WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geld
  3. Immobilien
  4. Immobilien: Mieten und Kaufpreise in Berlin steigen

Immobilien Berlin

Das ist die nächste Stufe des Immobilien-Irrsinns

Leitender Redakteur Immobilien
Zwölf Euro je Quadratmeter im Schnitt muss man schon in den Innenstadtquartieren bei Neuanmietungen zahlen Zwölf Euro je Quadratmeter im Schnitt muss man schon in den Innenstadtquartieren bei Neuanmietungen zahlen
Zwölf Euro je Quadratmeter im Schnitt muss man schon in den Innenstadtquartieren bei Neuanmietungen zahlen
Quelle: Infografik Die Welt
Berlin 2016: Mieten steigen, Kaufpreise explodieren. Mieter klammern sich an die Wohnung, um nicht umzuziehen. Experten fordern einen Hochhaus-Plan – während Spekulanten die Preise mit Tricks treiben.

Als er gerade richtig loslegen will, fällt Gero Bergmann glatt das Heft mit den Analysen zum Berliner Wohnungsmarkt aus der Hand. „Dieser Report ist die detaillierteste Datensammlung für die Hauptstadt“, kann der Vorstand der Berlin Hyp gerade noch sagen.

Dann gleitet das Papier zu Boden, so als könnte Bergmann selbst kaum glauben, was sein Report enthält: jede Menge Zahlen, die belegen, dass der Wohnungsmarkt in der 3,4-Millionen-Metropole immer mehr zu einem großen Problem wird.

Der Report mit Daten aus dem Analysehaus CBRE hat Tradition und wird jedes Jahr vorgestellt, seit Kurzem in Kooperation mit der Berlin Hyp. Und seit sieben Jahren zeigen die Preiskurven steil nach oben.

Die Mietpreisbremse bremst nicht

Eigentumswohnungen machen mal in diesem, mal in jenem Bezirk zweistellige Preissprünge, und auch die Mieten steigen unaufhaltsam, trotz Mietpreisbremse. Sowohl für Mieter als auch für Käufer, die mit einer Immobilie ihre Altersvorsorge bereichern wollen, wird die Luft immer dünner.

Mieter in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg müssen am meisten zahlen
Mieter in Mitte und Friedrichshain-Kreuzberg müssen am meisten zahlen
Quelle: Infografik Die Welt
Die Preise für Eigentumswohnungen sind in Steglitz-Zehlendorf am schnellsten gestiegen
Die Preise für Eigentumswohnungen sind in Steglitz-Zehlendorf am schnellsten gestiegen
Quelle: Infografik Die Welt

Die Durchschnittsmiete in Berlin liegt mittlerweile bei neun Euro pro Quadratmeter netto kalt, ein Anstieg von mehr als fünf Prozent gegenüber 2014. Den stärksten Preisaufschlag mit sieben Prozent gab es im Bezirk Mitte, wo die Spitzenpreise mittlerweile 16 Euro pro Quadratmeter erreichen.

Noch stärker steigen die Preise für Wohneigentum. Denn die Käufer, private wie professionelle, kommen von überall her, um in der boomenden Stadt zu investieren. Im Durchschnitt kostet der Quadratmeter Eigentumswohnung in Berlin jetzt 3000 Euro pro Quadratmeter – bezogen auf alle Wohnungen aus allen Baujahren –, das ist ein Preisaufschlag von mehr als zehn Prozent.

In Lichtenberg gehen die Wohnungspreise zurück

Am größten fiel der Preissprung mit mehr als 16 Prozent dieses Mal in Steglitz-Zehlendorf aus, während es einen einzigen Bezirk mit einem Preisrückgang gab: In Lichtenberg verbilligten sich Eigentumswohnungen um rund vier Prozent auf einen Medianwert von 2300 Euro pro Quadratmeter.

Was private Kaufinteressenten bekümmert und Mieter in Panik geraten lässt, sind für die meisten Investoren, vor allem aber auch für die Banken, gute Nachrichten. Entsprechend überschwänglich war die Stimmung bei der Präsentation des Reports in den Räumen der Berlin Hyp.

Doch erstmals mischten sich Zwischentöne in die Reden. Vor allem Berlin-Hyp-Vorstand Bergmann selbst ließ durchblicken, dass die Entwicklung eine ungesunde Richtung einnehmen könnte. „Wir benötigen erheblich mehr Wohnungsneubau in den nächsten Jahren“, sagte er. In den sieben größten Städten Deutschland gebe es „praktisch keinen Leerstand“ mehr.

