Oskar Freysinger ist zurück auf der Politbühne: «Ich muss nicht mehr den Netten spielen»

Rund zwei Jahre nach seiner Abwahl aus der Walliser Regierung ist Oskar Freysinger zurück auf der nationalen Politbühne. Jetzt sei Schluss mit politischer Korrektheit, kündigte er an. Was das heisst, demonstriert er bei einem Auftritt im Kanton Freiburg.

Tobias Bär
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Rückkehr des Enfant terrible: Oskar Freysinger bei seinem Auftritt vor den Mitgliedern der SVP Freiburg am Donnerstagabend. (Bild: Adrien Perritaz, Keystone)

Rückkehr des Enfant terrible: Oskar Freysinger bei seinem Auftritt vor den Mitgliedern der SVP Freiburg am Donnerstagabend. (Bild: Adrien Perritaz, Keystone)

Ein Provokateur? Er? Oskar Freysinger lacht. «Wer heute die Wahrheit sagt, der gilt offenbar schon als Provokateur.» Eine von Freysingers Wahrheiten ist, dass Staatsgrenzen wie die menschliche Haut funktionieren sollten: Reinlassen, was den Organismus nährt. Fernhalten, was ihn bedroht. Wer aber so etwas sage, der werde zum Rassisten gestempelt, ruft Freysinger vor den Mitgliedern der SVP Freiburg, die sich an diesem Abend in einem Restaurant in Avry zur Generalversammlung eingefunden haben.

Es ist einer der ersten Auftritte Freysingers, seit bekannt wurde, dass der wohl berühmteste Pferdeschwanz-Träger der Schweiz im Hinblick auf die Eidgenössischen Wahlen vom Herbst auf die Politbühne zurückkehrt. Der 58-jährige Walliser koordiniert den SVP-Wahlkampf in der Romandie und im Tessin.

Freysinger, der sich nach seiner Nicht-Wiederwahl als Walliser Regierungsrat im Frühling 2017 weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückzog. In der Zwischenzeit hat er ein Buch geschrieben, «Die dunkle Seite des Lichts». Auf einem Tisch hinten im Saal liegt es auf. Im Buch beschreibt Freysinger seine Leiden in und an der Politik. Gegenüber dem «Blick» sagte er: «Ich war in der Hölle.»

«Ich muss nicht mehr den Netten spielen»

Kehrt er als Wahlkampfleiter jetzt in diese Hölle zurück? «Diese Aufgabe hat nichts mit dem Amt des Regierungsrats zu tun. Ich habe keinerlei persönliche Ambitionen, ich muss nicht mehr gefallen, nicht mehr den Netten spielen.» Freysinger muss jetzt Kandidaten finden, Partner für Listenverbindungen suchen, jüngere Kandidaten im Umgang mit den Medien schulen. Falls gewünscht, nimmt er auch die Gitarre mit, trägt seine Lieder und Gedichte vor.

Nicht an diesem Abend, an dem die SVP Freiburg ihre sieben männlichen Nationalratskandidaten kürt: «Das heute soll eine Motivationsrede werden.» Und die ist nötig. Kurz vor dem Auftritt wird der neuste Wahlbarometer veröffentlicht. Für die SVP weist er einen Verlust von 2,4 Prozentpunkten aus. «Das sind die, die nicht zu sagen wagen, dass sie die SVP wählen», sagt Freysinger.

Die SVP als Paria, der alleine gegen das Establishment kämpft – dieses Bild bemüht Freysinger in seiner Rede. Er sei in der Schweizerischen Autorengesellschaft auf Ablehnung gestossen, einzig wegen seiner Parteimitgliedschaft. «Ich bin sicher, Sie erleben im Alltag Ähnliches.» Es gilt, die Reihen zu schliessen. Wir gegen alle anderen. Es ist das bekannte Diktum der SVP.

Freysinger verpackt diese Botschaft aber in besonders drastische Worte. Und er zieht einen gewagten Vergleich: Der Kampf der SVP sei der Kampf der indigenen Völker Nordamerikas oder der Aborigines. «Unser Kampf ist legitim, wenn wir nicht enden wollen wie diese Zivilisationen.» Das Publikum, das auch sonst auffallend ruhig bleibt, scheint ob der martialischen Worte fast ein wenig eingeschüchtert.

Rahmenabkommen als Grund für die Rückkehr in die Arena

Was die Schweiz derart bedroht, das ist das institutionelle Abkommen, das die Schweiz mit der EU verhandelt hat. Der Kampf gegen diesen «Kolonialvertrag» sei der Motor seines Engagements, «der einzige Grund, warum ich in die Arena zurückgekehrt bin», sagt Freysinger.

Für den ehemaligen Vizepräsidenten der SVP Schweiz steht nicht weniger als die Existenz der Schweiz auf dem Spiel. Das einzigartige Schweizer Modell, die direkte Demokratie, der Föderalismus, all das würde verschwinden, wenn die Schweiz dieses Abkommen unterzeichnen sollte. Und das wäre laut Freysinger «ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit».

Grautöne sind Freysingers Sache nicht. Für die «50 Shades of Grey» stünden die anderen Parteien, sagt er im Gespräch. Später auf der Bühne sind es die «50 Shades of Green». Alle gäben sich nun einen grünen Anstrich, der vorsichtige Kurswechsel der FDP in der Klimadebatte dient ihm als Beispiel.

«Die Medien haben beschlossen, dass die Umwelt das grosse Thema der diesjährigen Wahlen sein soll – und nicht etwa die streikenden Schüler. Die Schüler sind manipuliert.»

Die Klima-Aktivistin Greta Thunberg sei offenbar die neue Jeanne d’Arc, die neue Heiligenfigur. Freysinger bezeichnet die 16-jährige Thunberg, die das Asperger-Syndrom hat, in seiner Rede als «junge schwedische Autistin», die Angst vor der globalen Erwärmung habe – was im hohen Norden doch ziemlich erstaunlich sei.

Über die Reichkriegsflagge will Freysinger nicht mehr sprechen

Freysinger weiss, dass das Publikum solche Sprüche von ihm erwartet. Jetzt sei Schluss mit politischer Korrektheit, Schluss mit der Weichspüler-SVP, hat er gedroht. Seine Partei, die in der Westschweiz zuletzt Federn lassen musste, müsse wieder Klartext reden.

Freysinger ist Teil der durchzogenen Bilanz in der Romandie, mit ihm hat die SVP ihren letzten Regierungsrat in der französischsprachigen Schweiz verloren. Und jetzt soll er der Retter sein. Er sei völlig zurecht abgewählt worden, sagt Freysinger.

«Das Schweizer Politsystem funktioniert besser mit lauwarmen Typen.»

Er hingegen sei eher ein Vulkan. Einer, der in Fahrt gerät, wenn es um die Reichkriegsflagge im Keller seines Hauses in Savièse geht, die vor Jahren im Schweizer Fernsehen zu sehen war. Das Thema sei «abgelutscht». Wer heute noch damit komme, dem gehe es nur darum, ihn in die rechtsextreme Ecke zu stellen. Er habe zu Hause auch «Das Kapital» von Karl Marx stehen, ohne ein Kommunist zu sein.

Seine rund halbstündige Rede beschliesst Freysinger mit martialischen Worten: «Wir sind Leonidas. Wir werden gewinnen.» Dabei unterlag der Spartanerkönig 480 v. Chr. im Kampf gegen die Perser, starb den Opfertod. Danach wird es wieder etwas beschaulicher: Die Treichler übernehmen.