist einer der Gründe dafür, dass er die Historizität des Begräbnisberichts anerkennt.

6. Visionen des auferstandenen Jesus sind als Erklärung für die Entstehung des Glaubens an Jesu Auferstehung nicht ausreichend. Obwohl Allison, wie Sie angedeutet haben, sehr viel Wind um Visionen von kürzlich Verstorbenen bei Hinterbliebenen macht, gibt er letzten Endes zu: Wenn es keinen Grund gab, dass sein tatsächlicher Leib ins Leben zurückgekehrt war, hätte ihn niemand entgegen allen Erwartungen für von den Toten auferstanden gehalten. Visionen von oder wahrgenommene Aufeinandertreffen mit Jesu würden alleine gewiss keinen solchen Grund darstellen“ (S. 324-325). Das Grab wurde also wahrscheinlich leer vorgefunden.

7. Das Grab wurde von Frauen leer vorgefunden. Wahrscheinlich hat sich kein anderer Faktor für Wissenschaftler, die die Historizität des leeren Grabes untersuchen, als so überzeugend erwiesen wie die Rolle der weiblichen Zeugen. Allison ist da keine Ausnahme.

Allison schließt daraus, dass es „ordentliche“ Argumente für das leere Grab gibt (S. 331). Wir haben bereits gesehen, dass das eine Untertreibung ist. Die Argumente für das leere Grab sind genauso überzeugend, wenn nicht noch überzeugender als die für Jesu Begräbnis.

Doch Allison ist auch der Meinung, dass es auch „ansehnliche Argumente“ gegen das leere Grab gibt (S. 331). Diese Behauptung überrascht. Die angeblich ansehnlichen Argumente sind genau zwei an der Zahl. Erstens: „die Fähigkeit der ersten Christen, Fiktionen zu erschaffen“. Zweitens: „die Existenz zahlreicher Legenden über vermisste Leichname“ (S. 332). Doch diese beiden Überlegungen zeigen bestenfalls die Möglichkeit auf, dass die Erzählung vom leeren Grab eine Legende ist. Dieselbe Möglichkeit besteht auch in Bezug auf die Kreuzigungs- und Begräbnisberichte. Das ist eine Möglichkeit, derer wir uns aufgrund unseres allgemeinen Hintergrundwissens bewusst werden, bevor wir die spezifischen Belege untersuchen. Diese beiden Überlegungen belegen in keiner Weise, dass die Erzählung vom leeren Grab – aufgrund der Untersuchung der spezifischen Belege – fiktiv oder eine Legende ist. Ich finde es schockierend, dass Allison auch nur denken könnte, dass er aufgrund allgemeinen Hintergrundwissens spezifischen Belegen derlei a-priori-Möglichkeiten entgegensetzt.

Kurz: Die Entdeckung des leeren Grabs Jesu geht aus Allisons Untersuchung so gestärkt wie nie hervor.

Wenden wir uns jetzt also den Erscheinungen Jesu nach seinem Tod zu. Allison argumentierte für die Historizität der Erscheinungen Jesu nach seinem Tod bei unter anderem Petrus, den Jüngern und Maria Magdalena. Hier würde ich nur über Details streiten, z. B. seinen Versuch, alle Erscheinungen als Erscheinungen in Galiläa zusammenzufassen, obwohl es mehrere und voneinander unabhängige Belege für die Erscheinungen in Jerusalem gibt. Dass Markus eine Erscheinung in Galiläa vorausschauend andeutet (und vielleicht nur diese berichtet hat, wenn sein Ende verloren gegangen ist), heißt überhaupt nicht, dass sich die Erscheinungen in Jerusalem nicht zuerst ereignet haben ( z. B. die bei den Frauen, gemäß Matthäus). Im Gegensatz zu Allisons Meinung steht die Geschichte in Johannes 21, in der die Jünger fischen gehen, nicht für ihre Rückkehr zu alten Wegen, denn weder Thomas noch Nathaniel waren Fischer. Doch lassen wir das alles. Allison stimmt dem Konsens der Gelehrten in Bezug auf die Historizität der Erscheinungen Jesu nach seinem Tod zu, die sich bei verschiedenen Einzelpersonen und Gruppen ereigneten.

