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Sport Helden über Helden

"Fritz Walter besaß alles, was einen Mann begehrenswert macht"

Fußball - Weltmeister Horst Eckel wird 75 Fußball - Weltmeister Horst Eckel wird 75
Quelle: dpa
Sporthelden wie Franz Beckenbauer oder Boris Becker wurden Idole für Millionen. Dabei haben auch sie Vorbilder des Lebens. So bewundert Skiläuferin "Gold"-Rosi Mittermaier den verstorbenen Fußball-Weltmeister Fritz Walter.

WELT ONLINE: Sind Sie Fußballfan?

Rosi Mittermaier: Das bin ich. Schon, weil ich einige Fußballer durch meinen Sport kennen gelernt habe. Den Franz Beckenbauer kenne ich sehr gut. Wir haben uns oft bei verschiedensten Veranstaltungen getroffen.

WELT ONLINE: Ihr weltberühmter bayerischer Landsmann, Kapitän der deutschen Weltmeister-Mannschaft von 1974, ist aber nicht Ihr Held, sondern dessen Vorgänger als Spielführer der ersten deutschen Weltmeisterelf, der Pfälzer Fritz Walter.

Mittermaier: Ihn habe ich auf die gleiche Weise kennen gelernt wie den Franz. Bei Messen, Foren oder dem Ball des Sports sind wir uns häufig begegnet. Schon bei unserer ersten Begegnung war ich von ihm fasziniert. Er war einem auf den ersten Blick sympathisch. Von seiner Ausstrahlung wurde man eingefangen. Dabei hatte ich riesigen Respekt. Er war ja 30 Jahre älter und ein großer Star.

WELT ONLINE: Wann haben Sie ihn das erste Mal getroffen?

Mittermaier: Das muss 1970 auf der ersten Sportartikelmesse in München gewesen sein. Ich war völlig baff, dass er mich und auch die anderen Skifahrerinnen kannte. Ich fand bemerkenswert, dass sich solch ein Fußballstar unsere Rennen anschaute und über den Sport generell bestens Bescheid wusste.

WELT ONLINE: Wie war Ihre erste Begegnung mit ihm?

Mittermaier: Ich weiß noch genau, wie mit welchem Charme er auf mich zukam, mir sofort einen Platz anbot, obwohl ich die Jüngere war und noch keine einzige Medaille gewonnen hatte. Er war Gentleman durch und durch und wirkte unheimlich warmherzig. Genauso wie Max Schmeling. Beide waren vom gleichen Schlage. Bei ihnen merkte man, dass das, was sie taten, aus tiefstem Herzen kam. Fritz Walter gab mir das spontane Gefühl, in seiner Gegenwart sehr gut behütet zu sein. So wie ich es von meinem Vater kannte.

WELT ONLINE: Was hat Ihnen am meisten an Fritz Walter imponiert?

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Mittermaier: Seine Person nur auf ein Charakteristikum zu reduzieren, ist nicht angemessen. Beispielsweise war er auch sehr sozial eingestellt. Wenn man ihn für einen guten Zweck gerufen hat, sagte er niemals Nein. Faszinierend fand ich sein kameradschaftliches Denken und Handeln. Den von Sepp Herberger geprägten Geist: „Elf Freunde müsst ihr sein“ hat er nicht nur auf dem Fußballplatz gelebt. Er vergaß nie seine Mannschaftskollegen, sondern hat sie stets und ständig mitleben lassen. Obwohl er so ein großer Fußballspieler war, besaß er eine bewundernswerte Bescheidenheit. Wie übrigens Franz Beckenbauer auch.

WELT ONLINE: Warum steht Fritz Walter dann über Franz Beckenbauer?

Mittermaier: Da kommt noch das Eheleben dazu. Ich will Franz um Himmelswillen nichts nachsagen. Jeder hat verschiedene Gene und ist unterschiedlich verlangt. Fritz Walter hat aber auch die Werte einer Ehe 1000-prozentig gelebt. Wie rührend er mit seiner Italia bis zum letzten Atemzug umgegangen ist, wie heiß er sie verehrt hat, wie rücksichtsvoll er sein Schätzchen behandelt hat, war einmalig. Ich habe mir immer gewünscht, dass auch ich so eine harmonische Ehe führen würde wie die beiden.

