Skispringen:So traurig wie zuvor

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Beim Auftaktspringen zur Vierschanzentournee in Oberstdorf hat sich mit Janne Ahonen der Favorit durchgesetzt. Die deutschen Skispringer erlebten eine bittere Enttäuschung.

Von Thomas Hahn

Oberstdorf - Janne Ahonen hatte sich eine Sehnsucht erfüllt, die seinen Beobachtern klein erscheinen mochte, ihm selbst aber viel bedeuten musste.

Seit 1992 ist er nun schon im Weltcup der Skispringer unterwegs, damals gab er in Ruhpolding als 15-Jähriger mit Platz 56 sein Debüt und erlebte wenige Tage später seinen ersten Tournee-Auftakt am Oberstdorfer Schattenberg.

Platz 47 war das Resultat und eine lange Reise begann, auf der er viel gewann, aber nie in Oberstdorf, bis er am gestrigen Mittwoch zum Start der 53. Vierschanzentournee zurückkehrte und die beste Phase seines Sportlerlebens um einen weiteren Höhepunkt bereicherte.

Sieben von acht Saisonspringen hatte er bis dahin gewonnen, nun ist er auch der erste Führende der Tournee 2004/05 nach seinem Erfolg mit 127 und 133,5 Metern sowie 268,4 Punkten vor Norwegens Roar Ljoekelsoey (258,8) und Polens Adam Malysz (253,8). Und schon scheint er auf dem Weg zu sein, den Rekord des Deutschen Sven Hannawald von 2001/02 zu wiederholen, als der alle vier Springen gewann.

Kleiner als ihre Vergangenheit

Ansonsten aber hat man von Deutschen wenig gesprochen bei dieser Flutlichtpremiere im Rahmen der Tournee.

Michael Uhrmann erreichte einen achtbaren achten Platz, aber der Nächstbeste vom gastgebenden Verband war erst wieder Michael Neumayer als 16., und so blieb von diesem Tag als Erkenntnis über die Deutschen nur, dass sie Rückenwind schlecht vertragen und weiterhin kleiner sind als ihre Vergangenheit.

Diese Vergangenheit springt mit bei ihren Einsätzen, das zeigte dieser Tournee-Auftakt deutlich. Hannawald und der viermalige Weltmeister Martin Schmitt haben zu viele Siege angehäuft in ihrer Hochzeit, als dass man sie einfach vergessen könnte.

Zumal das deutsche Publikum noch keinen Landsmann hat ausmachen können, der es so in Begeisterung versetzen kann, wie das Hannawald und Schmitt einst taten. Die Hoffnung, dass sie die alten Zeiten irgendwann wieder aufleben lassen könnten, konnte man fast greifen in Oberstdorf, wobei man vor allem von Hannawald nicht zu viel erwarten sollte in dieser Frage.

Dass Hannawald als Zuschauer nach Oberstdorf kommen würde, war schon vor Wochen eine viel beachtete Meldung gewesen, doch wenn er zu einem Comeback sprechen sollte, klang er eher halbherzig.

In Oberstdorf selbst wurde ihm eine Ehrung zuteil, die schon wie ein Dankeschön zum Abschied wirkte:

Das Tournee-Präsidium hatte einiges an Pretiosen zusammengeschweißt für diesen "Goldenen Ski mit blauem Band und Brillianten", den Hannawald abholen durfte für "die außergewöhnlichen Verdienste von Sven Hannawald um die Vierschanzentournee", wie Tournee-Präsident Hermerka sagte. War das ein Nachruf?

Martin Schmitt hingegen wirkt wild entschlossen, sich aus der Krise zu befreien, und man kann davon ausgehen, dass ihn die Sympathien, die ihm vielfach entgegenschlagen, dabei bestärken.

Die Geschichte der Schmittschen Auferstehung würde jeder gerne erleben, und so wartet sein Publikum geduldig, wenn auch vorerst vergeblich. In der Oberstdorfer Qualifikation schien er ein bisschen zu erwachen aus seiner Lethargie. 125 m sprang er da und wurde euphorisch gelobt von Bundestrainer Rohwein ("hervorragend").

Schlechte Bedingungen

Im Wettkampf aber war wieder alles anders. Rückenwind, Absturz. Mit 94,5 m hatte er keine Chance im K.o.-Duell mit dem Berchtesgadener Neumayer (117 m), der prompt von "Mitgefühl" für den prominenten Kollegen sprach. "Das sind nicht die Bedingungen, die meinem Sprung entgegenkommen", sagte Schmitt und war so traurig wie zuvor.

Auch Alexander Herr entzog sich der Bewertung. Um zwei Meter verpasste er den Absprung: 99,5 m, das Aus gegen Stefan Pieper aus Winterberg und eine Rüge von Bundestrainer Rohwein ("Sowas darf einfach nicht passieren") brachte ihm das ein. Herr sank enttäuscht in den Schnee.

Georg Späth rückte zwar in den zweiten Durchgang auf, hatte von seinen Hoffnungen aber kaum etwas einlösen können mit seinem braven ersten Satz auf 112 m.

Und als der erste Durchgang vorbei war, Janne Ahonen sich die Halbzeit-Führung erarbeitet hatte, lag die deutsche Skisprunggegenwart in ihrer ganzen Prachtlosigkeit vor den 25.000 Menschen im Stadion am verschneiten Schattenberg: Maximilian Mechler als Zwölfter und Michael Uhrmann als 14. bildeten die stumpfe Spitze des deutschen Aufgebots.

Später schlitterte doch noch ein jubelnder Deutscher durch den Zielraum: Michael Neumayer, der nach Platz 20 im ersten Durchgang bei 129,5 m landete und damit eine markante Steigerung zeigte.

Wobei er selbst durchaus wusste, was der Grund für diesen schönen Flug war. Der Rückenwind hatte sich gelegt, weshalb er sich nicht zu sehr loben wollte.

"Es war schwer mit dem Rückenwind"

Uhrmann immerhin zeigte sich zufrieden mit seinem tapferen Kampf gegen die unfreundlichen Bedingungen (118 m/131 m). Aber sie alle wussten wohl selbst, dass dieses Ergebnis alles andere als eine gute Werbung für sie war. "Es war schwer mit dem Rückenwind", sagte Maximilian Mechler, der schließlich auf Platz 19 landete, "wenn man bei Rückenwind zu viel will, geht das in die Hose."

Und Georg Späth, von Rohwein neben Herr zum zweiten Verlierer des Tages gewählt, hatte für seinen 21. Rang nur noch bittere Ironie übrig: "Super Tournee-Auftakt für mich", sagte er und zwang sich zu einer guten Miene. "Es hilft nichts, wir müssen in Garmisch weitermachen."

© SZ vom 30.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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