Und zuletzt kommt noch dazu, dass die Jünger aufrichtig und plötzlich zum Glauben daran kamen, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Obwohl Allison das nicht als separaten Punkt diskutiert, erkennt er diese Tatsache ganz an.

Allison erkennt also die drei Tatsachen an, von denen ich behauptet habe, dass sie am besten durch die Hypothese erklärt werden, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat. Was sagt Allison zur Erklärung dieser Tatsachen?

Die Tatsachen erklären

Allison stimmt N. T. Wrights Urteil, dass „die beste historische Erklärung (…) die ist, dass Jesus tatsächlich leiblich von den Toten auferweckt wurde“, nicht zu (S. 345). Allisons grundlegender Vorwurf ist hier, dass die Belege für die Auferstehung nicht die Weltanschauung des Forschers herausfordern kann, mit der er in die Untersuchung geht. Seiner Einschätzung zufolge werden überzeugte Naturalisten selbst eine Entführung durch Außerirdische als eine bessere Erklärung als die Auferstehungshypothese ansehen. Damit möchte er Folgendes klarmachen: „Wahrscheinlichkeit liegt im Auge des Betrachters. Sie hängt von der Weltanschauung des jeweiligen Menschen ab, und wie die Auferstehung dort hineinpasst oder auch nicht hineinpasst“ (S. 340). Somit „können Argumente über die buchstäbliche Auferstehung Jesu nicht eine Basis für jemandes Weltanschauung darstellen“ (S. 342).

Dieses Argument zeugt von mehreren Irrtümern. Zunächst einmal: Historische Apologetik für Jesu Auferstehung wurde in der Regel erst unternommen, nachdem Argumente für den Theismus vorgebracht worden waren (siehe mein Buch The Historical Argument for the Resurrection of Jesus during the Deist Controversy [Lewiston, N. Y.: Edwin Mellen, 1985]). Es ging also nicht darum, einen Naturalisten aufgrund der Belege für Jesu Auferstehung davon zu überzeugen, seine Weltanschauung zu wechseln. Um einen Naturalisten dazu zu bringen, seine Weltanschauung zu wechseln, präsentiert man ihm kosmologische, teleologische, moralische und andere Argumente für den Theismus. Die Frage wurde dann zu folgender: Was ist, ausgehend von einer theistischen Weltanschauung, die beste Erklärung für die gut belegten Tatsachen des leeren Grabes, der Erscheinungen Jesu nach seinem Tod und der Entstehung des Glaubens unter den Jüngern, dass Jesus auferstanden war?

Es ist nicht klar, was Allison auf diese Frage antworten würde. Er scheint sich damit zu begnügen, extremere Behauptungen über „Belege, die zwingend sind[3]“, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, zu widerlegen. (S. 347; Anmerkung: McDowell hat eigentlich nur behauptet, dass die Belege ein Urteil fordern). Er geht nie direkt auf die Frage ein, wie jemand, der mit einer robusten natürlichen Theologie an die Belege herangeht (beispielsweise Richard Swinburne[4] oder Stephen T. Davis[5]), die konkurrierenden Hypothesen bewerten soll (siehe S. 341, Fußnote 557).

Zweitens: Allison verwechselt die Tatsache, dass Wahrscheinlichkeiten bedingt sind, damit, dass sie subjektiv sind. Wahrscheinlichkeiten sind relativ zu einem bestimmten Maß an Information. Wahrscheinlichkeiten verändern sich also, wenn die Information sich verändert. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei einem Münzwurf „Kopf“ herauskommt, beträgt 0,5 relativ zur Information, dass es sich um keine gezinkte Münze handelt; relativ zur Information, dass die Münze gezinkt ist, wird die Wahrscheinlichkeit, dass „Kopf“ herauskommt, größer oder kleiner 0,5 sein. Wahrscheinlichkeiten werden also immer vorbehaltlich ausgedrückt: Pr(A/H) ist die Wahrscheinlichkeit von A unter der Voraussetzung, dass H der Fall ist. Deswegen ist es von größter Wichtigkeit, dass bei der Bestimmung der Wahrscheinlichkeit einer Hypothese A unsere Hintergrundinformation H korrekt ist, sonst kommt ein falscher Wert heraus. Wie aber auch Ihr Beispiel mit den Münzen veranschaulicht, impliziert die Tatsache, dass Wahrscheinlichkeiten bedingt sind, in keiner Weise, dass sie „im Auge des Betrachters liegen“.

