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Olympiateam des Gastgebers Plötzlich Südkoreanerin

Olympia-Ausrichter Südkorea setzt bei den Winterspielen auf seine Stars im Shorttrack und Skeleton. Die Medaillenbilanz sollen auch eingebürgerte Sportler aufhübschen - eine Athletin kommt aus dem Erzgebirge.
Aileen Frisch aus Deutschland startet bei Olympia für Südkorea

Aileen Frisch aus Deutschland startet bei Olympia für Südkorea

Foto: Tobias Hase/ dpa

Als Aileen Frisch am 16. Dezember 2016 erwachte, war sie Südkoreanerin. Bis zum 15. September war sie eine junge Frau aus Sachsen gewesen, aus dem Nest Schellerhau im Erzgebirge, einer 420 Seelengemeinde. Plötzlich war sie olympische Medaillenhoffnung, und ihr neuer Lebensmittelpunkt war Seoul, zehn Millionen Einwohner.

Aileen Frisch zählt zu denen, bei denen das Gastgeberland der Winterspiele auf der Suche nach Spitzenathleten fündig wurde. Eigentlich hatte sie das Rennrodeln schon aufgegeben, mit 23 Jahren war Schluss mit dem Rodeltraum. Zu übermächtig war die deutsche Konkurrenz im Eiskanal, da nützte es ihr wenig, dass sie noch 2013 zu den weltbesten Juniorinnen gehört hatte. Aber nur hinter den Top-Leuten Natalie Geisenberger, Tatjana Hüfner und Dajana Eitberger zu rodeln - das machte auf Dauer keinen Spaß.

Dann erinnerte sich einer in der Ferne an sie. Steffen Sartor wurde von den Südkoreanern engagiert, um das Rodlerteam einigermaßen Olympia-tauglich zu machen. Der deutsche Coach hatte freie Hand, auch die Suche im Ausland war ihm gestattet. Als der Cheftrainer das zweite Mal anfragte, wurde Frisch weich.

Aileen Frisch

Aileen Frisch

Foto: ARND WIEGMANN/ REUTERS

Im Eiltempo bürgerte der Olympia-Gastgeber zahlreiche Wintersportler aus der ganzen Welt ein. Die Hälfte des Eishockeyteams besteht aus Kanadiern, die außer einem Kimchi im Asien-Restaurant noch nicht viel Kontakt mit Korea hatten. Ein Norweger geht für Südkorea in die Loipe, zwei Russinnen auf die Biathlonstrecke.

Die Anforderungen neben der sportlichen Eignung? Gering. Frisch musste ein paar Fragen zu Land und Leuten beantworten und eine Strophe der koreanischen Hymne unfallfrei in der Landessprache singen. Und da Frisch nicht Sarah Connor ist, gelang ihr die Pflichtübung ohne große Probleme. "Bis das Meer des Ostens ausdörrt und der Paektusan-Berg abgetragen ist, möge Gott unser Land ewig schützen."

Aus Aileen Frisch ist jetzt Ilwi Lim geworden - der Name bedeutet: "Die, die den ersten Preis gewinnt." Das dürfte angesichts der angesprochenen deutschen Rodlerinnen und eines Fußbruchs im Vorjahr schwer werden. Aber Frisch traut man auf der Bahn von Pyeongchang, die auch den Besten Respekt abringt, eine Überraschung zu.

Acht Medaillen allein im Shorttrack?

Besser sind die Aussichten auf Medaillen allerdings dort, wo die Südkoreaner nicht lange in der Fremde fahnden mussten. Shorttrack ist die Wintersportart im Lande. Dort träumen Shim Suk-Hee und Choi Min-Jeong bei den Frauen und Hwang Dae-Hon bei den Männern von Gold. Das Eislaufspektakel ist nirgends auf der Welt beliebter. Acht Medaillen sind allein hier eingeplant.

Außerhalb von Eishallen hat Südkorea noch nie eine Wintersportmedaille errungen. Die Messlatte für Aileen Frisch hängt hoch. Überspringen soll sie in jedem Fall Yun Sung-Bin. In drei Skeleton-Weltcups dieser Saison stand er ganz oben auf dem Siegertreppchen. Das Land erwartet nun Olympiagold.

Auch bei den Eisschnellläufern soll es mit Medaillen klappen, die Wettbewerbe in der Halle dürften daher auch die wenigsten Sorgen haben, die Tribüne vollzubekommen. Eisschnelllauf und Eiskunstlauf sind in Südkorea ebenfalls populär. Kim Yu-Na, die Olympiasiegerin von Vancouver im Eiskunstlauf, gehört zu den ganz großen Sportstars des Landes.

Gold-Hoffnung im Shorttrack Choi Min-Jeong

Gold-Hoffnung im Shorttrack Choi Min-Jeong

Foto: JUNG YEON-JE/ AFP

Wie man Olympiasiege einfährt, das weiß Aileen Frisch, pardon Ilwi Lim, noch nicht. Aber sie hat in dieser Hinsicht den besten Lehrmeister, den man sich vorstellen kann. Bahntrainer der Südkoreaner ist André Lange, der seine Bobs zu viermal Gold für Deutschland die Eisrinnen von Salt Lake City, Turin und Vancouver hinuntersteuerte.

Frisch hat erzählt, dass es am Anfang schwer war, sich der südkoreanischen Lebensart anzunähern. Die Sprache, der Umgang miteinander, das Essen. Einmal wurde ihr ein Oktopus in der Suppe vorgesetzt, das fand sie gewöhnungsbedürftig.

Dabei tun die Südkoreaner alles, um es ihren Leih-Athleten so angenehm wie möglich zu machen. Die Asienmeisterschaften im Rennrodeln fanden nicht im japanischen Nagano statt, wie es zunächst vorgesehen war, sondern in Altenberg im Erzgebirge. In der Heimat der Südkoreanerin Aileen Frisch.