Tour of the Alps 2024 - 4. EtappeCarr gewinnt Königsetappe nach 125-Kilometer-Flucht, Harper-Sturz ändert Rennverlauf

Sebastian Lindner

 · 18.04.2024

Simon Carr bestimmte die 4. Etappe der Tour of the Alps von Beginn an. Als einer der ersten Ausreißer setzte er sich mit Teamkollege Hugh Carthy vom Feld ab.
Foto: Getty Images / Tim de Waele
Nach 125 Kilometern als Ausreißer hat Simon Carr die 4. Etappe der Tour of the Alps 2024 gewonnen. Der Brite ist der dritte Solosieger der Rundfahrt, profitierte aber von einem Sturz in der Verfolgergruppe. Juan Pedro Lopez bleibt Führender der Gesamtwertung.

Für seinen ersten Saisonsieg bei der Trofeo Calvia im Januar benötigte Simon Carr (EF Education EasyPost) 126 Kilometer als Ausreißer, für seinen zweiten nahm er in etwa genauso lange Anlauf. Der 25 Jahre alte Brite hatte sich auf der 141 Kilometer langen 4. Etappe der Tour of the Alps zwischen Leifers und Borgo Valsugana in Italien bereits nach etwa zehn Kilometern als Teil einer Ausreißergruppe abgesetzt. Nach und nach schüttelte er seine Fluchtkollegen ab, als letzten Sergio Higuita (Bora-Hansgrohe) am Passo del Vetriolo.

In der Abfahrt dieses Berges hatte Chris Harper (Team Jayco-AlUla) die Lücke bis auf 15 Sekunden geschlossen, kam dann aber in einer Kurve folgenschwer zu Fall. Er krachte mit dem Kopf gegen eine Laterne und musste das Rennen aufgeben. Wenige Sekunden nach ihm stürzte auch sein erster Verfolger Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) an der gleichen Stelle, jedoch wesentlich glimpflicher. Er sprang sofort wieder aufs Rad und wurde letztlich sogar noch Dritter hinter Michael Storer (Tudor Pro Cycling), obwohl das Duo in der Folge von der Favoritengruppe nochmal abgehängt wurde.

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Die hingegen hatte das Tempo nach den Stürzen der Vorausfahrenden zunächst völlig rausgenommen, sodass Carrs Vorsprung zwischenzeitlich wieder auf drei Minuten anwuchs und er letztlich als dritter Solosieger am vierten Tag gewinnen konnte. Schon im Vorjahr hatte Carr eine Etappe der Tour of the Alps als Sieger beendet. Mit knapp 4000 Höhenmetern war es das schwerste Teilstück der Rundfahrt.

Lopez verteidigt Führung bei Tour of the Alps 2024 im Kampf gegen alle

“Heute war ein besonderer Tag”, sagte Carr im Siegerinterview nach dem siebenten Erfolg seiner Profikarriere. “Aber das waren auch die ersten hier. Ich hatte mich zunächst nicht wirklich wohl gefühlt, kam aus dem Höhentrainingslager und hatte auch mit den kalten Bedingungen zu kämpfen”, schilderte er. Das Team habe ihn aber ermutigt, weiter dranzubleiben. “Es kommen auch wieder bessere Tage, sagten sie, und das hat auch gestimmt. Sicher gefühlt habe ich mich heute aber erst nach dem letzten Anstieg.”

Hinter Carr, der mehr oder weniger sein eigenes Rennen fuhr, attackierten sich die Favoriten im Kampf um die Gesamtwertung immer wieder gegenseitig. Auf sich allein gestellt war dabei Juan Pedro Lopez (Lidl-Trek). Der Vortagessieger und Gesamtführende musste jede Lücke selbst zufahren, Hilfeanfragen wurden von der Konkurrenz grundsätzlich ausgeschlagen. Stattdessen gab es weitere Attacken, die der Spanier aber letztlich immer wieder parierte und so auch seine Führung verteidigte.

