14.05.2019 Aufrufe

Procycling 06.2019

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

PARIS–ROUBAIX<br />

Heiße Bilder aus der<br />

Hölle des Nordens<br />

RICK ZABEL<br />

Neues Selbstvertrauen<br />

nach dem Sieg in Yorkshire<br />

RADTEST<br />

Sieben Gravel-Bikes von<br />

Aero bis Adventure<br />

JUNI 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

„ICH HABE<br />

KEINE ANGST<br />

VOR DEM<br />

TEAM INEOS.“<br />

EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

TOM<br />

DUMOULIN<br />

ÜBER RUHM UND DRUCK<br />

FRISCHES GELD<br />

Jim Ratcliffe:<br />

Der Mann hinter<br />

dem Team Ineos<br />

RETRO: ONCE<br />

Das spanische<br />

Superteam<br />

der 1990er-Jahre<br />

MAXIMILIAN<br />

SCHACHMANN<br />

In der Weltspitze angekommen<br />

MATHIEU<br />

VAN DER POEL<br />

Vom Cross-Weltmeister<br />

zum Klassiker-Star<br />

70% K


YOUTUBE<br />

FACEBOOK<br />

LINKEDIN<br />

TWITTER<br />

INSTAGRAM<br />

PERISCOPE


EDITORIAL<br />

ERFOLG MADE IN RAUBLING<br />

Ich kann mich noch grob an den Moment erinnern, an dem wir das erste Mal mit Ralph Denk in<br />

Kontakt kamen. Es muss Ende 2009 gewesen sein, als uns der Mann aus Raubling bei Rosenheim<br />

über den Start eines neuen Teams informierte. Wer sich nicht mehr genau erinnern kann<br />

oder mag: Von einst drei großen deutschen Mannschaften war zu diesem Zeitpunkt mit Milram<br />

nur noch eine übrig geblieben. Und auch die fuhr danach nur noch eine Saison. Der Radsport<br />

in Deutschland lag am Boden. ARD und ZDF übertrugen die Tour de France nicht mehr, die<br />

Deutschland Tour musste abgesagt werden. Sich in dieser Phase hierzulande für den Radsport zu<br />

engagieren, schien aussichtslos. Ralph Denk sah das anders. Er wollte seinen Continental-Rennstall,<br />

der damals unter dem Namen NetApp ins Rennen ging, bis in die erste Liga führen – mit einem<br />

klaren Plan im Kopf und keiner Scheu vor der vielen Arbeit auf dem Weg dorthin. Schon damals<br />

formulierte der Teamchef das Ziel, möglichst viele junge Fahrer aus Deutschland und dem nahe<br />

gelegenen Österreich fördern und aufbauen zu wollen.<br />

Knapp zehn Jahre später schickt sich eine neue Generation an, langjährige Topfahrer wie André<br />

Greipel oder Tony Martin zu beerben. Namen wie Nils Politt, Emanuel Buchmann, Maximilian<br />

Schachmann oder Pascal Ackermann sind längst keine Insidertipps mehr. Die letzten drei fahren<br />

für – richtig – Ralph Denks Team, das heute als Bora–hansgrohe im Peloton geschätzt und etabliert<br />

ist. Im Laufe der Jahre und in den Texten vieler Kolumnen für <strong>Procycling</strong> hat Denk genau dieses<br />

Szenario immer wieder geschildert und nach und nach in die Praxis umgesetzt. Wenn ich mir alte<br />

Ausgaben anschaue, klingen viele seiner Sätze geradezu prophetisch. Da schreibt einer, der seine<br />

Worte ernst meint und dem Radsport mit Leib und Seele verfallen ist. Heute kann er die Früchte<br />

seiner Arbeit ernten. Wie die deutsche Radrealität wohl aussähe, wenn er damals mehr Zeit in seinem<br />

Radgeschäft und weniger im Teamwagen verbracht hätte? Sicher nicht so aussichtsreich wie<br />

heute. Dafür, lieber Ralph, gebührt dir großer Dank. Möge deine Vision weiter Wirklichkeit werden.<br />

Ich bin mir sicher, dass viele <strong>Procycling</strong>-Leser meine Meinung teilen.<br />

Ihnen allen wünsche ich nun gute Unterhaltung mit dieser Ausgabe.<br />

Chris Hauke<br />

Redaktion


INHALT<br />

AUSGABE 184 / JUNI 2019<br />

30<br />

TOM DUMOULIN<br />

Die Niederländer sprach mit uns über mentale Hürden<br />

und seine Rundfahr-Prioritäten in dieser Saison.<br />

38<br />

GRAND-TOUR-DOUBLES<br />

Dumoulin wurde 2018 Zweiter beim Giro und bei der<br />

Tour. Welche Qualitäten sind dafür heutzutage nötig?<br />

RUBRIKEN<br />

© Kramon<br />

6<br />

SCHNAPP-<br />

SCHUSS<br />

Rennen im Bild<br />

14<br />

PROLOG<br />

Aus dem Herzen<br />

des Pelotons<br />

24<br />

INSIDER<br />

Rick Zabel<br />

& Ralph Denk<br />

28<br />

STRAVA<br />

Die Daten<br />

der Profis<br />

78<br />

NACHLESE<br />

Analysen, Daten,<br />

Erkenntnisse<br />

104<br />

WUNSCH-<br />

LISTE<br />

Produkt-Highlights<br />

112<br />

VORSCHAU<br />

Themen der<br />

nächsten Ausgabe<br />

114<br />

JENS VOIGT<br />

Das letzte<br />

Wort<br />

4 PROCYCLING | JUNI 2019


42<br />

MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />

Katalonien, Baskenland, Ardennen – der Berliner ist spätestens in<br />

diesem Frühjahr in der Weltspitze angekommen.<br />

50<br />

MATHIEU VAN DER POEL<br />

Wie der niederländische Cyclocross-Weltmeister bei seinem Debüt<br />

zum Superstar der Klassiker avancierte.<br />

56<br />

CHRISTINE MAJERUS<br />

Die Fahrerin von Boels-Dolmans ist eine von zwei Luxemburgerinnen<br />

im Peloton – und hält die Fahne ihres Landes mit Stolz hoch.<br />

62<br />

JIM RATCLIFFE<br />

Er besitzt die Chemiefirma Ineos und rettete mit seinem Geld das<br />

Team Sky. Wie tickt Großbritanniens reichster Mann?<br />

68<br />

IN BILDERN: PARIS–ROUBAIX<br />

Ein sehr persönlicher Blick auf die Königin der Klassiker – Fotograf<br />

Pete Goding zeigt uns seine Hölle des Nordens.<br />

88<br />

RADTEST<br />

Zwischen den Welten – sieben Gravel-Bikes von Aero bis Adventure<br />

zeigen, wie vielseitig die noch junge Gattung sein kann.<br />

98<br />

RETRO: TEAM ONCE<br />

In den 1990er-Jahren hob die spanische Equipe die Radsportwelt<br />

aus den Angeln – wir erzählen ihre Geschichte.<br />

© BettiniPhoto, Kramon, Andreas Meyer<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 5


SCHNAPPSCHUSS<br />

IMPRESSIONEN DES RADSPORT-MONATS<br />

6 PROCYCLING | JUNI 2019


AMSTEL<br />

GOLD RACE<br />

Niederlande, 21. April 2019<br />

Mathieu van der Poel liegt<br />

erschöpft und überwältigt auf<br />

dem Asphalt, nachdem er mit<br />

einem beeindruckenden Finale<br />

das Amstel Gold Race gewonnen<br />

hat, den größten Eintages-<br />

Klassiker seines Heimatlandes<br />

– und das im Trikot des<br />

niederländischen Meisters. Das<br />

265 Kilometer lange Rennen<br />

läutet die Woche der Ardennenklassiker<br />

ein, nach dem Start in<br />

Maastricht führt es quer durch<br />

die Region Limburg und passiert<br />

dabei 35 kurze, steile Anstiege,<br />

bevor es im nahe gelegenen<br />

Berg en Terblijt endet. Der<br />

24-Jährige wiederholte damit<br />

den Erfolg seines Vaters Adri,<br />

der die 1990er-Auflage für<br />

sich entscheiden konnte.<br />

© Kramon<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 7


SCHNAPPSCHUSS<br />

8 PROCYCLING | JUNI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

FLÈCHE<br />

WALLONNE<br />

Belgien, 24. April 2019<br />

Das Duell zwischen Julian<br />

Alaphilippe und dem Dänen<br />

Jakob Fuglsang prägte die<br />

Ardennenwoche wie kein<br />

zweites. Beim Flèche Wallonne<br />

behielt Alaphilippe die Oberhand<br />

und setzte sich im Finale an der<br />

Mauer von Huy knapp gegen den<br />

Astana-Fahrer durch. Es war der<br />

bereits neunte Erfolg des<br />

Franzosen in dieser Saison.<br />

© Luc Claessen/Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 9


SCHNAPPSCHUSS<br />

LÜTTICH–<br />

BASTOGNE–<br />

LÜTTICH<br />

Belgien, 28. April 2019<br />

Obwohl sie im Kalender am<br />

Ende der Frühjahrsklassiker liegt,<br />

hat „La Doyenne“ einen Ruf für<br />

unvorhersehbares Wetter. In<br />

diesem Jahr mussten sich die<br />

Fahrer mit viel Regen und<br />

Temperaturen von sechs Grad<br />

arrangieren. Am Ende der<br />

256 Kilometer langen Tortur<br />

krönte Jakob Fuglsang seine<br />

erfolgreiche Ardennenwoche<br />

mit dem ersten Sieg bei einem<br />

Monument. Auch bei Bora–<br />

hansgrohe sah man nach dem<br />

Rennen viele glückliche Gesich -<br />

ter – mit Davide Formolo und<br />

Maximilian Schachmann kom -<br />

plettierten zwei Fahrer der<br />

Raublinger Equipe das Podium.<br />

© Gruber Images<br />

10 PROCYCLING | JUNI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 11


SCHNAPPSCHUSS<br />

ESCHBORN–<br />

FRANKFURT<br />

Deutschland, 1. Mai 2019<br />

Man hätte die Geschichte kaum<br />

besser schreiben können: Der<br />

deutsche Meister Pascal Ackermann<br />

besiegt den Lokalmatador<br />

John Degenkolb beim deutschen<br />

Klassiker am Tag der Arbeit. Es<br />

war der erste einheimische<br />

Erfolg seit dessen Triumph im<br />

Jahr 2011. Zuletzt hatte der Nor -<br />

weger Alexander Kristoff ein<br />

Abonnement auf den Sieg in der<br />

Main-Metropole – er konnte die<br />

letzten vier Auflagen zuvor für<br />

sich entscheiden. Ackermann<br />

kann so mit einem guten Gefühl<br />

beim Giro d’Italia antreten und<br />

bei seiner ersten dreiwöchigen<br />

Landesrundfahrt vielleicht sogar<br />

in die Riege der internationalen<br />

Topsprinter vorstoßen.<br />

© Christian Kaspar-Bartke/Getty Images<br />

12 PROCYCLING | JUNI 2019


SCHNAPPSCHUSS<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 13


PROLOG<br />

AUS DEM HERZEN DES PELOTONS<br />

„ICH HABE BESCHLOSSEN,<br />

MIR EINE PAUSE ZU NEHMEN“<br />

Marcel Kittel hat seinen Vertrag mit Katusha-Alpecin vorzeitig aufgelöst.<br />

© Chris Graythen/Getty Images<br />

Auf meinen Wunsch hin haben Team Katusha-Alpecin<br />

und ich einvernehmlich<br />

beschlossen, meinen aktuellen Vertrag<br />

vorzeitig zu beenden.“ Mit diesen Zeilen endete<br />

am 9. Mai nach eineinhalb Jahren die Zusammenarbeit<br />

von Marcel Kittel und Katusha-Alpecin.<br />

Ausbleibende Ergebnisse, abgebrochene<br />

Rennen, Rennabsagen – schon in den letzten<br />

Monaten hatte sich mehr und mehr angedeutet,<br />

dass es beim 31-jährigen Topsprinter aus Arnstadt<br />

alles andere als rund läuft. Gerade einmal<br />

einen Sieg im Rahmen der Mallorca Challenge zu<br />

Saisonbeginn hat Kittel bis dato zu Buche stehen<br />

– zu wenig für einen Fahrer seines Kalibers.<br />

Ein langes, auf Kittels Homepage veröffentlichtes<br />

Statement bringt nun Licht ins Dunkel: „Es war<br />

für mich ein langer Entscheidungsprozess, in dem<br />

ich mir viele Fragen stellte, wie und wohin ich als<br />

Person und Athlet gehen möchte und was für<br />

mich wirklich wichtig ist. Ich liebe das Radfahren,<br />

und meine Leidenschaft für diesen schönen Sport<br />

ist nicht verschwunden, aber ich weiß auch, was<br />

es von mir verlangt und was ich brauche, um erfolgreich<br />

zu sein. […] In den letzten zwei Monaten<br />

hatte ich das Gefühl, erschöpft zu sein. Momentan<br />

kann ich nicht auf höchstem Niveau trainieren<br />

und Rennen fahren. Aus diesem Grund habe ich<br />

beschlossen, mir eine Pause zu nehmen, über<br />

meine Ziele nachzudenken und einen Plan für<br />

meine Zukunft zu machen“, schreibt der 14-fache<br />

Tour-de-France-Etappensieger.<br />

Katusha-Alpecin und Marcel Kittel – von Beginn<br />

an war es eine Partnerschaft, der gemeinsame<br />

Erfolge nicht vergönnt sein sollten. Nachdem<br />

er 2017 mit Quick-Step Floors noch fünf Etappen<br />

bei der Tour de France gewonnen hatte und als<br />

bester Sprinter der Welt gegolten hatte, reichte es<br />

in seinem neuen Team in eineinhalb Jahren gerade<br />

einmal zu insgesamt drei Erfolgen. Der Tiefpunkt:<br />

die letztjährige Tour de France, als Kittel auf der<br />

elften Etappe aus dem Zeitlimit fiel und somit die<br />

Tour vorzeitig verlassen musste. Zu allem Über-<br />

14 PROCYCLING | JUNI 2019


Bereits bei der Tour de<br />

France 2018 war Kittel hinter<br />

den Erwartungen zurückgeblieben.<br />

Auf der elften Etappe<br />

fiel der bis dato 14-fache<br />

Tour-Tagessieger sogar aus<br />

dem Zeitlimit und musste die<br />

Frankreich-Rundfahrt damit<br />

vorzeitig verlassen.<br />

fluss überschatteten Querelen zwischen ihm und<br />

Katusha-Sportdirektor Dimitri Konyschew das<br />

Rennen: Konyschew hatte Kittel in einem Interview<br />

als „Egoisten“ bezeichnet, der „nur an sich<br />

selbst interessiert“ sei. Nach einem vorzeitigen<br />

Saisonaus im August bei der Deutschland Tour<br />

schien sich über den Winter alles zum Besseren<br />

zu wenden. Zum Saisonstart wirkte Kittel frisch<br />

und motiviert, gewann das Trofeo Palma auf Mallorca<br />

und wurde zwei Wochen später Zweiter der<br />

Clasica de Almeria. Seitdem war es jedoch still<br />

um den einstigen Seriensieger geworden.<br />

Außer dem Satz in Sachen anhaltender „Erschöpfung“<br />

gibt Kittel keine weiteren Hinweise auf die<br />

Gründe des vorzeitigen Ausstiegs bei Katusha-<br />

Alpecin. Auf seiner Website schreibt er: „Ich habe<br />

diese Entscheidung aufgrund meiner Erfahrung<br />

getroffen, dass Veränderungen zu neuen Wegen<br />

und Möglichkeiten führen […]. „An dieser Stelle<br />

möchte ich dem Team für die letzten 1,5 Jahre<br />

und deren Unterstützung danken. Ganz besonders<br />

möchte ich mich bei den Betreuern des<br />

Teams bedanken. Aus tiefstem Herzen kann ich<br />

sagen, dass sie die besten und am härtesten arbeitenden<br />

Menschen sind, die ich je gesehen<br />

habe. Es tut mir leid, dass ich ihre Leidenschaft<br />

nicht mit mehr Siegen und Ergebnissen befeuern<br />

konnte. Ich möchte mich auch bei den Sponso -<br />

ren und Partnern bedanken, die mit ihrer Unterstützung<br />

und ihrem Wissen weiterhin an das<br />

Team glauben.“<br />

Auch bei Katusha-Alpecin reagierte man mit<br />

Bestürzung. Teammanager José Azevedo sagte:<br />

„Mit Bedauern haben wir Marcels Wunsch, sich<br />

vom Team und vom Renngeschehen zurückzuziehen,<br />

akzeptiert. Wir verstehen die Situation,<br />

in der sich Marcel befindet, und wir unterstützen<br />

ihn in dieser schwierigen Zeit voll und ganz.<br />

Alle Teammitglieder werden Marcel auch in Zukunft<br />

unterstützen.“<br />

Wie es mit Marcel Kittel nun weitergeht, ist<br />

ungewiss. Fest steht, dass er ohne Team bei der<br />

bevorstehenden Tour de France nicht an den Start<br />

gehen darf. Auch eine Fortsetzung der Karriere<br />

erscheint nach den letzten beiden schwierigen<br />

Jahren derzeit ungewiss. Kittel selbst will sich auf<br />

ein Karriereende allerdings nicht festlegen. „Trotz<br />

aller Unsicherheiten bin ich zuversichtlich, dass<br />

ich letztendlich neue Chancen und Herausforderungen<br />

finde. Von nun an werde ich mein Glück<br />

und meine Freude über alles stellen und nach<br />

Wegen suchen, dies auch in meiner Zukunft zu<br />

finden. Ich bin sehr gespannt, was kommen wird.<br />

Ich möchte in Zukunft wieder Rennen fahren und<br />

muss einen Plan ausarbeiten, um dieses Ziel zu<br />

erreichen. Dies ist die größte Herausforderung<br />

meiner Karriere und ich nehme sie an.“<br />

„IN DEN LETZTEN ZWEI<br />

MONATEN HATTE ICH DAS<br />

GEFÜHL, ERSCHÖPFT ZU<br />

SEIN. MOMENTAN KANN ICH<br />

NICHT AUF HÖCHSTEM<br />

NIVEAU TRAINIEREN UND<br />

RENNEN FAHREN.“<br />

© Justin Setterfield/Getty Images, Team Katusha-Alpecin (Porträt)<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 15


PROLOG<br />

IN ALLER KÜRZE<br />

„Inzwischen denke<br />

ich, dass wir es<br />

verdienen, live zu<br />

sein, damit die<br />

Leute uns folgen<br />

können. Viele<br />

Menschen möchten<br />

das sehen, und wir<br />

möchten es zeigen.“<br />

Anna van der Breggen kritisiert die<br />

anhaltende mangelnde Fernseh-<br />

Berichterstattung über das Flèche<br />

Wallonne der Frauen.<br />

„Ich hatte etwas zu<br />

wenig Zeit zum<br />

Rennen Fahren, aber<br />

verbessere mich<br />

konstant.“<br />

Im Gespräch mit dem BBC Bespoke<br />

Podcast betonte Geraint Thomas,<br />

dass er auf dem richtigen Weg sei,<br />

um seinen Tour-Titel trotz eines<br />

ruhigen Starts ins Jahr 2019<br />

zu verteidigen.<br />

20<br />

%Die steilste Steigung der „Wand von<br />

Kocierz“, dem zwei Kilometer langen<br />

Anstieg, der im August bei der Polen-Rundfahrt<br />

Premiere feiern soll.<br />

569<br />

Tage seit Lizzie Deignans letz ­<br />

tem Rennen. Nach der Geburt<br />

ihrer Tochter im vergangenen<br />

September kehrte sie bei den<br />

Ardennen-Klassikern in das<br />

Pro-Peloton zurück.<br />

Team Ineos wird eine<br />

seiner wichtigsten<br />

Trainingsgrößen verlieren,<br />

nachdem Performance<br />

Direktor Rod Ellingworth<br />

bestätigte, dass er in der<br />

nächsten Saison zum Rivalen<br />

Bahrain-Merida wechseln<br />

wird. Der Brite ist quasi<br />

Gründungsmitglied von Sky<br />

und war eine der Schlüsselfiguren<br />

hinter den sechs<br />

Siegen der Tour de France.<br />

„Ich dachte, mit<br />

den Ergebnissen,<br />

die ich habe, wären<br />

sie offen für neue<br />

Ideen, aber es<br />

spielte keine Rolle.“<br />

Sam Bennett, der von seinem<br />

Bora–hansgrohe-Team nicht für<br />

einen Giro-Startplatz nominiert<br />

wurde. Bis Mai hatte der Ire sechs<br />

Siege im Jahr 2019 eingefahren.<br />

RIP PATRICK<br />

SERCU<br />

Patrick Sercu, einer der größten<br />

Bahnradfahrer aller Zeiten, starb<br />

am 19. April im Alter von 74 Jahren.<br />

Er wurde in Belgien zu einer Ikone<br />

durch den Sieg von 168 Straßenrennen<br />

und weiteren Siegen auf<br />

der Bahn, darunter Olympia 1964.<br />

1974 gewann er auch das grüne<br />

Trikot der Tour de France. Er ist der<br />

Rekordhalter mit 88 Siegen bei<br />

Sechstagerennen und hat unter<br />

anderem mit Eddy Merckx und<br />

Peter Post zusammengearbeitet.<br />

© Getty Images<br />

Jarlinson Pantano von Trek-Segafredo sagte, er „wünsche“ sich, dass sein<br />

Fall aufgeklärt werde, nachdem er am 26. Februar bei einem Dopingtest<br />

außerhalb des Wettbewerbs positiv auf EPO getestet wurde. Dem<br />

Kolumbianer droht eine vierjährige Sperre.<br />

NEUE JUMBOS<br />

HEBEN AB<br />

Jumbo-Visma wird ein Entwicklungsteam<br />

aufbauen. Das World­<br />

Tour-Team stellte seine Pläne für<br />

die neue U23- und Cyclo-Cross-<br />

Mannschaft vor, die aus zwölf bis<br />

16 überwiegend niederländischen<br />

Fahrern bestehen soll. Das Team<br />

wird in Schulen und Radvereine<br />

gehen, um neue Talente zu finden.<br />

47<br />

Die Anzahl der Minuten, die<br />

Mathieu van der Poel beim<br />

Amstel Gold Race an der Leistungsschwelle<br />

verbracht hat. Weitere<br />

wichtige Zahlen aus seinem Strava-<br />

Ride sind 6.440 verbrannte Kalorien,<br />

eine Durchschnittsleistung<br />

von 337 Watt und 1. 400 Watt<br />

Spitzenleistung im Endspurt.<br />

16 PROCYCLING | JUNI 2019


PROLOG<br />

„Es ist ein<br />

enttäuschendes<br />

Ende für meine<br />

Klassiker-Saison.“<br />

55.089<br />

KM<br />

Die Distanz von Victor<br />

Campenaerts, mit der er in<br />

der Höhe Mexikos einen<br />

neuen Stundenrekord<br />

setzte.<br />

Greg Van Avermaet bemühte<br />

sich bei Lüttich–Bastogne–<br />

Lüttich, seiner Klassiker-<br />

Saison etwas Glanz zu verleihen.<br />

Er stürzte 15 Kilometer vor<br />

der Linie.<br />

„Ich denke, es war das erste Mal seit<br />

13 Monaten, dass ich mit der Chance<br />

auf einen Sieg mitsprintete.“<br />

Mark Cavendish freute sich über den dritten Platz auf der dritten Etappe<br />

der Türkei-Rundfahrt. Der Manxman ist immer noch auf der Suche nach<br />

seiner Form, nachdem zwei Saisons stark durch das Epstein-Barr-Virus<br />

beeinflusst waren.<br />

2Die Anzahl der Monumente, die<br />

das Team Sky in einem Jahrzehnt<br />

bei der WorldTour gewann. Michał<br />

Kwiatkowski gewann in dieser Zeit<br />

San Remo und Wout Poels Lüttich–<br />

Bastogne–Lüttich.<br />

„Ich habe schon<br />

vorher Insekten<br />

während der Fahrt<br />

verschluckt, aber ich<br />

habe es geschafft,<br />

sie auszuhusten.“<br />

Alejandro Valverdes Chancen<br />

wurden vernichtet, als er in der<br />

letzten Rennstunde beim Flèche<br />

Wallonne eine Biene verschluckte.<br />

2021<br />

Das Jahr, bis zu dem Matej<br />

Mohoric seinen Vertrag<br />

mit Bahrain-Merida<br />

verlängert hat. Der<br />

Slowene gewann sieben<br />

Rennen in der<br />

letzten Saison.<br />

Mikel Landa könnte<br />

Vincenzo Nibali bei<br />

Bahrain-Merida ersetzen. Der<br />

viermalige Grand-Tour-Sieger<br />

Nibali wird mit Trek-Segafredo<br />

für 2020 in Verbindung<br />

gebracht, nachdem seine<br />

Vertragsgespräche mit<br />

Bahrain ins Stocken geraten<br />

waren; so öffnete er die Tür<br />

für Landas Wechsel aus dem<br />

Movistar-Team.<br />

2020<br />

In diesem Jahr beginnt der Giro<br />

d’Italia in Budapest, Ungarn. Nach<br />

dem Start in Jerusalem im Jahr<br />

2018 wird es die zweite umstrit ­<br />

tene Grande Partenza innerhalb<br />

von drei Jahren sein. Die ungarische<br />

Regierung, die von der<br />

rechts gerichteten Partei von Viktor<br />

Orbán geleitet wird, wurde von<br />

Amnesty International beschuldigt,<br />

anti demo kratisch zu sein und<br />

die Menschenrechte von Asyl ­<br />

be werbern und Flüchtlingen zu<br />

verletzen.<br />

Zwei Monate vor<br />

seinem 48. Geburtstag<br />

wird Davide Rebellin nach<br />

der italienischen Meisterschaft<br />

das Ende seiner<br />

27-jährigen Profikarriere<br />

einläuten. Rebellin wurde<br />

1992 zum Profi und gewann<br />

Lüttich–Bastogne–Lüttich,<br />

drei Flèche-Wallonne-Titel,<br />

Paris–Nizza und Tirreno.<br />

Er verbüßte auch eine<br />

zweijährige Dopingsperre.<br />

© Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 17


PROLOG<br />

JULIAN ALAPHILIPPES<br />

SPECIALIZED<br />

S-WORKS<br />

TARMAC DISC<br />

Der vielseitigste<br />

Eintages-Fahrer der Welt<br />

setzt auf das leichte<br />

Tarmac Disc.<br />

M<br />

it acht Siegen in dieser Saison, darunter<br />

Mailand–San Remo, ist Julian Alaphilippe<br />

zweifellos einer der aktuell erfolgreichsten<br />

Stars im Radsport. Er ist leicht genug,<br />

um ein extrem schneller Kletterer zu sein, kommt<br />

aber auch auf der Zielgeraden zurecht, wo er<br />

starke Sprints fahren kann. Es ist die Bandbreite<br />

seines Könnens, die seinen Teamchef Patrick<br />

Lefevere bewegte zu sagen, dass der 26-jährige<br />

Franzose „fast überall“ gewinnen kann.<br />

Das Rad von Specialized, auf dem er all dies<br />

tun wird, ist das neueste S-Works SL6 Tarmac<br />

Disc. Wie sein Fahrer, ist es ebenfalls ein hervorragendes<br />

Multitalent. Specialized gibt an, dass es<br />

200 Gramm weniger wiegt als sein direkter Vorgänger.<br />

Darüber hinaus hat es eine Reihe von<br />

aerodynamischen Eigenschaften übernommen<br />

wie zum Beispiel niedrig ansetzende Sitzstreben,<br />

tropfenförmige Rohre und integrierte Kabel- und<br />

Bremszugverlegung. Die Performance der Scheibenbremsen<br />

verbessert zudem das Fahrradhandling<br />

von Alaphilippe. Die Komponenten kommen<br />

von nur zwei Herstellern: Shimano liefert Pedale,<br />

Antrieb, Lenker und Vorbau, während Reifen,<br />

Sattel und Laufräder von Specialized stammen.<br />

AUSSTATTUNG<br />

© Chris Auld, Getty Images (Porträt)<br />

Rahmen Specialized S-Works Tarmac SL6 Disc<br />

FACT 12r Carbon Gabel S-Works Tarmac SL6<br />

Disc Ausstattung Shimano-Pro-Vibe-Lenker und<br />

-Vorbau; Specialized-S-Works-Romin-Evo-Sattel;<br />

Shimano-Dura-Ace-Pedale Schaltung Shimano-<br />

Dura-Ace-Di2-R9120-Hydraulische Hebel;<br />

Dura-Ace-Di2-R9100-Umwerfer und -Schaltwerk;<br />

Bremsscheiben 160 mm vorne und 140 mm<br />

hinten Kurbel Shimano Dura-Ace Hollowtech 2<br />

53x39 mit Leistungsmesser Laufräder Roval<br />

CLX 50 Rapide Reifen Specialized Turbo tubular<br />

KURZER VORBAU<br />

Viele Fahrer wählen 120- bis 140-Millimeter-Vorbauten,<br />

doch der nur 173<br />

Zentimeter große Alaphilippe fährt<br />

100 Millimeter mit einem Spacer.<br />

KETTE RECHTS<br />

Keine Sonderteile an der Kurbel:<br />

Das sind rennerprobte 53x39er-<br />

Kettenblätter in Kombination mit<br />

dem Dura-Ace-Leistungsmesser.<br />

18 PROCYCLING | JUNI 2019


PROLOG<br />

SITZKISSEN<br />

Specialized bietet seinen Fahrern<br />

ein breites Angebot an Sätteln, von<br />

denen „Alaf“ den Romin Evo mit<br />

FACT-Carbon-Sitzstreben nutzt.<br />

PRÄZISIONSINSTRUMENT<br />

Schnell und präzise: Die Liste<br />

der Teilehersteller ist kurz, die<br />

Teile sind perfekt. So kommt<br />

die Dura-Ace DI2 zum Einsatz.<br />

SPECIALIZED „ROVAL-UTION“<br />

Die Roval CLX Rapides haben<br />

bereits bewiesen, dass sie mit<br />

die schnellsten Laufräder im<br />

Renneinsatz sind.<br />

GROSSE BANDBREITE<br />

Während Alaphilippe klassische<br />

53x39er-Kettenblätter fährt, zählt<br />

er auf eine im Peleton nicht so häufig<br />

gesehene 12-28er-Kassette.<br />

© Chris Auld<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 19


PROLOG<br />

NEUE RUBRIK<br />

SCHAUFENSTER<br />

PRODUKTEMPFEHLUNGEN<br />

VIRTUELLER RADSPORT UND MEHR<br />

Im Schaufenster präsentieren wir regelmäßig die neuesten Produkte aus der Radsportwelt.<br />

Text Werner Müller-Schell & Caspar Gebel Fotografie Hersteller<br />

Zwift<br />

GIRO D’ITALIA AM COMPUTER<br />

Die Online-Trainingsplattform Zwift erfreut sich seit Jahren wachsender<br />

Beliebtheit, gleichermaßen unter Hobbyradsportlern und Rennfahrern.<br />

Pünktlich zum Beginn des Giro d’Italia schalteten die Macher nun einen<br />

neuen Kurs frei: Im Zuge der neuen Partnerschaft mit dem Giro-Veranstalter<br />

RSC Sport wurde so der 8,2 Kilometer lange Prolog-Kurs auf Zwift veröffentlicht<br />

– und zwar am selben Tag, an dem die Profis an den Start gingen. Wie<br />

in der Realität beginnt der Prolog in der historischen Stadt Bo logna und<br />

verfügt über ein sechs Kilometer langes Flachstück, endet jedoch mit einem<br />

steilen Anstieg von 2,1 Kilometern, der eine durchschnittliche Steigung von<br />

9,7 Prozent und eine maximale von 16 Prozent aufweist. „Der Giro war<br />

immer ein aufregendes Rennen und wir hatten nie Angst, mit neuen Wegen<br />

die Begeisterung zu vergrößern. Wir freuen uns, dass wir dieses Jahr einen<br />

neuen technologischen Fortschritt in das Rennen einbringen können. Dies<br />

gibt den Fans auf der ganzen Welt nicht nur die Chance, durch das Erleben<br />

einer Etappe dem Rennen näherzukommen, sondern auch den teilnehmenden<br />

Fahrern eine neue Möglichkeit, sich auf den Start des Rennens vorzu -<br />

bereiten“, so Paolo Bellino, CEO von RCS Sport. Vier der am Giro teilneh -<br />

menden ProfessionalContinental-Teams – Nippo Fantini, Bardiani, Androni<br />

Giocattoli und Israel Cycling Academy – testeten den virtuellen Kurs bereits.<br />

