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Schmerz Die körpereigene Alarm-Anlage

Autsch: Nerven leiten die Nachricht von der Schmerzstelle bis ins Gehirn
Autsch: Nerven leiten die Nachricht von der Schmerzstelle bis ins Gehirn
© Colourbox
Schmerz ist eines der stärksten und wichtigsten Gefühle: Er signalisiert dem Gehirn, dass der Körper in Gefahr ist. Manchmal schrillt unsere eingebaute Alarmglocke jedoch ohne erkennbaren Grund.

Ein Gewitter zittert durch den Kopf, ein Pfeil schießt in den Rücken, ein Hämmerchen puckert im Finger - Schmerzen können die Hölle sein. Biologisch betrachtet sind sie hingegen ein Segen: Schmerz signalisiert, dass etwas mit dem Körper nicht stimmt. Die Pein zwingt uns, zu reagieren: Wir schonen den verstauchten Fuß oder ziehen blitzschnell die Hand aus dem heißen Spülwasser.

Schmerzfühler stecken fast überall im Körper. Diese Rezeptoren sitzen in der Haut, den Eingeweiden oder den Blutgefäßen. Diese so genannten Nozizeptoren sind nichts anderes als stumpfe Enden bestimmter Nerven, zum Beispiel von Wärme-Detektoren oder Druck empfindlichen Fasern. Diese Enden arbeiten als Empfangsstationen: Wird es zu kalt oder zu heiß, ist der Druck zu groß oder schüttet der Körper bei einer Entzündung chemische Stoffe aus, reagieren die Schmerzfühler darauf mit elektrischen Impulsen.

Die elektrische Schmerz-Botschaft läuft über Nervenfasern zum Rückenmark und von dort aus zum Gehirn. Erst wenn das Signal in den Schmerzzentren unseres Denkorgans angekommen ist, wird uns der Schmerz bewusst. Gleichzeitig erkennt das Gehirn auch, woher der Schmerz kommt und wie stark er ist. So wissen wir, welchen Teil des Körpers wir schonen müssen.

Hohes Tempo auf den Nerven-Autobahnen

Jeder weiß aus Erfahrung, dass Schmerz nicht gleich Schmerz ist: Ein Stich mit der Nähnadel in die Fingerkuppe etwa fühlt sich anders an als Zahnschmerzen oder Bauchweh. Fachleute unterteilen Schmerzen daher nach ihrem Ursprung: Melden die Schmerzrezeptoren der Haut, des Bindegewebes oder der Muskeln eine Wunde, sprechen sie von somatischen Schmerzen.

Diese wiederum unterteilen sie noch einmal in Oberflächen- und Tiefenschmerzen: Haut und Schleimhäute gehören zur Oberfläche. Zur tieferen Ebene gehören Muskeln, Bindegewebe, Knochen und Gelenke. Sowohl Oberflächen- als auch Tiefenschmerzen legen ihren Signalweg zum Gehirn über die so genannten A-Delta-Fasern zurück. Das sind die Autobahnen unter den Nerven, sie leiten den Schmerz blitzschnell weiter.

Entsteht das Signal in den inneren Organen, sprechen Fachleute von viszeralem Schmerz. Er gelangt - langsamer als der somatische Schmerz - über dünne C-Fasern zum Gehirn. Oft ist der viszerale Schmerz nur schwer einzugrenzen: Bauchschmerzen lassen sich nur schwer verorten, wo genau es weh tut, können wir kaum sagen.

Das liegt daran, dass im Gehirn manche Bereiche miteinander verschaltet sind: Die Information über den Schmerz läuft ein, aber sie lässt sich nicht einem bestimmten Organ zuordnen. Dann weiß das Gehirn nicht, woher das Schmerzsignal kommt. Ein typisches Beispiel dafür ist der Herzinfarkt, bei dem nicht nur die Brust, sondern auch der Arm weh tun kann.

Reflexe überholen das Gehirn

Schmerz kann sogar entstehen, obwohl die entsprechenden Rezeptoren überhaupt nicht gereizt werden. Das passiert zum Beispiel, wenn ein Nerv gequetscht oder verletzt wird. So kann ein Bandscheibenvorfall einen Nerven im Rückenmark quetschen. Durchläuft der Nerv verschiedene Bereiche des Körpers, tut es nicht nur im Rücken weh, sondern vielleicht auch im Bein oder im Arm. Ähnlich verhält es bei Amputationsschmerzen: Die Betroffenen spüren Schmerz in einem Körperteil, das sie gar nicht mehr haben.

Wenn Schmerz zum Dauergast wird

Ist der Körper in Gefahr, reagiert er sehr schnell - mit Reflexen. Würden wir warten müssen, bis unser Denkorgan die Situation analysiert und bewertet hat, wäre es oft schon zu spät. Fasst das Kind auf eine heiße Herdplatte, leiten die Nervenfasern der Hand das Signal "Achtung, die Haut verbrennt" an das Rückenmark weiter. Dort löst der Impuls einen Reflex aus: Das Kind zieht die Hand schneller zurück, als das Signal "Autsch" im Gehirn angelangt ist. Wie wir Schmerz empfinden, hängt nicht nur von der Verletzung selbst, sondern auch von der Psyche ab. Lenkt die Arzthelferin das Kind munter plaudernd ab, während sie eine Spritze setzt, tut es weniger weh, als wenn das Kind den Stich aufmerksam mitverfolgen kann. Auch die Tagesform hat Einfluss auf das Schmerzempfinden: An manchen Tagen ist alles halb so schlimm, an anderen erscheinen die gleichen Schmerzen unerträglich.

Ist die Wunde verheilt oder die Entzündung abgeklungen, verschwinden die Schmerzen von allein wieder. Doch es gibt Ausnahmen: Manche Menschen klagen über immer wieder kehrende Schmerzen wie Migräne-Attacken, Gesichts- oder Rückenschmerzen. Bei etwa fünf bis acht Millionen Menschen in Deutschland hört die Qual überhaupt nicht mehr auf. Sie leiden unter chronischen Schmerzen.

Eine Berührung kann zur Qual werden

Der Dauer-Schmerz kann entstehen, wenn starke Schmerzsignale ständig wiederkehren, etwa bei einer Entzündung, einem Bandscheibenvorfall oder beispielsweise nach einer Operation. Die immerwährenden Schmerzimpulse verändern die Nervenzellen im Körper, Gehirn und Rückenmark und machen sie empfindlicher für allerlei Reize. Selbst leichte Berührungen oder angenehme Wärme können bei den Betroffenen dann ein Schmerzgefühl auslösen.

Irgendwann leiten die übersensiblen Nerven sogar dann ein Schmerzsignal an das Gehirn, wenn es gar keinen Auslöser dafür gibt: Das Schmerzsignal hat sich in ihre Nerven eingebrannt. Menschen mit chronischen Schmerzen entwickeln ein regelrechtes Schmerzgedächtnis, das sich nur schwer wieder löschen lässt.

Im Gegensatz zu akuten Schmerzen, die Gefahr signalisieren, sind chronische völlig funktionslos: Sie warnen nicht mehr vor Verletzungen, sondern sind zu einer eigenen Krankheit geworden. Begünstigt wird solch ein fataler Prozess durch negative Gefühle wie Unzufriedenheit, Enttäuschungen, Ängste und Depressionen oder Stress bei der Arbeit. Schmerz sollte daher frühzeitig behandelt werden: Je länger er andauert, umso tiefer gräbt er sich ins Gedächtnis - und desto schwerer ist er zu behandeln.

Nicole Simon
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