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Tour-Sieger Froome Der neue Dominator

Chris Froome hat erneut bei der Tour de France triumphiert - so dominant war seit Lance Armstrong kein Fahrer mehr. Mit Doping habe das aber nichts zu tun, beteuert sein Team.
Chris Froome

Chris Froome

Foto: Chris Graythen/ Getty Images

Chris Froome ist ein höflicher, wohlerzogener junger Mann. Während andere Rennfahrer ihre Trinkflaschen im Ziel manchmal wahllos in die Menge werfen, andere nur unwillig reagieren, wenn sie von Fans um ein solches Souvenir gebeten werden, achtet der schlaksige Brite penibel darauf, dass seine Flasche immer bei einem Kind landet, und reicht sie mit sanfter Geste hinunter.

Am Sonntag eroberte Froome auch das erwachsene Frankreich, mit sechs simplen Worten auf den Champs Élysées. "Vive le Tour, vive la France", sagte er da. Zuvor hatte er die Franzosen in ihrer Landessprache zu ihrer "schönen und unvorhersehbaren Tour" beglückwünscht. Und er hatte der Opfer des Anschlags von Nizza gedacht. Es war eine staatsmännische Ansprache, etwas ungelenk zwar, vom Zettel abgelesen, aber Punkt für Punkt richtig. Und vor allem: Ein himmelweiter Unterschied zu den letzten Worten Lance Armstrongs auf dieser Bühne. Der hatte seinerzeit den Kritikern, die nicht an die Ehrlichkeit seiner Siege glauben wollten, nur vorgeworfen, nicht groß genug träumen zu können.

Befreiung vom Armstrong-Image

Als Vorbild taugt Armstrong denkbar schlecht, doch renntaktisch hat sich Froome einiges von dem US-Amerikaner abgeschaut. Dazu gehört, die Helfer nicht nur fürs Wasserholen und Windschattengeben einzusetzen, sondern auch dazu zu benutzen, das Peloton zu zermürben, die Rivalen einzuschüchtern. "Team Sky ist so hegemonial. Sie löschen regelrecht die Lust zur Attacke bei den anderen aus", klagte der Tour-Zweite Romain Bardet.

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Tour-Sieger Froome: Der Dominator

Foto: Kenzo Tribouillard/ dpa

Der Franzose war der einzige, der mal richtig wegkam. Ihm gelang dies auf der 19. Etappe aber auch nur, weil er zuvor schon genug Rückstand im Klassement hatte, Froome daher nicht auf ihn achten musste, und weil der Sturz des Gelbgekleideten in der Abfahrt zuvor ein paar Löcher in die Sky-Formation geschlagen hatte. Das Grundmotiv bleibt aber dennoch die totale Dominanz über das Rennen. Mit ausgefeiltem Doping geschah es bei Armstrong. Mit einem hochtechnischen, aber strikt dopingfreien Ansatz gelinge es nun bei Sky, verspricht das Team. Das Hochtechnische bei Sky sieht man. Die Dopingfreiheit hingegen ist momentan Glaubenssache.

Sky erweitert das Repertoire

Bei dieser Tour allerdings fügte Froome dem Dominanz-Grundmotiv neue Klänge hinzu. Auch das war geplant. Sky-Teamchef Dave Brailsford entdeckte Intuition und Entscheidungsfreiheit als Ressourcen für den Erfolg. "Wenn man immer so weitermacht wie bisher, stagniert man. Man muss etwas ändern", sagte er SPIEGEL ONLINE. "Und deshalb haben wir entschieden, dass wir mit der Gruppe von Fahrern, die wir haben, unsere Taktik ändern können. Wir können mehr Überraschungsmomente nutzen, das Unerwartete tun, die Leute verblüffen", erklärte er weiter.

Und so tüftelte Froome neue Strategien aus, die er dann auch während der Rundfahrt geschickt einzusetzen wusste. Die tolle Abfahrt vom Col de Peyresourde brachte Tagessieg und gelbes Trikot ein. In kollegialer Gemeinschaftsarbeit mit dem wohl größten Improvisateur im Peloton, Peter Sagan, nutzte er die Windkante vor Montpellier zu einem weiteren Sekundengewinn.

Ungeplant hingegen war, dass Froome am Mont Ventoux stürzte und dann in Panik den Berg hochjoggte. Erst nach endlos scheinenden anderthalb Minuten war das Ersatzrad endlich da. In diesen Momenten wirkte Froome verletzlich, sehr menschlich, wie auch nach dem Sturz im Massiv des Mont Blanc, als Bardet davonzog.

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Tour de France: Das Gelbe Trikot joggt

Foto: Kim Ludbrook/ dpa

Gewonnen hat Froome die Tour dennoch dank seiner übermächtigen Mannschaft und seiner physischen Überlegenheit. Die Herrschaft war so gefestigt, dass Froome und sein Team noch vor dem Zielstrich auf den Champs Élysées feierten und der Vorsprung in der Gesamtwertung um eine Minute und 13 Sekunden schrumpfte. Noch so ein Novum.

Deutsche Fahrer bleiben hinter Erwartungen zurück

Während es für Froome "success as usual" gab, patzten die deutschen Profis nach Jahren der Dominanz in den Froome-freien Teildisziplinen. Im Sprint ging die Vorherrschaft zurück an Mark Cavendish. Marcel Kittel konnte seinen Stolz immerhin mit einem Etappensieg befriedigen. Und wie befreit und erleichtert André Greipel war, als er auf der allerletzten Etappe endlich "seinen" Tagessieg holte, das zeigten die Bilder vom Zielsprint auf den Champs Élysées überdeutlich.

Für Olympia gab diese Tour auch Hinweise: Wer soll im bergigen Straßenrennen und dem ebenso bergigen Zeitfahren Chris Froome schlagen? Der Kampf gegen die Uhr könnte für Froome - Etappensieger beim Bergzeitfahren der Tour - noch einfacher werden, weil die Spezialisten Tom Dumoulin und Tony Martin verletzungsbedingt die Tour vorzeitig verließen. Martin konnte aber auch zuvor im Zeitfahren nicht überzeugen, was insgesamt zum schlechten Abschneiden der Deutschen beitrug.

Einer, der gar nicht bei der Tour mit dabei war, könnte hingegen für eine Medaille sorgen. IAM-Profi Roger Kluge fordert in der Rad-Mehrkampfdisziplin Omnium Mark Cavendish heraus. Vielleicht macht er es auf dem Bahnoval ja besser als Greipel und Kittel im Freien.