Allisons Argument stimmt in der Hinsicht, dass die Wahrscheinlichkeit der Auferstehungshypothese angesichts aller Belege teilweise von ihrer Wahrscheinlichkeit angesichts der allgemeinen Hintergrundinformationen abhängt, also von spezifischen Belegen für diese Hypothese abgesehen. Das ist eine ganz normale Regel der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Bei A = Jesu Auferstehung, B = der spezifische Beleg für das Ereignis der Auferstehung, und H = unser Hintergrundwissen, das wir auch ohne die spezifischen Belege hatten, besagt Bayes‘ Theorem[6]:

Schalten Sie jetzt nicht ab, so schwer ist das nicht! Die linke Seite der Gleichung bezeichnet die Wahrscheinlichkeit der Auferstehung (A) angesichts der spezifischen Belege für die Auferstehung (B) und unserer Hintergrundinformationen (H). Auf der rechten Seite der Gleichung ist der Faktor Pr(A/H) die Wahrscheinlichkeit der Auferstehung angesichts der Hintergrundinformationen (H), aber abgesehen von jeglichen spezifischen Belegen. Zu H gehören beispielsweise vielleicht die Annahmen, die von der Weltanschauung herrühren, mit der man in diese Forschung geht. Wenn zu H die Tatsache gehört, dass Gott nicht existiert, dann wird Pr(A/H) äußerst niedrig sein. Diese Wahrscheinlichkeit liegt dann nicht im Auge des Betrachters; jeder stimmt - unter der genannten Voraussetzung, dass Gott nicht existiert - dieser Einschätzung zu. Worüber man nicht übereinstimmt, ist die Frage, ob Gottes Nichtexistenz wirklich Fakt ist und somit in H gehört.

Da Allison der Meinung ist, dass Wahrscheinlichkeiten bloß im Auge des Betrachters liegen, bestimmt er, was in H gehört, indem er in sich hineinsieht und introspektiv analysiert, was er glaubt. Er rät: „Wir müssen nicht nur die Texte genau unter die Lupe nehmen, sondern auch uns selbst“ (S. 343). Was er leider nicht rät, ist dass wir die Belege und Argumente für die Überzeugungen untersuchen, die hinter H stehen.

Introspektion ist kein Ersatz für Argumente. Für gewöhnlich haben Fürsprecher des Argumentes für Jesu Auferstehung diese Tatsache verstanden und Argumente für die Existenz Gottes angeführt. An dieser Stelle sollte man noch anmerken, dass ein gewisses Wissen über Jesu Leben, Dienst und Jesu Behauptungen über sich selbst auch zu den Hintergrundinformationen bei der Einschätzung von Pr(A/H) gehören. Die Behauptung lautet: Wenn man Hintergrundinformationen einbezieht, zu denen derlei Fakten gehören, ist die a-priori-Wahrscheinlichkeit der Auferstehung nicht allzu gering. Man stimmt also vielleicht mit dem Naturalisten darin überein, dass die Auferstehung dann, wenn der Naturalismus wahr ist, hoffnungslos unwahrscheinlich ist. Doch damit hört die Debatte nicht auf. Die Frage lautet dann, welche Gründe und Rechtfertigung man für seine jeweiligen Hintergrundüberzeugungen aufweisen kann.

Drittens versäumt es Allison, die unterschiedlichen Grade des Überzeugtseins und der Hartnäckigkeit in Betracht zu ziehen, mit denen verschiedene Menschen jeweils ihre Hintergrundüberzeugungen vertreten. Er neigt auch hier dazu, nur den Extremfall in Betracht zu ziehen, in dem die Leute „mit der sicheren und gewissen Überzeugung, dass es keinen Gott gibt“ an die Belege herangehen (S. 340). Doch nehmen wir einmal an, dass der Atheismus einer solchen Person nur kulturell bedingte Fassade ist, die er oder sie gedankenlos und leichtfertig aufrechterhält, weil diese Person z. B. in der sowjetischen oder chinesischen Kultur aufgewachsen ist. So jemand könnte gut und gerne seinen Atheismus aufgeben, nachdem er erkannt hat, dass die Auferstehung nicht in eine solche Weltanschauung „passt“. Wenn er die Überzeugung erlangt, dass die Indizien am besten durch die Auferstehungshypothese erklärt werden, ist es gut möglich, dass er seine Weltanschauung anpasst, damit darin auch Raum für diese bessere Erklärung (also die Auferstehungshypothese) ist.

