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Gastbeitrag zu Inklusion und GleichstellungZu viel läuft falsch für Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Behinderung demonstrieren auf dem Bundesplatz in Bern für mehr Inklusion (10. Mai 2023).

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Die Situation vieler Menschen mit Behinderungen ist nach wie vor prekär, so etwa im Arbeitsmarkt, bei der freien Wahl der Wohnverhältnisse oder beim Zugang zu täglichen Dienstleistungen. Zudem gehen neuere Entwicklungen im öffentlichen Verkehr eher rückwärts statt vorwärts.

Die erste grosse Revision des Behindertengleichstellungsgesetzes, die der Bundesrat im Dezember in Vernehmlassung gegeben hat, soll  Hürden im Arbeitsmarkt abbauen und den Zugang zu Dienstleistungen Privater verbessern. Zudem will er die Gebärdensprache und die mit ihr verbundene Kultur gesetzlich fördern.

Die Beschränkung auf gewisse Sachgebiete ist politisch unumgänglich. Indem der Entwurf aber den öffentlichen Verkehr ausklammert, verpasst er es, die ÖV-Unternehmen zu höherem Tempo bei der Verwirklichung der Zugänglichkeit anzuhalten.

Positiv fällt auf, dass der Vorentwurf die Praxis des Bundesgerichts zu den bestehenden Regelungen über Dienstleistungen Privater korrigieren will. Diese beschränkt sich heute darauf, «schwerwiegenden segregierenden Verhaltensweisen» vorzubeugen. Verboten sind demnach nur «besonders schockierende» Benachteiligungen. Mit der Revision sollen neu jene Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen verboten werden, die eine persönlichkeitsverletzende Diskriminierung darstellen. Es ist in Praxis und Wissenschaft jedoch weitestgehend ungeklärt, was unter einer solchen Diskriminierung zu verstehen ist. Alles würde davon abhängen, wie die Verordnung den Begriff «Diskriminierung» definiert.

Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen zugänglicher gestalten

Dieser Ansatz löst die tatsächlichen Benachteiligungen beim Zugang zu Dienstleistungen Privater nicht. Vielmehr besteht die ernsthafte Gefahr, dass sich an der heutigen untragbaren Praxis künftig nichts bis wenig ändern würde. Viel einfacher, sachgerechter und praktikabler wäre es, generell Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen bei  Dienstleistungen Privater zu verbieten, wie dies manche Kantone schon heute tun.

Die vorgeschlagenen Regelungen über die Arbeitsverhältnisse verwenden dieselbe untaugliche Konzeption der persönlichkeitsverletzenden «Diskriminierung». Zudem fehlen hier Massnahmen, um den Arbeitsmarkt für Menschen mit Behinderungen zugänglicher zu gestalten. Dazu wären die Leistungen der Invalidenversicherung anzupassen, etwa zugunsten der  persönlichen Assistenz oder des Gebärdendolmetschens bei der Arbeit. Zudem fehlt eine ausdrückliche Verpflichtung von Arbeitgebern, einen Arbeitnehmer, der eine Behinderung erleidet, soweit als möglich weiterzubeschäftigen.

Gänzlich missraten ist die Neuformulierung des Verbandsbeschwerderechts. Eigentlich lehnt sich der Vorentwurf an die laufende Revision der Zivilprozessordnung an, lässt aber – dieser entgegen – nur Verletzungen der Persönlichkeit als Beschwerdegründe zu. Gegen eine offenkundige Verletzung technischer Vorschriften über die Zugänglichkeit von Bauten oder digitalen Dienstleistungen könnte etwa kaum mehr Beschwerde erhoben werden.

Insgesamt muss der Vorentwurf inhaltlich ergänzt und tiefgreifend überarbeitet werden. Es scheint, dass der Bundesrat mit angezogener Handbremse unterwegs ist. Umso wichtiger ist es, der Volksinitiative für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen zum Erfolg zu verhelfen.

Markus Schefer ist Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel.

Caroline Hess-Klein leitet die Abteilung Gleichstellung von Inclusion Handicap.