Das TOUR Tech-Briefing zur 15. Etappe

Robert Kühnen

 · 16.07.2023

Das TOUR Tech-Briefing zur 15. EtappeFoto: Getty Velo
Vom 1. bis zum 23. Juli messen sich die besten Radsportler der Welt bei der Tour de France. Über Sieg und Niederlage entscheiden dabei nicht nur die Beine, sondern auch das Material. Das TOUR Tech-Briefing zur 15. Etappe.

Tour de France 2023 - 15. Etappe: Lets Gets les Portes du Soleil - Saint-Gervais Mont-Blanc | 179 Kilometer

Das Höhenprofil der 15. Etappe der Tour de France 2023Foto: A.S.O.Das Höhenprofil der 15. Etappe der Tour de France 2023

Die dritte Bergetappe in Folge ist erneut Ausreißerterrain. Zahllose Anstiege sind zu erklimmen und machen das Rennen unübersichtlich. Der Kampf ums Gesamtklassement dürfte erst am Schlussanstieg nach Le Bettex ein Thema werden. Dieser beginnt mit einer Rampe, die sich bis zu 17 Prozent steil direkt aus dem Tal erhebt. 237 Höhenmeter führen die Fahrer zunächst auf die Cote des Amerands, bevor eine kurze Zwischenabfahrt zum Fuße des eigentlichen Schlussanstiegs der 15. Etappe der Tour de France 2023 leitet. Die Chefs werden voraussichtlich relativ frisch sein und das Steilstück an den Hinterrädern ihrer Helfer hochknallen. Im weiteren Verlauf rechnen wir damit, dass sich die Spitze sukzessive weiter ausdünnt, bis Tadej Pogacar, Jonas Vingegaard & Co. unter sich sind. Ob Ausreißer um den Tagessieg fahren können, wird von ihrem Zeitpolster abhängen. Die GC-Fahrer werden für den gesamten Anstieg rund 26 Minuten benötigen und mutmaßlich vier Minuten schneller sein als etwaige Ausreißer, die den Berg ohne Einbruch bewältigen können.

Attacken der GC-Fahrer werden wahrscheinlich erst auf den letzten dreieinhalb Kilometern lanciert, wenn der Berg wieder steiler wird. Mit massiven Änderungen in der Gesamtwertung ist nicht zu rechnen, weil der Weg ins Ziel dann nicht mehr weit ist.

Tour de France 2023: Situation an der Spitze kann schnell kippen

Aber: Das hier ist das größte Radrennen der Welt und es ist nicht vollständig berechenbar. Sturz, Hungerast, überraschende Koalitionen – die Tour de France 2023 kann auch einen ganz anderen Verlauf nehmen als gedacht. Und angesichts der knappen Zeitabstände kann sich die Situation an der Spitze entsprechend auch schnell ändern.

Welches Rennrad wäre bei diesen Unwägbarkeiten top? Ein Allrounder, wie das Specialized Tarmac, das zwar in keiner Disziplin ganz vorne fährt, aber überall gut ist? Oder ist die Etappe prädestiniert für besonders leichte Räder ohne Aero-Qualitäten? Oder gibt es ein Szenario, bei dem das Aero-Rad sogar schneller ist? Wir simulieren die gesamte Etappe, um diese Frage zu beantworten.

Zahl des Tages: 6:54 Minuten

Die Simulation ergibt, dass auf dieser Gebirgsetappe einmal mehr ein Aero-Setup zur schnellsten Gesamt-Fahrzeit führen würde. Auf die ganze Strecke gerechnet wäre ein Ausreißer auf dem Canyon Aeroad 6:54 Minuten schneller als mit dem Bianchi Specialissima, das 300 Gramm leichter ist.

Leichträder haben das Potential, bei Attacken im besonders steilen Gelände, wie zum Beispiel an der Rampe zu Beginn des Schlussanstiegs, einen kleinen Vorteil zu bieten. Interessant ist, dass selbst die Superstars im Feld überwiegend Räder fahren, die schwerer sind als das Mindestgewicht von 6,8 Kilogramm, das die UCI vorschreibt.

Das (fast) komplette Feld im Überblick

*Foto: Robert Kühnen*

*) Die Berechnungen beruhen auf den von TOUR in Labor und Windkanal getesteten Rädern. Die Maschinen bei der Tour de France können in Details davon abweichen. Auch Last-Minute-Prototypen konnten wir natürlich noch nicht untersuchen. Hintergründe zur Simulation.

Unser Experte

                               Foto: Robert Kühnen

Robert Kühnen ist studierter Maschinenbauer, schreibt für TOUR über Technik- und Trainingsthemen und entwickelt Prüfmethoden. Die Simulationsrechnungen verfeinert Robert seit Jahren, sie werden auch von Profi-Teams genutzt.



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