Oder nehmen wir an, jemand ist Agnostiker, aber offen und suchend, was die Existenz Gottes angeht. So jemand übernimmt vielleicht auch eine christliche Weltanschauung, weil er davon überzeugt ist, dass die Fakten durch die Auferstehungshypothese am besten erklärt werden. Das ist nicht nur möglich; es passiert auch oft. Allison führt keinen guten Grund dafür an, dass eine solche Weltanschauungsveränderung irrational sein muss.

Dennoch denke ich, dass in Allisons Bemerkungen der Ansatz eines ernsthaften Einwandes gegen das historische Argument für Jesu Auferstehung steckt. Wenn man das Bayes-Theorem umformuliert in die sog. "Bayes-Regel" (engl. "Odds form"), besagt diese: (Wieder sei A = Jesu Auferstehung, B = der spezifische Beleg für das Ereignis der Auferstehung, und H = unser Hintergrundwissen, das wir auch ohne die spezifischen Belege hatten):

Die "Bayes-Regel" (oder "Odds-Form des Bayes' Theorems") zeigt uns das Verhältnis der Wahrscheinlichkeit der Auferstehung unter der Annahme aller Belege, und die Wahrscheinlichkeit, dass es keine Auferstehung gab, unter der Annahme aller Belege. Wenn das Verhältnis 1:1 ist, haben A und nicht-A dieselbe Wahrscheinlichkeit. Die Chancen, dass es A gab, stehen dann bei 0,5 bzw. 50%.

Ob die Auferstehung nun wahrscheinlicher oder weniger wahrscheinlich ist, hängt von den Verhältnissen auf der rechten Seite der Gleichung ab. Um das erste davon zu bestimmen, fragen wir, welche gemäß den allgemeinen Hintergrundinformationen wahrscheinlicher ist: A oder nicht-A? Um das zweite zu bestimmen, fragen wir, was den spezifischen Beleg wahrscheinlicher macht: A oder nicht-A? Hierbei stellen wir die Frage, was die spezifischen Belege, die wir haben, am besten erklärt: A oder nicht-A?

Allison scheint manchmal zu sagen, dass dieses letzte Verhältnis einen Wert hat, der 1:1 sehr nahe kommt. Das heißt, die Belege werden von A und nicht-A ungefähr gleich gut erklärt. So schreibt er zum Beispiel:

„Scheinbegegnungen mit kürzlich Verstorbenen sind (…) nicht ungewöhnlich, wie auch immer man sie sich erklärt. Des Weiteren (…) nehmen die Leute Erscheinungen oft nicht als geistige Schatten wahr, sondern als etwas Solides, ganz und gar Reales. Was hält also den Unorthodoxen davon ab (…), die Auferstehungserscheinungen, die ‚Transphysikalität‘[7], als Beispiele eines größeren Phänomens zu sehen? Mischen wir noch ein wenig jüdische Eschatologie und die vorösterlichen Erwartungen der Jünger mit hinein, und, so könnte man meinen, da hat man’s.
Was ist dann mit dem leeren Grab? Es verlangt auch kein göttliches Eingreifen. Diejenigen, die selbstsicher jedes Wunder und alle Übernatürlichkeiten ablehnen, finden die Meinung, dass jemand Jesu Gebeine gestohlen oder weggebracht hat, natürlich leichter als die, dass Jesus zurück ins Leben gekommen ist. Warum es hier irgendetwas geben soll, was eine Weltanschauung herausfordert, ist mir schleierhaft“ (S. 347).

Allison ruiniert sein Argument, indem er es wieder in einen Kontext der Hinterfragung einer selbstsicher vertretenen naturalistischen Weltanschauung wirft, was ja, wie wir gesehen haben, ein Ablenkungsmanöver ist. Klammern wir das aus, bleibt, wie ich finde, eine bedeutende Hinterfragung des Argumentes für Jesu Auferstehung. Allison scheint zu behaupten, dass die Aussagekraft der Erklärung von A und nicht-A ungefähr gleich ist. Das impliziert, dass die Wahrscheinlichkeit von A angesichts der gesamten Beweislage als <0,5 herauskommen wird, wenn ein Wunder wie die Auferstehung, allein relativ zu den Hintergrundinformationen, auch nur ein wenig unwahrscheinlicher als nicht-A ist, was eine rein historische Argumentation für Jesu Auferstehung zu untergraben schiene.

