Radsportler sind irre. Jeder weiß das. Ob Profis, die mit gebrochenen Knochen tagelang Radrennen fahren oder Freizeitsportler, die mit ihren Reifen fünfhundert Kilometer und mehr am Stück in den Asphalt drücken.
Sicherlich könnten auch Sie inzwischen schon eine eigene irre Radsportgeschichte aus dem Fundus Ihrer Erinnerungen ziehen, oder? Ich bin sicher und kann Sie gleichzeitig aber beruhigen: Es gibt weitaus Verrücktere als Sie und mich. Sind die noch normal oder tatsächlich verrückt? Vielleicht ein wenig, aber das ist der Radsport! Und ich meine das durchaus wohlwollend. Ohne Ideen, ohne Enthusiasmus, ohne Abenteuerlust wären unsere Radler-Träume nur halb so bunt und aufregend.
Von einigen Alpenmarathons hatte ich Ihnen ja schon vor einigen Wochen berichtet. 250 Kilometer, mehr als 5000 Höhenmeter. Und das an einem Tag! Geht’s denn noch? Ja, es geht. Die Startplätze sind fast ein Jahr vor dem schweißtreibenden Tag vergeben, Sie werden sogar verlost.
Elitäre Gesellschaft
Zu normal für Sie? Dann werden Sie doch Mitglied im "Club des Cinglés du Mont-Ventoux". Die Aufnahme in diese elitäre Gesellschaft geht nicht mal eben so. An einem einzigen Tag müssen Sie dazu dreimal den legendären Mont Ventoux hochkraxeln. Im Sattel versteht sich. Diesen kahlen, mythischen Berg in der Provence, der alle paar Jahre auch zum Repertoire der Tour de France gehört, an dem der englische Radprofi Tom Simpson 1967 sein Leben ließ.
Für die meisten wäre schon die einmalige Bezwingung des 1912 Meter hohen weißen Riesen schon Ausdauerleistung genug, aber dreimal hintereinander? Radsportlicher Ritterschlag, so würde ich das mal nennen. Nicht umsonst heißt "Club des Cinglés du Mont-Ventoux" übersetzt "Club der Verrückten vom Mont-Ventoux".
Mein Radkumpel Richie hat es getan. Nicht dreimal. Sechsmal! Er muss irre sein. Um ehrlich zu sein, ich habe es noch nicht so richtig gemerkt. Aber wer den Mont Ventoux sechsmal an einem Tag hochreitet. Hinterher, sagte er mir, habe er "den leeren Blick" gehabt und ist wohl nicht nur gefühlt ins Koma gefallen.
Richie ist ehemaliger Radrennfahrer, heute Trainer und Experte in allen Fragen rund ums schnelle Rad. In Berlin kennt ihn jeder. Wer Richies Leistungsdaten sehen und einen Blick auf seinen Blog inklusive Erlebnisbericht werfen will, klickt hier.
Ob so eine Tortur nun verrückt ist oder nicht: nachrangig. Ich sage: Wer Zeit hat, gesund und super trainiert ist, darf ruhig mal ausprobieren, wie weit er rollen kann.