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Sport Sensations-Comeback

Nystad – „Mir war mein Leben einfach zu langweilig“

Sport-Redakteurin
Claudia Nystad bei ihrem Olympiasieg 2010 in Vancouver Claudia Nystad bei ihrem Olympiasieg 2010 in Vancouver
Claudia Nystad bei ihrem Olympiasieg 2010 in Vancouver
Quelle: dpa
Für die größte Überraschung bei den deutschen Skilangläufern sorgte bei der WM eine Athletin, die keine mehr ist. Olympiasiegerin Claudia Nystad plant ihr Comeback. Warum, erzählt sie im Interview.

Die Welt: Frau Nystad, warum tun Sie sich dieses Comeback samt des harten Trainings an?

Claudia Nystad: Wenn andere Sportler ein Comeback versucht haben, habe ich mich das auch immer gefragt. Sie haben doch alles erreicht, könnten die Beine hochlegen, Kinder bekommen... Aber es gibt da noch so ein inneres Gefühl. Ich habe damals nach den olympischen Winterspielen in Vancouver aufgehört und war nicht ganz zufrieden mit diesem Entschluss.

Die Welt: Die Entscheidung kam nicht aus dem Herzen heraus?

Nystad: Naja, ein bisschen, aber ich habe mir selbst zuliebe aufgehört, weil ich energetisch am Ende war. Hätte ich weitergemacht, wäre ich wahrscheinlich zusammengeklappt. Es war damals eine ziemlich harte Situation in der Mannschaft – die Meinungsverschiedenheiten zwischen unserem damaligen Bundestrainer Jochen Behle und mir haben gezehrt. Ich habe mit einem weinenden Auge aufgehört.

Die Welt: Wie schwer fiel der Schritt in das "normale" Leben?

Nystad: Ich hatte anfangs ziemlich zu kämpfen, konnte dann aber Abstand gewinnen. Ich habe mein Studium gemacht, aber irgendwann gemerkt, dass mir etwas fehlt. Mir war mein Leben zu langweilig. Ich fing deshalb an, wieder härter zu trainieren - und bekam mit einem Schlag so viele Emotionen zurück.

Die Welt: Hatten Sie überhaupt jemals ganz aufgehört?

Nystad: Nein, ganz aufgehört hatte ich nie. Das Training war aber eher locker, ohne große Emotionen.

Die Welt: Wie meine Sie das genau?

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Nystad: Nach dem Training kommst du in eine Phase, in der dich nichts anderes mehr tangiert. Je härter du trainierst, desto länger und intensiver wird diese Phase. Das ist wie eine Droge. Meine körperliche Form kam wahnsinnig schnell zurück und ich bin innerlich aufgeblüht.

Die Welt: Was treibt Sie also? Die Suche nach dem Glücklichsein?

Nystad: Das Glücksgefühl ist jetzt ein bisschen mehr der Antrieb als früher. Damals habe ich trainiert, weil es eben sein musste. Seitdem ich wieder angefangen habe, trainiere ich, weil es so schön ist, wie der Körper reagiert, wie du die Muskeln spürst. Ich glaube, dass ich mich auf diese Art weiter nach vorne treibe, als wenn ich einfach nur laufen würde, weil es dazu gehört. Ich habe auch Trainingseinheiten, von denen ich heulend zurückkomme, aber trotz allem ist das Ziel da. In meinem Leben ohne den Sport fehlte mir ein großes Ziel, für das ich kämpfen wollte. Ich bin bereit, alles Mögliche zu opfern, um der Mannschaft zu reisen und gute Ergebnisse zu erzielen.

Die Welt: Wo hatten Sie dieses Glücksgefühl und das große Ziel außerhalb des Sports gesucht?

Nystad: Ich habe schon ernsthaft versucht, ein normales Leben abseits des Sports zu führen. Zeichnen ist eine große Leidenschaft von mir. Bei Ausstellungen musst du mit genauso viel Herzblut dabei sein, damit sie funktionieren, wie bei allen anderen Dingen im Leben. Aber ich habe es nicht hinbekommen. Ich habe das Zeichnen immer als Ventil für mich neben dem Sport gebraucht – und mit einem Mal sollte es wichtiger sein. Das war es aber nicht.

Die Welt: Und Ihr Studium?

Nystad: Du setzt dich hin, liest, lernst, und dann weißt du es. Ich musste mich zwar erst mal ein halbes Semester hineinfuchsen und herausfinden, wie ich lerne, aber dann hatte ich mich daran gewöhnt. Es war nicht einfach, aber gewöhnlich. Die Emotionen fehlten.

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Die Welt: Welche Rolle spielen die olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi?

Nystad: Ich habe mal einen Spruch gelesen, der mir unheimlich gut gefällt: "Du musst deine Ziele unmöglich hoch stecken." Du musst also in den Himmel zielen, damit du wenigstens die Baumwipfel erreichst. In erster Linie geht es mir um die Qualifikation. Aber wenn alles stimmt, kann ich mir auch die Bronzemedaille über 30 Kilometer in der Skatingtechnik als Ziel setzen. Ich weiß, dass es möglich ist, weil du manchmal über dich hinauswächst. Es ist aber noch ein kleines bisschen zu früh, darüber zu reden, weil ich noch keinen Testwettkampf gemacht habe. Danach kann ich die Ziele etwas besser fixieren.

Die Welt: Hat Ihre Rückkehr auch etwas damit zu tun, dass Jochen Behle nicht mehr Bundestrainer ist?

Nystad: Frank Ullrich hat einen ganz anderen Charakter und motiviert die Mannschaft anders. Ich mag seinen Weg und komme damit viel besser klar. Frank ist von vorneherein positiv gestimmt. Wenn die Ergebnisse schlecht sind, stützt er die Mannschaft.

Die Welt: Wann fiel Ihre Entscheidung zum Comeback?

Nystad: Ende Herbst vergangenen Jahres habe ich mich gefragt: "Wenn ich jetzt anfange, nochmal richtig Ernst zu machen, wie viele Chancen hätte ich realistisch auf ein Comeback?"

Die Welt: Von wem haben Sie sich Rat geholt?

Nystad: Ich habe meinen Mann gefragt, der als Trainer in Norwegen arbeitet. Er sagte, dass er es an meiner Stelle probieren würde. Ich hatte vorher schon beim Verband angefragt, ob es überhaupt möglich wäre. Und alleine diese Anfrage hat eine Woge ausgelöst, mit der ich nicht gerechnet hatte. Als alle begeistert waren, habe ich gemerkt, dass es wirklich keine Schnapsidee zu sein scheint. Das hat mir extrem viel Energie gegeben. Es wird immer Phasen geben, in denen ich denke: "Ich kann nicht mehr! Was mache ich hier eigentlich?" Solche Phasen hast du auch als junger Athlet, aber ich weiß jetzt besser, damit umzugehen.

Die Welt: Wie groß aber ist Ihre Angst? Sie haben viel erreicht und bringen bei Ihrem Comeback eine gewisse Fallhöhe mit.

Nystad: Ich bin mir dessen bewusst, dass es schiefgehen kann. Aber am nächsten Tag wird die Sonne dennoch aufgehen. Wenn ich irgendwann sage, es geht nicht mehr, dann ist es so. Dann war es ein Versuch. Einige werden hämisch lachen – das weiß ich durchaus. Aber wie wichtig bin ich eigentlich? Der Langlaufsport ist ein ganz kleiner Bereich im gesamten Leben, wenn wir das einmal global betrachten. Es ist ein Experiment für mich, für den Skiverband, für meine Familie und Freunde. Alle, die auf meiner Seite sind, freuen sich. Viele aus dem Skizirkus sagen: "Wenn es jemand schafft, dann du." Das tut mir gut.

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