Stellt sich also die Frage, ob A und nicht-A als Erklärung wirklich ungefähr die gleiche Aussagekraft haben.

Betrachten wir also einmal die Erscheinungen Jesu nach seinem Tod genauer. Allisons interessantester Beitrag zur Diskussion der Auferstehung Jesu ist seine gründliche Untersuchung der Parapsychologie- und Psychologieliteratur in Bezug auf Visionen von kürzlich verschiedenen Menschen, die bei Hinterbliebenen auftreten. Allison führt sehr sorgfältig aus, wie ähnlich diese den Erscheinungen Jesu sein können. Wie einige deistische Denker der Aufklärung im 18. Jahrhundert, die versuchten, eine natürliche Erklärung für die Auferstehung zu finden, verwendet Allison derlei visionäre Erfahrungen als Verteidigung der Historizität der Erscheinungen in den Evangelien gegen diejenigen, die sie für völlig legendär halten. Doch letzten Endes erweist sich diese List als trojanisches Pferd, denn nun können die Auferstehungserscheinungen als typische Visionen der Hinterbliebenen erklärt werden.

Allisons Kenntnisse der Literatur sind fast schon beängstigend. Die Seiten 279 bis 282 enthalten nur 16 Zeilen Text und fast 200 starke Zeilen mit Verweisen! Doch genau seine Stärke als Bibliograph wird zu seinem Schwachpunkt, da er dazu tendiert, alle Berichte unkritisch zu akzeptieren, indem er seriöse Studien aus Psychologie-Fachzeitschriften, beliebte New-Age-Bücher und -Veröffentlichungen aus dem Bereich der Parapsychologie zusammenwürfelt. Die meisten der sogenannten wahrheitsgetreuen Visionen von Verstorbenen werden parapsychologischer Literatur aus dem späten 19. Jahrhundert entnommen. Was er vermissen lässt, ist eine aufmerksame Sichtung der Belege und eine differenzierte Diskussion derselben. Allisons Diskussion hat mich an Literatur erinnert, die ich über Vorfälle gelesen habe, in denen Ufos gesichtet wurden. Dort wird auch das Seriöse mit dem Absurden vermischt, was den Leser völlig im Ungewissen darüber lässt, was man von solchen Erfahrungen halten soll.

Trotzdem akzeptiere ich des Argumentes wegen lieber die Hypothese, dass die Jünger Visionen von Jesus hatten, und behandle die Frage, ob eine solche Erklärung die Kriterien für die beste Erklärung besser erfüllt als die Auferstehungshypothese.

Nehmen wir zum Beispiel einmal die Reichweite der Erklärung. Die Visionshypothese hat nur eine begrenzte Reichweite. Erstens sagt sie nichts über das leere Grab aus. Folglich muss man entweder die Tatsache des leeren Grabes und damit auch die des Begräbnisses abstreiten oder sonst eine unabhängige Hypothese mit der Visionshypothese verbinden, um eine Erklärung für das leere Grab zu haben. Allison antwortet auf diesen Kritikpunkt mittels der Erinnerung daran, dass die Reichweite der Erklärung nicht das einzige und auch nicht das wichtigste Kriterium für die Bewertung von Theorien ist und dass historische Ereignisse oft komplexe Ursachen haben (S. 347-348). Schön und gut. Und trotzdem: Wenn zwei Hypothesen sonst in jeder Hinsicht gleich gut sind, wird die simplere Hypothese bevorzugt. Und ich stimme zu, dass wir auch die erklärende Aussagekraft, Plausibilität usw. der Visionshypothese beachten müssen, bevor wir unser letztgültiges Urteil fällen. Dass sie es nicht schafft, das leere Grab zu erklären, ist aber ein großes Defizit.