WELT ONLINE: Ist Fritz Walter ein Mann zum Verlieben gewesen?

Mittermaier: Ich habe immer für Sportler geschwärmt, die eine gut trainierte Figur haben. Fritz Walter hatte aber noch viel mehr. Er besaß alles, was einen Mann für eine Frau begehrenswert macht. Für mich war er ein väterlicher Freund.

WELT ONLINE: Haben Sie ihn spielen sehen?

Mittermaier: Bewusst nicht. Dafür war ich noch viel zu jung.

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WELT ONLINE: Wann haben Sie seinen Namen das erste Mal wahrgenommen?

Mittermaier: Das war 1954 beim WM-Endspiel. Mein Vater hatte mich ins Gasthaus auf der Winkelmoosalm mitgenommen. Dort gab es den einzigen Fernseher weit und breit. Zum ersten Mal habe ich erlebt, dass aus solch einem Glaskasten ein Bild rauskommt. Ich fand das alles merkwürdig. Der Raum war überfüllt. Ich saß ganz vorn, allerdings auf dem Schoß eines wildfremden Mannes. Ich erinnere mich auch noch an die Namen Morlock, Rahn und Fritz Walter, die oft gerufen wurden. Anzufangen wusste ich damit nichts. Ich spürte aber, dass irgendetwas Besonderes passierte. Die Leute sind oft aufgesprungen und waren wahnsinnig begeistert. Worum es bei dem Spiel ging und wie es endete, realisierte ich erst viel später.

WELT ONLINE: Haben Sie von Fritz Walter etwas lernen können?

Mittermaier: Bei ihm konnte man sich alles abschauen. Vieles habe ich ja schon genannt. Doch es gab noch mehr. Er hat auch Freundschaften leidenschaftlich gepflegt. Seitdem wir uns näher kannten, vergaß er nicht ein einziges Mal, Christian und mir zum Geburtstag zu gratulieren. Geld hat ihm nichts bedeutet. Und er hat sich durch nichts und niemanden verbiegen lassen. Er war ein Handschlagtyp. Wenn er etwas versprochen hatte, hat er es auch gemacht.

WELT ONLINE: An welche Episode mit ihm erinnern Sie sich besonders gern?

Mittermaier: Dass er im Juni 1980 zu unserer Hochzeit gekommen ist. Als rauskam, dass wir heiraten wollen, sagte er beiläufig: Da komme ich. Wir wollten es nicht glauben, dass der berühmte Fritz Walter das tatsächlich machen würde. Deshalb haben wir ihm eine Einladung geschickt, und er kam mit seiner Frau.

WELT ONLINE: Was hat er Ihnen geschenkt?

Mittermaier: Ein Bild fürs Schlafzimmer.

WELT ONLINE: Was ist das Motiv?

Mittermaier: Da es ein privates Geschenk war, soll das privat bleiben.

WELT ONLINE: Vor fünf Jahren starb Fritz Walter. Ist damit auch sein Menschentyp ausgestorben?

Mittermaier: Der Charakter, das Wesen, was einer besitzt, ist zuallererst geprägt durch die Erziehung im Elternhaus. Wer nicht vergisst, wo er hergekommen ist, wie alles angefangen hat, wem er seine Berühmtheit, Popularität zu verdanken hat und sich dankbar zeigt und sich nicht wichtig nimmt, der kann auch heute als großer Sportler den Typ Fritz Walter verkörpern.

WELT ONLINE: Vermissen Sie Ihren Helden?

Mittermaier: Ich bin mir bewusst, dass nichts für ewig ist. Deshalb bin ich umso glücklicher darüber, dass Christian und ich Fritz Walter kennenlernen durften, und wir ihm so viele schöne, interessante Stunden verbringen konnten.

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