Saisonvorschau Soudal - Quick StepTransfers, Ziele & TOUR-Prognose für Soudal - Quick Step

Andreas Kublik

 · 12.02.2023

Der Kader von Soudal - Quick Step für 2023: Julian Alaphilippe
Foto: Wout Beel/Soudal - Quick Step
Zu Beginn der Profi-Radsport-Saison 2023 nimmt TOUR einige Top-Teams genauer unter die Lupe, wie die Mannschaft Soudal - Quick Step. Wir blicken zurück auf das letzte Jahr, analysieren die Transfers und geben eine Prognose für 2023 ab.

Soudal - Quick Step: Neuer Chef?

Jahrelang dominierte der belgische Rennstall die Szene, sammelte stets Dutzende Saisonsiege, darunter viele bei wichtigen Klassikern wie Paris-Roubaix und Flandern-Rundfahrt. Doch es steht mit neuem Topsponsor Soudal ein Umbruch bevor: Neben Ex-Weltmeister Julian Alaphilippe meldet Shooting-Star Remco Evenepoel Ansprüche an, die die Mannschaft vom Klassiker-Ensemble zur Rundfahrer-Eskorte verändern könnte.



So lief 2022

“Im Frühjahr hatte das Team eine harte Zeit”, sagte Patrick Lefevere rückblickend bei der Teampräsentation Anfang Januar im Vergnügungspark Plopsaland. Der Teamchef nennt sich einen schwierigen Charakter, wenn es um Ehrgeiz und Erfolge geht. Der 68-Jährige steht seinem Team nun seit zwei Jahrzehnten vor - und es war stets äußerst erfolgreich bei den Frühjahrsrennen. Mit mannschaftlicher Geschlossenheit und gewiefter Taktik zum Erfolg kommen - das ist schon lange das Markenzeichen der Equipe.

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Doch in diesem Jahr kam die Erlösung, sprich ein großer Erfolg, erst in letzter Minute. Remco Evenepoel siegte beim letzten Frühjahrsklassiker Lüttich-Bastogne-Lüttich. Die Bilanz war gerettet. Zuvor hatte sein Teamkollege Julian Alaphilippe eine regelrechte Sturzorgie hingelegt. Bei Strade Bianche und Vuelta stürzte er vom Rad. Besonders schlimm erwischte es den zweimaligen Weltmeister bei Lüttich-Bastogne-Lüttich, als er bei hoher Geschwindigkeit von der Straße flog. Wochenlang brauchte er, um Knochenbrüche auszuheilen und wieder fit zu werden.

Soudal - Quick Step: Evenepoel übernimmt Alaphilippes Rolle

Der große Radsportentertainer überzeugte danach die Teamführung nicht davon, dass ein Tour-Start sinnvoll sein könnte. Auch bei der WM in Australien war er als Titelverteidiger chancenlos. Die Rolle als Star übernahm daher Evenepoel: Der Ex-Fußballer setzte seinen steilen Aufstieg im Radsport fort: Der 23-jährige Belgier gewann nach Lüttich-Bastogne-Lüttich auch die Spanien-Rundfahrt (es war der erste Sieg bei einer Drei-Wochen-Rundfahrt für das Team) und trat die Nachfolge Alaphilippes als Straßen-Weltmeister an.

Fabio Jakobsen darf nach seinen Auftritten als der aktuell schnellste Sprinter gelten - obwohl die Zahl an Siegen das im vergangenen Jahr nicht ausdrückte. 47 Saisonerfolge für die Mannschaft waren trotz Sturzpech im World-Peloton stark, auch wenn die Mannschaft in der Weltrangliste hinter Intermarche-Wanty auf Rang sechs zurückfiel. In der Drei-Jahres-Wertung, nach der der Radsport-Weltverband UCI, die World-Tour-Lizenzen für die kommenden Jahre vergab, landete die Organisation von Teamchef Patrick Lefevere jedoch auf Rang zwei hinter Jumbo-Visma.

Transfers bei Soudal - Quick Step

Angesichts der Hysterie, die in Belgien um Remco Evenepoel entstanden ist, wirkt es äußerst bescheiden, wie der eher sparsame Teamchef Patrick Lefevere das Team verstärkt hat. Lediglich der Tscheche Jan Hirt dürfte unter den Neuzugängen für die Grand-Tour-Ambitionen des jungen Belgiers hilfreich sein.