Noch einmal: die Visionshypothese erklärt in keiner Weise, wie der Glaube der Jünger an Jesu Auferstehung entstanden sein könnte. Obwohl Allison die angeblichen Parallelen zwischen den Erscheinungen Jesu nach seinem Tod und den Visionen von kürzlich Verstorbenen bei den Hinterbliebenen aufwendig darlegt, ist die alles überragende Erkenntnis solcher faszinierenden Geschichten die, dass die Hinterbliebenen in Folge solcher Erfahrungen, wie real und fassbar sie auch erscheinen mögen, nicht schließen, dass der Verstorbene physisch wieder zurück ins Leben gekommen ist – sondern dass sie den Verstorbenen im Jenseits gesehen haben. Wright drückt es so aus: Hat jemand in der Antike Visionen von einem Toten, ist das kein Beleg dafür, dass die jeweilige verstorbene Person lebt, sondern dafür, dass sie tot ist!

Außerdem liegen in einem jüdischen Kontext andere, geeignetere Interpretationen solcher Erfahrungen näher als die der Auferstehung. Dunns Fragen hierzu:

„Warum haben sie geschlussfolgert, dass das der von den Toten auferstandene Jesus war? Warum nicht einfach eine Vision des Toten? Warum keine lebhafteren Visionen mit dem ganzen apokalyptischen Drum und Dran davon, wie er aus den Wolken der Herrlichkeit heruntersteigt, und so weiter (…)? Warum sollte man den erstaunlichen Schluss ziehen, dass die eschatologische Auferstehung für einen Einzigen schon stattgefunden hatte, und zwar außerhalb und vor der allgemeinen Auferstehung? (Jesus and the Spirit [London: SCM, 1975], S. 132)[8].“

Wie Dunns letzte Frage schon andeutet, war der Schluss „Er ist von den Toten auferstanden“, der uns ja wohlbekannt ist, für einen Juden im 1. Jahrhundert völlig unnatürlich. Nach jüdischem Denken gab es bereits eine Kategorie, mit der man die postulierte Erfahrung der Jünger wunderbar beschreiben kann: Jesus war in den Himmel aufgenommen worden. Somit geht Allisons Einladung, „ein wenig jüdische Eschatologie und die vorösterlichen Erwartungen der Jünger mit hineinzumischen“, nach hinten los.

Allison selbst gesteht: „Wenn es kein Grund gäbe zu glauben, dass sein physischer Leib zurück ins Leben gekommen war, hätte ihn niemand entgegen allen Erwartungen für von den Toten auferstanden gehalten. Gewiss hätten Visionen von oder wahrgenommene Begegnungen mit Jesus nach dessen Tod an sich keinen solchen Grund geliefert“ (S. 324-325). Bleibt also die Frage, ob solche Visionen der Hinterbliebenen, zusammen mit der Entdeckung des leeren Grabes, zum Glauben der Jünger und der Verkündigung der Auferstehung Jesu von den Toten geführt hätte.

Die Antwort hierauf scheint „Nein“ zu lauten. Ein solcher Umstand hätte höchstens dazu geführt, dass die Jünger gesagt hätten, dass Jesus in den Himmel versetzt oder aufgenommen worden war. Im Alten Testament ist auch davon die Rede, dass Menschen, z. B. Henoch und Elia, nicht gestorben sind, sondern direkt in den Himmel versetzt wurden. In einem extrakanonischen jüdischen Schriftstück, dem Testament Hiobs (40), wird von zwei Kindern erzählt, die nach ihrem Tod in einem zusammenstürzenden Haus in den Himmel versetzt werden. Die Kinder sterben durch den Hauszusammensturz, doch als die Rettungskräfte die Trümmer beseitigen, findet man ihre Körper nicht. Da hat die Mutter eine Vision von den beiden Kindern: Sie sind im Himmel verherrlicht, wohin Gott sie versetzt hat. Man muss an dieser Stelle betonen, dass eine Versetzung in den Himmel für einen Juden nicht dasselbe ist wie eine Auferstehung. Bei einer Versetzung wird jemandes Leib aus dieser Welt in den Himmel aufgenommen. Eine Auferstehung ist die Auferweckung eines toten Menschen im Raum-Zeit-Universum. Warum die Jünger entgegen den jüdischen eschatologischen Überzeugungen die Auferstehung Jesu verkündeten, wird in Allisons Hypothese nicht erklärt.

