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Zehnmal "dahin will ich wieder mal!"

Selten kommt es vor, dass keine konkreten Reisepläne für die nächste Zeit anstehen. Einerseits haben derzeit andere Dinge erste Priorität, andererseits wartet man in der Ostschweiz derzeit auf das Bekanntwerden des FCSG-Gegners im Europacup, weshalb erst dann wieder Pläne geschmiedet werden.

Zeit, um etwas in Erinnerungen zu schwelgen. Und Zeit, nach einer Diskussion mit einem guten Freund auf einer Zugfahrt von Brussel-Noord nach Gent St-Pieters, mal eine persönliche Top 10 der Städte zu erstellen. Dies ganz ohne Reihenfolge, da hunderte besuchte Städte nicht einfach in eine Rangliste zu fassen sind...

New York. Wie langweilig. Da erwartet man von einem eher-weniger-0815-Touristen eine spezielle Destination zuoberst auf der Liste und dann kommt als erstes New York. Eine Stadt, die für Konsum steht wie kaum eine andere, abgesehen von Las Vegas und London. Eine Stadt, in der man weder eine exotische Sprache sprechen noch eine rätselhafte Speisekarte entziffern muss. Eine Stadt, die so viele Besucher hat wie wohl kaum eine andere auf der Welt. Aber vielleicht hat New York gerade deshalb so viele Besucher, weil es eine Magie ausstrahlt, die anderen Städten abgeht. In New York lässt sich vieles erleben, man kann Dutzende Sehenswürdigkeiten abklappern und mit einem leeren Koffer anreisen, da das Shopping-Angebot gleichwohl vielfältig wie preisgünstig ist. Alles Argumente, die für einen Besuch in New York sprechen. Aber noch mehr sprechen zwei Dinge dafür: Auf der einen Seite gibt es wohl keine fotogenere Stadt als NY. Und auf der anderen Seite, kann man hier stundenlang durch die Häuserschluchten spazieren, ohne dass einem langweilig wird. Die Vielfalt, die die Stadt im Nordosten der USA auf kleinstem Raum vereint, macht es zu einem hervorragenden Reiseziel für Besucher, die gerne einfach mal durch die Strassen schlendern und eine Stadt auf diese Art geniessen.

Kuala Lumpur. Vielleicht ist es bezeichnend, dass ich lange brauchte, um ein passendes Bild von der malaysischen Hauptstadt zu finden. Kuala Lumpur ist nicht wirklich schön, hektisch und bisweilen auch dreckig. Gleichzeitig ist es aber auch eine Stadt, die Tradition und Moderne miteinander vereint. In Kuala Lumpur existiert ein Nebeneinander; da steht auf der einen Strassenseite ein chinesisches Hawker-Center und auf der anderen Seite ein moderner Business-Palast. Der Eindruck des friedlichen Nebeneinanders täuscht aber. Und zwar darüber hinweg, dass Kuala Lumpur den Fortschritt rücksichtslos vorantreibt und die traditionellen Wohnformen fast schon wie in China aus dem Stadtzentrum herausgetrieben werden. Dieses ist aber ohnehin nicht das Sehenswerte an Kuala Lumpur. Abgesehen von den zweifelsohne beeindruckenden Petronas Twin Towers und den damit verbundenen Malls gibt es dort nicht wirklich viel zu sehen. Das Lebenswerte in KL spielt sich in anderen Quartieren ab; etwa bei der Station Pasar Seni, wo die Chinatown um die Jalan Petaling pulsiert, in Chow Kit oder in Bangsar. Dazu kommt: Kaum eine Stadt hat ein so interessantes öV-System, an dem man Freude entwickeln kann, indem man damit einmal durch die Vorstädte wie Petaling Jaya, Sentul Timur und Kelana Jaya fährt.

Wien. Bekanntlich ist Rapid nicht gerade die Mannschaft, die zuoberst auf meiner Beliebtheitsskala steht. Da Fussball vieles, aber nicht alles ist, ist dies vernachlässigbar. Wien ist eine der Städte, wo ich mir vorstellen könnte, für längere Zeit wohnhaft zu sein. Wien wird gerne als Wasserkopf Österreichs bezeichnet oder beleidigt. In der Hauptstadt sind Handgelenk mal Pi ein Fünftel der österreichischen Bevölkerung und dementsprechend wächst man mit dieser Stadt auf, wenn man als Jugendlicher jeden Tag ö3 hört und neben der ständigen Geisterfahrermeldungen aus der Steiermark auch sämtliche Nachrichten über Wien mitbekommt. Ausschlaggebender als das österreichische Hitradio war aber unsere entfernte Verwandtschaft in Wien, die wir öfters besuchten. Wien ist neben Bergamo die Stadt, die ich am häufigsten besucht habe; Dutzende Male ging es mit Zug, Auto oder Flugzeug nach Wien, um einige Tage dort zu verbringen. Es war nicht nur unsere Verwandtschaft, die uns dort empfing, sondern vielmehr eine lebendige Stadt mit einer Bevölkerung, die einen grantligen Sarkasmus lebt, den man erstmal verstehen muss. Eine Stadt, die mit ihrer Vielzahl an Bezirken, Restaurants, Bierstuben und Kaffeehäusern immer wieder Freude bereitet.

Granada. Eher zufällig stand 2004 Granada auf dem Programm, wo in den letzten Frühlingsferien vor der Matura ein zweiwöchiger Sprachaufenthalt anstand, um das Spanisch vor der mündlichen Abschlussprüfung doch auch einmal aktiv zu gebrauchen. Nebst der Tatsache, dass mir in der Escuela Montalban erstmals der Subjuntivo nachvollziehbar erklärt wurde, blieben mir andere Sachen in Erinnerung. In Granada trifft man sich zum Botellon an der Plaza Nueva oder beim Mirador de San Nicolas. In Granada bekommt man zu jeder Caña (Stange) Tapas, sodass man nach acht Bier auch gegessen hat. In Granada geniesst man in der Teteria Pervane einen Batido de Chocolate im Schneidersitz auf dem Boden. Und man wandert durch den weissen, ehemals arabischen Stadtteil Albayzin, betrachtet dabei das lokale Strassenkunstschaffen; man geniesst die herrlichen Gärten und Gebäude der Albhambra oder gibt sich in der Neustadt dem Shoppingangebot hin. Und wenn man Glück hat, lernt man sympathische, junge Menschen kennen, die einen in ihre Höhle im Sacromonte einladen. Für einen jungen Maturanden war dies so beeindrucken, dass ich danach zweimal dorthin zurückkehrte und weitere grosse Dinge erlebte. Insbesondere das Amparanoia-Konzert mit Maja in der Planta Baja wird auf ewig in meinen Erinnerungen bleiben. In Erinnerung bleiben wird aber auch die Tatsache, dass schon 2006 deutlich weniger Leben in der Stadt war; die Botellons auf der Plaza Nueva wurden verboten, die Calle Elvira gesäubert und die Stadt damit um einen wesentlichen Teil ihres Geistes beraubt.

Bangkok. Wie New York ist auch Bangkok eine Stadt, die zahlreiche Besucher anzieht. Diese kommen mit verschiedenen Absichten in die thailändische Hauptstadt: Einige wollen kulturelle Güter bestaunen, andere geniessen das hektische, spannende Leben in der Stadt, weitere kommen des Ausgangs ohne oder mit all seinen sexuellen Ausschweifungen wegen nach Bangkok und andere verbinden dies miteinander. Tatsache ist: Kaum eine Stadt macht so viel Spass wie Bangkok. Für jedes Budget bietet Bangkok Unterhaltung erster Güte. Hat man kein Geld, so steigt man für vier Franken pro Nacht in einem Schlafsaal in der Khaosan Road ab und geht in der Umgebung für wenig Geld trinken. Die Mittelklasse bevorzugt den weniger hektischen, aber nicht weniger unterhaltsamen Stadtteil Sukhumvit, wo sich ein Hotelpalast an den nächsten reiht, während sich dazwischen kleine Bars und Restaurants einnisten. Muss man auf das Geld gar nicht schauen, so ist man in den Nobelhotels im Silom bestens aufgehoben. Kultur gibt es auch in Bangkok. Aber ganz ehrlich: So spektakulär ist das nicht. Dafür sind andere Orte, wie etwa das zwei Stunden von der Hauptstadt entfernte Ayutthaya, besser geeignet. Bangkok heisst durch den Tag Shopping und am Abend Ausgang. Das ist alles. Und angesichts der Vielfalt, der Preise und dem Unterhaltungsfaktor ist das auch gut so.

Austin. Nichts ist ungeeignet, um sich von der Masterarbeit abzulenken. Auch nicht, sich durch die auf iTunes verfügbaren Radiosender zu klicken, um dort neue Dinge zu entdecken. Dazu gehört 101X. Schnell weckte mich beinahe jeden Tag - der Tagesrhythmus geriet während der Masterarbeit ohnehin aus den Fugen - das dämliche Gequatsche von Jason und Debs Morgenshow. Und ich fand es lustig, ja gar kitschig-klischeehaft, dass die erste Werbung ein texanisches Steakhouse bewarb. Schlussendlich begleitete mich 101X durch die Masterarbeit, sodass ich nach deren Beendigung kurzerhand entschied, der texanischen Hauptstadt einen Besuch abzustatten. Rasch war eine Reiseroute geplant und es konnte losgehen - ich musste ja ohnehin auf die Ergebnisse waren und konnte in der Zwischenzeit in der Schweiz wenig unternehmen. In Austin lernte ich eine Stadt kennen, wie man sie in Texas nicht erwartet. Kein Cowboy-Kult, keine republikanische Propaganda. Austin ist vielmehr eine lebendige Studentenstadt, die mehrere Zentren hat, Downtown, Guadalupe, South Lamar. Es ist zwar bisweilen, primär aufgrund der Temperaturen, etwas schwierig, sich in Austin zu Fuss fortzubewegen, im Gegensatz zu verschiedenen anderen amerikanischen Städten geht es aber überhaupt. Insbesondere am Abend, wenn die Lokale an der 6th Street ihre Pforten öffnen und hunderte feiernde Amerikaner empfangen. Sie kommen dort nicht nur in den Genuss von billigem Bier namens Shiner Longneck, sondern auch von Live-Musik. "Keep Austin Weird" ist das Motto dieser Stadt, die eine grandiose Musikszene hat, die in den USA Ihresgleichen sucht und sogar einen Musikbanausen wie mich höchst erfreut.

Sarajevo. Cevapcici essen, Kaffee, Tee und Bier trinken, durch die Strassen schlendern, mit netten Menschen plaudern, die beiden Altstädte geniessen, Fussball schauen: Das ist Sarajevo. Eine Stadt, die sich noch immer im Umbruch befindet, nachdem sie zwischen 1992 und 1996 belagert und stark zerstört wurde. Dies ist noch gut sichtbar, vielerorts sind zerschossene Hausfassaden zu erblicken. Ausser in der Bascarsija, der osmanischen Altstadt Sarajevos. Diese befindet sich ganz hinten im Talkessel und beherbergt immer mehr Besucher. Direkt daneben befindet sich die Ferhadija, wo es von einem Meter auf den nächsten total anders aussieht: Hier wird nicht mehr türkischer Kaffee getrunken, sondern bosnisches Bier. Hier werden nicht mehr Teppiche verkauft, sondern die neuesten Sportschuhe. Und hier sieht es auch nicht mehr aus wie in der Türkei, sondern wie in Österreich. Bascarsija und Ferhadija sind aber nicht alles, das man in Sarajevo erlebt haben muss. Zwei weitere Dinge dürfen auf keinen Fall fehlen, wenn man die Hauptstadt von Bosnien-Herzegowina besucht. Zum einen eine Tramfahrt entlang der Sniper Alley von der Bascarsija nach Ilidza und zurück. Die Fahrt in alten Wiener Trams über holprige Geleise gibt einem einen Eindruck, was hier früher ablief. Die Sniper Alley hat ihren Namen aus gutem Grund; dort befanden sich während des Bürgerkrieges serbische Scharfschützen, die den Verkehr auf der Hauptachse durch Sarajevo nachhaltig beeinträchtigten. Auch nicht verpassen sollte man den Besuch eines Fussballspiels, wenn möglich das Derby zwischen Zeljeznicar und FK Sarajevo - man bekommt hier ein Tribünenspektakel zu sehen, das zum Allerbesten gehört.

Hong Kong. Hong Kong ist fast wie New York, nur auf asiatisch. Eine touristische Finanzmetropole, die einiges an Sehenswürdigkeiten, Unterhaltung und Gaumenfreuden bietet, gleichzeitig aber auch brutal ist. Setzt man seine Ellbogen hier nicht ein, findet man sich schnell in einem Arbeiterschliessfach wieder, das so klein ist wie kaum anderswo auf der Welt. Hong Kong ist Business, Wachstum und Glitzern. Sitzt man am Abend auf der Promenade in Kowloon vor dem Peninsula Hotel, so kann man eine farbige Lasershow bestaunen, die von den Glaspalästen auf der anderen Meerseite gezeigt wird, womit aus der beinahe ständigen Bewölkung des Himmels das Beste herausgeholt wird. Ist einmal schöneres Wetter, kann man mit einer Standseilbahn auf den Victoria Peak fahren, von wo aus man die Häuserschluchten in einer anderen Dimension noch eindrücklicher sehen kann. Ansonsten bietet Hong Kong auch einiges: Zweistöckige Trams, Nachtmärkte wie in Mong Kok, englische Pubs, die Ales und Stouts ab Zapfhahn servieren, Shoppingzentren überall, hektische Chinesen und Inder, die einem jeden möglichen Krempel andrehen wollen, sowie die Möglichkeit, mal einen kurzen Ausflug ins Spielparadies Macau zu unternehmen. Eine herrliche Stadt.

Catania. Italien ist das Land, das ich mit grossem Abstand am meisten bereist habe. Es mag einige überraschen, dass die davon ausgewählte Stadt nicht Bergamo, sondern Catania ist. Nur: Abgesehen von fussballerischen Sentimentalitäten hat Catania einiges mehr zu bieten als Bergamo. Objektiv gesehen vielleicht weniger als Rom, Florenz oder Bologna, subjektiv gesehen aber schon. Da ist zuerst einmal die Faszination Siziliens, einer Insel, wo die Küche hervorragend ist, man bestens rumreisen kann, sofern es die Verbindungen dann zulassen und man so viele Bauruinen zu sehen bekommt wie nirgends sonst in Italien. Dann Catania, eine Stadt, wo man vieles unternehmen kann, sich aber primär einmal die Nacht um die Ohren schlagen kann wie kaum anderswo in unserem südlichen Nachbarland. Bucht man ein Hotel an der Piazza Bellini oder in einer der Strassen, die zum Theaterplatz führen, so darf man schlicht keine Nachtruhe erwarten. In Catania reihen sich die Bars aneinander, da können Ausgangsmetropolen wie Düsseldorf oder Hamburg nur neidisch werden. Dies zieht hunderte Menschen an, die hier ihre Nacht verbringen; in einer begeisternden, charmanten und heruntergekommenen Altstadt, die am darauf folgenden Morgen schrecklich abweisend aussieht, wenn alle dicken Metallläden heruntergezogen sind und man die Spuren der vergangenen Stunden noch deutlich sehen kann. Den Morgen verbringt man aber nicht dort, sondern auf der lebendigen Via Etnea, der Hauptachse Catanias. Ansonsten lässt man sich mit einem uralten, langsamen Zug rund um den Ätna chauffieren, um die atemberaubende Landschaft zu geniessen. Ist man dann zurück, so bleibt noch genug Zeit, sich mit Arancini, Schwertfisch und Cannoli einen Boden für den nächsten Ausgang anzuessen. Den braucht man nämlich in Catania.

Hamburg. Nun, die norddeutsche Stadt an der Elbe hat sich hier gegen zahlreiche Städte durchgesetzt, die für den zehnten Platz auf dieser Liste ebenfalls in Frage gekommen wären: Buenos Aires aufgrund des Fussballs, Tokyo aufgrund der stoischen Hektik, Rom aufgrund seiner Geschichte, London aufgrund seiner Vielfalt, Napoli aufgrund seiner Küche, Ushuaia weil es Ushuaia ist, Glasgow in seiner Heruntergekommenheit, Skopje aufgrund der wunderschönen Altstadt und und und... es war aber weniger eine Wahl gegen diese Städte, sondern vielmehr für Hamburg. Hamburg bietet so viel wie kaum eine andere Stadt in Deutschland. OK, Berlin ist vielseitiger und die alten Berliner sind sympathisch, aber es hat sich so stark gentrifiziert, dass man sich an jeder Ecke unwohl fühlt. OK, in Düsseldorf kann man gut ausgehen, aber in Hamburg noch besser. OK, Stuttgart liegt wunderschön im Talkessel und der Schlossplatz lädt zum chillen. Aber: Hamburg ist so vielseitig wie keine andere deutsche Stadt. Und die Hamburger sind ein authentisch freundliches Völkchen, das seine Gäste in ihrer Stadt wohlfühlen lässt. In Hamburg gibt es die Reeperbahn, die Neustadt, die Alster, das Schanzenviertel, Altona, Blankenese, St. Georg, und jedes Viertel hat seine eigene Identität bewahrt. Wackelkandidat ist hier einzig das Schanzenviertel, vor dem die Gentrifizierung in deutschen Städten auch nicht Halt gemacht hat. Ein Mettbrötchen zum Frühstück bei Schweinske lässt einen dies aber rasch vernachlässigen.

Nun, genug geschwelgt. Bald gehts wieder auf Reise. Und diesmal steht die Entscheidung, wohin es denn gehen sollte, nicht in meiner Macht...

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Die erfolglose Suche nach dem entscheidenden Tor

Zeljeznicar verpasst die Meisterschafts-Sicherung im Sarajevo-Derby

Die Voraussetzungen vor dem Derby in Sarajevo waren vielversprechend, ja wohl so wie noch selten: Durch einen Heimsieg über den FK Sarajevo konnte Zeljeznicar vier Runden vor Saisonende den Meistertitel fixieren. Dazu kam es aber nicht, die Partie endete - wie so oft in einer solchen Situation - torlos Unentschieden, womit die Meisterfeier Zeljos um einige Tage verschoben wurde. Neun Punkte Vorsprung bei noch drei ausstehenden Spielen werden zwar zweifelsohne reichen, ein Derbysieg zum Gewinn der Meisterschaft wäre aber die berühmte Kirsche auf der Torte gewesen. Doch da hatte Sarajevo etwas dagegen. Das ganze Spiel durch merkte man, dass sie sich Mühe gaben, als ob sie selbst noch realistische Chancen auf den Titel gehabt hätten. Die Schmach, auswärts beim Derbygegner eine Meisterfeier mitereleben zu müssen, wollten sie nicht über sich ergehen lassen.

Ein Plan, der schlussendlich aufging. Dazu trugen verschiedene Faktoren bei. Der erste ist sicher, dass Sarajevo wie bereits erwähnt aufopferungsvoll kämpfte und ein solidarisches Mannschaftsbild abgab. Hätten die granatroten die ganze Saison lang so gekämpft, hätten sie jetzt wohl kaum neun Punkte Rückstand auf die blauen Stadtrivalen. Diese liessen ihre individuelle Klasse ab und zu schon aufblitzen, es blieb aber bei einigen schön anzusehenden und gefährlichen Szenen, die den Weg zum Erfolg aber auch nicht mit sich führten. Auf deutsch gesagt: Zeljo war eigentlich nicht besser als Sarajevo, das Remis ist absolut den Leistungen entsprechend. Während Sarajevo nichts mehr zu verlieren hatte, konnte Zeljeznicar nicht seine beste Leistung abrufen, was auch am sichtlich angekratzten Nervenkostüm der Gastgeber lag. Die Verlockung, bei einer solchen Affiche den Titel zu sichern, schien die Blau-Weissen nervös zu machen. Nicht einmal insgesamt 13 Minuten Nachspielzeit reichten, um den Bann zu brechen; die Meisterfeier muss also aufs Auswärtsspiel am Samstag bei Velez Mostar verschoben werden.

Dass fast eine Viertelstunde nachgespielt wurde, lag daran, dass die Partie gleich vierfach wegen dem Einsatz von pyrotechnischen Erzeugnissen unterbrochen werden musste. Den Anfang machten dabei die Gästefans, die nach gut 20 Minuten vier Fackeln aufs Feld schmissen, der Unterbruch dauerte aber nicht lange und ohne mit der Wimper zu zucken wurde weiter gespielt. Nicht so weitere fünf Minuten später, denn diesmal war der Einsatz von Pyro viel massiver: Neben einer Vielzahl an Fackeln waren es diesmal auch noch Böller und Raketen, der Schiedsrichter schickte die Teams danach für fünf Minuten in die Kabinen, wofür er vom gesamten Stadion ausgepfiffen wurde. Es musste also weiter gehen. Die Gästefans wiederholten diese Aktion Anfangs der zweiten Halbzeit dann gleich, diesmal dauerte der Unterbruch aber nicht mehr so lange. Nur zwei Zeigerumdrehungen später folgte dann die nächste - und damit letzte - Pause, als die Heimfans ihre gesamte Kurve und den Nachthimmel erleuchteten. Es war also ein Pyrospektakel erster Güte, das sich die beiden Kurven hier boten.

Aber nicht nur der Einsatz von Pyro war ein Spektakel, sondern die gesamten Vorstellungen der beiden rivalisierenden Kurven. In der Heimkurve gab es zuerst zu einer typisch balkanisch-melancholischen Hymne, die sogar mir als ausgesprochenen Hymnenfeind kalt den Rücken herunter lief, eine dichte Schalparade. Gefolgt wurde diese von einer perfekten Choreographie, mit der die Maniacs ihre Helden auf dem Platz dazu aufforderten, den Sack heute zuzumachen. In der Folge überraschte die Heimkurve mit einem Support, der gar nicht so extrem balkanmässig war, wie dies zu erwarten gewesen wäre: Vielfach hüpften sie in der Gegend herum, die berühmten Klatschaktionen blieben fast gänzlich aus, vielmehr zelebrierten sie ihr Gesangsgut mittels mehrerer Strophen und Melodien. Da sah es im proppenvollen Gästeblock schon anders aus. Sarajevos Auftritt war deutlich östlicher geprägt, lange Lieder suchte man beinahe vergeblich, dafür sangen sie teilweise lauter als die wohl etwa doppelt so mannstarke Heimkurve. Die Horde Zla erhielt für dieses Derby 2500 Karten; ein Kontingent, das sie allem Anschein nach vollständig ausfüllten. Zusammen mit ihren Gästen aus Dresden - die Elbkaida-Zaunfahne erblickte das Licht des Grbavica - legten sie einen sehr flotten Auftritt aufs Parkett, dem es an gar nichts mangelte. 

Insbesondere ihre Lautstärke war äusserst bemerkenswert, wenngleich dies mitunter an ihrem Standort in der Ecke der gedeckten Sitztribüne gelegen haben wird. Das Grbavica ist nämlich ein Stadion mit völlig unterschiedlichen Tribünen, das kein einheitliches Erscheinungsbild, dafür aber umso mehr Charakter hat. Die Heimkurve ist sehr weitläufig und besteht aus einem unteren und einem oberen Teil, wobei der obere deutlich grösser und das Heim der Maniacs ist. Gegenüber steht eine überdachte Sitztribüne, die in ihrem Erscheinungsbild stark an das Ruhrstadion in Bochum erinnert. Die eine Seite, auf der eine Lokomotive steht, ist völlig zugewuchert und ein Fortsatz des unteren Teiles der Heimkurve. Die Haupttribüne bildet den kleinsten Teil des Stadions; sie besteht nur aus fünf Sitzreihen und füllt nicht einmal die gesamte Längsgerade aus. Die Kapazität von gut 15000 Zuschauern reicht dennoch aus, denn selten, und nicht einmal beim Derby gestern, ist das Stadion wirklich ausverkauft.

Das Grbavica, das im gleichnamigen Stadtteil in der Mitte von Sarajevo liegt, musste schon mehrfach umgebaut werden. Zuletzt nach dem jugoslawischen Bürgerkrieg, der die Menschen in Sarajevo bis 1996 in Atem hielt. Die sich in einem Talkessel befindende Stadt war von jeder Seite her umzingelt von serbischen Streitkräften, die Sarajevo bombardierten. Dies sieht man heute noch deutlich, selbst im Zentrum der heutigen Hauptstadt von Bosnien und Herzegowina befinden sich noch einige zerschossene Gebäude,  während die Umgebung rund ums Stadion eindeutig davon geprägt ist. Ebenso sieht man entlang der Sniper Alley, die ihren Kosenamen auch während des Krieges bekam, die Spuren des Krieges in Form von Einschusslöchern in aller Deutlichkeit. Beeindruckend und empfehlenswert ist auch der Besuch des Tunnelmuseums in Butmir, wo noch 25 Meter des Tunnels erhalten sind, der damals unter der Start- und Landebahn des Flughafens hindurch vom belagerten bosnischen Teil der Stadt in eine nicht belagerte Vorgemeinde führte. Dieser Weg diente auf der einen Seite zur Versorgung der Stadt und auf der anderen Seite als Fluchtweg aus der Stadt.

Obwohl man Sarajevo seine Vergangenheit - nicht nur den Bürgerkrieg, sondern auch den Kommunismus zuvor - noch sehr gut ansieht, ist es heute eine Stadt, die sich an der Moderne orientiert. Dies sieht man weniger an den Gebäuden als vielmehr an den Jungen, deren Lebensstil sich von unserem nicht gross unterscheidet, wenngleich die finanziellen Möglichkeiten hier deutlich kleiner sind. Das heisst aber auch, dass der Materialismus noch weiter verbreitet ist, denn Markenkleider, Privatwagen und Genussgüter sind auch hier in Hülle und Fülle vorhanden. Eine Ausnahme gibt es auch bei den Gebäuden: Den Avaz Twist Tower, das 2009 eröffnete Redaktionsgebäude der grössten Zeitung Bosnien-Herzegowinas direkt neben dem Bahnhof. Es heisst so, weil es nach oben hin gedreht wurde und damit sehr speziell aussieht. Erreicht man mit dem Lift die Aussichtsplattform auf etwa 140 Metern Höhe, so befindet man sich nicht nur auf dem höchsten Gebäude des Balkans, man kann auch eine hervorragende Aussicht über den gesamten Talkessel Sarajevo geniessen. Man sieht die Wohnsilos entlang der Sniper Alley, den beinahe 2000 Meter hohen Berg Trebevic, die beiden Fussballstadien, die beiden Stadtzentren. Verbunden wird übrigens alles mit einer Tramlinie, die sehr veraltet ist, aber dennoch ein umfangreiches Streckennetz hat. Es besteht zum Teil aus alten Wiener Trams, die sogar noch Wiener Werbungen aus dem Jahr 2004 spazieren fahren, oder sonstigen alten Gefährten. Besonders auffällig im Fahrzeug-Recycling sind aber die alten VBSG-Trolleybusse, die hier verkehren.

Beide Stadtzentren deshalb, weil es in der Tat zwei sind: Die Bascarsija und die Ferhadija. Sie unterscheiden sich fast wie Tag und Nacht, befinden sich aber direkt nebeneinander, was einen der grossen Reize von einem Besuch in Sarajevo darstellt. Die Bascarsija ist der altosmanische Teil der Stadt, in dem man sich fühlt wie im Orient. Es gibt hier Teppichläden, Teeläden, Shisha-Bars und zahlreiche Moscheen, selbst Alkohol ist hier verpönter als im restlichen Sarajevo. Es ist ein sehr schöner, herausgeputzter Stadtteil, mit dem kein anderer hier konkurrieren kann. Nicht einmal die Ferhadija, das altösterreichische Zentrum von Sarajevo. Direkt nach der Gazi Husrev-Begovic-Moschee sieht es auf einen Schlag anders aus als zuvor, und man wähnt sich eher in Wien als wie zuvor in Istanbul. Hier ist viel mehr auf Konsum angelegt, westliche (primär österreichische) Ketten buhlen um die Gunst der Konsumenten und auch die Gastronomie hat hier ein anderes Angebot. Die Häuser sind aber auch hier alt und zumeist gut erhalten, was den Streifzug durch die Stadt sehr interessant und angenehm gestaltet.

Angenehm ist es aber sowieso in Sarajevo. Die Balkanstaaten geniessen in unseren Breitengraden keinen guten Ruf, ausser bei den Leuten, die schon einmal da gewesen sind. Denn wer sich einmal hierhin begibt, wird sogleich einen anderen Eindruck erhalten: Die Städte sind schön und gut gepflegt, die Leute stets freundlich und herzlich, Sicherheitsbedenken muss man absolut nie haben und die Küche, wenngleich etwas einseitig, schmeckt auch hervorragend. Einen Besuch in Sarajevo (oder auch anderen Städten) würde ich also sofort und ohne Vorbehalt jeder und jedem empfehlen, der einmal etwas anderes als London, Paris oder Barcelona sehen will und dabei nicht nur das Perfekte sucht, dabei wird man in Sarajevo nämlich nicht fündig. Die Stadt hat aber dennoch einiges zu bieten - und wenn man dabei gleich noch ein Stadtderby sieht, ist der Sarajevo-Besuch ohnehin perfekt.

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Eine Aufstiegsfeier ohne Aufsteiger

Messina vor der Rückkehr in den Profifussball 

Etwas absurd erschien die Szenerie schon, als sich Hunderte vorwiegend jüngere Gelb-Rote Fans auf den Rasen des San Filippo begaben, um mit ihrer Mannschaft den Aufstieg in die Serie C2 zu feiern: Nach dem 0:0 gegen Cosenza war Messina nämlich noch gar nicht aufgestiegen. Der Vorsprung auf den ersten Verfolger aus Kalabrien beträgt nach der Direktbegegnung weiterhin fünf Punkte, wobei noch zwei Spiele auszutragen sind. In Messina ist man offenbar optimistisch, ansonsten hätten die Fans den Rasen nicht in Beschlag genommen. Das letzte Spiel gegen das bereits abgestiegene Nissa, das unterdessen nur noch aus Juniorenspielern besteht, wird nicht mehr ernst genommen. Kaum auszudenken, was auf der sizilianischen Seite des Stretto los wäre, wenn man die folgenden beiden Spiele verlieren und schlussendlich doch noch Cosenza aufsteigen würde.

In den 98 Minuten zuvor erweckte Messina nicht den Eindruck, um jeden Preis aufsteigen zu wollen. Die Giallorossi waren mehr auf Sicherheit bedacht, wollten Cosenza keine Torchancen zugestehen und auf gar keinen Fall Gefahr laufen, das Spiel und damit auch den Fünf-Punkte-Vorsprung auf den direkten Konkurrenten zu verlieren. Einige Chancen hatten die Gastgeber schon, aber abgesehen vom wohl regulären, aber abseits aberkannten Treffer von Corona sowie einem Pfostenschuss zu Beginn des zweiten Spielabschnitts agierten sie viel zu wenig entschlossen, viel zu wenig zwingend. Immer und immer wieder bissen sie sich die Zähne an der aufsässigen und massierten Fünferkette Cosenzas aus. Die Gäste wollten nach einem dreivierteljährigen Aufstiegskampf gegen Messina nicht als Sparring-Partner für die Aufstiegsfeier der Hausherren hinhalten. Und die Sizilianer machten ihnen den Gefallen, den Sieg nicht mit letzter Konsequenz anzustreben.