Zwifter können sich nun mit den Zeiten der Profis vergleichen.<br />

Weitere Informationen gibt es unter: www.zwift.com/giro<br />

20 PROCYCLING | JUNI 2019


PROLOG<br />

Canyon<br />

EINSTIEG IN DEN<br />

E-RADSPORT<br />

„DIE MÖGLICHKEITEN SIND ENDLOS“<br />

MIT CANYON STEIGT EINE GROSSE RADMARKE<br />

AMBITIONIERT IN DEN E-RADSPORT EIN. WIR SPRACHEN<br />

MIT TEAMCHEF RHYS HOWELL ÜBER DEN NEUEN TREND.<br />

Virtuelle Radrennen auf Plattformen wie Zwift und Co. sind eine<br />

neue Facette des Radsports. Immer mehr Firmen steigen in das<br />

Thema E-Racing ein, so nun auch Canyon: Mit Canyon ZCC<br />

startet man das erste ausschließlich auf E-Racing spezialisierte<br />

Profiteam. Die zehnköpfige Mannschaft besteht aus jeweils fünf<br />

Frauen und Männern, darunter mit Kristian Falck (Norwegen),<br />

Eva Buchholz (Deutschland) und Lionel Vujasin (Belgien) drei<br />

derzeitige nationale Zwift-Meister.<br />

„Das Engagement von Canyon im neuen Segment des E-Racings<br />

verdeutlicht das große Potenzial dieser neuen Variante des<br />

Radsports. Deshalb arbeiten unsere R&D-Teams derzeit in enger<br />

Abstimmung mit den Prüf- und Qualitätsingenieuren an<br />

neuartigen Testverfahren, mit denen die Kompatibilität aller<br />

grundsätzlich für den Einsatz in Indoor-Trainern geeigneten<br />

Rahmenplattformen sichergestellt werden kann. Unsere<br />

Garantie- und Gewährleistungsrichtlinien werden entsprechend<br />

überarbeitet, sobald die technischen Voraussetzungen erfüllt<br />

sind“, so Thorsten Lewandowski, Global Communications<br />

Manager bei den Koblenzern.<br />

Herr Howell, E-Radsport bekommt<br />

eine immer größere Aufmerksamkeit.<br />

Sogar die UCI denkt darüber<br />

nach, E-Sports-Weltmeisterschaften<br />

auszurichten. Wie weit wird<br />

dieser Trend gehen?<br />

Das Potenzial ist groß. Am Ende wird es<br />

darauf ankommen, ob genügend Budget<br />

vorhanden ist, um auch die großen<br />

Teams des Sports, die natürlich noch<br />

skeptisch sind, dafür zu begeistern.<br />

Wenn man den traditionellen E-Sport<br />

als Beispiel nimmt, ist das unausweichlich.<br />

Da aber die traditionellen Radrennställe<br />

eben noch skeptisch sind, gibt es<br />

Möglichkeiten für ein Team wie unseres,<br />

hier Pionierarbeit zu leisten.<br />

Was macht die Faszination am<br />

E-Radsport eigentlich aus?<br />

Das Tolle am E-Racing ist, dass man<br />

– wenn man das Indoor-Trainingsequipment<br />

sowieso schon hat –, sofort<br />

mit dem Rennenfahren anfangen kann.<br />

Es gibt eine große Flexibilität und man<br />

kann praktisch 24/7 irgendwo ein<br />

Rennen finden. Da es auch keine Gefahr<br />

gibt, zu stürzen, ist diese Art Radsport<br />

also sehr zugänglich.<br />

Was entgegnen Sie Skeptikern?<br />

Traditionalisten befürchten, dass dadurch<br />

weniger Leute auf der Straße Rad<br />

fahren würden. Wir glauben aber, dass<br />

das Gegenteil der Fall sein wird und die<br />

Leute noch mehr für den Radsport begeistert<br />

werden.<br />

Canyon ZCC bezeichnet sich als<br />

das erste E-Profiteam. Inwieweit<br />

kann man das mit einer Straßenprofimannschaft<br />

vergleichen?<br />

Im Moment stellen wir den Fahrern ein<br />

Paket im Wert von 10.000 Euro zur<br />

Verfügung. Das inkludiert Rad, Kit,<br />

Reisekosten, Indoor-Equipment und<br />

Sportnahrung. Ich kann mir aber vorstellen,<br />

dass E-Racing sich dahin entwickelt,<br />

dass die Fahrer auch ein Gehalt<br />

bekommen. Dafür muss aber erst mehr<br />

Geld in den Sport kommen.<br />

Canyon unterstützt mehrere Profiteams.<br />

Können wir irgendwann<br />

Stars wie Mathieu van der Poel in<br />

den ZCC-Farben erleben?<br />

Da hätten wir nichts dagegen und ich<br />

wäre nicht überrascht, wenn Mathieu<br />

das machen würde. Es gibt hier aber<br />

eine zweite Seite: Man muss die Leistungsniveaus<br />

der Nutzer beachten.<br />

Daher glaube ich, dass es ein Ligen-<br />

System braucht.<br />

Mehr zum Canyon-ZCC-Team findet man unter anderem auf:<br />

www.canyon.com<br />

Wie, glauben Sie, sieht die langfristige<br />

Zukunft des E-Radsports aus?<br />

Momentan ist es noch zu früh, um das<br />

zu sagen. Es kann aber eine Möglichkeit<br />

sein, Talente zu finden, wie wir es<br />

mit dem Canyon SRAM Racing Team<br />

bereits gemacht haben. Ich erwarte in<br />

jedem Fall mehr Live-Events, da diese<br />

wichtig für Sponsoren sind. Und natürlich<br />

auch neue Rennformate. Die Möglichkeiten<br />

sind endlos. Canyon hat mit „Canyon ZCC“ ein offizielles<br />

E-Racing-Profiteam gegründet.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 21


PROLOG<br />

FSA<br />

PROFI-KURBEL<br />

Full Speed Ahead präsentiert mit dem<br />

PowerBox Crankset eines der Vorzeigemodelle<br />

seines 2019er-Produktsortiments.<br />

Die Powermeter-Kurbelgarnitur des<br />

Ausrüsters vieler Profiteams wie EF<br />

Education First, Bahrain Merida, Astana<br />

oder Jumbo–Visma ist unter anderem mit<br />

eleganten Kettenblättern in Stealth-Black<br />

ausge stattet und in zahlreichen<br />

Varianten erhältlich – von Standard in<br />

den Varianten 53/39, 52/36, 50/34 sowie<br />

55/42 und 54/42 bis Super Compact in<br />

den Versionen 48/32 und 46/30. Auch bei<br />

den Längen gibt es eine reiche Auswahl<br />

von 165 bis 180 Millimeter.<br />

Die neue Super-Compact-Kurbel ist dabei<br />

besonders vielseitig einsetzbar: Durch<br />

ihre Abstufung erlaubt sie den Fahrern,<br />

die Kette länger in der Mitte des<br />

Ritzelpakets zu fahren, was nicht nur die<br />

Kettenlinie, sondern auch die Effizienz<br />

verbessert. Vor allem Langdistanz-Spezialisten<br />

dürfte dieses Feature besonders<br />

entgegenkommen.<br />

FSA bietet den Kurbelsatz mit Power2Max-<br />

Messtechnik für 699 Euro in der Aluversi -<br />

on an, für 1.249 Euro mit Carbon kurbeln.<br />

Weitere Informationen unter:<br />

www.fullspeedahead.com<br />

Specialized<br />

SAGAN-KOLLEKTION<br />

Seine Frühjahrsklassiker-Kampagne hat Peter Sagan<br />

in diesem Jahr ohne großen Sieg abgeschlossen. Die<br />

Strahlkraft des dreifachen Weltmeisters ist dennoch<br />

ungebrochen. Der offizielle Teamausrüster von Bora–<br />

hansgrohe, Specialized, hat dem 29-jährigen Superstar<br />

aus der Slowakei nun eine Sonderkollektion gewidmet:<br />

The Sagan Collection ist nicht nur von den Farben des<br />

Regenbogens inspiriert, sie zeigt außerdem zwei<br />

Facetten von Sagans speziellem Fahrstil: Kunden<br />

haben so die Wahl zwischen der Underexposed<br />

Collection und der Overexposed Collection.<br />

Während Erstere in gedeckten, klassischen Farben<br />

erhältlich ist, punktet Zweitere mit schillernden<br />

Looks. In beiden Farbvarianten sind so zahlreiche<br />

Produkte erhältlich: vom Specialized S-Works 7<br />

Road-Schuh bis hin zum Evade-Helm, vom SL Air<br />

Jersey bis hin zum eigenen Faltreifen. Auch eigene<br />

Rahmensets und Raddesigns stehen zur Auswahl,<br />

sodass Fans den kompletten Sagan-Auftritt auf die<br />

Straße bringen können.<br />

Übrigens: Unabhängig von der Sagan-Kollektion<br />

gaben Specialized und Bora-hansgrohe kurz vor dem<br />

Start des Giro d’Italia bekannt, dass die gemeinsame<br />

Partnerschaft vorzeitig bis zum Jahr 2021 verlängert<br />

werden konnte. „Diese Vertragsverlängerung ist ein<br />

wichtiger Schritt für uns, wenn wir in die Zukunft des<br />

Straßenradsports blicken. Bora–hansgrohe ist ein<br />

Team, das Peter Sagan geholfen hat, zwei WM-Titel<br />

zu gewinnen. Gleichzeitig haben sich im Windschatten<br />

von Sagan viele junge Talente zu Siegfahrern entwi -<br />

ckelt. Wir freuen uns darauf, weiter mit dem Team zu<br />

wachsen und weitere Siege einzufahren“, erklärte<br />

Scott Jackson, Marketing Manager beim US-amerikanischen<br />

Hersteller.<br />

Weitere Informationen zur Sagan-Kollektion findet<br />

man unter: www.specialized.com<br />

22 PROCYCLING | JUNI 2019


PROLOG<br />

Campagnolo<br />

CHORUS 12<br />

Brandneu und sehr spannend ist die neue Chorus-Gruppe, die Campagnolo<br />

Ende April vorstellte. Die Nummer drei im Programm der Italiener ist ab<br />

sofort mit dem noch recht jungen Zwölffach-Antrieb erhältlich und den<br />

Topgruppen Record und Super Record in vielen Details sehr ähnlich. Wie<br />

jene weist die Chorus zahlreiche Carbonkomponenten auf, darunter die<br />

(allerdings nicht hohlen) Kurbeln und die sehr angenehm geformten<br />

Bremshebel. Einzigartig ist die neue Kettenblatt-Abstufung 48-32, mit der<br />

Campagnolo speziell das Gravel-Segment anpeilt; dazu gibt es zwei<br />

Ritzelpakete mit 11-32 und 11-34 Zähnen. Alternativ zu den bewährten, in<br />

Kooperation mit Magura entwickelten Scheibenbremsen gibt es die Chorus<br />

auch mit den bekannten Skeleton-Felgenkneifern. Die Gewichte<br />

der Komplettgruppen gibt der Hersteller mit 2.333 bzw. 2.631 Gramm an<br />

(Disc/Rim), mit 1.275 bzw. 1.819 Euro sind die neuen Chorus-Gruppen dazu<br />

keineswegs sehr teuer – eine attraktive Alternative also zu den großen<br />

Wettbewerbern mit „S“ am Anfang.<br />

www.campagnolo.com<br />

Vittoria<br />

CORSA GRAPHENE 2.0<br />

Der Reifenspezialist hat ein bereits sehr gutes Produkt weiter verbessert:<br />

Nach dem Corsa Graphene+ soll der Graphene 2.0 nun mit doppelter<br />

Laufleistung, weiter verringertem Rollwiderstand und deutlich besserem<br />

Grip und Pannenschutz aufwarten. Der einzige Reifen mit Vierfach-Gummimischung<br />

profitiert laut Hersteller von der nun exakter auf bestimmte<br />

Eigenschaften abstimmbaren Graphen-Beimengung. Auf einem anspruchsvollen<br />

Ardennen-Kurs von <strong>Procycling</strong> über fünf Stunden gefahren, bewies<br />

der Reifen zumindest in den deutlich wahrnehmbaren Kategorien sehr gute<br />

Leistungen: Dank 320-tpi-Baumwollkarkasse rollte er seidenweich und sehr<br />

komfortabel ab, wobei er sich sehr schnell anfühlte; der Nässegrip war<br />

vorzüglich sowohl bei Schräglage wie bei kräftigen Bremsmanövern. In<br />

25 Millimeter Breite ist der neue Corsa mit 260 Gramm kein ausgesprochenes<br />

Leichtgewicht, wofür die bewiesenen und versprochenen Eigenschaften<br />

freilich entschädigen sollten. Auch eine Tubeless-Variante ist nun<br />

erhältlich, die nur geringfügig schwerer und leider nur mit schwarzer<br />

Seitenwand erhältlich ist.<br />

59,95 €, www.vittoria.com<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 23


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RICK ZABEL<br />

ENDLICH MAL WIEDER GEWONNEN<br />

Der Katusha-Alpecin-Profi schreibt über seinen Etappensieg bei der Tour de Yorkshire.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Michael Steele/Getty Images<br />

Was für ein Mega-Gefühl!<br />

Nach vier Jahren konnte<br />

ich bei der Tour de Yorkshire<br />

wieder ein Rennen gewinnen.<br />

Endlich. Zuerst konnte ich es gar<br />

nicht fassen. Doch als ich auf dem<br />

Podium stand, realisierte ich langsam,<br />

dass ich wirklich Erster geworden<br />

war. Unglaublich! Einen besseren<br />

Abschluss für meine bis dato<br />

eher schwierige Saison hätte ich mir<br />

nicht wünschen können.<br />

Schon im Vorfeld der Tour de<br />

Yorkshire hatte ich mir Hoffnungen<br />

auf die ein oder andere gute<br />

Platzierung gemacht. Als Marcel<br />

[Kittel; Anm. d. Red.] krankheitsbedingt<br />

ausfiel, war recht schnell<br />

klar, dass ich im Team die Rolle<br />

des Sprinters übernehmen würde.<br />

Schon auf der ersten Etappe war<br />

ich am Zug, doch die Rennumstände<br />

ließen einen geordneten<br />

Sprint einfach nicht zu: Da wir erst<br />

auf der Zielgeraden die Spitzengruppe<br />

einholten, herrschte auf<br />

den letzten Metern Chaos. Und als<br />

ich dann auch noch den richtigen<br />

Moment verpasste, war der Sprint<br />

gelaufen. Mit meinem zehnten<br />

Platz zum Auftakt, nur knapp hinter<br />

Mark Cavendish, war ich trotzdem<br />

zufrieden. Es war schließlich<br />

meine erste Top-Ten-Platzierung<br />

in diesem Jahr überhaupt.<br />

Am zweiten Tag gab es dann direkt<br />

die nächste Chance. Das Team<br />

brachte mich in eine richtig gute Position,<br />

die ich unbedingt ausnutzen<br />

wollte. Zugegeben, das ist schwieriger,<br />

als es aussieht. Vor allem, weil<br />

ich einfach nicht das Selbstbewusstsein<br />

habe wie ein gestandener Sprinter,<br />

für den das Alltag ist. Da ich aus<br />

der Vergangenheit wusste, dass ich<br />

einen langen Sprint fahren kann, zog<br />

ich schon 250 Meter vor dem Ziel<br />

„DA ICH AUS DER VERGANGENHEIT WUSSTE,<br />

DASS ICH EINEN LANGEN SPRINT FAHREN<br />

KANN, ZOG ICH SCHON 250 METER VOR DEM<br />

ZIEL LOS. VOLLES RISIKO. EINFACH HOFFEN,<br />

DASS NIEMAND MEHR VORBEIKOMMT.“<br />

los. Volles Risiko. Einfach hoffen,<br />

dass niemand mehr vorbeikommt.<br />

Dass es reichen würde, wurde mir<br />

erst auf den letzten Metern klar.<br />

Man sieht in den TV-Bildern gut,<br />

wie ich mich ungläubig umgekuckt<br />

habe. Der erste Gedanke: Wow, du<br />

hast endlich mal wieder ein Radrennen<br />

gewonnen. Was danach<br />

folgte, war pure Freude. Ein Mega-<br />

Tag eben!<br />

Bei der Tour de Yorkshire holte der<br />

25-Jährige seinen ersten Profisieg<br />

seit vier Jahren. Damals hatte er eine<br />

Etappe bei der Österreich-Rundfahrt<br />

für sich entschieden.<br />

Entsprechend positiv fällt nun auch<br />

mein persönliches Fazit der Frühjahrssaison<br />

aus. Nach dem anfänglichen<br />

Krankheitspech mit der Gehirnerschütterung<br />

zu Beginn der<br />

Saison scheint sich nämlich nun<br />

auch bei mir Schritt für Schritt alles<br />

zum Besseren zu wenden. Ich konnte<br />

bei allen Klassikern wertvolle Helferdienste<br />

leisten, alle Rennen bis<br />

auf die Flandern-Rundfahrt finishen<br />

und meine Form kontinuierlich steigern.<br />

Auch mit dem gesamten Team<br />

Katusha-Alpecin konnten wir dank<br />

der starken Resultate von Nils Politt<br />

– allen voran natürlich sein irrer<br />

zweiter Platz bei Paris–Roubaix –<br />

und zuletzt meines Etappensiegs<br />

einige Achtungserfolge verbuchen.<br />

Für mich geht es nun mit großen<br />

Schritten auf die Tour de France zu.<br />

In den kommenden Wochen will ich<br />

deshalb nun alles dafür geben, mich<br />

für einen Platz in unserem Aufgebot<br />

zu empfehlen. Der Sieg in Yorkshire<br />

hat mir dafür noch einmal eine<br />

Extraportion Selbstvertrauen gegeben.<br />

In Zukunft weiß ich: Wenn sich<br />

nochmal die passende Gelegenheit<br />

ergibt, probiere ich es einfach mal<br />

selber. Auf jeden Fall bin ich sehr<br />

motiviert. Vier Jahre auf meinen<br />

nächsten Profisieg warten möchte<br />

ich jedenfalls nicht.<br />

Geboren am 7. Dezember 1993,<br />

zog es den Sohn von Erik Zabel<br />

schon früh zum Radsport. Nach<br />

guten Platzierungen bei den Junioren<br />

wechselte er 2012 zum Rabobank<br />

Development Team. 2014<br />

wurde Rick Zabel Profi bei BMC und<br />

fuhr drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />

Equipe. 2017 wechselte er<br />

zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />

erstmals die Tour de France und<br />

die Straßen-WM.<br />

24 PROCYCLING | JUNI 2019


Du kennst die Länge<br />

deines nächsten Anstiegs<br />

nicht?<br />

DEIN EDGE SCHON.<br />

PHOTO: MARGUS RIGA<br />

JACK HAIG, MITCHELTON-SCOTT<br />

©2019 Garmin Ltd. or its subsidiaries.<br />

NEU!<br />

EDGE ® 530 | 830<br />

#BeatYesterday<br />

MIT DEINEM GARMIN


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RALPH DENK<br />

ZUFRIEDENHEITSLEVEL 95 PROZENT<br />

Der Teamchef schreibt über die aktuellen sportlichen Entwicklungen bei Bora–hansgrohe.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />

Ein Sieg bei einem der großen<br />

Frühjahrsklassiker – das war<br />

eines unserer großen Ziele<br />

vor dieser Saison. Auch wenn das<br />

am Ende leider nicht geklappt hat:<br />

Zufrieden sein können wir trotzdem.<br />

Mit dem Doppelpodium bei Lüttich–<br />

Bastogne–Lüttich, den zahlreichen<br />

Top-Platzierungen bei den Klassikern<br />

und den siegreichen Auftritten<br />

bei den verschiedenen Etappenrennen<br />

in den letzten Wochen haben<br />

wir gezeigt, dass unsere Mannschaft<br />

stärker denn je ist.<br />

Lange waren bei Bora–hansgrohe<br />

alle Augen auf Peter Sagan gerichtet.<br />

Vor allem in der Öffentlichkeit wurde<br />

Peter immer als der alleinige<br />

Kapitän gesehen, alle Fahrer dahinter<br />

standen in der zweiten Reihe. In<br />

den letzten Wochen waren es aber<br />

gerade diese Fahrer, die für Erfolge<br />

gesorgt und bewiesen haben, dass<br />

sie längst auch zur ersten Garde<br />

gehören. Maximilian Schachmann<br />

hat sich mit seinen Auftritten im<br />

Baskenland und bei den Ardennenklassikern<br />

in der absoluten Weltspitze<br />

etabliert, Felix Großschartner hat<br />

mit der Türkei-Rundfahrt zum ersten<br />

Mal eine WorldTour-Rundfahrt<br />

gewonnen, Davide Formolo ist spätestens<br />

mit dem zweiten Rang bei<br />

Lüttich–Bastogne–Lüttich bei uns<br />

angekommen, Sam Bennett steht<br />

bereits jetzt bei sechs Saisonerfolgen<br />

und Pascal Ackermann feierte bei<br />

Eschborn–Frankfurt einen weiteren<br />

großen Erfolg. Mit bis dato insgesamt<br />

20 Saisonsiegen sind wir nicht<br />

umsonst auf Platz vier im derzeitigen<br />

WorldTour-Ranking.<br />

Warum mein Zufriedenheitslevel<br />

nur bei 95 und nicht bei 100 Prozent<br />

ist, liegt aber natürlich daran,<br />

dass wir mit Peter nicht das erreichen<br />

konnten, was wir uns vorgenommen<br />

hatten. Er hat diese Saison<br />

bisher einfach nicht diese überdimensionale<br />

Stärke, die ihn in den<br />

„MIT BIS DATO INSGESAMT 20 SAISONSIEGEN<br />

SIND WIR NICHT UMSONST AUF PLATZ VIER<br />

IM DERZEITIGEN WORLDTOUR-RANKING.“<br />

vergangenen Jahren ausgezeichnet<br />

hat. Die Gründe hierfür gilt es nun<br />

für uns herauszufinden. Einer ist<br />

sicherlich, dass er in der direkten<br />

Klassikervorbereitung krank war<br />

und ihm so rund 1.000 Trainingskilometer<br />

fehlten – auf dem Level<br />

kann das schon den entscheidenden<br />

Unterschied bringen. Wir sind deshalb<br />

jetzt als Team gefragt, ihn wieder<br />

zurück an die Spitze zu führen.<br />

Davide Formolo (links) und Maximilian<br />

Schachmann (rechts) belegten<br />

bei Lüttich–Bastogne–Lüttich hinter<br />

Sieger Jakob Fuglsang die Plätze<br />

zwei und drei.<br />

Wenn ihr diese Zeilen lest, ist der<br />

Giro d’Italia bereits in vollem Gange.<br />

Ich hoffe, dass wir bei der Italien-<br />

Rundfahrt an unser gutes Frühjahr<br />

anknüpfen können. Die Voraussetzungen<br />

dafür sind gut: Mit unseren<br />

Kapitänen Davide Formolo, Rafał<br />

Majka und Pascal Ackermann schicken<br />

wir ein schlagkräftiges Team<br />

nach Italien, wovon wir uns einiges<br />

versprechen. Davide und Rafał können<br />

in der Gesamtwertung sehr weit<br />

vorne landen – das haben sie nicht<br />

nur im Laufe ihrer Karrieren bereits<br />

bewiesen, sondern auch schon in<br />

diesem Jahr.<br />

Rafał wurde jüngst etwa Sechster<br />

bei der Tour of the Alps, Davide war<br />

bei der Katalonien-Rundfahrt und<br />

eben bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

sehr stark. Dazu kommt Pascal<br />

Ackermann für die Sprints. Er befindet<br />

sich momentan ebenfalls in<br />

Topform. Unser Ziel mit dieser<br />

Mannschaft ist zum einen eine<br />

Top-Fünf-Platzierung in der Gesamtwertung,<br />

zum anderen wollen<br />

wir aber auch einen Etappensieg<br />

einfahren. Drückt uns die Daumen,<br />

dass das genauso klappt wie bei den<br />

Frühjahrsklassikern!<br />

Ralph Denk ist Teammanager der<br />

deutschen WorldTour-Mannschaft<br />

Bora–hansgrohe. Nach jahrelanger<br />

Aufbauarbeit ist die Equipe mit Sitz<br />

im oberbayerischen Raubling seit<br />

2017 in der höchsten Radsportliga<br />

aktiv. In <strong>Procycling</strong> berichtet Denk,<br />

in früheren Jahren selbst aktiver<br />

Rennfahrer, jeden Monat über seinen<br />

Alltag als Teamchef.<br />

26 PROCYCLING | JUNI 2019


F A S T I S G O O D .<br />

T R A N S O N I C I S B E T T E R .<br />

T H E A L L - N E W<br />

F U J I T R A N S O N I C<br />

FujiBikes.eu


PROLOG<br />

EIN<br />

UNGLAUBLICHES<br />

FINALE<br />

Ein Blick auf Mathieu van der Poels Siegesfahrt<br />

beim Amstel Gold Race.<br />

Text Werner Müller-Schell<br />

© Strava (Screenshot)<br />

Was war das für ein Finale!<br />

Die letzten Kilometer des<br />

Amstel Gold Race waren<br />

an Spannung kaum zu überbieten.<br />

Lange Zeit sah es danach aus, als<br />

würden Jakob Fuglsang (Dänemark,<br />

Astana) und Julian Alaphilippe<br />

(Frankreich, Deceuninck–Quick-<br />

Step) das Rennen machen. Dahinter<br />

kämpfte ein einsamer Maximilian<br />

Schachmann (Deutschland, Bora–<br />

hansgrohe) in der Verfolgung, ehe<br />

eine größere Verfolgergruppe um den<br />

Niederländer Mathieu van der Poel<br />

(Corendon-Circus) folgte. Letzterer<br />

galt bei seinem Heimrennen als großer<br />

Favorit, schien aber nach einer<br />

erfolglosen Attacke 43 Kilometer vor<br />

dem Ziel bereits geschlagen.<br />

Doch van der Poel zeigte, warum<br />

er als eines der größten Radsporttalente<br />

unserer Zeit gilt: Während sich<br />

Fuglsang und Alaphilippe vorne belauerten,<br />

organisierte er die Verfolgungsarbeit<br />

der lange Zeit rund eine<br />

Minute zurückliegenden Verfolger.<br />

Mit Erfolg: Der Vorsprung schrumpfte<br />

und schrumpfte, doch selbst zwei<br />

Kilometer vor dem Ziel lagen die beiden<br />

Führenden noch 30 Sekunden<br />

an der Spitze. Der zweifache Cross-<br />

Weltmeister aus den Reihen des<br />

zweitklassigen Corendon-Circus-<br />

Teams gab jedoch auch dann noch<br />

nicht auf: In bester Bahnfahrermanier<br />

fuhr er den letzten Kilometer<br />

wie ein Verfolger von vorne und übersprintete<br />

schließlich das Spitzenduo<br />

auf den letzten Metern – ein Finale<br />

für die Geschichtsbücher!<br />

28 PROCYCLING | JUNI 2019


PROLOG<br />

REKORDWERTE AUF STRAVA<br />

Auch auf Strava sorgte van der Poel<br />

für Rekorde. Und das noch überraschender<br />

als beim Amstel Gold Race<br />

auf der Straße: Denn eigentlich war<br />

der Niederländer bis dato kaum auf<br />

der Plattform aktiv. Die nackten<br />

Zahlen seiner Fahrt rund um Limburg<br />

dürften aber auch ihn beeindruckt<br />

haben: 260,1 Kilometer, eine<br />

Fahrzeit von 6:26:20 Stunden, eine<br />

Höhendifferenz von 3.488 Metern<br />

und ein Kalorienverbrauch von rund<br />

6.500 Kalorien. Wie anspruchsvoll<br />

das Amstel Gold Race 2019 war,<br />

zeigt aber ein weiterer Wert: Über<br />

die Fahrzeit von sechseinhalb Stunden<br />

trat van der Poel im Schnitt<br />

337 Watt – in etwa so viel, wie ein<br />

normaler Radamateur während eines<br />

20-minütigen Einzelzeitfahrens<br />

schafft. Die Strava-Nutzer quittierten<br />

das mit Applaus – oder Kudos,<br />

wie es auf der Online-Plattform<br />

heißt: Innerhalb von zwei Tagen gab<br />

es so 18.000 Kudos für Mathieu<br />

van der Poels Leistung.<br />

Diese wird umso beeindruckender,<br />

wenn man sich die Zahlen im<br />

Detail anschaut: In einem Abschnitt<br />

des Rennens trat van der Poel über<br />

20 Minuten 378 Watt mit einer<br />

Maximalleistung von 1.400 Watt<br />

während seines Schlusssprints. Das<br />

Besondere daran war, dass er den<br />

Sprint nicht klassisch fuhr und wie<br />

ein Katapult beschleunigte, sondern<br />

der Spurt den Gipfel eines immer<br />

schneller werdenden letzten Kilometers<br />

darstellte. Zusammen mit<br />

der vorherigen Belastung über<br />

260 Kilometer vermag der 75 Kilogramm<br />

schwere Crossspezialist<br />

also mit großer Wahrscheinlichkeit<br />

noch deutlich höhere Wattwerte im<br />

Sprint zu treten.<br />

DAS GANZE RENNEN AM LIMIT<br />

Dass sich van der Poel auch während<br />

des Rennens nicht geschont<br />

hat, zeigt etwa ein Blick auf seine<br />

Attacke am Gulpenberg 43 Kilometer<br />

vor dem Ziel: Auf Strava benötigte<br />

er für den 430 Meter langen und<br />

im Schnitt fünf Prozent steilen Hügel<br />

genau 59 Sekunden. Seine Durchschnittsleistung<br />

hier: 769 Watt.<br />

Selbiges gilt für die letzten Kilometer:<br />

Wir erinnern uns: Während<br />

Alaphilippe und Fuglsang vorne lagen,<br />

erledigte van der Poel fast die<br />

gesamte Nachführarbeit in der Verfolgergruppe<br />

alleine: Betrachtet<br />

man nur die letzten zehn Kilometer,<br />

dann trat van der Poel hier über rund<br />

15 Minuten im Schnitt 407 Watt<br />

bei einer durchschnittlichen Herzfrequenz<br />

von 181. Im Schlusssprint<br />

steigerte sich seine Herzfrequenz<br />

schließlich auf den Maximalwert<br />

von 197 – Leistungen, die absolut<br />

verblüffen, insbesondere, da Mathieu<br />

van der Poel mit gerade einmal<br />

24 Jahren erst noch am Anfang seiner<br />

Straßenkarriere steht. Nach seinen<br />

beiden Weltmeistertiteln im<br />

Cross 2015 und 2019 und seinem<br />

„ÜBER DIE FAHRZEIT VON SECHSEINHALB<br />

STUNDEN TRAT VAN DER POEL IM SCHNITT<br />

337 WATT – IN ETWA SO VIEL, WIE EIN<br />

NORMALER RADAMATEUR WÄHREND<br />

EINES 20-MINÜTIGEN EINZELZEIT-<br />

FAHRENS SCHAFFT.“<br />

grandios herausgefahrenen Sieg<br />

beim Amstel Gold Race gehört er<br />

dennoch schon jetzt zu den ganz<br />

Großen im Radsport. Man darf gespannt<br />

sein, zu welchen Leistungen<br />

der junge Niederlände in Zukunft<br />

imstande sein mag. Wir freuen uns<br />

jedenfalls auf viele weitere so tolle<br />

Schlusskilometer wie in Limburg.<br />

Er konnte es selbst nicht<br />

glauben: Mathieu van der<br />

Poel (links) holte sich nach<br />

einem unglaublichen Finale<br />

den Sieg beim Amstel Gold<br />

Race. Seinen Strava-Ride gibt<br />

es unter www.strava.com/<br />

activities/2307958367<br />

© Luc Claessen/Getty Images, Strava (Screenshot)<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 29


TOM DUMOULIN<br />

DER<br />

AUFSTIEG<br />

Gebildet und nachdenklich, wirkt Tom Dumoulin nicht<br />

wie der typische Radprofi. Der Giro-Sieger von 2017<br />

fand es schwer, sich an den Ruhm zu gewöhnen,<br />

und fragt sich manchmal, warum er das alles macht.<br />

<strong>Procycling</strong> erzählt er, wie er sich mit seiner Rolle als<br />

Tour-Mitfavorit angefreundet hat.<br />

Text Barry Ryan<br />

Fotografie Chris Auld<br />

30 PROCYCLING | JUNI 2019


JUNI 2019 | PROCYCLING 31


DAS GROSSE INTERVIEW<br />

s gibt in der roten und kargen<br />

EDoch Mondlandschaft auf zu dieser Jahreszeit führt er ein weitaus abgeschiedeneres<br />

Leben.<br />

dem Teide-Vulkan kaum etwas, das einen Mann<br />

von dieser fundamentalen Frage ablenken kann: Worum geht es dabei? Im Grunde geht es darum,<br />

Pauschalreisen an nordeuropäische Urlauber<br />

Warum mache ich das?<br />

Das ist gefährliches Gebiet. Das Leben eines zu verkaufen. Heute Morgen mussten Dumoulin<br />

Radprofis beinhaltet, die Absurdität seiner zentralen<br />

Prämisse anzunehmen, aber auch darüber von Sunweb wiederholt denselben Abschnitt des<br />

und Mitglieder des Männer- und des Frau enteams<br />

hinwegzusehen: nämlich, dass der Lebensunterhalt<br />

eines Erwachsenen mit der Meisterhaftigkeit spot für ihren Sponsor zu drehen. Aber man kann<br />

Bergs hoch und runter fahren, um einen Werbe­<br />

in etwas bestritten wird, das einst ein Spielzeug davon ausgehen, dass Werbung für Urlaube nicht<br />

der Kindheit war. An diesem Februarmorgen geht in Dumoulins Kopf herumgeht, wenn er bei einem<br />

die Welt ihrem täglichen Geschäft nach, und Tom Zeitfahren von der Startrampe rollt.<br />

Dumoulin dem seinen. Er führt die Sisyphusarbeit<br />

aus, mit dem Fahrrad einen aus dem Atlantik wendigkeit, Geld zu verdienen, doch für Dumou­<br />

Einige Athleten motiviert eine dringende Not ­<br />

ragenden Vulkan hoch und runter zu fahren, um lin, der in einer Mittelschichtfamilie in Maastricht<br />

sich auf die bevorstehende Saison vorzubereiten. aufgewachsen ist und über ein Medizinstudium<br />

