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Kanadier schlägt deutschen Trainer nieder: Ich bring dich um

Die Anschieber im Bobsport pflegen harte Sitten

Gerd Grimme (45) fühlte sich "wie im falschen Film". Den deutschen Cheftrainer hatte die Faust eines seiner Sportler mitten zwischen die Rippen getroffen, nach der harten Geraden war er zu Boden gegangen. "Irgendwo muß bei dem eine Sicherung durchgebrannt sein", schwante es Grimme. "Oder er muß zuviel "Rocky'-Filme gesehen haben."

Guilio Zardo (24) ist kein Boxer. Zardo brachte den Bob Kanada I meist erfolgreich, aber immer unauffällig in Schwung. Der Anschieber gewann den Weltcup in Altenberg Anfang Dezember mit seinem deutschstämmigen Piloten Pierre Lueders, abseits des Eiskanals gab er sich zurückhaltend. "Ein sehr stiller Typ", sagt Olympiasieger Lueders.

Beim Zweierbob-Weltcup in Igls machten seine Chefs - Lueders und Kanadas Trainer Grimme - mit dem wahren Naturell des schiebenden Angestellten Bekanntschaft. Bevor Zardo ausholte und zuschlug, hatte er Grimme angebrüllt: "Ich bring dich um, ich bring dich um."

Zardo ist zwar unumstritten einer der besten Anschieber des Kufengewerbes. Er hatte am Wochenende aber über einen Magen-Darm-Infekt geklagt, worauf der Coach aus Dresden den 105-kg-Mann aussortierte. Nach dem Eklat schickte Grimme den Schläger auf eigene Kosten nach Hause. "Ich mußte reagieren. Wenn er mich so angeht - was soll das nächste Mal passieren?" Lueders stellte sich hinter seinen Trainer, auch wenn ihn der Ausfall von Zardo hart treffe. "So etwas darf einem Sportler nicht passieren."

Zuweilen scheint unter den Anschiebern das Faustrecht zu gelten. 2003 beim Weltcupfinale in Lake Placid schlug der Schweizer Beat Hefti seinem Kollegen Silvio Schaufelberger ein blaues Auge. Der hatte sich wiederholt über Heftis Unpünktlichkeit im Training beschwert.

Jens Nohka, WM-Zweiter im Vierer, aus Winterberg sagt: "Es gibt viele Diven unter uns. " Sie sind leicht reizbar. "Wir stauen für den Anlauf ungeheure Energie auf." Er nennt es eine "Energieexplosion", wenn sie den Bob in Bewegung setzen. "Unmittelbar vor und nach einem Lauf können wir besonders aggressiv wirken, und manche sind wir es auch tatsächlich." Mirko Pätzold etwa, Anschieber im Team von Ex-Europameister Rene Spies, pflegte schon mal nach einem verpatzten Lauf seinen Helm derart heftig ins Materialhaus zu pfeffern, daß der Kopfschutz zu Bruch ging.

Die Piloten schließen mit ihren Anschiebern in der Regel Arbeitsverträge ab, und Olympiasieger Andre Lange nennt die, die hinter ihm sitzen, schon mal etwas despektierlich "meine Rennpferde". Das Beschäftigungsverhältnis ist sensibel. "Wenn die Situation eskaliert, ist oft Rivalität im Spiel", sagt Nohka. Die Angst, die Olympischen Spiele 2006 vor dem Fernseher zu verbringen, während der Vordermann um die Medaillen fährt, machte auch Zardo rasend. Seit vier Jahren fährt er für Lueders, doch seit Anschieber Lascelles Brown die kanadische Staatsbürgerschaft angenommen hat, ist das Rennen im Zweier wieder offen. Grimme gab Brown, der zuvor mit Jamaikaner Winston Watt mehrer Startrekorde gebrochen hatte, in Igls den Vorzug. Danach bewährte er sich auch in Lueders Viererbob erfolgreich.

Die Konkurrenzsituation bei den Frauen ist ähnlich hart, aber die Scharmützel werden subtiler ausgetragen. Da rüffelte eine ehrgeizige Anschieberin nach dem verpaßten WM-Gewinn ihre trainingsfaule Pilotin Sandra Prokoff: "Ohne Fleiß kein' Preis." Und als US-Pilotin Jean Racine ihre Stammkraft und Freundin aus dem Bob warf, zickte die Ausgebootete zurück. Erst wollte sie sich in den Olympiabob klagen, dann zog sie in Talkshows über "Mean Racine", die böse Racine, her.

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