Skisprung-Weltcup:Altbekanntes in neuem Gewand

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Michael Hayböck gewinnt das erste Springen auf der renovierten Schanze in Engelberg. Kurz vor der Tournee ist klar: Einen Überflieger gibt es nicht. Auch Severin Freund ist noch auf der Suche nach der Konstanz.

Von Volker Kreisl, Engelberg

Es ist wie nach jeder Renovierung: Alles wirkt heller und größer, der Gastgeber präsentiert sein Haus und die Gäste staunen. Die Sprungschanze von Engelberg wurde im Sommer vergrößert und mit neuer Technik ausgestattet. Die Anlaufspur verfügt über eine Art Tanzflächenbeleuchtung, eine grellweiße Lichtkette folgt dem Springer in der Anlaufspur. Der Sprungtisch ist weiter, der Radius weniger eckig als der alte, weshalb es geschmeidiger über die Rampe geht. Und das Ganze findet neuerdings auch bei Flutlicht statt, klar, weil sonst die Anlaufbeleuchtung nicht zur Geltung käme.

Am Samstag fand das erste von zwei Weltcupspringen auf dieser neuen Titlis-Schanze statt, und wie so oft bei diesem letzten großen Test vor der Vierschanzentournee ist nun auch in der Siegerliste vieles neu. Engelberg hat schon öfter die Tendenz der vorangegangenen noch jungen Saison durcheinandergebracht, diesmal sogar recht kräftig. Ihren ersten Sieg dieses Winters feierten die Österreicher, und von denen ausgerechnet derjenige, der wegen Rückenschmerzen bislang kaum in Schwung kam: Michael Hayböck, der Vierschanzen-Tournee-Zweite von 2015. Plötzlich ist er wieder unter den Favoriten für die Tournee ab 28. Dezember. "Das ist natürlich ein perfektes Timing", sagte er.

Die deutschen Springer suchen noch nach ihrer Topform

Mit Spannung erwarteten auch die Springer des deutschen Teams diesen Dezember-Weltcup im Kanton Obwalden. Sie sind ja alle noch auf der Suche nach der perfekten Saison-Form. Der größte Schritt nach vorne gelang Richard Freitag aus Aue, jenem Springer, der ähnlich wie Hayböck in der bisherigen Saison auf den Plätzen jenseits der Top Ten landete. Achter wurde Freitag, knapp hinter seinem Teamkollegen Markus Eisenbichler, der allerdings schon seit Wochen Bester im Team von Bundestrainer Werner Schuster ist. Severin Freund wiederum, der Tourneezweite von 2016 wird auch mit dem umgebauten Engelberger Bakken nicht glücklich. Er sagt über die Schanze: "Sie ist nicht nach Finnland auf 200 Meter Seehöhe verlegt worden, sie steht nach wie vor in Engelberg, es gibt nach wie vor Rückenwind und vor dem Absprung kaum Druck." Sprich: Für jene, die das Fliegen lieben, macht sie wenig Spaß.

Immerhin gelang Freund im Vergleich zu den Testsprüngen zuvor eine leichte Steigerung, er belegte am Ende Platz zehn, und so arbeitet er wie das gesamte deutsche Team, wie auch Stephan Leyhe (14.) und Andreas Wellinger (15.), an irgendwelchen Kleinigkeiten, die noch klemmen bei der Entfaltung des sogenannten Sprungsystems. Bei Freund ist es ja die operierte Hüfte, die immer noch nicht so gelenkig ist wie in den beiden Erfolgsjahren zuvor. "Ich tue mich schwer, mich einzuschätzen", sagt er gerade, "mal ist was Besseres dabei, dann geht wieder ein Sprung daneben. Es fehlt einfach die Konstanz, es braucht Zeit."

Sprung in den Berg: Die Schanze von Engelberg produziert eindrucksvolle Bilder - hier der Japaner Kento Sakuyama bei einem Versuch. (Foto: dpa)

Aus dem Springerfeld ragt keiner heraus

So richtig überragend ist in diesen Tagen auch im internationalen Vergleich keiner. Auch der 17-jährige Domen Prevc, der den Gesamtweltcup anführt, leistet sich Aussetzer. In Lillehammer war er zuletzt Sechster geworden, in Engelberg kam er am Samstag auf Platz zwei, nachdem er einen verpatzten ersten Durchgang noch mit einem starken zweiten Sprung ausgebügelt hatte.

Skispringer sind eben speziell, sie mögen starken Rückenwind ungefähr so wenig wie Radfahrer starken Gegenwind. Manche kommen damit besser zurecht, manche schlechter. Auf der sehr modern beleuchteten Rückenwindschanze von Engelberg fielen nun auch die besseren Norweger wieder zurück. Daniel Andre Tandes Sprünge reichten nicht fürs Podium, er wurde immerhin Vierter, der Rest der Mannschaft versammelte sich irgendwo ab Rang 27. Und auch die Polen, das Überraschungsteam der ersten Winterwochen, hatten keine echte Chance. Kamil Stoch, ihr Bester am Samstag, wurde Neunter. Und einen weiteren Rückschlag erlitt Domen Prevc' großer Bruder Peter, der im zweiten Durchgang nach der Landung stürzte, zum zweiten Mal in diesem Jahr, was ihm seinen Humor aber nicht raubte: "Ich bin gesund, aber ich bin etwas plump." Der amtierende Tournee- und Gesamtweltcupsieger wurde 26. und rutschte im aktuellen Gesamtranking auf Platz zwölf ab.

© SZ vom 18.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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