Im Sommer wird Dumoulin diese Übung vor Tausenden<br />

von schreienden Fans am Straßenrand in Motivation zu sein. Andere scheinen getrieben<br />

nachgedacht hat, scheint dies keine unmittelbare<br />

Frankreich und Italien und Millionen, die zu Hause<br />

vor dem Fernseher zuschauen, wiederholen. Bedürfnis zu gewinnen, aber der weltgewandte<br />

von einem tief sitzenden, fast soziopathischen<br />

Dumoulin, der seine Hochzeitsreise in den Himalaya<br />

gemacht und eine Vorliebe für die italienische<br />

Kultur hat, scheint kein Opfer einer solchen<br />

Monomanie zu sein. Ruhm? Der reiche ihm<br />

schon, sagt er.<br />

Aber da ist er, in der Sekte von Radprofis, die<br />

nach Teneriffa pilgern und sich wie Asketen von<br />

einst 2.000 Meter über dem Meeresspiegel von<br />

der materiellen Welt abkapseln. Für Männer wie<br />

Dumoulin, Vincenzo Nibali und Ilnur Zakarin,<br />

die in dieser Woche im Parador-Hotel unterhalb<br />

des Gipfels des Teide-Vulkans wohnen, gibt es<br />

wenig zu tun, außer den Regeln zu folgen, die<br />

das klösterliche Leben eines Grand-Tour-Favoriten<br />

ihnen auferlegt. Ihr „ora et labora“ ist trainieren<br />

und schlafen.<br />

An diesem Nachmittag endet Dumoulins Trainingsfahrt<br />

40 Kilomter vor dem Hotel, seine eleganten<br />

Pedalumdrehungen werden langsamer<br />

und er kommt zum Stehen. Sein Teamkollege<br />

Michael Matthews, dessen Ziele früher kommen,<br />

fährt noch weiter, aber Dumoulin weiß, dass sein<br />

Körper genug hat. Die Autofahrt zum Hotel gibt<br />

ihm Zeit zum Gedankenaustausch mit dem Sunweb-Sportdirektor<br />

Brian Stephens. Die Einzelheiten<br />

von Dumoulins Wattzahlen treten zurück<br />

hinter eine existenziellere Frage. Die nagende Frage,<br />

die sich wiederholt. Warum macht man das?<br />

„Im Auto reden wir darüber. Warum quält man<br />

sich da komplett durch? Es ist nicht leicht, denn<br />

du musst neue Wege finden, dich fertigzumachen<br />

und zu leiden. Und warum tust du das?“, sagt Dumoulin<br />

später, nachdem er in einem Aufenthaltsraum<br />

des Parador in eine Couch gesunken ist.<br />

„Ich glaube, ich mag den Weg, und ich glaube,<br />

jeder Fahrer mag diesen Weg. Brian sagte auch:<br />

‚Wenn der einzige Ehrgeiz in deiner Radsportkarriere<br />

ist, die Tour de France zu gewinnen, was<br />

machst du dann, wenn du sie gewinnst?‘ Ist das<br />

alles? Hörst du auf mit dem Radsport? Irgendwie<br />

gibt es eine Motivation außerhalb des Resultats,<br />

und das ist alles, was das Radfahren mit sich<br />

bringt – wie frei zu sein.“<br />

Die holländischen Fans haben keine so existenziellen<br />

Zweifel. Freiheit schien Ende 2017 Mangelware<br />

zu sein für Dumoulin, als seine Siege<br />

beim Giro und der Zeitfahr-Weltmeisterschaft<br />

seinen Ruhm über die Grenzen der einheimischen<br />

Anhängerschaft hinaus in die breite Masse vordringen<br />

ließen. Er fremdelte bereits mit seinem<br />

Bekanntheitsgrad, als an einem duftenden Maiabend<br />

Tausende auf den Markt in Maastricht<br />

strömten, um den rückkehrenden Giro-Champion<br />

zu feiern. Dumoulin, der ohne Sportidole aufgewachsen<br />

ist, sagte der Zeitung De Limburger später,<br />

er habe es absurd gefunden, dass Leute in<br />

Scharen gekommen seien, um „für einen Jungen<br />

zu klatschen, der schnell fahren kann“, und merkte<br />

an, dass niemand einem Arzt applaudiere,<br />

wenn er ein Leben rettet.<br />

Als die Saison vorbei war und Dumoulin kurz<br />

von seinem streng strukturierten Programm befreit<br />

war, stellte er fest, dass sein Privatleben jetzt<br />

durch seinen neuen Ruhm beeinträchtigt wurde.<br />

Preisverleihungen, Interviews, Autogramme in<br />

Supermarktschlangen; in Isolation wurden die<br />

Pflichten eines Radstars bereitwillig getragen,<br />

aber die Flut von Anfragen drohte ihn zu überwältigen,<br />

zumal er erkannt hatte, dass das jetzt die<br />

neue Normalität war.<br />

„Es war schwer, damit umzugehen, mit diesem<br />

Gefühl, dass das mein neues Leben ist“, sagt Dumoulin<br />

jetzt. „Für einige Leute bin ich eine Art<br />

Held, und das ist komisch. Ich wollte das nicht<br />

sein, daher hatte ich ein bisschen damit zu kämpfen<br />

… und damit, dass mein Privatleben in mein<br />

32 PROCYCLING | JUNI 2019


TOM DUMOULIN<br />

Die Einsamkeit des Langstreckenfahrers:<br />

Dumoulin auf dem Teide in Teneriffa.<br />

Arbeits- und Radsportlerleben involviert wurde.<br />

Das Drumherum hat mich ein bisschen davon<br />

abgelenkt, was ich am Radsport mag.“<br />

Es muss sich angefühlt haben, als wäre Dumoulins<br />

Leben nicht mehr sein eigenes. Als wollte<br />

er sich für diesen Kontrollverlust entschädigen,<br />

war seine Reaktion, pedantischer an den Sport<br />

heranzugehen. Ein Angriff auf das Giro-Tour-de-<br />

France-Double war geplant und ein überraschend<br />

schlanker Dumoulin startete bei der Abu Dhabi<br />

Tour in die Saison 2018 in der Hoffnung auf einen<br />

frühen Zeitfahr-Sieg im Regenbogentrikot.<br />

Sein Wutausbruch, als ein Defekt ihn dort ausbremste,<br />

ließ den Druck erahnen, der unter der<br />

Oberfläche brodelte. Weiteren Frust gab es, als<br />

er einen Monat später nach einem Sturz Tirreno–<br />

Adriatico aufgeben musste.<br />

So konnte es nicht weitergehen. Dumoulins<br />

Freundin (jetzt Frau) Thanee, eine Psychologin,<br />

empfahl ihm eine Lektüre, die seine Mühen in<br />

einen Kontext außerhalb der engen Welt des Pelotons<br />

stellte. „Es fällt Menschen schwer, mit gro­<br />

ßen Veränderungen im Leben umzugehen“, sagt<br />

Dumoulin. „Aber ich habe es überwunden und<br />

akzeptiert, dass sich einige Dinge nicht ändern<br />

werden. Das ist die neue Realität.“ Unterdessen<br />

sorgte eine entspannte Radtour durch die Ardennen<br />

mit Laurens ten Dam und Bram Tankink dafür,<br />

dass sich das Radfahren wieder mehr wie ein<br />

Privileg als wie eine Last anfühlte.<br />

„Der Druck ist da. Den bekomme ich nicht weg,<br />

daher ist es besser, ihn einfach zu akzeptieren“,<br />

sagt Dumoulin. „Das hat mir Ruhe gegeben und<br />

mich zu dem zurückgebracht, was ich am Radsport<br />

liebe. Warum mache ich das und warum<br />

fahre ich Rad? Das ist eine gute Frage, die man<br />

sich manchmal stellen muss, glaube ich.“<br />

Anfang Mai nach Israel zu reisen, um seinen<br />

Giro-Titel zu verteidigen, war fast eine Wohltat<br />

für Dumoulins verwirrtes Selbstgefühl. In den<br />

folgenden elf Wochen, von der Grande Partenza in<br />

West-Jerusalem, wo er das Rosa Trikot holte, bis<br />

zu den Champs-Élysées, wo er neben Geraint<br />

Thomas auf dem Podium stand, war sein Programm<br />

straffer organisiert und leicht verdaulich.<br />

Nächster Tag, nächster Anstieg, nächste Anstrengung.<br />

Keine Ablenkungen.<br />

„Du kommst in einen Rhythmus“, sagt Dumoulin.<br />

„In dem Moment kannst du nichts an<br />

deiner Form machen und ich kenne das Leben,<br />

das ich bei einer großen Rundfahrt durchlebe. Es<br />

ist mental und körperlich hart, aber ich weiß, was<br />

kommt. Man könnte sagen: Ich war froh, als der<br />

Giro losging.“<br />

Dumoulin war auch froh, das Ziel in Rom zu<br />

erreichen. Er verpasste zwar einen weiteren Gesamtsieg<br />

und musste sich Chris Froome geschlagen<br />

geben, bewertete seine athletische Leistung<br />

aber höher als die von 2017, wo er von einem<br />

etwas moderateren Kurs profitierte. „Dieser<br />

KARRIERE-HÖHEPUNKTE TOM DUMOULINS BISLANG BESTE GC-ERGEBNISSE<br />

ENECO TOUR 2013: 2.<br />

Ist am vorletzten Tag nach starken<br />

Vorstellungen beim Zeitfahren und<br />

der Etappe zur Côte de La Redoute<br />

Spitzenreiter des Rennens, hat<br />

jedoch am letzten Tag nach<br />

Geraardsbergen das Nachsehen<br />

und verliert das Trikot um<br />

26 Sekunden an Zdenĕk Štybar.<br />

TOUR DE SUISSE 2014: 5.<br />

Gesamt-Zweiter nach zwei sehr<br />

starken Zeitfahren und der<br />

Bergankunft in Verbier. Ein<br />

Überraschungsangriff von Rui<br />

Costa am letzten Tag stellt das<br />

Klassement auf den Kopf und<br />

verdrängt Dumoulin auf den<br />

fünften Gesamtplatz.<br />

ENECO TOUR 2014: 3.<br />

Dumoulin kann Cancellara beim<br />

Zeitfahren am dritten Tag knapp<br />

schlagen und schlüpft dank eines<br />

zweiten Platzes in Geraardsbergen<br />

ins Spitzenreitertrikot.<br />

Doch Wellens attackiert auf der<br />

nächsten Etappe und gewinnt das<br />

Rennen; Dumoulin wird Dritter.<br />

TOUR DE SUISSE 2015: 3.<br />

Gewinnt die Prüfungen gegen die Uhr<br />

am ersten und letzten Tag des Rennens,<br />

kann am gewaltigen Anstieg nach<br />

Sölden auf der 5. Etappe jedoch nicht<br />

mithalten. Fällt auf den siebten<br />

Gesamtplatz zurück, befördert sich mit<br />

seinem Sieg im abschließenden<br />

Zeitfahren aber zurück aufs Podest.<br />

© Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 33


DAS GROSSE INTERVIEW<br />

Giro war anders, er war vom ersten Tag an<br />

schwer und hatte schwere Etappen. Ich konnte<br />

in diesen Bergen nicht einmal angreifen oder Zeit<br />

auf Rivalen herausfahren. Es war ein großer Unterschied<br />

zu 2017.“<br />

18 Etappen lang schien sein Giro ein Duell mit<br />

Simon Yates zu sein, und als der Brite in der Maglia<br />

Rosa in Prato Nevoso erste Schwächen zeigte,<br />

schien sich das Blatt zugunsten von Dumoulin zu<br />

wenden. Yates brach am folgenden Tag am Colle<br />

delle Finestre endgültig ein, aber niemand – selbst<br />

Dumoulin nicht – hätte damit gerechnet, dass ein<br />

bis dahin harmlos wirkender Froome 70 Kilometer<br />

vor dem Ziel ein Solo startet und mit drei Minuten<br />

Vorsprung gewinnt.<br />

Froome sagte später, dass Dumoulin den Giro<br />

gewonnen hätte, wenn er nicht auf die Hilfe anderer<br />

gewartet hätte, bevor er nach dem Finestre die<br />

Verfolgung aufnahm, doch der Holländer hält<br />

nichts vom Konjunktiv in der Vergangenheit. „Bei<br />

den Informationen, die ich in dem Moment hatte,<br />

habe ich die einzig richtige Entscheidung getroffen.<br />

Rückblickend habe ich natürlich die falsche<br />

Entscheidung gefällt“, sagt Dumoulin. „Ich hätte<br />

sofort hinterhergehen sollen, aber das hätte ich<br />

am Gipfel des Finestre nicht wissen können. Es<br />

ist nachher einfach zu sagen und zu twittern: ‚Er<br />

hat’s vermasselt.‘ Ja, gut, natürlich habe ich das.<br />

Aber in jenem Moment habe ich das nicht.“<br />

Nach Dumoulins zweitem Platz bei der Tour<br />

hinter Thomas, aber vor Froome, ging eine weitere<br />

Runde Hypothesenbildung los. Am Ende<br />

war die kumulative Erschöpfung so groß, dass<br />

an einen Angriff auf Thomas’ Gelbes Trikot<br />

nicht zu denken war. „Ich habe einfach nur<br />

meine Position verteidigt, was schon schwer<br />

genug war“, sagt Dumoulin, aber er tut die Frage<br />

lachend ab, was er hätte erreichen können<br />

„KÖRPERLICH WAR ICH TROTZ<br />

DES GANZEN MISTS BEI ZWEI<br />

LANDESRUNDFAHRTEN<br />

HINTEREINANDER AUF SEHR<br />

HOHEM NIVEAU – DARAUF<br />

BIN ICH STOLZ.“<br />

ohne die Nachwirkung des Giro. „Darüber habe<br />

ich nie nachgedacht.“<br />

Dumoulins Saison brachte nicht die großen Siege<br />

von 2017 – er verlor seinen Zeitfahr-Weltmeistertitel<br />

in Innsbruck an Rohan Dennis, während<br />

er im Straßenrennen mit einer sehenswerten Aufholjagd<br />

auf den vierten Platz fuhr –, aber er stellt<br />

die Leistungen klar über die von 2017. „Mental<br />

hatte ich zu Beginn des Jahres einige Probleme und<br />

die zu überwinden, war ein großer Sieg. Dann war<br />

ich körperlich – trotz des ganzen Mists – bei zwei<br />

Landesrundfahrten hintereinander auf sehr hohem<br />

Niveau, die Kombination, von der alle sagen, sie sei<br />

Dumoulin gibt zu, dass mit Geraint<br />

Thomas der bessere Fahrer die Tour 2018<br />

gewonnen hat.<br />

unmöglich, daher bin ich stolz“, sagt Dumoulin.<br />

„2017 hatte ich größere Höhen bei den Resultaten,<br />

aber körperlich und mental war 2018 besser.“<br />

Als Dumoulin letzten Sommer sagte, dass<br />

er nicht vorhabe, 2019 zwei große Rundfahrten<br />

zu bestreiten, war der Rückschluss,<br />

dass er seine Saison endlich auf die Tour<br />

ausrichtet. Die ursprünglichen Pläne von Sunweb<br />

drehten sich um den Juli, aber eine Tour-Route,<br />

die weitgehend frei von Zeitfahren ist, dämpfte<br />

Dumoulins Begeisterung für das Projekt bald. Der<br />

Giro mit seinen drei Einzelzeitfahren schien hingegen<br />

maßgeschneidert für ihn zu sein. Dumoulins<br />

Präferenz war klar, obwohl seine Sponsoren<br />

vielleicht erst überzeugt werden mussten. „Ich<br />

kann nicht immer weiter warten“, räumt er ein.<br />

Doch dieser Giro war zu verlockend, um ihn sausen<br />

zu lassen. Die Diskussionen dauerten fast den<br />

ganzen Herbst, ein weiterer Anlauf auf das Double<br />

nahm als Kompromiss zwischen persönlicher<br />

Vorliebe und beruflicher Pflicht Gestalt an.<br />

„Es war eine schwere Entscheidung, weil wir<br />

vorgehabt hatten, uns auf die Tour zu konzentrieren,<br />

und die Pläne aller Fahrer waren darauf ausgerichtet“,<br />

sagt Dumoulin. Seine Überlegung ist<br />

simpel. Die Route der Tour 2019 begünstigt die<br />

Kletterer und setzt dem, was er erreichen kann,<br />

eine gläserne Decke auf.<br />

„Ich war in den Bergen immer noch nicht der<br />

Beste. Ich war nahe dran, der Beste zu sein, aber<br />

ich war nie wirklich der Beste. Die Tour zu gewinnen,<br />

wäre eine geringe Chance“, sagt er<br />

© Getty Images<br />

VUELTA A ESPAÑA 2015: 6.<br />

Dumoulin gelingt der Grand-<br />

Tour-Durchbruch: Er hält bei<br />

Bergankünften mit und gewinnt<br />

das Zeitfahren. Er trägt am<br />

drittletzten Tag das Rote Trikot,<br />

bricht aber ein, als Aru Druck<br />

macht, und landet auf dem<br />

6. Platz.<br />

TOUR DE ROMANDIE 2016: 5.<br />

Unterliegt beim Prolog<br />

und dem Zeitfahren auf der<br />

3. Etappe überraschend<br />

Ion Izagirre beziehungsweise<br />

Thibaut Pinot. Doch dank seiner<br />

Beständigkeit in den Bergen<br />

bleibt Dumoulin mühelos<br />

in den Top Ten.<br />

TIRRENO–ADRIATICO 2017: 6.<br />

Kann es bei der Bergankunft<br />

am Terminillo nicht mit den reinen<br />

Kletterern aufnehmen und<br />

schneidet beim abschließenden<br />

Zeitfahren mit dem 13. Platz<br />

ungewöhnlich schlecht ab.<br />

Der 6. Gesamtrang ist ein<br />

faires Ergebnis.<br />

GIRO D’ITALIA 2017: 1.<br />

Dumoulins erster Grand-Tour-Sieg<br />

kommt dank eines stürmischen<br />

Zeitfahrens auf der 10. Etappe, wo<br />

nur vier Fahrer weniger als 2:00<br />

Minuten auf ihn verlieren. Aber er<br />

ist auch ein Faktor in den Bergen<br />

und tut genug, um Quintana um<br />

31 Sekunden zu schlagen.<br />

34 PROCYCLING | JUNI 2019


weiter. „Dritter zu werden, wäre ein gutes Resultat,<br />

aber Dritter bei der Tour ist nicht, was ich<br />

anstrebe. Ein zweiter Giro-Sieg würde meine<br />

Karriere bereichern.“<br />

Vor einem Jahr waren Dumoulin und Froome<br />

die ersten Fahrer, die im selben Jahr auf dem<br />

Podium von Giro und Tour standen, seit Marco<br />

Pantani 1998 beide Rennen gewann, aber er<br />

spielt seine Chancen herunter, die Leistungen des<br />

verstorbenen Italieners zu wiederholen, und verweist<br />

auf den geringeren Abstand – fünf Wochen<br />

statt sechs wie im letzten Jahr – zwischen den<br />

Rennen. „Die Chance, bei beiden Rennen gut zu<br />

sein, war schon gering und ist jetzt noch geringer“,<br />

sagt er. „Bei der Tour ums Podium zu kämpfen,<br />

halte ich für sehr unwahrscheinlich. Ich nehme<br />

es, wie es kommt.“<br />

Die Qualität der Konkurrenz beim diesjährigen<br />

Giro, wo das Feld Simon Yates, Vincenzo Nibali<br />

und Primož Roglic umfasst, kann sich mit der der<br />

Tour messen – mit einer Einschränkung: Ineos<br />

schont Froome und Thomas für den Juli. Doch<br />

Dumoulin weist den Gedanken zurück, dass die<br />

Überlegenheit des britischen Teams bei der Tour<br />

ihn zum Giro-Start bewogen habe, genau wie er<br />

ihre Stärke in der Tiefe nicht als Entschuldigung<br />

für seine Niederlage gegen Thomas im letzten<br />

Jahr gelten lassen will.<br />

„Ich habe keine Angst vor Sky [Ineos]“, sagt<br />

Dumoulin. „Die Leute sagen, Sky dominiert das<br />

Rennen, aber sie hatten einfach immer den besten<br />

Fahrer. An einem 20-Kilometer-Berg geht es um<br />

deine Beine, es geht nicht darum, wie stark Bernal<br />

oder sonst wer ist, und Thomas war im letzten<br />

Jahr der beste Fahrer. Wenn ich, Nibali oder sonst<br />

jemand sich als bester Fahrer herausstellt, gewinnen<br />

sie die Tour nicht, auch nicht mit dem besten<br />

Team. Ich habe keine Angst vor Sky.“<br />

BINCKBANK TOUR 2017: 1.<br />

Ein starkes Zeitfahren ist die<br />

Grundlage, doch Dumoulin<br />

gewinnt das Rennen, indem er auf<br />

der 6. Etappe im Duo mit Wellens<br />

angreift. Ein dritter Platz in<br />

Geraardsbergen am letzten Tag<br />

reicht ihm, um seine Gesamtführung<br />

zu verteidigen.<br />

GIRO D’ITALIA 2018: 2.<br />

Beißt sich lange an Simon<br />

Yates die Zähne aus und<br />

verpasst dann seine Chance,<br />

als Froomes Langstreckenangriff<br />

auf der 19. Etappe Yates<br />

in die Knie zwingt. Wird<br />

Zweiter, nur 46 Sekunden<br />

hinter Froome.<br />

TOUR DE FRANCE 2018: 2.<br />

Dumoulin ist einer der Stärksten<br />

der Tour und gewinnt das<br />

abschließende Zeitfahren, muss<br />

sich jedoch einem dominanten<br />

Geraint Thomas geschlagen geben.<br />

Zweite Plätze bei den beiden<br />

großen Bergankünften in den Alpen<br />

geben ihm Grund zum Optimismus.<br />

TIRRENO–ADRIATICO 2019: 4.<br />

Noch nicht ganz in Bestform,<br />

während er sich auf den Giro<br />

2019 vorbereitet, hat Dumoulin<br />

auf der 5. Etappe seinen besten Tag,<br />

verliert aber trotzdem eine Minute<br />

auf den Sieger Fuglsang. Wird<br />

in der Endabrechnung Vierter<br />

hinter Roglič.<br />

© Dion Kerckhoffs/Cor Vos ( 2017), Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 35


DAS GROSSE INTERVIEW<br />

© Getty Images<br />

Aber ob Sunweb Dumoulin die nötige Unterstützung<br />

bieten kann, ist fraglich, zumal Verletzungen<br />

die Verfügbarkeit seines besten Leutnants, Wilco<br />

Kelderman, eingeschränkt haben. Und es ist verblüffend,<br />

wie wenige Zugeständnisse er von Sunweb<br />

abseits der Straße bekommt. Entsprechend<br />

der seit seinen Anfängen unter dem Namen Skil<br />

geltenden Philosophie rotieren Manager, Mechaniker<br />

und Pfleger. Das heißt, dass Dumoulin, anders<br />

als Froome oder Nibali, keine feste Gruppe<br />

von Mitarbeitern um sich hat, die ihn das ganze<br />

Jahr über zu jedem Rennen begleiten. „Das könnte<br />

man verbessern“, räumt Dumoulin ein. „Sie wollen<br />

kein Team im Team entstehen lassen. Immer dieselben<br />

Mitarbeiter zu haben, hat auch Nachteile,<br />

aber es ist nötig, eine Art Grundlinie zu haben.“<br />

Die Anforderungen scheinen jedes Jahr größer<br />

zu werden. Extremer Gewichtsverlust zum Beispiel<br />

ist normalisiert worden. „Ich habe Bilder von<br />

der Tour gesehen, wo ich nicht so gesund aussehe,<br />

aber so ist das Leben jetzt für einen Rundfahrer“,<br />

„DIE LEUTE SAGEN,<br />

SKY DOMINIERT DAS<br />

RENNEN, ABER SIE HATTEN<br />

EINFACH IMMER DEN<br />

BESTEN FAHRER. AN EINEM<br />

20-KILOMETER-BERG GEHT<br />

ES UM DEINE BEINE.“<br />

stellt Dumoulin fest. Vor rund einem Jahrzehnt<br />

war Höhentraining ein nettes Beiwerk zum Programm<br />

eines potenziellen Toursiegers. Heute ist<br />

es ein absolutes Muss. Auf Dumoulins Aufenthalt<br />

auf dem Teide im Februar folgte ein längerer Aufenthalt<br />

auf dem Vulkan im April, und zwischen<br />

Giro und Tour ist ein weiteres Manschaftscamp in<br />

den Bergen geplant.<br />

„Die Unterschiede sind so gering, weil jeder<br />

schlaue Leute im Team hat, um das beste Training<br />

und die beste Ernährung auszutüfteln“, sagt<br />

Dumoulin, obwohl er glaubt, dass er die Grenze<br />

dessen erreicht hat, was er durch Opfer erreichen<br />

kann. Die weitere Entwicklung, glaubt er, muss<br />

durch das Erreichen der körperlichen und taktischen<br />

Reife kommen, jetzt, wo der 30. Geburtstag<br />

näher rückt. „Ich brauche nicht extremer zu sein,<br />

das wäre kontraproduktiv.“<br />

Manchmal scheint es, dass ein moderner<br />

Rundfahrtfavorit einen Teil von sich selbst ausschalten<br />

muss. Dumoulin gibt zu, dass er sich<br />

heute mit öffentlichen Äußerungen zurückhalte,<br />

nachdem er die Vergabe von medizinischen Ausnahmegenehmigungen<br />

nach dem Fall Bradley<br />

Wiggins 2016 kritisiert und sich gewundert hatte,<br />

welche Wellen seine Worte schlugen.<br />

„Ich habe das System angegriffen, aber es klang<br />

– nachdem es fünfmal übersetzt war – so, als hätte<br />

ich Wiggins persönlich angegriffen, was nicht<br />

der Fall war“, erklärt Dumoulin. „Ich bin extrovertiert<br />

und manchmal denke ich nicht darüber nach,<br />

was ich sage, aber das sollte ich.“<br />

Es wäre schade, wenn Dumoulin seine Neigung,<br />

seine Meinung zu sagen, mäßigen würde.<br />

Nach seinem Sieg beim Zeitfahren in der Ardèche,<br />

das dem Terrorangriff am französischen Nationalfeiertag<br />

2016 in Nizza folgte, war er ein eloquenter<br />

Sprecher der Tour und sagte, die Etappe<br />

sei sportlich irrelevant, aber als menschliches Zusammenkommen<br />

wertvoll gewesen.<br />

Unlängst reagierte Dumoulin auf das Geständnis<br />

seines früheren Teamkollegen Georg Preidler,<br />

sich Blut extrahiert zu haben, indem er fragte, warum<br />

er nicht öfter gebeten werde, sich zu dem Fall<br />

zu äußern. Der Österreicher war schließlich Teil<br />

des Sunweb-Teams gewesen, das ihn bei seinem<br />

Giro-Sieg 2017 unterstützt hatte. „Journalisten<br />

müssen das am Leben halten“, sagte Dumoulin<br />

dem niederländischen Rundfunk im März.<br />

Fragen zu stellen, scheint Teil von Dumoulins<br />

Veranlagung zu sein, und so, wie er es auf Teneriffa<br />

erzählt, war das Finden von Antworten auf einige<br />

grundlegende Fragen einer seiner größten Siege der<br />

letzten zwölf Monate. Das existenzielle Grübeln,<br />

das auf seinen Höhenflug von 2017 folgte, führte<br />

zu der Erkenntnis, dass er nicht ausschließlich<br />

über seine Ambitionen definiert werden möchte.<br />

„Ich kann jetzt aufhören und bin sehr zufrieden<br />

mit meiner Karriere. Das ist ein beruhigender Gedanke“,<br />

sagt Dumoulin, als die Sonne hinter dem<br />

Pico del Teide untergeht. „Ich meine das wirklich<br />

so. Ich kann morgen aufhören und bin ein zufriedener<br />

Mann.“<br />

Und trotzdem wird er morgen früh wieder den<br />

Vulkan hoch und runter fahren, pflichtschuldig,<br />

um sich auf die Rennen des Sommers vorzubereiten.<br />

Man findet seine Last immer wieder, aber<br />

Dumoulin trägt sie, so leicht er kann.<br />

36 PROCYCLING | JUNI 2019


Der Wendepunkt<br />

beim Giro 2018 –<br />

Dumoulin führt die<br />

Verfolger von Chris<br />

Froome den Colle<br />

delle Finestre hinauf.<br />

© Kramon<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 37


DAS GROSSE INTERVIEW<br />

KONTRAPUNKT<br />

FÜR MICH EINEN DOPPELTEN<br />

2018 war Dumoulin einer von fünf Fahrern, die zwei große Rundfahrten in den Top<br />

Ten beendeten. Wie haben sich die Herausforderungen für ein Double verändert?<br />