Der Neubau von Wohnungen reicht in der Hauptstadt längst nicht mehr aus
Der Neubau von Wohnungen reicht in der Hauptstadt längst nicht mehr aus
Quelle: Infografik Die Welt
Anzeige

In Berlin nehme die Zuwanderung weiterhin zu, während der Wohnungsbau nur schleppend vorangehe. Von 2011 bis 2014 seien 84.600 neue Haushalte entstanden, während es nur 25.300 Fertigstellungen neuer Wohnungen gab. „Das ist ein krasses Missverhältnis.“

Die Stadt braucht mehr Hochhäuser

Bergmann listete in schneller Folge eine ganze Reihe notwendiger Maßnahmen auf: Bürokratie abbauen, Gewerbe- in Wohnflächen umwandeln, Verfahren beschleunigen. Druck auf Grundstückseigentümer erhöhen, um eine Bebauung zu ermöglichen. „Wir brauchen auch einen Hochhaus-Rahmenplan“, so Bergmann. Es gebe sehr gute Beispiele für kostengünstige Wohnhochhäuser.

CBRE-Experte Henrik Baumunk pflichtete bei: „In Berlin ist eine Grenze der Mietbelastung erreicht.“ Viele Haushalte, vor allem jene mit durchschnittlichem Einkommen, könnten keine höheren Preise verkraften.

„Ein Haushalt, der 5000 Euro im Monat zur Verfügung hat, kann natürlich leichter 30 oder 40 Prozent des Einkommens für Wohnen ausgeben als ein Haushalt mit weniger Einkommen, da unter dem Strich trotzdem mehr Geld zum Leben übrig bleibt“, so Baumunk. Weil sie die höhere Miete nach dem Umzug nicht mehr schultern können, ziehen die Menschen kaum noch um, die Fluktuation sinkt.

Immobilienwirtschaft fordert Neubau-Offensive

800.000 Wohnungen fehlen aktuell in Deutschland. Und das ausgerechnet in der Flüchtlingskrise. Der Verband der Wohnungs- und Immobilienunternehmen fordert eine Neubau-Offensive.

Quelle: Die Welt

Das sollte auch potenzielle Käufer aufhorchen lassen. Mittlerweile wird in Berlin regelmäßig das 20-Fache der aktuellen Jahresmiete für eine Eigentumswohnung verlangt. Ob sich dieser Kaufpreis in Zukunft, auch in einer Phase steigender Zinsen oder stagnierender Wirtschaft, wieder einspielen lässt, ist selbst für die Profi-Investoren eine offene Frage.

Käufer spekulieren mit Grundstücken

Sogar der Begriff „Bodenspekulation“ schlich sich in die Präsentation der Berlin Hyp und CBRE. Ein typischer Fall, den man selbst beobachtet habe, sei: Ein Käufer erwirbt ein Grundstück, setzt eine Bodenplatte hinein und wartet so lange, bis er die Fläche mit 50 Prozent Preisaufschlag wieder verkaufen kann. Das findet offenbar auch ein Immobilienfinanzierer nicht mehr angenehm.

Denn wenn die Preise weiter steigen, steigt auch das Finanzierungsrisiko. Und tatsächlich sind zuletzt die Refinanzierungskosten der Banken gestiegen. Das heißt: Um das Geld für den Immobilienkredit am Kapitalmarkt zu besorgen, müssen Hypothekenbanken nun selbst höhere Gebühren zahlen. Das mindert die Marge, wird aber auch teilweise an die Kunden weitergegeben.

Anzeige

„Die Zinsen sind niedrig, da ist auch keine Trendwende erkennbar“, stellt Bergmann fest. „Die Kosten, die die Banken für die Refinanzierung aufwenden müssten, ziehen aber leicht an. Eine leichte Trendumkehr bei der Finanzierungsbereitschaft ist deshalb zu erkennen.“

Das heißt verkürzt: Ewig wird der Kaufrausch nicht so weitergehen können, selbst wenn der Markt so eng bleibt und wenig neue Wohnungen gebaut werden. „Ein größeres Maß an Bescheidenheit wäre vielleicht angebracht, bei den Bodenbesitzern, aber auch bei den Banken“, sagt Bergmann.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema