Es ist der wohl schönste Gefühlsausbruch dieser Spiele aus Schweizer Sicht. Dario Cologna, 31, reckt nach dem Rennen über 15 km Freistil zuerst beide Arme in die Höhe, ehe er vor Erschöpfung zu Boden sinkt. Und dann, bei dem Gang durch die Mixed Zone und dem Blick auf die Tribüne zu seinen Eltern und seiner Freundin Laura Bucher, 27, beginnt er zu weinen und fällt schliesslich seinem Team schluchzend in die Arme.
Emotionen, die man vom sonst eher ruhigen und gefassten Münstertaler kaum kennt. Sie lassen erahnen, unter welch grossem Druck er gestanden hat. Auch für Laura ist das ein spezieller Moment: «Ich war extrem nervös, und als Dario im Ziel war, liefen auch mir die Tränen nur so runter. Ich bin so stolz auf ihn. Aber nicht nur heute, sondern auch an jedem anderen Tag.»
Nach dem Auftaktrennen, dem Skiathlon, ist Colognas Stimmungslage noch anders. Als Favorit hält er lange mit, muss sich am Schluss aber mit dem sechsten Platz begnügen und sagt mit leisem Frust: «Es ist halt nicht so einfach, eine Goldmedaille zu gewinnen, wie alle meinen.»
Dario Cologna posiert vor symbolträchtigen Bäumen auf Pine Island
Nun, einige Tage später, steht Dario Cologna im traditionellen Cheongsong-Pavillon, an einem der beliebtesten Orte im Alpensia-Resort. Die Kiefern auf Pine Island sind ein Symbol für unvergänglichen und unbeugsamen Geist. Der perfekte Ort also für den Langlaufstar, der ennet dem Hügel seine vierte Olympiagoldmedaille gewonnen hat. Acht Jahre nach seiner ersten in Vancouver und nach zahlreichen Verletzungen, sieglosen Saisons, Unsicherheiten und Selbstzweifeln in den letzten drei Jahren.
Im Kampf gegen die Uhr holt der 31-Jährige für die Schweiz die erste Goldmedaille an diesen Spielen. Eine Erlösung! Für sein Heimatland – und auch für ihn selbst. Das 586 Gramm schwere Edelmetall hat doppelt Gewicht: Dario Cologna ist nun zusammen mit Simon Ammann der erfolgreichste Schweizer Olympionike. Ihm selbst verleiht es Leichtigkeit. «Ich habe mich natürlich über jedes olympische Gold unglaublich gefreut, aber jetzt war es besonders emotional. Auch weil ich Phasen hatte, wo es nicht so lief.»
Die letzten Jahre waren schwierig
Diese anderen Tage häuften sich zuletzt für Cologna. Nach Olympiagold Nummer zwei und drei 2014 gerät die Karriere des erfolgsverwöhnten Athleten ins Stocken. Die Knöchelverletzung, die er sich kurz vor Sotschi zuzieht, bekommt er nur vorübergehend in den Griff. Lange kämpft er mit den Nachwirkungen. Langwierige Wadenprobleme sind die Folge, dazu kommen Reizhusten und Asthma. Auch personelle Wechsel im Team – Guri Hetland wird gegen den neuen Cheftrainer Ivan Hudac ausgetauscht – fordern ihn heraus. In der Öffentlichkeit beginnen viele an der Rückkehr Colognas zu zweifeln.
Auf die Olympiasaison ist der Langlaufstar wieder topfit
Doch pünktlich auf die Olympiasaison findet Cologna zurück zur Top-Form. Beim Auftakt der Tour de Ski auf der Lenzerheide kurz vor Jahresende gewinnt er mit dem Sieg Vertrauen und legt die Basis für den Tour-Sieg – und schliesslich auch für den Triumph bei Olympia: «Ich habe immer gewusst, dass ich nicht weit weg bin von der Spitze. Aber es muss im richtigen Moment alles zusammenpassen: Die Fitness, die Tagesform, der Kopf, das Material.»
Cologna ist bereits ein Held
Cologna hat in Pyeongchang bereits jetzt Schweizer Sportgeschichte geschrieben. Und auch im Langlaufsport ist der dritte Sieg an den dritten Spielen über die 15-km-Distanz eine Bestmarke, die wohl sehr lange bestehen bleiben wird. Dass man von seinen Konkurrenten von Vancouver 2010 nur noch den Norweger Martin Johnsrud Sundby vorne in der Rangliste findet, ist ein weiterer Beweis für das Durchhaltevermögen Colognas.
Er selbst nimmt diese Statistiken zur Kenntnis, hat aber anderes im Kopf: Das 50-km-Massenstart-Rennen steht morgen Samstag um 6.00 Uhr an. «Alles, was nun noch kommt, ist ein Bonus. Trotzdem habe ich noch hohe Ziele.»
Dario Cologna arbeitet weiter daran, in der Loipe Geschichte zu schreiben – mit unverminderter Motivation und unbeugsamem Willen. Der stärkste Trumpf des besten Schweizer Langläufers der Geschichte aber ist die zurückgewonnene Leichtigkeit.