Oder nehmen wir die Aussagekraft der Erklärung. Die Visionshypothese hat zudem wenig Aussagekraft, was die Erscheinungen Jesu anbelangt. Nehmen wir einmal an, dass Petrus einer derjenigen war, die die Vision einer verstorbenen hochgeschätzten Person haben. Würde diese Hypothese ausreichen, um die Auferstehungserscheinungen zu erklären? Nicht wirklich, denn die Verschiedenheit der Erscheinungen sprengt jede Möglichkeit, diese als rein psychologisch erklärbare Erfahrungen abzutun: Jesus ist Menschen nicht nur einmal erschienen, sondern viele Male. Und nicht nur an einem Ort und unter einem Umstand, sondern an vielen Orten unter vielen verschiedenen Umständen. Und nicht nur einem einzelnen Menschen, sondern verschiedenen Menschen – und nicht nur einzelnen Menschen, sondern ganzen Menschengruppen. Und nicht nur Gläubigen, sondern auch Nichtgläubigen und sogar Feinden. Zu behaupten, dass die Halluzinationen wie eine Kettenreaktion bei den Jüngern die Runde machte, löst das Problem also auch nicht, weil Leute wie Jakobus und Paulus nicht zur Kette gehörten. Allison ist gezwungen, einen Flickenteppich zu erstellen, indem er voneinander unabhängige Fälle von visionären Erfahrungen verschiedener Art zusammennäht, was aber nur unterstreicht, dass es in den psychologischen Fachbüchern nichts wie die Auferstehungserscheinungen gibt.

Oder nehmen wir die Plausibilität. Allisons Hypothese ist unter anderem insofern unplausibel, als sie die Erscheinungen bloß als visionäre Erfahrungen darstellt. Paulus unterscheidet, wie das ganze Neue Testament, zwischen einer Erscheinung Jesu und einer Vision von Jesus. Die Erscheinungen Jesu hörten bald auf, aber die Visionen von Jesus hielten bis in die Zeit der ersten Gemeinden an. Nun stellt sich die Frage: Was ist der Unterschied zwischen einer Erscheinung Jesu und einer Vision von Jesus? Allison kann diese Frage nicht beantworten: „Man fragt sich, inwiefern – wenn überhaupt – sich Lukas und Paulus vorstellten, dass sich die ursprünglichen Christophanien von den späteren Erfahrungen unterscheiden“ (S. 261). Die Antwort auf diese Schlüsselfrage ist, denke ich, recht klar: Eine Vision, wenn auch von Gott bewirkt, fand nur geistig statt, während eine Erscheinung „da draußen“ in der äußerlichen Welt geschah. Hier bietet es sich an, Stephanus‘ Vision von Jesus in Apostelgeschichte 7 mit den Auferstehungserscheinungen Jesu zu vergleichen. Zwar sah Stephanus ein identifizierbares, leibliches Bild, doch sah er dabei eigentlich die Vision von einem Menschen, der nicht physisch vor Ort war, da kein anderer Anwesender irgendetwas davon erlebte. Die Auferstehungserscheinungen ereigneten sich dagegen alle in der Welt „da draußen“ und konnten von allen Anwesenden miterlebt werden. Diese Antwort ist wichtig, denn egal, wie real, wie fassbar, wie undurchsichtig Visionen von Verstorbenen den Hinterbliebenen auch erscheinen mögen – die Verstorbenen scheinen nur externe, physische Objekte zu sein. Die Hinterbliebenen erkennen danach immer, dass sie eine Vision von den Verstorbenen hatten. Den ersten Gemeinden waren Visionen von Jesus bekannt, und die Auferstehungserscheinungen waren keine Visionen.

Man könnte hier noch weiter machen, doch würde ich gerne noch ein paar Worte zum leeren Grab verlieren. Naturalisten finden es vielleicht einfacher, die Hypothese zu akzeptieren, dass jemand den Leichnam gestohlen hat, doch wie sollen wir diese Hypothese unabhängig von naturalistischen Annahmen bewerten? Auch diese Hypothese hat eine begrenzte Reichweite, weil sie nur darauf abzielt, eine einzige Facette der Belege zu erklären, und zwar das leere Grab. Was das leere Grab angeht, scheint die Hypothese adäquate Aussagekraft zu haben, auch wenn sie Details wie die Entdeckung der Grabeskleider vielleicht nicht erklärt, insofern dieses Detail als historisch erwiesen werden kann (es ist mehrfach belegt). Die größte Schwäche der Hypothese wird wohl ihre Unplausibilität und ihr Ad-hoc-Charakter sein. Allison schreibt, dass vielleicht ein unbekannter Totenbeschwörer Jesu Leichnam gestohlen hat, um ihn für die Magie zu verwenden. Doch die Texte, die er als Unterstützung dieser Vermutung zitiert, sind keine jüdischen, keine palästinensischen und keine zeitgemäßen – also für Jesus irrelevant.