Text Edward Pickering<br />

Fotografie Kristof Ramon<br />

Um zwei große Rundfahrten in einem Kalenderjahr<br />

zu gewinnen, muss ein Fahrer<br />

erst einmal eine gewinnen. Deswegen reden<br />

nur sehr wenige Fahrer darüber, bei zwei dreiwöchigen<br />

Etappenrennen in einer Saison den Sieg<br />

anzupeilen. Es hat keinen Sinn, ein Ziel mit einem<br />

Auge im Blick zu behalten, das noch zwei Monate<br />

hin ist, wenn das gewaltige Hindernis eines unmittelbareren<br />

Ziels im Weg steht. Tom Dumoulin,<br />

der der hochkarätigste Fahrer ist, der in diesem<br />

Jahr sowohl den Giro d’Italia als auch die Tour de<br />

France fährt, sagt öffentlich, dass sein Hauptziel<br />

der Giro ist, dessen drei Zeitfahren ihm viel besser<br />

liegen als das Hochgebirgsterrain, das die Tour in<br />

diesem Jahr definiert. Daher trainiert er in erster<br />

Linie für den Giro, um in der Form zu sein, ihn zu<br />

gewinnen, und erst wenn das Rennen vorbei ist,<br />

fängt er an, im Detail an die Tour zu denken.<br />

Grand-Tour-Double sind im Radsport schon<br />

länger aus der Mode. Ihre große Zeit war von den<br />

1970ern bis in die frühen 1990er, als eine Reihe<br />

von Fahrern Siege bei mehreren Rennen erzielten.<br />

Eddy Merckx schaffte vier Grand-Tour-Double<br />

(siehe Tabelle auf der übernächsten Seite); Bernard<br />

Hinault und Miguel Indurain holten drei beziehungsweise<br />

zwei. Das häufigste und prestigeträchtigste<br />

Doppel waren damals der Giro und<br />

die Tour. Die Vuelta war ein Frühjahrsrennen, das<br />

noch vor dem Giro stattfand und vor den 1980ern<br />

nicht immer drei Wochen lang war. (Die Leistung<br />

von Giovanni Battaglin, die Vuelta und den Giro<br />

1981 zu gewinnen, ist aber eine unterbewertete<br />

– zwischen den Rennen lagen nur drei Tage und<br />

die Vuelta hatte keinen einzigen Ruhetag.)<br />

Seit Indurains zweitem Giro-Tour-Double<br />

1993 waren nicht viele erfolgreich – Marco Pantani,<br />

Alberto Contador und Chris Froome waren<br />

die einzigen Fahrer seitdem, die zwei große<br />

Rundfahrten in einem Jahr gewonnen haben.<br />

Contador gewann den Giro und die Vuelta 2008,<br />

während Froome 2017 bei der Tour und dann bei<br />

der Vuelta siegte. Ein Double in der Dekade blieb<br />

eine Weile die Trefferquote.<br />

Es gibt ein Argument, dass die moderne Trainingstheorie<br />

das Grand-Tour-Double getötet hat.<br />

Als die Sportwissenschaftler herausfanden, wie<br />

Fahrer höhere Formspitzen erreichen können,<br />

verringerte sich die Dauer der Formspitze. Um<br />

38 PROCYCLING | JUNI 2019


TOM DUMOULIN<br />

DAS NEUE<br />

GESICHT DES<br />

FRÜHJAHRS<br />

Die Renaissance des Giro-Tour-<br />

Doubles hat zur ersten wirklichen<br />

Veränderung beim Frühjahrs-<br />

Formaufbau seit vielen Jahren geführt.<br />

Der etablierte Weg zum Toursieg ist eine<br />

Reihe von vier oder fünf Frühjahrsrennen,<br />

dann die Dauphiné im Juni.<br />

Doch den Giro vor der Tour zu fahren,<br />

macht das unmöglich. Während der<br />

Toursieger 2018, Geraint Thomas, dem<br />

traditionellen Weg folgte, fuhren die<br />

Männer, die ihn auf dem Podium in Paris<br />

flankierten, Tom Dumoulin und Chris<br />

Froome, beide den Giro. Froome bestritt<br />

die Ruta del Sol (10.), Tirreno (34.)<br />

und die Tour of the Alps (4.) vor<br />

Giro und Tour. Der Holländer<br />

entschied sich für die Abu Dhabi Tour<br />

(38.) und Tirreno (DNF) plus ein paar<br />

Eintagesrennen. In diesem Jahr setzte<br />

Dumoulin auf die UAE Tour (6.) und<br />

Tirreno (4.) plus San Remo und Lüttich,<br />

womit er auf nur 16 Renntage kam. Das<br />

ist nicht viel, aber nicht wesentlich<br />

anders als bei seinen Giro-Rivalen<br />

Yates, Roglič und Nibali. Bei dieser<br />

Vorbereitung bleibt er frisch, und anders<br />

als 2018 waren seine frühen Resultate<br />

gut. Ist das der richtige Formaufbau<br />

für den Giro? Oder will er auch<br />

im Juli in Topform sein?<br />

konkurrenzfähig zu sein und den Giro gewinnen<br />

zu können, wäre es nicht möglich, zu gewinnen,<br />

auszuruhen, sich zu erholen und dann rechtzeitig<br />

zur Tour wieder in Topform zu kommen. Um für<br />

beide Rennen auf gleichem Niveau zu sein, müsste<br />

der Fahrer dieses Niveau niedriger<br />

ansetzen.<br />

Doch die Dinge könnten sich<br />

ändern. Froome fährt seit seinem<br />

Durchbruch 2011 in den meisten<br />

Jahren bei zwei großen Rundfahrten<br />

um den Sieg mit. Er hat in den<br />

letzten drei Jahren bei zweien auf<br />

dem Podium gestanden – sein bevorzugtes<br />

Programm war immer,<br />

bei der Tour alles aus sich herauszuholen<br />

und dann zu sehen, ob er<br />

die Vuelta gewinnen kann, und er<br />

hat ein paar Anläufe gebraucht, bis<br />

er es 2017 schließlich schaffte.<br />

2018 setzte er sich noch höhere<br />

Ziele. Die Tour startete eine Woche<br />

später als üblich, sodass die Fahrer<br />

zusätzliche Zeit hatten, mit der<br />

sie arbeiten konnten, und sowohl<br />

Froome als auch Dumoulin bekamen es sehr sauber<br />

hin, erst den Giro und dann die Tour anzupeilen:<br />

Froome gewann den Giro und wurde Dritter<br />

der Tour; Dumoulin war Zweiter bei beiden.<br />

Obwohl diese beiden die Schlagzeilen beherrschten,<br />

waren sie nicht die Einzigen, die im<br />

letzten Jahr bei zwei großen Rundfahrten auf Gesamtwertung<br />

fuhren. Tatsächlich haben zum ersten<br />

Mal seit 2008 fünf verschiedene Fahrer die<br />

Top Ten zweier großer Rundfahrten im Kalenderjahr<br />

erreicht. Miguel Ángel López war Dritter bei<br />

Giro und Vuelta, Steven Kruijswijk Fünfter in<br />

18<br />

Grand-Tour-<br />

Doubles in der<br />

Historie<br />

10<br />

Fahrer mit einem<br />

GT-Double<br />

Frankreich und Vierter in Spanien, während Nairo<br />

Quintana Zehnter bei der Tour und Achter bei der<br />

Vuelta wurde. Simon Yates war nicht weit von einem<br />

Grand-Tour-Double entfernt – er trug das<br />

Rosa Trikot bis zum drittletzten Tag des Giro und<br />

gewann dann die Vuelta.<br />

EF-Education-First-Manager<br />

Jonathan Vaughters sagt, den Giro<br />

und die Tour zu fahren, sei nur<br />

dann wirklich hart, wenn man<br />

beides zu gewinnen versuche.<br />

„Zwei große Rundfahrten zu bestreiten,<br />

ist kein Problem. Aber<br />

wenn man versucht, konkurrenzfähig<br />

zu sein, dann wird es knifflig“,<br />

teilt er <strong>Procycling</strong> mit. „Nur<br />

wenn du dieses allerhöchste Niveau<br />

brauchst, dieses letzte eine<br />

Prozent in den Schlüsselmomenten<br />

wie fünf Minuten in Alpe<br />

d’Huez. Man kann zwei große<br />

Rundfahrten als Helfer bestreiten,<br />

vielleicht sogar drei, aber wenn du<br />

diesen Knockout-Punch brauchst,<br />

ist es schwer.“<br />

Er fügt hinzu: „Damals, als es unpopulär war,<br />

zwei große Rundfahrten zu absolvieren, waren<br />

wir zwei Jahre – 2008 und 2009 – mit Christian<br />

Vande Velde in einem und Bradley Wiggins im<br />

nächsten Jahr sowohl beim Giro als auch bei der<br />

Tour. Aber sie sind den halben Giro im Gruppetto<br />

gefahren. Es war eigentlich sehr effektiv – sie sind<br />

beide eine hervorragende Tour gefahren. Wir fuhren<br />

zum Giro, gingen auf Etappenjagd und peilten<br />

das Mannschaftszeitfahren an, nicht die Gesamtwertung.<br />

Dann machten wir Höhentraining. Es<br />

war eine sehr effiziente Formel.“<br />

Heute ist ein solcher Weg weniger leicht zu<br />

rechtfertigen, erklärt Vaughters, da der Druck der<br />

Sponsoren es nicht zulässt, ein Rennen zum Training<br />

zu nutzen, aber trotzdem bestreiten viele<br />

Fahrer mehrere große Rundfahrten. Die meisten<br />

WorldTour-Teams schicken Fahrer aufgrund von<br />

bewusster Planung, Notwendigkeit oder Umständen<br />

zu mehr als einem.<br />

Obwohl die letztjährige Umstellung auf achtköpfige<br />

Mannschaften bei den dreiwöchigen Rennen<br />

die Zahlen etwas geändert hat, weist die Art,<br />

wie die Teams ihre Saison strukturieren, ein<br />

Muster auf: Es gibt bei den WorldTour-Teams<br />

weniger Überlappung zwischen den Giro- und<br />

Tour-Mannschaften als für andere Kombinationen.<br />

2018 sind nur zwölf Fahrer, darunter<br />

Froome und Dumoulin, beide Rennen gefahren.<br />

Sie gehören zu den beiden größten Zielen der Saison<br />

und die Ressourcen müssen entsprechend<br />

verteilt werden – es ist sinnvoll, ein „Tour-Aufgebot“<br />

und ein „Giro-Aufgebot“ innerhalb des<br />

Indurain im Jahr 1992 auf dem Weg zu<br />

seinem ersten von zwei Giro-Tour-Doubles.<br />

© Offside Sports Photography<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 39


DAS GROSSE INTERVIEW<br />

Dumoulin und Froome auf dem Podium beim<br />

Giro d’Italia 2018.<br />

Teams zu haben, und das Komplizierte daran ist,<br />

den Kalender so zu gestalten, dass man auch noch<br />

eine gute Fraktion für die Klassiker hat.<br />

Die Tour-Vuelta-Kombination ist häufiger als<br />

Giro und Tour. 2018 gingen 32 Fahrer oder fast<br />

20 Prozent des Feldes nach Spanien, nachdem<br />

sie in Frankreich waren. In einigen Fällen war<br />

Spanien eine „zweite Chance“ – Rigoberto Urán<br />

war Tour-Kapitän von EF-Drapac, stieg aber verletzt<br />

aus, daher bot ihm die Vuelta eine weitere<br />

Chance. Diese Kombination von Rennen zeigt<br />

auch die Prioritäten verschiedener Rennställe –<br />

Movistar, für die die Vuelta ihr Heimatrennen und<br />

fast so wichtig wie die Tour ist, war mit fünf Fahrern<br />

bei beiden Rennen vertreten, darunter die<br />

Kapitäne Quintana und Alejandro Valverde.<br />

Das logischste Grand-Tour-Double sind der Giro<br />

und die Vuelta – obwohl dies die Fahrer zwingt,<br />

das größte Rennen des Jahres auszulassen, ist genug<br />

Zeit, für beide Rennen die Form aufzubauen.<br />

42 Fahrer nahmen 2018 an beiden teil.<br />

Die meisten Teams arbeiten daher mit einigen<br />

Überlappungen bei den Rennen. Die große Mehr ­<br />

heit der WorldTour-Rennställe setzte in der letzten<br />

Saison 18 bis 20 Fahrer für die drei großen<br />

Rundfahrten ein, obwohl es einige Ausreißer gab<br />

– Astana arbeitete mit insgesamt nur 16 Fahrern,<br />

während am anderen Ende der Skala Groupama-FDJ,<br />

Quick-Step Floors und Trek-Segafredo<br />

ihre Ressourcen großzügiger verteilten und<br />

21 Fahrer einsetzten.<br />

EF hatte zwei separate achtköpfige Aufgebote<br />

bei Giro und Tour im letzten Jahr, aber ihre Vuelta-Truppe<br />

umfasste sechs Mann, die die eine oder<br />

andere der vorausgegangenen Landesrundfahrten<br />

bestritten hatten, darunter Urán. Die Grundregel<br />

scheint zu sein, Ziele bei Giro und Tour mit zwei<br />

weitgehend separaten Mannschaften zu erreichen,<br />

um dann das Vuelta-Aufgebot zu improvisieren,<br />

und all das macht es sehr kompliziert,<br />

mehr als eine Rundfahrt zu gewinnen. Dumoulin<br />

ist zwar einer der großen Favoriten für den Giro,<br />

aber die Erfahrung legt nahe, dass es bei der Tour<br />

für einen Sieg erneut nicht reichen wird.<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

4.<br />

Eintagesrennen GC Etappen<br />

1.<br />

Etappe, Critérium<br />

International 2014<br />

Niederländische Zeitfahr-<br />

Meisterschaft 2014, 2016,<br />

2017<br />

Etappe, Eneco Tour 2014<br />

Etappe, Tour of Alberta<br />

2014<br />

Etappe, Vuelta al País<br />

Vasco 2015<br />

Etappe, Tour de Suisse<br />

2015 (2)<br />

Etappe, Vuelta a España<br />

2015 (2)<br />

Etappe, Giro d’Italia 2016,<br />

2017 (2), 2018<br />

Etappe, Tour de France<br />

2016 (2), 2018<br />

Giro d’Italia 2017<br />

BinckBank Tour 2017<br />

WM-Zeitfahren 2017<br />

2.<br />

Etappe, Belgien-Rundfahrt<br />

2013, 2014<br />

Niederländische Straßen-<br />

GRAND TOUR TOP 10 DOUBLE<br />

TOM DUMOULIN<br />

meisterschaft 2013<br />

Etappe, Eneco Tour 2013,<br />

2014, 2017<br />

Eneco Tour 2013<br />

Etappe, Ruta del Sol 2014<br />

Belgien-Rundfahrt 2014<br />

Etappe, Tour de Suisse<br />

2014 (2)<br />

Etappe, Tour de France<br />

2014, 2016, 2018 (2)<br />

Tour of Alberta 2014<br />

GP de Québec 2014<br />

Etappe, Vuelta a España<br />

2015<br />

Etappe, Paris–Nizza 2016<br />

Etappe, Tour de<br />

Romandie 2016 (2)<br />

Etappe, Giro d’Italia 2016,<br />

2017, 2018<br />

Olympia-Zeitfahren 2016<br />

Etappe, Tirreno–Adriatico<br />

2017<br />

Giro d’Italia 2018<br />

Tour de France 2018<br />

WM-Zeitfahren 2018<br />

Etappe, UAE Tour 2019<br />

JAHR FAHRER GIRO TOUR VUELTA<br />

2012 J. Rodríguez 2. - 3.<br />

C. Froome - 2. 4.<br />

2013 V. Nibali 1. - 2.<br />

J. Rodríguez - 3. 4.<br />

A. Valverde - 8. 3.<br />

D. Pozzovivo 9. - 6.<br />

2014 A. Valverde - 4. 3.<br />

F. Aru 3. - 5.<br />

2015 F. Aru 2. - 1.<br />

N. Quintana - 2. 4.<br />

A. Valverde - 3. 7.<br />

2016 C. Froome - 1. 2.<br />

N. Quintana - 3. 1.<br />

E. Chaves 2. - 3.<br />

2017 C. Froome - 1. 1.<br />

V. Nibali 3. - 2.<br />

I. Zakarin 5. - 3.<br />

A. Contador - 9. 5.<br />

2018 C. Froome 1. 3. -<br />

T. Dumoulin 2. 2. -<br />

M. Ángel López 3. - 3.<br />

S. Kruijswijk - 5. 4.<br />

N. Quintana - 10. 8.<br />

5.<br />

KARRIERE-ERGEBNISSE<br />

3.<br />

Niederländische Zeitfahr-<br />

Meisterschaft 2013<br />

Eneco Tour 2014<br />

WM-Zeitfahren 2014<br />

Etappe, Tour Down Under<br />

2015<br />

Tour de Suisse 2015<br />

Etappe, Vuelta a España<br />

2015<br />

Etappe, Tour of Britain<br />

2016 (2)<br />

Tour of Britain 2016<br />

Etappe, Abu Dhabi Tour<br />

2017<br />

Abu Dhabi Tour 2017<br />

Etappe, Giro d’Italia 2017,<br />

2018 (2)<br />

Etappe, BinckBank Tour<br />

2017 (2)<br />

Etappe, Deutschland Tour<br />

2018<br />

4.<br />

Etappe, Eneco Tour 2013,<br />

2014, 2016<br />

Etappe, Tour de France<br />

2014 (2), 2015<br />

Etappe, Tour Down Under<br />

2015<br />

Tour Down Under 2015<br />

Niederländische Zeitfahr-<br />

Meisterschaft 2015<br />

Etappe, Tour of Oman<br />

2016<br />

Fausto Coppi 1949<br />

Fausto Coppi 1952<br />

Jacques Anquetil 1964<br />

Eddy Merckx 1970<br />

Eddy Merckx 1972<br />

Eddy Merckx 1973<br />

Eddy Merckx 1974<br />

Giovanni Battaglin 1981<br />

Bernard Hinault 1982<br />

Bernard Hinault 1985<br />

Stephen Roche 1987<br />

Miguel Indurain 1992<br />

Miguel Indurain 1993<br />

Marco Pantani 1998<br />

Alberto Contador 2008<br />

Tour of Oman 2016<br />

Etappe, Giro d’Italia 2016<br />

Clásica San Sebastián<br />

2017<br />

Deutschland Tour 2018<br />

WM-Straßenrennen 2018<br />

Etappe, Tirreno–Adriatico<br />

2019<br />

Tirreno–Adriatico 2019<br />

5.<br />

Etappe, Tour de l’Ain 2011<br />

Rund um Köln 2012<br />

Etappe, Tour of California<br />

2012<br />

Tour de Luxembourg<br />

2012<br />

Belgien-Rundfahrt 2013<br />

Etappe, Tirreno–Adriatico<br />

2014<br />

Tour de Suisse 2014, 2015,<br />

2017<br />

Etappe, Tour Down Under<br />

2015<br />

WM-Zeitfahren 2015<br />

Etappe, Tour of Oman<br />

2016<br />

Tour de Romandie 2016<br />

Strade Bianche 2017<br />

Etappe, Giro d’Italia 2018<br />

(2)<br />

Etappe, Tour de France<br />

2018<br />

GRAND TOUR<br />

DOUBLE-SIEGER<br />

Fausto Coppi 1949<br />

Fausto Coppi 1952<br />

Jacques Anquetil 1963<br />

Jacques Anquetil 1964<br />

Eddy Merckx 1970<br />

Eddy Merckx 1972<br />

Eddy MerckX 1974<br />

Bernard Hinault 1978<br />

Bernard Hinault 1982<br />

Bernard Hinault 1985<br />

Stephen Roche 1987<br />

Miguel Indurain 1992<br />

Miguel Indurain 1993<br />

Marco Pantani 1998<br />

Chris Froome 2017<br />

Jacques Anquetil 1963<br />

Eddy Merckx 1973<br />

Bernard Hinault 1978<br />

Giovanni Battaglin 1981<br />

Alberto Contador 2008<br />

Chris Froome 2017<br />

40 PROCYCLING | JUNI 2019


LEICHTIGKEIT<br />

GIBT KRAFT.<br />

Mit einem Gehalt von nur 14 Milligramm<br />

Mineralsalzen pro Liter gilt<br />

LAURETANA als weichstes und leichtestes<br />

Wasser unseres Kontinents. Die<br />

artesische Quelle wird im nördlichen<br />

Piemont frei-fließend und gänzlich<br />

unbehandelt abgefüllt. Gesundheitsexperten<br />

und Spitzensportler schätzen die<br />

hohe Bekömmlichkeiten, den leichten<br />

Geschmack und die einzigartige Wirkung<br />

des „Leichtesten Wasser Europas“.<br />

TILL SCHRAMM,<br />

Triathlon-Profi,<br />

schwört auf LAURETANA –<br />

„Das leichteste Wasser Europas“.<br />

LAURETANA: „Als Triathlon-Profi trinkst du täglich mehrere Liter Wasser.<br />

Warum hast du dich für LAURETANA entschieden?“<br />

Till Schramm: „LAURETANA ist aufgrund seiner extrem geringen Mineralsierung in der Lage, die<br />

hochwertigen Nährstoffe, die ich mir als Profisportler zuführe, bestmöglich in alle Körperzellen zu<br />

transportieren. Diese optimale Nährstoffverwertung entfesselt in meinem Körper reine Energie!“<br />

www.lauretana.de


© David Ramos/Getty Images<br />

42 PROCYCLING | JUNI 2019


DER<br />

KNOTEN IST<br />

GEPLATZT<br />

Gelbes Trikot bei der Baskenlandrundfahrt, Dritter bei<br />

Lüttich–Bastogne–Lüttich sowie regelmäßiger Etappensieger.<br />

2019 ist Maximilian Schachmann endgültig in der<br />

Weltspitze angekommen. Ein Blick auf die bisherige<br />

Karriere des 25-jährigen Berliners – und auf das,<br />

was noch kommen kann.<br />

Text Werner Müller-Schell<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 43


MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />

© Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />

Kälte. Nässe. Wind. Das alles scheint Maximilian<br />

Schachmann nichts auszumachen,<br />

als 40 Kilometer vor dem Ziel das<br />

schwere Finale von Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

eingeläutet wird. Côte de La Redoute, Côte des<br />

Forges und Côte de la Roche-aux-Faucons heißen<br />

die drei finalen Anstiege des extrem schweren<br />

Klassikers, dessen Peloton sich aufgrund der widrigen<br />

Witterungsbedingungen schon lange vorher<br />

in kleinste Gruppen aufgesplittet hat. Auf den<br />

schmalen, vom Regen nassen Straßen der belgischen<br />

Ardennen gehen immer wieder Attacken<br />

und dünnen das Feld weiter aus – trotzdem hält<br />

sich der 25-Jährige, dick eingehüllt in seine<br />

schwarze Regenjacke mit dem Logo von Bora–<br />

hansgrohe auf dem Rücken, konstant in der Gruppe<br />

der Sieganwärter.<br />

Auch als der Däne Jakob Fuglsang 15 Kilometer<br />

vor dem Ziel für die entscheidende Selektion sorgt,<br />

ist Schachmann mit von der Partie. Zwar kann er<br />

Fuglsang und auch Davide Formolo, seinem italienischen<br />

Bora-Teamkollegen, im Finale nicht folgen,<br />

doch als es wenig später auf die Zielgerade im<br />

Zentrum von Lüttich geht, ist der Berliner noch<br />

immer Teil der nur noch siebenköpfigen Verfolgergruppe.<br />

Sprinten, das kann er, weiß Schachmann.<br />

Am Ende einer strapaziösen Klassikersaison und<br />

nach 260 Kilometern in der nassen Aprilkälte ist<br />

das jedoch leichter gesagt als getan. Noch einmal<br />

holt er alles aus sich heraus, reißt am Unterlenker,<br />

hämmert in die Pedale – und gewinnt den Sprint<br />

der Verfolger um Platz drei.<br />

Eine Podiumsplatzierung bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

– es ist das bisherige Meisterstück in<br />

der noch kurzen Profikarriere des Maximilian<br />

Schachmann. Und ein Meisterstück, das mit Jens<br />

Voigt (2005), Dietrich Thurau (1977, 1978 und<br />

1979), Rolf Wolfshohl (1962) und Hermann Buse<br />

(1930) erst vier anderen Deutschen gelungen ist.<br />

„Es war ein unglaublich hartes Rennen. Der Körper<br />

sagt irgendwann, man solle zu treten aufhören.<br />

Aber man muss dann einfach weitertreten.<br />

Jetzt bin ich einfach überglücklich“, lässt der<br />

25-Jährige im Ziel seinen Emotionen freien Lauf.<br />

Wie schwer das Rennen wirklich gewesen ist, erfahren<br />

die meisten Fans erst jetzt: Während weiterer<br />

Teile der sechseinhalb Stunden habe er Probleme<br />

mit den Händen gehabt. „Wegen der Kälte<br />

habe ich teilweise das Gefühl verloren. Einmal bin<br />

ich deshalb fast gestürzt. Daher habe ich kurz angehalten<br />

und neue Handschuhe angezogen. Als<br />

ich dann wieder weitergefahren bin, herrschte<br />

plötzlich eine Windkante und ich saß hinten im<br />

Feld fest – da dachte ich schon, alles wäre gelaufen.<br />

Aber es kam anders“, grinst er über sein bisher<br />

bedeutungsvollstes Resultat als Radprofi.<br />

2019 fährt Schachmann seine<br />

bisher beste Saison. Mit fünf Saisonsiegen<br />

ist er derzeit im UCI World<br />

Ranking zweitbester deutscher<br />

Fahrer hinter seinem Bora-Teamkollegen<br />

Pascal Ackermann.<br />

Dass Schachmann zu Großem fähig ist, hat sich<br />

dabei schon in den Wochen vor Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

angedeutet. Nachdem er im Winter<br />

von der belgischen Mannschaft Quick-Step Floors<br />

zur deutschen Equipe Bora–hansgrohe gewechselt<br />

ist, fährt er seit Saisonbeginn wie entfesselt:<br />

Im März gewinnt er den italienischen Halbklassiker<br />

GP Industria e Artigianato-Larciano und eine<br />

Etappe bei der Katalonien-Rundfahrt. Bei der<br />

Baskenland-Rundfahrt Anfang April holt er insgesamt<br />

drei Etappensiege, gewinnt die Punktewertung<br />

und fährt lange im Gelben Trikot des<br />

Gesamtführenden. Und bei den anspruchsvollen<br />

Frühjahrsklassikern Amstel Gold Race und Flèche<br />

Wallonne, in ihrem Profil Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

nicht unähnlich, wird er jeweils Fünfter.<br />

Schachmann, das steht nach dieser beeindruckenden<br />

Serie an Topresultaten fest, ist in der<br />

Weltspitze angekommen.<br />

44 PROCYCLING | JUNI 2019


MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />

EIN FAHRER, DER MITDENKT<br />

In Anbetracht solcher Ergebnisse ist es kaum zu<br />

glauben, dass Schachmann erst seit zweieinhalb<br />

Jahren Radprofi ist. Und doch sind seine derzeitigen<br />

Resultate die konsequent logische Weiterentwicklung<br />

dessen, was er schon in den Nachwuchsklassen<br />

immer wieder angedeutet hat:<br />

2012 wird er Dritter bei der Junioren-Weltmeisterschaft<br />

im Straßenrennen, 2015 holt er Bronze<br />

bei der Zeitfahr-Europameisterschaft und Silber<br />

bei der Zeitfahr-Weltmeisterschaft der U23.<br />

Letzteres schafft er bei der U23-WM ein Jahr<br />

später erneut. „Ich habe mich seit meiner Juniorenzeit<br />

jedes Jahr ein Stück verbessert. Zu Beginn<br />

„ICH DENKE, DASS DER KOPF<br />

EIN WICHTIGER SCHLÜSSEL<br />

ZUM ERFOLG IST. ICH<br />

KOMMUNIZIERE OFT MIT<br />

DEN TRAINERN – NUR SO<br />

KOMME ICH WEITER.“<br />

fehlte mir in der U23 noch das taktische Gespür<br />

im Rennen – aber auch hier habe ich viel gelernt“,<br />

blickt er zurück.<br />

Genau jenes Lernen ist eine entscheidende<br />

Qualität, die Maximilian Schachmann – neben<br />

einer gehörigen Portion Talent – auszeichnet. Es<br />

gibt Fahrer, die legen ihr Schicksal in fremde Hände,<br />

und es gibt die, die ihre Karriere mit Köpfchen,<br />

Plan und harter Arbeit selbst vorantreiben. Maximilian<br />

Schachmann gehört klar zu letzterer Fraktion.<br />

Als seine Laufbahn etwa zu Beginn seiner<br />

U23-Zeit trotz kontinuierlichen Trainings und<br />

achtbarer Erfolge einen Knick erhält, analysiert<br />

er die Ursachen genau. „Es gab vorgegebene Trainingspläne,<br />

die für meinen Körper allerdings nicht<br />

das Optimum darstellten – das habe ich recht<br />

schnell gemerkt. Das Training war damals klar<br />

auf Zeitfahren ausgelegt. Nach meiner eigenen<br />

Umstellung konnte ich aber auch bei Straßenrennen<br />

gut fahren“, erklärt er und fügt hinzu: „Ich<br />

muss ehrlich zugeben, dass ich nicht verstehe,<br />

dass ich als Fahrer meine Karriere von irgendeiner<br />

Person abhängig machen soll, die irgendetwas<br />

aufschreibt. Wenn ich merke, dass mir etwas anderes<br />

besser bekommt, ist es noch sinnvoller, anders<br />

zu trainieren, oder?“ Ein Prinzip, nach dem<br />

er auch heute noch verfährt: „Ich denke schon,<br />

dass der Kopf für mich ein wichtiger Schlüssel<br />

zum Erfolg ist. Ich bin immer offen für alles und<br />

kommuniziere oft mit den Sportlichen Leitern<br />

und Trainern – nur so komme ich weiter.“<br />

Schachmann ist ein Fahrer mit einem eigenen<br />

Kopf – und er hat genaue Vorstellungen von seinem<br />

Weg. Es kommt daher nicht von ungefähr,<br />

dass er seinen ersten Profivertrag für die Saison<br />

2017 bei Quick-Step Floors unterschreibt. Die<br />

ersten Ausrufezeichen lassen auch hier nicht lange<br />

auf sich warten: Bereits Anfang März überzeugt<br />

er mit einem zehnten Platz beim belgischen<br />

Halbklassiker Le Samyn. Im April wird er Vierter<br />

beim Auftaktzeitfahren der Tour de Romandie<br />

und fährt einige Tage im Weißen Trikot des besten<br />

Nachwuchsfahrers. Und im Juni wird er Vierter<br />

der niederländischen Ster ZLM Tour.<br />

Bei Bora–hansgrohe hat Schachmann<br />

seine sportliche Heimat gefunden. Das<br />

bayerische Team um Manager Ralph<br />

Denk ermöglicht ihm genügend Spielraum<br />

zur Weiterentwicklung.<br />

© Bora–hansgrohe/VeloImages<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 45


MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />

„MEIN BIKEHANDLING<br />

IST BESSER GEWORDEN,<br />

ICH HABE MEHR<br />

ERFAHRUNG UND ICH<br />

KANN AUF DIE<br />

ANALYSEN MEINER<br />

BISHERIGEN RENNEN<br />

AUFBAUEN.“<br />

MAXIMILIAN<br />

SCHACHMANN<br />

2012<br />

Bronze Straßen-WM U19<br />

2015<br />

Bronze Zeitfahr-EM U23<br />

Silber Zeitfahr-WM U23<br />

© Bora–hansgrohe/VeloImages, Bora–hansgrohe/BettiniPhoto (groß)<br />

2016<br />

Deutscher Meister Zeitfahren U23<br />

Etappensieger Giro della Valle d’Aosta<br />

Gesamtsieger Tour Alsace<br />

Silber Zeitfahr-WM U23<br />

2018<br />

Etappensieger Katalonien-Rundfahrt<br />

Etappensieger Giro d’Italia<br />

Bronze Zeitfahr-EM<br />

Etappensieger Deutschland Tour<br />

3. Gesamtwertung Deutschland Tour<br />

Weltmeister Mannschaftszeitfahren<br />

2019<br />

Sieger GP Industria & Artigianato<br />

Etappensieger Katalonien-Rundfahrt<br />

3 x Etappensieger Baskenland-Rundfahrt<br />

3. Platz Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

Im Sommer 2017 muss er allerdings erstmals in<br />

seiner Karriere einen größeren Rückschlag hinnehmen:<br />

Auf der fünften Etappe der Polen-Rundfahrt<br />

im August stürzt er schwer und bricht sich<br />

die rechte Ferse. Die Verletzung kostet den Berliner<br />

den kompletten Herbst. Doch er kämpft sich<br />

über den Winter zurück: Bereits bei der Algarve-<br />

Rundfahrt im Februar 2018 überzeugt er wieder<br />

mit Topresultaten. Und als er in den darauffolgen-<br />

den Wochen eine Etappe bei der Katalonien-<br />

Rundfahrt gewinnt und Achter beim schweren<br />

Flèche Wallonne wird, lässt er einmal mehr sein<br />

Talent aufblitzen. Seinen bis dato größten Erfolg<br />

fährt er allerdings auf der 18. Etappe des Giro<br />

d’Italia ein: Nachdem er lange zur Fluchtgruppe<br />

des Tages gehört, erhöht er am Schlussanstieg<br />

nach Prato Nevoso das Tempo – und fährt<br />

schließlich zu einem ungefährdeten Solosieg.<br />

46 PROCYCLING | JUNI 2019


MAXIMILIAN SCHACHMANN<br />

EIN FAHRER FÜR JEDES TERRAIN<br />

Seine tolle Form untermauert er im Sommer<br />

mit einem dritten Platz bei den Europameisterschaften<br />

im Zeitfahren und einem überzeugenden<br />

Auftritt bei der Deutschland Tour: Bei der<br />

Wiedergeburt des Rennens ist er einer der dominierenden<br />

Fahrer, gewinnt eine Etappe und wird<br />

Gesamt-Dritter. Das UCI World Ranking 2018<br />

Schlusssprint der dritten Etappe<br />

der Baskenland-Rundfahrt. Schachmann<br />

setzt sich souverän durch und<br />

verteidigte mit dem Etappensieg<br />

sein gelbes Führungstrikot.<br />

beendet Schachmann, wohlgemerkt in seinem<br />

zweiten Profijahr, als drittbester deutscher Fahrer<br />

– es sind Leistungen, die Begehrlichkeiten bei anderen<br />

Teams wecken. Am Ende sichert sich das<br />

deutsche Team Bora–hansgrohe die Dienste des<br />

Youngsters: „Über das große Potenzial von Maximilian<br />

muss man nicht viele Worte verlieren, das<br />

hat er in diesem Jahr schon eindrucksvoll unter<br />

Beweis gestellt. Maximilian wird bei uns die Gelegenheit<br />

bekommen, sich langsam zu entwickeln.<br />

Er hat großes Potenzial auf allen Terrains,<br />

das muss behutsam aufgebaut werden“, sagt dessen<br />

Teammanager Ralph Denk bei der Vertragsunterzeichnung.<br />

Denk meint das wörtlich: Um Schachmann<br />

nach der harten Saison 2018 mehr Zeit zur Regeneration<br />

und zudem Ruhe für eine Folge-Operation<br />

seiner Verletzung von der Polen-Rundfahrt<br />

2017 zu geben, beginnt das Training unter dem<br />

neuen Trainer Dan Lorang erst Mitte Dezember.<br />

Trotzdem ist Schachmann bereits im März bei der<br />

UAE-Tour wieder in Topform. Fast mühelos hält<br />

er dort am Berg das Tempo von Fahrern wie Alejandro<br />

Valverde und Michał Kwiatkowski, kurze<br />

Zeit später gewinnt er wie im Vorjahr eine Etappe<br />

bei der Katalonien-Rundfahrt. Es folgt der starke<br />

April, in dem Schachmann mit seinen jüngsten<br />

Auftritten bei der Baskenland-Rundfahrt und den<br />

Ardennenklassikern den endgültigen Durchbruch<br />

schafft. Wie er sich diese erneute Leistungssteigerung<br />

selbst erklärt, wollen wir wissen: „Ich<br />

glaube, dass diese Saison eine konsequente Weiterentwicklung<br />

der letzten Jahre ist. Und damit<br />

meine ich nicht nur meine Form: Mein Bikehandling<br />

ist besser geworden, ich habe mehr Erfahrung<br />

und ich kann auf die Analysen meiner bisherigen<br />

Rennen aufbauen“, so Schachmann.<br />

Auch in diesen Tagen beweist der Bora-Profi<br />

also, dass genau jenes analytische Denken eine<br />

seiner stärksten Qualitäten ist. „Die Erwartungshaltung<br />

ist jetzt natürlich viel höher. Es wird sich<br />

daher zeigen, ob ich noch Luft nach oben habe.<br />

Mittlerweile bin ich in einer Gruppe von Fahrern<br />

angekommen, wo die Tagesform und das Quäntchen<br />

Glück zählen“, erzählt er mit der nötigen<br />

Distanz. Der Stolz auf das Geleistete ist Schachmann<br />

freilich trotzdem anzumerken. So freue er<br />

sich, dass ihn mittlerweile auch Fahrer wie Vincenzo<br />

Nibali oder Alejandro Valverde vor dem<br />

Rennen ansprechen, wie er lachend anmerkt.<br />

Denn zu ihren Reihen dazuzugehören – das<br />

ist das langfristige Ziel des Maximilian Schachmann,<br />

der trotz seiner erst zweieinhalbjährigen<br />

Profikarriere bereits einen prestigeträchtigen Palmarès<br />

vorzuweisen hat. Dabei kann er sich sogar<br />

den Luxus erlauben, sich noch nicht festlegen zu<br />

wollen, auf welches Terrain er sich langfristig spezialisieren<br />

will. Selbst die großen Landesrundfahrten<br />

seien ein Thema, das er noch nicht zu<br />

100 Prozent ausschließen wolle, wie er meint:<br />

„Im Moment liegt mir tatsächlich fast alles ganz<br />

gut. Ich komme gut mit den Klassikern zurecht,<br />

kann Zeitfahren und auch bei Sprints aus Gruppen<br />

kann ich mich zeigen. Und selbst lange Berge<br />

sind ja eigentlich nur eine Rechnung aus mehr<br />

Watt und weniger Kilo“, überlegt er. Schachmann<br />

ist jemand, der realistisch denkt – gerade deshalb<br />

ist es keine Abwegigkeit, dass er in Zukunft einen<br />

weiteren Leistungssprung schafft. Denn eines ist<br />

sicher: Wer sich in seiner dritten Profisaison bereits<br />

mit den Besten bei einem Rennen wie Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

messen kann – und das<br />

bei widrigsten Witterungsbedingungen –, der hat<br />

eine große Zukunft vor sich.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 47


