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Vierschanzentournee in Innsbruck: Schlierenzauer schlägt zurück

Foto: Barbara Gindl/ dpa

Skispringer Schlierenzauer Der Wohlfühl-Flieger

Gregor Schlierenzauer ist der Star des Skisprung-Zirkus: jung, zielstrebig - und er hasst es, zu verlieren. Der 22-jährige Österreicher hat bei der Vierschanzentournee die Führung übernommen, während seine Teamkollegen abstürzten. Für den Erfolg setzt er auf Infrarotbestrahlung.

Mal sind es spezielle Stiefel, dann die Gerüchte um besondere Anzüge, die Medien und Aktive rund um die 61. Vierschanzentournee beschäftigen. Ein "Materialkrieg" tobe zwischen den großen Skisprungnationen, bestätigte Deutschlands Cheftrainer Werner Schuster nach dem dritten von vier Wettkämpfen, ohne Geld sei man chancenlos im Kampf um die vorderen Plätze.

Vielleicht schafft es ausgerechnet der derzeitige König der Skispringer, der Führende in Gesamtweltcup und Tournee-Gesamtwertung, der Titelverteidiger und Rekordjäger des Sports, die Debatte um Wunder-Equipment in neue Bahnen zu lenken. "Infrarotbestrahlung und Wellness" habe er an den vergangenen beiden Tagen gemacht, sagt Gregor Schlierenzauer, dazu ein paar Einheiten im eigenen Kraftraum. Vor allem aber verbrachte der 22 Jahre alte Triumphator von Innsbruck vor und nach dem dritten Wettkampf zwei Nächte im eigenen Bett - und genoss die Erholung sichtlich.

Er ist in Fulpmes geboren, aufgewachsen und lebt noch immer dort, mitten in Tirol. Keine 20 Kilometer sind es aus dem 4000-Einwohner-Ort bis nach Innsbruck. Die Stubaitalbahn fährt die Strecke im 30-Minuten-Takt, Schlierenzauer kennt sie in- und auswendig.

Genauso wie die Bergisel-Schanze. Der SV Bergisel-Innsbruck ist Schlierenzauers Heimatclub, die Schanze sein zweites Zuhause, er selbst nennt sie "mein Wohnzimmer", im Sommertraining absolvierte Schlierenzauer hier mehr als 200 Sprünge - mehr Heimvorteil geht nicht.

Schlierenzauer im Einklang mit sich selbst

Doch auch den muss man erst mal so nutzen, wie Schlierenzauer das vor 22.500 Zuschauern tat. Starke 131,5 Meter war der erste Sprung weit, den zweiten landete "Schlieri", wie er in seiner Heimat genannt wird, bei schwierigeren Bedingungen bei 123 Metern. "Es war ein unglaublicher Tag für mich. Ein Heimspringen ist immer schon etwas Spezielles und wenn man dann noch die Sprünge auf den Punkt bringt, ist das besonders toll", so Schlierenzauer.

Vor allem, weil es bisher ein anderer gewesen war, dem das bei dieser Tournee gelang: Doch der bisher führende Anders Jacobsen stürzte mit seinem zweiten Versuch geradezu ab, 117,5 Meter brachte der Norweger nur zustande. "117 nur, 117 nur", hätten seine Kollegen oben an der Schanze getuschelt, sagte Schlierenzauer später: "Ich habe mir nur gedacht: 'Bua, bleib bei dir.'"

Er blieb bei sich, dabei höchst konzentriert. Wie so oft in seiner bemerkenswerten Karriere: Olympisches Gold mit dem Team, Einzelbronze von der Normal- und der Großchance, neun Goldmedaillen bei Weltmeisterschaften, Gewinn des Gesamtweltcups und im Vorjahr Sieg bei der Vierschanzentournee. Mit 44 Weltcuperfolgen ist er dem Rekord der finnischen Legende Matti Nykänen (46 Siege) dicht auf den Fersen.

Alles im Alter von 22 Jahren.

Dass er beinahe noch Jugendlicher und zugleich erfahrener Weltklassesportler ist, kann man bei dieser Tournee gut beobachten. Und manchmal liegen nur wenige Augenblicke zwischen den beiden Seiten. In Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen hatte er jeweils die Qualifikation gewonnen, scherzte mit Kollegen und Trainer.

Der 22-Jährige solle es für Österreich richten

Doch die Lockerheit verflog jeweils, wenn andere weiter flogen als er. Beim Neujahrsspringen war er wieder nur Zweiter hinter Jacobsen geworden. "Der Zweite ist immer der erste Verlierer", murrte Schlierenzauer im Anschluss. Als die beiden Norweger das Podest betraten, verzog er sich nach kühler Begrüßung. Verlieren fällt ihm schwer, er ist es nicht gewohnt.

Ähnlich muss sich Alexander Pointner gefühlt haben, Österreichs Bundestrainer. Die vergangenen vier Jahre hatte jeweils einer seiner ÖSV-Springer die Tournee gewonnen, die Mannschaft galt als die stärkste. Doch dann kam der Auftakt in Oberstdorf, Thomas Morgenstern verpasste das Finale und Andreas Kofler wurde wegen eines nicht regelgerechten Anzuges disqualifiziert. Zwei der vier Tournee-Sieger waren damit bereits aus dem Rennen um einen erneuten Gesamttitel.

In Garmisch-Partenkirchen traf es Wolfgang Loitzl, der ebenfalls das Finale verpasste. "Ich frage mich, ob der ein oder andere gestern zu lange ausgegangen ist", ätzte Pointer an Neujahr in Richtung der Punktrichter. Zweitbester Österreicher ist nun Manuel Fettner als Elfter.

"Es ist eine etwas andere Situation als in der Vergangenheit", sagt Schlierenzauer nun, da er es allein richten muss. DSV-Trainer Schuster und Norwegens Coach Alexander Stöckl, ebenfalls aus Österreich, trauen ihm aber genau das zu. Für sie ist er der beste, weil konstanteste Springer im Feld.

Schlierenzauer selbst will für den Abschluss in Bischofshofen keine Prognose wagen, er werde einfach wieder sein Bestes geben. Eine größere Drohung kann die Konkurrenz kaum fürchten.