Dabei wäre alles angerichtet gewesen für das grosse Fussballfest: Das Stadion war mit 10000 Zuschauern fast ausverkauft, die Heimkurve schien aus allen nähten zu platzen und auch Dario von der Gioventù Giallorossa zeigte sich vor dem Spiel guten Mutes, "dass wir nach Jahren des Leidens endlich wieder feiern dürfen. Heute ist unser Tag!" Es ist noch nicht so lange her, da spielte Messina in der Serie A, empfing Juventus und Milan statt Palazzolo Acréide und Gelbison Cilentovallo. Doch lange dauerte die Ära der Franza nicht; die Finanzblase platzte, der Verein wurde zwangsrelegiert und stand in der Serie D vor einem Neubeginn. Mangels Geldgebern darbte der Verein in der Fünftklassigkeit vor sich hin, ohne Aussicht auf Besserung. Erst seit dieser Saison ist wieder ein seriöses Projekt vorhanden, um den Profifussball nach Messina zurück zu bringen, was zu gelingen scheint - auf Kosten von Cosenza. Die Rot-Blauen spielten in jüngster Vergangenheit kaum zwei Saisons in Folge in der gleichen Liga und gingen innerhalb von fünf Jahren gleich zweifach Pleite. Womit die Wölfe im Buch der alltäglichen Verrücktheiten des süditalienischen Fussballs gleich einige Seiten geschrieben haben.

Eine Seite ist sicherlich auch für das Stadio San Filippo reserviert. Im Jahr 2004 unter Franza war man in Messina stolz, als einen der ersten Vereine Italiens ein neues Stadion eröffnen zu dürfen. Gut 40000 Zuschauern bietet der Tempel im gleichnamigen Stadtteil Platz, die Tribünen sind nahe ans Feld heran gebaut und die Sicht ist von jedem Sitzplatz aus optimal. Doch der Lack blättert ab. Um die Eingänge zu den Tribünen wächst Unkraut, von aussen sieht es aus wie eine Kaserne. Die Sitze sind verblasst und lassen die satten Farben der Zeit um die Eröffnungsfeier nur noch erahnen. Hinter der Haupttribüne hat jemand zerlegte und ganze Kühlschränke entsorgt. Aufgrund neuer Stadiongesetze sind nur noch die Hälfte der Haupttribüne sowie die Heimkurve benutzbar, das Fassungsvermögen wurde auf gut Zehntausend runter geschraubt. Derweil hat der Staat den Fans aus Kalabrien die Reise zum Spitzenspiel nach Messina untersagt. Vor dem Gästesektor prangt ein Transparent mit der Aufschrift "Es reicht mit Verboten, wir wollen reisen!" Von Auswärtsfahrverboten sind auch die Messinesi oft betroffen. Auch dem nächsten Spiel in Ragusa, wo hin nun die Aufstiegsfeier verschoben wurde, dürfen die Giallorossi nicht beiwohnen.

An den Heimspielen verleihen sie dem anonym wirkenden San Filippo viel Leben. Angeführt wird die Kurve von der Gioventù Giallorossa, die weiteren Gruppen heissen Teste Fracidi, NOCS, Lions, Fedelissimi und Uragano Cep. Gemeinsam verzaubern sie den regnerischen Nachmittag, indem sie das Spiel mit einer vielfarbigen Rauchwolke eröffnen und danach ihre Mannschaft leidenschaftlich nach vorne treiben. Lautstärke, Intensität, Abwechslung; Bewegung, Fahnen, Farben: Keine Frage, die Ultras wollten hier gewinnen, den Aufstieg feiern. Bei ihnen war die Stimmung nach dem Schlusspfiff gedämpft, vielen war nicht nach Feiern zu Mute. Zu sehr sind sie gezeichnet von früheren Illusionen, zu tiefe Spuren haben die fünf Jahre sportliche Bedeutungslosigkeit hinterlassen. Zurück im Auto erklären uns die drei Kollegen der Gioventù, dass sie erst feiern, wenn die Mathematik den Aufstiegskampf definitiv besiegelt. Die lange Fahrt durch Messina ähnelt der Hinfahrt in keinster Weise - keine laute Musik mehr, kein Bier mehr, keine Liedchen mehr. Die drei waren enttäuscht, denn sie wollen nur noch raus aus der Serie D, raus aus dem Amateurfussball.

Messina ist eine Nummer zu gross dafür. Nicht so Leonfortese. Der Verein aus dem 15000 Einwohner zählenden Städtchen in der zentralsizilianischen Provinz Enna schaffte vor einem Jahr zum ersten Mal den Aufstieg in der Eccellenza, die sechsthöchste Spielklasse. Dort erreichten die Grün-Weissen den angestrebten Ligaerhalt drei Runden vor Schluss mit Bravour. Kein schlechtes Début für die beste Mannschaft der Provinz, da Enna von einem unseriösen Investor an die Wand gefahren wurde. Das letzte Heimspiel 2012/13 verkommt so zu einem Freundschaftsspiel, da Gegner Akragas das Saisonziel, den Aufstieg in die Serie D, auch schon realisiert hat. Akragas stammt aus der Tempelstadt Agrigento, eine Provinzhauptstadt an der Südküste Siziliens, und spielte früher im Profifussball mit. Seit gefühlten Ewigkeiten ist dies aber nicht mehr der Fall, sodass die immer noch zahlreich vorhandenen Fans den Aufstieg in die fünfte Liga feiern wie eine Meisterschaft.

Leonforte ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum zu erreichen. Da gibt es im Dörfchen Pirato zwar einen Bahnhof, dieser ist aber acht hügelige Kilometer vom Zentrum entfernt und Anschlussmöglichkeiten gibt es keine. Diese erwarteten wir an der nächsten Station, in Enna. Doch der Bahnhof der Provinzhauptstadt war verwaist, nur über einen Aufkleber an der Wand war die Telefonnummer eines Taxiunternehmens zu erfahren. Michele Russo stellte am Telefon klar, dass er nicht mit dem Taxi, sondern mit einem blauen Mercedes kommen würde. Das Taxi sei gerade beim Mechaniker im Service. Russo ist ein selbständiger Taxifahrer, der auf seiner Visitenkarte lieber einen Tunnel als die pittoreske sizilianische Landschaft anbietet. Er fährt uns nach Leonforte und von dort auch wieder zurück; auch die Rückfahrt fand im Mercedes statt. Wir zweifelten die Existenz eines offiziellen Taxis zwar an, schlussendlich war er aber ein guter Gastgeber, pünktlich und zuverlässig, man ist sich das in Süditalien gar nicht so gewohnt.

Samstags um zwölf scheint ganz Leonforte auf den Beinen. Die Bars sind gefüllt, auf den Trottoirs sitzen ältere Herren und Gemüsehändler plärren von ihren Wagen. Während die Sonne auf die Piazza niederbrennt erfreut der Duft der Orangenbäume das Gemüt. Kaum ein Tourist scheint sich je in dieses spektakulär auf einem Hügel gelegenen Nest verirrt zu haben. Schon gar nicht für ein Fussballspiel. Uns war der Reiz des Unbekannten in der globalisierten, berechenbaren Fussballwelt eine Reise Wert, zumal der Abstecher nach Leonforte daneben einen Einblick in einen Ort gewährte, an den man sich nicht mal so per Zufall verirrt. So waren auf den Strassen mindestens drei Viertel der Menschen männlichen Geschlechts, da die Frauen zu dieser Zeit in der Küche standen. Und ab dreizehn Uhr dreissig war das Städtchen beinahe menschenleer. Es gab Mittagessen, und danach Siesta.

Gut 300 Menschen verzichteten auf die Siesta und begaben sich ins Stadion, um die Saisondernière der erfolgreichen Löwen anzuschauen. Dabei wurden sie zunächst Zeugen von einem Spektakel der ganz anderen Art: Es begann zu regnen und endete in einem heftigen Gewitter, dessen Niederschlagsmenge sogar die Durchführung des Spiels zu gefährden schien und dazu führte, dass sich die Strassen mangels Schächte in reissende Bäche verwandelten. Die Spieler hatten dann trotzdem den Mut, sich für die Partie aufzuwärmen, wenn auch mit etwas Verspätung. Aber es ging ja um nichts mehr, Leonforte-Akragas war für beide Mannschaften Kür. Sizilianische Hektik suchte man also vergebens, harte Zweikämpfe waren genauso eine Seltenheit wie spielerische Glanzlichter. Grün-Weiss und Blau-Weiss in rosarot trennten sich 1:1, der Endstand spiegelt das Kräfteverhältnis auf dem Platz wieder.

  Mehr Unterhaltung als die Spieler erregten die Gästefans, allerdings dauert ihr Auftritt auch nur eine Halbzeit lang. Sichtlich gelöst betreten die gut 30 Männer aus Agrigento das Stadion, wo sie an der Seite der Haupttribüne Platz nehmen. Zu Beginn zünden sie riesige Rauchdosen, womit sie ihren Sektor in orange hüllen und feuern zwei Raketen ab, wobei eine davon ein Blindgänger war und am Spielfeldrand endete. Ihre Lieder erzählen von Alkoholexzessen, von der Freude, endlich in die Serie D zurückzukehren, vom Stolz, Agrigentos Farben in der Weltgeschichte zu präsentieren und vom Hass gegenüber dem Erzrivalen aus Licata, dem man in der nächsten Saison in der D über den Weg laufen wird. In der Eccellenza gibt es nämlich nicht viele Spiele, in denen sie sich mit gegnerischen Fans messen können. Auch Leonfortese bildet keine Ausnahme; hier gibt es nur einen Pensionär, der zu Beginn grünen Rauch zündet, ein Megaphon dabei hat und die Tribüne mit zwei Böllern zum Erzittern bringt.

Zwar nicht in der Auslebung davon, aber im Vorhandensein seiner Fussballleidenschaft befindet er sich in Sizilien in guter Gesellschaft. In nahezu jeder Bar läuft stets Fussball, das Sonntagabendspiel zwischen Juventus und Milan war geradezu ein Strassenfeger. Man ist primär Juventus-Fan auf der Insel. Kommen die Bianconeri nach Sizilien, sind die Gästeblöcke gefüllt, und dies nicht mit Fans aus Turin. Auch an einem Balkon bei der Piazza in Leonforte findet man eine Juventus-Fahne. Trotzdem hat jeder Sizilianer noch einen zweiten Verein, sie interessieren sich stark für die Geschicke der Clubs ihrer Heimat. Da diese in letzter Zeit, abgesehen von Catania und bedingt Palermo, nicht sonderlich erfolgreich waren und beinahe alle einen finanziellen Kollaps erlebten, litt die Zuschauerpräsenz in den schäbigen Stadien extrem. Volle Stadien in unteren Ligen findet man (auch) hier nicht mehr, das ist Geschichte - und dies wohl irreversibel, volle Kurven wie bei Messina-Cosenza bilden nur eine vorübergehende Momentaufnahme. Es ist nicht davon auszugehen, dass der sizilianische Fussball in seiner breiten Gesamtheit demnächst mehr Erfolg haben wird, dennoch ist eine Reise auf diese Insel immer zu empfehlen. Wer authentische Leidenschaft für das Spiel mit dem runden Ball sucht, ist hier am richtigen Ort. Und wer dazu noch hervorragend speisen und eine atemberaubende Landschaft geniessen möchte, wird hier vollends auf seine Kosten kommen. Es ist immer schwer, Sizilien wieder zu verlassen...

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Ein Streifzug durch verschiedene Fussballwelten

Wenn ein Fussballfan wie ich eine grössere Reise tut, ist von Vornherein klar, dass auch das eine oder andere Spiel mit dem runden Ball auf dem Programm steht. Bei der Planung spielte Fussball nur eine marginale Rolle, das Gerüst der Route wurde quasi vollumfänglich ohne den Einbezug von Spielplänen gestaltet, zumal viele noch gar nicht erschienen waren. An einigen Orten wurde auf Zufall spekuliert ("In Kuala Lumpur wird an einem Wochenende schon irgendwas spielen"), in Laos wurde mangels Informationen (und Reiz) ganz auf Fussball verzichtet, richtig geplant war nur das Derby in Kalkutta, wobei dort die Planung etwas kompliziert verlief. Trotzdem sind schlussendlich in zehn Wochen 13 Spiele zusammengekommen, verteilt auf sieben verschiedene Länder; von Australien über Südostasien bis in die Emirate - ein Streifzug durch komplett verschiedene Fussballwelten. 

Die Stadt Kuala Lumpur war mir aufgrund einer vorherigen Reise schon bekannt, zudem war es unglaublich heiss, einen Tag nach dem Temperaturschock von rund 35 Grad, den ich zwischen Frankfurt und KL erlebte. Der Rhythmus war noch nicht richtig eingependelt, der Kopf noch etwas abwesend - da kam es gerade richtig, dass ich in der Zeitung per Zufall erfuhr, dass am Freitag der Reise die Partie zwischen Kuala Lumpur und Sabah anstand. So fuhr ich mir der LRT nach Maluri und ging von dort aus rund anderthalb Kilometer zu Fuss zum Stadion im Stadtteil Cheras, der im Südosten von KL liegt. Die Spielstätte war nicht sehenswert, es war ein typisches Leichtathletikstadion ohne jeglichen Charme, wo sich auch nur ein paar Hundert Unentwegte einfanden, die sich den Vergleich zwischen Festland- und Borneo-Malaysia zu Gemüte führten.

Die Zuschauer bekamen ein abwechslungsreiches Spiel zu sehen, das nach einem Auf und Ab schlussendlich mit 3:2 an die Hausherren ging. Auf den Tribünen wurde das Ganze eher gemächlich angegangen, die Handvoll Heimfans vor dem Fetzen "Kuala Lumpur bis in den Tod" erschienen erst nach einer halben Stunde und liessen danach auch eher selten von sich hören, dennoch hatten sie einige schöne Gesänge in ihrem Repertoire. Den Sieg feierten sie dann mit einigen Fackeln. Dass der Gegner keine Heerscharen an Fans mitbringen würde, war wenig überraschend: Sabah stammt aus der gleichnamigen Provinz mit der Hauptstadt Kota Kinabalu und liegt im Norden von Borneo. Immerhin fanden sich gut zehn fleissige Supporter hinter der Zaunfahne der North Borneo Ultras ein und belebten die Leere der Tribünen des Cheras Bola Sepak Stadium. Die erste Portion malaysischen Fussballs war damit eingenommen, unter dem Strich war es eine lustige Angelegenheit, zumal meine Erwartungshaltung tief war und ich nur positiv überrascht wurde. Die schönste Überraschung des Spiels war die Bekanntschaft Andrews, der mir viele interessante Details über den malaysischen und südostasiatischen Fussball mit auf den Weg gab, sodass ich doch mit etwas mehr Ahnung zum nächsten Spiel reiste.

Dieses war dann das Eingangs erwähnte "Irgendwas wird schon spielen in KL", wenngleich das Spiel genau genommen in der Vorstadt Shah Alam stattfand. Die Grossregion um die malaysische Hauptstadt heisst Klang Valley und erstreckt sich über zahlreiche Kilometer und Städte. Über zehn Millionen Menschen leben hier in Condos, die mal besser und mal schlechter gestellt und erreichbar sind. Eine der grösseren Vorstädte ist Shah Alam, wo ein riesiges Fussballstadion steht. Dieses ist die Heimat vom Selangor FA, Selangor heisst die Provinz rund um die Hauptstadt. Selangor traf hier auf Pahang, den Verein aus Kuantan, 275 Kilometer von der Spielstätte entfernt. Dies ist für asiatische Verhältnisse keine riesige Distanz, sodass die Gästefans schliesslich etwa einen Sechstel der 15000 Zuschauer im riesigen Rund ausmachten.

Auch hier gab es wieder eine abwechslungs- und torreiche Partie zu sehen, die ebenfalls 3:2 ausging. Die Gastgeber überfuhren den überraschenden Tabellenführer zu Beginn des Spiels förmlich, die Gäste kämpften sich aber noch in der ersten Halbzeit zurück, sodass es beim Stand von 2:2 in die Pause ging. Erst eine Viertelstunde vor Spielende gelang den Gelb-Roten dann der alles entscheidende Treffer, gefolgt von einem epischen Torjubel. Der Grossteil der Heimfans fand sich auf der Seite ein, von dort aus machten sie auch ab und zu etwas Lärm. Hinter dem Tor befand sich die Gruppe UltraSel, die offensichtlich von den UltrAslan (Galatasaray) inspirierten Fans der Gastgeber. Sie machten sich zur Aufgabe, die Mannschaft auf eine andere Art zu unterstützen als das Seitentribünenvolk, und auch im Gästeblock gab es mit der Elephant Army ein Grüppchen, das Abseits der grossen Menge stand und ihr eigenes Süppchen kochte. Im Nachhinein sollte sich herausstellen, dass sich diese Gruppen stark an den indonesischen Supportstil anlehnen. Nach dem Spiel folgte dann die fast einzige reisetechnische Herausforderung: Es gab keinen Zug mehr zurück von Batu Tiga nach KL Sentral, sodass für die 25 Kilometer ein Taxi aufgetrieben werden musste, was bei der zentrumslosen Vorstadt gar nicht so einfach war. Nach drei Kilometern Fussmarsch fand ich dann eines, und sieben Franken sowie 30 Minuten später war ich wieder in der coolen Matahari Lodge.

Es zog sich wie ein roter Faden durch die ganze Tour, dass die Stadien meist hoffnungslos zu gross waren. Mehrfach traf ich auf Arenen mit einem Fassungsvermögen von über 70'000 Zuschauern, die in der Regel schwach ausgelastet waren. So auch das Rajamangala Nationalstadion, das im Norden von Bangkok im Stadtteil Huamark liegt. Es entzieht sich meiner Kenntnis, wieviele Zuschauer es sonst bei Spielen der thailändischen Nationalmannschaft hat, beim Spiel zwischen Thailand und Kuwait waren aber nur gut 15000 zugegen. Hinter beiden Toren gab es zu Beginn des Spiels eine Blockfahne mit der Nationalflagge Thailands; auf der Seite nahmen 150 Kuwaiter Platz, die sich bei den drei Toren ihrer Mannschaft jeweils fähnchenschwenkend von ihren Plätzen erhoben. Kuwait gewann das Spiel mit 3:1, was dem thailändischen Nationaltrainer Winnie Schäfer gar nicht passte, wild gestikulierend stapfte der ehemalige Kult-Trainer des KSC nach dem dreifachen Pfiff des Unparteiischen von Dannen. Es war aber auch wirklich ein schmeichelhafter Sieg für den Golfstaat, da Thailand technisch die deutlich feinere Klinge führte, es aber mehrfach verpasste, den Ball auch in Richtung Tor zu bringen. "In Schönheit sterben" sagt man dem im Fussballjargon.

Länderspiele gehörten aber noch nie zu meinen Favoriten, an Thailand gegen Kuwait lief ich auch mehr per Zufall heran, da ich am nächsten Morgen einen Flug hatte. AirAsia brachte mich von Bangkok nach Kalkutta, im Nachhinein die grösste Reizüberflutung der gesamten Reise. Es war ein prägendes Erlebnis, wobei im Nachhinein vier Erkenntnisse überwiegen. Erstens war es unglaublich, was für ein Chaos und was für eine Armut man in dieser Stadt zu sehen bekommt. Zweitens die Tatsache, dass die Inder ein gastfreundliches Volk sind, obwohl sie für jeden Gefallen Geld wollen. Trotzdem waren sie jederzeit hilfsbereit und halfen einem, sich in diesem Strassengewirr mit ständig stehendem Verkehr zurecht zu finden. Drittens leidet das indische Essen zu Unrecht unter einem schlechten Ruf, wenngleich man den Strassenküchen vielleicht nicht zu sehr vertrauen sollte, oder zumindest darauf beharren sollte, dass auch alles ordentlich durchgekocht wird. Viertens: Indischer Fussball ist absolut für die Füchse. Ein so schlechtes Spiel wie das Kalkutta-Derby zwischen Mohun Bagan und East Bengal ist mir in zwölf Jahren Fussballreisen noch nie untergekommen. Das Spiel endete folgerichtig torlos Unentschieden, es ist aber auch schwer, bar jeglicher Technik ein Tor zu erzielen, während die Zerstörung des Spiels viel einfacher ist und hier zur Perfektion zelebriert wurde. 

Aber ganz ehrlich, wegen dem gespielten Fussball reiste ich nicht nach Indien. Vielmehr war es die Neugierde, ein Spiel in einem völlig fussballfremden Land beizuwohnen; einem Spiel, das seit jeher die Massen in ihren Bann zieht und gelebt wird wie kein zweites auf diesem Subkontinenten.

Bei grossen Spielen ist es wie beim Flugreisen: Kommt man zu spät, geht auch ganz sicher noch etwas schief; kommt man zu früh, läuft alles wie am Schnürchen. Nachdem ich 300 Rupien, einen guten Fünfliber, berappt hatte, befand ich mich schon 90 Minuten vor dem Anpfiff im weiten Rund genannt Yuba Bharati Krirangan Stadium, das 120'000 Zuschauern Platz bietet. Unter Dauerberieselung einer sich ständig wiederholenden Vereinshymne näherte sich der Beginn schleppend, und als ich definitiv Kopfweh hatte, wurde endlich angepfiffen. Bis dahin wurde ich Zeuge davon, dass sich das Oval nur spärlich füllte. 25'000 Zuschauer leisteten sich den für indische Verhältnisse übertrieben teuren Eintritt, der nur so hoch war, weil das letzte Derby nach Ausschreitungen abgebrochen wurde. Von Ausschreitungen war hier nichts zu sehen, nicht mal anderweitig gab es irgendwelche Emotionen. Die Fans verfolgten das Geschehen im Sitzen und erhoben sich nur, wenn sich der Ball dem Tor näherte. Eine sonderbare Fussballwelt dieses Indien, wo Derbys im Sitzen geschaut werden und das Fussballspiel trotz über einer Milliarde Einwohner keinerlei Niveau besitzt.

Eine ganz andere Welt ist Indonesien. Indonesien ist das einzige Land der Welt, das zwei höchste Fussballligen kennt; die Indonesia Super League sowie die Premier League. Die PL wurde (Irrtum vorbehalten) als eine Art Piratenliga gegründet, da sich einige Vereine mit dem Verband unwiderruflich verkracht hatten. Nun gibt es also zwei Ligen, und es ist gar nicht so einfach, hier den Überblick zu behalten: Mannschaften mit den Namen Persija Jakarta oder Arema Malang gibt es in beiden Ligen, sie sind aber nicht die gleichen Teams und haben auch nicht den gleichen Zuschauerzuspruch. So war ich im Vorfeld froh, dass mich Ajay aus Jakarta über die vorliegenden Verhältnisse aufklärte, und mir zusicherte, dass die hier aufeinandertreffenden Mannschaften Persija Jakarta und Arema Malang auch die "richtigen" Mannschaften waren und von ihren Fangruppen namens Jakmania und Aremania unterstützt würden.

Diese liefern dann auf den Rängen des erneut riesigen Stadions (Fassungsvermögen 100'800) Gelora Bung Karno eine unglaubliche Show ab, sodass mein Blick mehr über die Tribünen schweifte als über das Spielfeld. Das ganze Stadion wurde mit Zaunfahnen behangen, wobei orange und blau-weisse Fahnen teilweise wild durcheinander hingen. Die beiden Fanszenen verbindet eine langjährige Freundschaft, die das Gegenstück zur Achse Persib Bandung (Viking) - Persebaya Surabaya (Bonek), den jeweiligen Derbygegnern, bildet. Stimmungszentren gab es im Stadion mehrere; die Kurve direkt neben uns, die Curva Nord Persija, der Hauptsektor der Jakmania, ein kleinerer direkt daneben sowie der Gästeblock, der von über 5000 Fans aus dem 828 Kilometer entfernten Malang bevölkert war. Und wie gesagt: Es war ein schieres Spektakel; Gesänge, Fahnen, Fackeln, Armbewegungen, Tanzeinlagen. Alles war hier zu sehen.

Während Persija Jakarta am Tabellenende rumkrebst, da es wie so mancher Hauptstadtklub auf dieser Welt finanziell am Krückstock geht, wird Arema als Titelkandidat gehandelt. Die Rollen waren klar verteilt, so deutlich war es auf dem Feld aber nicht. Es war kein grosser Unterschied zwischen den beiden Mannschaften zu sehen; beide waren technisch eher limitiert, das Spiel lebte von der Spannung und gelegentlichen gelungenen Kabinettstückchen der Akteure. Zu den besten auf dem Feld gehörte Aremas Stürmer Cristian Gonzalez, ein 37jähriger Uruguayer, der in Indonesien sein spätes Glück gefunden hat und seine Mannschaft hier einmal mehr zum Sieg führte. Mit 2:1 gewann Malang eine mittelmässige, aber interessante Partie.

Indonesischer Fussball bedeutet auch weite Reisen. Das nach Einwohnern viertgrösste Land der Welt ist auch flächenmässig gross, erstreckt sich über mehrere tausend Kilometer in die Breite. So kommt es, dass im Extremfall 5000 Kilometer Luftlinie zurückgelegt werden müssen für ein Ligaspiel - von Medan auf Sumatra nach Jayapura auf Papua ist es gleich weit wie von St. Gallen nach Kabul. 

Etwas weniger Distanz, aber immer noch einen Flug von Borneo nach Java, musste Persebaya Surabayas Gegner Bontang zurücklegen. In Surabaya wurde eine Woche nach dem Spiel in Jakarta die Premier League - Saison angepfiffen. Surabaya ist da aber reichlich gut gemeint; befindet sich das Gelora Bung Tomo doch 25 Kilometer ausserhalb der zweitgrössten Stadt inmitten von Wasserfeldern. Rund herum hat es ausser einer Moschee rein gar nichts, die nächsten Ortschaften wie Benowo oder Romokalisari befinden sich bereits einige Kilometer vom Stadion entfernt und sind nicht an das öffentliche Verkehrsnetz angeschlossen. So bezahlte ich halt einen Taxifahrer für stundenlanges Nichtstun und zweimal drei Viertelstunden Fahrt, der finanzielle Aufwand lohnte sich schlussendlich aber voll und ganz.

Zu Spielbeginn fanden sich erst einige Tausend Zuschauer im Stadion ein. Die Bonek, die berüchtigtsten Fans Indonesiens, schienen ihre Mannschaft im Stich zu lassen, die aktiven Grüppchen waren verteilt und teilweise nicht einmal in dreistelliger Anzahl dabei. Bis zur Halbzeit füllte sich das Stadion aber mehr und mehr, sodass der Unterrang schlussendlich beinahe voll war und auf drei Seiten ordentlich Gas gegeben wurde. Ich könnte an dieser Stelle nochmals aufschreiben, was den Stadionbesuch in Jakarta so ausgemacht hatte - es war nämlich genau gleich, vielleicht nochmals eine Spur ausgefallener und exotischer, was die Fans hier zeigten. Beeindruckend war vor allem die Lautstärke, die erreicht wurde, wenn alle drei Fanblöcke an einem Strang zogen, da standen einem schon mal sämtliche Arm- und Nackenhaare zu Berge.

Auch auf dem Feld wurde ein Feuerwerk gezündet. Nachdem es Persebaya in der ersten Hälfte trotz drückender Überlegenheit noch nicht gelungen war, ebendiese in Tore umzumünzen, so liessen es die Grün-Weissen aus Ostjava nach dem Seitenwechsel ordentlich krachen: Nach dem ersten Tor war der Widerstand Bontangs gebrochen, schlussendlich ging das Spiel gleich mit 5:0 an die Gastgeber, die aufzeigten, dass Fussball auch in Indonesien kein Fremdwort ist.

Indonesien war insgesamt die faszinierendste Fussballwelt, die ich auf dieser Reise erleben durfte. Da gibt es ein Ligasystem, das man ohne fremde Hilfe nicht überblicken kann; ein riesiges organisatorisches Chaos, wobei sich Zeitung und Internet nicht einig sind, wann der Anpfiff auch wirklich stattfindet; alte, aber riesige Stadien an unmöglichen Lagen; aber vor allem faszinierende und fanatische Fans, die jedem Spiel in diesem Land einen würdigen Rahmen verleihen und die Partie singend, klatschend und tanzend verbringen. Das Ganze hat dabei eine ganz andere Ausstrahlung als beispielsweise in Japan, wo der Support auch laut und organisiert ist. Hier wirkt alles deutlich authentischer, chaotischer, viel fanatischer. Man hat den Eindruck, bei Jakmania, Aremania oder Bonek handelte es sich um Jugendbewegungen, die weit über den Fussball hinausgehen und die Massen bewegen. Die Indonesier strahlen dabei eine Lebensfreude aus, die mich in ihren Bann gezogen hat - das war zweifelsohne nicht mein letzter Besuch in diesem fantastischen Land.

Thailand ist demgegenüber eine andere Kultur. Die Jungen sind deutlich konsumorientierter als in Indonesien, auch viel karrierebewusster. Zudem wirkten sie auf mich friedlicher, ruhiger als die Indonesier. Und die ganze Fussballkultur ist deutlich mehr Event-Industrie als auf dem Inselstaat. Muang Thong ist der Krösus der thailändischen Premier League, die sportlich wohl bedeutendste Liga ASEANs. Die Vereine, allen voran Muang Thong und Buriram United, haben mittlerweile Geld und können sich abgehalfterte Stars wie Roland Linz oder ewige Talente wie Charyl Chappuis leisten. Die Liga ist in Zwischenzeit sehr populär geworden: Die Vereine organisieren sich, die Stadien werden auf Vordermann gebracht und bei der Inszenierung der Spiele wird schonmal mit beiden Augen auf Deutschland oder die USA geschielt.

So kamen auch wir beim Spiel Muang Thong - Army United in den zweifelhaften Genuss von spielumrahmenden Sponsorenshows und eines Stadions, das mit dem Namen eines Sponsors ausgestattet ist. Ansonsten gibt es nicht viel auszusetzen am Erlebnis hier: Die Ultras Muangthong, die bei ihrer Zaunfahnengestaltung in Franken Inspiration holten, waren laut, hatten wunderschöne Lieder und gefielen mir ausgezeichnet. Ansonsten hatte es noch weitere Stimmungsblöcke im Stadion und auch Gäste hatte es 2-300, aufgefallen sind diese aber nicht.

Von der fussballerischen Qualität her war Muang Thong gegen Army United wohl das beste Spiel der gesamten Reise. Die Thais können sehr gut und schön Fussball spielen, vor allem technisch haben sie einiges drauf. Der Star ist Teerasil Dangda, ein junger Bursche aus Thailand, der auf der Nummer Zehn spielt und die gegnerischen Verteidiger Mal um Mal narrte. Es fehlte aber auch hier, wie schon beim Spiel der Nationalmannschaft, an der nötigen Konkretheit; das heisst, sie kügelten viel zu lange herum, bis sie einmal in den Abschluss gingen. So gab es nur drei Tore, Rot-Schwarz gewann mit 2:1, und das verdient.

Unter die Kategorie Zufall fällt das erste Spiel, das ich in Singapur besuchte. Tanjong Pagar traf auf Harimau Muda, was mich gleich zur Beschreibung der nächsten sonderbaren Welt bringt. Harimau Muda ist die U21-Nati Malaysias, ist in Pasir Gudang unweit der Grenze beheimatet und spielt in der S-League mit. Diese setzt sich aus zwölf Mannschaften zusammen; zehn davon stammen aus Singapur, dazu kommen Harimau Muda und der Brunei DPMM FC. Dass die Malaysier hier mitspielen, ist Teil eines Kuhhandels, dank dem die Singapore Lions XII in der Malaysia Super League mitspielen dürfen, wo sie etwas mehr gefordert werden als in der einheimischen Liga.

In dieser gibt es keine Spieltage wie man dies von allen anderen Ligen der Welt kennt, es finden einfach praktisch jeden Tag ein oder zwei Spiele statt. Ist ja auch kein Problem, weite Auswärtsreisen gibt es im Stadtstaat ohnehin nicht, und vergiftete Fans können so eigentlich jeden Abend an ein Spiel gehen. Da ich auf meinen Vater, der am nächsten Tag ankam, wartete, traf dies nun auch auf mich zu. Vier Stationen von meinem Hostel entfernt befand sich das Queenstown Stadium, es war ein gemütlicher Abendausflug. Das Spiel ging 1:1 aus, besass wenig Niveau und von Fankultur war nichts zu sehen. Am meisten Aufsehen erregten gut zehn gelb gekleidete Malaysier, die ihre jungen Tiger hin und wieder etwas anfeuerten.

Im Jalan Besar Stadium an der Tyrwhitt Road in Lavender werden beinahe täglich Spiele ausgetragen. Abgesehen vom Nationalstadion ist es das grösste Stadion Singapurs, und da es einen Kunstrasen hat, kann hier immer gespielt werden. So auch an diesem Donnerstag, wo das Spiel zwischen den Young Lions und Brunei DPMM auf dem Programm stand. Die Young Lions sind, wie der Name schon verrät, die U-Mannschaft der Lions XII, der Gegner stammte aus dem Sultanat, das auf Borneo liegt, was mit ausgedehnter Reiseaktivität verbunden ist. Dennoch fanden sich einige Fans mit einer Brunei-Flagge im Stadion ein, es liegt aber näher, dass sie selbst in Singapur beheimatet waren. Grund zum Jubeln hatten nur sie: Ihre Mannschaft gewann ein hitziges Duell mit 2:1. Ganz zum Unbill der Fans der Lions, die über die gesamte Spieldauer anständigen Lärm machten. 

Beim Herauslaufen aus dem Stadion nahm ich dann für meine Sammlung ein Ticket vom Boden auf, wobei ich erst später bemerkte, dass jenes für die Partie Singapore Lions XII vs. Kelantan vom Samstag in der Malaysia Super League gültig war. Diese Tickets waren vor dem Spiel auch im Vorverkauf; da hat wohl jemand das falsche weggeworfen nach dem Spiel...

Somit war für mich auch diese Partie noch gebucht. Die Singapore Lions können auf eine grössere Fanbasis zählen als alle anderen Mannschaften des Stadtstaates, und die malaysische Liga versprach auch etwas mehr Niveau als die S-League. Dem war auch so, die gut 6'000 Zuschauer sahen eine intensive, interessante Partie, wobei die Gastgeber die bessere Mannschaft waren. Sie gaben nie auf und wurden schlussendlich mit drei Punkten belohnt, als sie das Spielgerät eine Minute vor Abpfiff dann doch noch über die Linie bugsieren konnten.

Etwa 200 Fans bildeten auf der Gegengeraden einen Supporterblock, dessen Liedgut Eins zu Eins mit demjenigen der Young Lions übereinstimmte, weshalb es auf der Hand liegt, dass die Singamania die Spiele beider Mannschaften verfolgt. Sie sangen ein wenig, während die Hundertschaft an Zuschauern aus dem 725 Kilometern entfernten Kota Bharu das Spiel mehrheitlich im Sitzen verfolgt.

Nicht nur fussballerisch, sondern auch in allen anderen Belangen eine andere Welt als das bisher besuchte, war Australien. Ich gehöre nicht zu den glühendsten Fans von "Down Under", eigentlich hatte ich bis dahin fast kategorisch ausgeschlossen, überhaupt einmal dorthin zu reisen. Ein nicht ausschlagbares Angebot von FlyScoot sowie eine gewisse Asien-Übersättigung führten aber dazu, dass ich mich dafür entschied, eine Woche in Sydney zu verbringen und in die westliche Welt zurück zu kehren.

Sehr westlich ging es auch rund um das Stadion zu, das den gleichen Namen trägt wie jenes in München-Fröttmaning und im Moore Park liegt. Schon lange vor dem Spiel versammelten sich die Fans um das 80'000 Zuschauer fassende Oval; sie sangen, assen, tranken, man fühlte sich wie in Deutschland oder England, wenngleich ebenjene Länder ein fussballkompetenteres Publikum aufweisen als Australien. Aber nicht nur das Publikum, auch die Spieler bewiesen, weshalb Australien bisher fussballerisch nicht über kleinere Ehrenmeldungen wie eine gelegentliche WM-Qualifikation hinaus gekommen ist. Athletisch und konditionell waren die Spieler absolut top, mit dem Ball am Fuss war dann aber Ende Feuer. Der italienische Weltmeister Alessandro del Piero, seit dieser Saison bei Sydney unter Vertrag, war technisch mit grossem Abstand der beste Spieler auf dem Feld, der grösste Lapsus unterlief aber auch ihm, als er einen Penalty vergab. Bei Sydney FC gegen Melbourne Victory ging keine Mannschaft als Sieger vom Feld, es endete 1:1.

Der grösste Sieger des trotzdem kurzweiligen Abends war die Heimkurve mit dem Namen "The Cove". Was die rund 2000 Fans im Heimblock zeigten, sprengte meine Erwartungshaltung vollends und begeisterte mich mit der Zeit immer mehr. Klar ist hier alles kopiert (bei uns nicht?), klar ist Australien nicht das Zuhause der fanatischsten Fans der Welt, klar war es ein Topspiel vor schöner Kulisse am Samstagabend, aber The Cove überzeugte durch Kreativität und Geschlossenheit, wie ich es in Australien zuletzt erwartet hätte. Da gingen die 300 Gästefans aus Melbourne ganz unter, wenngleich die dortige Blue & White Brigade ja sogar schon in deutschen Fanzines abgebildet wurde. Trotz langer Führung konnten sie sich aber nur selten Gehör verschaffen, blieben das ganze Spiel durch relativ blass.

Am Sonntag war dann St. Patrick's Day, was nur für eine gewisse Zeit lustig ist. Die Parade mit hunderten besoffenen Australiern hält man nüchtern nicht mehr als zwei Stunden aus; gut, dass es stündliche Züge nordwärts gibt. Einer davon brachte mich in fünf Viertelstunden Fahrzeit nach Gosford, einem Städtchen zwischen Sydney und Newcastle. Dort trafen im piekfeinen Bluetongue Stadium die Central Coast Mariners auf Brisbane Roar, also erneut ein Spiel, wo die Gästefans einen weiten Anfahrtsweg hatten, wenngleich es natürlich keineswegs an die 5200 Kilometer Luftlinie zwischen Perth und Wellington auf Neuseeland rankommt.

Es war eine ziemlich ruhige Geschichte, die sich in Gosford abspielte. Die Gastgeber hatten das Geschehen im Griff, gewannen aber nur 1:0, da nach Sydney und Melbourne auch sie unglaubliche Mühe mit der Chancenauswertung bekundeten. Brisbane kam schon gar nicht zu grossen Möglichkeiten, und auch neben dem Feld waren die Gäste aus Queensland nicht aufregend. Die fünfzehn Gästefans fielen viel mehr durch ihre manifeste Trunkenheit als durch Unterstützung ihrer Mannschaft auf, sangen aber hin und wieder ein lustiges Liedchen, um doch noch zu zeigen, dass sie die lange Reise auf sich nahmen. Da sie keiner akustischen Übermacht gegenüber standen, gelang dies hin und wieder ganz gut. Die Fans der Mariners waren etwa 50 an der Zahl, aber hier war nun wirklich gar nichts interessantes zu sehen. Vielleicht war ich auch einfach zu sehr verwöhnt worden Tags zuvor in Sydney...

Wie Australien gehören auch die Vereinigten Arabischen Emirate zu den bevorzugten Zielen alternder Fussballstars aus westeuropäischen Ligen. In diesen Ländern kann man ohne grossen Druck nochmals viel Geld verdienen, und aufgrund des Niveaus der Ligen fallen die Spieler dann sogar noch positiv auf. Zahlreiche Akteure haben diese Wege schon angetreten, und wenngleich es auch schon in die Hose ging (wie etwa bei Hakan Yakin), ist kein Ende davon in Sicht. Die Tore von Asamoah Gyan und Grafite dominieren derzeit die höchste Liga der VAE, weitere bekannte Spieler sind Matias Delgado, Morimoto, Feindouno oder Alhassane Keita.

In den Genuss ihrer Fussballkünste kam ich nicht, da bei meinem Dubai-Besuch gerade Nati-Pause war. Da die VAE in Abu Dhabi spielten, blieb mir nur noch der Besuch eines Zweitliga-Spiels in Dubais Nachbarstadt und -emirat Sharjah. Dieses ist aber an Dubai herangewachsen, sodass der Hinweg kein Problem darstellte. In Sharjah traf ich auf ein verwaistes Stadion und höchstens 200 Menschen, die mit mir das Spiel Sharjah - Masafi schauen wollten. Die Daheimgebliebenen wussten wohl schon, weshalb sie diese Entscheidung trafen: Niveau war Fehlanzeige, das Schlussresultat 1:0 für die haushohen Favoriten aus Sharjah. Geräusche von den Tribünen gab es abgesehen vom Torjubel keine.

Mit diesem Spiel ging eine höchst abwechslungsreiche Reise durch sieben verschiedene Fussballwelten zu Ende, die sowohl Überraschungen wie auch Enttäuschungen bot, aber zu jedem Zeitpunkt interessant war. Fussball war nicht das Hauptziel der und auch nicht der Hauptgrund für die Reise, dennoch ist Fussball überall eine Verkörperung des Charakters eines Ortes und man lernt Land und vor allem Leute dabei nochmals von einer ganz anderen Seite kennen. Einen Besuch im Fussballstadion - es müssen nicht so viele sein, wie ich dies gemacht habe - lege ich daher allen ans Herz, insbesondere, wenn man nach Indonesien reist!

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Heimweg über Kuala Lumpur und Dubai

Um mich herum surren gerade die Geräter der Inder, die hier nonstop den Boden bohnern. Der Flughafen in Dubai ist eine saubere Angelegenheit, kaum je sieht man irgendwo Dreck oder Abfall, und das obwohl Dubai der grösste Verkehrsknotenpunkt im mittleren Osten darstellt und hier die ganze Nacht durch geflogen wird. Dies betrifft auch mich, da mein Flug Dubai um fünf morgens verlassen wird und ich die Zeit lieber im Flughafen totschlage, als dass ich dafür nochmals ein teures Hotel bezahlen würde. Eigentlich passt die Flugzeit sogar ganz gut, so hatte ich dadurch heute einen zweiten vollen Tag hier, in dem ich mir das moderne Dubai ansah, während gestern die Altstadt im Mittelpunkt stand.

Den letzten Blog verfasste ich von Sydney aus, eine halbe Weltreise von hier entfernt. Auf meinem etwas längeren Heimweg in die Schweiz standen danach noch zwei Stopps auf dem Programm: Kuala Lumpur und Dubai. Nach KL reiste ich nochmals, weil ich meinen Rückflug (ursprünglich geplant bis nach Frankfurt) von dort aus gebucht hatte. Die beiden Flüge bis Kuala Lumpur liefen reibungslos ab, sodass ich mich dann dort befand, wo die ganze Reise ihren Ursprung nahm: In der Matahari Lodge neben der LRT-Station Pasar Seni, im Zentrum von KL. Dort war die Stimmung wie bei meinem Besuch im Januar: Man sass gemütlich zusammen auf dem Balkon und unterhielt sich, fernab dämlichster, oberflächlicher Backpacker-Unterhaltung, gemütlich bei einem Bier über Gott und die Welt. Wirklich ein Gasthaus, das ich jedem empfehlen würde.

Am Mittwoch traf ich dann nochmals auf meinen Freund Andrew, den ich im Januar beim Spiel Kuala Lumpur gegen Sabah kennen gelernt hatte. Andrew ist gerade ziemlich beschäftigt damit, sämtliche Trainings und dann auch das Rennen des Formel 1 - Grand Prix von Malaysia in Sepang zu besuchen, fand aber dennoch Zeit, um mit mir essen zu gehen. Wir taten dies in einem Food Court bei Bukit Bintang, wo ich nochmals eine meiner asiatischen Lieblingsspeisen bekam, Black Pepper Beef, serviert in einem Tontopf. Mit Andrew unterhielt ich mich über viele Sachen, am längsten aber über die aktuellen politischen Querelen in seiner Herkunft im Norden Borneos. In Sabah sind nämlich die Streitkräfte eines selbsternannten philippinischen Sultans einmarschiert; sie erheben Anspruch auf ein Territorium in Nordsabah. So lächerlich dies auf den ersten Blick auch tönt, die Auseinandersetzungen sind es nicht und es gab auch schon mehrere Tote. Ob der "Sultan" mittlerweile zur Vernunft gebracht wurde - auch die Philippinen gaben ihm bei dieser Angelegenheit keinerlei Rückhalt - entzieht sich aber meiner Kenntnis. Am Abend fand dann eine Autogrammstunde mit Lewis Hamilton statt, die Andrew bedeutend mehr als mich interessierte, sodass ich zurück ins Hostel ging.

Dort waren noch einige Sachen zu erledigen; Ausdrucke von Flugbestätigungen, ein Vorarlberg-Bericht, einige Mails und die Wäsche. Dies war nach kurzer Zeit Geschichte, sodass der spassige Teil des letzten Abends in Südostasien beginnen durfte. Und es begann ganz harmlos, indem wir auf dem Balkon etwas Bier tranken. Die zentrale Figur war dabei Hostelmanager Jerry, ein untersetzter Schwede mit Bart und langen Haaren, der nichts von Blättern vor dem Mund hält. So bezeichnete er die Australier als rückständigste Idioten, die in seinem Hause auftauchen, während Deutsche immer überkorrekt seien. Die lustigsten seien ohnehin die Spanier, während die Italiener in der Regel keinen Plan von gar nichts hätten und einfach mal auf ins Getümmel gingen. Nun, er wird eine gewisse Erfahrung diesbezüglich haben, und gepaart mit meiner eigenen Reiseerfahrung konnte ich ihm nicht Unrecht geben. Nach zwei-drei Tiger war dann Feierabend im Matahari 1, wir dislozierten ins Matahari 2, wo vier schwedische Mädchen logierten, die ebenfalls mit Jerry trinken wollten. Der andere Schwede, der rasta-Schotte mit malaysischen Wurzeln und ich gingen mit und spielten dort "Fuck the Dealer", ein Trinkspiel, dessen Effekte (und Ziele) nicht lange auf sich warten liessen. Gut angeheitert führte unser Weg dann noch in die teure, aber unterhaltsame Reggae-Bar, die glaubs am schliessen war, als wir das Lokal dann verliessen.

Das alles hört sich nach einem guten Programm an, vor allem wenn man noch Jetlag hat, und führte am nächsten Tag dann zu einer latenten Schädeldisco, die gar nicht so schnell weichen wollte, wie mir dies lieb gewesen wäre. So unternahm ich halt keinen Ausflug mehr zu den Batu Caves (nächstes mal dann...), sondern vertrieb mir den Tag im Mid Valley City, einer Mall unweit von meinem Hostel entfernt, direkt bei der Station Abdullah Hukum, man muss dazu nur ein Wohnviertel durchqueren, wo man als Tourist eher schräg angeschaut wird, aber wie überall sonst in KL gar keine Angst haben muss. 

Die Leute sind wirklich ausserordentlich friedlich hier, und irgendwie hat es mir diese Stadt absolut angetan, obwohl sie auch eher hässlich und dreckig ist, aber sterile Städte wie Singapur oder auch Sydney üben auf mich lange nicht den gleichen Reiz aus wie ein Kuala Lumpur oder auch ein Bangkok. Nachdem die Uhr dann langsam (endlich) fortgeschritten war und ich etwas Alka-Seltzer eingekauft hatte, um nicht danach im Flugzeug sieben Stunden leiden zu müssen, gings zurück ins Hostel, um dort das Gepäck aufzugabeln, und dann mit dem Super-Schnellzug (51 Kilometer in 28 Minuten) an den KLIA, den Kuala Lumpur International Airport). Danke KL, danke Matahari Lodge - ich komme wieder, irgendwann!

Ursprünglich wäre geplant gewesen, von Kuala Lumpur via Abu Dhabi nach Frankfurt zu fliegen und dann nach Hause zu fahren. Ein billiges Angebot für die Strecke Dubai-Istanbul-Basel von der Pegasus machte dann einen Strich durch die Rechnung, da ich so die Chance erblickte, für relativ wenig Geld einmal die Metropole des mittleren Ostens besuchen zu können, mit dem Gedanken hatte ich ohnehin schon länger einmal gespielt. Die Zeit dort wurde mit zwei Tagen relativ knapp bemessen, hat rückblickend aber durchaus ausgereicht, um sich ein Bild von Dubai machen zu können.

Am Flughafen in KL dauerte es zwar eine Ewigkeit, bis sie meinen Anschlussflug nach Frankfurt streichen und das Gepäck nur bis Abu Dhabi durchchecken konnten, geklappt hats aber doch erfreulicherweise und so befand ich mich keine Stunde nach der Landung bereits im Etihad-Gratisbus (netter Service!) von Abu Dhabi nach Dubai, wo ich um drei Uhr Nachts in meinem Hotel eincheckte. Ich fand über Agoda und dank Agoda-Punkten ein ganz gutes Hotel für eine Fünfzigernote pro Nacht, ein annehmbarer Deal für Dubai, wo die Hotelpreise allgemein sehr hoch angesiedelt sind. Das HoJo war dann ganz in Ordnung, aber auch nur, weil ich ein Zimmer im siebten und obersten Stock erhielt; unten im Hotel befindet sich nämlich ein indischer Nachtklub, dessen Bässe die Zimmerwände der Stöcke eins bis drei wohl ohne Weiteres allnächtlich bis drei Uhr zum Zittern bringen. Da in Dubai Alkohol aber streng reglementiert ist, gibt es ihn nur in solchen Nachtklubs, und beinahe jedes verfügt über einen solchen, da das Spiel mit dem Alkohol nicht nur religiös, sondern vor allem finanziell ein Pakt mit dem Teufel ist, dem sie hier zahlreich unterliegen.

Nach dem langen Flug und der Zeitverschiebung war ich gestern ziemlich geschafft, sodass ich - auch dank dem vorerst sehr trüben Wetter - die Besichtigung des modernen und mich eigentlich mehr interessierenden Dubais auf heute verschob; wer direkt nach unten scrollt, bekommt dort den Text darüber zu lesen. Hier geht es erstmals um die Altstadt (respektive das alte Stadtzentrum), das sich auf beiden Seiten des Dubai Creeks befindet. Auf "meiner" Seite, nahe der Station Al Ghubaiba, gibt es noch nicht allzu viel zu sehen, vielmehr bleibt festzustellen, dass Dubai hier gar nichts Spezielles schien, sondern einfach eine Stadt mit viel Leben, vielen kleinen Geschäften und vollen Strassen ist. So stellt man sich diese Stadt auf den ersten Blick natürlich nicht vor. Ebenfalls hier befindet sich ein Heritage Village, ein auch für die Bevölkerung Dubais eingerichtetes Ebenbild einer Wüstensiedlung, wobei man beim Durchgehen einen Einblick in das Alltagsleben der Wüstenbewohner erhalten sollte. Gelungen ist das den Planern mehr schlecht als recht, die Häuschen und Zelter waren zwar schön anzuschauen, aber gaben nichts her (weder Informationen noch irgend eine Art von Leben).

Mit dem Waterbus kann man den Creek dann überqueren, für angenehme vier Dirham (einen Franken) gelangt man auf die andere Flussseite, wo sich der Stadtteil Deira befindet. In Deira geht es noch lebendiger zu und her als um Al Ghubaiba, was ich auch angesichts des einsetzenden Regens - dem klimadiagramm-mässig einzigen Regentag in diesem Monat - wohlwollend zur Kenntnis nahm, da ebendieser das Leben in den Strassen noch mehr verstärkte, und man dadurch etwas Abkühlung bekam, was im auch zu dieser Zeit heissen und trockenen Wüstenstaat gar nicht so schlecht kam.

In Deira befinden sich dann neben zahlreicher anderer Kleingeschäfte, die vornehmlich durch Inder geführt werden, zwei grössere Märkte, deren Strassen sehr gut gefüllt sind. Da wäre zum einen der Gold Souq, wo wortwörtlich mit purem Gold gehandelt wird (Gramm-Preise sind vor fast jedem Laden ausgeschlagen). Natürlich kann man aber auch jede Menge Schmuck erstehen, wobei auch hier der grösste Teil davon aus Gold besteht. Bekanntlich gibt es ja aber auch noch wichtigere Sachen als Gold, sodass ich mich dort rasch wieder aus dem Staub machte. Der nächste Stopp war der Gewürzmarkt, der nur unweit davon entfernt ist und den Namen Iranian Souq trägt. Dieser gefiel mit bedeutend besser, da dort auch für meinen Geschmack etwas dabei war und es überraschenderweise weniger hektisch zu und her ging als auf dem Goldmarkt. Hier befinden sich sowohl Gross- wie auch Kleinhändler und man kommt zu eher gesalzenen Preisen an die Gewürze des Orients; jeder Laden stellt ein Fest von Farben und Gerüchen dar und ist sehr sehenswert.

Nachdem ich mich dann sattgerochen hatte und ein kleines Souvenir für zu Hause eingetütet hatte, stand dann noch ein letztes Mal auf dieser Reise Fussball auf dem Plan. Eigentlich hätte mir das Nati-Spiel besser gefallen, da dieses aber in Abu Dhabi stattfand, begnügte ich mich mit einem Zweitligakick in der Nebenstadt Al Sharjah, die nach Dubai bereits wieder ein anderes Emirat darstellt (die weiteren fünf sind: Abu Dhabi, Adschman, Fudschajra, Ras al-Chaima und Umm al-Quain). Der Name der Stadt hat übrigens nichts mit dem islamischen Recht zu tun, sondern bedeutet ganz einfach "von der Sonne beschienen". 

Weshalb ich hier so viel darüber schreibe, liegt in der Tatsache begründet, dass der Kick diese Bezeichnung eigentlich nicht mal verdient hatte und das Kalkutta-Derby punkto "eines der schwächsten Spiele meines Lebens" doch noch ernsthaft herausfordert. Was rot-weiss (Sharjah) und grün-weiss (Masafi) hier umherstolperten, war nur wirklich schwer zu unterbieten. Und so belasse ich es hier einfach beim Resultat; die Heimelf gewann dank einem Tor kurz vor der Pause mit 1:0. Zum ganzen Spiel passte die Tatsache, dass ich das einzige Tor der Partie auch noch verpasste - ich war zu sehr mit der fotografischen Verewigung des Sonnenunterganges hinter dem Stadion beschäftigt, es war also nicht das Spiel, das mich vom Hocker gerissen hat. Schwamm drüber, hoppermässig "das Kreuzle mitgenommen" und zurück in die Stadt, um mir dort den Wanst mit Erzeugnissen aus der hervorragenden arabischen Küche vollzustopfen. Auf Bier verzichtete ich danach aber, 5 Franken für ein kleines Heineken in der Hotel-Minibar waren es mir einfach nicht Wert.

Wer von Dubai spricht, meint damit aber nicht üble Zweitligakicks in der Nebenstadt, Strassenessen in Al Ghubaiba und auch nicht wirklich Gold und Gewürze kaufen in Deira. Wer von Dubai spricht, der spricht vom modernen, luxuriösen Teil dieser von unbeschreiblichem Reichtum gesegneten Stadt. Und wer von Dubai spricht, meint damit natürlich den Burj Khalifa, das höchste Gebäude der Welt. Am 4. Januar 2010 wurde er eingeweiht, und seither ist er für viele Besucher das Hauptmotiv, der Stadt überhaupt einen Besuch abzustatten. Mir erging dies nicht ganz anders (für mich hatten nur die anderen Sachen auch noch einen Wert), Türme und moderne Glaspaläste begeistern mich auf Reisen immer wieder, und wenn sich dann schon einmal die Gelegenheit bietet, die Aussichtsplattform des Burj Khalifa zu besuchen, dann musste dies auch auf Biegen und Brechen gemacht werden.

Zur Aussichtsplattform gelangt man, indem man in der nebenan liegenden Dubai Mall einen Schalter benützt, um die vorher im Internet gekaufte Reservation abzuholen. Vor Ort werden auch Tickets verkauft, doch der Rest des Tages war vollumfänglich ausgebucht, eine frühe Reservation lohnt sich also, der Eintritt beträgt 130 Dirham, etwas mehr als 30 Franken. Dann darf man zuerst einmal durch eine (sehr effiziente) Sicherheitskontrolle, um sich dann gute drei Viertelstunden lang die Beine in den Bauch zu stehen. Vor mir war eine dänische Familie mit Kindern, die unablässlich herumturnten und sonstigen Blödsinn anstellten. So was nervt mich als Misanthropen in der Regel ja, vor allem wenn man dem nicht entkommen kann, aber für einmal waren die mir ganz egal, denn die Inderfamilie hinter mich machte mich nach und nach aggressiver, sodass ich nicht nur aufgrund der Fahrt aufs Deck froh war, nach 45 Minuten endlich am Lift angelangt zu sein.

Mit dem Lift geht es dann in Windeseile auf den 123. Stock des Burj Khalifa, von wo aus man die Aussicht geniessen kann. Die Plattform befindet sich mit 452 Metern knapp nach der Hälfte der eigentlichen Höhe des Turmes, bietet aber dennoch einen Ausblick, der sich sehen lassen kann, vor allem punkto Weitsicht, da man noch weit in die Wüste hinter Dubai hineinsehen konnte. Ansonsten war das Panorama eigentlich eher weniger spektakulär. Das Problem ist ja, dass die immense Höhe die anderen Türme schier winzig erscheinen lassen, und da diese nicht besonders viele sind (im Vergleich mit New York, Hong Kong oder Tokyo), gibt es gar nicht sooo viel zu sehen. Das Gebäude, das man in Dubai eigentlich sehen will, ist ja eben dieses, in dem man sich zur Zeit dieses Gedankens gerade befindet. drei Fotos möchte ich euch dennoch nicht vorenthalten Auf dem ersten Bild sieht man die Türme um die Station "Financial Center", die sich dort entlang der Hauptstrasse und Autobahn befinden. Dahinter befindet sich eigentlich Wohngebiet. Auf dem zweiten Foto erkennt man nebst weiterer Business- und Residence-Türme die Wüste, die sich direkt hinter Dubai auftut, und wenn man etwas genauer hinblickt dann auch noch die imposante Stromzufuhr, die eine Stadt dieses Ausmasses hier täglich benötigt. Auf der dritten Aufnahme sind dann noch einfachere Behausungen zu sehen, wie sie zwischen dem Burj Khalifa und Jumeirah, dem zweiten grossen Zentrum Dubais, zu finden sind.

Die obigen beiden Bilder des Turms in seiner Gesamtheit (oder eben nicht) sind irgendwie nicht besonders gelungen, sodass hier noch ein Nachtrag folgt: Bewegt man sich mit der Metro südwärts und ergattert man sich dabei einen Platz hinten am Fenster, bekommt man nicht nur die Zugschienen zu Gesicht, sondern auch die Skyline des Finanzzentrums Dubais, wobei der Burj Khalifa - welch Überraschung - natürlich deutlich heraussticht.

Weiter südlich ist Dubai natürlich noch lange nicht zu Ende, hier findet man die weiteren grossen Attraktionen, die diese Stadt in jüngster Vergangenheit gross gemacht haben. Zum einen ist dies das Burj-al-Arab, ein Hotel auf einer eigens dafür angelegten Insel, dessen Form einen Segel darstellt. Es ist das erste Sieben-Sterne-Hotel der Welt und offeriert den ausschliesslich gut betuchten Besuchern zu Preisen von 2000 Franken aufwärts pro Nacht allen erdenklichen Luxus. Einige Kilometer weiter südlich befindet sich das Palm Jumeirah, ein ebenfalls aus Menschenhand geschaffener Inselkomplex, dessen Form ein Palmblatt darstellt. Wichtig für den Alltag in Dubai ist natürlich auch das Mall of the Emirates, wo die Scheichs direkt mit ihren Ferraris und Lamborghinis vorfahren und man ihnen (ja, wirklich!) dort dann den roten Teppich ausrollt. Ob sie für ihre teuren Konsumgüter überhaupt bezahlen müssen, bleibt fraglich. In der Mall befindet sich übrigens auch Dubais Skihalle, die über mehrere Kinderanlagen und -schlepplifte verfügt und auch eine ausgebaute Sesselbahn ihr Eigen nennt. Es ist wohl das, was es auf der Welt am wenigsten braucht, und trotzdem waren beim Blick in die Halle gerade sehr viele Leute beim Schiifoan. Eher ins Kuriositätenkabinett gehört das untern abgebildete Hochhaus in Jumeirah, dessen Bedeutung und Geschichte ich nicht kenne, es würde mich aber auch nicht weiter bringen, wenn ich nun wüssen würde, dass dies das Gebäude dieser und dieser Versicherung oder Bank sei.

Schon sehr spät fuhr ich dann zurück in mein Hotel, um dort das Gepäck abzuholen, nochmals duschen zu können (nett) und beim kleinen Häuschen nebenan nochmals ordentlich reinzuhauen. Diesmal gabs gleich einen Mutton-Shavarma und einen Falafel miteinander, die Preise lassen es ja zu: 1.75 Franken bezahlte ich für diesen Znacht, der hervorragend schmeckte und ebenso hervorragend füllte. Das Preisniveau ist in Dubai ohnehin überraschend tief, sieht man mal von den Übernachtungen ab: Der öffentliche Verkehr ist sehr gut ausgebaut und trotzdem fast gratis (Tageskarte 4 Franken bei etwa 100 Streckenkilometern...), das Strassenessen stinkbillig und ohnehin viel authentischer als das, was die Gourmets in ihren Tempeln vorgesetzt bekommen und auch im Supermarkt muss man sich Mühe geben, das Portemonnaie allzu arg zu belasten. Aber klar: Wer das grosse Vergnügen und den Luxus in den Malls sucht, in die zahlreichen Sternerestaurants essen und in ein oberes Mittelklasshotel schlafen geht, der kehrt um einiges ärmer aus Dubai zurück. Ich habe von dieser Stadt einen zwiespältigen Eindruck gewonnen; es ist extrem weitläufig und somit (ausser Deira) häufig leblos, ich würde sogar sagen seelenlos. Abgesehen vom Geld gibt es keinen Geist, den man hier in Dubai spüren könnte. Auf die andere Seite war es aber auch eine faszinierende Stadt, die "nichts kennt" und immer weiter nach Extremen strebt. Ob einem dies sympathisch ist, ist die andere Frage - faszinierend ist es aber durchaus.

So, für mich wärs das gewesen von Dubai, und allgemein von der ganzen Reise, da als nächstes nur noch die Heimreise ansteht. Ein Posting wird dann noch folgen, aber ich bedanke mich schon jetzt bei allen treuen und nicht treuen Leser/innen und die zahlreichen Rückmeldungen/Fragen/Anregungen/Beleidigungen, die ich darauf erhalten habe - es war mir eine Freude, und zwar eine, die ich erst während dem Schreiben des Blogs so richtig entwickelt hatte, was durchaus auf weitere ähnliche Projekte hoffen lässt. Und: Sorry, dass euer Facebook-Profil nun 70 Tage voll war von meinen Links - aber irgendwo musste ich eben angesprochene Leser ja auch herholen ;)

Bis bald wieder im realen Leben - Cheers! (heisst es jetzt auch für mich, da gleich das Check-In öffnet und ich dann als allererstes einmal das Irish Pub ansteuern werde.

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Sydney und Umgebung zum Zweiten

Draussen singen gerade ein paar betrunkene Australier (oder sind es Iren?) traditionelle irische Lieder, während ich bei einem Victoria Bitter im Hostelsalon sitze und zu später Stunde den Liveticker zu Napoli-Atalanta verfolge. In Sydney wurde heute, wie überall auf der Welt, der St. Patrick's Day gefeiert. Das merkte man beim Gang durch die Stadt auch problemlos, insbesondere als ich von meinem Kurzausflug nach Gosford zurückkehrte und ein Fast Food - Lokal besuchte, wo drei grün gekleidete junge Herren definitiv mal wieder etwas feste Nahrung benötigt hatten; ihr Gang war schwer von den Verlockungen der irischen Brauereien gekennzeichnet und bestand aus einem dauernden Streit gegen die Gravitationskraft.

Hier gibt es heute mal einen Blog, der aus mehr Bildern als Text besteht, da ich im Moment keine grossartige Lust verspüre, auch noch viel zu den Orten, die ich in den letzten Tagen besucht habe, zu recherchieren. Aufgrund des Herbsteinbruchs verzichtete ich am Donnerstag auf den Besuch der Blue Mountains, den ich dann am Freitag nachholte. Bei Wind, Nebel und Regen in die Berge zu reisen wäre auch reichlich sinnlos gewesen, wenngleich der Wetterbericht auch für Freitag erst ab dem Nachmittag schönes Wetter vorsah. Und so kam es dann auch: Als ich in Katoomba ankam, sah man keine zwanzig Meter weit, da sich der Nebel über die Stadt gelegt hatte. Katoomba ist eines der touristischsten Orte Australiens, da es einen hervorragenden Tagesausflug aus Sydney darstellt. Die Zugfahrt dorthin dauert knapp zwei Stunden und neben den üblichen Vorstädten von Sydney bekommt man bei Aufstieg ins über 1000 Metern über Meer gelegene Städtchen einen ersten Einblick, was einen dort erwartet.

Schwierig ist es nur, sich in Katoomba zu bewegen, insbesondere wenn man noch ein bisschen auf das Budget achten muss und sich keinen Hop On - Hop Off - Bus für 38$ leisten will. Diesem Problem wurde Abhilfe geschaffen, indem ich die ersten Abschnitte zu Fuss zurück legte, zwei-drei Kilometer zu gehen ist ja eigentlich auch kein Ding und ich wartete sowieso auf das sprichwörtliche bessere Wetter. Nach gut 20 Minuten Fussmarsch erreichte ich dann den Aussichtspunkt bei den Katoomba Falls, wo ich (siehe erstes Bild) zuerst einmal auf dicken Nebel traf. Es dauerte aber keine Viertelstunde, bis ebendieser sich lockerte und die Landschaft in ein spezielles Licht tauchte - der sich auflockernde Nebel, der den atemberaubenden Blick wie einen Vorhang vor meinen Augen öffnete, erwies sich irgendwie als Glücksfall, weil der Ausblick dadurch noch spezieller wurde. Als ich mich nach langer Zeit dann daran satt gesehen hatte, gings immer noch zu Fuss weiter zur Scenic World. Diese bietet eine teure Seilbahn, die die beiden Aussichtspunkte verbindet, und weitere eher sinnlose Attraktionen, die man streichen kann, wenn man zu Fuss unterwegs ist, da man das meiste so ohnehin besser zu sehen bekommt.

Besonders gut zu sehen bekommt man so auch die Three Sisters, eine Gesteinsformation, die sich im Laufe der Zeit durch natürliche Erosion in Form von Wind, Regen und Wasser so herausgebildet hat, dass sich der weiche Sandstein in diese Richtung entwickelt hat. Sie tragen die Namen Meehni, Wimlah und Gunnedoo und thronen majestätisch über dem Jamison Valley, das sich zu ihren Füssen erstreckt und durch immergrüne und von oben unendlich wirkende Wälder geprägt ist. Nachdem ich aber mittlerweile schon etwa fünf Kilometer hin und her und rauf und runter zu Fuss zurück gelegt hatte, verzichtete ich auf den Giant Stairway, dank dem man die drei Schwestern auch noch von unten bestaunen darf und setzte mich in einen Trolleybus der lokalen Busgesellschaft, der mich für wenig Geld zurück an den Bahnhof brachte.

Samstags war dann wieder schöneres Wetter, wenngleich die Temperatur nicht sehr hoch stieg. Ideale Verhältnisse also, um das öV-Ticket noch etwas weiter zu benützen, indem ich eine Fahrt auf dem Parramatta River unternahm, um morgens in die Gänge zu kommen. Im Gegensatz zu allen anderen bisher besuchten Städten und Ländern habe ich hier den Jetlag nämlich nie wirklich loswerden können, was angesichts meiner morgigen Rückkehr nach Kuala Lumpur aber auch nicht weiter tragisch ist. 

Mit dem MyMulti3-Ticket kann man die längste Strecke der Sydney Ferries komplett abfahren, das heisst vom Circular Quay in Sydney bis zur Charles Street Wharf in Parramatta. Das Stadtgebiet hört dazwischen nie auf, es sind jedoch trotzdem über 30 Kilometer, die man mit einem Schnellboot auf dem Wasser zurücklegt. Die Fahrt führt dabei zuerst entlang mehrerer Landzungen und Buchten, die das Hafengebiet von Sydney kennzeichnen. Dann biegt das Schiff in den wirklichen Parramatta River ein und kann auch nicht mehr so aufs Tempo drücken wie zuvor, da die Geschichte hier deutlich enger und untiefer wird als noch rund ums Stadtzentrum. Nach einer guten Stunde erholsamer Schifffahrt erreicht man dann Parramatta, eine westlich von Sydney gelegene Vorstadt, die ziemlich gross ist und auch ein eigenes Stadtzentrum hat. Dort sah es mehr nach einem Stelldichein der Reichen und Schönen aus, obwohl die Stadt auch andere Seiten hat. 

In Parramatta und Umgebung treiben auch Biker-Banden ihr Unwesen, wie man dies aus der Abend-Gratiszeitung entnehmen konnte; sie führen einen Bandenkrieg untereinander und gegen die Staatsmacht, die soeben einen grösseren Drogen- und Waffenhandelsring gesprengt zu haben scheint. Drogenkonsum ist aber hier allgemein ein Thema, etwas komisch fand ich es dann doch, sogar in den Zugtoiletten kleine, gelbe Behälter mit der Aufschrift "benutzte Spritzen bitte hier entsorgen" zu finden.

Auch sehr aktiv (obwohl ich die beiden gar nicht miteinander verbinden will!) ist in Sydney die Sprayerszene, was man entlang der Wände von Parramatta über Strathfield und Redfern nach Central gut sehen kann. Teilweise gibt es wirklich sehr sehenswerte Pieces, für die man auch mal einen Zug auslassen und eine Viertelstunde später wieder weiterfahren kann. Untenstehendes Teil befindet sich an einer Hauswand direkt neben dem Bahnhof Petersham, viele weitere kriegte ich nicht in meinen Kasten, da dessen Reaktionszeit mit dem Tempo der Eisenbahn nicht mithalten konnte.

Am Samstag war es zwar wieder heisser, so richtig Badewetter war es aber doch noch nicht. Eigentlich hätte ich gerne noch den unweit vom Stadtzentrum entfernten Bondi Beach besucht, doch ohne dort baden zu können gab ich mir nicht die Mühe, dort raus zu fahren. Indes entschied ich mich für einen kurzen Abstecher nach Woolloomooloo, einem Viertel entlang einer Bucht ostwärts vom Stadtzentrum. Dieses ist gut erreichbar (Bahnhof Kings Cross) und liegt erst noch ziemlich in der Nähe des Stadions, was dann mein nächstes Ziel war. Woolloomooloo ist ein Nobelviertel, was man beim Gang durch die Victoria Street sehr gut merkte, da sich hier Häuschen mit sehr schöner Aussicht aneinander reihen, während auf der Allee praktisch kein Verkehr herrscht. Unten beim Meer befindet sich die Finger Wharf, in der sich gleich aussehende Häuschen aneinander reihen und für gutes Geld wohl ebenso gute Küche anbieten. Im Viertel befinden sich auch noch einige Hotels, die ebenfalls nicht den Eindruck erweckten, zu den billigen Absteigen Sydneys zu gehören, ansonsten bot es nicht besonders viel. 

Etwa zweieinhalb Kilometer südöstlich von Woolloomooloo befindet sich der Moore Park, wo auch das Stadion steht, in dem der Sydney FC seine Heimspiele austrägt. Es hat den gleichen Hauptsponsor wie das Schlauchboot in München und fasst beinahe 80000 Zuschauer. Ich werde mir nun aber wirklich nicht die Mühe machen, noch grösser auf die Geschichte der Klubs einzugehen, die hier aufeinander trafen, da mich ebendiese schlichtweg nicht grossartig interessierte. Ob es sich deshalb beim Vergleich zwischen dem Sydney FC und Melbourne Victory um eine Art Klassiker des australischen Fussballs handelte, entzieht sich deshalb meiner Kenntnis, aber immerhin trafen die beiden grössten Städte des Landes hier aufeinanders.

Dies honorierten 22233 Zuschauer mit ihrer Präsenz, was angesichts des Stellenwertes des Fussballs im Konzert der grossen Sportarten Australiens kein so schlechter Wert darstellt. Und ich wurde sogar sehr positiv überrascht, da die Heimkurve mit dem Namen "The Cove" einen sehr starken Support zeigte, den ich in dieser Form keineswegs erwartet hätte. Sie eröffneten die Partie mit einer Choreo, in der sie Sydney dazu aufforderten, diese "Tards" in Schach zu halten; obwohl ich nicht weiss, ob "Tards" eine Abkürzung für "Bastards" oder sonstwas bedeuten sollte. Diese sah zwar nicht besonders gut aus, dafür gab der Block in der Folge über die gesamte Spieldauer sehr viel her, sodass ich bestens unterhalten wurde. Aus Melbourne waren ein paar Hundert Fans angereist, ihre Anzahl war aufgrund der riesigen Distanzen in diesem Land aber auch schon sehr ansehnlich. Stimmlich hielten sie sich aber mehr zurück, als ich das erwartet hätte.

Auf dem Rasen entwickelte sich eine äusserst unterhaltsame Partie. Dabei glänzten beide Teams damit, athletisch und konditionell absolut auf der Höhe zu sein, mit dem Ball aber wirklich nicht gut umgehen zu können. Dies gipfelte darin, dass beste Chancen im Minutentakt vergeben wurden, da die Stürmer derart miserabel in ihrer Ballannahme, -kontrolle und -verwertung waren. Auf jeden Fall endete das Spiel 1:1, und selbst der italienische Weltmeister Alessandro Del Piero konnte der Begegnung nicht seinen Stempel aufdrücken, einige Freistösse vergab er auf recht miese Art und Weise und einen Penalty verschoss er sogar ziemlich stümperhaft.

Wie in der Einleitung bereits angetönt war hier heute Paddy's Day, was die halbe Stadt auf den Plan rief, sich im Zentrum zu treffen und eine Art gesellschaftlich und konventionell akzeptierten Botellon durchzuziehen. Dies war eine gewisse Zeit lang durchaus unterhaltsam anzusehen, aber eben nur eine gewisse Zeit, wenn man nicht selbst den Plan hatte, sich total zu betrinken. Ich entschied mich deshalb doch noch, nach Gosford zu fahren - Newcastle fiel aufgrund ausgiebiger Trinkerei mit einem Italienern aus Cosenza und Udine tags zuvor ohnehin ins Wasser - um dort nochmals Fussball zu schauen, während die beiden Italiener den Sonntag mit Nichtstun verbrachten. Die Fahrt nach Gosford dauert etwa fünf Viertelstunden und ist ebenfalls sehr kurzweilig, da sie an vielen schönen Landstrichen vorbei führt.

Im dortigen Bluetongue-Stadion trafen die Central Coast Mariners auf Brisbane Roar. 7225 Zuschauer interessierten sich für den Vergleich zwischen dem Tabellenzweiten und dem Siebten aus Queensland, darunter rund 15 Gästefans, die mehr durch ihre Trunkenheit Aufsicht erregten als durch die Unterstützung ihrer Mannschaft. Doch auch auf der Heimseite ging es heute gemächlicher zu und her als gestern, etwa 50 Fans machten sich die Mühe, ab und zu etwas Lärm ins leblose Rund zu schmeissen, ansonsten war Ruhe angesagt. Dabei hätten sich die Mariners durchaus etwas mehr Unterstützung verdient, denn sie spielten eigentlich wirklich gut, abgesehen von der Chancenauswertung, die hier etwas ein Problem zu sein scheint. Die Gastgeber gewannen dank einem Tor in der ersten Halbzeit trotzdem mit 1:0, sodass sie weiterhin ganz oben mitspielen.

Für mich gings nach dem Spiel direkt zurück nach Sydney, um dort die Italiener wieder zu sehen und nochmals einen zu heben. Danach, und das ist jetzt, ging ich ins Hotel und erlebte ein packendes Napoli-Atalanta vor dem Live-Ticker, das leider nicht ganz den von mir gewünschten Ausgang nahm. Aber eigentlich ist es seit Beginn der Reise so, dass jedes Wochenende entweder Atalanta oder St. Gallen als Sieger vom Platz gingen, und da der FCSG gestern Lausanne besiegte, erwartete ich heute schon gar nichts anderes. Morgen werde ich dann zurück nach Kuala Lumpur reisen, es ist der erste Teil einer etwas länger andauernden Rückreise aus Australien...

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Zurueck in der westlichen Welt

Auf meiner Reise kreuz und quer durch Südostasien hatte ich zwar nicht jede Nacht und jede Destination vorab geplant, da das Organisieren von Reisen aber eine meiner Lieblingbeschäftigungen ist und aus finanziellen Gründen stand das Gerüst davon schon vor Abflug. Die einzige grössere Spontanentscheidung war, auf die Reise durch die südthailändischen Inseln zu Gunsten von zwei Wochen Indonesien zu verzichten. Immer offen hielt ich mir die Woche nach Singapur. So machte ich mir Anfang März in Bangkok Gedanken darüber, wo mich die Reise noch hinbringen sollte. Eine Option bestand aus einem Trip entland der Ostküste des malaiischen Festlandes inklusive der Tioman-Inseln, auch eine Reise nach Brunei und Sabah/Sarawak hatte ich ins Auge gefasst. Entschieden habe ich mich schlussendlich für eine Spontanreise nach Sydney. Australien gehört bekanntlicherweise nicht zu meinen bevorzugten Destinationen, ein Mix aus "einmalige Gelegenheit, mal Sydney anzuschauen ohne dafür einzig nach Australien zu reisen", "etwas genug zu haben von Asien" und "bei diesem Flugpreis kann man ja gar nicht widerstehen" gab dann aber den Ausschlag dafür, zu buchen.

Mit der Billigfluggesellschaft Scoot erreicht man Sydney von Singapur für rund 300 Franken, die Reise dauert etwas mehr als sieben Stunden und durch die Abflugzeit um zwei Uhr morgens kann man sich eine Übernachtung sparen. Der Flieger war sehr gut gefüllt, trotzdem fand ich eine freie Zweierbank im hinteren Teil, sodass ich gut schlafen konnte. Die Einreise klappte auch problemlos, wenig Zeit und viel Geld (ganze 20$ kostet der Flughafen-Zuschlag für den Zug!) später befand ich mich in meiner Unterkunft unweit der Central Station. Abgesehen vom teuren Zug an den Flughafen ist der öffentliche Verkehr aber günstig, für 61$ kriegt man ein Ticket, womit man nicht nur den Stadtverkehr Sydneys benützen, sondern auch bis zu drei Stunden davon entfernte Gegenden eine Woche lang bereisen kann. Das einzige darin nicht einbegriffene Fahrzeug ist die Metro Monorail, die im Stadtzentrum eine Runde dreht. Die Tage des 1988 eröffneten Bähnchens sind aber ohnehin gezählt, im Juni 2013 wird der Betrieb aufgrund schlechter Rentabilität und Sicherheitsbedenken eingestellt.

Der Wetterbericht sprach vor der Abreise eine deutliche Sprache: Der Ankunftstag und der Mittwoch sollten quasi die letzten beiden richtig heissen Sommertage sein, daraufhin folgt ein Herbsteinbruch mit vielen Wolken und Regen. Für mich bedeutete dies kein gemütliches "erst mal ankommen", sondern vielmehr, direkt nach der Ankunft das Sydney Tower Eye zu besuchen. Dies ist die Aussichtsplattform des Sydney Tower, dem zweithöchsten Gebäude der südlichen Hemisphäre, hinter Aucklands Sky Tower. Die Aussichtsplattform befindet sich auf 250 Metern über Meer und bietet einen hervorragenden Ausblick auf die verschiedenen Teile Sydneys. Der spektakulärste Ausblick geht zweifelsohne nordwärts, wo sich die weltbekannten Bauwerke Harbour Bridge und Opera House befinden und man auch die verschiedenen Buchten und Landzungen sehen kann. In die anderen Richtungen wurde einem bewusst, dass der rund fünf Millionen Einwohner zählende Grossraum Sydney viel Land in Anspruch nimmt, sind die meisten Aussenquartiere doch durch kleine Häuschen dominiert, wie dies in Nordamerika üblich ist.

Den Rest des Tages verbrachte ich dann damit, in Sydneys Zentrum herumzugehen. Dieses ist geprägt von Shops, Restaurants und Bürogebäuden, bis man im Norden den Circular Quay erreicht. Der Circular Quay ist ein wichtiger Bahnhof der City Circle Line, und zwar deshalb, weil von hier alle Fähren ablegen, die das Central Business District mit den Vierteln gegenüber des Hafens verbinden. Die Fähren fahren sehr häufig und sind ein normales Verkehrsmittel von Pendlern, ausserdem auch in meiner öV-Wochenkarte inbegriffen. Vom Quay aus links liegt das Altstadtviertel (das eher wie ein Museumsviertel als wie eine wirkliche Altstadt aussieht) The Rocks sowie die imposante Harbour Bridge, zur rechten Seite befindet sich mit dem Sydney Opera House eines der wohl am häufigsten fotografierten Gebäuden der Welt, insbesondere wenn man an die alljährlichen Bilder von der Silvesterfeier in Sydney denkt. Auch ich liess mir dies nicht nehmen, beim Eindunkeln lief ich über die Harbour Bridge und fotografierte das 1973 eröffnete Opernhaus, das auf einer Landzunge liegt und die Skyline Sydney so entscheidend prägt.

Da gestern gemäss Zeitung der letzte Sommertag anstand, entschied ich mich für eine Fahrt mit der Fähre nach Manly. Eine halbe Stunde Schifffahrt durch schönste Gebiete später kam ich dort an, überquerte den Corso und befand mich vor dem ewig langen Strand an der Pazifikküste nordwestlich von Sydney. Dort ging ein ziemlich heftiger Wind, sodass das Schwimmen nur in einem kleinen, gekennzeichneten Bereich erlaubt war. Ich ging dann rund anderthalb Kilometer weiter an den Shelly Beach, der in einer lauschigen Bucht liegt und dadurch vom Wind nicht betroffen war. Dort fand ich kristallklares Wasser vor, das zwar nicht mehr so warm war wie auf Langkawi oder in Hua Hin, aber dafür schöner abkühlte als an ebenjenen Orten. Das Publikum bestand am Shelly Beach vor allem aus jungen Leuten, die nicht surfen gingen, wie dies am Manly Beach der Fall war. Surfen ist in Australien ein Nationalsport und viele Backpacker reisen vom  inneren Land nach Manly, um dort ihrer Leidenschaft nachgehen zu können. 

Auch bei mir im Hostel hat es jede Menge solcher, sie sitzen gerade im Wohnzimmer und streiten wohl darüber, wer von ihnen jetzt der/die Coolste ist. Die Atmosphäre dabei erinnert mich irgendwie stark an Jack Stoikers Lied "Tätowierti Spiesser". Besonders sympathisch oder interessant sind die meisten von ihnen nicht, und abgesehen von der üblichen where-are-you-from-Unterhaltung kommt man mit ihnen auch gar nicht wirklich ins Gespräch, was mich aber auch nicht weiter stört. Ansonsten stört mich aber auch der lockere Umgangston miteinander im Alltagsgeschäft nicht, es geht wirklich nicht besonders formal zu und her in Sydney.

Um 17.45 nahm ich in Manly dann eine Fähre zurück an den Circular Quay, um dabei zu merken, dass ich wohl besser noch eine oder zwei davon abgewartet hätte, da die untergehende Sonne gerade dabei war, die Stadt und insbesondere die beeindruckende Harbour Bridge ins Abendlicht zu tauchen. Die Fahrt zur richtigen Zeit wird dann aber nachgeholt, sobald es das Wetter nochmals zulässt, ansonsten müsst ihr euch und vor allem ich mich mit einem Bild begnügen, wobei das Wasser durch die Sonneneinstrahlung ein gleissendes Licht erhalten hat.

Sydneys Unterhaltungsviertel heisst Darling Harbour und erstreckt sich rund um den Cockle Bay östlich des CBDs. Dort reihen sich die Restaurants aneinander und es herrscht selbst unter der Woche ein reges Sehen-und-Gesehen-werden. Mein Budget stiess beim Anblick der ansprechenden Speisekarten Darlings aber an seine Grenzen. Allgemein ist Sydney eine sehr teure Stadt, das Preisniveau ist ohne Weiteres mit der Schweiz zu vergleichen. Einige Sachen sind billiger (öffentlicher Verkehr und Fast Food zum Beispiel), die meisten sind aber teurer, insbesondere ein Einkauf im Supermarkt sowie Getränke nichtalkoholischer und alkoholischer Natur. So entschied ich mich für ein kurzes Essen bei einem Chinesen in der südlich von Darling liegenden Chinatown, wo das Preisniveau zwar keine asiatischen Verhältnisse aufweist, aber doch deutlich tiefer ist; für ein einfaches asiatisches Gericht mit Reis berappt man rund zehn Dollar, und an das Essen habe ich mich in letzter Zeit ja ohnehin gewöhnt.

Heute stand dann der Herbsteinbruch auf dem Programm und dieser äusserte sich mit einem düsteren, regnerischen Morgen. Zeit also, es mal wieder etwas gemütlicher anzugehen, da ich in den letzten Tagen (inklusive Singapur und Bangkok) praktisch jeden Tag die ganze Zeit unterwegs war. Heute entschied ich mich für eine Zugfahrt ins etwa 70 Kilometer südlich gelegene Wollongong. Diese lässt sich in drei Abschnitte aufteilen. Zuerst bekommt man dabei rund drei Viertelstunden lang die Suburbs Sydney zu Gesicht, das sich um die grösseren Orte Hurstville und Sutherland erstreckt. Diese sind nicht besonders sehenswert, abgesehen von den Wänden, an denen sich Sydney Strassenkünstler austoben.

Der zweite Abschnitt der Fahrt führt einem von Sutherland nach Scarbourough, durch Orte mit den Namen Engadine oder Waterfall. In Fahrtrichtung links befindet sich dabei der Royal National Park, rechts liegt der Heathcote National Park. Der Zug schlängelt sich dann in langsamem Tempo durch die grünen Wälder, ehe er wieder dichter besiedeltes Küstengebiet erreicht.

Ab Scarbourugh ist dann nämlich wieder alles gut zugepflastert und man merkt, dass man sich einer grösseren Stadt nähert. Wollongong ist aboriginal und bedeutet "Meeresrauschen", was hier auch Programm ist. Die Stadt zählt rund 280'000 Einwohner und steht auf der Städteliste Australiens damit auf dem zehnten Rang. Viel merkt man davon aber nicht, es wirkt mehr wie ein grosses Dorf, das abgesehen vom Meer und einer kurzen, künstlichen Fussgängerzone nicht viel zu bieten hat. Zurück in Sydney gings dann erneut in die Chinatown zum Essen, ehe ich es mir bei Bier zu Beizenpreisen, das man hier nur in offiziellen Liquor-Stores erhält, und Blog im Zimmer gemütlich machte, während draussen der Regen auf die grösste Stadt Australiens herunterprasselt.

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Sechs Tage auf Achse in Singapur

Ich nenne es in Anlehnung an meinen guten Freund David aus dem Wallis jetzt mal das London-Syndrom: Jahrelang reisten viele Freundinnen und Freunde von mir nach London und verbrachten dort schöne Tage, kamen zurück mit grossem Erfahrungsschatz und fanden London einfach nur geil. Mir ging es nie so, da ich fünfzehn Jahre lang - zwischen 1997 und 2012 - nicht nach London reiste. Ich empfand es als langweilig, weil "immer alle" dorthin reise. Als ich dank Manu im letzten Herbst die Gelegenheit dazu hatte, bereiste ich die Hauptstadt des Vereinigten Königreiches wieder einmal, und ich kehrte begeistert davon zurück. Australien gehörte nun auch immer in diese Kategorie von Orten oder Ländern, die mich aus dem gleichen Grund nie reizten. Nun war ich lange in Asien unterwegs, bekam davon auch gewissermassen "genug", und der Flugpreis von 330 Franken von Singapur aus und zurück tat sein letztes dazu, dass ich mir nun einmal sechs Tage lang Sydney und Umgebung anschauen werde - in der Hoffnung, ebenso begeistert davon zu sein wie von London.

So kommt es, dass ich diesen Bericht vom Dachgarten meiner bescheidenen Unterkunft direkt neben dem Hauptbahnhof Sydneys schreibe; drehen wird er sich aber ausschliesslich um die ereignisreichen sechs Tage, die ich gerade mit meinem Vater in Singapur verbracht habe. Der Stadtstaat am Südzipfel der malaiischen Halbinsel bietet nämlich so einiges - ich überlegte mir sogar, das Ganze in zwei Blogs abzufassen; mangels Zeit dort gibts aber nur einen, dieser wird dafür ziemlich lang - und wir waren die ganzen sechs Tage beinahe immer auf Achse.

Das knapp fünfeinhalb Millionen Einwohner zählende Land gehört zu den reichsten in Asien, und das merkt man auch an jeder Ecke. Fährt man mit dem Zug durch die Aussenquartiere, so fallen sofort die Condominums (Wohnanlagen) ins Auge, die allesamt bestechend sauber daher kommen. Manchmal sind sie luxuriös, manchmal eher bescheiden, aber sauber, gut organisiert und ans Verkehrsnetz angeschlossen sind sie alle. Den Reichtum Singapurs merkt man aber nicht primär daran, sondern vielmehr an den Bauten, die sich im Stadtzentrum befinden. Dabei gibt es drei Luxushotels, die alle anderen, ebenfalls teuren, Hotels der Stadt überragen: Zuerst das Raffles Hotel, eine wahre Institution der Stadt und Ort, wo der Singapore Sling erfunden wurde. Dann das Fullerton Hotel direkt am Bay, das auf den ersten Blick nur aus dem schönen Gebäude vorne am Quay zu bestehen scheint, aber auch noch viele weitere Sachen umfasst und praktisch die ganze Wasserfront dort in Beschlag genommen hat. Der neuste Schrei der Luxuspaläste Singapurs ist aber das Marina Bay Sands, zweifelsohne eines der beeindruckendsten Gebäude, das ich bisher bestaunen durfte. Es besteht aus drei 55stöckigen Hotelteilen und ist oben verbunden durch eine 340 Meter lange Plattform, die ein Schiff darstellen sollte. Durch seine Krümmung erinnerte es mich aber primär an eine Banane; ein Bild, das ich nicht mehr aus meinem Kopf brachte. Es wurde 2010 eröffnet und ist seither Singapurs grösste Attraktion, da es neben dem Hotel auch noch ein grosses Casino, jede Menge Restaurants und Ladenstrassen inklusive Gondoliere beherbergt.

Der Dachgarten ist zu drei Vierteln den Besuchern des Sands vorbehalten. Dort befindet sich nämlich der Clou der ganzen Geschichte, ein 146 Meter langer Pool, von dem aus die Hotelgäste einerseits die neidigen Blicke der Touristen auf der allgemein zugänglichen Aussichtsplattform ansehen oder einfach nur selbst die Aussicht geniessen können. Diese ist nämlich ein Anblick, an dem man sich nicht satt sehen kann, insbesondere wenn man das Observation Deck (20$ = 15CHF Eintritt) beim Eindunkeln betritt. Dann nämlich beginnt sich Singapur vom ohnehin schon beeindruckenden Ausblick in ein nicht enden wollendes Lichtermeer zu verwandeln, das man nicht lange genug ansehen und nicht oft genug aus allen möglichen Perspektiven fotografieren kann - nicht nur mir erging es so. Neben den gesamten Central Business District, der aus Glaspalästen von Banken und Ölkonzernen besteht, stechen einem dabei direkt das mächtige Fullerton Hotel und der sich dahinter befindende Clarke Quay, eine Restaurantmeile direkt an den letzten Metern des Singapore Rivers, ins Auge. Es gibt aber nicht nur die zugegebenermassen sehenswerteste Seite, wenn man von oben runter blickt. Von oben sieht man auch; vom Stadtblick her im Uhrzeigersinn: Die Esplanade, ein in Form der Stinkfrucht Durian angelegtes Kulturzentrum mit hervorragenden Restaurants; einen schwimmenden Fussballplatz mit grosser Tribüne; Teile der Strecke des Formel 1 - Grand Prix von Singapur; das Riesenrad; ein grosser und üppig beleuchteter Golfplatz; den neuen botanischen Garten namens Gardens by the Bay; die Strasse von Singapur mit jeder Menge vor Ort ankernder Frachtschiffe; den Hafen und dahinter die Vergnügungsinsel Sentosa und nicht zu vergessen das markante Art Science Museum in Form einer Lotusblüte und der neuste Louis Vuitton-Laden, dessen Gestalt an einen Diamanten erinnert.

Die markante Skyline Singapurs ist aber nicht nur vom Sands aus imposant, sondern auch von anderen Ecken der Stadt, zum Beispiel vom Vorplatz des Parlamentsgebäudes aus. In dieser Region befindet sich auch noch das Rathaus, der oberste Gerichtshof sowie die St. Andrew's Cathedral, die eher unscheinbar wirkt. Ebenfalls dort ist eine grosse Wiese, die am Wochenende von einem Cricket-Club benutzt wird. Auf der anderen Seite dieses Rasens befindet sich ein Recreation Club. Solche Clubs besitzen in der Gesellschaft Singapurs einen hohen Stellenwert, da es ein bedeutendes Statussymbol ist, sich die Mitgliedschaft in einem solchen leisten zu können. Die Clubs sind eines der vielzitierten fünf Cs, die sich junge singapurische Geschäftsleute zum Lebensziel setzen: Neben dem Club bestehen diese aus Car - das Besitzen eines eigenen Autos gehört hier nicht zur Regel, da der Autopreis aufgrund hoher Einfuhrzölle etwa dreimal so hoch ist wie in Deutschland -, das Condominium, wobei natürlich gilt "je luxuriöser desto besser", die eigene Credit Card sowie die Career, die diese Luxusgüter überhaupt erst ermöglichen sollen.

Ebenfalls in die Kategorie der modernen Ausfälligkeiten gehört die Insel Sentosa. Man erreicht sie, wenn man mit dem Zug an die HarbourFront fährt und hat dann drei Möglichkeiten, auf die nahe gelegene Insel zu übersetzen: Entweder man geht zu Fuss, was natürlich am billigsten ist, oder man nimmt die ebenfalls günstige Monorail. Wer es ganz luxuriös haben will, leistet sich eine teure Fahrt mit der Gondelbahn vom unweit der HarbourFront entfernten Mount Faber. Die Aussicht wäre sicher schön gewesen, wir entschieden uns aber dennoch für die Einschienenbahn, die uns in Windeseile über die Brücke an die Beach Station brachte. Dort hat man die Wahl zwischen zwei grösseren Stränden, um auch im Stadturlaub in Singapur nicht auf das Bad im lauwarmen Meerwasser verzichten zu müssen. Sentosa war früher ein britischer Militärstützpunkt, wurde aber unterdessen umgebaut und auch dank künstlicher Landgewinne in Form von Aufschüttungen ist sie nun grösser und vielseitiger. So wurden eben besagte Strände eingerichtet, die jetzt den Singaporeans und den Touristen als Naherholungsgebiet dienen. Dies ist sicher ein zweischneidiges Schwert; einerseits ist der Strand ja wunderschön und sieht aus wie viele andere Strände in den Tropen und auch das Wasser hat hier die gleiche Badewannentemperatur wie in den umliegenden Ländern, auf der anderen Seite ist es aber irgendwie doch nicht das gleiche, wenn der Strand nur aufgeschüttet und künstlich angelegt wurde. Für einen schönen Halbtag Ruhe reichte es aber alleweil, während auf dem Rest der Insel gar keine Ruhe herrschte: Auf Sentosa findet man nicht nur die Beaches, sondern auch jede Menge Freizeitparks wie eine Rodelbahn, ein Universal Filmstudio uvm., für Familien also bestens geeignet.

Auch auf künstlich aufgeschüttetem Land befindet sich Singapurs ganz neuster Schrei, die Gardens by the Bay. Es handelt sich hierbei um eine 101 Hektare grosse Parkanlage direkt hinter dem Marina Bay Sands, die erst im letzten Jahr eröffnet wurde. Man findet dort einen botanischen Garten, der mit einigen Themengärten aufwartet (Indian Garden, Malay Garden, Chinese Garden usw.), zahlreiche grosse "Bäume" aus Beton und Stahl sowie zwei grosse muschelförmige Ausstellungsräume, in denen die Vegetation der südostasiatischen Landschaft wiedergegeben wird. Der Garten arbeitet dabei mit der modernsten Technologie, so wird beispielsweise alles Regenwasser gesammelt und weiterverwertet und einige der Bäume dienen als Kühltürme für die beiden Muscheln. Zwei der Türme werden zudem über eine Hängebrücke in luftiger Höhe miteinander verbunden, was nochmals eine ganz andere Perspektive auf den gelungenen und interessanten Park erlaubt.

Bei aller Moderne und aller Faszination für die oben beschriebenen Gebäude und Anlagen könnte man beinahe vergessen, dass Singapur auch mehrere Millionen EInwohner auf kleinstem Raum beherbergt, was die Stadt sehr vielseitig macht. Dennoch hat es mich überrascht, dass doch über drei Viertel aller Bewohner Singapurs chinesischer Abstammung sind - ich hatte von meinem Besuch eine andere Proportion zwischen den drei grossen Volksgruppen im Kopf, und auch das, was sich dann doch noch Chinatown nennt, ist nicht wirklich gross. Das Herzstück der Chinatown ist die Pagoda Street, eine Strasse, an der man jeder mögliche chinesische Kitsch bekommt, aber irgendwie weniger authentisch wirkt als das Einkaufszentrum in den ersten drei-vier Geschossen eines gegenüberliegenden hässlichen gelb-grünen Klotzes. Natürlich befindet sich in der Chinatown auch der grösste buddhistische Tempel Singapurs, dieser ist aber doch nicht wahnsinnig beeindruckend, wenn man vorher schon zahlreiche grössere und schönere Tempel besucht hat. Gleich nebenan befindet sich übrigens auch eine Moschee und ein hindistischer Tempel. Beeindruckender waren da schon die Relikte, die das chinesische Neujahrsfest im Februar hinterlassen hat, denn überall sieht man noch Sachen, die daran erinnern; am auffälligsten ist die grosse Schlange (es brach das Jahr der Schlange an), die sich über einer breiten Strasse befindet.

Rund 14 Prozent der Bevölkerung Singapurs sind Malaien, und praktisch alle davon sind muslimischen Glaubens. Sie haben ein eigenes Viertel, das sich direkt neben Little India befindet und sich Kampong Glam nennt. Dort ist es allerdings auch mehr wie in einem Museumsviertel, es gibt sogar eine kleine Fussgängerzone, die mit Restaurants aus der Türkei, dem Libanon und weiteren arabischen Ländern gesäumt ist. Das Prunkstück der Arab Street ist aber zweifelsohne die grosse Masjid Sultan (Sultan-Moschee), die das Viertel überragt. Von aussen ist sie wesentlich schöner als von innen, ist aber nicht sehr gut fotografierbar, da sie inmitten eines Wohngebietes liegt. Von innen ist sie sehr spartanisch und schnörkellos eingerichtet, der Gebetsteppich und die angezeigten Gebetszeiten quer durch den ganzen Tag waren eigentlich schon alle auffälligen und mir bekannten Merkmale dieses sehenswerten Gebäudes.

Wie bereits gesagt befindet sich direkt daran angrenzend der Stadtteil Little India, der auch hochoffiziell so heisst. Dort fielen mir als erstes die Männer auf, die zu 99% einen Schnauz tragen. Ob dies in Indien eine spezielle Bedeutung hat, weiss ich jetzt gerade auch nicht, aber es ist schon auffällig - und bei der Rasur bei einem Inder wurde ich auch eindringlich gefragt, ob ich denn nun wirklich alles weg haben oder den Schnauz stehen lassen möchte. Seis drum, 8 Prozent in Singapur sind Inder (wobei es anzumerken gilt, dass wenn ich hier von Chinesen, Malaien und Indern schreibe, die zumeist schon seit Generationen in Singapur sesshaft sind) und in diesem Viertel geht es doch etwas anders zu und her als in Chinatown oder Kampong Glam. Klar, es ist kein Vergleich zu Kalkutta, wo ich Indien ja hautnah erlebt hatte, aber dennoch war es für singapurische Verhältnisse durchaus hektisch, und die Hektik machte vor dem dort ansässigen und sehr sehenswerten Sri Veeramakaliamman-Tempel auch nicht Halt. Vielmehr herrschte dort drin rund um die verschiedenen hinduistischen Gottheiten ein Gedränge, das teilweise schon fast an Kalkutta erinnerte.

Wer so viele Kulturen - die ganzen kleinen Minderheiten aus vielen anderen asiatischen Ländern noch nicht mal aufgezählt - auf einem so kleinen Raum beherbergt, hat auch kulinarisch einiges zu bieten. Singapur ist, was das Essen angeht, ein wahres Paradies. Da kriegt man einfach schlicht alles, was einem so lieb ist. Hervorzuheben sind dabei die Hawker Centres - das sind Esshallen, rundherum gesäumt von Essensständen und in der Mitte gefüllt mit Tischen und Stühlen -, die meist authentischeres Essen kochen und anbieten als die Restaurants an den Quays. Die Hawkers sind überall in Asien anzutreffen, nirgendwo sind sie aber so stark kontrolliert wie in Singapur, sodass man wirklich nie etwas schlechtes vorgesetzt bekommt. Das Speiseangebot ist dabei meistens eher einfach, dafür aber extrem vielseitig. Neben den Hawkers gibt es aber auch noch Restaurants in Hülle und Fülle, und wenn man keine Lust hat auf das ganze Gedränge bei den Quays, findet man sie auch sonst ganz gut, zum Beispiel im Esplanade. Dort gönnten wir uns einmal Beef Rendang mit gemischtem Gemüse aus der indonesischen Küche, ein anderes Mal entschieden wir uns für die indische Küche. Dort gab es einen Kebab Platter, der zusammengesetzt war aus Fisch, Tandoori-Chicken, Lammkebabs und Crevetten und hervorragend schmeckte. Als Beilage dazu gab es Auberginen und Erbsen in einer scharfen Currysauce und Naan, das indische Brot, das zu fast jedem Essen serviert war. Kulinarisch ohne Zweifel der Höhepunkt in Singapur.

Singapur ist zwar nicht hektisch, aber trotzdem eine Grossstadt. Es hat zwar hin und wieder einen Park, weit entfernt von den Glaspalästen des CBD oder der - für mich nicht sehenswerten - Einkaufstrasse Orchard Road ist man aber nie. Es sei denn, man fährt mit der grünen Metro bis Tanah Merah und von dort aus mit dem Bus ins Changi Village, einem Dörfchen direkt neben dem Flughafen. Dort legen, sobald sie voll sind, immer wieder kleine Böötchen ab, um die Passagiere nach Pulau Ubin zu bringen. Nach einer Viertelstunde hat man die Insel, die immer noch zu Singapur gehört und als Naherholungsgebiet dient, erreicht. Unterwegs ist man auf Ubin am besten mit einem Velo, das man günstig mieten kann, um die Insel zu erkunden. Wir machten eine mittlere Runde, wobei wir nicht nur feststellten, dass hier die Zeit stehen geblieben schien (alte Kampunghäuser wie in Malaysia findet man sonst in Singapur nicht), sondern auch wilde Leguane, Affen und Wildschweine zu Gesicht bekamen. Ubin besteht vor allem aus Urwald; Palmen, Mangroven und anderen Sträuchern, und ist damit noch sehr ursprünglich, nicht mal alle Velowege sind geteert. So gesehen bildet die Insel also ein gutes Kontrastprogramm zur Stadt, sie ist auch sowohl bei Einheimischen wie auch bei einigen Touristen ein beliebtes Wochenendziel.

Eine lange Fahrt mit Bahn und Bus muss man auch zurücklegen, um den im Upper Seletar Reservoir gelegten Zoo zu besuchen. Ich besuche solche Tiergärten in der Regel ja höchst selten, der Singapore Zoo ist die Reise und das Eintrittsgeld von 22S$ aber durchaus Wert. Hier werden die Tiere nicht in Käfige und hinter dicksten Glasscheiben gehalten, ihre Aufgabe übernehmen hier Wassergräben, die teilweise sogar eher klein sind. Der Zoo ist in Form einer grossen Acht angelegt, sodass man gut zwei Runden drehen kann, um alle Tiere gesehen zu haben. Und es lohnt sich wirklich, hierfür genügend Zeit einzuplanen, ist der Tierpark doch wirklich sehenswert und sehr schön angelegt. Die Tiere sind vor allem solche, die man in den tropischen Gebieten der Welt zu sehen bekommt (den Singaporeans hätte ich jetzt auch noch zugetraut, hier einen Eisbären hinzupflanzen), sodass sie nicht völlig aus ihren natürlichen Bedingungen herausgenommen werden und ein Leben wider ihren Eigenheiten führen müssen. Viele stammen aus Asien selbst, während die meisten anderen aus Afrika nach Singapur gebracht wurden. Besonders häufig sieht man hier Affen aller Arten, die hier aber auch natürlich leben, wie wir das Tags zuvor in Ubin ja auch gesehen hatten.

Nachdem wir genug gesehen hatten, fuhren wir zurück in die Stadt, um am letzten Abend noch etwas Geld im riesigen Casino des Sands zu verprassen. Dies war ein ganz guter Zeitvertreib, doch als ich bei meinem zweitletzten Einsatz im Roulette auf die Sieben setzte und das weisse Kügelchen dann auch tatsächlich bei der Sieben Unterschlupf fand, war der Spass zu Ende und wir fuhren zurück an den Flughafen. Mein Vater flog um 01.25 nach Zürich, ich um 02.10 nach Sydney, sodass wir dort noch gut miteinander dinieren und Bier trinken konnten, ehe sich unsere Wege trennten, wie es weiter fast gar nicht möglich gewesen wäre. Fazit: Man kann in Singapur also durchaus auch ganze sechs Tage verbringen, ohne sich zu langweilen. Im Vornherein hatte ich mich nämlich noch gefragt, was wir hier denn sechs Tage anstellen würden - wobei schlussendlich auch König Fussball noch etwas mitgeholfen hat.

Um dieses Thema komme ich nämlich auch nicht herum, wenn ich den Aufenthalt in Singapur beschreibe. Der Stadtstaat hat eine Liga mit 12 Mannschaften; 10 davon stammen aus Singapur, eine ist eine Jugendauswahl aus Malaysia und die letzte ist der Brunei DPMM, aus dem Sultanat auf Borneo. Spieltage wie überall sonst auf der Welt gibt es hier nicht, meist sind einfach ein bis zwei Spiele an einem Tag. An meinem ersten Abend (Papa kam einen Tag später als ich in Singapur an), sah ich Tanjong Pagar gegen Harimau Muda aus Malaysia im Queenstown Stadium, ein langweiliges 1:1 mit Dorf-Tschuttplatz-Charakter. Etwas unterhaltsamer wurde es zwei Tage später, als wir miteinander den Vergleich zwischen den Young Lions und dem Brunei DPMM im Jalan Besar - Stadion besuchten. Dort wird fast jeden Tag ein Spiel ausgetragen, obwohl die Vereine ja auch Heimstadien haben. Hier gibt es aber schöne Tribünen und einen immer bespielbaren Kunstrasen. Während wir dort waren, fanden hier ganze vier Spiele statt. Wie gesagt besuchten wir Young Lions gegen Brunei, wobei die Gästemannschaft aus dem Sultanat (verfolgt von durchaus einigen Fans!) mit 2:1 als Sieger vom Feld ging. Es war ein hitziges Spiel, wo auch eine rote Karte wegen Unsportlichkeit nicht fehlte. Als wir uns dann aus dem Stadion machten und ich noch ein Ticket für mein Reisebuch vom Boden aufnahm, stellte ich fest, dass ebendieses für das zwei Tage später stattfindende Spiel zwischen den Singapore Lions und Kelantan gültig war - die Tickets für das Spiel waren zuvor im Vorverkauf verkauft worden -, da hat wohl jemand das falsche Ticket weggeschmissen nach dem Spiel... Die Lions sind so etwas wie die Hauptmannschaft Singapurs und spielen in der malaiischen Liga mit. So kam es, dass wir Lions-Kelantan auch noch besuchten, und mit gut 6000 Zuschauern waren hier auch durchaus einige Fans anwesend. Kelantan wurde dabei von etwa 60 Zuschauern begleitet, die den 750 Kilometer langen Weg von Kota Bharu nach Singapur auf sich nahmen, um das Spiel dort schweigend und sitzend zu verfolgen. Die Fans der Lions hingegen überraschten mich positiv; sie waren zwar auch nicht viele, verstanden es aber dennoch, einen guten Lärm zu veranstalten. Nach einer unterhaltsamen und technisch deutlich hochstehenderen Partie als die beiden S-League-Spiele zuvor, durften sie sich dank einem Tor in der 89. Minute über einen unter dem Strich verdienten Heimsieg freuen.

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Unterhaltsame Tage in Bangkok

Nach zwei abwechslungsreichen Wochen in Indonesien erreichte ich am 1. März wieder Bangkok, wo ich nun sehr unterhaltsame Tage verbracht habe. Über Bangkok selbst habe ich ja schon früher geschrieben, sodass sich dieser Text weniger der Stadt und ihren Sehenswürdigkeiten, sondern vielmehr zahlreichen Erlebnissen und Bildern widmet. 

Im Gegensatz zum Besuch im Februar logierte ich dieses Mal an einer besseren Adresse als gegenüber vom Hauptbahnhof, nämlich im Stadtviertel Sukhumvit, wo auch das Hotel steht, wo mein Kollege Stefan arbeitet. Genau gesagt ist es das Nachbarhaus und gehört demselben Besitzer wie mein Hotel, wo ich über Agoda einen guten Deal gefunden hatte und mir somit nach Jakarta wieder einmal etwas Besseres gönnte. Eigentlich hätte ich das auch bleiben lassen können, da ich die Angebote des Hotels nur spärlich nutzte und hauptsächlich zum Schlafen hier war, dennoch war es bequem, direkt bei der Asok zu wohnen. Die Asok ist eine stark befahrene Kreuzung, wo sich auch die U-Bahn und der Skytrain kreuzen, somit eine ausgezeichnete Lage. 

Bangkok ist eine Stadt, wo jeder Stadtteil einen eigenen Charakter hat. So ist die Backpacker-Hochburg Khaosan Road in keinster Weise mit dem Sukhumvit zu vergleichen - was sie aber gemeinsam haben, ist die Tatsache, dass beide Teile sehr touristisch sind. Während man an der Khaosan Road primär auf junge Rucksacktouristen trifft, sieht man ebendiese im Sukhumvit weniger. Hier reihen sich hohe Hotelpaläste aneinander und das Publikum ist eher älteren Semesters, was ich auch in meinem Hotel merkte. Genauso wie im Khaosan sind aber auch hier die Strassen voller Bars und Restaurants. Ich logierte im Soi 20 (die Seitenstrassen zur Sukhumvit-Hauptstrasse sind nummeriert und tragen die Namen "Soi Sukhumvit XY"), ein lebendiger Soi mit grossem Angebot. Wenig überraschend befindet sich darunter auch ein deutsches Restaurant, das aussieht wie ein Häuschen im Schwarzwald. Man bekommt dort originale deutsche Küche wie Schweinshaxen, Schnitzel usw. sowie natürlich deutsches Bier. Gleich neben dem "Bei Otto" befindet sich das Chesa, ein Restaurant mit einem Besitzer aus der Schweiz. So müssen die vielen Schweizer Expats und Touristen in Bangkok nie auf ihr Fondue verzichten, aber der Preis ist gesalzen. Ottos Restaurant und das Chesa sind nur zwei Beispiele - internationale Küche ist in Bangkok allgegenwärtig, und meistens ist die Qualität dort gut, da sie in der Regel von Leuten aus den betreffenden Ländern geleitet werden. Dennoch reiste ich nicht nach Bangkok, um dort Fondue zu essen.

Was im Sukhumvit besonders auffällt, ist das Nebeneinander von beeindruckenden Hochhäusern und kleinen, alten Gebäuden. So befinden sich meist zwischen den Hotelkomplexen mehrere kleine Häuschen, die normalerweise Bars, Massageläden oder Wäschereien beherbergen. Offenbar ist man hier noch nicht so weit wie in China, wo man zwecks Modernisierung der Städte schon mal ganze traditionelle Viertel ausradiert. Man stellt ihnen einfach riesige Hochhäuser vor die Aussicht, wie dies südlich von meinem Hotel geschehen ist. Beim letzten Mal waren die Wohnungsgebäude südlich des Rembrandt noch in Bau, jetzt sieht man ihre ganze Grösse, unter anderem die imposanten Pfeiler, auf denen die Blöcke stehen.

Am Tag nach meiner Ankunft traf ich beim Hauptbahnhof auf Thomas und Steffen aus Reutlingen. Mit ihnen wurde ein weiteres Fussballspiel besucht, Muang Thong United traf auf Army United. Das Stadion von Muang Thong befindet sich in Pak Kret, einer rund 25 Kilometer von Bangkok entfernten Vorstadt, direkt neben dem riesigen Messegelände, wo gerade eine Schmuckmesse statt findet. Zu erreichen ist das Stadion nicht besonders gut, zumindest nicht mit dem öffentlichen Verkehr. So dauert es 45 Zugminuten, bis man die Station Lak Si im Norden Bangkoks erreicht hat, die Fahrt dorthin kostet sage und schreibe vier Baht (12 Rappen). Von Lak Si aus sind es aber immer noch rund sieben Kilometer bis zur Spielstätte, wobei wir hierfür auf ein Taxi zurückgriffen, das uns direkt vor den Toren des Stadions absetzte. Dieses ist mit einem Fassungsvermögen von 17000 nicht gerade klein, wurde aber sehr gut gefüllt, abgesehen von der Gegengerade, die noch einige freie Plätze bot.

Muang Thong United ist der Krösus des thailändischen Fussballs, in den letzten sechs Ausgaben der TPL gewannen die Schwarz-Roten nicht weniger als fünf Meistertitel. Im Jahr 2012 beendete Muang Thong die Meisterschaft sogar ungeschlagen auf dem ersten Tabellenrang. Keine Überraschung, dass das Spiel gut besucht war, zumal es das Auftaktspiel zur neuen Saison war. 

Was wir dann zu sehen bekamen, begeisterte uns: Sowohl auf wie auch neben dem Feld erlebten wir kurzweilige 90 Minuten. Muang Thong schoss in der ersten Halbzeit zwei Tore, beiden gingen sehenswert vorgetragene Angriffe voran. Auch abgesehen davon brillierte Rot-Schwarz mit zahlreichen gelungenen Ballstaffetten und technischen Raffinessen, die wir hier nicht erwartet hätten. Army United war demgegenüber eher harmlos, nach dem Anschlusstor in Halbzeit Zwei bekamen aber auch die Gäste wieder Aufwind, sodass wir in den Genuss einer spannenden Schlussphase kamen. Da dort keine weiteren Tore fielen, blieb es beim 2:1-Heimsieg für Muang Thong, der angesichts der technischen Unterschiede zwischen den beiden Teams verdient war.

Das Stadion war nicht nur voll, sondern auch stimmungsvoll. Abgesehen von unserer Seitentribüne befanden sich auf allen drei anderen Tribünen aktive Fangruppen, die von insgesamt acht Anstimmern dirigiert wurden. Als Stimmungs-Epizentrum entpuppte sich rasch die links von uns gelegene Kurve, die mit einem Banner mit der Aufschrift "Ultra Muang Thong" gekennzeichnet war. Diese überzeugten uns auf der ganzen Linie; nette Melodien, hohe Beteiligung sowie eine dementsprechend hohe Lautstärke über die gesamte Spieldauer waren beste Unterhaltung. Gästefans hatte es auch einige (siehe Bild unten), diese glänzten aber nicht gerade durch bedingungslosen Support, wie es die Heimkurve zelebrierte.

Nachdem wir das Stadion völlig zufrieden verliessen, begaben wir uns auf die Suche nach einem Taxi zurück in die Stadt. Dies gestaltete sich nicht schwierig, das Messegelände inkl. Hotel neben dem Stadion war ein guter Anlaufpunkt, um ein Taxi zu finden. Der erste Fahrer verlangte für die Fahrt nach Bangkok 500 Baht und weigerte sich, den Taximeter einzuschalten, weshalb wir nicht auf sein Angebot eintraten. Der zweite war dann korrekt und brachte uns in Windeseile an die Asok-Kreuzung zurück. Kostenpunkt für die 25 Kilometer insgesamt Autobahnmaut: 250 Baht (7.90 Franken), also genau die Hälfte davon, was der erste Fahrer uns abknöpfen wollte. Dass man in Bangkok aber darauf bestehen muss, dass die Taxifahrer den Meter einstellen, ist nicht erst seit diesem Erlebnis bekannt.

Gut gelaunt begaben wir uns dann in Richtung Sports Corner am Soi 20, um dort etwas deutsche Bundesliga zu schauen und gemütlich ein paar Bierchen zu trinken. Daraus wurde aber nichts: Da Bangkok am Sonntag den Bürgermeister wählte, wurde die Stadt kurzerhand trocken gelegt, der Verkauf von Alkohol gesetzlich verboten. So waren die meisten Bars im Sukhumvit (und auch im Khaosan) gerade ganz geschlossen, die wenigen offenen verkauften keinen Alkohol. Nicht einmal die omnipräsenten Convenience Stores verkauften Bier - zumindest nicht offiziell. Unter der Hand und im schwarzen Plastiksack bekamen wir dann aber ein paar Dosen, die wir uns dann gezwungenermassen in meinem Hotelzimmer zu Gemüte führten.

Aus der gemütlichen Bierrunde im Sukhumvit wurde schliesslich also ein Rumgammeln im Hotelzimmer, wo wir bei englischem Fussball Reiseerfahrungen austauschten. Thomas kommt aus Reutlingen und ist mir aufgrund unserer Freundschaft zur Fanszene im schwäbischen Städtchen (das eigentlich ja grösser ist als St. Gallen) schon länger bekannt. Er unternimmt derzeit eine Weltreise, die eben erst begonnen hat und bis im August dauert. Seine Anekdoten sind ebenfalls auf einem Blog nachzulesen, den ihr unter folgender Adresse findet: http://my-trip-up-close.tumblr.com/ - besonders lesenswert sind seine Erfahrungen aus Indien, wo er bei verschiedenen Leuten eingeladen war und dies gut feiern konnte. Derzeit wird Thomas von Steffen, ebenfalls aus Reutlingen, aber Fan des VfB Stuttgart, begleitet. Er nahm einen Monat Ferien und wird diesen nun mit Thomas in Thailand, Laos und Kambodscha verbringen. Da die beiden Deutschen am nächsten Tag früh Morgens nach Ayutthaya weiter reisten blieben sie nicht allzu lange zu "Besuch", ehe sie zurück in ihre Unterkunft in Khaosan fuhren. 

Am Sonntag hatte ich dann wieder mit Stefan abgemacht, um gemeinsam mit ihm und seiner Freundin Dewy den Chatuchak Weekend Market zu besuchen. Dieser befindet sich etwas ausserhalb des Zentrums, man erreicht ihn, wenn man mit der Metro bis zur zweitletzten Station (Khampaeng Phet) fährt. Als erstes steuerten wir die grosse Esshalle an, wo man alles mögliche aus der thailändischen und chinesischen Küche findet. Nachdem wir uns ein ausgiebiges Mahl gönnten, um wieder auf Betriebstemperatur zu kommen - Stefan feierte Tags zuvor in einer Seitenstrasse zur Khaosan den letzten Arbeitstag eines Kollegen, indem er Bier und Drinks in Kaffeetassen serviert bekam - bestaunten wir das reichhaltige uns schön angerichtete Angebot des Lebensmittelmarktes, das ich als so fotogen erachtete, dass hier gleich mehrere Bilder davon zu finden sind.

Danach unterquerten wir die Hauptstrasse, um an den eigentlichen Chatuchak Market zu gehen. Dieser besteht aus über 15000 (!) Shops, aufgeteilt in 27 Sektionen, und ist der grösste Markt Thailands. Man findet am Chatuchak schlicht alles - von lebenden Tieren über Haushaltsgeräte bis hin zu Souvenirs kann man alles erstehen. Wir zogen eine Stunde durch den Markt und gönnten uns die lebhafte und interessante Szenerie, ehe ich mich aus dem Staub machte, um mit dem Skytrain von der ebenfalls nahe gelegenen Station Mo Chit zurück zur Asok-Kreuzung zu fahren.

An der Asok wartete bereits Mali auf mich. Mali lernte ich vor drei Jahren kennen, als ich meine ehemalige Mitbewohnerin Jacqueline während ihres Studienaufenthaltes in China besucht hatte. Sie hatten miteinander studiert und wir gingen damals zusammen aus, sodass wir den Kontakt auf Facebook austauschten und weiterhin hin und wieder miteinander schrieben. Mali stammt aus dem Norden Thailands und ging dort in die Mittelschule, ehe sie zwecks Studiums nach Peking zog. Nachdem sie dieses beendet hatte, zog sie zurück nach Thailand und fand in Bangkok an der Börse einen guten Job. Mit Mali ging es dann schon wieder zum Essen, in einer Seitenstrasse zum Soi 23 assen wir Tacos und ein Reisgericht. Danach war es nicht mehr so schwierig, eine Bar zu finden, um noch ein Bier zu trinken; am Sonntag Abend nahmen sie es mit dem Alkoholverbot nicht mehr gleich streng, zumal die Wahllokale ohnehin schon geschlossen waren. Mali war ganz zufrieden, dass die Opposition die Bürgermeisterwahl gewonnen hatte, da es ihrer Ansicht nicht gut gewesen wäre, wenn die Regierungspartei Thailands auch in Bangkok den Vorsitz gehabt hätte. Ich durchschaute dies mangels meiner Kenntnis in thailändischer Politik nicht besonders gut, sah nur am nächsten Tag in der Zeitung, was der wiedergewählte Bürgermeister Sukhumbhand Paribatra der Bevölkerung Bangkoks in näherer Zukunft verspricht. Kritische Stimmen wenden demgegenüber ein, dass seine Wiederwahl eine tiefe Spaltung in der thailändischen Innenpolitik bedeuten könnte.

Heute stand dann nicht mehr viel auf dem Programm, zumal die letzten beiden Tage sehr ereignisreich und damit auch gewissermassen ermüdend waren. Bangkok ist eine faszinierende Stadt, wo man jeden Tag wieder etwas Neues erleben kann und es einem niemals langweilig wird. Ich war nun während meiner Reise insgesamt acht Tage hier, könnte aber durchaus noch weitere Zeit gebrauchen, um wirklich alles hier gesehen zu haben. Ich muss dies aber nicht wirklich; einerseits, weil ich ohnehin nie allen Sehenswürdigkeiten nachrenne und andererseits, weil es immer einen Grund braucht, um an einen Ort zurück zu kehren, wo es einem besonders gut gefallen hat.

An meinem letzten Mittag in Bangkok machte ich erneut mit Stefan ab, um mit ihm zum Zmittag zu gehen. Wir taten dies im Terminal 21, einer ganz neuen Mall mit Anschluss an die Asok Station. Diese stellt auf jedem Stockwerk eine andere Stadt dar, wobei uns heute der fünfte Stock unter dem Motto "San Francisco" interessierte. Dort kann man eine Karte mit einem gewünschten Betrag aufladen und dann damit bei verschiedenen Ständen Essen holen. Dieses fand ich sogar für Bangkoker Verhältnisse äusserst billig - Ente auf einem Nudelbett kostete 1.25 Franken - und gut war es auch. Das Resultat davon war, dass ich einmal mehr viel zu viel gegessen habe.

Es wird Zeit, Thailand zu verlassen: Das Essen ist einfach viel zu gut und viel zu preiswert hier. In den letzten drei Tagen habe ich sicher gleich viel gegessen wie in einer Woche Schweiz! Thailand verlassen steht morgen auf dem Programm, die Reise geht weiter nach Singapur. Ich konnte das Land aber nicht hinter mir lassen, ohne nochmals Larb gegessen zu haben; das Essen, das ich in Vientiane so besonders schätzte und bis jetzt das kulinarische Highlight der Reise schlechthin ist. Glücklicherweise befindet sich unweit meines Hotels ein Restaurant mit Spezialitäten aus dem Isaan (Nordostthailand, nahe der Grenze zu Laos), wo ich mir nochmals eine ordentliche Portion Larb einverleibte.

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Langweilige und muehsame Tage in Bali

Es gibt beim Reisen schönere Vergnügen, als fünfeinhalb Stunden an einem Flughafen zu überdauern. Da wird einem vor Augen geführt, dass die billigste Option nicht immer die Beste ist; für eine Fünfzigernote mehr hätte ich noch etwas vom Tag in Bangkok gehabt, für solche Einsichten ist es jetzt aber zu spät. Immerhin sitze ich, nachdem ich von Bali nach Singapur geflogen bin, mit dem Changi Airport wohl am besten Flughafen der Welt, und habe ebenso alle Zeit der Welt, den Blog mit meinen Erfahrungen aus Bali zu bereichern. Da kommt schon das nächste Problem ins Spiel: Es bereitet mir gerade Mühe, viel darüber zu schreiben, habe ich in den letzten Tagen doch so ziemlich gar nichts geleistet, abgesehen vom Entspannen und dem vielen Essen.

Vor dem Spiel in Surabaya suchte ich den Gubeng-Bahnhof nochmals auf, um ein Ticket nach Banyiuwangi zu erstehen. So sollte es mit dem Zug an die Ostküste Javas gehen, von dort aus mit dem Schiff rüber nach Bali und dann weiter mit dem Bus bis Denpasar oder Kuta. Der Konjunktiv wurde gewählt, weil daraus nichts wurde: Der Zug war zu meiner Überraschung ausgebucht, und so blieben mir nur noch die Optionen Bus oder Flug, um nach Bali zu gelangen. Da ich lange Busfahrten hasse und der Flugpreis (34 Franken, am Tag vor der Abreise!) verlockend klang, entschied ich mich dafür, den dreiviertelstündigen Katzensprung im Flugzeug hinter mich zu bringen. In Bali angekommen gab es den ersten Vorgeschmack dafür, was mich in den kommenden Tagen noch öfters nerven würde: Sobald ich den Ankunftsbereich verlassen hatte, wurde ich von aggressiven Taxifahrern umringt, die mich zu Wucherpreisen nach Kuta bringen wollten und empfindlich darauf reagierten, als ich sie abwimmelte. Zu deren Unbill legte ich die zwei Kilometer vom Flughafen bis zum Hotel dann zu Fuss zurück, ist ja wirklich nicht weit.

Der Grund, weshalb ich nach Bali gereist bin, war derselbe, der für die Reisen nach Langkawi und Hua Hin zuständig war: Um mich im Wellenbad des Meeres zu entspannen. Allerdings ist auf Bali noch so halbwegs Regenzeit, und das bringt nicht nur täglichen Regen - sehr heftig, aber auch nur sehr kurz - mit sich, sondern auch starken Wind. Dieser war so stark, dass der Strand für jegliche Schwimmaktivitäten gesperrt wurde, einzig ein paar wenige Surfer tummelten sich im sonst sehr beliebten Wasser. War aber auch besser so, angeschwemmte Baumbestandteile und Kokosnüsse wären nicht gerade schöne Überraschungen, während man sich im Wasser entspannt. Die werden ja schon wissen, weshalb sie ihre grösste Touristenattraktion sperren und das auch nicht nur deshalb machen, um den Tourismus in Kuta Dorf anzukurbeln.

Der mehrere Kilometer lange Sandstrand von Kuta bringt eigentlich alles mit, um in die Kategorie "tropischer Traumstrand" eingereiht zu werden: Palmen, feinster Sand, lauwarmes Wasser und ein kitschig-dramatischer Sonnenuntergang am Abend. Aufgrund seiner guten Erreichbarkeit ist der Strand sogar dann voll, wenn alle zwanzig Meter rote Fähnchen im Sand stecken, die auf das Schwimmverbot hinweisen. Das weiche Sandbett eignet sich aber auch zum Lesen ziemlich gut, sodass ich mir Manuel Vincents Buch "Tranvia a la Malvarrosa" zu Gemüte führte und die 180 Seiten auf Spanisch in einem Tag verschlang.

Was macht der Kuta-Tourist - der in der Regel ein Australier ist, der einfach schlicht zu cool für diese Welt ist - sonst, wenn der Strand gesperrt ist? Richtig, da gibt es auch noch ein Dorf hinter dem Strand, das sich entlang den Strassen Kartika Plasa, Legian sowie Poppies 1 und 2 erstreckt. An einer Kreuzung befindet sich das Denkmal für die über 200 Todesopfer des Terroranschlages von 2002. Ansonsten sind diese Strassen gesäumt von Restaurants, Bars, Clubs, Convenience Stores, Souvenirläden, Kleiderläden, Massagesalons und vielen weiteren Dingen, die die Sinne erregen können.

Aber viel mehr als diese Dinge fielen die Leute auf, die den lieben langen Tag auf der Strasse verbringen. In Kuta muss man sich eine dicke Haut zulegen, ansonsten ist die Gefahr, hier so richtig auszurasten, sehr hoch. Alle fünf Meter wird man mit "Yes! My friend, transport!?", "Hello my brother!", "Maaaan, massaaaage??", oder "Marihuana, Haschisch, Mushrooms?" angesprochen, während man als Fussgänger nebenbei auch noch alle paar Sekunden von verlangsamenden Taxis (resp. deren Fahrern) angehupt wird. Das Ganze wird von diesen Menschen auf eine derart lästige und penetrante Weise zelebriert, dass einem nach ein-zwei Kilometern sämtliche Lust an einem Aufenthalt im strandgesperrten Kuta vergeht. 

Möglichkeiten, diesem zu entgehen, gibt es genug: Bali ist eine wunderschöne Insel und hat mit Tempeln und Bergen viele Sehenswürdigkeiten zu bieten. Diese erreicht man mit geführten Touren, die auf Flyers mit Preisen zwischen 25 und 40 Franken (für einen ganzen Tag!) ausgeschrieben werden. Ein Deutscher, der am gleichen Ort wie ich logierte, unternahm eine solche Tour und auch ich überlegte mir das - als er davon zurück kehrte, war er  aber dermassen desillusioniert, dass auch ich darauf verzichtete. Mit der Tatsache, dass sich der Preis für die Tour aufgrund von Parkplatz- und Eintrittsgebühren sowie dem obligatorischen Essen für den Fahrer schliesslich mehr als verdoppelt hatte, konnte er gerade noch so leben. Nicht aber damit, dass er trotz Guides an seiner Seite bei allen Sehenswürdigkeiten nicht nur angesprochen, sondern richtiggehend belästigt und genötigt wurde. Es sei noch viel schlimmer als in Kuta selbst, und da der Jens nicht gerade den Eindruck machte, mich von einer Tour ins Hinterland unbedingt abhalten zu wollen, vertraute ich seinem Erfahrungsbericht,  kaufte mir zwei gefälschte DVDs und machte es mir auf der Terrasse meiner liebenswerten Unterkunft bequem, ehe jeweils der Abend heranrückte.

Eine Qualität, die ich an Kuta schätzte, war die Vielfalt des Essangebotes. Dieses hatte zwar höhere Preise als dies im sonstigen Indonesien der Fall ist, darüber darf man sich in einem Ort wie Kuta aber nicht auch noch beschweren, zumal die Preise für europäische Verhältnisse immer noch tief waren. Sehr gut war das Essen bei einem Vietnamesen direkt an der Hauptstrasse, wo ich Mung (dünne Reisnudeln) mit scharfem Zitronengras-Poulet sowie vegetarische Frühlingsrollen bestellte. Noch mehr angetan hat es mir aber das Rendang Beef, das aus der Küche Padangs stammt. Padang liegt in der Mitte der Insel Sumatra, seine Küche ist aber in ganz Indonesien bekannt und gilt als die Beste des Landes. Der Beweis dafür liefert das Rendang: Zuerst werden die Rindfleischstücke angebraten, danach stundenlang in eine scharfe, mit Kokosnussmilch abgerundete Chili-Sauce eingelegt und gegart. Bis es essbar ist, entwickelt es eine gulaschähnliche Konsistenz. Serviert wird es in der Regel mit der Kokosnussauce, in der es eingelegt wurde, sowie Reis und verschiedenem Gemüse. 

Von der indonesischen Küche gilt es nun aber Abschied zu nehmen, es folgen nun bewegtere Tage in Bangkok und Singapur.

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Yogyakarta - Solo Balapan - Surabaya Gubeng

Nach nur zwei Tagen Aufenthalt in der kurzweiligen und sympathischen Stadt Yogyakarta hiess es bereits wieder den Rucksack zu packen und mich auf die nächste Destination vorzubereiten. Yogyakarta hat es mir irgendwie angetan, es gibt viel zu sehen in der Stadt und die Leute sind sehr freundlich, abgesehen von der Schulklasse, die in meiner Unterkunft einen riesigen Lärm veranstaltete. Aber schliesslich kennen wir alle Schulausflüge und von einem Hotel mit dem Namen "The Cabin Hotel" erwarte ich auch nicht unbedingt riesige, schalldichte Zimmer, weshalb man da schon mal etwas nachsichtig sein darf. Am Vormittag spazierte ich nochmals durch die Altstadt von Yogya, wo ich noch das eine oder andere sehenswerte Graffitti sah und fotografierte, ehe die Reise am Nachmittag dann weiterging.

Das nächste Ziel auf meiner Route quer durch Java hiess Surakarta. Diese Stadt heisst offiziell zwar so, wird aber nur Solo genannt, sowohl in formalen wie auch in informalen Kontexten. Der Name stammt von einem südlich der Stadt gelegenen Fluss. So heisst der Bahnhof zum Beispiel Solo Balapan, mit der Bezeichnung Surakarta kommt man bei der Eisenbahn nicht weit. Um von Yogya nach Solo zu gelangen, gibt es verschiedene Möglichkeiten: Es gibt Regionalzüge, Interregios, Schnellzüge und Argos, die Langstreckenzüge durch Java. Nachdem ich bereits in Bandung ein Ticket für einen Argo gekauft hatte, da ich noch nichts von der Existenz der Regionalbahnen wusste, tauschte ich ebenjenes Ticket am Bahnhof von Yogya gegen eines für den Regionalzug aus. Die Fahrt dauert fünf Viertelstunden, weshalb man es auch gut einmal ohne Klimaanlage im Wagen aushält, wenn der Preis dafür statt 170'000 Rupien nur deren 10'000 beträgt.

Der Zug war wie erwartet eine alte Klapperkiste und führte nur Wagen der dritten Klasse mit sich, was nicht wirklich bequem war, bei einem Fahrpreis von einem Franken kann man aber kaum auch noch diesbezüglich Ansprüche stellen, weshalb die Reise trotzdem ganz rasch voranschritt. Zumal sich in Yogya eine Wirtschaftsstudentin aus dem Unterwegshalt Klaten neben mich hinsetzte und mir ein bisschen über Land und Leute erzählte.

In Solo angekommen musste ich vor dem Bahnhof nur schnell die Strasse überqueren und schon war ich bei meiner Unterkunft. Immer wieder praktisch, wenn man all die umtriebigen Taxifahrer bei Bahnhöfen einfach links liegen lassen und zur Unterkunft laufen kann. Solo ist eine eher kleine Stadt, zwar nicht einwohnermässig (doch über eine halbe Million Menschen wohnen in Solo), sondern vielmehr bezüglich touristischer Attraktionen. Da gibt es einen Kraton, einen Sultan-Palast, der demjenigen in Yogya ziemlich ähnelt, was auch nicht weiter verwundert, da er vom Bruder des damaligen Sultans von Yogya erbaut wurde. Dann gibt es zwei, drei Laden- und Restaurantstrassen, einige interessante Kolonialbauten, mehrere Märkte sowie zwei grosse Batik-Einkaufszentren, wo man die farbig gemusterten Kleider aus Zentraljava zu guten Preisen erstehen kann. Das wäre es dann auch schon gewesen, aber trotzdem hat es sich gelohnt, hier einen kurzen Zwischenstopp einzulegen, traf ich doch auf eine authentische, lebendige indonesische Stadt, wo ich zudem einen meiner besten Teller Nasi Goreng verspeisen konnte.

Am nächsten Tag erwartete ich dann etwas ähnliches wie die Fahrt von Bandung nach Yogyakarta, als der Zug eine wunderschöne Strecke durch die Berge zurück legte. Doch das Wetter machte mir einen gewaltigen Strich durch die Rechnung, es regnete nämlich ununterbrochen und so wurde es nichts aus der Sicht aus dem Argo Willis, einem dieser bequemen, komfortablen Langstreckenzüge. In Java ist derzeit Regensaison, was normalerweise nicht bedeutet, dass es ganze Tage lang regnet, sondern vielmehr einmal pro Tag heftig schüttet. Entweder erwischte ich also einen der seltenen Ganztagesregen, oder aber ich bewegte mich gemeinsam mit der Wetterfront von Westen nach Osten. Weiter tragisch war es aber nicht, und auf die Minute genau pünktlich - die indonesischen Züge spielen diesbezüglich in einer anderen Liga als die thailändischen - traf ich am Abend in Surabaya Gubeng ein.

Mit etwa zweieinhalb Millionen Einwohner ist Surabaya die zweitgrösste Stadt Indonesiens, selbstverständlich hinter Jakarta. Surabaya ist das Wirtschaftszentrum von Ostjava, eine Universitäts- und Hafenstadt sowie zugleich auch Verkehrsknotenpunkt in der Region. Die Bedeutung Surabayas ist also gross, dennoch bedeutet dies nicht, dass es hier besonders viel anzuschauen gäbe. Genau das Gegenteil ist nämlich der Fall, Surabaya bietet so gut wie nichts, abgesehen von majestätischen Strassen, auf denen man aber auch nicht gut spazieren kann, sowie einige Malls. Und Regen, und dies absolut zur Genüge. So gab ich mir dann mal einer dieser Tage, wo ich alles organisieren konnte und mich primär in Malls aufhielt.

Da ich in letzter Zeit einige Buchungen durchgeführt hatte, musste ich diese auch noch irgendwie zu Papier bringen. Da dies im Hotel aufgrund ausgefallenen Druckgerätes nicht möglich war, brachte ich die Dokumente auf einem USB-Stick in einem Copyshop vorbei und wurde dabei Zeuge von a) dem motiviertesten Copyshop-Chefs Indonesiens und b) davon, dass es zum Ausdrucken von sechs pdf-Files fünf Indonesier braucht, da sie sich gegenseitig in ihrer affenähnlichen Inkompetenz überboten. 25 Minuten und 30000 Rupien später war dies dann aber auch erledigt und weitere Erledigungen standen an, so musste beispielsweise eine neue Speicherkarte für die Kamera her und auch meine Haare mussten wieder einmal dran glauben. Der Regen veranlasste mich dann auch, seit einer gefühlten Ewigkeit wieder einmal einen Kinobesuch vorzunehmen, Django Unchained von Quentin Tarantino stand auf dem Programm. Dieser reiht sich mit seiner Brutalität nahtlos in Tarantinos andere Werke ein, die Geschichte über einen freigewordenen Sklaven aus dem Texas vor dem Bürgerkrieg Mitte des 19. Jahrhunderts ist aber sehenswert, genauso wie das ganze Blutvergiessen, das während der gut 160 Minuten Filmdauer zelebriert wird. Abgerundet wurde der Tag danach noch von einem feinen Beef Teriyaki in der Mall gegenüber.

Heute Sonntag stand dann wieder Fussball auf dem Programm. Und die Vorfreude war gross, insbesondere nach dem, was ich am letzten Samstag in Jakarta vorgesetzt bekam. Nur stand hier zunächst eine organisatorische Barriere im Weg: Das Stadium Gelora Bung Tomo befindet sich nämlich 20 Kilometer ausserhalb von Surabaya und ist auf alle vier Seiten gesäumt von Salinen, eine Siedlung ist weit und breit nicht in Sicht. Nun, der öffentliche Verkehr hält sich selbst in der Stadt Surabaya stark in Grenzen, sodass ich mir diesbezüglich schon gar keine Hoffnungen machte. Das Thema war eher, wie ich dort draussen ein Taxi für die Rückfahrt finden würde. Des Rätsels Lösung bestand dann darin, ein Taxi von Surabaya aus zu nehmen und ebendieses während des gesamten Spieles warten zu lassen, um mit dem gleichen Gefährt wieder zurück in die Stadt zu fahren. Nobel geht die Welt zu Grunde, und so gönnte ich mir den Luxus, einen indonesischen Taxifahrer fürs Nichtstun zu entlöhnen, bei einem Stundensatz von 3.25 Franken fiel es wenigstens nicht besonders ins Gewicht. 

Über das sonderbare indonesische Ligensystem mit zwei höchsten Profiligen habe ich bereits im letzten Blog berichtet. Nun bekam ich nach dem ISL-Spiel vom vergangenen Wochenende Persebaya Surabayas Saisoneröffnungsspiel gegen Bontang zu sehen. Während die ISL schon ein paar Runden ausgetragen hat, war dies erst das zweite Spiel in der gesamten Premier League-Saison 2013 überhaupt. Persebaya empfing dabei mit Bontang eine Mannschaft aus dem Centro-Nord von Borneo, das in Indonesien nur Kalimantan genannt wird. Surabaya und Bontang trennen Luftlinie gut 1000 Kilometer, was aber noch nicht viel ist: Die (beiden) indonesischen Fussballligen erstrecken sich nämlich über das gesamte Archipel, weshalb die Vereine sehr hohe Reiseauslagen ins Budget aufnehmen müssen. So sind es von Padang auf Sumatra bis nach Jayapura auf Papua/Irian Jaya beinahe 4500 Kilometer Luftlinie. Unvorstellbare Distanzen für einen Schweizer, der sich an längste Auswärtsfahrten von sechs Stunden Fahrzeit gewohnt ist.

Die Fanszene von Persebaya geniesst in Indonesien einen sehr guten Ruf, gehört sie doch zu den leidenschaftlichsten und zahlreichsten im gesamten Land. Doch was sich mir hier bei Anpfiff bot, war ein trauriger Anblick: Abgesehen davon, dass das Stadion überall mit Zaunfahnen zugekleistert war, befanden sich über das ganze Oval verteilt kleinere Grüppchen, die die Startphase im Sitzen verfolgten. Sollte sich hier etwa die fantechnische Enttäuschung Kalkutta-Derby wiederholen? Mitnichten. Es war sowohl auf wie auch neben dem Spielfeld ein Steigerungslauf, der Persebaya hier hinzauberte.

Angefangen hat das ganze nach einer guten Viertelstunde, als sich die Fans auf der Gegengeraden erhoben und mit dem Support begannen. Wie schon in Jakarta war dieser gekennzeichnet durch grossen Einsatz der Schals und der Arme, was das ganze sehr lebendig gestaltete. Aber auch in den anderen Sektoren kamen immer mehr Leute zusammen, sodass der Unterrang des Stadions spätestens ab der 30. Minute fast voll war. Dies führte dann dazu, dass sich drei Fankurven herauskristallisierten; alle davon waren hervorragend beflaggt und warteten mit einer guten Stimmgewalt auf. Darüber hinaus zündeten sie auch immer wieder Fackeln, Rauch oder andere pyrotechnische Erzeugnisse und auch an Farbe in Form von Fahnen fehlte es nicht. Ein grosses Spektakel, das die drei Kurven von Persebaya Surabaya hier offerierten!

Belohnt wurden die Fans dabei von einem diskussionslosen 5:0-Sieg ihrer Mannschaft über Bontang. Die Gäste schossen während des gesamten Spieles vielleicht dreimal aufs Tor, während die Heimelf das Spiel ganz eindeutig dominierte. Dabei erarbeiteten sie sich schon in der ersten Halbzeit jede Menge Torchancen, erfolgreich waren sie aber erst nach dem Seitenwechsel, wo die Tore dann wie reife Früchte fielen. Der Australier Karlovic (54., 60.) eröffnete das Skore, die weiteren Tore trugen die Unterschrift von Vermansyah (71.) und Ariawan (86., 89.). Mit diesem Sieg ist Persebayas Start in die Meisterschaft natürlich nach Wunsch geglückt, was ganz den Vorstellungen der gut 35000 Fans entsprach. Diese feierten ihr Team nach dem Schlusspfiff noch ausgiebig, während ich meinen Fahrer aufsuchte und zurück in die Stadt fuhr, wo ich den Abend bei Fussball im Liveticker und einigen Bintang ausklingen liess.

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Zuruecklehnen und die Landschaft geniessen

Nachdem ich den Samstag in Jakarta zuerst im Stadion, dann beim Abendessen in der Jalan Jaksa und schliesslich vor dem Liveticker zu Sion - St. Gallen (sowohl St. Gallen wie auch Atalanta leiden derzeit an der gleichen Krankheit: Sie schiessen einfach bei bestem Willen kein Tor - und wenn sie dann mal treffen, dann ins falsche...) verbrachte, stand am Sonntag die Weiterfahrt aus dem Moloch an. Jakarta verliess ich mit gemischten Gefühlen, auf der einen Seite war die Stadt nervenaufreibend, stinkig und dauerverstopft, auf der anderen Seite aber interessant und besser, als ich mir dies nach diversen Vorberichten vorgestellt hatte. Vielleicht hat aber auch der Besuch in Kalkutta - insbesondere punkto Verkehr - schlicht abgehärtet. Die Fahrt führte durch die Berge ins nur gut 150 Kilometer entfernte Bandung, dauerte mit dem Zug aber dennoch drei Stunden. Bedient man sich der Eisenbahn, bekommt man aber stets mehr zu sehen als auf der Autobahn und so stürzte ich mich voller Vorfreude ins Reisekapitel "indonesische Eisenbahn".

Der Zug, in dem die erste Klasse (mit Klimaanlage) 6 und die zweite Klasse 4.50 Franken kostete, war sehr bequem und ermöglichte einen faszinierenden Blick aus seinen Fenstern. Zunächst dauerte es mal gut drei Viertelstunden, bis man den Grossraum Jakarta hinter sich liess. Dabei konnte man aus dem Fenster gut sehen, wie die Leute ausserhalb des glitzernden Stadtzentrums voller Business-Glastürmen und Malls leben: In einfachsten Behausungen, meist aus Wellblech und einigen Brocken Beton; die Wäsche stets ausserhalb der Häuschen aufgehängt, wo sich auch ihre Garküchen befinden. Nachdem Jakarta, die Stadt die kein Ende hat, dann doch einmal aufhörte, tuckerte der Zug in gemächlicher Geschwindigkeit in weniger ebene, ländliche Regionen Javas, bis er schliesslich in Bandung eintraf.

Bandung ist immerhin die drittgrösste Stadt Indonesiens und hat gut drei Millionen Einwohner, punkto Stress und Verkehr ist es mit Jakarta aber nicht vergleichbar, obwohl Letzterer auch hier nicht ohne war und beim Überqueren einer Strasse stets Vorsicht geboten war - aber immerhin war es hier überhaupt möglich. In Bandung selbst gibt es nicht allzu viel anzuschauen. Das sehenswerteste war wohl der Alun-Alun, wie die Hauptplätze in den meisten indonesischen Städten heissen, auf dem eine Moschee mit riesigen Minaretten platziert ist. Unweit davon entfernt befindet sich der Pasar Baru (Neumarkt), auf dem man wirklich alles bekommt, natürlich auch die in Asien stets erhältlichen Fälschungen zu Spottpreisen. Dies ist hier aber nicht wirklich nötig: Bandung ist das Shoppingparadies Indonesiens, Jakartas Wochenend-Ausflugs-Stadt und hat eine Anzahl und Dichte an Outlet-Läden und Malls, die sogar Bangkok ohne Weiteres in den Schatten stellt. So kann man gut einmal einen Tag in diesen Läden, die sich entlang der Strassen namens Riau und Dago/Merdeka befinden, vertreiben. Mein Gepäck liess aber nicht allzu viele Sprünge zu, was wiederum mein Portemonnaie mit Wohlwollen zur Kenntnis nahm.

Jakarta - Bandung war die Vorspeise, die Fahrt von Bandung nach Yogyakarta der Hauptgang. Diesmal erwarteten mich gut acht Stunden Zugfahrt für rund 450 Kilometer, wobei das Highlight ganz am Ende anstand. Da Bandung auf gut 750 Metern über Meer liegt, was das Klima ausserordentlich angenehm gestaltet, ging es im Schneckentempo durch die Bergregion ab- und südostwärts. Der erste Halt hiess Cipeundeuy, in der Nähe der Stadt Garut. Bis dahin schlängelte sich der Zug vorbei an Bergen, einige von über 3000 Metern Höhe und Schluchten sowie unzähligen Reisfeldern, die die Strecke säumten. Besonders interessant war, dass die indonesischen Reisbauern nach wie vor auf die Methode des Terrassenbaus setzen, in der die Reisfelder an einem Hügel angelegt werden und durch ein sehr effizientes Bewässerungssystem von oben nach unten gespiesen werden.

Auch punkto Leben bot die Fahrt durch die Berge Javas einiges. So fiel beispielsweise auf den ersten Blick auf, dass die Häuser stets viel Farbe aufwiesen, besonders beliebt waren dabei die Farbtöne hellgelb, hellblau, lila und grün. Gepaart mit der durch Palmen geprägten Landschaft erinnerte mich dies irgendwie an Orte, wo ich noch nie gewesen bin; an zentralamerikanische Bergdörfer, wie man diese aus Dokumentarfilmen über den dortigen Kaffeeanbau kennt. Die Familien leben in relativ einfachen Behausungen, wobei auffiel, dass der Schutz vor dem Regenwasser stets ausgeklügelt vorhanden war, oftmals wird das Regenwasser auch in einem Behälter neben dem Haus behalten und dann weiter verwendet.

Besonders gut gefällt mir die unten stehende Aufnahme eines Familienausflugs auf dem Roller: Der Vater zeigt sich sichtlich genervt drüber, dass der in der Einöde rumstehende Zug die Kinder so fasziniert. Ohnehin winkten entlang der ganzen Strecke hunderte von Kindern dem vorbeifahrenden Zug zu, insbesondere, wenn dieser mal das Gebiet einer Schule kreuzte.

Nun, ich muss zugeben, dass mir mittlerweile die Worte fehlen, um noch weitere Beschreibungen zur Fahrt abzugeben: Der Titel "zurücklehnen und die Landschaft geniessen" trifft es wohl am besten. Die Fahrt war ein Spektakel und bot einen Einblick in die indonesische Landschaft, obwohl ich mich hier primär in Grossstädten aufhalte. Eine Zugreise durch Java kann ich jedem nur empfehlen, der gerne auf einfache Art und Weise einen Einblick in das Land gewinnen möchte, ohne dabei viel Zeit für aufwändige und oft kostspielige, da kaum vorhandene, Ausflüge auf das Land investieren möchte. 

Nach Bandung hiess mein nächstes Ziel Yogyakarta. Yogya, wie dies von allen (selbst Zeitungen) genannt wird, zählt rund 670'000 Einwohner und belegt auf der Städterangliste Indonesiens nur den sechzehnten Rang (ja, ich mag diese Städtelisten). Yogya ist bekannt für seine kulturellen Attraktionen und Sehenswürdigkeiten, besucht man die ganze grossen Tempelanlagen im Umfeld sowie den Merapi-Vulkan, der 2010 zum letzten Mal ausbrach, auch noch, so kann man hier gut auch mal eine Woche verweilen, wie dies der Indonesier vom Zimmer nebenan, der gerade in hoher Lautstärke "The final Countdown" hört, macht.

Was mir in Indonesien sofort auffiel, war die Tatsache, dass die Menschen um einiges individueller sind als in den bisher besuchten Ländern. Hier gibt es keine Lächel-Mentalität wie beispielsweise in Thailand, wo man kaum Emotionen zeigt (ohne damit jetzt ein pauschales Urteil, das über meinen Eindruck hinwegreicht, fällen zu wollen). Indonesien ist auch gar nicht so friedlich wie andere südostasiatische Länder, in verschiedenen Teilen (Aceh/Sumatra, Irian Jaya/Papua) gibt es Unabhängigkeitsbewegungen, die durchaus auch zu Waffen greifen können; die Fussballfans sind hier nicht vergleichbar mit der gleichen Masse an Fans in Japan und Strassenkunst sieht man an jeder Ecke. Diese besteht primär aus zwei Inhalten: Einerseits die omnipräsente Musik in Form von Gitarre / Ukulele mit Trommeln und Gesang, andererseits die Graffittis, die man hier häufig antrifft und sehenswert sind. Gerade in Yogya fiel mir dies besonders auf, aber auch inBandung und Jakarta hoben sich damit stark von anderen asiatischen Grossstädten ab.

Yogyakarta ist voller kulturellen Sehenswürdigkeiten, die schnell mal einen Tag ausfüllen, wenn man nicht bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf die lästigen Velorikscha-Fahrer zurückgreift. Nach einer gewissen Zeit nerven diese Kerle echt nur noch, was schon bei der Anrede "Hello my friend, how are you, where you going...?" beginnt. Zumal man sich in Yogya auch zu Fuss kaum verliert, ist das Stadtzentrum südlich des Hauptbahnhofes doch mehr oder minder rechtwinklig angelegt. Die Jalan Malioboro, die Haupt- und Shoppingstrasse Jakartas, führt einen dabei direkt vor die Tore des Sultan-Palastes. An der Malioboro selbst reiht sich ein Batik-Shop an den nächsten, zu Spottpreisen bieten sie die Kleider mit den traditionellen Mustern aus Zentraljava an. Um den Sultan-Palast zu betreten muss man einmal mehr als Ausländer deutlich tiefer in den Geldbeutel greifen als ein Inländer, es lohnt sich aber wirklich, diese 1.35 Franken zu bezahlen, zumal man dafür noch gratis eine persönliche, englisch sprechende Führerin erhält. Der zehnte Sultan von Yogyakarta hat ein riesiges Anwesen, das ihm zur Verfügung steht. Er lebt immer noch hier, und während der Besuchszeiten des Palastes (von 9 bis 14 Uhr) besitzt er auf die andere Seite seines Hauses immer noch genügend Platz, um sich zu vergnügen. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern darf er dies aber nur noch mit einer Frau tun, und da diese auch nach dem fünften Versuch kein männliches Kind zur Welt brachte, wird sein Bruder der nächste Sultan von Yogyakarta sein.

Neben dem Wohnhaus selbst bekam ich auf der Führung noch zahlreiche weitere Sachen zu sehen; persönliche Sammlungen des Sultans, verschiedene kleine Tempel, die Architektur-Eigenschaften des Islams und des Hinduismus in sich vereinten, sowie der Palast, in dem er Gäste aus aller Welt empfängt. Der Sultan-Palast ist im Zentrum Yogyas so etwas wie die Hauptattraktion, was ich beim Eingang sofort merkte. Insbesondere Schulklassen besuchten den Palast, wobei zwei junge Mädchen allen Mut zusammenrauften und mich um ein Foto mit ihnen baten. Seit Penang war mir dies nun nicht mehr passiert, und natürlich gab ich der Fotografin auch meine Kamera in die Hand.

In der Nähe des Sultan-Palastes befinden sich weitere Sehenswürdigkeiten, die man bei einem Besuch in Yogya keinesfalls auslassen sollte. So etwa das Wasserschloss, unweit vom Palast entfernt. Dort sprach mich dann einer der dort anwesenden, inoffiziellen Touristenführer an, um sich danach an meine Fersen zu heften. Nachdem ich lange Zeit skeptisch war, entwickelte sich aber ein durchaus interessantes Gespräch, während er mich durch die Sehenswürdigkeiten wie eine unterirdische Moschee oder des Sultans persönlichen Swimming Pool führte. Der von mir bereits erwartete Haken folgte dann natürlich am Schluss, als er mich ins Haus seiner Familie führte (oder war es ein Freund? Wer weiss das schon?), der Batik-Bilder herstellte und verkaufen wollte. Der Verkäufer merkte aber relativ rasch, dass bei mir nichts zu holen war und war auch gar nicht aufdringlich, nachdem er mich dann durch den Kampoeng (Altstadtviertel) zurück zum Wasserschloss geleitete und ein kleines Bakschisch erhielt, war die "Führung" dann zu Ende. Wenn man sich nicht über den Tisch ziehen lässt von diesen Typen wird man sie entweder schnell los oder sie sind ganz anständig...

Den Abend verbrachte ich dann in und ums Hotel, ist eine sehr interessante Gegend hier mit zahlreichen Restaurants und Läden, und auch der Bahnhof, den ich morgen wieder benützen werde, ist nur gut fünf Minuten zu Fuss entfernt.

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Jakarta, die Stadt ohne Ende

Als kleiner Bub hatte ich in einem Newsformat des Schweizer Fernsehens mal eine Kurzreportage über Jakarta gesehen. Bis heute ist mir ein Bild davon hängen geblieben: Wie die Menschen in der indonesischen Hauptstadt mit Atemmasken umher gehen. Nachdem ich drei Tage hier verbracht habe, kann ich feststellen, dass dies nicht die dümmste Idee ist, die Luft ist wirklich hervorragend schlecht. Atemmasken sind weiterhin omnipräsent und haben sogar schon Modetrends hervorgerufen, sind sie doch nicht mehr nur weiss, sondern mittlerweile mit den skurrilsten Motiven (Homer Simpsons Mundpartie, Spongebob o.ä.) bedruckt.

Bevor ich Jakarta besuchte, machte ich noch einen Abstecher ans thailändische Meer. Nach dem Besuch in Kalkutta hatte ich etwas Ruhe gebraucht, und um diese zu finden eignet sich ein Ort wie Hua Hin bestens. Hua Hin liegt vier Zugstunden von Bangkok entfernt im Süden und ist eine grosse Touristendestination. So ist es dort einfacher, ein Fondue, eine Currywurst oder eine Pizza zu finden als etwas Authentisches aus thailändischer Küche. Es ist aber keiner dieser Partymeilen-Orte, wie man sie sonst in Thailand gerne findet, sondern vielmehr ein Ort, wo ich mich mit meinen zarten 27 Jahren auf dem Buckel definitiv jung vorkam. Sprich: Das Publikum ist meist älteren Semesters, bei Nacht herrscht früh Ruhe entlang der Hauptstrasse. So genoss ich zweieinhalb Tage lang die Ruhe in meinem Bungalow sowie das Meer, das nicht annähernd so schön war wie in Langkawi, aber seinen Zweck durchaus erfüllte. Nachdem ich die Batterien wieder geladen hatte, führte mich die Reise zurück nach Bangkok und von dort nach Jakarta.

Jakarta gehört nicht zu den Städten in Südostasien, die man unbedingt gesehen haben muss. Es gehört auch nicht zu den Städten, die mit Sauberkeit und Gelassenheit brillieren - ganz im Gegenteil. Jakarta ist primär einmal riesengross, und ist sekundär gekennzeichnet durch den Verkehr, der sich durch die Stadt wälzt. Wenige Gehminuten von meinem Hotel entfernt liegen Attraktionen wie das Nationalmuseum, die Istighlal-Moschee oder das Nationalmonument. Letzteres ist ein Turm in einem eigens dafür angelegten Park mit einem Museum in seinem Unterbau. Dort werden den zahlreichen Besuchern die Meilensteine der indonesischen Geschichte anhand von Dioramen näher gebracht. Auch ganz hinauf auf den Turm kann man, wenn man weitere Zehntausend indonesische Rupien, umgerechnet ein Schweizer Franken, berappt. 

Von ganz oben bietet sich einem dann ein faszinierendes Bild: Abgesehen von der Meerseite im Norden hört Jakarta auf keine Seite hin jemals auf, überall waren Häuser in verschiedener Grössenordnung zu erblicken. Definitiv ein imposantes Bild, das einen erahnen lässt, wo man sich hier gerade befindet: In der Metropolregion Jakarta wohnen beinahe 30 Millionen Menschen und sie erstreckt sich über mehr als 650 Quadratkilometer. Sicher nicht einfach, hier als Neuankömmling die Übersicht zu bewahren, zumal es so etwas wie ein Stadtzentrum hier gar nicht wirklich gibt.

Der Grund, weshalb viele Menschen in Jakarta eine Atemmaske tragen, liegt im Verkehr. Dieser prägt die Stadt, und es ist alles andere als einfach, sich hier als Fussgänger zu bewegen. Abgesehen von einer Hauptstrasse, die vom Norden in den Süden und umgekehrt führt, gibt es keinerlei Unter- oder Überführungen, die einem das Leben einfacher machen. Insbesondere das Altstadtviertel Kota Tua war diesbezüglich wirklich zum Haaröl seichen, wie man das in der Schweiz zu sagen pflegt. Der Verkehr ist riesig, mitten durch die Stadt quält sich eine zehnspurige Hauptstrasse, die nicht einmal eine Autobahn ist, und ebenso gross ist die Feinstaubbelastung. Solche Probleme der ersten Welt sind hier in Asien offenbar noch nicht angekommen, auch nicht in Bangkok oder Kuala Lumpur, wo sich Luft auch nicht bedeutend besser anfühlt. Ich stellte aber dennoch fest, dass im Vergleich mit Kalkutta der Verkehr immerhin in geregelten Bahnen abläuft und es nicht ein Quetschen und Drängeln von allen Seiten her ist, wie ich das dort kennen lernte. Aber auch im Verkehr von Jakarta gilt: Wenn jeder zu sich selbst schaut, ist auch zu allen geschaut.

Bezüglich des öffentlichen Verkehres hinkt Jakarta anderen asiatischen Metropolen meilenweit hinterher. Dass das am meisten Stadtfläche abdeckende System eine Busgesellschaft namens Transjakarta unterhält, sagt schon alles: Abgesehen von der Hauptstrasse haben die Busse keine eigenen Spuren, weshalb auch sie ständig im Stau stehen. Immerhin sind sie mit einem Preis von 35 Rappen sehr günstig. Bahnverbindungen gibt es auch, sie decken aber nicht viele Stadtteile ab, wenngleich man gerade die Altstadt Kota Tua mit den Pendlerzügen gut erreicht.

In der Altstadt befinden sich die meisten Museen Jakartas, mit ihren angenehmen Preisen sind sie eine willkommene Abwechslung zur Hektik, die vor den Türen draussen herrscht. Die Kota Tua hiess zur Kolonialzeit Batavia und war unter niederländischer Herrschaft. Batavia war eine florierende Metropole, was man den herrschaftlichen Gebäuden im heutigen Kota Tua ablesen kann. Teilweise sind diese noch heute in sehr gutem Zustand, wenngleich dies gar nicht auf alle zutrifft. Insbesondere hinter dem Hauptplatz befinden sich einige, die man offenbar lieber dem Zahn der Zeit opfert als sie zu pflegen. Einige davon sind sogar ganz leerstehende Ruinen, aus denen Bäume wachsen und in denen streunende Tiere hausen. Schade, wird hier zur eigentlich sehenswerten Altstadt nicht besser geschaut; verdient hätte sie dies alleweil, da die Gebäude optisch wirklich etwas hergeben.

Wie schon Kalkutta gehört auch Jakarta zu den Städten, wo ich für eine Unterkunft fernab des ganzen Stress auch mal etwas tiefer ins Portemonnaie greife. Hier fand ich für gut 45 Franken pro Nacht ein siebenstöckiges, aber dennoch kleines Hotel, das nahe der Sehenswürdigkeiten und des Bahnhofes liegt und durch eine nette Poolanlage mit sehenswerter Aussicht punkten kann. Genau einen solchen Ort suchte ich hier, und ich bin mehr als zufrieden damit. Abgesehen von diesen beiden Orten übernachtete ich bisher meist in Gasthäusern, die nur über wenige Zimmer verfügen und dementsprechend einfach sind, aber eine familiäre Atmosphäre besitzen, wo man sich auch mal mit anderen Reisenden austauschen kann. Klar, alleine zu reisen bringt viele Vorteile, vor allem, dass man einfach machen kann, wonach einem gerade ist. Zwischendurch verspürt man aber mal das Bedürfnis, ein paar Worte zu wechseln, vorausgesetzt es geschieht nicht im platten "Where-are-you-guys-from"-Stil, der besonders in Gasthäusern mit Schlafsälen "gepflegt" wird. Diesbezüglich habe ich bisher nur positive Erfahrungen gemacht, insbesondere auf Langkawi, und ich bin gespannt, wie sich dies nun in den weiteren indonesischen Städten entlang meiner Route entwickeln wird.

Um das Kapitel Fussball komme ich auch in Jakarta nicht herum, zumal es eines meiner Ziele war, ein Spiel in Indonesien zu besuchen. Der indonesische Fussball hat, nicht zuletzt dank einer ausführlichen und vorzüglich geschriebenen Reportage im Blickfang Ultra, im deutschsprachigen Raum Bekanntheit erlangt. Heute stand das Spiel zwischen Persija Jakarta und Arema Malang an. Eigentlich alles klar, wenn da nicht dieses merkwürdige Ligensystem Indonesiens wäre: Es gibt hier zwei höchste Profiligen, und einige Vereine sind in beiden davon vertreten, weshalb es nicht klar ist, zu welchen Mannschaften die Fans nun pilgern.

Es ist nicht so einfach, dieses System zu durchschauen, weshalb ich nach langer Internetrecherche einem Blogschreiber ein Mail schrieb. Daraus entwickelte sich ein langer Austausch von Informationen und Ansichten, weshalb ich heute beim Spiel das Vergnügen hatte, Ajay persönlich kennen zu lernen. Dieser ist ein self-made-Man, brachte sich selbst Englisch und Spanisch bei, arbeitet bei einer Consulting-Firma und ist glühender Persija-Fan. Mit ihm schaute ich das Spiel, und ich war hoch erfreut darüber, von ihm jede Menge an Informationen über den indonesischen Fussball zu erhalten.

Spielstätte des Vergleichs zwischen Persija Jakarta und Arema Malang war das Gelora Bung Karno - Stadion im Süden der Stadt. Dieses zu erreichen war einfach: Mit der Transjakarta-Linie 1 ging es neun Stadionen südwärts, ehe ich wenige Schritte vom Stadion entfernt ankam. Über zwei Stunden vor dem Spiel befand sich dort schon eine Menschenmenge, wobei sich die Fans beider Vereine gemeinsam auf das Spiel einstimmten, verbindet Persija und Arema doch eine langjährige Freundschaft, die man hier auf eindrückliche Art und Weise zu sehen bekam. So luden Persija-Fans ihre heutigen "Gegner" ohne weiteres zu Essen ein, viele machten Fotos miteinander oder tauschten Material aus. Ebenso hingen einige Fahnen beider Vereine an den Zäunen rund ums Stadion und die Polizei war auf den ersten Blick gar nicht zu sehen, da sie sich der Freundschaft zwischen den beiden Szenen bewusst war.

Mit einem Fassungsvermögen von 100'800 Zuschauern gehört das Gelora Bung Karno zu den grössten Fussballstadien der Welt. Es ist ein riesiges Oval mit zwei Rängen, wobei der zweite Rang normalerweise nicht geöffnet wird. So auch heute nicht, obwohl Persija-Arema das Schlagerspiel der Runde war. Im Stadion fanden sich zwischen 40'000 und 50'000 Fans ein, für die der Unterrang ausreichte.

Die Heimmannschaft wurde von zwei verschiedenen Seiten her angefeuert: Auf der einen Seite befindet sich die Jakmania, hinter dem Tor die Curva Nord Persija. Von Ajay erfuhr ich, dass sich die beiden Gruppen nicht besonders gut mögen. Die Jakmania will lieber den traditionellen indonesischen Support-Stil weiterführen, während sich die Curva Nord-Leute selbst als Hooligans definieren und vom Stil her sehr europäisch rüber kommen, insbesondere in Sachen Kleidung. Gesungen haben die beiden Kurven dann auch nicht miteinander. Die Stimmhohheit gehört der Jakmania, die den weit grösseren Anteil der Stadionbesucher ausmacht. Eher Merkwürdig war dabei, dass sich vor ihrem Sektor keinerlei Zaunfahnen befanden, während man ebensolche nun wirklich an jeder erdenklichen Ecke im Stadion erblicken konnte. Die Stimmung, die von den Heimfans ausging, war hervorragend; eine krasse Lautstärke wurde gepaart mit Melodien, die ich bisher noch nirgends gehört hatte.

Schätzungsweise 5000 Fans drückten den Blauen aus Malang die Daumen. Es ist nicht davon auszugehen, dass alle davon aus der 1000 Kilometer entfernten Stadt in Ostjava angereist sind, trotzdem ist es eine ansehnliche Zahl. Sie überzeugten in Bezug auf die Stimmung noch mehr als die Heimfans, gaben sie doch ein äusserst geschlossenes Bild ab, wobei die Beteiligung in ihrem Sektor öfters an der 100%-Marke gekratzt haben dürfte. Ein schönes Fest, dass die Arema-Fans hier hinzauberten - unterstützt natürlich auch durch das Resultat und die Tabellenposition ihrer Mannschaft.

Gewonnen wurde das Spiel von Arema Malang, das sich nun mit der gar nicht makellosen Bilanz von 15 Punkten aus acht Spielen an der Tabellenspitze wiederfindet. Die Gäste waren nicht wirklich das bessere Team, eigentlich hatte Persija deutlich mehr Torchancen, sie verwerteten sie aber nicht. Es waren heute die Torhüter, die den Unterschied ausmachten: Während Aremas Goalie überzeugend hielt, griff jener von Persija häufiger daneben, was mitunter zu den beiden Gegentoren geführt hat. Nun befindet sich Persija mitten im Abstiegsstrudel, während Arema ganz oben steht; ein Unterschied in Bezug auf Technik und Taktik war zwischen den beiden Teams aber nicht festzustellen.

Das letzte Bild gilt den Fans aus Malang: "Sorry for Party Rockin'!

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Kalkutta - die totale Ueberreizung aller Sinne

"Auf ins Getümmel!" kann es nur heissen, wenn man Kalkutta besucht. Als mich Bock anfragte, ob ich während meines Südostasien-Trips für einen kurzen Abstecher ans Kalkutta-Derby zu haben wäre, sagte ich rasch zu: Eine spezielle Stadt, ein 120'000 Zuschauer fassendes Stadion, ein Traditionsderby sowie äusserst günstige Flugtarife von und nach Bangkok machten die Entscheidung nicht schwer, wenngleich man sich auch mental vorbereiten muss, wenn man eine Stadt wie diese besucht. Sie ist nämlich primär mal dreckig und arm, riesig und stets verstopft - also nicht so einfach zu bereisen. Bock sagte dann aufgrund anderer Verpflichtungen wieder ab, ich hatte an der Idee aber einen Narren gefressen, und für wenig Geld einmal Indien zu besuchen hielt ich für einen ausgesprochen guten Plan.

Nun sitze ich gerade auf meinem Hotelbett im Stadtzentrum und versuche, die vergangenen drei Tage zusammen zu fassen, obwohl das nicht so einfach ist. Für 290 Rupien, weniger als fünf Franken, gelangt man per Taxi vom Flughafen ins Stadtzentrum. Für rund 20 Kilometer benötigt man beinahe zwei Stunden, da der Verkehr notorisch still steht, was einem gleichzeitig aber schon einen ersten tiefen Einblick in die Stadt ermöglicht. Auf dem Weg reihen sich Slums an Hochhaussiedlungen, Kühe nehmen aktiv am Verkehrsgeschehen teil und überall hat es jede Menge Menschen. Kalkutta ist mit gut 14 Millionen Einwohnern hinter Mumbai und New Delhi die drittgrösste Stadt des Milliardenlandes, das sowohl einen eigenen Subkontinenten wie auch eine ganz andere, eigene Welt darstellt. Bis 1911 war Kalkutta, das eigentlich neu Kolkata heisst, die Hauptstadt von Britisch-Indien.

Kalkutta liegt am Ganges, genauer gesagt am Hugli, einem Mündungsarm des Stromes. Der Ganges ist der heiligste Fluss der Hindus und gleichzeitig eines der verschmutztesten Gewässer der Welt. Über den Hugli führt die Rabindra Setu, auch bekannt als Second Hooghly Bridge. Sie verbindet Kalkutta mit der Nebenstadt Howrah, ist 823 Meter lang und 35 Meter breit. Als Verkehrsknotenpunkt ist das Erscheinungsbild der Rabindra Setu nicht anders als der Verkehr sonst: Auf der Brücke herrscht Stau, es wird unaufhörlich gehupt und auf der Strasse gilt das Recht des Stärkeren. Verkehrsregeln besitzen hier keinerlei Bedeutung. Auch Fussgänger benützen die Rabindra Setu, und sie tun es in sehr aktiver Art und Weise, schieben sich doch täglich Tausende von Leuten über die Brücke, um von Howrah nach Kalkutta oder umgekehrt zu gelangen. Dabei tragen sie verschiedenartige Wagen mit Ladungen von Waren jeglicher Art oder riesige Behälter auf ihren Köpfen. Es herrscht einiges an Leben auf der Brücke, die erst im Oktober 1992 eröffnet wurde. Zuvor hatte sich das ganze Hin und Her auf dem Hugli abgespielt.

Auch heute gibt es noch einige wenige Schiffe, die den Hugli überqueren, die Schifffahrt über das heilige Gewässer hat aber stark an Bedeutung verloren und man sieht nicht mehr viele Schiffe auf demselben. Von verschiedenen Punkten aus kann man die Rabindra Setu aber in ihrer vollen Pracht sehen und gleichzeitig bestaunen, welche Breite der Hugli zwischen den beiden Städten erreicht.

Direkt neben dem einen Ende der Brücke befindet sich die Howrah Station, so etwas wie der Hauptbahnhof Kalkuttas und gleichzeitig sowohl der älteste wie auch der grösste Bahnhof Indiens. Eröffnet wurde er im Jahr 1854, was man von aussen gut sieht, ist er doch ein wirklich schönes Gebäude aus roten Backsteinen, das man auch von der anderen Seite des Huglis gut erkennen kann. Das wärs aber schon gewesen mit der Schönheit: Auf einem Blog hatte ich gelesen, dass dieser Ort die Hölle auf Erden sei. Ich ging mir den Bahnhof anschauen und kann das nur bestätigen. Es gibt kaum einen widerlicheren Ort, den ich bisher besucht hatte. Eine absurde Menschenmenge wälzt sich durch den Bahnhof und die spärlichen Unterführungen, die ausserdem als Wohn-, Ess-, Dusch- und Schlafzimmer verwendet werden. Man muss sich eine dicke Haut zulegen, wenn man Kalkutta besucht, und gerade hier wurde einem sehr schnell sehr deutlich, was damit gemeint ist. Die Armut, die man hier zu Gesicht bekommt, kann einen sehr nachdenklich stimmen und gleichzeitig etwas demütig werden lassen. Der Bahnhof ist aber auch ein Bahnhof, und dementsprechend sind viele Leute hier nur auf Durchreise. Von hier aus gelangt man in uralten Gefährten in Städte wie Varanasi, New Delhi oder Chennai, meistens zu Spottpreisen. Zugreisen ist in Indien sehr populär, sowohl auf langen wie auch auf kurzen Distanzen. Und auch in Kalkutta sieht man die berühmten Vorstadtzüge, an denen sich Leute an Eisenstangen festhalten oder auf dem Dach sitzen. Aufgrund des strikten Fotoverbots im Bahnhof ist mir davon kein gutes Bild gelungen, erwischt hatte ich nur einen Intercity-Zug kurz vor seiner Abfahrt aus Howrah.

Wer Kalkutta sagt, denkt an die Slums, die das Stadtbild entscheidend prägen, und dies nicht nur am Stadtrand, sondern auch mitten in der Stadt, wie unten abgebildet direkt neben der Rabindra Setu. Die Slums sind meistens nicht direkt ans Wassersystem der Stadt angeschlossen, weshalb Wasser aus dem Ganges, aus Hydranten oder verseuchten Rinnsalen für alles mögliche verwendet wird. Mitunter dies führt dazu, dass in den Slums eine hohe Säuglingssterblichkeit sowie allgemein eine tiefe Lebenserwartung herrscht, denn die prekären hygienischen Verhältnisse begünstigen den Ausbruch von Infektionskrankheiten wie Tuberkulose, Lepra, Malaria oder Dengue in höchstem Masse.  Dank der katholischen Nonne Mutter Teresa, bürgerlich Gonxha Bojaxhiu und aus Skopje in Mazedonien stammend, hat Kalkutta Weltruf erlangt. Nachdem sie im Jahr 1946 eine Reise durch Kalkutta unternahm, verschrieb sie ihr Leben der Hilfsarbeit in der Millionenmetropole. Sie arbeitete zunächst alleine als Ordensfrau, erreichte danach aber mit der Gründung verschiedener Organisationen in der Stadt sowohl eine weltweite Aufmerksamkeit wie auch eine Linderung der Armut, die zwar ein Tropfen auf den heissen Stein war, wobei sie aber stets realistisch blieb. Mutter Teresa hatte aber nicht nur Freunde, sondern auch Kritiker. Diese besagten, dass Kalkutta durch sie den Ruf als Armenhaus Indiens und der Welt erhalten habe, während es in anderen indischen Städten wie Mumbai auch nicht besser sei und es den Menschen in den Slums dort auch nicht besser gehen würde. Kalkutta besitzt in Indien auch den Übernamen "City of Joy", weil es eine lebensfrohe und kulturell äusserst aktive Stadt sei. Letzteres kann ich nicht beurteilen, Ersteres fällt mir aber schwer zu glauben, ich habe kaum einen Menschen mit einem Lächeln auf den Lippen gesehen hier. Für viele geht es wirklich ums Überleben, wenngleich ich Kalkutta damit nicht Unrecht tun möchte und ich nach drei Tagen hier wohl auch wirklich keinen genügenden Einblick in die Stadt besitze.

Als Ghats werden Treppen, die zum Flussufer herunter führen, bezeichnet. Vor allem Varanasi, das frühere Benares, ist bekannt für seine Ghats, man findet sie aber auch in Kalkutta. An den Ghats trifft man, wie überall, auf zahlreiche Menschen. Neben anderen Verwendungsmöglichkeiten wie etwa dem Waschen von Kleidern sowie um Wasser zu holen, haben die Ghats eine starke religiöse Bedeutung. Das Bad im Gangeswasser soll von Sünden reinigen und verspricht die Absolution. Wenn man bedenkt, welche Menge an Chemikalien und Abfällen im Fluss mitschwimmen, beschleicht einem beim Beobachten dieser Szenen ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Dennoch gilt es, die religiösen Traditionen dieses Landes zu respektieren, wenngleich es für uns aus dem Westen teilweise reichlich unappetitlich daher kommt. Auch wenn es darum geht, dass viele Hindus nach Möglichkeit am Ganges sterben möchten, um nach Eintreten des Todes dann mit der Strömung herunter zu treiben. Zum Glück kam ich nicht in den zweifelhaften Genuss, dieses Bild ansehen zu müssen, die Waschszenen hatten mir ausgereicht.

Was hier in Indien im Gegensatz zu den anderen bisher besuchten Ländern noch deutlich mehr auffällt, ist die Tatsache, dass sich das Leben auf der Strasse abspielt, was nicht nur die Obdachlosen oder die Slumbewohner betrifft. Die Strasse ist sozialer Treffpunkt, Tag und Nacht gefüllt mit Menschen verschiedenster Art. Besonders gerne essen die Inder auf der Strasse. Kalkutta hat eine Dichte von Strassenküchen, die sogar Bangkok bei weitem übertrifft und alles mögliche anbietet. Von frisch gepressten Fruchtsäften über Süssigkeiten bis hin zu frittierten Bananen und heissen Gerichten jeglicher Art kriegt man hier einfach alles direkt auf dem Bürgersteig zubereitet. Die Bürgersteige sind notorisch überfüllt, und das nicht nur, weil es so viele Leute hat: Die Essstände breiten sich häufig mit Tischen und Bänken aus und erschweren den Passanten das Durchkommen. Nur im Zentrum rund um die verhältnismässig schicke Park Street sieht man dies weniger, hier sind es primär Geschäftsleute, die sich auf dem Trottoir aufhalten. Diese zelebrieren dann ein Drücken, Rempeln und Stossen, dass man sich eigentlich gar nicht mehr bewegen müsste, um vorwärts zu kommen.

Ebenfalls ein häufig gesehenes Geschäft, womit sich auf der Strasse Geld machen lässt, ist das Coiffeurgeschäft. Die Anbieter haben dabei ihren ganzen Laden in einem kleinen Kästchen dabei: Mehrere Scheren, Rasierschaum und -klingen sowie Tücher und einen Spiegel finden darin Platz. Setzt sich ein Kunde dann auf sein mitgebrachtes Stühlchen, packt der Friseur alles aus seinem Kästchen aus, um sich dann darauf zu setzen und seiner Arbeit nachzugehen. Und sie tun dies äusserst gewissenhaft und pingelig genau, wie ich dies einige Male beobachten konnte.

Schuhputzer gehören zum Erscheinungsbild vieler Städte, weshalb das unten abgebildete Foto eigentlich nichts besonderes ist. Irgendwie gefällt es mir dennoch, auch weil es die sozialen Gegensätze Indiens dokumentiert. Insbesondere, weil der Kunde während der ganzen Schuhpolitur am Telefon war, um danach das Geld einfach aufs Trottoir zu schmeissen sowie dem Schuhputzer den Handschlag zu verweigern. Schuhe kann man auf der Strasse übrigens nicht nur putzen, sondern auch reparieren lassen: Gleich an mehreren Orten sah ich mobile Schuster, die ihrem Geschäft mit gewieften Händen und diversen Hilfsmittelchen nachgingen, um damit ihre Rupien zu verdienen.

Zu den Wahrzeichen und hauptsächlichen touristischen Attraktionen Kalkuttas zählt das Victoria Memorial, ein zu Ehren von Königin Victoria aus Grossbritannen errichtetes Denkmal. Das Memorial hatte ein englischer Architekt entworfen, genauso wie die Park- und Gartenanlagen rund um das Memorial von einem Sir und einem Lord gestaltet wurden. Die Anlage wurde 1921 fertiggestellt und ist ein Museum, das für Inder zehn und für Ausländer 150 Rupien Eintritt kostet. Das Museum bietet an sich nichts spezielles, es ist vielmehr die Gartenanlage rundherum, die sehenswert ist: Schön angelegte Hecken und Blumenbeete sowie einige saubere und gepflegte Gewässer lassen einen die Grossstadthektik für einmal vergessen, im Victoria Memorial Garden kann man bestens entspannen und sich auf den nächsten Sprung ins Durcheinander vorbereiten. Erreichen kann man das Memorial übrigens mit der U-Bahn, die bis zur Eröffnung der U-Bahn in New Delhi 2002 die einzige Bahn dieser Art in Indien war. Sie führt über 22 Kilometer vom Norden in den Süden der Stadt und umgekehrt, eine Fahrkarte für eine Kurzstrecke kostet vier Rupien (sieben Rappen). Die Metro wird peinlich genau überwacht und funktioniert bestens. Im Jahr 2015 sollte die Ost-West-Metro eröffnen, Bauarbeiten dazu sind an verschiedenen Orten der Stadt deutlich zu sehen, auch einige Slums mussten für den Bau der neuen Haltestellen weichen.

Rund um das Victoria Memorial befinden sich weitere Sehenswürdigkeiten Kalkuttas, wie etwa die St. Paul's Cathedral, eine gotische katholische Kirche, die im Jahr 1847 fertiggestellt wurde. Auch weitere Parkanlagen befinden sich rund um das Memorial, es ist in dieser Gegend wirklich gemütlich und die pulsierende Metropole mit seinen vollen Gehsteigen scheint meilenweit entfernt. Besonders gut gefiel es mir neben dem Eden Gardens Stadium, einem Cricket-Stadion, das 80'000 Zuschauer fasst und bei Spielen der indischen Nationalmannschaft auch gerne mal ausverkauft ist. Cricket ist in Indien äusserst beliebt, auch in den Nachbarstaaten Pakistan, Bangladesch und Sri Lanka erfreut sich der Sport, der ursprünglich aus Südengland stammt, grosser Beliebtheit. Neben dem Stadion befinden sich auch einige weitere Cricket-Felder, auf denen aktiv gespielt wird, wenngleich sich mir die Cricket-Regeln immer noch nicht ganz erschliessen, was primär meinem Mangel an Interesse an dieser Sportart geschuldet ist.

Ein Besuch in Indien wäre kein Besuch in Indien, ohne die lokale Küche auszutesten. Da ich aufgrund zahlreicher Erfahrungsberichte den Strassenständen nicht so ganz traue, besuchte ich ein etwas gehobeneres Restaurant direkt um die Ecke bei meinem Hotel. Der Preis war für indische Verhältnisse hoch, als Tourist kann man aber schon mal elf Franken in ein gutes Essen investieren, zumal das Geld hervorragend angelegt war: Sowohl die Speisen wie auch der Service waren einwandfrei, das Personal erklärte mir als Laien auch, wie ich das Ganze zu Essen hätte und erklärte mir, was das überhaupt ist, was ich bestellt hatte. Ich entschied mich für Murgh Tikka mit Villayati Subz Bahar und Garlic Naan. Murgh Tikka sind marinierte Pouletbruststücke, die im Tandoori-Ofen geschmort wurden und butterzart und schmackhaft sind. Beim Villayati Subz Bahar handelt es sich um verschiedenes Gemüse, besonders grüne Peperoni und Broccoli, das in einer dicken, scharfen Sauce daherkommt. Als Beilage dazu gibt es Garlic Naan, das ich schon auf Langkawi hatte; ein Fladenbrot mit reichlich Knoblauch drauf. Dazu gibt es verschiedene weitere Beilagen sowie eine äusserst feine Pfefferminzsauce für das Fleisch, die eine süssliche Schärfe besitzt. Das Personal war sich dann auch nicht zu schade, von mir und meinem Indian Dinner ein Foto zu schiessen, sichtlich stolz lichteten sie mich in ihrem Restaurant ab.