PRÄSENTIERT<br />

DAS EINZIGE OFFIZIELLE<br />

PROGRAMM ZUR<br />

TOUR DE FRANCE<br />

OFFIZIELLES PROGRAMM<br />

TOUR DE FRANCE 2019<br />

DIE ETAPPEN<br />

Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />

Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />

DIE TEAMS<br />

Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />

ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />

DIE FAVORITEN<br />

Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />

welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />

Von den Machern von<br />

€ 7,95<br />

A-€ 8,50<br />

CHF 12,80<br />

Lux-€ 8,50<br />

It-€ 8,50<br />

70% K<br />

90% K<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

EDELHELFER & ETAPPENJÄGER<br />

DIE PERSPEKTIVEN VON GREIPEL,<br />

MARTIN, DEGENKOLB & CO.<br />

196<br />

Seiten<br />

zum größten<br />

Radrennen<br />

der Welt<br />

JETZT PORTOFREI VORBESTELLEN* UNTER<br />

WWW. PROCYCLING.DE<br />

** SOLANGE DER VORRAT REICHT // VERSAND AB 27. MAI ODER AB 31. MAI AM KIOSK


Adriaenssens Jan<br />

(BEL, 1956, 1960)<br />

Barteau Vincent<br />

(FRA, 1984)<br />

Bontempi Guido<br />

(ITA, 1988)<br />

Cazala Robert<br />

(FRA, 1959)<br />

Dessel Cyril<br />

(FRA, 2006)<br />

266<br />

Fignon Laurent<br />

(FRA, 1983, 1984, 1989)<br />

Géminiani Raphaël<br />

(FRA, 1958)<br />

Hamerlinck Alfred<br />

(BEL, 1931)<br />

Ke ly Sean<br />

(IRL, 1983)<br />

Le Calvez Léon<br />

(FRA, 1931)<br />

Mahé François<br />

(FRA, 1953)<br />

Mottiat Louis<br />

(BEL, 1920, 1921)<br />

Peeters Ludo<br />

(BEL, 1982, 1984)<br />

Rasmussen Michael<br />

(DAN, 2007)<br />

Schleck Fränk<br />

(LUX, 2008)<br />

Thaler Klaus-Peter<br />

(ALL, 1978)<br />

Van Looy Rik<br />

(BEL, 1965)<br />

Wagtmans Marinus<br />

(HOL, 1971)<br />

DE 1919 À 2018<br />

Aerts Jean<br />

(BEL, 1932)<br />

Bauer Steve<br />

(CAN, 1988, 1990)<br />

Bossis Jacques<br />

(FRA, 1978)<br />

Chavanel Sylvain<br />

(FRA, 2010)<br />

De Waele Maurice<br />

(BEL, 1929)<br />

Fontan Victor<br />

(FRA, 1929)<br />

Genêt Jean-Pierre<br />

(FRA, 1968)<br />

Hanegraaf Jacques<br />

(HOL, 1984)<br />

Kint Marcel<br />

(BEL, 1937)<br />

Le Drogo Ferdinand<br />

(FRA, 1927)<br />

Majérus Jean<br />

(LUX, 1937, 1938)<br />

Mottet Charly<br />

(FRA, 1987)<br />

Pélissier Charles<br />

(FRA, 1930, 1931)<br />

Rebry Gaston<br />

(BEL, 1929)<br />

Schroeders Willy<br />

(BEL, 1962)<br />

Thévenet Bernard<br />

(FRA, 1975, 1977)<br />

Van Neste Wi ly<br />

(BEL, 1967)<br />

Wagtmans Wout<br />

(HOL, 1954, 1955, 1956)<br />

Aimar Lucien<br />

(FRA, 1966)<br />

Bautz Erich<br />

(ALL, 1937)<br />

Bottecchia Ottavio<br />

(ITA, 1923, 1924, 1925)<br />

Chiappucci Claudio<br />

(ITA, 1990)<br />

Diederich Jean<br />

(LUX, 1951)<br />

Fontenay Jean<br />

(FRA, 1939)<br />

Gerdemann Linus<br />

(ALL, 2007)<br />

Hassenforder Roger<br />

(FRA, 1953)<br />

Kirchen Kim<br />

(LUX, 2008)<br />

Leducq André (FRA,<br />

1929, 1930, 1932, 1938)<br />

Malléjac Jean<br />

(FRA, 1953)<br />

Museeuw Johan<br />

(BEL, 1993, 1994)<br />

Pélissier Francis<br />

(FRA, 1927)<br />

Riis Bjarne<br />

(DAN, 1995, 1996)<br />

Scieur Léon<br />

(BEL, 1921)<br />

Thomas Geraint<br />

(GBR, 2017, 2018)<br />

Alavoine Jean<br />

(FRA, 1922)<br />

Bauvin Gilbert<br />

(FRA, 1951, 1954, 1958)<br />

Brambi la Pierre<br />

(ITA, 1947)<br />

Christophe Eugène<br />

(FRA, 1919, 1922)<br />

Di Paco Rafaele<br />

(ITA, 1931)<br />

Forestier Jean<br />

(FRA, 1957)<br />

Gerrans Simon<br />

(AUS, 2013)<br />

Heulot Stéphane<br />

(FRA, 1996)<br />

Kirsipuu Jaan<br />

(EST, 1999)<br />

Lemaire Georges<br />

(BEL, 1933)<br />

Altig Rudi<br />

(ALL, 1962, 64, 66, 69)<br />

Be lenger Romain<br />

(FRA, 1923)<br />

Breukink Erik<br />

(HOL, 1989)<br />

266<br />

DIE TRÄGER DES GELBEN TRIKOTS VON 1919 BIS 2018<br />

Van Slembrouck Gustaaf<br />

(BEL, 1926)<br />

Walkowiak Roger<br />

(FRA, 1956)<br />

Marie Thierry<br />

(FRA, 1986, 1990, 1991)<br />

Nazon Jean-Patrick<br />

(FRA, 2003)<br />

Pélissier Henri<br />

(FRA, 1923)<br />

Riotte Raymond<br />

(FRA, 1967)<br />

Sels Edward<br />

(BEL, 1964)<br />

Thurau Dietrich<br />

(ALL, 1977)<br />

Van Springel Herman<br />

(BEL, 1968, 1973)<br />

Wauters Marc<br />

(BEL, 2001)<br />

Cipo lini Mario<br />

(ITA, 1993, 1997)<br />

Dossche Aimé<br />

(BEL, 1929)<br />

Fournier Amédée<br />

(FRA, 1939)<br />

Gilbert Philippe<br />

(BEL, 2011)<br />

Heusghem Hector<br />

(BEL, 1922)<br />

Kittel Marcel<br />

(ALL, 2013, 2014)<br />

LeMond Greg<br />

(USA, 1986, 1989, 90, 91)<br />

Marine li Jacques<br />

(FRA, 1949)<br />

Nelissen Wilfried<br />

(BEL, 1993)<br />

Peña Victor-Hugo<br />

(COL, 2003)<br />

Robic Jean<br />

(FRA, 1947, 1953)<br />

Sercu Patrick<br />

(BEL, 1974)<br />

Thys Philippe<br />

(BEL, 1920)<br />

Van Steenbergen Rik<br />

(BEL, 1952)<br />

Wiggins Bradley<br />

(GBR, 2012)<br />

Andersen Kim<br />

(DAN, 1983, 1985)<br />

Benoît Adelin<br />

(BEL, 1925)<br />

Bruyère Joseph<br />

(BEL, 1974, 1978)<br />

Contador Alberto<br />

(ESP, 2007, 2009)<br />

Durand Jacky<br />

(FRA, 1995)<br />

Frantz Nicolas<br />

(LUX, 1927, 1928, 1929)<br />

Gimondi Felice<br />

(ITA, 1965)<br />

Hinault Bernard (FRA, 78,<br />

79, 80, 81, 82, 84, 1985, 86)<br />

Knetemann Gerrie<br />

(HOL, 1978, 1979, 80, 81)<br />

Letort Désiré<br />

(FRA, 1969)<br />

Martin Hector<br />

(BEL, 1927)<br />

Nencini Gastone<br />

(ITA, 1960)<br />

Pensec Ronan<br />

(FRA, 1990)<br />

Roche Stephen<br />

(IRL, 1987)<br />

Simon François<br />

(FRA, 2001)<br />

U lrich Jan<br />

(ALL, 1997, 1998)<br />

Van Vliet Teun<br />

(HOL, 1988)<br />

Wolfshohl Rolf<br />

(ALL, 1968)<br />

PORTEURS DU MAILLOT JAUNE<br />

Anderson Phil<br />

(AUS, 1981, 1982)<br />

Bernard Jean-François<br />

(FRA, 1987)<br />

Bruyneel Johan<br />

(BEL, 1995)<br />

Coppi Fausto<br />

(ITA, 1949, 1952)<br />

Dussault Marcel<br />

(FRA, 1949)<br />

Froome Christopher<br />

(GBR, 2013, 2015, 16, 17)<br />

Goldschmit Jean<br />

(LUX, 1950)<br />

Hoevenaars Jos<br />

(BEL, 1958, 1959)<br />

Koblet Hugo<br />

(SUI, 1951)<br />

Levêque Roger<br />

(FRA, 1951)<br />

Martin Tony<br />

(ALL, 2015)<br />

Nibali Vincenzo<br />

(ITA, 2014)<br />

Pereiro Oscar<br />

(ESP, 2006)<br />

Ro land Antonin<br />

(FRA, 1955)<br />

Simon Pascal<br />

(FRA, 1983)<br />

Valverde Alejandro<br />

(ESP, 2008)<br />

Vanze la Flavio<br />

(ITA, 1994)<br />

Yates Sean<br />

(GBR, 1994)<br />

1.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

8.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

15.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Anglade Henry<br />

(FRA, 1960)<br />

Bernaudeau Jean-René<br />

(FRA, 1979)<br />

Bu la Max<br />

(ALL, 1931)<br />

Darrigade André (FRA,<br />

1956, 57, 58, 59, 61, 62)<br />

Egli Paul<br />

(SUI, 1936)<br />

Gaigne Dominique<br />

(FRA, 1986)<br />

Gonzalez de Galdeano Igor<br />

(ESP, 2002)<br />

Honchar Sergueï<br />

(UKR, 2006)<br />

Kübler Ferdi<br />

(SUI, 1947, 1950)<br />

Lino Pascal<br />

(FRA, 1992)<br />

McEwen Robbie<br />

(AUS, 2004)<br />

Nijdam Jelle<br />

(HOL, 1987, 1988)<br />

Pevenage Rudy<br />

(BEL, 1980)<br />

Ronconi Aldo<br />

(ITA, 1947)<br />

Simpson Tom<br />

(GBR, 1962)<br />

Van Avermaet Greg<br />

(BEL, 2016, 2018)<br />

Vasseur Cédric<br />

(FRA, 1997)<br />

Zabel Erik<br />

(ALL, 1998, 2002)<br />

Samstag, 06. Juli 2019<br />

Brüssel > Brüssel<br />

192 km, flach<br />

Samstag, 13. Juli 2019<br />

Mâcon > Saint-Étienne<br />

199 km, hügelig<br />

Sonntag, 21. Juli 2019<br />

Limoux > Foix Prat d‘Albis<br />

Anquetil Jacques<br />

(FRA, 1957, 61, 62, 63, 64)<br />

Bertin Yvon<br />

(FRA, 1980)<br />

Buysse Jules<br />

(BEL, 1926)<br />

Da Silva Acacio<br />

(POR, 1989)<br />

E li Alberto<br />

(ITA, 2000)<br />

Ga lopin Tony<br />

(FRA, 2014)<br />

Gotti Ivan<br />

(ITA, 1995)<br />

Hushovd Thor<br />

(NOR, 2004, 2006, 2011)<br />

Kunde Karl-Heinz<br />

(ALL, 1966)<br />

Lubberding Henk<br />

(HOL, 1988)<br />

McGee Bradley<br />

(AUS, 2003)<br />

Nocentini Roberto<br />

(ITA, 2009)<br />

Piasecki Lech<br />

(POL, 1987)<br />

Rossi Giovanni<br />

(SUI, 1951)<br />

Sörensen Rolf<br />

(DAN, 1991)<br />

Van de Kerckhove Bernard<br />

(BEL, 1964, 1965)<br />

Vermeulin Michel<br />

(FRA, 1959)<br />

Zilioli Italo<br />

(ITA, 1970)<br />

185 km, Gebirge<br />

2.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

9.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

16.<br />

ETAPPE<br />

Archambaud Maurice<br />

(FRA, 1933, 1936)<br />

Bertogliati Rubens<br />

(SUI, 2002)<br />

Buysse Lucien<br />

(BEL, 1926)<br />

Delgado Pedro<br />

(ESP, 1987, 1988)<br />

E liott Seamus<br />

(IRL, 1963)<br />

Gaul Charly<br />

(LUX, 1958)<br />

Grosskost Charly<br />

(FRA, 1968)<br />

Impey Daryl<br />

(AFS, 2013)<br />

Lambot Firmin<br />

(BEL, 1919, 1922)<br />

Maes Romain<br />

(BEL, 1935, 1939)<br />

Merckx Eddy (BEL, 1969,<br />

1970, 1971, 1972, 1974, 75)<br />

Oberbeck Wi li<br />

(ALL, 1938)<br />

Pingeon Roger<br />

(FRA, 1967)<br />

Sagan Peter<br />

(SLQ, 2016, 2018)<br />

Speicher Georges<br />

(FRA, 1933, 1934)<br />

Vandenberghe Georges<br />

(BEL, 1968)<br />

Vervaecke Félicien<br />

(BEL, 1938)<br />

Zoetemelk Joop<br />

(HOL, 1971, 73, 78, 79, 80)<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Aru Fabio<br />

(ITA, 2017)<br />

Berzin Evgueni<br />

(RUS, 1996)<br />

Ca lens Norbert<br />

(BEL, 1949)<br />

Delisle Raymond<br />

(FRA, 1976)<br />

Engels Jan<br />

(BEL, 1948)<br />

Gauthier Bernard<br />

(FRA, 1950)<br />

Groussard Georges<br />

(FRA, 1964)<br />

Indurain Miguel (ESP,<br />

1991, 1992, 93, 94, 95)<br />

Lambrecht Roger<br />

(BEL, 1948, 1949)<br />

Maes Sylvère<br />

(BEL, 1936, 1937, 1939)<br />

Mersch Arsène<br />

(LUX, 1936)<br />

Ocaña Luis<br />

(ESP, 1971, 1973)<br />

Planckaert Josef<br />

(BEL, 1962)<br />

San Miguel Gregorio<br />

(ESP, 1968)<br />

Spruyt Joseph<br />

(BEL, 1967)<br />

Vanderaerden Éric<br />

(BEL, 1983, 1985)<br />

Vietto René<br />

(FRA, 1939, 1947)<br />

Zü le Alex<br />

(SUI, 1992, 1996)<br />

Freitag 19. Juli<br />

Sonntag, 07. Juli 2019<br />

Brüssel - Palais Royal > Atomium<br />

27 km, Zeitfahren<br />

Sonntag, 14. Juli 2019<br />

Saint-Étienne > Brioude<br />

170 km, hügelig<br />

Dienstag, 23. Juli 2019<br />

Nîmes > Nîmes<br />

177 km, flach<br />

in alphabetischer Reihenfolge<br />

PAR ORDRE ALPHABÉTIQUE<br />

Bahamontes Federico<br />

(ESP, 1959, 1963)<br />

Biagioni Serafino<br />

(ITA, 1951)<br />

Cance lara Fabian (SUI,<br />

2004, 07, 09, 10, 12, 15)<br />

Dennis Rohan<br />

(AUS, 2015)<br />

Errandonea José-Maria<br />

(ESP, 1967)<br />

Gauthier Jean-Louis<br />

(FRA, 1983)<br />

Groussard Joseph<br />

(FRA, 1960)<br />

Jacquinot Robert<br />

(FRA, 1922, 1923)<br />

Lapébie Roger<br />

(FRA, 1937)<br />

Maechler Erich<br />

(SUI, 1987)<br />

Mi lar David<br />

(GBR, 2000)<br />

O’Grady Stuart<br />

(AUS, 1998, 2001)<br />

Poblet Miguel<br />

(ESP, 1955)<br />

Sastre Carlos<br />

(ESP, 2008)<br />

Stevens Julien<br />

(BEL, 1969)<br />

Van der Poel Adri<br />

(HOL, 1984)<br />

Virenque Richard<br />

(FRA, 1992, 2003)<br />

Samstag 20. Juli<br />

3.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

10.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

17.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Bakelants Jan<br />

(BEL, 2013)<br />

Boardman Chris<br />

(GBR, 1994, 1997, 1998)<br />

Carrea Andrea<br />

(ITA, 1952)<br />

De Pra Tommaso<br />

(ITA, 1966)<br />

Evans Cadel<br />

(AUS, 2008, 2010, 2011)<br />

Gaviria Fernando<br />

(COL, 2018)<br />

Guerra Learco<br />

(ITA, 1930)<br />

Jalabert Laurent<br />

(FRA, 1995, 2000)<br />

Lauredi Ne lo<br />

(FRA, 1952)<br />

Maertens Freddy<br />

(BEL, 1976)<br />

Moncassin Frédéric<br />

(FRA, 1996)<br />

Pantani Marco<br />

(ITA, 1998)<br />

Polidori Giancarlo<br />

(ITA, 1967)<br />

Schaer Fritz<br />

(SUI, 1953)<br />

Stieda Alex<br />

(CAN, 1986)<br />

Van der Velde Johan<br />

(HOL, 1986)<br />

Voeckler Thomas<br />

(FRA, 2004, 2011)<br />

Mittwoch 17. Juli<br />

Montag, 08. Juli 2019<br />

Binche > Épernay<br />

214 km, hügelig<br />

Montag, 15. Juli 2019<br />

Saint-Flour > Albi<br />

218 km, flach<br />

Mittwoch, 24. Juli 2019<br />

Pont du Gard > Gap<br />

206 km, hügelig<br />

Barone Nicolas<br />

(FRA, 1957)<br />

Bobet Louison<br />

(FRA, 1948, 53, 54, 55)<br />

Catieau José<br />

(FRA, 1973)<br />

Desbiens Laurent<br />

(FRA, 1998)<br />

Favero Vito<br />

(ITA, 1958)<br />

Gayant Martial<br />

(FRA, 1987)<br />

Guimard Cyri le<br />

(FRA, 1972)<br />

Janssen Jan<br />

(HOL, 1966, 1968)<br />

Lebaube Jean-Claude<br />

(FRA, 1966)<br />

Magne Antonin<br />

(FRA, 1931, 1934)<br />

Sonntag 28. Juli<br />

Moreau Christophe<br />

(FRA, 2001)<br />

Pauwels Eddy<br />

(BEL, 1959, 1963)<br />

Privat René<br />

(FRA, 1957)<br />

Schepens Julien<br />

(BEL, 1960)<br />

Stoepel Kurt<br />

(ALL, 1932)<br />

Van Est Wim<br />

(HOL, 1951, 1955, 1958)<br />

Voigt Jens<br />

(ALL, 2001, 2005)<br />

Donnerstag<br />

18. Juli<br />

Montag 15. Juli<br />

Sonntag 21. Juli<br />

4.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

11.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

18.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

Bartali Gino<br />

(ITA, 1937, 38, 48, 49)<br />

Boonen Tom<br />

(BEL, 2006)<br />

Cavendish Mark<br />

(GBR, 2016)<br />

Desmet Gilbert<br />

(BEL, 1956, 1963)<br />

Fei lu Romain<br />

(FRA, 2008)<br />

Geldermans Albertus<br />

(HOL, 1962)<br />

Hamburger Bo<br />

(DAN, 1998)<br />

Karstens Gerben<br />

(HOL, 1974)<br />

Leblanc Luc<br />

(FRA, 1991)<br />

Magni Fiorenzo<br />

(ITA, 1949, 1950, 1952)<br />

Moser Francesco<br />

(ITA, 1975)<br />

Pedersen Jörgen-Vagn<br />

(DAN, 1986)<br />

Raas Jan<br />

(HOL, 1978)<br />

Schleck Andy<br />

(LUX, 2010, 2011)<br />

Teirlinck Willy<br />

(BEL, 1973)<br />

Van Impe Lucien<br />

(BEL, 1976)<br />

Voorting Gerrit<br />

(HOL, 1956, 1958)<br />

Elles apparaissent sur le Maillot Jaune à partir<br />

de 1949 pour honorer la mémoire d’Henri Desgrange,<br />

créateur du Tour de France, décédé en 1940.<br />

Elles disparaissent en 1984 avant d’être réhabilitées<br />

en 2003 par Jean-Marie Leblanc, alors directeur du Tour,<br />

à l’occasion du centenaire de l’épreuve.<br />

POSTER MJ.indd 1 06/05/2019 16:14:48<br />

INITIALES<br />

« HD »<br />

Sonntag 14. Juli<br />

Dienstag 16. Juli<br />

Dienstag, 09. Juli 2019<br />

Reims > Nancy<br />

215 km, flach<br />

Mittwoch, 17. Juli 2019<br />

Albi > Toulouse<br />

167 km, flach<br />

Donnerstag, 25. Juli 2019<br />

Embrun > Valloire<br />

207 km, Gebirge<br />

Samstag 13. Juli<br />

Montag 22. Juli<br />

5.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

12.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

19.<br />

ETAPPE<br />

BRÜSSEL<br />

Sonntag<br />

7. Juli<br />

Samstag 6. Juli<br />

Montag 8. Juli<br />

GRATIS<br />

POSTER*<br />

FÜR ALLE<br />

DIREKTBESTELLER<br />

BELGIEN<br />

Dienstag<br />

9. Juli<br />

Dienstag<br />

23. Juli Mittwoch<br />

24. Juli<br />

Mittwoch, 10. Juli 2019<br />

Saint-Dié-des-Vosges > Colmar<br />

169 km, hügelig<br />

Donnerstag, 18. Juli 2019<br />

Toulouse > Bagnères-de-Bigorre<br />

202 km, Gebirge<br />

Freitag, 26. Juli 2019<br />

Saint-Jean-de-Maurienne > Tignes<br />

ETAPPENSIEGER<br />

123 km, Gebirge<br />

Donnerstag 11. Juli<br />

6.<br />

ETAPPE<br />

13.<br />

ETAPPE<br />

20.<br />

ETAPPE<br />

Freitag<br />

12. Juli<br />

Donnerstag, 11. Juli 2019<br />

Mülhausen > Planche d. Belles Filles<br />

ETAPPENSIEGER<br />

ETAPPENSIEGER<br />

ETAPPENSIEGER<br />

157 km, Gebirge<br />

Freitag, 19. Juli 2019<br />

Mittwoch<br />

10. Juli<br />

MÜHLHAUSEN<br />

Samstag 27. Juli<br />

Freitag 26. Juli<br />

Donnerstag 25. Juli<br />

Pau > Pau<br />

27 km, Zeitfahren<br />

Samstag, 27. Juli 2019<br />

Albertville > Val Thorens<br />

131 km, Gebirge<br />

7.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

14.<br />

ETAPPE<br />

ETAPPENSIEGER<br />

21.<br />

ETAPPE<br />

Freitag, 11. Juli 2019<br />

Belfort > Chalon-sur-Saône<br />

230 km, flach<br />

Samstag, 20. Juli 2019<br />

Tarbes > Tourmalet Barèges<br />

117 km, Gebirge<br />

Sonntag, 23. Juli 2019<br />

Rambouillet > Paris Champs-Élysées<br />

ETAPPENSIEGER<br />

127 km, flach


50 PROCYCLING | JUNI 2019


D A S P H Ä N O M E N<br />

Mathieu van der Poels Sieg beim Amstel Gold Race<br />

elektrisierte den Radsport. <strong>Procycling</strong> zeichnet den Weg des jungen<br />

Niederländers vom Querfeldein-Star zur Klassiker-Sensation nach.<br />

Text Sam Dansie<br />

Fotografie Chris Auld<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 51


MATHIEU VAN DER POEL<br />

athieu van der Poels Sieg beim Amstel Gold Race<br />

war eine Anomalie, die Art von Sieg, die einmal in<br />

einer Generation vorkommt. Wie van der Poel einen<br />

Rückstand von mehr als einer Minute sechs<br />

Kilometer vor dem Ziel in 35 Sekunden 2,5 Kilometer<br />

vor dem Ziel verwandelte, dann den Sprint<br />

anzog und durchzog, kann man wohl am ehesten<br />

mit Moreno Argentins Coup bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

1987 vergleichen, als der Weltmeister<br />

am Boulevard de la Sauvenière auftauchte und<br />

Claude Criquielion und Stephen Roche den Sieg<br />

wegschnappte. Dass van der Poel seinen Erfolg im<br />

Trikot des niederländischen Meisters feierte,<br />

machte es zu einem JFK- oder vielleicht besser<br />

VdP-Moment. Die Fans werden sich immer erinnern,<br />

wo sie waren, als der kometengleiche Mathieu<br />

van der Poel zum ersten Mal beim Amstel<br />

gesichtet wurde.<br />

In diesem Jahr hat van der Poel die Klassiker<br />

zum ersten Mal ernsthaft in Angriff genommen<br />

– mit grandiosem Erfolg: Vierter bei Gent–Wevelgem,<br />

Erster beim Dwars door Vlaanderen und<br />

Vierter der Flandern-Rundfahrt waren seine Ergebnisse<br />

bei den Rennen auf Pavé. Er widerlegte<br />

die Auffassung, dass Erfahrung eng mit dem Erfolg<br />

bei diesen Rennen verbunden ist: Der 24-Jährige<br />

scherzte, sein einziger bisheriger Unterricht<br />

auf den Straßen von Flandern bestehe im Omloop<br />

Mandel-Leie-Schelde der Junioren und einigen<br />

bekannteren Anstiegen, die er zum Spaß gefahren<br />

sei. (Zwei flämische Etappen der Belgien-Rundfahrt<br />

vervollständigten seinen Lebenslauf.)<br />

Van der Poels Sieg beim Dwars door Vlaanderen<br />

machte ihn zu einem Favoriten für die Flandern-<br />

Rundfahrt. 60 Kilometer vor dem Ziel des größeren<br />

Rennens ging ein Hüpfer über ein Blumenbeet<br />

schief und er stürzte schwer. Aber er legte eine<br />

20 Kilometer lange Aufholjagd hin und schaffte es<br />

in die Verfolgergruppe. Eine Weile glaubte er, um<br />

den ersten Platz mitzufahren, weil er nicht wusste,<br />

dass sich Alberto Bettiol in der letzten Passage des<br />

Oude Kwaremont abgesetzt hatte.<br />

Nach einer Klassiker-Pause am Roubaix-Wochenende,<br />

als er den Circuit de la Sarthe fuhr – er<br />

gewann natürlich eine Etappe – machte van der<br />

Poel mit den Klassikern weiter und fuhr den Brabantse<br />

Pijl, bei dem er Julian Alaphilippe, Tim<br />

Wellens und Michael Matthews schlug. Dann<br />

kam das Amstel Gold Race. Nach Amstel schaute<br />

sich Het Nieuwsblad die erste Klassiker-Saison<br />

von Eddy Merckx an und erklärte, dass van der<br />

Poels qualitativ besser sei. Tatsächlich hatte van<br />

der Poel kaum daran gedacht, einen vollen Anlauf<br />

auf die Klassiker-Saison zu machen, bis er im<br />

vergangenen Juni die 220 Kilometer lange holländische<br />

Straßenmeisterschaft in Hoogerheide gewann,<br />

die auf einen erfolgreichen Block von<br />

Straßen rennen folgte.<br />

„Da sind alle ausgeflippt“, sagte van der Poel<br />

dem holländischen Journalisten Léon de Kort<br />

in diesem Jahr. „Da sind viele Entscheidungen<br />

über dieses Frühjahr und mein potenzielles Programm<br />

gefallen. Ich wollte keine zwei oder drei<br />

Jahre verlieren, in denen ich mich so langsam gefragt<br />

hätte, ob ich bei den Rennen etwas hätte<br />

ausrichten können.“<br />

Van der Poel war in den letzten vier Jahren<br />

eine der zwei dominanten Kräfte im Cyclocross<br />

neben Wout Van Aert. Der Belgier<br />

kam bei den Klassikern im letzten Jahr ebenfalls<br />

groß raus, wurde Dritter beim Strade Bianche,<br />

Zehnter bei Gent–Wevelgem und Neunter der<br />

Flandern-Rundfahrt. Aber van der Poel war noch<br />

dominanter in beiden Disziplinen. In der vergangenen<br />

Cyclocross-Saison gewann er 31 der 33<br />

Rennen, bei denen er startete, und krönte den<br />

Winter mit seinem zweiten Regenbogentrikot im<br />

dänischen Bogense. (Er holte seinen ersten Titel,<br />

als er 20 war, womit er zum jüngsten Cross-Weltmeister<br />

der Elite wurde). Im Juli 2018 wurde van<br />

der Poel holländischer Cross-Country-Mountainbike-Meister,<br />

sodass er jetzt drei nationale Trikots<br />

gleichzeitig besitzt. Im September holte er Bronze<br />

bei der Mountainbike-Weltmeisterschaft in der<br />

Schweiz. Trotz van der Poels Treue zu den Offroad-Disziplinen<br />

– er hat wiederholt seine Absicht<br />

geäußert, Holland bei Olympia in Tokio 2020 auf<br />

einem Mountainbike zu vertreten –, herrschte allgemein<br />

der Konsens, eines Tages werde er dem<br />

Sirenenruf des Straßenradsports folgen.<br />

Das deutete er vor den Klassikern an. „Ja, es<br />

macht natürlich mehr Spaß, wenn du gewinnst. Es<br />

klingt vielleicht ein bisschen blöd, aber das Gefühl,<br />

auf der Straße zu gewinnen, ist größer, als beim<br />

Cross zu gewinnen“, sagte er De Kort. „Es ist einfach<br />

ein kleines bisschen spezieller. Oder härter.<br />

Was ich meine, ist: Wenn du der Beste bei Cross-<br />

Rennen bist, gewinnst du neun von zehn Mal. Auf<br />

der Straße ist das nicht so. Im letzten Sommer waren<br />

wir auf der Straße mit einer festen Gruppe von<br />

Fahrern, und das lief sehr gut. Es war wirklich gut.“<br />

In der Tat lief es gut: Van der Poel gewann<br />

sechs Straßenrennen von Mai bis Mitte August.<br />

Er verpasste nur knapp einen Sieg bei der Europameis<br />

terschaft in Glasgow, kam aber im Finale<br />

SIEGE AUF<br />

DER STRASSE<br />

2014<br />

Ronde van Limburg<br />

2017<br />

Etappe Belgien-<br />

Rundfahrt<br />

2 Etappen Boucles<br />

de la Mayenne<br />

Boucles de la Mayenne<br />

Dwars door het<br />

Hageland<br />

2018<br />

Etappe Boucles<br />

de la Mayenne<br />

Eintagesrennen<br />

Etappensieg<br />

Gesamtsieg<br />

17<br />

SIEGE<br />

STRASSE<br />

Boucles de la Mayenne<br />

Ronde van Limburg<br />

Niederländische<br />

Straßenmeisterschaft<br />

2 Etappen Arctic<br />

Race of Norway<br />

2019<br />

Grand Prix de Denain<br />

Dwars door<br />

Vlaanderen<br />

Etappe Circuit<br />

Cycliste Sarthe<br />

De Brabantse Pijl<br />

Amstel Gold Race<br />

52 PROCYCLING | JUNI 2019


MATHIEU VAN DER POEL<br />

Nach seinem Sieg bei<br />

der niederlän dischen<br />

Straßenmeisterschaft<br />

letztes Jahr gab van der<br />

Poel auf der Straße Gas.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 53


MATHIEU VAN DER POEL<br />

© Getty Images (oben)<br />

auf den Geschmack. „Ich habe festgestellt, dass<br />

Straßenradsport die größere internationale Disziplin<br />

ist. Es wird für die Leute wirklich leben -<br />

dig“, sagte er.<br />

Aber nach Amstel stellte er gegenüber Sporza<br />

richtig, wo das Fahren im Gelände in seinen Prioritäten<br />

steht: „Es macht trotzdem mehr Spaß.“<br />

Wagemutig im Radsport wie im Leben,<br />

das fasst diesen jungen Fahrer zusammen.<br />

Van der Poel mag keine Pläne; er<br />

ist impulsiv, ein Draufgänger. In diesem Jahr hat<br />

er seine Cross- und Straßensaison mit einem Skiurlaub<br />

in Morzine getrennt. Er fährt eigentlich<br />

lieber Motocross, als in die Pedale zu treten. Im<br />

letzten Jahr nach der Cross-Weltmeisterschaft in<br />

Valkenburg kam sein Vater Adri nach Hause und<br />

stellte fest, dass Mathieu nicht da war und „niemand<br />

wusste, wo er war“. Es stellte sich heraus,<br />

dass sein Sohn nach Finnland geflogen war und<br />

Rallyewagen auf zugefrorenen Seen fuhr. Ein<br />

Freund hatte angerufen und ihm das vorschlagen,<br />

also hatte er die Tasche gepackt und war zum<br />

Flughafen gefahren.<br />

„Das ist typisch Matje, seinen Eingebungen zu<br />

folgen. Deswegen sollte man ihn nicht mit Programmen<br />

und Plänen traktieren. Die funktionieren<br />

sowieso nicht“, sagte Adri. Auch er hat Benzin<br />

im Blut. Vor Kurzem hat er einen neuen Schuppen<br />

gebaut, um seine wachsende Sammlung von<br />

Sportwagen und Motorrädern unterzubringen.<br />

Im Cyclocross ist van der Poel für sein Geschick<br />

bekannt. Es gibt zahlreiche Fotos und Videos von<br />

seiner wunderbaren Radbeherrschung – wie er<br />

Sprünge und Wheelies abzieht und so weiter.<br />

Meistens zeigen die Bilder, wie andere Fahrer<br />

durch den Schlamm wabbeln, während van der<br />

Poel die Kraft und Kontrolle in Person ist. Er<br />

scheint ein Mann ohnegleichen zu sein.<br />

Als Rennfahrer macht seine Abstammung ihn<br />

dazu. Sein Vater holte Siege bei der Flandern-<br />

Rundfahrt 1986, Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

1988 und Amstel 1990. In seinen 20 Jahren als<br />

Profi gewann Adri zudem eine Reihe von Halbklassikern<br />

und zwei Etappen der Tour. Gegen<br />

Ende dieser langen Karriere konzentrierte er sich<br />

auf den Cross-Sport. Er war sechsmal niederländischer<br />

Cyclocross-Meister und einmal Weltmeister<br />

– 1996. Adri ist verheiratet mit Corinne, der<br />

Tochter von Raymond Poulidor. „Der ewige Zweite“<br />

Poulidor stand zwischen 1962 und 1976<br />

achtmal auf dem Tour-Podium. Corinne und Adri<br />

haben zwei Söhne: David, 26, und Mathieu, 24.<br />

David ergriff als Erster den Familienberuf, aber<br />

Erst auf der Linie ist es vorbei: Beim<br />

Amstel legt der junge Niederländer die<br />

Aufholjagd des Jahres hin.<br />

Als zweifacher Querfeldein-Weltmeister<br />

ist van der Poel an widrige Umstände gewöhnt<br />

– übrigens auch auf dem MTB.<br />

54 PROCYCLING | JUNI 2019


MATHIEU VAN DER POEL<br />

Mathieu erwies sich als der Versierteste. Renaat<br />

Schotte, der belgische Journalist, bemerkte einmal,<br />

dass die Zähigkeit und das Temperament des<br />

jungen Mathieu von seinem bei den Klassikern<br />

glänzenden Vater kommen.<br />

Die frühere Klassiker-Legende Fabian Cancellara<br />

nannte van der Poels Leistung auf der Straße<br />

in diesem Frühjahr eine „verrückte Mischung aus<br />

Spaß und Coolness, aber ohne Druck“. Auch Adri<br />

fand, dass die Performance seines Sohnes mühelos<br />

ausgesehen habe. „Die Leichtigkeit, mit der er<br />

tritt, habe ich vorher nie gesehen. Von dem Tag<br />

an, wo Matje aufs Rad gestiegen ist, war er ein<br />

Sieger.“ Doch er fügte hinzu: „Er hat hart dafür<br />

gearbeitet. Es ist ihm nicht in den Schoß gefallen.“<br />

Es überrascht vielleicht nicht, dass noch vor<br />

diesem Sieg beim Amstel Gold Race die<br />

ersten WorldTour-Teams van der Poel<br />

„kontaktiert“ hatten. Das war immer so für den<br />

Straßenweltmeister der Junioren von 2013, aber<br />

jetzt konnte er seinen Preis nennen. Zuvor hatte er<br />

Interesse bekundet, für Deceuninck zu fahren –<br />

sein Vater ist mit dem Boss des belgischen Teams,<br />

Patrick Lefevere, befreundet. Aber fürs Erste bleibt<br />

van der Poel bei Corendon-Circus. Philip und<br />

Christoph Roodhooft, die Brüder, die das Team<br />

managen, haben sich als sehr stabile Bleibe erwiesen.<br />

Sie haben bewusst und sorgfältig ein Team<br />

auf ihn ausgerichtet, das die Vielseitigkeit hat,<br />

Rennen in allen drei Disziplinen zu bestreiten.<br />

„DIE LEICHTIGKEIT, MIT DER ER TRITT, HABE ICH<br />

VORHER NIE GESEHEN. VON DEM TAG AN, WO MATJE<br />

AUFS RAD GESTIEGEN IST, WAR ER EIN SIEGER.“<br />

Van der Poel hat einen Vertrag bis 2023 bei dem<br />

Team und will ihn einhalten, während Philip<br />

Roodhooft versichert, das nötige Kleingeld zu<br />

haben, um das Team entsprechend den Ambitionen<br />

seines talentierten Schützlings zu entwickeln.<br />

„In drei oder vier Jahren kann Mathieu ein Fahrer<br />

sein, der das Grüne Trikot der Tour anstreben<br />

kann.“ Vielleicht ist die größte Herausforderung<br />

für die Roodhooft-Brüder, mit dem unglaublichen<br />

Aufstieg ihres jungen Stars mitzuhalten.<br />

Kurzfristiger markierte das Amstel Gold Race<br />

das Ende von van der Poels Ausflug auf die Straße.<br />

Während der Fokus sich auf die großen Rundfahrten<br />

verlagert, soll er ein volles Programm von<br />

Mountainbike-Weltcups fahren. Der niederländische<br />

Nationaltrainer möchte van der Poel für<br />

die Straßen-Weltmeisterschaft in Yorkshire. „Es<br />

ist ein Kurs, der ihm perfekt liegt“, sagt er. Ob<br />

VdP ihm den Wunsch erfüllt, ist eine andere Frage.<br />

Eine wichtige Lektion, die Mathieu van der<br />

Poel bereits gelernt hat, ist, ihnen nicht alles auf<br />

einmal zu geben.<br />

© Kramon<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 55


56 PROCYCLING | JUNI 2019


DIE<br />

WEGBEREITERIN<br />

Christine Majerus war in den letzten sechs Jahren als eine<br />

der wertvollsten Helferinnen des Teams eine Konstante bei<br />

Boels-Dolmans. Sie ist auch eine von nur zwei Fahrerinnen,<br />

die Luxemburg im Frauen-Peloton repräsentieren.<br />

<strong>Procycling</strong> hat die Fahrerin getroffen,<br />

die ihrer Nation den Weg bereitet.<br />

Text Sophie Hurcom Fotografie Chris Auld<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 57