Nun, es gäbe noch viel zu sagen, aber ich denke, Sie verstehen, was ich sagen will. Ich bin der Meinung, dass man mit einer robusten natürlichen Theologie aufzeigen kann, dass Pr(A/H) nicht für außerordentlich klein gehalten werden soll und dass man nachweisen kann, dass Pr(B/A&H) größer ist als Pr(B/nicht-A&H). Siehe hierzu mein Buch Reasonable Faith[9].

Allisons Beitrag wird Thema einer Veranstaltung beim Jahrestreffen der Evangelical Philosophical Society im November 2007 sein, die von Michael Licona geleitet werden wird, mit Vorträgen von Steve Davis, Gary Habermas und mir. Dale Allison wird bei der anschließenden Zusammenkunft der American Academy of Religion / Society of Biblical Literature in San Diego am 17. November 2007 eine Antwort vortragen. Die Vorträge werden in der Zeitschrift Philosophia Christi veröffentlicht werden[10].

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/dale-allison-on-the-resurrection-of-jesus



[1] Dale C. Allison: Resurrecting Jesus: The Earliest Christian Tradition and Its Interpreters (New York: T. & T. Clark, 2005)

[2] En. „Identity over time“ – Anm. d. Übers.

[3] Engl. "Evidence that demands a verdict", Anspielung auf den gleichnamigen Titel eines Buches von Josh McDowell, auf Deutsch erschienen unter dem Titel "Die Bibel im Test - Tatsachen und Argumente für die Wahrheit der Bibel" (CLV Verlag, 9. Auflage 2002, 494 S., 6,50 €, als PDF kostenlos erhältlich unter http://clv.de/Buecher/Buecher-zur-Bibel/Die-Bibel-im-Test.html), sowie in der neueren und umfangreicheren Ausgabe "Die Fakten des Glaubens: Die Bibel im Test. Fundierte Antworten auf herausfordernde Fragen an Gottes Wort", Hänssler 2003 (1184 S. für 7,95 Euro, z.Zt. vergriffen) (Anm. d. Übers.)

[4] Vgl. z.B. Richard Swinburne: The Resurrection of God Incarnate, Clarendon Press / Oxford 2003.

[5] Vgl. z.B. Stephen T. Davis: Risen Indeed: Making Sense of the Resurrection, SPCK Publishing 1994.

[6] Das Bayes Theorem geht auf Thomas Bayes (1701 - 1751, englischer Mathematiker und presbyterianischer Pfarrer) zurück.

[7] Engl. „Transphysicality“ (Anm. d. Übers.)

[8] James D. G. Dunn: Jesus and the Spirit: A Study of the Religious and Charismatic Experience of Jesus and the First Christians as Reflected in the New Testament, Trinity Press 1978 (512S.), neu herausgegeben 1997 (W.B. Eerdmans, 527 S.).

[9] William Lane Craig: Reasonable Faith, Wheaton, III.: Crossway 2008 (3. Auflage).

[10] Die vier Artikel sind mittlerweile in der Zeitschrift Philosophia Christi, Jahrgang 2008, Band 2 erschienen:
1.) Stephen T. Davis: Comments on Dale Allison's Resurrecting Jesus, in: Philosophia Christi, v10.n2 (2008): S. 285-292.
2.) William Lane Craig: Dale Allison on Jesus's Empty Tomb, His Postmortem Appearances, and the Origin of the Disciple's Belief in His Resurrection, in: ibid., S. 293-302
3.) Gary Habermas: Dale Allison's Resurrection Skepticism: A Critique, in: ibid., S. 303-313. (Online-Version des Artikels: http://www.garyhabermas.com/articles/phil_christi/habermas_phil_christi_dale_allisons_res_skept.htm)
4.) Dale C. Allison, Jr: The Resurrection of Jesus and Rational Apologetics, in: ibid., S. 315-338.

- William Lane Craig