Nun, leugnen kann ich es nicht, dass eigentlich der Fussball der Hauptgrund für meine Reise nach Kalkutta war. Indien reizte mich zwar schon immer, aber so richtig überwinden konnte ich mich dann doch noch nie - bis die oben bereits erwähnte Anfrage von Bock kam. Gepaart mit den eindrücklichen Bilder von Frank Jasperneite zu einem früheren Kalkutta-Derby brauchte es deshalb nicht mehr viel, um ein Ticket nach Indien zu buchen. 

Heute war es also soweit, Mohun Bagan empfing den East Bengal FC zum grossen Derby. Und dieses hat eine Vorgeschichte, sowohl historisch wie auch in jüngerer Vergangenheit. So wurde das letzte Derby in der Pause abgebrochen, da von wüsten Ausschreitungen überschattet wurde und ein Spieler vom East Bengal FC von einem Mohun Bagan - Fan verletzt wurde. MB wurde daraufhin für zwei Jahre aus der indischen Meisterschaft ausgeschlossen, vor Kurzem wurde diese Entscheidung aber zurückgezogen, weshalb es unverhoffterweise - ich hatte das Derby eigentlich schon abgeschrieben - nun doch zum Aufeinandertreffen der beiden grossen Traditionsvereinen kam. Während Mohun Bagan bereits 1889 gegründet wurde, folgte der EBFC erst im Jahr 1920. Seither haben sich die Vereine sehr häufig miteinander gemessen, wobei die Zuschauerzahl von 131'000 im Jahr 1997 bis heute indischer Rekord ist. Eine solche Masse war heute leider nicht zu erwarten. Aufgrund von Sicherheitsbedenken wurden die Eintrittspreise um ein dreifaches erhöht, was zur Folge hatte, dass das Stadion diesmal ziemlich leer blieb. Spielstätte war das Yuba Bharati Krirangan-Stadion, auch bekannt als Salt Lake Stadium, das bei den Vierteln Narkeldanga und Beliaghata liegt und aktuell eine Kapazität von 120'000 Zuschauern hat, womit es das grösste von mir besuchte Stadion darstellt.

Das Spiel ist an sich schnell erzählt. Um 12.15 kam ich nach fast einstündiger Taxifahrt beim Stadion an, kaufte mir für 300 Rupien, einem guten Fünfliber, ein Haupttribünen-Ticket und setzte mich ins weite Rund, um mich daraufhin bis zum Anpfiff von ohrenbetäubenden Hymnen von Mohun Bagan berieseln zu lassen, sodass ich Kopfweh hatte, als das Spiel um Zwei dann endlich mal begann. Wie bereits angetönt, präsentierte das Stadion noch zahlreiche freie Plätze, und auch mit der Stimmung war es nicht wie erwartet, da sie komplett abwesend war, abgesehen vom Höllenlärm, den die Fans verursachten, sobald der Ball in Tornähe kam (ohne aber eine wirkliche Gefahr darzustellen). Dies war nicht allzu häufig der Fall, das Spiel war schlicht furchtbar und nicht anzuschauen. Das Niveau war so schlecht, da wären wohl auch ich und meine Kollegen vom Räbschter Vieri nicht abgefallen! Ich glaube, ich habe im Ausland noch nie ein schlechteres Spiel gesehen als der Vergleich zwischen Mohun Bagan und East Bengal, der völlig folgerichtig mit einem torlosen Unentschieden endete. Die grün-granatroten MB-Fans freute das Ergebnis: Als Tabellenletzte konnten sie dem Favoriten und Leader so nämlich einen Punkt abknöpfen und ihm im Titelkampf ein Bein stellen.

Das wäre eigentlich alles, was es zum Spiel zu berichten gibt - nun geht es morgen dann zurück nach Bangkok, für einen kurzen Zwischenstopp ans Meer und dann nach Jakarta, in die nächste Riesenstadt.

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Bangkok: Shopping, Verkehr, Essen und Fussball

Bangkok ist eine Stadt, über die man ganze Bücher schreiben könnte, was sicher auch schon gemacht wurde. Es gibt nichts, was es in Bangkok nicht gibt. Die Hauptstadt Thailands besticht durch eine extreme Vielfalt; durch extreme Shoppingmeilen, Entertainment, hervorragende gastronomische Angebote, ein (fast schon zu) heisses Klima, dazu kommt viel, ja sehr viel Verkehr und ebenso viel Tourismus verschiedener Art.

Shopping wird in Bangkok extrem gross geschrieben; man kriegt den Eindruck, es gehöre zu den Nationalsportarten der Thais, abgesehen vom Kochen und Essen anbieten auf offener Strasse, wie dies häufig und meines Erachtens auch erfolgreich zelebriert wird. Zwischen den Skytrain-Haltestellen Chit Lom und National Stadium reihen sich die grossen Shoppingcenter aneinander; jeder der schon mal in Bangkok war kennt dies. Das grösste Original ist der MBK Center, in dem man gerne Mal unten das Original und oben das gefälschte gleiche Produkt wieder findet; die grösste Mall ist aber das CentralWorld, wo man überdies auch hervorragend speisen kann. Die Malls eignen sich aber nicht nur zum shoppen, sondern auch, um ganz einfach mal wieder etwas abzukühlen, nachdem man sich lange auf den heissen Strassen Bangkoks aufgehalten hat.

Der Verkehr ist ein grosses Thema in Bangkok, und eigentlich hätte ein Bild von einer verstauten Strasse den Zustand desselben deutlich besser dokumentiert als das Bild vom Skytrain bei der Station Sala Daeng während des Sonnenuntergangs. Ich habe mich trotzdem für dieses Bild entschieden, da ich den Skytrain ein sehr unterhaltsames Fortbewegungsmittel finde. Betrieben wird er von einer Gesellschaft namens BTS, die zwei Linien anbietet. Diese sind nicht kurz und decken einen guten Teil des modernen Stadtviertels Bangkoks plus einige Aussenquartiere ab. Obwohl die Züge immer voll sind, entlasten sie nicht wirklich den Strassenverkehr in Bangkok, der im Kalenderjahr 2012 einen Nettozuwachs von gut einer Million Fahrzeuge erlebt hat. Dies führt dazu, dass wohl bald der ganz grosse Verkehrskollaps ansteht - da sind die öffentlichen Verkehrsmittel nun wirklich nur noch ein Tropfen auf den heissen Stein. Trotzdem ist der Skytrain praktisch, wenn man als Tourist in Bangkok unterwegs ist; nicht nur um schlicht vorwärts zu kommen, sondern auch um die schöne Aussicht aus der Kleinbahn zu geniessen.

Ein weniger modernes Viertel ist die Umgebung um die Thanon Phetchaburi (kleine Erläuterung: In Bangkok nennen sich die Viertel meistens so, wie die Hauptstrasse, die dadurch führt. Diese besteht meistens aus sechs bis zwölf Spuren und heisst dann "Thanon XY", während die stets belebten Seitenstrassen "XY Soi Z (=Zahl) heissen und durchnummeriert sind). Interessant ist in Phetchaburi die Pantip Plaza, wohl die einzige Mall der Welt, wo man deutlich mehr Männer als Frauen findet. Keine Überraschung, handelt es sich doch dabei um ein Einkaufszentrum, wo es nur technische Geräte zu kaufen oder reparieren gibt. Unweit davon entfernt befindet sich mit dem Baiyoke Sky Tower das höchste Gebäude Thailands, inmitten eines Viertels, das primär vom Handel indischer Klein-Geschäftsleute dominiert wird.

Noch kleiner als diese Geschäfte sind die Wägen, die in der ganzen Stadt omnipräsent sind. Die fahrenden Geschäfte bieten alles mögliche an: Vom unten abgebildeten mobilen Gemüsemarkt über den Grill- und Frittierstand bis hin zum Blumenladen findet man alles auch auf Rädern. Diese Stände sind an den meisten grösseren Strassen und Kreuzungen zu finden und prägen den Eindruck von Bangkok ungemein, haben sie doch stets auffällige Farben, Formen oder Gerüche, um die man nicht herumkommt, wenn man durch die Stadt geht. Sie sind ein wesentlicher und unübersehbarer Teil der thailändischen Kultur und sind stets äusserst dankbar, wenn man ihnen etwas abkauft, seien dies auch nur vier frische Frühlingsrollen zum Preis von 60 Rappen.

Auch das schillernde, glitzernde Bangkok mit seinen Konsumtempeln, Bars und Clubs hat seine Hinterseite. Und die findet man insbesondere, wenn man sich in der Nähe von Bahngleisen aufhält, sei dies nun im Zentrum - das unten stehende Bild entstand zwischen den Skytrain-Stationen Nana und Phloen Chit - oder in den Vorstädten. Auch Bangkok kennt eine grosse Armut, viele Menschen leben in Wellblechhütten fernab der grossen Unterhaltungsindustrie in der Metropole, und doch mittendrin. Das Bild entstand, als der Strassenverkehr im Zentrum kurz angehalten wurde, damit sich ein Güterzug wohl vom Meer her im Schneckentempo in Richtung Norden schlängeln konnte. Die etwa zwanzigwägige Komposition blieb kurz vor der Einfahrt ins Viertel kurz stehen, um daraufhin dreimal kräftig zu hupen und einen Dorfbewohner anzuweisen, dass die Schienen vorübergehend zu räumen seien. Dieser leistete der Bitte dann Folge und beförderte sämtliche sich noch auf dem Gleis befindenden Personen von ebendiesem. Kurz danach gehörte das Gleisbett dann wieder den Quartierbewohnern.

Die Vorfreude auf Bangkok war besonders gross, da ich dort meinen alten Schulkollegen Stefan zum zweiten Mal besuchte. Dieser arbeitet seit zweieinhalb Jahren in einem guten Hotel im Sukhumvit und kennt Bangkok mittlerweile ziemlich in- und auswendig. Nach dieser langen Zeit hat er aber auch mal genug von Bangkok, weshalb es ihn gegen Frühjahr nach Hong Kong ziehen wird. Mit Stefan und seiner Freundin gab es zwei sehr nette Abendessen; einmal japanisch im CentralWorld, einmal thailändisch bei der Asok-Kreuzung. Der grosse Ausgang, wie wir dies bei meinem letzten Besuch hier zelebrierten, blieb noch aus und folgt dann eventuell im März, wenn ich nochmals ein paar Tage in Bangkok verbringen werde.

In Bangkok gab es dann endlich wieder einmal ein Fussballspiel zu sehen. Am Mittwoch traf die Nationalmannschaft Thailands auf Kuwait, ein Spiel der Qualifikation zum Asiencup 2015. Fussball ist in Thailand sehr populär, und zwar nicht einmal nur die englische Premier League oder die deutsche Bundesliga, auch die Thai Premier League erfreut sich überraschender Beliebtheit und dementsprechend hoher Zuschauerzahlen. Was den Fussball an sich aber nicht besser macht: Die bescheidene Selektion von Kuwait zeigte den Thais ihre Limiten auf und gewann auswärts mit 3:1. Die vom früheren KSC-Trainer Winnie Schäfer geführte Mannschaft konnte in spielerischer Hinsicht zwar nicht mal so schlecht mithalten, war aber oftmals viel zu verspielt, was dann letztendlich erfolglos endete. Das Spiel fand im Rajamangala-Stadion in Bangkok statt, das etwa drei Kilometer von einer Station des Flughafenzuges entfernt liegt. Es fasst wohl so um die 60'000, gekommen waren aber trotz tiefer Preise (zwischen drei und zehn Franken) nur 15'000, die sich das Gekicke anschauen wollten. Trotzdem herrschte im weiten Rund angenehme Fussballatmosphäre, und hin und wieder hörte man sogar die 150 Fans, die den weiten Weg aus Kuwait nach Bangkok angetreten hatten. 

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Zwischen zwei Hauptstaedten

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, um von Vientiane nach Bangkok zu gelangen: Man könnte einen direkten Bus nehmen, der die Strecke in (fahrplanmässig) zehn Stunden zurücklegt; man könnte per Bus in die Grenzstadt Nong Khai fahren und dann von dort aus einen gemütlichen Nachtzug nehmen oder in die nordthailändische Grossstadt Udon Thani fahren und nach Bangkok fliegen. Was sich auch anbietet, sind zwei Stopps auf dem Weg, um noch mehr von Land und Leute zu sehen. So fuhr ich am Mittag mit einem überraschend komfortablen Bus von Vientiane nach Nong Khai, das nur 25 Kilometer davon entfernt liegt. Die Fahrt dauert gut anderthalb Stunden, unterwegs liegt nämlich die Friendship Bridge über den Mekong, die Laos und Thailand verbindet. Die Brücke wurde 1994 als erste Brücke über den Mekong eröffnet und ermöglicht es seither zahlreichen Touristen und Grenzgängern, auf dem Landweg von Laos nach Thailand und umgekehrt zu reisen. Nachdem der Bus nach den lockeren, aber langwierigen Grenzkontrollen alle Passagiere eingesammelt hatte, ging die Reise weiter an den Busbahnhof von Nong Khai, wo einen bereits zahlreiche Anbieter verschiedenster Gefährte empfangen und weiterbringen wollen.

Aufgrund der langen Zeit, die bis zu einer Zugabfahrt ins unweit entfernte Udon Thani noch zu warten gewesen wäre, entschied ich mich für das Reisemittel Bus, obwohl ich dies nur ungern mache. Es waren aber nur 55 Kilometer, und so betrat ich das Fahrzeug guten Mutes. Drin lernte ich den Amerikaner Mark kennen, der gerade über diverse Umwege von Saigon nach Mumbai ist und auf dem Weg nach Chiang Mai war. Da es von Nong Khai aus keinen direkten Bus in die nordthailändische Metropole gibt wählte er den Umweg Udon Thani, um dort mehr Erfolg zu haben - zurecht, wie sich später herausstellen sollte. Die Fahrt ging langsam vonstatten, da der Assistent des Fahrers alle paar Hundert Meter aus dem Bus schrie und so noch zahlreiche Mitfahrende auflesen konnte. Nach fünf Viertelstunden war Udon Thani dann erreicht, und nachdem Mark seine Weiterreise klar gemacht hatte fuhren wir per Tuk-Tuk ins Zentrum, wo sich meine Unterkunft befand. Udon Thani ist nach Bangkok, Nonthaburi und Samut Prakan die viertgrösste Stadt Thailands, und zählt man die beiden Letztgenannten zum Grossraum Bangkok so ist es sogar die zweitgrösste Stadt des Landes, obwohl Udon nur etwa 315'000 Einwohner zählt. Zu sehen gibt es hier nicht viel, zu erleben aber schon, das "Entertainment District" befindet sich zwischen dem Bahnhof und dem Central Plaza. Ebenfalls dort nahmen wir in einem Restaurant Platz, wo es so etwas wie einen Hot Pot gab, das dann so funktionierte: Man giesst Wasser in den Ring des heissen Gerätes, um dort drin Gemüse, Pilze und Nudeln zu kochen, die heisse Platte oben gehört dem Fleisch. Ist das dann einmal heiss, fischt man es aus der Suppe heraus auf einen Teller, übergiesst es mit Chilisauce und verspeist es. Der Spass kostete gut sechs Franken, war jeden davon Wert und völlig satt ging es für Mark dann weiter, ehe ich kurz im Hostel ausruhte.

Nachdem ich genügend verdaut hatte, stürzte ich mich kurz ins Nachtleben in Form einer normal aussehenden Bar, wo Fussball lief. Naja, das mit dem "kurz" wäre eigentlich der Plan gewesen, es wurde aber einer dieser berühmten "Ich-trink-noch-schnell-ein-Bier"-Abende, die nicht enden wollen. Mit Marco aus Rankweil (manchmal ist die Welt ein Dorf, aber es war auch schön, mal wieder Schweizerdeutsch zu reden) stiess ich grad einige Male an, sodass mein Gang aus der Bar danach auch davon gekennzeichnet war. In der Bar selbst wurde man von der Bedienung angemacht und bezirzt, allerdings waren sie vergleichsweise wenig offensiv und liessen nach gewisser Gleichgültigkeit dann gut locker. Allgemein sieht man in Udon aber sehr viele ältere weisse Männer, die ein Thai-Mädchen an der Hand führen. Und neben diesen gibt es auch noch die Kategorie Porno-Heinz, wie der Kerl aus Frankfurt an der Oder, der uns auch noch ansprach, die sich stillos und unter jeder Würde auf der leichten Pirsch nach asiatischem Vergnügen befinden.

Obwohl ich nur sechs Franken für das Zimmer bezahlte, fand ich im Udon Backpackers einen erholsamen Schlaf, ehe ich mich mit einem ordentlichen Brummschädel an den Bahnhof schleppte. Dort befand sich gerade ein gut drei Stunden verspäteter Regionalzug nach Nong Khai und auch bei der Abfahrtszeit meines Zuges nach Nakhon Ratchasima - der Preis für fünfeinhalb Stunden drittklassiger Bahnfahrt betrug 1,70 CHF - war von einem Zug weit und breit nichts zu sehen. Der Thai nimmt es mit Musse, der Schweizer fragt nach, wie lange es denn noch gehen würde, bis er auftauchen würde. Antwort: Naja, so 90 bis 120 Minuten, je nach Verkehrslage. Der Zug kam zwar nur von Nong Khai her und hatte somit kaum eine Strecke zu bewältigen, ich wurde jedoch den Eindruck nicht los, dass es sich beim zwei Stunden nach der fahrplanmässigen Abfahrt einfahrenden Zuges um dasselbe Fahrzeug handelte, das zuvor Udon Thani in Richtung Nong Khai verlassen hatte. Es war nicht die Verspätung, die mich ärgerte, sondern vielmehr die Tatsache, nunmehr zwei Drittel der Fahrt im Dunkeln verbringen zu können und somit deutlich weniger vom Land zu sehen.

Mit 121 Minuten Verspätung tuckerte der Regionalzug, in dem es nur Drittklass-Sitze gab, also los südwärts. Darin befanden sich neben mir nur Einheimische, die sich allerlei Esswaren, die fliegende Verkäufer in Körben vorbeibrachten, zu Gemüte führten. Da gab es Fleischspiesse, halbe Hühner am Spiess, aber auch Gemüsesuppen, frittierte Krabbelviecher und vieles mehr. In jedem noch so kleinen Dorf gab es einen Stopp, ehe der Zug in Khon Kaen, der einzigen grösseren Stadt auf dem Weg, einfuhr. Khon Kaen besteht primär aus Wellblechhütten und macht nicht gerade einen reichen Eindruck, obwohl es gar nicht so klein ist. Die zahlreichen Kondukteure gaben nun den Passagieren zu verstehen, dass es auf Busse umzusteigen gilt, die einen nach Nakhon Ratchasima bringen würden. Bei nunmehr zweieinhalb Stunden Verspätung nicht die dümmste Idee, ich konnte mich damit dennoch nur zwangsweise anfreunden.

Die Fahrt ging nach anfänglichen Staus auf den Ausfahrtsstrassen von Khon Kaen aber flott voran und der Bus erreichte nach gut 45 Minuten den Ort Ban Phai, wo man wieder aussteigen musste. Es war also nur ein kurzer Schienenersatzverkehr, wahrscheinlich war die Strecke kurzzeitig unterbrochen. In Ban Phai stand dann ein längerer Zug bereit und weiter ging die Fahrt. Der Zug führte verschiedene Waggons, die aber alle der dritten Klasse zugehörig waren. Man hatte also die Auswahl vom Sitz in der nicht nur sprichwörtlichen Holzklasse über seitlich angeordnete Pritschen bis hin zum gepolsterten Abteil. Über Bua Lai, Bua Yai Junction, Mueang Khong und Non Sung rumpelte der Zug vor sich hin, ehe er mit drei Stunden Verspätung in Nakhon Ratchasima eintraf. Nebst einem Bierchen mit einigen Locals und zu Premier League - Fussball war ich aber nicht mehr besonders unternehmungslustig, weshalb ich den Gang in die Federn bevorzugte.

Am nächsten Morgen nahm ich dann das Zentrum von Nakhon Ratchasima, der Länge wegen auch einfach Korat genannt, kurz unter die Lupe. Dieses befindet sich rund um den Bahnhof und bietet neben einigen Ladenstrassen auch einen Markt, auf dem es gerade zur Mittagszeit äusserst hektisch zu und her geht. Es ist immer wieder erstaunlich, mit welcher Geschwindigkeit die Thais ein einfach gekochtes, aber äusserst schmackhaftes Essen auf einen Teller zaubern können. Und gleichsam beeindruckend ist es, wie schnell sie ebendieses dann verzehren, ja verschlingen können: Am Mittag hat man wohl nicht die gleiche Musse wie am Abend, wo man eine riesige Auslegeordnung an verschiedenen Speisen auf dem Tisch ausbreitet, weshalb sich ein thailändisches Essen gerne mal über mehrere Stunden hinziehen kann.

Gegen Mittag sollte dann mein Zug nach Bangkok abfahren, ich nahm es gemütlich und erschien ein paar Minuten zu spät im Bahnhof. Eine halbe Stunde später wäre gemäss Fahrplan der nächste Zug gefahren, und ohnehin sind Fahrpläne hier wohl eher als ungefähre Orientierung denn als exakte Abfahrtsinformation zu verstehen. Immerhin können sie einem am Schalter mehr oder minder präzis darüber Auskunft geben, wie lange sich die Abfahrt herauszögern würde. 50 Minuten hiess es diesmal, sodass ich den Bahnhof noch etwas genauer anschaute und etwas in der Gegend herumschlenderte. Gar keine Freude an mir hatten die stets nervigen Tuk-Tuk-Fahrer, die in mir immer wieder leichte Beute sahen, ehe sie merkten, dass dieser Kerl doch schon mal vorbeigelaufen war und abgewunken hatte. Die Zeit reichte auch noch, um am Bahnhof einen Reiseproviant zu kaufen: Neben den üblichen Flaschen Wasser gab es diesmal Rindfleisch mit Reis und Gurkensalat, das ich im Zug verspeiste. Ein guter Deal für 60 Rappen. 

Bei Einfahrt des Zuges waren die Kontrolleure bereits damit beschäftigt, mich zum richtigen Wagen zu lotsen. Ich hätte ihn in einer fünfwägigen Komposition mit Garantie auch nicht alleine gefunden... an den Bemühungen mangelt es bei der Thailand State Railway mit Bestimmtheit nicht. Und dass die Züge zu spät fahren ist mir eigentlich auch egal, man ist ganz gut aufgehoben. Im Wagen angekommen wurde ich dann von der Stewardess dieses Wagens in Empfang genommen und zu meinem Platz geleitet. Ich sass neben dem einzigen Touristen im Zug, und das war Marco aus Rankweil, mit dem ich in Udon Thani zu tief ins Glas geschaut hatte. Auch nicht schlecht. 

Nachdem ich mich umgezogen hatte - der Unterschied zwischen der Temperatur im Wagen mit Klimaanlage und der Aussentemperatur betrug zehn oder mehr Grad - gab es erstmals Zmittag und dann ein kleines Schläfchen, während sich der Zug nach Pak Chong schlängelte. Danach drückte er ordentlich auf die Tube und über Saraburi bis Ayutthaya war einiges an Verspätung eingeholt, was dann schlussendlich in den Vorstädten von Bangkok durch übertrieben lange Halte sowie Abwarten einiger Gegenzüge wieder verloren wurde. So hielt sich die Stunde Verspätung halt bis an den Bahnhof Bangkok Hualamphong, der sich unweit der Chinatown befindet. Direkt daneben befindet sich meine Unterkunft, wo ich gerade in Schreibwut geraten bin, da es eine Tortur ist, die Spiele von St. Gallen und Atalanta im Liveticker anzuschauen und ebendiese an Spannung auch kaum zu überbieten sind...

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Eine Grosstadt mit Dorfflair

Beim Reisen kommt es ab und zu mal vor, dass man eine Nacht an einem Flughafen verbringen muss. Ein eher schlecht dafür geeigneter Ort ist das Low Cost Carrier Terminal des Flughafens von Kuala Lumpur. Da die meisten Air Asia - Flieger in den frühen Morgenstunden abheben, übernachten Hunderte von Menschen an ebendiesem Flughafen, der den Charme einer Lager- oder Fabrikhalle versprüht. Nicht gemütlich, nachdem ich aber etwas Geld locker gemacht hatte, gab es in einer Lounge doch noch etwas anständiger Schlaf. Im darauf folgenden Flug nach Vientiane hatte ich dann eine Dreierreihe für mich alleine, ehe ich nach kurzen Zollformalitäten (Schweizer brauchen bei Aufenthalten von unter 15 Tagen kein Visum) vom Hotel abgeholt wurde. Dieses ist ein anständiger Zweckbau im Zentrum von Vientiane, zum Schlafen sehr gut, irgendwelcher Austausch bleibt aber total auf der Strecke und auch die Belegschaft wirkt sehr komisch.

Nachdem ich das erste Mal zum Mekong runter und die beiden Hauptstrassen entlang geschlenderte war, knurrte mein Magen. Auf gut Glück entschied ich mich für das Larb Beef, das unter den laotischen Spezialitäten aufgeführt war. Und es war wirklich ein gutes Glück: Etwas besseres ist mir während der ganzen Reise, ja in ganz Asien abgesehen vielleicht vom Kobe Beef, noch nicht untergekommen. Larb Beef besteht aus fein gehacktem Rindfleisch, das in etwas Fischsud und Zitronensaft gebraten wird. Dazu kommen Frühlingszwiebeln, Knoblauch sowie frische Koriander- und Pfefferminzblätter, ehe es mit einem kleinen grünen Salat angerichtet wird. Ein Traum!

Auch abgesehen vom Essen hat Vientiane einiges zu bieten, insbesondere wenn man sich für die verschiedenen Tempel interessiert. Da der Kyoto-Besuch nun doch schon sieben Monate her ist, gab ich mir mal wieder die volle Dosis buddhistischer Tempel, angefangen beim Pha That Luang, der sich ausserhalb des Stadtzentrums von Vientiane befindet. Der goldüberzogene Tempel wurde im dritten Jahrhundert ursprünglich als Hindu-Tempel gebaut, erfuhr danach aber zahlreiche Besitz-, Farb- und Formwechsel, wobei schlussendlich die heutige Form herauskam. Der Pha That Luang ist der berühmteste Tempel Vientianes und gleichwohl der Nationalstolz Laos'. Weitere Tempel wie etwa den Wat Sisaket, den Wat Phra Keo oder den Wat Mixay findet man im Zentrum der Stadt, sodass ein ausgedehnter Spaziergang an jedem von diesen vorbei führen kann. Was wiederum dazu führt, dass eigentlich nicht mehr als einen Tag hier braucht.

Ebenfalls ein Wahrzeichen von Vientiane trägt den Namen Patuxay, auch Arc de Triomphe de Vientiane genannt, und wurde zwischen 1957 und 1968 erbaut. Der Triumphbogen ehrt die im Kampf um die Unabhängigkeit gegen Frankreich gefallenen Soldaten und Zivilisten. Für 3000 Kip darf man den Patuxay auch betreten und über eine enge Treppe bis ganz oben aufsteigen. Von dort aus bietet sich ein guter Überblick über die Hauptstadt Laos', die zwar gut 750'000 Einwohner hat, sich aber nicht so anfühlt: Es geht sehr ruhig zu und her in Vientiane und man fühlt sich eher wie in einem Dorf, zumal sich das Stadtzentrum auf eine kleine Fläche entlang zweier Strassen beschränkt. Beeindruckend wirkt von oben gesehen eigentlich nur die Avenue Lane Xang, die vom Patuxay zum Präsidentenpalast führt und beidseits dreispurig ist. Auch hohe Gebäude sucht man vergebens, absolut kein Vergleich zu Kuala Lumpur.

Stolz sind die Laoten auch auf ihr Bier. Ich habe noch selten eine Stadt gesehen, insbesondere nicht in Asien, wo man den Schriftzug einer Brauerei so oft sehen konnte wie in Vientiane. Das Beerlao, hergestellt von der Lao Brewery Company, ist aber auch durchaus geniessbar und gar nicht vergleichbar mit anderen Bieren aus dem asiatischen Raum, die diesen Eindruck nicht erwecken. In Thailand und in Japan gibt es aber auch ganz gute Biere, chinesische Gebräue sind demgegenüber gar nicht zu empfehlen und wenn immer möglich zu vermeiden.

Den kolonialen Einfluss merkt man in Laos schon nur wenn es um die Beschriftungen geht. Zahlreiche Institutionen sind auf laotisch und auf französisch beschriftet, sie stammen wohl auch häufig aus der Kolonialzeit. Wiederum andere Geschäfte, insbesondere Weinverkäufer, zieren ihren Laden gerne mit einem Schriftzug in französischer Sprache, um einen besseren und seriöseren Eindruck nach aussen zu erwecken. Auch an den Touristen merkt man, dass man sich hier in einer ehemaligen französischen Kolonie aufhält, habe ich doch noch nirgendwo in Asien so viele französisch sprechende Reisende angetroffen wie hier in Vientiane. 

Fussball ist in Laos nicht gerade die Hauptsportart, wenngleich mir so spontan keine andere Sportart einfällt, in der Laos stark ist. Auf jeden Fall kommt mir neben Billy Ketkeophomphone, der vor Kurzem ein Gastspiel in Sion gegeben hat, kein Fussballer mit Wurzeln in Laos in den Sinn. Dies ist kein Wunder: In der Weltrangliste belegt Laos zwischen Fidschi und Nepal eingeklemmt den 170. Rang, ausserdem gehört es zu den Ländern, die nicht einmal eine Liga haben, die von Soccerway erfasst wird. Wenig beeindruckend war dann auch das kleine Stadion (nicht das Nationalstadion, das aber auch nicht viel grösser ist), das sich mitten im Stadtzentrum befindet und als auffälligstes Merkmal eine Fahnenreihe mit den Flaggen von Brunei Darussalam, Kambodscha, Singapur, Malaysia, Myanmar, den Philippinen, Singapur, Thailand, Timor-Leste, Vietnam und Laos am Tribünendach besitzt, da 2009 hier ein Universitätsturnier ausgetragen wurde. 

Vientiane grenzt am Südrand direkt an Thailand, der südliche Nachbarstaat ist nur einen Steinwurf über den Mekong von Laos entfernt. Der Mekong, weltbekannt als Austragungsort des Napalmkrieges zwischen dem Vietkong und den USA in seinem Delta, wälzt sich durch ein dickes Flussbett in Richtung Süden, wobei ebendieses auch Treffpunkt für die Laoten ist, die hier gerne ein bisschen Musik spielen und dazu ein Laobeer trinken. Der Mekong führt aktuell wenig Wasser, dies kann sich aber schnell ändern, was auch das breite Flussbett erklärt. Von Vientiane aus braucht man 20 Kilometer bis zur Friendship Bridge, die den kleinen Ort Tha Na Leng mit Nong Khai in Thailand verbindet. Genau diese Grenze überquere ich morgen, wenn die Reise in südwärts weiter geht...

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