CHRISTINE MAJERUS<br />

© Getty Images<br />

Es kann gut sein, dass Ihnen Christine<br />

Majerus schon einmal aufgefallen ist. Die<br />

Boels-Dolmans-Fahrerin ist leicht auszumachen<br />

dank ihrer blau-weiß-roten Streifen der<br />

luxemburgischen Meisterin, die sie seit 2010 in<br />

jeder Saison trägt. Aber obwohl Majerus ein fester<br />

Bestandteil eines der erfolgreichsten Radsportteams<br />

der letzten sechs Jahre ist und zu einigen<br />

seiner größten Siege beigetragen hat, sind es ihre<br />

Teamkolleginnen, die die Schlagzeilen bestimmen.<br />

Die letzten vier Straßenweltmeisterinnen<br />

waren Boels-Fahrerinnen, und auch wenn die Dominanz<br />

des Teams nicht mehr absolut ist, hat es<br />

viele große Rennen gewonnen.<br />

Majerus betrachtet sich nicht als Star und fährt<br />

häufig als Helferin. Aber sie ist eine Wegbereiterin,<br />

eine der wenigen Fahrerinnen ihres Landes in<br />

der Women’s WorldTour. 2019 ist sie eine von<br />

nur zweien; Chantal Hoffmann von Lotto Soudal<br />

ist die andere.<br />

Luxemburg hat, was Radprofis anbelangt, immer<br />

mehr Qualität als Quantität hervorgebracht.<br />

Die erste Weltmeisterin überhaupt, Elsy Jacobs,<br />

war aus Luxemburg. Jacobs war eine Pionierin,<br />

die das Regenbogentrikot 1958 trug. Bei den<br />

Männern sind die Namen bekannter: Charly Gaul,<br />

Kim Kirchen, die Schleck-Brüder Andy und Fränk<br />

sowie heute Bob Jungels zählen zu den fünf berühmtesten.<br />

Trotzdem haben sich wenige Fahrerinnen<br />

durchgesetzt. Viele hatten das Talent dafür,<br />

aber der Weg und die Möglichkeiten, die<br />

ihnen geboten wurden, waren viel weniger klar als<br />

bei den Männern. Der Pool weiblicher Fahrer ist<br />

so klein, das Majerus’ Hauptziel in dieser Saison<br />

ist, genug UCI-Punkte zu sammeln, um sich für<br />

Olympia in Tokio 2020 zu qualifizieren – ihre<br />

Verantwortung als Luxemburgs Topfahrerin. Majerus<br />

ist zwar kein Star, doch sie hält die Fahne<br />

auf jeden Fall hoch.<br />

Als <strong>Procycling</strong> Majerus in ihrem Team-Hotel<br />

im belgischen Moorsel trifft, sind es noch zwei<br />

Tage hin bis zur Flandern-Rundfahrt, einem ihrer<br />

Lieblingsrennen. Es war ein frustrierender Start<br />

in die Saison für sie. Nachdem sie im Winter die<br />

Cyclo cross-Saison absolviert hatte, kam sie in guter<br />

Form in die Saison, stürzte aber beim Omloop<br />

Het Nieuwsblad, ihrem ersten Rennen. Daher<br />

fuhr sie beim Strade Bianche hinterher und kam<br />

dann bei der Ronde van Drenthe erneut zu Fall.<br />

Wie Majerus es sieht, sind das halbe Frühjahr und<br />

Majerus fährt schon seit 2010 im Trikot<br />

der luxemburgischen Straßenmeisterin.<br />

die wertvollen UCI-Punkte, die zu holen sind,<br />

schon vergeudet.<br />

Aber das mindert Majerus’ Begeisterung für<br />

diese Jahreszeit nicht. Über die Flandern-Rundfahrt<br />

sagte sie: „Es ist ein Tag, es ist oft schlechtes<br />

Wetter, Kopfsteinpflaster und du musst dein Rad<br />

beherrschen. Wenn du einen Cyclocross-Hintergrund<br />

hast, hilft es. Ich mag alle Klassiker, erst<br />

recht, seit ich bei Boels bin.“<br />

Aber sie schätzt ihre Chancen, selbst ein Ergebnis<br />

zu erzielen, realistisch ein. Ihre Rolle wird<br />

sein, sich für die anderen zu opfern „Ich bin die<br />

letzten vier Jahre mit Weltmeisterinnen gefahren,<br />

und sie haben auch Frühjahrsklassiker gewonnen,<br />

daher hatte ich keine Wahl, aber deswegen liebe<br />

ich die Rennen nicht weniger“, sagt sie.<br />

Majerus beeilt sich zu betonen, dass sie bei<br />

Boels-Dolmans nicht die Teamkapitänin ist. Tatsächlich<br />

sagt sie es ziemlich oft. Sie ist Allrounderin,<br />

kann in Anstiegen von bis zu rund zwei Kilo-<br />

58 PROCYCLING | JUNI 2019


CHRISTINE MAJERUS<br />

„ICH WEISS, DASS WIR BEI JEDEM RENNEN WENIGSTENS<br />

EINE IM TEAM HABEN, DIE GEWINNEN KANN.“<br />

metern gut klettern und sie kann sprinten, aber sie<br />

ist in beidem nicht unbedingt die Beste der Welt.<br />

Doch die letzten beiden Jahre waren ihre besten.<br />

Sie war Vierte der Tour of Norway und der Women’s<br />

Tour, Zweitplatzierte beim Festival Elsy Jacobs<br />

und Dritte der Healthy Ageing Tour 2018. Im<br />

Jahr zuvor war sie Sechste des WM-Straßenrennens<br />

in Bergen. Frustrierend knappe Ergebnisse,<br />

aber Zeugnis ihrer Beständigkeit.<br />

„Ich bin keine Kapitänin, aber ich habe schöne<br />

Resultate geholt und denke, die letzten beiden<br />

Jahre waren meine besten“, sagt Majerus. „Nicht<br />

von der Anzahl der Siege her, denn das ist schwer<br />

bei so vielen guten Fahrerinnen um mich herum,<br />

aber so, wie ich mich gefühlt habe, habe ich gedacht,<br />

dass es nicht besser werden kann.“<br />

Majerus hätte nie damit gerechnet, den Radsport<br />

eines Tages zum Beruf zu machen, obwohl<br />

der Sport ihre Berufung zu sein schien. Als Teenager<br />

machte sie Leichtathletik, lief die 400 und<br />

800 Meter, bevor Fußverletzungen sie zum Aufhören<br />

zwangen. Damals war ihr älterer Bruder in<br />

dem Radsportverein, in dem auch Fränk Schleck<br />

fuhr und bei dem Majerus heute noch Mitglied ist.<br />

Aus Neugier fing sie mit dem Radsport an, und<br />

mit 18 fuhr sie 2005 ihre erste luxemburgische<br />

Straßenmeisterschaft. Sie wurde Siebte.<br />

Trotzdem sah Majerus im Radsport noch keine<br />

Karriere. „Es war kein Sport für Mädchen“, sagt<br />

sie. Stattdessen studierte sie Sportwissenschaften,<br />

und erst als sie mit 21 ihren Abschluss<br />

machte, fing sie an, über die Zukunft nachzudenken.<br />

Ihre Leistungen auf dem Rad erleichterten<br />

ihr die Entscheidung. 2007 gewann sie ihren ersten<br />

luxemburgischen Zeitfahr-Titel (den sie bisher<br />

elfmal verteidigt hat) und wurde Dritte des<br />

Kaum eine Fahrerin ist schon so lange<br />

bei Boels-Dolmans wie Majerus.<br />

Majerus an der Muur van Geraardsbergen<br />

bei der Flandern-Rundfahrt 2017.<br />

© Velofocus (unten)<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 59


CHRISTINE MAJERUS<br />

Majerus kritisiert die Entscheidung der UCI,<br />

das Mannschaftszeitfahren zu streichen.<br />

Straßenrennens. Der luxemburgische Verband<br />

klopfte an die Tür und bot ihr einen Platz für die<br />

Tour de l’Ardèche an. In der folgenden Saison ging<br />

sie zum französischen Team ESGL 93-GSD Gestion,<br />

wo sie fünf Jahre blieb.<br />

Majerus ist eine Teamplayerin. Da sie einen<br />

Großteil ihrer Karriere als Helferin verbrachte,<br />

zieht sie die Zufriedenheit im Job daraus, anderen<br />

zum Sieg zu verhelfen. Dass sie eine feste Größe<br />

im Boels-Aufgebot ist, zeigt, wie geschätzt sie als<br />

Fahrerin ist.<br />

„Natürlich gibt es Rennen, wo du denkst: ‚Heute<br />

hätte ich auch gerne gesprintet‘, aber wir sind alle<br />

Profi genug, um zu tun, was am besten für das<br />

Team ist. Seitdem ich für dieses Team Rennen<br />

fahre, war das immer die Priorität“, sagt sie. „Ich<br />

weiß, dass wir bei jedem Rennen wenigstens eine<br />

im Team haben, die gewinnen kann. Wenn es<br />

funktioniert, ist es das beste Gefühl.“<br />

Vielleicht deswegen bringt ihr das Mannschaftszeitfahren<br />

eine besondere Befriedigung: das perfekte<br />

Beispiel eines Teams, das zusammen für ein<br />

Ziel arbeitet. Sie wurde mit Boels Weltmeisterin<br />

im Mannschaftszeitfahren in Katar 2016 und<br />

gewann drei weitere Silbermedaillen. Von diesem<br />

Jahr an ist das Mannschaftszeitfahren kein<br />

WM-Event mehr. Die UCI streicht es und führt<br />

ein Teamzeitfahren mit gemischten nationalen<br />

Staffeln ein. Majerus kann das nicht verstehen.<br />

„Es ist enttäuschend, dass sie es gestrichen haben.<br />

Wenn es nur gestrichen worden wäre, hätte<br />

ich es verstanden, aber es zu ändern …“, sagt sie mit<br />

einem verzweifelten Lachen. „Es ist alles gut und<br />

schön und Gender Equality und bla bla bla, aber<br />

die kleinsten Nationen haben nie eine Chance, bei<br />

dem Rennen irgendwas zu gewinnen. Das war das<br />

Schöne an dem Markenteam, es ging um das<br />

Team, und egal, wo du herkamst, hatte jeder eine<br />

Chance. Wenn du zu den Besten gehörtest und im<br />

besten Team warst, konntest du gewinnen.“<br />

Sie sagt weiter: „Bob [Jungels, Deceuninck] hat<br />

im letzten Jahr gewonnen und ich habe in Katar<br />

gewonnen. Aber Luxemburg wird das neue Rennen<br />

nie gewinnen; wir würden noch nicht mal in<br />

die Medaillenränge kommen. Wir haben starke<br />

Fahrer, aber das wird uns niemals gegen die Holländer<br />

helfen, die was weiß ich wie viele, Hunderte<br />

beste Fahrer haben.“<br />

Majerus gibt zu, dass ihr Urteil über den Verlust<br />

des Mannschaftszeitfahrens vielleicht verzerrt<br />

ist, weil sie für ein Team fährt, das gut darin<br />

ist. Andere, die nicht die Ressourcen haben, um<br />

so konkurrenzfähig zu sein, sehen das vielleicht<br />

anders. Trotzdem sieht sie das von der UCI neu<br />

geschaffene Rennen skeptisch, da es die Fahrer<br />

zwingt, ohne viel Training zusammen zu fahren,<br />

trotz der technischen und physischen Ansprüche.<br />

„Das einst schöne Event auf sehr hohem Niveau<br />

wird wie Folklore werden“, sagt sie weiter, „weil es<br />

nicht trainiert wird.“<br />

Es ist interessant, Majerus über die Nachteile<br />

der holländischen Dominanz im Frauenradsport<br />

reden zu hören, wenn man bedenkt, dass sie für<br />

das größte holländische Team fährt und die meisten<br />

Topfahrerinnen des Landes ihre Teamkolleginnen<br />

sind oder waren. Aber bei den meisten Europa-<br />

und Weltmeisterschaften und Olympischen<br />

Spielen ihrer Karriere die einzige Fahrerin zu sein,<br />

die Luxemburg repräsentiert, hat ihr eine Perspektive<br />

gegeben, die ihre Kolleginnen von größeren<br />

Radsportnationen nicht haben.<br />

„Es ist immer hart, wenn du allein bist. Das ist<br />

der Nachteil der Weltmeisterschaften und Olympischen<br />

Spiele“, sagt Majerus. „Es ist schwer, gegen<br />

große Nationen zu kämpfen. Das habe ich<br />

letztes Jahr bei der Europameisterschaft gesehen.“<br />

Die Europameisterschaften gewann die Italiene-<br />

CHRISTINE MAJERUS:<br />

WICHTIGE ERGEBNISSE<br />

1.<br />

2.<br />

3.<br />

1.<br />

Luxemburgische<br />

Straßenmeisterschaft 2010,<br />

2011, 2012, 2013, 2014, 2015,<br />

2016, 2017, 2018<br />

Luxemburgische Zeitfahrmeisterschaft<br />

2007, 2008,<br />

2009, 2010, 2011, 2012, 2013,<br />

2014, 2015, 2016, 2017, 2018<br />

Etappe Festival Elsy Jacobs<br />

2017, 2018<br />

Festival Elsy Jacobs 2017<br />

Etappe Women’s Tour 2015<br />

2016<br />

La Classique Morbihan 2016<br />

Dwars door de Westhoek<br />

2016<br />

Sparkassen Giro 2013<br />

2.<br />

Etappe Festival Elsy Jacobs<br />

2018<br />

Etappe Healthy Ageing Tour<br />

2018<br />

Women’s Tour 2017<br />

Etappe Women’s Tour 2017<br />

Flanders Diamond Tour 2016<br />

GP de Plumelec-<br />

Morbihan Dames 2016<br />

Drentse Acht van Westerveld 2016<br />

Tour de Bretagne Feminin 2015<br />

Etappe Tour de Bretagne<br />

Féminin 2015 (2)<br />

Etappe Internationale<br />

Thüringen Rundfahrt 2014<br />

Erpe-Mere 2011<br />

Sparkassen Giro 2011<br />

Luxemburgische Straßenmeisterschaft<br />

2008, 2009<br />

3.<br />

Etappe Women’s Tour 2015,<br />

2017 (2), 2018<br />

Healthy Ageing Tour 2018<br />

Etappe Healthy Ageing Tour 2018<br />

Driedaagse Brugge-De Panne<br />

2018<br />

Etappe Tour of Norway 2017<br />

Etappe Festival Elsy Jacobs<br />

2016, 2017 (2)<br />

EPZ Omloop van Borsele 2016<br />

Etappe Energiewacht Tour<br />

2015, 2016<br />

Etappe Boels Rental<br />

Ladies Tour 2015<br />

Etappe Tour de Bretagne<br />

Féminin 2012, 2015<br />

Women’s Tour 2015<br />

GP Cycliste de Gatineau 2015<br />

Energiewacht Tour 2015<br />

Novilon Eurocup 2015<br />

Erondegemse Pijl 2013<br />

Knokke-Heist 2011<br />

Etappe Tour Cycliste Féminin<br />

International de l’Ardèche 2010<br />

National Championships RR 2007<br />

60 PROCYCLING | JUNI 2019


CHRISTINE MAJERUS<br />

rin Marta Bastianelli, die sieben Teamkolleginnen<br />

unter den 31 Fahrerinnen hatte, die weniger<br />

als eine Minute hinter ihr waren, weit vor dem<br />

Rest des Feldes. Es waren auch sieben holländische<br />

Fahrerinnen da, und ihre Taktik diktierte<br />

das Rennen.<br />

„Das war der wohl schlimmste Tag, den ich<br />

gesehen habe. Ich sah nur Orange, und sie dominieren<br />

das Rennen einfach. Ich hätte um eine<br />

Medaille mitfahren können, aber sie haben dich<br />

nur abblitzen lassen, die ganze Zeit. Ich mag sie,<br />

ich habe mein halbes Leben mit den Dutchies<br />

verbracht. Doch du kannst als Fahrerin gut sein,<br />

aber du bekommst nie eine Chance, weil du es<br />

nicht mit acht Dutchies aufnehmen kannst. Bei<br />

der Cyclocross-WM in diesem Jahr gab es diese<br />

lange Gerade. Ich schaute auf und sah nur Orange.<br />

Es ist nett, dass sie sehr stark sind, es ist gut<br />

für sie und das System funktioniert, aber“, sagt<br />

sie und stößt Luft aus, „wenn du aus einem kleineren<br />

Land kommst, ist es ein bisschen schwer<br />

zu akzeptieren.“<br />

Bei der Weltmeisterschaft 2023 haben die Athleten<br />

zwar mehrere Tage Zeit zwischen den<br />

Bahn- und Straßenwettbewerben. Der Nachteil<br />

ist, dass sie die ganze Saison über beides trainieren<br />

müssen, statt es zu trennen. Peter Sagan<br />

und Ferrand-Prévot wollten bei den Olympischen<br />

Spielen 2016 sowohl Mountainbike als<br />

auch auf der Straße fahren und mussten sich für<br />

eins entscheiden, oder sie hätten sich in beiden<br />

Disziplinen schwergetan.<br />

„Der Sport wird so spezialisiert, du musst das<br />

Training darauf einstellen. Für ein WM-Straßenrennen<br />

zu trainieren ist wirklich nicht dasselbe,<br />

wie für ein Mountainbike-Rennen zu trainieren,<br />

gerade auf höchstem Niveau“, sagt sie.<br />

Aber vor 2023 kann sich Majerus auf einiges<br />

konzentrieren. Die Flagge ihres Landes hochzuhalten,<br />

ist eine Verantwortung, die sie ernst<br />

nimmt, auch wenn sie hofft, dass andere sich ihr<br />

bald anschließen.<br />

„Ich hoffe, dass ich den Mädchen in den letzten<br />

paar Jahren gezeigt habe, dass es möglich ist“,<br />

sagt sie. „Jetzt sehen wir, dass einige Mädchen<br />

versuchen, in den Radsport einzusteigen, und es<br />

ist schön zu sehen, dass ich vielleicht etwas dazu<br />

beigetragen habe.“<br />

„DU KANNST ALS FAHRERIN GUT SEIN, ABER DU<br />

BEKOMMST NIE EINE CHANCE, WEIL DU ES NICHT MIT<br />

ACHT DUTCHIES AUFNEHMEN KANNST.“<br />

Majerus ist eine von nur fünf Fahrerinnen,<br />

die Straßenradsport mit Cyclocross auf<br />

höchstem Niveau kombinieren – Marianne<br />

Vos, Lucinda Brand, Pauline Ferrand-Prévot<br />

und Jolanda Neff sind die anderen. Ohne Radrennbahn<br />

in Luxemburg ist Cross im Winter die<br />

Sportart der Wahl. Nach einer Saison, in der sie<br />

für andere auf der Straße fährt, gibt es ihr Freiheit.<br />

„Manchmal macht es mehr Spaß als auf der<br />

Straße. Auf der Straße ist es strenger“, sagt sie.<br />

„Ich muss nicht an andere denken; ich kann mich<br />

auf mich selbst konzentrieren. Nach einer langen<br />

Zeit, wo ich für andere da sein muss, ist es gut für<br />

die Psyche.“<br />

Wenige Fahrerinnen nehmen regelmäßig sowohl<br />

Straße als auch Cross auf höchstmöglichem<br />

Niveau in Angriff – was zeigt, wie groß die Herausforderung<br />

ist. Die Struktur des Kalenders gibt<br />

den Fahrerinnen aber die Möglichkeit, es auszuprobieren.<br />

Sowohl Bahn als auch Cross finden im<br />

Winter statt, wenn die Straßensaison ruht. Aber<br />

in vier Jahren wird es anders aussehen, wenn bei<br />

der ersten kombinierten Radsport-Weltmeisterschaft<br />

2023 in Glasgow Fahrer und Fahrerinnen<br />

in zwei Wochen im August um Regenbogentrikots<br />

auf der Straße, der Bahn, im Mountainbiking<br />

und BMX kämpfen.<br />

Es wird als Radsport-Olympia verkauft, aber<br />

Majerus ist skeptisch. „Da ist die Gefahr, es zu<br />

übertreiben. Ich glaube, Burnout ist ein echtes<br />

Problem. Ich habe Angst, dass die UCI die Gesundheit<br />

der Athleten nicht über ihr Marketing<br />

und/oder das finanzielle Ergebnis stellt“, sagt sie.<br />

Majerus gewinnt die erste<br />

Etappe ihres Heimrennens<br />

Festival Elsy Jacobs 2017.<br />

© Velofocus<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 61


DER NEUE CHEF<br />

SIR JIM RATCLIFFE<br />

IST DER CHEMIE-<br />

MAGNAT, DER AUCH<br />

EIGENTÜMER VON<br />

DAVE BRAILSFORDS<br />

TOURSIEGER-TEAM<br />

IST. WIR FRAGEN:<br />

WER IST ER?<br />

Text Matt Majendie Illustration David Despau<br />

62 PROCYCLING | JUNI 2019


JUNI 2019 | PROCYCLING 63


JIM RATCLIFFE<br />

© Getty Images<br />

Für Tour-de-France-Champion Geraint Thomas<br />

und seine Sky-Teamkollegen war es die typische<br />

Trainingsfahrt, als sie von ihrer jeweiligen Wohnung<br />

in Monaco aus zu einer relativ lockeren Trainingsrunde<br />

aufbrachen.<br />

Es ist nicht ungewöhnlich, dass andere Gesichter<br />

in ihrem kleinen Peloton auftauchen –<br />

Fahrer von vielen verschiedenen Teams, die in<br />

der Gegend leben, bilden oft Trainingsgruppen<br />

– und am Ende der Gruppe fuhr ein älterer Mann<br />

im Radsportdress mit. Ein paar Tage später war<br />

Sir Jim Ratcliffe, der reichste Mann Großbritanniens,<br />

Eigentümer des Chemieunternehmens<br />

Ineos und neuerdings ebenfalls mit monegassischem<br />

Wohnsitz ausgestattet, offizieller Eigentümer<br />

des Teams, das früher Team Sky hieß …<br />

also Thomas’ Arbeitgeber.<br />

Der Waliser lässt sich nicht leicht beeindrucken.<br />

Seit seinem Toursieg hat er Trikots mit<br />

Barcelona-Spielmacher Lionel Messi und dem<br />

früheren walisischen Rugby-Kapitän Sam Warburton<br />

getauscht und in einer BBC-Talksendung<br />

mit Nicole Kidman auf dem Sofa gesessen.<br />

Thomas’ Fazit aus der Trainingsfahrt war<br />

schlicht, dass die Leute seiner Erfahrung nach<br />

„umso netter sind, je reicher sie sind“. Sein Eindruck<br />

von einem Mann, dessen Vermögen laut<br />

Reichenliste der Sunday Times 21 Milliarden<br />

Pfund (24 Milliarden Euro) beträgt, war, dass er<br />

„wirklich bescheiden und bodenständig“ sei. Die<br />

Ausfahrt hat es Ratcliffe letztlich schmackhaft<br />

gemacht, einen Drei-Jahres-Vertrag über<br />

120 Millionen Pfund zu unterschreiben, damit<br />

aus dem Team Sky das Team Ineos wird.<br />

Diese helle Begeisterung für den Ineos-Eigentümer<br />

wird nicht von allen geteilt. In der Grangemouth-Raffinerie<br />

in Schottland, wo Ratcliffe<br />

einen langen und erbitterten Streit mit den Gewerkschaften<br />

führte, bekam er den Spitznamen<br />

Ratcliffe hat bereits<br />

die Ambitionen des<br />

Seglers Ben Ainslie (li.)<br />

auf den America’s Cup<br />

unterstützt.<br />

„Dr. No“ nach dem James Bond-Schurken – so<br />

oft, wie er die Forderungen der Arbeitnehmer abgelehnt<br />

hatte. Diese warfen ihm auch vor, sich wie<br />

ein „viktorianischer Fabrikant“ zu verhalten.<br />

Ein Wirtschaftsjournalist, der nicht genannt<br />

werden will, verglich Ratcliffe mit Montgomery<br />

Burns, der reichen und geizigen Figur von den<br />

Simpsons, während der Labour-Abgeordnete<br />

Michael Connerty, in dessen Wahlkreis Grangemouth<br />

liegt, sein parlamentarisches Privileg nutzte<br />

und sagte, Ratcliffe sei in seinem Verhalten das<br />

„Äquivalent zu einem russischen Oligarchen“.<br />

Der Wirtschaftsjournalist Simon English fragte<br />

in seiner Zeitungskolumne, ob Ratcliffe, der unlängst<br />

seinen Wohnsitz nach Monaco verlegt hat<br />

und dadurch Analysten zufolge vier Milliarden<br />

Pfund Steuern sparen könnte, mit diesem Schritt<br />

„alles tue, um zum unbeliebtesten Mann Großbritanniens<br />

zu werden“.<br />

Der 66-Jährige ist ein gnadenloser Geschäftemacher.<br />

Als der Chemiekonzern Solvay drei Tage<br />

zu früh bekanntgab, dass Ineos einen Teil seines<br />

Geschäfts übernehmen werde, zog Ratcliffe bei<br />

den Verhandlungen die Daumenschrauben an.<br />

Als einer von zunächst fünf Interessenten<br />

übernahm er das Team Sky sechs Wochen nach<br />

dem ersten Gespräch mit Dave Brailsford. Dabei<br />

halfen – wie ein Team-Insider sagte – auch „gegenseitige<br />

Übereinstimmung und Bewunderung“.<br />

Sein Kauf des America’s Cup-Teams des britischen<br />

Seglers Ben Ainslie ging noch schneller<br />

über die Bühne.<br />

Ainslie traf Ratcliffe das erste Mal auf ein Bier<br />

in London. Am folgenden Morgen hatte er praktisch<br />

zugesagt, eine ähnliche Summe wie für den<br />

Sky-Deal, rund 110 Millionen Pfund, in Ainslies<br />

Lieblingsprojekt, den ersten britischen Sieg beim<br />

America’s Cup, zu stecken.<br />

Über diese erste Begegnung sagte der viermalige<br />

Segel-Olympiasieger: „Ich wusste, dass er ein<br />

erfolgreicher Geschäftsmann ist, aber nicht, dass<br />

er der reichste Mann Großbritanniens ist. Ich hatte<br />

von seinen abenteuerlichen Unternehmungen<br />

gehört: dass er am Nordpol und Südpol war und<br />

an verrückten Marathons durch die Wüste teilgenommen<br />

hat.“<br />

Er sagt weiter: „Ich wusste, dass er sich fürs<br />

Segeln interessiert, also haben wir uns zu einem<br />

Plausch zusammengesetzt und kamen auf den<br />

America’s Cup zu sprechen. Jim hat sich am<br />

nächsten Tag gemeldet. Er freute sich wirklich auf<br />

die Herausforderung und wollte sich engagieren.<br />

Wenn eine solche Chance kommt, musst du sie<br />

schnell ergreifen.“<br />

Und diese Vorstöße in die Welt des Sports<br />

scheinen weiterzugehen. Ratcliffe war anfangs<br />

daran interessiert, Roman Abramowitsch den<br />

FC Chelsea abzukaufen, obwohl er Fan von Manchester<br />

United ist. Ihm gehört auch der FC Lausanne<br />

in der Schweiz, wohin er den Sitz von Ineos<br />

von 2010 bis 2016 verlegt hatte, und er hat Gespräche<br />

über den Erwerb des französischen Erstligisten<br />

OGC Nizza geführt.<br />

Ratcliffe hat sich daran gewöhnt, Gewinner in<br />

der Wirtschaft zu unterstützen. Sein Modus Ope-<br />

64 PROCYCLING | JUNI 2019


JIM RATCLIFFE<br />

ALS EINER VON FÜNF INTERESSENTEN ÜBERNAHM<br />

ER DAS TEAM SKY SECHS WOCHEN NACH DEM<br />

ERSTEN GESRPÄCH MIT DAVE BRAILSFORD. DABEI<br />

HALF AUCH GEGENSEITIGE BEWUNDERUNG.<br />

Alles wie gehabt: Team Sky an der<br />

Spitze des Feldes. Wird es als<br />

Team Ineos so weitergehen?<br />

randi ist, Elemente von Unternehmen zu kaufen,<br />

die unterbewertet oder uneffektiv sind, und sie in<br />

profitable Konzerne zu verwandeln.<br />

Während abzuwarten bleibt, ob Ben Ainslies<br />

Seglerteam Erfolg haben wird, wenn der America’s<br />

Cup 2021 im neuseeländischen Auckland<br />

stattfinden wird, ist das beim Team Sky nicht der<br />

Fall: Es ist bereits ein bewährter Sieger im Radsport<br />

und hat sechs Frankreich-Rundfahrten in<br />

sieben Jahren gewonnen.<br />

Die Umweltschutzorganisation Friends of<br />

the Earth nannte die Übernahme von Sky<br />

„den jüngsten offensichtlichen Versuch<br />

von Ineos, sich einen grünen Anstrich zu geben“,<br />

und fragte: „Wollen Leute wie Geraint Thomas<br />

und Chris Froome wirklich mit einem Unternehmen<br />

wie Ineos, das den Planeten zerstört, in Verbindung<br />

gebracht werden?“<br />

Unterdessen schrieb die frühere Vorsitzende<br />

der Green Party, Natalie Bennett, auf Twitter:<br />

„Extreme Fehlpaarung: Ein CO 2 -armes, energieeffizientes<br />

Fortbewegungsmittel wie das Fahrrad<br />

& Befürworter von Fracking, Plastikverschmutzung<br />

und Klimauntätigkeit wie Ineos. Aber angesichts<br />

der Reputationsprobleme beider Parteien<br />

vielleicht unvermeidlich …“<br />

Ratcliffe ist leidenschaftlicher Radfahrer und<br />

Radsportfan, auch wenn ihm die Lust an zwei<br />

Rädern leicht hätte vergehen können – nach<br />

seinen ersten Erfahrungen in der Arbeitswelt<br />

zu urteilen.<br />

Sein Vater Alan war Schreiner und gründete<br />

seine eigene Möbelfabrik, in der seine Söhne Jim<br />

und Robert für ihn arbeiteten. „Ich habe als<br />

16-Jähriger für ihn gearbeitet und musste mit<br />

dem Rad zur Arbeit fahren, er wollte mich nicht<br />

im Auto mitnehmen“, erinnerte sich Robert in einem<br />

BBC-Radio-Interview. „Es regnete in Strömen<br />

und irgendjemand bot mir an, mich mit nach<br />

Hause zu nehmen. Er sagte: ‚Er ist nicht aus Zucker.<br />

Er schmilzt nicht.‘ Er wollte damit sagen,<br />

dass man alleine klarkommen und seinen eigenen<br />

Weg gehen muss.“<br />

Ratcliffes Ursprünge sind bescheiden, und er<br />

erzählt gerne die Geschichte, wie er zählen lernte<br />

– indem er seinen Blick über die Schornsteine<br />

gleiten ließ, die er vom Schlafzimmerfenster ihrer<br />

Sozialwohnung in Failsworth bei Manchester sehen<br />

konnte, wo er die ersten zehn Jahre seines Lebens<br />

verbrachte.<br />

Die Familie zog anschließend nach Oldham um<br />

und später dann nach Yorkshire. Insofern passt es<br />

gut, dass das Team bei dem Rennen in jenem<br />

Landkreis Anfang des Monats offiziell sein Debüt<br />

als Ineos gegeben hat.<br />

Nach dem Besuch der Beverley Grammar<br />

School studierte Ratcliffe Chemieingenieurwesen<br />

an der Birmingham University, aber da er unter<br />

Hautausschlag litt, wurde nichts aus einem Job<br />

bei BP.<br />

Nach Anstellungen bei Beecham und Esso begann<br />

er ein Studium der Betriebswirtschaft an der<br />

London Business School. Wie sein Bruder sagt,<br />

gab dieser Teil seines Lebens ihm „Einblicke ins<br />

Unternehmertum und ließ in die konventionelle<br />

Herangehensweise infrage stellen“.<br />

Ab 1989 folgten Arbeitsaufenthalte bei Courtaulds<br />

in Coventry und Advent International, bevor<br />

er mit über 40 sein erstes großes Geschäft<br />

machte, als er die BP-Spezialchemie-Sparte in<br />

Hythe, Kent, für 40 Millionen Pfund kaufte und<br />

seine erste Firma, Inspec, gründete, die er später<br />

an die Börse brachte. Sechs Jahre danach hatte<br />

sich ihr Wert verfünfzehnfacht und er persönlich<br />

28 Millionen Pfund Gewinn gemacht.<br />

Ineos, gebildet aus dem lateinischen ineo, eintreten,<br />

und Eos, der griechischen Göttin der Morgenröte,<br />

wurde 1998 gegründet. Ratcliffe finanzierte<br />

das gewaltige Projekt, indem er sich alles<br />

Geld lieh, das er konnte, um eine alte Inspec-<br />

© Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 65


JIM RATCLIFFE<br />

© Getty Images<br />

Anlage im belgischen Antwerpen zu kaufen,<br />

deren Übernahme er selbst nur drei Jahre zuvor<br />

abgewickelt hatte.<br />

„Ich fing mit dem Geschäft an in Zeiten, wo<br />

man seinen gesamten weltlichen Besitz auf den<br />

Tisch legen musste“, sagte er zwei Jahrzehnte<br />

später. „Ich musste 100 Prozent von dem Eigenkapital<br />

einsetzen, das ich damals hatte. Das waren<br />

das Haus, die Ersparnisse und sogar Ehefrau<br />

und Kinder, da passt man sehr gut auf.“<br />

Ineos, wovon Ratcliffe 60 Prozent besitzt, ist<br />

heute riesig und hat rund 20.000 Angestellte und<br />

fast 200 Niederlassungen in 23 Ländern. Noch<br />

kein bekannter Name, stellt es Rohstoffe für alles,<br />

von Hygieneartikeln über Telefone bis Möbel, her.<br />

Der größte Schritt war der Erwerb der BP-<br />

Petrochemie-Tochter Innovene für fünf Milliarden<br />

Pfund vor 14 Jahren. Der Kauf beinhaltete die<br />

umstrittene Raffinerie in Grangemouth, Schauplatz<br />

seines Kampfes mit den Gewerkschaften,<br />

bei dem er drohte, die Anlage zu schließen.<br />

Die Kritik, der er damals ausgesetzt war, war<br />

heftig, und der Streit entwickelte sich zum Politikum.<br />

Im Rückblick auf diese Zeit sagte er: „Ich<br />

habe ein dickes Fell und kann damit leben, aber es<br />

ist kein angemessenes Verhalten. Wenn ich einen<br />

Scheck über 300 Millionen Pfund ausstellen<br />

muss, ist das nicht sehr klug von Gewerkschaften.“<br />

Ratcliffe ist auch ein Befürworter von Fracking<br />

und will Hunderte Millionen in die umstrittene<br />

Methode zur Gewinnung von Schiefergas investieren,<br />

bei der die Erde aufgebohrt und Gestein<br />

hydraulisch geknackt wird.<br />

Neben der Petrochemie-Branche ist er auch auf<br />

anderen Unternehmensfeldern tätig: Er entwickelt<br />

gerade einen Geländewagen, der den nicht mehr<br />

produzierten Land Rover Defender ersetzen soll,<br />

außerdem gehört ihm die britische Modemarke<br />

Belstaff; dazu besitzt er das Lime Wood Hotel im<br />

Thomas und Froome, Skys jüngste Toursieger,<br />

werden das Team Ineos anführen.<br />

RATCLIFFE,<br />

DER<br />

MARATHON-<br />

MANN<br />

Ratcliffe geht gerne an seine körperlichen<br />

Grenzen. Als er vor wenigen<br />

Jahren mit seinem Bruder den New York<br />

Marathon lief, kamen sie mit nur zehn<br />

Minuten Abstand ins Ziel, doch Jim<br />

musste an den Tropf gehängt werden,<br />

um sich zu erholen. Ein Motorradtrip<br />

nach Südafrika schien vorzeitig beendet,<br />

als ihm das Motorrad auf den Fuß fiel<br />

und er sich drei Knochen brach. Aber<br />

statt nach Hause zu fliegen, ließ er sich<br />

einen Skistiefel liefern und setzte die<br />

Reise fort.<br />

Sein Mantra ist, dass ein bisschen<br />

Adrenalin jeden Tag gut für uns sei, ob<br />

es die Stunden sind, die er jeden Morgen<br />

im Fitnessstudio verbringt oder mit ande ­<br />

ren Sportarten wie Radfahren, Ironman<br />

oder Kitesurfen, das er gerade lernt. Er<br />

war mit seinen Söhnen aus erster Ehe am<br />

Nordpol und Südpol und feierte seinen<br />

60. Geburtstag, indem er den Comrades<br />

Marathon in Südafrika lief.<br />

Es war viel die Rede von seinen zwei<br />

Superyachten, vor allem die Hampshire<br />

II mit Helikopterdeck und Seilbrücke,<br />

die als „schwimmender Palast“ bezeich ­<br />

net wurde und einer Zeitung zufolge<br />

500 Liter Diesel die Stunde braucht, nur<br />

um zu liegen.<br />

66 PROCYCLING | JUNI 2019


südenglischen Hampshire, und er hält obendrein Anteile<br />

an der „The Pig“-Hotelkette.<br />

Seine Geschäftsphilosophie ist einfach: „Wir schauten<br />

uns Geschäfte an, die unmodern oder unsexy waren,<br />

Einrichtungen, die großen Unternehmen gehörten, wo<br />

man wusste, dass sie bei den Festkosten nicht so genau<br />

hinsehen. Wir führten sie besser, reduzierten die Kosten,<br />

kurbelten das Geschäft an und am Ende waren sie sehr<br />

profitabel.“<br />

Wie Brailsford will er das Potenzial jenseits des Radsports<br />

anzapfen, der Teamboss hat kein Geheimnis daraus<br />

gemacht, dass er in Zukunft „smarte“ Sportbekleidung<br />

herausbringen will, nachdem er ein paar Mal ins Silicon<br />

Valley gereist ist. Sie sind zwei Ritter des Reiches, die in<br />

vielen Quartieren kritisiert wurden, sich aber als natürliche<br />

Geschäfts- und Sportpartner erweisen könnten.<br />

Nach Ratcliffes Entscheidung, den Geschäftssitz<br />

nach Monaco zu verlegen und geschätzte 400 Millionen<br />

bis vier Milliarden Pfund Steuern zu sparen, hat der<br />

scheidende Vorsitzende der britischen Liberaldemokraten,<br />

Sir Vince Cable, gesagt: „Leute in den Ritterstand<br />

zu erheben, die sich diesem Land nicht verpflichtet fühlen,<br />

ist eine Schande.“<br />

Ratcliffe für seinen Teil behauptet, sehr pro-britisch zu<br />

sein; er sei ein glühender Brexiteer, der die Europäische<br />

Union ablehne. Er vertritt gerne die These, dass „die Briten<br />

die Produktion erfunden haben“.<br />

Mit 21 Milliarden Pfund auf der Bank könnten die Radsport-<br />

und Segelabenteuer wie Spielzeuge wirken, aber wie<br />

ein Wirtschaftsjournalist schrieb, ging es ihm selten um<br />

das Geld. „Er ist mehr besessen von der Macht, das Geld<br />

ist nur eine Folge“, sagte er.<br />

Sich in das einzukaufen, was das „Best of British“ des<br />

Sports ist – Ainslies America’s Cup-Team und jetzt das<br />

Team Sky –, ist ein neues Machtspiel des zurückgezogenen<br />

Milliardärs. Was für eine Art Eigentümer er sein wird,<br />

bleibt abzuwarten, aber er hat sich schon eingebracht, indem<br />

er das Trikot mitgestaltet hat – was nahelegt, dass<br />

das Team mehr als ein reines Spielzeug ist.<br />

URLAUBSFINDER<br />

MIT BISS<br />

www.roadbike-holidays.com<br />

#myRoadbikeMoment<br />

Ineos hat mit seinen<br />

Aktivitäten die Wut von<br />

Umweltschützern auf<br />

sich gezogen.<br />

© Getty Images<br />

© makeART OG


PARIS–<br />

ROUBAIX<br />

IN BILDERN<br />

Das war mein dritter<br />

Ausflug zu Paris–<br />

Roubaix. Es ist ein<br />

wirklich hartes Rennen für<br />

uns Fotografen, wobei das<br />

nichts ist im Vergleich zu<br />

dem, was die Fahrer auf über<br />

Fotografiert von<br />

257 Kilometern ausgefahrenen,<br />

unangenehmen, nord­<br />

PETE GODING<br />

französischen Landstraßen<br />

zu bewältigen haben. Es ist eine extreme Belastung<br />

für Körper und Geist, und obwohl es dieses<br />

Jahr nicht kalt war, machten der Staub und der<br />

heulende Wind Paris–Roubaix zu einem Tier, das<br />

schwer zu zähmen war.<br />

Die ganz eigene Aura, die dieses Rennen umgibt,<br />

basiert auf ihrer verführerischen Wildheit.<br />

Nach dem Zieleinlauf sind die Fahrer danach im<br />

Velodrom eingepfercht, von der Anstrengung<br />

benommen und verwirrt, wenn Horden von Fotografen<br />

und Journalisten sich auf sie stürzen.<br />

Bekannt sind die Anblicke der verdreckten Fahrer,<br />

die den mit Betonkabinen und schmalen<br />

Holzbänken ausgestatteten Duschraum des<br />

Velodroms nutzen. Ich sah einmal einen Katusha-Alpecin-Fahrer<br />

neugierig den Duschkopf<br />

inspizie ren, als ob er erwartete, dass brauner<br />

Schlamm herausspritzt. Noch bevor das Wasser<br />

über seinen schmutzigen Körper zu fließen begann,<br />

huschte die Erleichterung zunächst über<br />

sein Gesicht, als ein klarer Strahl von lauwarmem<br />

Wasser herauskam.<br />

Der ikonenhafte Status des Duschraums wird<br />

umso deutlicher, als die Kabinen mit glänzenden<br />

Messingtafeln geschmückt sind, von denen jede<br />

eine Verbeugung vor den Radfahrergrößen der<br />

Vergangenheit ist, die in diesen Kabinen das Blut,<br />

den Schweiß, die Tränen und den Schmutz von<br />

Paris–Roubaix abwuschen.<br />

Heutzutage strömen Fotografen in die Kabinen,<br />

um die obligatorischen leeren Blicke und geschundenen<br />

Körper der Fahrer festzuhalten. Es<br />

gibt heutzutage vermutlich mehr Knipser als<br />

Rennfahrer dort, und der Duschraum scheint Teil<br />

des Marketings drumherum zu sein. Kein Marketing-Gag<br />

ist jedoch die schiere Erschöpfung der<br />

Fahrer. Paris–Roubaix ist das härteste Rennen<br />

der Welt.<br />

68 PROCYCLING | JUNI 2019


Obwohl es erst sein dritter<br />

Start bei diesem Rennen ist,<br />

hat Philippe Gilbert keine<br />

Angst vor dem Roubaix-Pavé<br />

auf dem Weg zu seinem ersten<br />

Sieg dort.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 69


PARIS–ROUBAIX<br />

Compiègne ist ruhig und<br />

friedlich, bevor dort die<br />

Hölle des Nordens losbricht.<br />

Troisvilles nach Inchy, der<br />

erste Pflastersteinsektor, ist<br />

eine Einstimmung auf die<br />

härteren Abschnitte später<br />

im Rennen.<br />

70 PROCYCLING | JUNI 2019


PARIS–ROUBAIX<br />

Das neutrale Mavic-Service-Motorrad<br />

signalisiert<br />

den wartenden Fans die<br />

Ankunft der Fahrer.<br />

Das Rennen startete<br />

unglaublich schnell, ohne<br />

das Peleton von Anfang<br />

an zu schonen.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 71


PARIS–ROUBAIX<br />

Die unbamherzigen Pflastersteine<br />

erschüttern<br />

Deceuninck–Quick-Steps<br />

Tim Declerq in keinster<br />

Weise – er hat offensichtlich<br />

Spaß am Rennen.<br />

72 PROCYCLING | JUNI 2019


PARIS–ROUBAIX<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 73


PARIS–ROUBAIX<br />

Bretonische Fans repräsentieren<br />

ihre Region in<br />

gebührender Form am<br />

Rande des Rennens.<br />

74 PROCYCLING | JUNI 2019


PARIS–ROUBAIX<br />

Nebelschwaden legen sich<br />

über die Teamwagen und<br />

Fahrer auf den flachen Pavé-<br />

Sektoren in Nordfrankreich.<br />

Bei einem unvorhersehbaren<br />

Rennen wie Roubaix sind<br />

Stürze unvermeidbar.<br />

10.<br />

Luke Rowe beißt die Zähne<br />

zusammen auf den Pflastersteinen<br />

… um seinen Energieriegel<br />

nicht zu verlieren.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 75


PARIS–ROUBAIX<br />

Der Zweitplatzierte<br />

Nils Politt feiert im Velodrom<br />

seinen Klassiker-<br />

Durchbruch mit seinen<br />

Katusha-Teamkollegen.<br />

EF-Education-First-<br />

Fahrer Mitch Docker hat<br />

nur wenig Privatsphäre<br />

bei seiner Dusche im<br />

traditionellen Baderaum.<br />

76 PROCYCLING | JUNI 2019


PARIS–ROUBAIX<br />

Stürze und technische Probleme<br />

vermasselten sein Rennen,<br />

doch Wout Van Aert hat<br />

am Ende alles gegeben.<br />

Gilbert besiegt Politt beim<br />

Sprint im Velodrom und holt<br />

damit seinen ersten Sieg in<br />

Roubaix und sein viertes Monument<br />

insgesamt.<br />

12.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 77


NACHLESE<br />

ANALYSE • ERKENNTNISSE • DATEN<br />

© Getty Images<br />

PARIS–ROUBAIX / 14.04.2019<br />

GILBERT MEISTERT DAS<br />

PAVÉ VON ROUBAIX<br />

Die letzten Meter von Paris–Roubaix<br />

2019 hätten leicht unter dem<br />

Motto „Erfahrung gegen Jugend“<br />

dargestellt werden können. Als das alte<br />

Schlachtross Philippe Gilbert und der junge<br />

Emporkömmling Nils Politt, die letzten<br />

Überlebenden in einem Rennen mit gnadenloser<br />

Auslese, erschöpft ihre Runde im<br />

ERGEBNIS<br />

Velodrom drehten, Politt vorne, Gilbert<br />

an sein Hinterrad geheftet, blieb den Zuschauern<br />

ausreichend Zeit, über die zwölf<br />

Jahre Altersunterschied zwischen den beiden<br />

nachzudenken. Als Gilbert sein erstes<br />

Rennen als ausgewachsener Profi fuhr, die<br />

Trofeo Laigueglia 2003, war Politt acht<br />

Jahre alt. Doch die Sache hatte einen klei-<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Philippe Gilbert Deceuninck–Quick-Step 5:58:02<br />

2 Nils Politt Katusha-Alpecin 0:00<br />

3 Yves Lampaert Deceuninck–Quick-Step + 0:13<br />

4 Sep Vanmarcke EF Education First + 0:40<br />

5 Peter Sagan Bora–hansgrohe + 0:42<br />

Gilbert im Glück:<br />

Mit seinem Sieg<br />

in Roubaix hat der<br />

Belgier nun vier<br />

von fünf Monumenten<br />

gewonnen.<br />

75<br />

Siege in Philippe<br />

Gilberts<br />

Karriere<br />

nen Dreh: Roubaix 2019 war erst Gilberts<br />

dritter Versuch bei dem Rennen, während<br />

es Politts vierter war.<br />

Aber das plus die Zuversicht der Jugend<br />

waren alles, was Politt hatte; alles andere<br />

sprach gegen ihn, als das Rennen in die<br />

letzte Phase ging. Das Duo hatte schon<br />

67 Kilometer vor dem Ziel eine effektive<br />

Allianz gebildet, und es gab wenig Zweifel,<br />

dass die zwei stärksten und aktivsten<br />

Fahrer aus dem Gemetzel hervorgegangen<br />

waren. Doch zwei Kilometer vor dem Ziel<br />

hatte Gilbert Politt an die Spitze manövriert<br />

und den Deutschen vor die Wahl gestellt:<br />

bis ins Ziel arbeiten und einen ersten<br />

oder zweiten Platz sicher haben, oder<br />

langsamer werden und es Gilberts heranrauschendem<br />

Teamkollegen Yves Lampaert<br />

ermöglichen, die Lage zu verkomplizieren.<br />

Der belgische Meister hatte sein<br />

40-Sekunden-Defizit, das er fünf Kilometer<br />

vor der Linie hatte, halbiert – wenn<br />

Politt Spielchen gespielt hätte, hätte Gilbert<br />

Verstärkung gehabt.<br />

Gilbert hatte Politt die Illusion der<br />

Kontrolle über den Ausgang seines Rennens<br />

gegeben, aber in Wirklichkeit hatte<br />

der junge Kölner nur die Wahl zwischen<br />

78 PROCYCLING | JUNI 2019


Edward Pickering<br />

Herausgeber<br />

Ed hält das neue Finale von<br />

Lüttich für eine Verbesserung,<br />

doch im Detail gibt es noch<br />

Optimierungsbedarf.<br />

Sam Dansie<br />

Redakteur<br />

Seit dem Film „Die üblichen<br />

Verdächtigen“ hat Sam keine so<br />

überraschende Wendung wie van<br />

der Poels Amstel-Sieg gesehen.<br />

Sophie Hurcom<br />

<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />

Die Klassiker bringen immer wieder<br />

Überraschungen, dennoch waren<br />

Bettiols Flandern-Sieg und Gilberts<br />

Erfolg in Roubaix etwas Besonderes.<br />

Sadhbh O’Shea<br />

<strong>Procycling</strong>-Autorin<br />

Zwei spannende Rennen mit<br />

zwei verdienten Siegern – der<br />

Tag des Amstel Gold hatte es<br />

wirklich in sich.<br />

einer Niederlage und einer Niederlage. Politt<br />

führte bis in die letzte Kurve, dann<br />

steckte Gilbert seine Nase ein letztes Mal<br />

in den Wind, schoss die Bande herunter<br />

und gewann den Sprint souverän. Alter<br />

hatte Jugend geschlagen, obwohl die Frage<br />

der Erfahrung ambivalenter war – ein relativer<br />

Roubaix-Neuling hatte einen anderen<br />

geschlagen.<br />

Paris–Roubaix 2019 beruhigte sich nie.<br />

Schuld daran war in gewisser Weise der<br />

Überraschungssieger von 2016, Mathew<br />

Hayman. Der Australier, ein starker Roubaix-Fahrer,<br />

aber sicher kein Favorit für<br />

den Sieg, hatte in jenem Jahr die frühe<br />

Ausreißergruppe infiltriert, und während<br />

die anderen Favoriten sich gegenseitig fertigmachten,<br />

achtete niemand auf ihn und<br />

er ging frisch genug ins Finale, um Boonen<br />

auf der Radrennbahn im Sprint zu schlagen.<br />

Man denke auch an Rennen im letzten<br />

Jahr: Silvan Dillier ging in die frühe<br />

Ausreißergruppe und wurde Zweiter,<br />

nachdem ihm ein Ad-hoc-Deal von Peter<br />

Sagan angeboten wurde: Fahr’ mit mir<br />

und werde Zweiter oder fahr’ nicht mit mir<br />

und werde nicht Zweiter.<br />

Alle waren beim diesjährigen Rennen<br />

daher so scharf darauf, in die frühe Ausreißergruppe<br />

zu gehen, dass diese nie<br />

wegkam. Es gab eine Angriffswelle nach<br />

Nils Politt zeigte sein ganzes<br />

Klassiker-Potenzial, indem er die<br />

siegbringende Attacke initiierte.<br />

der anderen, bevor sich 150 Kilometer vor<br />

dem Ziel eine Gruppe von 23 Fahrern bildete.<br />

Bis auf sechs Teams waren alle vertreten,<br />

und es ist rückblickend bemerkenswert,<br />

dass mit Politt und Lampaert<br />

zwei Fahrer in der Gruppe waren, die später<br />

auf dem Podium standen.<br />

Was man bei Rennen wie Paris–Roubaix<br />

nicht vergessen darf, ist, dass die Regeln,<br />

die wir bei Grand-Tour-Etappen und<br />

kürzeren Rennen anwenden, nicht gelten.<br />

Wenn Fahrer auf einer Grand-Tour-Etappe<br />

angreifen, haben die anderen Teams<br />

sechs oder sieben Helfer, um die Verfolgung<br />

aufzunehmen. Wenn man diese<br />

sechs oder sieben Helfer mit fünf oder<br />

sechs – oder so vielen Sprintern, wie bei<br />

dem Rennen sind – multipliziert, wird<br />

klar, dass eine vierköpfige Gruppe keine<br />

Chance hat. Aber in den letzten 90 Minuten<br />

von Paris–Roubaix ist das Feld keine<br />

geschmeidig rotierende, 150 Mann starke<br />

Gruppe mehr. Es ist ein zerrüttetes Kollektiv<br />

von 40 oder 50 Fahrern, von denen<br />

die Hälfte nur mitrollt. Sieganwärter können<br />

von Glück sagen, wenn sie noch einen<br />

oder zwei Teamkollegen zur Unterstützung<br />

haben. Wenn ein Team tatsächlich<br />

noch mit mehreren Fahrern vertreten ist,<br />

ist es ein Vorteil. Politts nächste Attacke<br />

67 Kilometer vor dem Ziel, bei der Gilbert<br />

mitging, stellte sich als entscheidender<br />

Moment heraus. Während Gilberts Team -<br />

kollegen sich in der Verfolgergruppe breit<br />

machten, blieb es an den Sieganwärtern<br />

hängen, die stark genug waren zu kontern<br />

und zu versuchen, Politt und Gilbert zu<br />

neutralisieren. Titelverteidiger Sagan<br />

schaffte den Sprung zusammen mit Lampaert,<br />

Van Aert und Vanmarcke plus zwei<br />

vorübergehenden Mitfahrern in Gestalt<br />

von Laporte und Sarreau. Das war keine<br />

Verfolgung, es war eine Gruppe, die sich<br />

von den Verlierern trennte, und als die<br />

sechs sich vorne zusammengeschlossen<br />

hatten, hatten sie mehr Schlagkraft als<br />

das Peloton. Als die sechs stärksten Fahrer<br />

des Rennens vorne an der Spitze waren,<br />

waren die Würfel gefallen. Als Van<br />

Aert angreifbar aussah und Vanmarcke<br />

einen Defekt hatte, fuhr Politt 15 Kilometer<br />

vor dem Ziel eine weitere entschlossene<br />

Attacke. Wieder ging Gilbert mit. Aber<br />

dieses Mal konnte das keiner der anderen.<br />

DIE DOMINANZ<br />

VON DECEUNINCK<br />

Gilberts Roubaix-Sieg zementierte ein weiteres<br />

Frühjahr der absoluten Dominanz von Deceu ninck–<br />

Quick–Step bei den Klassikern. Von den 13 großen<br />

Eintagesrennen der europäischen Frühjahrssaison<br />

konnten sie sieben gewinnen und waren bei weiteren<br />

vier in den Top Vier. Die einzigen relativen Flops<br />

waren Gent–Wevelgem, wo Viviani nach einem<br />

Rennen, das schwerer war als alle erwarteten, im<br />

Gruppensprint auf den 19. Platz durchgereicht wurde,<br />

und Lüttich, das ein Rennen zu viel für Julian<br />

Alaphilippe war (dessen Strade Bianche-San<br />

Remo-Flèche-Hattrick ihn trösten dürfte). Der<br />

Franzose war 16. bei Lüttich–Bastogne–Lüttich.<br />

Das Geheimnis von Deceunincks Erfolg ist<br />

eigentlich kein Geheimnis. Sie haben eine außerordentliche<br />

Stärke in der Tiefe, insbesondere auf dem<br />

Kopfsteinpflaster. Bei den flämischen Klassikern<br />

hatte ihre Kerntruppe vier potenzielle Gewinner bei<br />

jedem Rennen – Gilbert, Lampaert, Stybar und<br />

Jungels. Lampaert stand wahrscheinlich unter den<br />

Sieganwärtern des Teams an vierter Stelle, wäre aber<br />

in jedem anderen Team klarer Kapitän gewesen.<br />

Außerdem scheinen sie ein Modell des totalen<br />

Radsports zu betreiben, wo der Kapitän im Rennen<br />

durch die Umstände auf der Straße bestimmt wird,<br />

und wenn diese Umstände zusammenkommen,<br />

betätigen sich alle anderen als Helfer – in dem<br />

Wissen, dass ihre Zeit kommen wird.<br />

DECEUNINCKS ERFOLGE<br />

RENNEN DQS BESTER FAHRER<br />

Omloop Het Nieuwsblad 1. Zdenĕk Štybar<br />

Strade Bianche 1. Julian Alaphilippe<br />

Mailand–San Remo 1. Julian Alaphilippe<br />

E3 BinckBank 1.t Zdenĕk Štybar<br />

Gent–Wevelgem 19. Elia Viviani<br />

Dwars door Vlaanderen 3. Bob Jungels<br />

Flandern-Rundfahrt 2. Kasper Asgreen<br />

Paris–Roubaix 1. Phillipe Gilbert<br />

Amstel Gold 4. Julian Alaphilippe<br />

Flèche Wallonne 1. Julian Alaphilippe<br />

Liège–Bastogne–Liège 16. Julian Alaphilippe<br />

© Kramon<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 79


NACHLESE<br />

AMSTEL GOLD RACE / 21.04.2019<br />

VDP MIT<br />

HOLLÄNDISCHER<br />

COURAGE ZUM<br />

AMSTEL-SIEG<br />

© Getty Images<br />

Das Männer-Peloton muss ungläubig<br />

den Kopf geschüttelt haben,<br />

als das Amstel Gold Race 2019<br />

vorbei war, und sich kollektiv gefragt haben:<br />

Was machen wir mit einem Problem<br />

wie Mathieu van der Poel?<br />

Es sah so aus, als hätte der junge Holländer<br />

bei seinem Heim-Klassiker viel<br />

falsch gemacht. Die jüngere Geschichte<br />

zeigt, dass Langstreckenangriffe bei den<br />

Eintagesrennen wieder in Mode kommen.<br />

Philippe Gilbert und Peter Sagan gewannen<br />

Flandern und Roubaix in den letzten<br />

Jahren, indem sie 50 Kilometer oder weiter<br />

vor dem Ziel attackierten; Nils Politt<br />

und Philippe Gilbert gingen beim diesjährigen<br />

Roubaix noch früher in die Offensive<br />

und zettelten den entscheidenden Angriff<br />

67 Kilometer vor dem Ziel an. Jungels<br />

gewann Lüttich mit einem 25-Kilometer-<br />

Solo, und die letzten beiden Amstel-Gold-<br />

ERGEBNIS<br />

Auflagen waren viel taktischer, seit der<br />

Cauberg aus dem Finale entfernt wurde.<br />

Aber als van der Poel 45 Kilometer vor<br />

dem Ziel angriff, war genug Energie im<br />

Peloton, um ihn zurückzuholen. Was in<br />

einem alternativen Universum der rennentscheidende<br />

Vorstoß hätte sein können,<br />

stellte sich als taktischer Fehler heraus, da<br />

Julian Alaphilippe und Jakob Fuglsang die<br />

Gelegenheit nutzten, um wegzuspringen,<br />

als der Holländer eingeholt war.<br />

Und das hätte es sein sollen. Die zwei<br />

stärksten Fahrer in dem Rennen setzten<br />

sich an diesem entscheidenden Punkt ab,<br />

während die Verfolgergruppe auseinanderfiel.<br />

Physisch war van der Poel seinen<br />

Rivalen Fuglsang und Alaphilippe in jeder<br />

Hinsicht gewachsen, aber es gab einen<br />

wesentlichen Unterschied: Er hatte zum<br />

falschen Zeitpunkt attackiert und sich<br />

nicht absetzen können, während Fuglsang<br />

und Alaphilippe zum richtigen Zeitpunkt<br />

attackiert hatten und sich hatten<br />

absetzen können.<br />

Der Däne und der Franzose arbeiteten<br />

zusammen, hinter ihnen ein weiteres<br />

Fahrerduo aus Michał Kwiatkowski und<br />

Matteo Trentin, und dahinter eine Gruppe<br />

mit Max Schachmann, Simon Clarke<br />

und Bauke Mollema. Der Abstand wuchs<br />

auf über 45 Sekunden an, was hätte reichen<br />

sollen. Aber vielleicht wurde der<br />

Vorsprung zu groß; vielleicht fühlten sich<br />

die Spitzenreiter wohl in ihrer Überlegenheit<br />

und ihrem Timing, daher erkannten<br />

sie nicht, dass hinter ihnen noch ein Radrennen<br />

im Gange war. Eine Gruppe, in<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Mathieu van der Poel Corendon-Circus 6:28:18<br />