Dazu kamen der Sprinter und aktuelle Belgische Meister Tim Merlier sowie der Allrounder Casper Pedersen, der Jakobsens Sprintzug bei Soudal - Quick Step verstärken dürfte. Den Vertrag mit Mark Cavendish (fährt nun für Astana; Anm. d. Red.) verlängerte Lefevere nicht - obwohl der Mann von der Isle of Man der Mannschaft vier Tour-Etappensiege und das Grüne Trikot bei der Tour de France bescherte - und mit einem einzigen weiteren Tagessieg einen neuen Rekord an Etappensiegen bei der Tour aufstellen könnte und dann besser als Eddy Merckx wäre.

Der Däne Mikkel Frölich Honore sah bei EF Education bessere Zukunftsperspektiven und löste seinen Vertrag auf. Ex-Cross-Weltmeister und Klassikerspezialist Zdenek Stybar zog zu Jayco weiter. Bahnspezialist Iljo Keisse beendete seine Karriere. Das Team bleibt insgesamt in der Breite gut aufgestellt.

Zu- und Abgänge im Überblick

Neuzugänge zur Saison 2023

  • Casper Pedersen (Team DSM)
  • Jan Hirt (Intermarche-Wanty-Gobert)
  • Tim Merlier (Alpecin-Deceuninck)

Abgänge

  • Iljo Keisse (Karriereende)
  • Stijn Steels (Karriereende)
  • Zdenek Stybar (Team Jayco-AlUla)
  • Mikkel Frölich Honore (EF Education EasyPost)
  • Mark Cavendish (Astana Qazaqstan Team)


Die Ziele 2023

Siege, Siege, Siege - das ist zuvorderst das Ziel. Bei der Präsentation des Teams für 2023 betonten die Sponsoren von Soudal - Quick Step, dass sie sich beim vielleicht besten, auf jeden Fall nach Siegen erfolgreichsten Rennstall engagieren. Und natürlich erwarten sie, dass die Zusammenarbeit so erfolgreich bleibt. Der 23-jährige Remco Evenepoel soll sein Debüt bei der Tour de France allerdings noch verschieben und 2023 seinen Ruf als kommender Rundfahrtsieger bestätigen - allerdings beim Giro d’Italia, bei dem Evenepoel zu Saisonbeginn als Favorit gilt.

Bemerkenswert: Lefevere zählte seinen langjährigen Kapitän, den Radsport-Publikumsliebling Julian Alaphilippe, wegen fehlender Erfolge 2022 an und stärkte im Gegenzug die Position Evenepoels als neuem Liebling des Chefs. Diese Rolle wechselt beim oft polternden belgischen Teammanager allerdings häufig - eine merkwürdige Art der Mitarbeitermotivation, gerade angesichts des schlimmen Unfalls seines Leistungsträgers.

Alaphilippe soll jedenfalls zurück auf die Siegerstraße und sein hohes Gehalt bei Soudal - Quick Step rechtfertigen. “Die Kopfsteinklassiker sind mein erstes großes Ziel”, sagte er zu Jahresbeginn. Seine Höhepunkt im Frühjahr sollen Strade Bianche, Mailand-San Remo und die Flandern-Rundfahrt werden. Denkbar, dass er die Ardennen-Klasiker auslässt. Zusammen mit Sprinter Jakobsen soll er im Juli bei der Tour de France reüssieren. Jakobsen selbst sagt, für einen Erfolg bei Mailand-San Remo sei für ihn der Anstieg Cipressa zu schwer. Einen der voraussichtlich fünf Massensprints bei der Tour 2023 würde er aber gerne gewinnen und zählt sich selbst eher bescheiden zu den Top-Drei der Sprinterwelt. Evenepoel soll das Team kurz vor dem Giro-Start in Lüttich anführen. Der Weltmeister will in der kommenden Saison eher wenige Rennen fahren und sich mehrmals in Höhentrainingslagern vorbereiten.



TOUR-Prognose für Soudal - Quick Step

Remco Evenepoel wird - wenn nichts dazwischenkommt - gute Chancen haben, beim Giro seine zweite Grand Tour zu gewinnen. Weil das Rennen in Italien mehr Zeitfahr-Kilometer aufweist als die Tour de France, kommt ihm die Streckenführung entgegen. Alaphilippe wird verbissen daran arbeiten, seinen Teamchef mundtot zu machen - und dabei den Fans viel Spaß bereiten und voraussichtlich in Flandern ganz vorne mitmischen.

Jakobsen wird Seriensieger in den Sprints. Und Patrick Lefevere wird viel Geld auftreiben müssen, um in Zukunft die Ansprüche seines Jungstars Evenepoel nach einer kletterstarken Leibgarde bei Soudal - Quick Step befriedigen zu können - nach dem Vorbild der Konkurrenten von Jumbo-Visma, UAE Team Emirates und Ineos Grenadiers.

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