Die Imperia ist die wohl meistfotografierte Konstanzerin. Seit 30 Jahren kommt kein Bürger, Passant oder Tourist an ihr vorbei – ohne zumindest einen kurzen Blick auf sie zu werfen. Doch als das Kunstwerk am 24. April 1993 enthüllt wurde, ahnte keiner, dass die Statue innerhalb weniger Jahre zu einem Wahrzeichen der Stadt Konstanz werden würde. Zum Vergleich: Das geschichtsträchtige Konzilgebäude am Hafen steht dort immerhin schon knapp 700 Jahre länger.

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Eben zu dessen Geschichte – dem Konstanzer Konzil von 1414 bis 1418 – bezieht die Imperia ironisch Stellung: Auf ausgebreiteten Armen balanciert sie zwei kleine, nackte Männer. Einer trägt Krone und Reichsapfel, der andere die päpstliche Tiara. Sie selbst ist in einen Umhang gehüllt, der dennoch viel preisgibt. Eine stolze, starke Kurtisane, von der mancher Uninformierte glaubt, sie habe wirklich zu Konzilszeiten den Geistlichen die Köpfe verdreht, hält scheinbar die Macht der Welt in ihren Händen. Das Werk von Peter Lenk war 1993 für manchen ein Skandal!

Diese Leserbriefe erschienen Ende April 1993

Der Künstler im Atelier: Die Imperia ist neun Meter hoch, besteht aus Stein-/Betonguss und wiegt rund 18 Tonnen.
Der Künstler im Atelier: Die Imperia ist neun Meter hoch, besteht aus Stein-/Betonguss und wiegt rund 18 Tonnen. | Bild: Stadler Verlag/Guido Kaspar | SK-Archiv

Fakt ist: Der Künstler ist bekannt dafür, dass er den Betrachtern seiner Werke Spielraum zur Interpretation gibt. Kunst liegt ja bekanntlich im Auge des Betrachters, wie auch der Lenk-Brunnen auf der Laube beweist, der im Sommer 1990 enthüllt wurde. Schon damals empfand manch Konstanzer Auge die Darstellungen als anstößig. Und doch ahnte zu diesem Zeitpunkt niemand, welches Raunen durch die Gassen 1993 ziehen würde, sobald die üppige Imperia nach der Enthüllung alle Blicke auf sich zieht.

Von tiefer Bestürzung bis große Bewunderung – die Imperia sorgte bei manchem Konstanzer für ein Wechselbad der Gefühle. Peter Lenks Erlebnisse rund um die Kurtisanenstatue, deren leibhaftiges Vorbild übrigens im 16. Jahrhundert in Italien durch Gift starb, kann heute wohl getrost als Realsatire bezeichnet werden. Das dachte sich übrigens auch der Künstler selbst und hat den 30. Geburtstag zum Anlass genommen, die Hintergründe der Entstehungsgeschichte und der Emotionen, die sein Werk hervorrief, zu Papier zu bringen. Seit Kurzem ist das Buch erhältlich.

„Machen Sie, was Sie wollen – aber bitte stellen Sie keine nackte Frau auf. Lenk versprach es mir. Er hat sich daran gehalten – sie trägt ja einen Umhang.“
Horst Eickmeyer, ehemaliger Oberbürgermeister, 2018 im SÜDKURIER
(Archivbilder) Die Enthüllung der Imperia im Konstanzer Hafen am 24. April 1993.
(Archivbilder) Die Enthüllung der Imperia im Konstanzer Hafen am 24. April 1993. | Bild: Verlag Stadler/Herbert Probst | SK-Archiv

Denn bei ihrer Enthüllung war nicht sicher, dass die Konzil-Kurtisane auch 30 Jahre später hier in Konstanz sein wird. Heute wacht die Imperia über hunderte Liebesschlösser, die Paare am Gitter zu ihren Füßen angebracht haben. Und sie dreht sich auf ihrem Sockel und blickt immer wieder auf den berühmt-berüchtigten Frauenpfahl vor dem Konstanzer Hafen, obwohl es 1993 noch hieß, die Statue werde sich nur für einen Monat drehen und danach stillstehen.

Dennoch passiert es immer mal wieder, dass sich das Konstanzer Wahrzeichen nicht mehr bewegt. Ein Ausfall kommt – wie Peter Lenk 2020 erklärte – „ungefähr fünfmal jährlich vor. Vor allem wenn es gewittert oder bei einem Stromausfall.“ Schon wenige Sekunden ohne Elektrizität würden reichen, um die Imperia zu stoppen. Die Scheibe, die für die Drehung der Skulptur sorge, gehe dann nicht mehr von selbst an. Normalerweise dreht sich die Imperia übrigens alle vier Minuten einmal um die eigene Achse.

