WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Ausland
  4. Kopftuch-Debatte: Syrien verbannt den Nikab aus Universitäten

Ausland Kopftuch-Debatte

Syrien verbannt den Nikab aus Universitäten

Studentinnen dürfen sich nicht mehr mit dem Nikab verhüllen, denn Präsident al-Assad fürchtet eine Islamisierung der Bildungseinrichtungen.

Syrien hat das Tragen des Nikab an den Universitäten des Landes verboten und damit eine heftige Debatte ausgelöst. Es geht nicht um das normale Kopftuch, den Hijab, der lediglich die Haare verbirgt. Der Nikab ist ein schwarzes Tuch, das die Gesichter der Frauen fast vollständig verhüllt und meist nur einen schmalen Sehschlitz frei lässt. Bildungsminister Ghiyath Barakat gab die Entscheidung Anfang der Woche bekannt. In Zukunft sollen Studentinnen, die den Gesichtsschleier tragen, in privaten und staatlichen Universitäten vom Campus verwiesen werden. Auf der Website „All4Syria“ erklärt der Minister, sein Ressort reagiere damit auf Bitten von Studenten und Eltern. Der Nikab widerspreche den akademischen Werten und den Traditionen der syrischen Universitäten.

Die Entscheidung weist interessante Parallelen zu den jüngsten Verboten von Ganzkörperschleiern in europäischen Staaten wie Frankreich und Belgien auf. Sowohl demokratische westliche Gesellschaften als auch das autoritäre, säkulare Regime in Damaskus sehen in dem Gesichtsschleier eine potenzielle Bedrohung ihrer staatlichen Ordnung. Schon seit dem vergangenen Monat dürfen Frauen mit Nikab in Syrien nicht mehr in den Schulen unterrichten. Rund 1200 Lehrerinnen wurden in den Innendienst versetzt.

Ein Präsident zwischen konservativen und westlichen Tendenzen

Der syrische Präsident Baschar al-Assad weist darauf hin, dass eine islamistische Unterwanderung der Bildungseinrichtungen verhindert werden müsse. Al-Assad gehört der alawitischen Minderheit an, herrscht jedoch über ein überwiegend sunnitisches Land. Das Eindämmen islamistischer Strömungen ist für den syrischen Staatschef deshalb ein Balanceakt, denn allzu drastische Maßnahmen könnten die Bevölkerung verärgern und konservative Kräfte gegen ihn aufbringen.

Doch nicht nur das Regime, auch weltoffene Syrer machen sich Sorgen über die Islamisierung ihrer Gesellschaft. „Besonders in den vergangenen fünf Jahren ist das Erstarken der konservativ-religiösen Tendenzen in Damaskus gar nicht mehr zu übersehen“, sagt Yahya al-Ous, Herausgeber eines Online-Magazins über Frauenrechte. „Nicht nur Frauen mit Nikab werden häufiger, auch Männer mit langen Bärten. Überall hängen religiöse Plakate, und ständig eröffnen neue islamische Schulen, Institute und Büchereien.“

Das Verbot im syrischen Bildungswesen befürwortet al-Ous: „Schulen und Universitäten sind kein passender Ort für diese extreme Art der Verschleierung, weil sie einen Einfluss auf andere haben kann“, sagt er. „Es ist an der Zeit, dieser Entwicklung Grenzen zu setzen. Wir sind ein offenes, tolerantes Land.“

Anzahl kopftuchtragender Frauen vervielfachte sich seit Jahren

Ein Blick auf die Straßen von Damaskus offenbart tatsächlich ein vielschichtiges Bild: Tiefschwarz verhüllte Passantinnen drängeln neben Mädchen in knappen, hautengen Oberteilen durch die Einkaufsstraßen, in den Cafés sitzen Frauen in langen Mänteln und eng gebundenen Kopftüchern neben Freundinnen mit offenen Haaren. Doch der Anteil der verschleierten Frauen wächst: Beobachter schätzen, dass in den sechziger Jahre nur etwa 20 Prozent der Damaszenerinnen Kopftücher trugen, heute dürfte ihr Anteil eher bei 80 Prozent liegen.

Es mangelt deshalb auch nicht an Kritiker, die das Verbot in Internetforen als diskriminierend bezeichnen und ihre Furcht vor einer Stigmatisierung gläubiger Muslime bekunden. Die meisten syrischen Geistlichen hingegen unterstützen den Beschluss: „Der Nikab wird nicht von der Religion vorgeschrieben, vielmehr handelt es sich um eine regionale Tradition“, sagt Mohammad al-Habash, Leiter des Islamischen Studienzentrums in Damaskus. „Wir glauben, dass der Nikab ein Anzeichen für Extremismus ist, der den Zielen des Bildungswesens entgegensteht. Deswegen halten wir die Entscheidung des Ministers für einen notwendigen Schritt.“

Syrien steht nicht allein. Auch andere säkulare Regierungen im Nahen Osten erkennen in der zunehmenden Religiosität ihrer Bevölkerung eine Gefahr für ihre Legitimität. In der Türkei sind sogar Kopftücher in staatlichen Einrichtungen verboten, in Ägypten verbieten zahlreiche Universitäten ihren Studentinnen den Niqab.

fmy

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema