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Dopingfall Landis Niemand glaubt an das "Wunder B-Probe"

Er will schnelle Aufklärung: Das Ergebnis der B-Probe des vermeintlichen Dopingsünders Floyd Landis soll in den nächsten Tagen vorliegen. Doch nicht einmal die Phonak-Teamärztin glaubt an eine Überraschung. Auch neue Enthüllungen der ARD sprechen gegen ein Wunder.

Hamburg - "Wir gehen davon aus, dass auch die B-Probe positiv sein wird", sagte Phonak-Teamärztin Denise Demir der "Bild"-Zeitung. Auch Landis selbst hatte auf seiner gestrigen Pressekonferenz in Madrid wenig Hoffnung auf eine negative B-Probe signalisiert: "Dann werde ich mich mit meinen Anwälten beraten und sehen, was wir als nächstes tun können", sagte Landis.

Der Toursieger erhielt heute Rückendeckung von Demir: "Floyd war nicht gedopt, ich lege meine Hand für ihn ins Feuer", sagte die 38-Jährige. Es sei unfassbar, was da derzeit mit dem Radprofi geschehe. Die stark überhöhten Testosteron-Werte können laut Demir verschieden Ursachen haben: "Der Testosteron-Test ist umstritten, viele halten ihn für fehlerhaft", sagte Demir.

Das sieht ARD-Dopingexperte Hajo Seppelt anders: "Die Wahrscheinlichkeit, dass der Test fehlerhaft ist, ist verschwindend gering", sagte Seppelt auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Neben Landis' Hüftproblemen käme laut der Medizinerin auch eine Schilddrüsenerkrankung als Ursache der überhöhten Werte in Frage. "Nach unseren Informationen kann eine natürliche Überproduktion von Testosteron ausgeschlossen werden. Nach den Tests auf Basis der gültigen Standards der Dopinganalytik muss auch die Zuführung der Substanz von Außen ermittelt worden sein. Sonst hätte es ja gar keine positive A-Probe gegeben", hält Seppelt dagegen.

Sogar der Alkohol, den Landis am Abend vor der 17. Etappe konsumiert haben will, könne laut Demir der Auslöser gewesen sein. "Das wäre auch nichts Neues, aber ich glaube an solche Theorien nicht mehr", so Seppelt. "Nach meinem Eindruck sind es die üblichen Verteidigungsstrategien, die verdächtige Spitzensportler gemeinsam mit Juristen inszenieren", sagt Seppelt. Der Experte geht von einem positiven Befund aus: "Beide Ergebnisse werden anhand derselben Urinprobe ermittelt. In 99,9 Prozent der Fälle bestätigt die B-Probe das Ergebnis der ersten Untersuchung."

Rückendeckung von Armstrong

Zudem sei bei der A-Probe in Landis' Urin ein dramatisch erhöhter Testosteron-Wert gemessen worden. Bei dem 30 Jahre alten Kapitän des Phonak-Teams habe der ermittelte Testosteron/Epitestosteron-Quotient bei 11:1 gelegen. "Normalerweise beträgt der Quotient beim Menschen 1:1 in ganz wenigen Fällen auch 2:1", sagt Seppelt. Für Dopingkontrollen sei ein ohnehin großzügiger Grenzwert von 4:1 festgelegt worden", so Seppelt. Auch diese Zahlen sprechen eindeutig gegen das "Wunder B-Probe".

Unterstützung gab es dagegen vom selbst oft unter Beschuss geratenen Lance Armstrong, der bei CNN seine Zweifel an der Kompetenz des französischen Anti-Doping-Labors in Chatenay-Malabry wiederholte. Zudem sprach er Landis das Vertrauen aus. "Wir sind zusammen bei Discovery gefahren. Wäre er ein Betrüger gewesen, hätte man sich von ihm getrennt." Gleichzeitig zeigte sich Landis in einem TV-Interview etwas hilflos. "Die Vorstellung in den Alpen, auf die ich sehr stolz bin, ist möglicherweise als etwas verdächtig zu bewerten", räumte Landis ein.

Die Frage nach der Effektivität von Testosteron-Doping wollte Landis den Ärzten überlassen. Dazu sein Hausarzt Dr. Kent Kay: "Testosteron bildet Masse über Wochen, Monate, Jahre. es ist verrückt zu denken, dass ein Profi es während eines Rennens benutzt. Einfach ein Witz, das zu glauben."

Anti-Doping-Gesetz auf dem Weg

Unterdessen mehren sich die Anzeichen für die baldige Einführung eines Anti-Doping-Gesetzes in Deutschland. Es befinde sich ein Koalitionsantrag für gesetzliche Verschärfungen in der Abstimmung zwischen SPD und Union, sagte eine Sprecherin der Unionsfraktion heute auf AFP-Anfrage. Dieser solle nach der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden.

In dem Antragsentwurf der Unionsfraktion heißt es laut einem Bericht der "Rheinischen Post", trotz erheblicher Fortschritte blieben Maßnahmen zur Aufdeckung des Dopings hinter dem "Einfallsreichtum" von Athleten, Medizinern und Betreuern zurück. Die Bundesregierung wird demnach unter anderem aufgefordert, "eine Kennzeichnungspflicht für dopingrelevante Arzneimittel" im Sinne des Arzneimittelgesetzes einzuführen und einen Gesetzentwurf zu erarbeiten, um "die Strafbarkeit des bandenmäßigen und gewerbsmäßigen Inverkehrbringens" von Dopingsubstanzen zu verschärfen.

Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) sprach sich dafür aus, die Sportler als Täter in den Mittelpunkt zu stellen. "Bisher kann ein Sportler, der Dopingmittel nimmt, strafrechtlich nicht belangt werden", sagte Merk der Tageszeitung "Die Welt" vom Samstag. Das Anti-Doping-Gesetz solle diese Rechtslage ändern. "Der Sportler steht im Mittelpunkt der Machenschaften", sagte die Ministerin. Wer täusche, müsse dafür auch belangt werden.

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