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Immer in den Wind: Radprofi Bernhard Eisel beendet seine Karriere

Nach 19 Jahren steigt ein Radprofi ab, dessen Erfolg nicht im grellen Licht auftaucht. Bernhard Eisel war ein mächtiger (Wind-)Schattenmann.

Bernhard Eisel beendet seine Karriere.
Bernhard Eisel beendet seine Karriere.

Es fehlt nur ein Jahr, dann hätte er den 20er vollendet im Radprofigeschäft. Und den hätte er "schon noch gerne auf irgendeine besondere Weise erlebt", So sagte das Bernhard Eisel im Sommer am Rad des Welser Innenstadtkriteriums in einem Gespräch mit den SN. Nun aber ist Schluss: In einem Schreiben teilte der 38-jährige Eisel am Dienstag seinen Rücktritt mit. Er konnte für die kommende Saison kein Team mehr finden. Dem Radsport wolle er, so war da auch zu lesen, aber nicht abhanden kommen. Wäre auch bitter, denn Eisel gehört zu jenen im Peleton der Radprofis, die weit über den Straßenrand hinausblicken können und sich so in der Szene eine große Reputation geschaffen haben. Er war eine Instanz. Er war einer, auf dessen Wort man hörte. Und dafür musste er gar nicht zu den Erfolgreichsten des Szene gehören. Mit einem Blick auf Eisels Karriere wird klar, dass der Rennradsport zwar außergewöhnliche Einzelkönner braucht, aber nichts wäre, ohne jene Fahrer, die im Schatten, jedenfalls in jenem einer auf Sieg fixierten Öffentlichkeit, agieren und gleichzeitig Windschatten für andere schaffen.


Tourgewinn im Team Sky

"Es war wohl ein Privileg, für die größten Teams fahren, an den großen Rennen teilnehmen zu dürfen. Ich habe viele Menschen kennengelernt und die ganz Welt bereist. Aber es ist nun Zeit, die nächste Reise anzutreten", teilte Eisel auf seiner Facebook-Seite am Dienstag mit. 2001 debütierte er als Profi bei Mapei-Quickstep. Er wechselte dann zu Francaise de Jeux, T-Mobile und HTC, kam später zu Sky und stieg in den letzten Jahren für das südafrikanische Team Dimension Data auf das Rad. Über viele Jahre war er mit Mark Cavendish, einen der besten Sprinter der Radsport ein unzertrennliches Team. Die beiden sind auch privat eng befreundet. Für Cavendish bereitete Eisel als Road-Captain in verschiedenen Team die Strategie innerhalb der Rennen - und damit viele der Sprintsiege des Briten - vor. An dieser Beziehung lässt sich Eisels Arbeit als Profi im Feld gut einschätzen.

Einer, der das Rennen lesen kann

"Er liest für mich das Rennen", sagte Cavendish einst vor dem Start der Tour de France 2017. "Und er gewinnt dann für uns", ergänzte Eisel trocken. Eisel sei "unglaublich". "Er hat Autorität, aber er nutzt sie um etwas zum Guten zu bewegen." Deshalb war Eisel, der fünf Sprachen spricht, in den vergangenen Jahren neben seinem Job auf dem Rad immer auch gefragter Interviewpartner oder auch Experte bei Übertragungen etwa von Eurosport. Der gebürtige Steirer, der seit langem in Kärnten daheim ist, gehört zu den Ausnahmen, die sportliches Können mit großer Eloquenz vereinen. Die Zuneigung zum einem durchaus quälerischen, entbehrungsreichen Leben als Sportler paarte er problemlos mit einem Talent zu einem hintergründigen Blick auf das eigene Tun.

Großer Sieg in Belgien

Seine sportlichen Aufgaben in jenem vermeintlichen Schatten der Stars hatte er bald als sein Talent erkannt. "Ich bin nicht schnell genug, um immer ganz vorne mitzufahren", sagte er vor vielen Jahren in einem Interview mit den SN. Einmal allerdings war er auch bei einem der großen Rennen ganz vorne: Er siegte im Jahr 2010 bei Gent-Wevelgem. Überhaupt habe der die Frühjahrsklassiker geliebt, schrieb er am Dienstag. Vor allem Paris-Roubaix, wo er 16 Mal am Start war und 16 Mal ins Ziel kam. Insgesamt startet er bei gut 1300 Straßenrennen. Bei der Tour de France war er zwölf Mal dabei. Im Jahr 2018 überschattete ein Sturz und dessen späte Folgen den Abend seiner Karriere. "Das hat mein Leben massiv verändert", sagt er darüber. Er war beim mehrtägigen Etappenrennen Tirreno-Adriatico gestürzt. Wochen später klagte er über Beschwerden - es wurde eine Gehirnblutung, eine rasche Operation in Klagenfurt folgte. Eisel erholte sich und fuhr wieder Rennen. "Es war eine Verletzung, die meine Karriere vorzeitig hätte beenden können. Nicht jeder hat das Glück, nach eigenem Ermessen in den Ruhestand zu gehen und eine letzte Saison zu fahren", erklärte Eisel.

Neue Generation wuchs heran

Mit Eisel, einem Aufrechten innerhalb eines durchaus umstrittenen Sportes, geht also der Dienst älteste österreichische Radprofi in Pension. Nie war er - selbst in den harten Jahren der Armstrong-Ära in die Nähe eines Verdachtes auf Doping gekommen. Und oft war er in diesen Jahren auch der einzige Österreicher im Peleton auf internationaler Ebene. Das änderte sich im Lauf der vergangenen Jahre massiv, eine Entwicklung, die Eisel mit Wohlwollen beobachtete. "Es zeigt, dass der Radsport in unserem Land lebt", sagt er beim Gespräch im vergangenen Sommer. Und: "Viele diese neuen Generation zeigen, dass sie mehr Potenzial haben als ich, auch um ganz vorne dabei zu sein", sagte er mit einem Schmunzeln der Selbstironie. Nun sei er allen Fans, Freunden, Teammitgliedern und Organisatoren dankbar. "Vor allem auch meiner Familie, die viele Opfer bringen musste. Aber den Sport möchte ich nicht verlassen", so Eisel.

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