Neuer Zweiter ist O’Connor, der 38 Sekunden Rückstand auf Lopez mit auf die letzte Etappe nimmt. Tobias Foss (Ineos Grenadiers), der diesen Platz zuvor noch innehatte, war früh am Tag abgehangen - wie auch der Rest seines Teams. Foss führt aber weiterhin die Punktewertung an. Antonio Tiberi (Bahrain-Victorious) verteidigte als Tagessechster die Nachwuchswertung vor dem zeitgleichen Valentin Paret-Peintre (Decathlon AG2R La Mondiale), der einen Platz vor ihm ins Ziel kam. Neuer Träger des Bergtrikots ist der Tagessieger, der beide Bergwertungen für sich entschied.



Die Top 10 der 4. Etappe der Tour of the Alps

  1. Simon Carr (EF Education EasyPost) 4:06:27
  2. Michael Storer (Tudor Pro Cycling) +1:19
  3. Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) +1:19
  4. Wout Poels (Bahrain-Victorious) +1:22
  5. Valentin Paret-Peintre (Decathlon AG2R La Mondiale) +1:22
  6. Antonio Tiberi (Bahrain-Victorious) +1:22
  7. Romain Bardet (Team dsm-firmenich PostNL) +1:22
  8. Juan Pedro Loepz (Lidl-Trek) +1:22
  9. Giulio Pellizzari (VF Group - Bardiani CSF - Faizane) +2:19
  10. Georg Steinhauser (EF Education EasyPost) +2:19

Die aktuelle Gesamtwertung

  1. Juan Pedro Loepz (Lidl-Trek) 15:30:23
  2. Ben O’Connor (Decathlon AG2R La Mondiale) +0:38
  3. Antonio Tiberi (Bahrain-Victorious) +0:48
  4. Wout Poels (Bahrain-Victorious) +0:48
  5. Romain Bardet (Team dsm-firmenich PostNL) +0:48
  6. Valentin Paret-Peintre (Decathlon AG2R La Mondiale) +0:48
  7. Michael Storer (Tudor Pro Cycling) +1:40
  8. Giulio Pellizzari (VF Group - Bardiani CSF - Faizane) +1:54
  9. Ivan Ramiro Sosa (Movistar) +2:52
  10. Davide Piganzoli (Polti-Kometa) +2:58


So lief die 4. Etappe der Tour of the Alps 2024

Es waren die Profis, die bisher hinter den Erwartungen zurückgeblieben, die den Beginn der Königsetappe prägten. Als es bereits kurz nach dem Start in den ersten schweren, aber unkategorisierten Berg des Tages ging, konnte sich nach mehreren erfolglosen Versuchen zunächst Carr mit seinem Teamkollegen Hugh Carthy, Vorjahreszweiter der Gesamtwertung, ein wenig vom Feld absetzen.

Das Duo bekam einige Kilometer später Gesellschaft von Davide Piganzoli (Polti-Kometa) und Higuita. Der Kapitän von Bora-Hansgrohe, der allerdings auch erst kurzfristig ins Aufgebot rutschte, war auf den ersten Etappen ebenfalls kaum zu sehen.

Nach 35 Kilometern hatte das Quartett rund zwei Minuten Vorsprung auf das Hauptfeld, aus dem sich zudem noch noch eine siebenköpfige Verfolgergruppe gelöst hatte, die recht schnell den Sprung nach vorne schaffte. Dabei waren unter anderem Bergtrikotträger Mattia Bais (Polti-Kometa), der Österreichische Landesmeister Gregor Mühlberger (Movistar), Oscar Rodriguez (Ineos Grenadiers) und Lucas Hamilton (Team Jayco-AlUla).

Carr und Higuita lassen Fluchtkollegen stehen

Abgesehen von Bahrain-Victorious, Decathlon AG2R La Mondiale und Lidl-Trek waren damit alle großen Teams in der Gruppe vertreten. Entsprechend machte das Team des Gesamtführenden Lopez hinten die Tempoarbeit und ließ die Gruppe lange Zeit nicht weiter als zwei Minuten wegfahren. In der langen Abfahrt des zweiten großen unkategorisierten Anstiegs gegen Rennhalbzeit wurden daraus dann aber doch drei Minuten.

Im zehn Kilometer langen und im Schnitt mehr als acht Prozent steilen Anstieg zum Passo del Compet (1. Kategorie) erhöhte Higuita die Schlagzahl und dünnte die Spitzengruppe damit aus. Der Kolumbianer musste etwas tun, war der Vorsprung der Ausreißer doch auf die Hälfte geschrumpft, nachdem hinten Decathlon das Kommando übernommen hatte. Nur Carr und Piganzoli konnten ihm folgen.