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Die Imperia wird zur Botschafterin (wider Willen)

Dass die Statue innerhalb der 30 Jahre zum Dreh- und Angelpunkt des Bodensees avanciert ist, zeigte der Scherz eines Videomachers im vergangenen Sommer. Auf seinem YouTube-Kanal veröffentlichte er einen Clip, der zeigen sollte, dass das Konstanzer Wahrzeichen angeblich verschwunden ist. Wenige Tage später ließ er die Imperia in einem anderen Video wieder auftauchen – allerdings auf dem Hohentwiel, wo sie vermeintlich nun ihre Runden mit Blick auf Singen drehen würde. Ein unterhaltsamer Scherz.

Nach Lachen war den Konstanzern im August 2017 allerdings nicht, als sie diese Schlagzeile im SÜDKURIER zu Gesicht bekamen: Rechtes US-Onlinemagazin fordert Abriss der Konstanzer Imperia. Diese sei eine Schande für ihr Land. Peter Lenk ließ der Aufruf aus Übersee allerdings kalt. „Das kenne ich doch schon, ich bin das gewohnt“, sagte er damals dazu. Kunst werde schon immer für Propaganda missbraucht. Wenige Wochen später missbrauchte eine rechte Gruppierung das Kunstwerk für ihre Zwecke. Sie hüllten die Konzil-Kurtisane in einen schwarzen Stoff und platzierten ein Plakat mit fremdenfeindlichen Parolen zu ihren Füßen. Daraufhin nahm der Staatsschutz Ermittlungen auf.

Schwarz verhüllt: Die Statue Imperia im Konstanzer Hafen am Morgen des 14. Oktober 2017. Wer hinter der Aktion steckt, war zunächst ...
Schwarz verhüllt: Die Statue Imperia im Konstanzer Hafen am Morgen des 14. Oktober 2017. Wer hinter der Aktion steckt, war zunächst unklar. Die Polizei nahm auch wegen des politischen Hintergrunds sofort Ermittlungen auf. | Bild: Rau, Jörg-Peter

„Das ist doch alles Quatsch“, meinte Peter Lenk damals über die Imperia-Verhüllung. Und auch als seinem Werk 2020 ein Mundschutz verpasst wurde, war der Künstler überhaupt nicht begeistert: „Ich mag es nicht, wenn meine Kunst manipuliert und missbraucht wird. Ich bin wütend.“ Zu der waghalsigen Aktion, die zu Beginn der Corona-Pandemie durchgeführt wurde, bekannte sich das selbst ernannte Künstler-Kollektiv „Die Päpstin“. Warum? „Wir wollten den Konstanzern ein Lächeln ins Gesicht zaubern“, erklärte der Kopf der Gruppe im April 2020 gegenüber dem SÜDKURIER.

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Doch auch die unterschiedlichen Farben, in denen die Imperia zeitweise erstrahlt, haben eine Bedeutung: Ende November 2020 leuchtet sie orangefarben zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen, auch Orange Day (zu deutsch: Orangener Tag) genannt. Bei der Aktion „Night of Light“ wurden 2020 in Konstanz einige Gebäude und Wahrzeichen rot angeleuchtet, um auf die Probleme der Veranstaltungsbranche in der Pandemie hinzuweisen. Und kurz nachdem Russland die Ukraine im Februar 2022 angriff, setzte Konstanz ein Zeichen, indem die Statue in die Farben der ukrainischen Flagge getaucht wurde.

(Archivild) Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen wird die Imperia zur Botschafterin gemacht und dafür mehrere ...
(Archivild) Zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen wird die Imperia zur Botschafterin gemacht und dafür mehrere Tage orange illiminiert. | Bild: Robert Hahn Bauer | SK-Archiv
(Archivbild) Bei der bundesweiten Aktion Night of Light, die auf die Probleme der Veranstaltungs-Branche durch die Corona-Restriktionen ...
(Archivbild) Bei der bundesweiten Aktion Night of Light, die auf die Probleme der Veranstaltungs-Branche durch die Corona-Restriktionen 2020 aufmerksam machen sollte, leuchtete sie rot. | Bild: Scherrer, Aurelia | SK-Archiv
(Archivbild) Zu Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 wurde die Imperia in den Flaggenfarben blau und gelb beleuchtet.
(Archivbild) Zu Beginn des Ukraine-Kriegs 2022 wurde die Imperia in den Flaggenfarben blau und gelb beleuchtet. | Bild: Hanser, Oliver | SK-Archiv

Geliebt oder gehasst, verhüllt oder hüllenlos, grau oder bunt – Peter Lenks Kunstwerk ist seit 30 Jahren Teil der größten Stadt am See und vereint Geschichte mit der Gegenwart. Obwohl Imperia die Meinungen besonders in den 1990er-Jahren gespalten hat, sind heute die meisten Konstanzer große Fans der Kurtisane – und können sich die Heimat ohne sie nicht mehr vorstellen.

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