Etwas später musste dann auch Piganzoli klein beigeben. An der Bergwertung hatte das verbliebene Duo 30 Sekunden Vorsprung auf die Verfolger und auch das Polster auf das Hauptfeld wieder etwas ausgebaut. Nach der Abfahrt ging es direkt wieder hinauf zum Passo del Vetriolo (1. Kategorie). Dort stellte sich schon am Fuße des Berges Carr als stärkster Fahrer heraus. Higuita hatte zu kämpfen und musste schließlich auch reißen lassen, hielt seinen Rückstand aber zunächst klein.

Harper und O’Connor stürzen in der Abfahrt

Im Feld - oder besser gesagt der verbliebenen Favoritengruppe - attackierte fünf Kilometer vor dem Gipfel Harper, doch Decathlon parierte den Angriff. Lopez war zu diesem Zeitpunkt bereits isoliert, Ineos Grenadiers hatte komplett den Anschluss verloren. Dann ging O’Connor in die Offensive. Seine zweite Attacke saß. Nur Lopez und das Bahrain-Victorious-Duo Tiberi und Wout Poels konnte dranbleiben, Harper und Ivan Sosa (Movistar) kamen erst später zurück. Poels’ Konter blieb dann zunächst unbeantwortet, wurde bis zum Gipfel aber auch wieder korrigiert.

Bevor es dann in die Abfahrt ging, war die Gruppe auf Higuita aufgefahren, von hinten kam Sosa wieder ran. Carr hingegen ging mit einer Minute Vorsprung und zehn weiteren Bergpunkten, die ihn dann auch ins entsprechende Trikot brachten, in die Abfahrt. 35 Kilometer waren da noch zu fahren.

Bergab lief vieles wieder zusammen, Harper schoss von hinten sogar an den Verfolgern vorbei und holte sich ein Polster heraus, war am Ende der Abfahrt sogar fast zu Carr nach vorne gefahren. In einer Kurvenkombination hebelte es den Australier allerdings aus, nachdem es ihm auf einem Randstein des Radweges das Hinterrad verschlagen hatte. Er rutschte auf dem Asphalt mehrere Meter und schlug schließlich mit dem Kopf gegen einen Lichtmast. Auch O’Connor, der ebenfalls vor der Verfolgergruppe fuhr, kam in der Kurve zu Sturz, konnte jedoch schnell wieder aufs Rad springen. Für Harper, der aber bei Bewusstsein war, endete das Rennen.

Stehversuche führen Abgehängte auf Platz zwei und drei

Die Gruppe dahinter fuhr anschließend nur noch mit gebremstem Schaum. Schnell wuchs der Vorsprung von Carr auf zwei Minuten. Auch bis zum letzten Anstieg, der wieder unkategorisiert blieb, änderte sich daran nichts mehr. Die Verfolgergruppe hingegen wurde wieder größer, das Tempo blieb gedrosselt.

Im Anstieg setzte sich dann aber nochmal Valentin Paret-Peintre ab. In der Gruppe dahinter wollte keiner Verantwortung übernehmen, da wurden nahezu Stehversuche unternommen. Selbst der längst abgehängte Geraint Thomas (Ineos Grenadiers) konnte so wieder aufschließen. Paret-Peintre fuhr sich so bis zu 40 Sekunden Vorsprung heraus. Einmal mehr wurde Lopez mit der Nachführarbeit allein gelassen.

Doch durch die andauernden Attacken von Poels und Tiberi auf Lopez war die Lücke bis zum Gipfel wieder geschlossen. Nur Bardet konnte darüber hinaus noch in der Verfolgergruppe bleiben. In der Abfahrt schlossen O’Connor und Michael Storer (Tudor Pro Cycling) wieder auf. Unterdessen fuhr Carr souverän seinem Sieg entgegen.

Das erst drei Kilometer vor dem Ziel zurückgekehrte australische Duo Storer/O’Connor hatte dann sogar noch die Kraft, auf den letzten 1000 Metern aus der Gruppe herauszufahren und sich die Bonussekunden für die Plätze zwei und drei zu sichern. Als Zehnter fuhr mit Georg Steinhauser (EF Education EasyPost) erstmals im Laufe der Rundfahrt ein Deutscher in die Top 10.

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