2 Simon Clarke EF Education First 0:00<br />

3 Jakob Fuglsang Astana 0:00<br />

4 Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 0:00<br />

5 Maximilian Schachman Bora–hansgrohe 0:00<br />

Alaphilippe hatte<br />

den Sieg vor Augen,<br />

doch am Ende<br />

reichte es nicht mal<br />

zum Podium.<br />

18<br />

Jahre seit dem<br />

letzten niederländischen<br />

Sieg<br />

der van der Poel war, jagte die dritte<br />

Gruppe. Die dritte Gruppe jagte Trentin<br />

und Kwiatkowski. Die wiederum jagten<br />

die Spitzenreiter.<br />

Im März waren Alaphilippe und Fuglsang<br />

beim Strade Bianche in einer ähnlichen<br />

Situation gewesen. Sie waren die<br />

Stärksten, fingen aber an, Spielchen zu<br />

spielen, verbrachten mehr Zeit damit, den<br />

Blick auf den anderen zu richten als auf<br />

den Sieg. Wout Van Aert kam wieder heran,<br />

nachdem er schon aus dem Rennen<br />

gewesen war, selbst wenn sich Alaphilippe<br />

im Finale behauptete. Hier, beim Amstel<br />

Gold, wurden sie wieder langsamer. Dieses<br />

Mal erwies es sich als fatal.<br />

Als der Abstand schmolz, nahm Kwiatkowski<br />

die Verfolgung der jetzt sichtbaren<br />

Führenden auf; Schachmann holte Trentin<br />

ein, und Gruppe vier, angeführt von van<br />

der Poel, holte Gruppe drei ein, die jetzt<br />

tatsächlich Gruppe zwei war, wobei Kwiatkowski<br />

knapp vor ihnen war und zu den<br />

Führenden aufschloss. Fuglsang und Ala-<br />

80 PROCYCLING | JUNI 2019


NACHLESE<br />

AMSTEL GOLD RACE LADIES EDITION / 21.04.2019<br />

NIEWIADOMA<br />

MÜNZT TALENT<br />

IN SIEG UM<br />

philippe eröffneten schließlich den Sprint,<br />

machten aber den Fehler zu denken, dass<br />

sie gegeneinander sprinteten, während ihr<br />

gefährlichster Rivale, van der Poel, ein<br />

viel höheres Tempo hatte. Es gab<br />

keine Finesse an van der Poels<br />

Kraftakt: Es begann als Verfolgung,<br />

verwandelte sich in eine<br />

Sprintvorbereitung und dann in<br />

einen Sprint. Taktisch hätte es<br />

nicht funktionieren sollen – es<br />

setzte ihn der Gefahr aus, dass<br />

andere seinen Windschatten<br />

nutzten. Doch er war<br />

so stark, dass niemand<br />

vorbeikam.<br />

Es sah vielleicht so<br />

aus, als hätte van<br />

der Poel beim<br />

Amstel Gold viel<br />

falsch gemacht,<br />

aber am Ende<br />

hat der Sieger<br />

immer recht.<br />

Van der Poels<br />

brachiale Aufholjagd<br />

beim Amstel<br />

Gold schockte<br />

seine Rivalen.<br />

Die Hindernisse auf dem Weg von<br />

Radprofis können ebenso psychologischer<br />

wie physischer Natur<br />

sein. Draußen, in der echten Welt, ist es<br />

einfach – eine Fahrerin muss schneller<br />

über die Hügel fahren als ihre Rivalinnen,<br />

und nur darum geht es bei Radrennen.<br />

Über eine Reihe von Hügeln zu fahren,<br />

mag körperlich schwer sein, aber jede Fahrerin<br />

steht vor derselben Herausforderung.<br />

Doch die psychologischen Hindernisse<br />

sind schwerer zu überwinden. Davon kann<br />

Kasia Niewiadoma ein Lied singen. Dass<br />

die polnische Fahrerin ein extremes Talent<br />

dafür hat, Anstiege hochzuklettern, steht<br />

außer Frage. Auf WorldTour-Niveau ist<br />

ihre Karriere eine Geschichte von konstant<br />

hohen Platzierungen bei Eintagesrennen,<br />

aber nur einem Sieg: dem Trofeo Alfredo<br />

Binda 2018. Das Schwere für Niewiadoma<br />

war, all das Talent, diese Platzierungen<br />

in das oberste Treppchen auf dem Podium<br />

umzumünzen.<br />

Und sie steht vor derselben Herausforderung<br />

wie alle anderen Fahrerinnen in<br />

der Women’s WorldTour: Wie schlägt<br />

man Anna van der Breggen und Annemiek<br />

van Vleuten? Dies mag eine goldene Ära<br />

im Frauenradsport sein – wir sind mit<br />

nicht nur einem, sondern zwei Talenten<br />

gesegnet, die den Sport definieren, aber es<br />

ist keine so goldene Ära aus der Sicht ihrer<br />

Rivalinnen. Niewiadoma zählt oft zum<br />

Besten vom Rest: Zweite hinter van der<br />

Breggen beim Strade Bianche 2018, Dritte<br />

bei Amstel, Flèche und Lüttich 2017, die<br />

alle von van der Breggen gewonnen wurden;<br />

Dritte hinter van Vleuten beim Strade<br />

Bianche in diesem Jahr.<br />

ERGEBNIS<br />

Aber beim Amstel Gold Race 2019 überwand<br />

Niewiadoma nicht nur die physischen<br />

Barrieren vor dem Erfolg, sie schaffte<br />

es auch, sich weit genug von ihren hol ländischen<br />

Rivalinnen abzusetzen, um das<br />

Rennen zu gewinnen. Mit ihrem Angriff<br />

am Cauberg zwei Kilometer vor dem Ziel<br />

schüttelte sie alle ab, aber die härtere Arbeit<br />

war, sich van Vleuten vom Leib zu halten,<br />

die eine entschlossene und unerbittliche<br />

Aufholjagd fuhr. Van Vleuten kann<br />

Herzen brechen – sie schloss in der Schlussphase<br />

des La Course im letzten Jahr eine<br />

scheinbar unüberwindbare Lücke zu van<br />

der Breggen und zog auf den letzten 50 Me -<br />

tern an ihr vorbei. Niewia doma drohte ein<br />

ähnliches Schicksal, aber während van<br />

Vleuten den Abstand verringerte, hielt die<br />

Polin sie auf Distanz. Auf der Kuppe war es<br />

ein Rennen zweier Fahrerinnen: Im Ziel<br />

war van Vleuten nahe genug, um zeitgleich<br />

mit der Fahrerin von Canyon-SRAM zu<br />

sein, doch es reichte nicht zum Sieg.<br />

Katarzyna Niewiadoma fuhr beim Amstel<br />

Gold Race endlich wieder zum Sieg.<br />

FAHRERIN TEAM ZEIT<br />

1 Katarzyna Niewiadoma Canyon-SRAM 3:25:48<br />

2 Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 0:00<br />

3 Marianne Vos CCC-Liv + 0:10<br />

4 Annika Langvad Boels-Dolmans + 0:10<br />

5 Soraya Paladin Alé-Cipollini + 0:10<br />

© Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 81


NACHLESE<br />

Deceuninck–Quick–Step<br />

Astana<br />

Bora–hansgrohe<br />

Mitchelton-Scott<br />

UAE Emirates<br />

Team Sky<br />

26<br />

23<br />

19<br />

17<br />

11<br />

9<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM<br />

Jumbo–Visma ..................................9<br />

Androni Giocattoli–Sidermec. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9<br />

Total Direct Energie ............................8<br />

Movistar ....................................... 7<br />

EF Education First .............................. 7<br />

SIEGE<br />

PRO LAND<br />

37<br />

ITALIEN<br />

19<br />

KOLUMBIEN<br />

32<br />

FRANKREICH<br />

18<br />

NIEDERLANDE<br />

Israel Cycling Academy ........................ 7<br />

Groupama-FDJ .................................6<br />

VitaL Concept–B&B Hotels ..................... 5<br />

Corendon-Circus ............................... 5<br />

AG2R La Mondiale .............................4<br />

6<br />

SAM<br />

BENNETT<br />

BORA–HANSGROHE<br />

SIEGE<br />

PRO FAHRER<br />

9<br />

JULIAN<br />

ALAPHILIPPE<br />

DECEUNINCK–<br />

QUICK-STEP<br />

6<br />

MATHIEU VAN<br />

DER POEL<br />

CORENDON-CIRCUS<br />

M. Schachmann Bora–hansgrohe 5<br />

Alexey Lutsenko Astana 5<br />

D. Groenewegen Jumbo–Visma 5<br />

Elia Viviani Deceuninck–Quick–Step 4<br />

Niccoló Bonifazio Total Direct Energie 4<br />

Daryl Impey Mitchelton-Scott 4<br />

Jakob Fuglsang Astana 3<br />

Caleb Ewan Lotto Soudal 3<br />

Ion Izagirre Astana 3<br />

Adam Yates Mitchelton-Scott 3<br />

M. Ángel López Astana 3<br />

FLÈCHE WALLONNE / 24.04.2019<br />

ALAPHILIPPE<br />

KNACKT DEN CODE<br />

DER MUR<br />

FLÈCHE WALLONNE FEMININ / 24.04.2019<br />

FÜNF-STERNE-SIEG<br />

FÜR VAN DER<br />

BREGGEN<br />

TOUR OF THE ALPS / 22.–26.04.2019<br />

SKY MIT GROSSER<br />

ZUKUNFT BEI DEN<br />

RUNDFAHRTEN<br />

© Getty Images (Bennett, van der Poel), BettiniPhoto (Alaphilippe); Stand: 29. 04.2019<br />

Julian Alaphilippe hat die Formel geknackt,<br />

wie man an der Mur de Huy beim Flèche<br />

Wallonne gewinnt. Tatsächlich waren die<br />

Fahrer, die der Franzose auf seinem Weg zum<br />

Sieg stellte und überholte, das Einzige, was bei<br />

seinem zweiten Sieg in zwei Jahren anders war.<br />

Beide Jahre wartete Alaphilippe auf der ersten<br />

Hälfte des Anstiegs, versteckt hinter zwei Lotto-Soudal-Fahrern.<br />

500 Meter vor dem Ziel, wo<br />

die Rampe mit 25 Prozent am steilsten ist, beschleunigte<br />

er und verfolgte einen Fahrer weiter<br />

vorn – 2019 war es Jakob Fuglsang, 2018 sein<br />

Teamkollege Max Schachmann. Einmal gestellt,<br />

hielt er sich bis 100 Meter vor der Linie im Windschatten,<br />

bevor er zum Sieg sprintete.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Julian Alaphilippe Deceuninck–Quick–Step<br />

2 Jakob Fuglsang Astana<br />

3 Diego Ulissi UAE Emirates<br />

Anna van der Breggen hat Marianne Vos’<br />

Rekord der meisten Siege beim Flèche<br />

Wallonne eingestellt und ihren fünften<br />

Sieg bei dem Ardennenklassiker gefeiert, während<br />

sie die Regenbogenstreifen der Weltmeisterin<br />

trug. Van der Breggen ist in diesem Frühjahr<br />

weniger Straßenrennen gefahren und hat stattdessen<br />

am Cape-Epic-Mountainbike-Rennen in<br />

Südafrika teilgenommen. Aber sie hat bewiesen,<br />

dass sie immer noch die beste Fahrerin an der<br />

Mur de Huy ist. Obwohl van der Breggen komfortabel<br />

mit zwei Radlängen gewann, war dies<br />

der kleinste Vorsprung bei ihren fünf Siegen, nur<br />

eine Sekunde vor ihrer Landsmännin Annemiek<br />

van Vleuten.<br />

FAHRERIN<br />

TEAM<br />

1 Anna van der Breggen Boels-Dolmans<br />

2 Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott<br />

3 Annika Langvad Boels-Dolmans<br />

Pawel Siwakows erster Profisieg bei der<br />

Tour of the Alps vor seinem Teamkollegen<br />

Chris Froome verhieß eine glänzende<br />

Zukunft für das Team Sky. Der 21 Jahre alte<br />

Russe ist der zweitjüngste Fahrer von Sky – jetzt<br />

Ineos –, aber sein Sieg bei der Bergankunft auf<br />

der 2. Etappe, mit dem er sich das Spitzenreitertrikot<br />

vor Froome und Vincenzo Nibali holte,<br />

erklärte, warum er seit Langem hoch gehandelt<br />

wurde. Siwakows Sieg kam während einer dominanten<br />

Vorstellung von Sky, bei der Tao Geoghegan<br />

Hart, 24, zwei Etappen gewann. Das<br />

heißt, dass 2019 bisher alle neun Sky-Siege<br />

bis auf einen von Fahrern geholt wurden, die<br />

25 Jahre oder jünger waren.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Pavel Sivakov Team Sky<br />

2 Tao Geoghegan Hart Team Sky<br />

3 Vincenzo Nibali Bahrain-Merida<br />

82 PROCYCLING | JUNI 2019


NACHLESE<br />

Kirsten Wild bei<br />

ihrem zweiten Sieg<br />

von Gent–Wevelgem.<br />

NIEDERLANDE<br />

SIEGE PRO LAND – FRAUEN<br />

LIÈGE–BASTOGNE–LIÈGE FEMMES / 28.04.2019<br />

VAN VLEUTENS<br />

STARKES FRÜHJAHR<br />

Annemiek van Vleuten hat gezeigt, warum<br />

sie Zeitfahr-Weltmeisterin ist: Sie spielte<br />

ihre überlegene Power aus und fuhr solo<br />

zu einem Debütsieg bei Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

mit mehr als anderthalb Minuten auf ihre nächsten<br />

Verfolgerin, nachdem sie an der Côte de la Redoute<br />

angegriffen hatte. Der Sieg war der 52. ihrer<br />

Kariere, aber der erste in Lüttich, und folgte auf<br />

ihren Sieg beim Strade Bianche im letzten Monat<br />

sowie eine Reihe von zweiten Plätzen bei der<br />

Flandern-Rundfahrt, Amstel Gold Race und<br />

Flèche Wallonne. Das heißt, dass die Holländerin<br />

2019 nur einmal die Top Five verpasst hat – der<br />

siebte Platz beim Dwars Door Vlaanderen war<br />

ihre niedrigste Platzierung.<br />

FAHRERIN<br />

13 10<br />

TEAM<br />

1 A. van Vleuten Mitchelton-Scott<br />

2 Floortje Macaij Sunweb<br />

AUSTRALIEN<br />

3 Demi Vollering Parkhotel Valkenburg<br />

DEUTSCHLAND<br />

ITALIEN<br />

LIÈGE–BASTOGNE–LIÈGE / 28.04.2019<br />

FUGLSANG GEWINNT<br />

SEIN ERSTES<br />

EINTAGESRENNEN<br />

Jakob Fuglsangs Sieg bei Lüttich–Bastogne–<br />

Lüttich war sein erster Erfolg bei einem Eintagesrennen.<br />

Vor diesem Jahr war der 34-<br />

Jährige zuletzt in die Top Five eines Eintagesrennens<br />

gefahren, als er Zweitplatzierter des olympischen<br />

Straßenrennens 2016 wurde, einer von nur<br />

zwölf Top-Five-Plätzen seiner Karriere bei Eintagesrennen.<br />

Aber Fuglsang startete 2019 besser<br />

denn je in die Saison und beendete die Ruta del<br />

Sol im Februar und die drei anderen Etappenrennen,<br />

die er fuhr, alle mindestens auf dem sechsten<br />

Platz. Er war Zweiter beim Strade Bianche, Dritter<br />

beim Amstel Gold und Zweiter beim Flèche Wallonne,<br />

bevor er Lüttich als Solist mit 27 Sekunden<br />

Vorsprung gewann.<br />

FAHRER<br />

5 4<br />

TEAM<br />

1 Jakob Fuglsang Astana<br />

2 Davide Formolo Bora–hansgrohe<br />

3 Maximilian Schachmann Bora–hansgrohe<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM –<br />

FRAUEN<br />

Mitchelton-Scott<br />

Trek-Segafredo<br />

WNT-Rotor Pro Cycling<br />

Team Virtu Cycling<br />

Boels-Dolmans<br />

SIEGE PRO<br />

FAHRERIN<br />

3 4 3<br />

MARTA<br />

BASTIANELLI<br />

TEAM VIRTU<br />

CYCLING<br />

3<br />

KIRSTEN<br />

WILD<br />

WNT-ROTOR<br />

PRO CYCLING<br />

9<br />

LOTTA<br />

LEPISTÖ<br />

TREK-<br />

SEGAFREDO<br />

Chloe Dygert Sho-Air-Twenty20 3<br />

Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 2<br />

Ellen van Dijk Trek-Segafredo 2<br />

Amanda Spratt Mitchelton-Scott 2<br />

Grace Brown Mitchelton-Scott 2<br />

4<br />

7<br />

8<br />

© Velofocus (Bastianelli), Getty Images (Wild, Lepistö), Luc Claessen/Getty Images (oben)<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 83


NACHLESE<br />

Fahrer im Fokus<br />

ALEXANDER KRISTOFF<br />

WAS WIR<br />

DIESEN MONAT<br />

GELERNT HABEN<br />

Crosstraining ist en vogue.<br />

© Getty Images<br />

Alexander Kristoffs Siege sind, seit er 2010<br />

in die WorldTour kam, einer klassischen<br />

Glockenkurve gefolgt. Null im ersten Jahr.<br />

Einer, dann zwei in der nächsten Saison, sieben<br />

2013, zweistellige Zahlen im Jahr darauf. Er erreichte<br />

seinen Zenit 2015 mit 20 Siegen. Seitdem<br />

war die Geschichte eine fast identisch verlaufende<br />

Abwärtskurve mit sinkenden zweistelligen Zahlen,<br />

dann hohen einstelligen Zahlen. Um Genesis<br />

3:19 zu zitieren: Die Karriere ist aus Staub gemacht,<br />

und zu Staub kehrt sie zurück.<br />

Aber die Zahlen täuschen über eine wieder erstarkte<br />

Form hinweg. Er gewinnt vielleicht nicht<br />

viel in puncto Quantität, aber die Qualität seiner<br />

Resultate ist hoch. Er gewann<br />

seinen ersten Tourde-France-Sprint<br />

seit vier<br />

Jahren auf den Champs-<br />

Élysées 2018, was bedeutsam<br />

war. Kristoff ist<br />

in den letzten Jahren von<br />

schnelleren Rivalen bei<br />

der Tour geschlagen worden,<br />

aber je länger und<br />

GENT–WEVELGEM<br />

MAILAND–SAN REMO<br />

härter die Rennen sind,<br />

umso besser schneidet FLANDERN-RUNDFAHRT<br />

er ab. Auf den Champs-<br />

SCHELDEPRIJS<br />

Élysées, wo Widerstandsfähigkeit<br />

und ein langer ESCHBORN–FRANKFURT<br />

Sprint zählen können,<br />

HAMBURG CYCLASSICS<br />

schlug er John Degenkolb<br />

BRETAGNE CLASSIC<br />

und Arnaud Démare (vielleicht<br />

nicht zufällig sind<br />

SIEGE GESAMT<br />

alle drei Mailand–San-Remo-Sieger). Kristoff holte<br />

auch seinen ersten großen Frühjahrssieg seit<br />

dem Scheldeprijs 2015, als er im April Gent–Wevelgem<br />

gewann. Wieder gab ein langer und ermüdender<br />

Tag im Sattel den Ausschlag für ihn, zudem<br />

hatte er sich das Rennen exzellent eingeteilt<br />

– er griff die Hauptgruppe vor der letzten Passage<br />

des Kemmelbergs an, um den Anstieg mit gleichmäßigem<br />

Tempo hochfahren zu können, statt in<br />

den roten Bereich zu gehen, um bei Beschleunigungen<br />

zu folgen.<br />

Kristoff mag zwar keine 20 Rennen im Jahr<br />

mehr gewinnen, aber dieses Frühjahr hat gezeigt:<br />

Je länger und schwerer die Rennen sind, umso<br />

schwerer ist es, ihn zu schlagen.<br />

KRISTOFFS LEISTUNGEN BEI EINTAGESRENNEN<br />

’10 ’11 ’12 ’13 ’14 ’15 ’16 ’17 ’18 ’19<br />

DNF<br />

10<br />

4<br />

7<br />

14<br />

131<br />

15<br />

17<br />

6<br />

11<br />

8 1 2 6 4 4 14<br />

14<br />

4<br />

5<br />

3<br />

DNF<br />

11<br />

5<br />

15<br />

1<br />

2 5 4 3<br />

8 1 3 2 11<br />

0 1 2 7 14 20 13 9 5 2<br />

9<br />

1<br />

1<br />

4 5 16 3<br />

15<br />

73 25<br />

1 1 1 1<br />

1<br />

Typisch: Erst wartet man Jahre, bis ein ehemaliger<br />

Cyclocross-Champion die Frühjahrsklassiker<br />

dominiert, und dann kommen<br />

drei auf einmal daher. Zdenek Štybar stand<br />

in den letzten Jahren als dreifacher Cross-Weltmeister,<br />

der sich auf die Straße verlegt hat, allein<br />

auf weiter Flur. Seine Frühjahrs-Palmarès waren<br />

beeindruckend – Siege beim Strade Bianche und<br />

in diesem Jahr beim Omloop Het Nieuwsblad und<br />

E3 Harelbeke, während er bei Paris–Roubaix auf<br />

dem Podium gestanden hat. Aber 2018 tauchte<br />

Wout Van Aert auf, ebenfalls dreifacher Cross-<br />

Weltmeister, der Top-Ten-Resultate bei Strade<br />

Bianche, Gent–Wevelgem und der Flandern-<br />

Rundfahrt geholt hat. Und 2019 war das Frühjahr<br />

von Mathieu van der Poel, der zwar erst zwei Regenbogentrikots<br />

hat, aber Vierter bei Flandern<br />

und Gent–Wevelgem wurde, Dwars door Vlaanderen<br />

gewann und vor allem einen sensationellen<br />

Sieg beim Amstel Gold Race herausfuhr.<br />

Im letzten Jahrzehnt haben nationale Verbände,<br />

die Nachwuchs für die Straße fördern wollten,<br />

den Bahnradsport als Weg dorthin genutzt. Australien<br />

und Großbritannien haben mit ihren<br />

Bahnprogrammen in den frühen 2000ern eine<br />

goldene Generation von Straßenfahrern hervorgebracht.<br />

Andere, wie Italien, haben es ihnen<br />

nachgemacht – Elia Viviani ist Olympiasieger im<br />

Omnium. Aber man darf gespannt sein, ob die<br />

Cyclocross-Route weiter ausgebaut wird oder ob<br />

Straßen-Talentscouts nach Cross-Fahrern Ausschau<br />

halten, die Štybar, Van Aert und van der<br />

Poel nacheifern können. Der Brite Tom Pidcock ist<br />

ein U23-Zeitfahr-Weltmeister und Roubaix-Sieger<br />

der Junioren, aber er ist auch Junioren- und<br />

U23-Cyclocross-Champion. Sicher ist, dass van<br />

der Poel nicht der letzte konvertierte Crosser ist,<br />

der ein großes Straßenrennen gewinnt.<br />

84 PROCYCLING | JUNI 2019


NACHLESE<br />

TAKTIK-TIPPS: EINER GEGEN VIELE<br />

Alberto Bettiols Sieg bei der Flandern-Rundfahrt<br />

beruhte auf<br />

seiner Überlegenheit am Oude<br />

Kwaremont. Wenn einer der anderen<br />

Fahrer an diesem Punkt 17 Kilometer<br />

vor dem Ziel ihm hätte folgen können,<br />

hätte er das getan. Dass keiner mitging,<br />

zeigte, wer der stärkste Fahrer des Rennens<br />

war. Aber Rennen werden nicht nur<br />

mit Stärke alleine gewonnen. Nach Kwaremont<br />

und Paterberg hatte Bettiol weniger<br />

als eine halbe Minute Vorsprung auf<br />

eine 17-köpfige Gruppe. Wenn diese<br />

Fahrer sich organisiert und mit der Tempoarbeit<br />

abgewechselt hätten, hätten sie<br />

ihn normalerweise eingeholt. Aber das<br />

Feng Shui in dieser Gruppe stimmte<br />

nicht. Erstens waren drei der Fahrer unter<br />

ihnen – Kristoff, Sagan and Matthews<br />

– exzellente Sprinter und einige weitere<br />

– van der Poel, Van Avermaet und Valverde<br />

– ebenfalls ziemlich schnell. Die<br />

zweite, eng damit zusammenhängende<br />

Tatsache war, dass keiner von diesen<br />

Fahrern Teamkollegen hatte. Drittens<br />

hatten die zwei Teams, die mit mehr als<br />

einem Fahrer vertreten waren – Lotto mit<br />

Benoot und Keukeleire sowie Deceuninck<br />

Am Oude Kwaremont<br />

war Alberto<br />

Bettiol zu stark für<br />

die Konkurrenz<br />

und setzte sich ab;<br />

danach fehlte es<br />

bei den Verfolgern<br />

an Einigkeit.<br />

mit Jungels und Lampaert – zufälligerweise<br />

keine Sprinter dabei. Die Sprinter<br />

wollten, dass das Rennen wieder zusammenlief;<br />

die einzigen Teams, die fähig<br />

waren, das Szenario herbeizuführen,<br />

hatten keine Sprinter. (Noch ein relevanter<br />

Fakt: Bettiols Teamkollege Langeveld<br />

bekam es sauber hin, die Nachführarbeit<br />

zu stören und Angriffe zu unterbinden).<br />

Die Gruppe hätte zusammen fahren<br />

müssen wie eine gut geölte Maschine;<br />

stattdessen fuhr sie stotternd und mit<br />

Fehlzündungen bis zum Ziel. Bettiol war<br />

nie gefährdet.<br />

© Chris Auld<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 85


NACHLESE<br />

Wir haben uns die zwölf größten europäischen<br />

Frühjahrsrennen angeschaut – Omloop, Kuurne,<br />

Strade Bianche, San Remo, E3, Wevelgem, Dwars door<br />

Vlaanderen, Flandern, Roubaix, Amstel, Flèche und Lüttich<br />

– und unsere Berechnungen angestellt.<br />

WER FUHR DIE<br />

MEISTEN RENNEN?<br />

Michael Valgren ging bei zehn der zwölf Frühjahrsrennen an<br />

den Start, beendete jedoch nur sieben davon. Sieben Fahrer<br />

bestritten neun der Rennen und kamen bei jedem ins Ziel.<br />

BESTER DER<br />

ARDENNEN<br />

Bei den drei Ardennenklassikern Amstel Gold Race, Flèche<br />

Wallonne und Lüttich–Bastogne–Lüttich zeigte sich ein Fahrer<br />

klar überlegen: Jakob Fuglsang. Wie schnitten die anderen Fahrer<br />

ab, die bei allen drei Rennen ins Ziel kamen?<br />

FAHRER AMSTEL FLÈCHE LIÈGE<br />

1 J. Fuglsang Astana 3 2 1<br />

2 M. Schachmann Bora–hansgrohe 5 5 3<br />

3 J. Alaphilippe Deceuninck–Quick-Step 4 1 16<br />

4 B. Lambrecht Lotto Soudal 6 4 27<br />

5 M. Kwiatkowski Team Ineos 11 16 12<br />

6 R. Bardet AG2R La Mondiale 9 13 21<br />

7 P. Konrad Bora–hansgrohe 26 7 13<br />

8 M. Matthews Sunweb 16 8 35<br />

9 S. Clarke EF Education First 2 23 40<br />

10 A. De Marchi CCC Team 7 21 41<br />

© Yuzuru Sunada (oben rechts, Valgren, Gilbert), BettiniPhoto (Avermaet), Getty Images<br />

10/7<br />

MICHAEL<br />

VALGREN<br />

9/9<br />

OLIVER<br />

NAESEN<br />

PFLASTER-<br />

STARS<br />

Die Kopfsteinpflaster-Klassiker wurden<br />

wieder mal von Deceuninck–Quick-Step<br />

dominiert. Wir haben die besten Ergebnisse<br />

der Fahrer addiert und errechnet, dass Bob<br />

Jungels mit seinem Sieg bei Kuurne und<br />

hohen Platzierungen bei E3 und Dwars<br />

door Vlaanderen knapp vor Zdenĕk Štybar<br />

mit zwei Siegen liegt.<br />

9/9<br />

JENS<br />

KEUKELEIRE<br />

9/9<br />

EDWARD<br />

THEUNS<br />

9/9<br />

STEFAN<br />

KÜNG<br />

9/9<br />

GREG VAN<br />

AVERMAET<br />

9/9<br />

YVES<br />

LAMPAERT<br />

9/8<br />

CHRIS<br />

JUUL-JENSEN<br />

9/9<br />

MATEJ<br />

MOHORIČ<br />

9/7<br />

PHILIPPE<br />

GILBERT<br />

AUFGABEN<br />

ZHANDOS<br />

BIZHIGITOV<br />

ASTANA<br />

TOP-TEN-PLÄTZE<br />

7 5<br />

OLIVER<br />

NAESEN<br />

AG2R LA MONDIALE<br />

596<br />

FAHRER FUHREN<br />

MINDESTENS<br />

EINEN<br />

KLASSIKER<br />

FAHRER NAT. TEAM OHN KBK E3 GW DDV FR PR<br />

1 Bob Jungels Deceuninck–QS 16 1 5 – 3 16 –<br />

2 Zdenĕk Štybar Deceuninck–QS 1 34 1 35 – 36 8<br />

3 Nils Politt Katusha-Alpecin 19 disq. 6 – 21 5 2<br />

4 Greg Van Avermaet CCC Team 2 – 3 20 – 10 12<br />

5 Yves Lampaert Deceuninck–QS 7 5 18 77 8 17 3<br />

6 Alexander Kristoff UAE Emirates – – 21 1 12 3 56<br />

7 Oliver Naesen AG2R La Mondiale 10 43 8 3 19 7 13<br />

8 Philippe Gilbert Deceuninck–QS 8 – 11 22 DNF DNF 1<br />

9 Matteo Trentin Mitchelton-Scott 9 DNF 7 7 – 21 43<br />

10 Wout Van Aert Jumbo–Visma 13 – 2 29 – 14 22<br />

11 Jens Keukeleire Lotto Soudal 11 7 14 15 11 12 29<br />

86 PROCYCLING | JUNI 2019


NACHLESE<br />

Bob Jungels kommt<br />

mit Pflastersteinen<br />

optimal zurecht und<br />

konnte in Kuurne<br />

überragend siegen.<br />

© Tim de Waele/Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 87


88 PROCYCLING | JUNI 2019


ZWISCHEN<br />

DEN WELTEN<br />

Gravel-Bikes liegen im Trend, doch was genau darunter<br />

zu verstehen ist, kann auch unser Testfeld nicht klären:<br />

Zu unterschiedlich sind die Räder, die zu diesem Thema<br />

geliefert werden. Ausgehend von 35 bis 40 Millimeter<br />

breiten Reifen, gehen sie mal mehr in Richtung Rennrad,<br />

mal mehr in Richtung Crosser – oder sind wirklich auf<br />

Offroad-Touren und -Reisen abgestimmt. Interessant<br />

und vielseitig ist die noch junge Gattung in jedem Fall.<br />

Text Caspar Gebel<br />

Fotografie Andreas Meyer<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 89


RADTEST<br />

AIRSTREEEM GRAVELLER<br />

7.420 € // www.airstreeem.com<br />

Der Salzburger Hersteller definiert<br />

„Gravel“ sehr nah am Aero-Rennrad.<br />

Mit integriertem Gabelkopf,<br />

tief angesetzten Sitzstreben, ausgekehltem<br />

Sitzrohr und Aero-Stütze wirkt der<br />

Graveller erst einmal wie ein typisches<br />

Modell der Österreicher. Doch die Reifen<br />

fallen mit 35 Millimetern ziemlich breit<br />

aus, und schon sind wir bei dem Alleinstellungsmerkmal<br />

dieser Rennmaschine:<br />

FAZIT<br />

Die eigentlich im<br />

Triathlon beheimateten<br />

Salzburger<br />

bleiben ihren<br />

Wurzeln treu und<br />

stellen ein Rennrad<br />

vor, das mit 35-Milli -<br />

meter-Pneus sehr<br />

große Freiheiten<br />

bei der Streckenwahl<br />

bietet, dabei<br />

aber jederzeit für<br />

Highspeed gut ist.<br />

Der Graveller ist nichts anderes als ein<br />

Aero-Rad, das mit bis zu 40 Millimeter<br />

breiten Reifen bestückt werden kann, kein<br />

offroad-taug licher Reiserenner in Stil eines<br />

Crossers. Doch wenn es darum geht, mit<br />

ihm ab und zu auf nicht asphaltierten<br />

Strecken, Kopfsteinpflaster oder Ähnlichem<br />

zu fahren, ist das Airspeeed ideal.<br />

Selbst mit den breiten Pneus ist das Rad<br />

sehr leicht – nur knapp acht Kilo –, dazu<br />

schnell und handlich. Schwalbes G-One<br />

Allround rollt überraschend leicht, bietet<br />

mit reduziertem Druck viel Grip im Gelände<br />

und sorgt in schnellen Kurven für optimale<br />

Bodenhaftung; der Rahmen ist mit<br />

noch recht kurzem Radstand und eher<br />

steilem Lenkwinkel handlich und agil. Ein<br />

Blick auf die Geometrietabelle überrascht:<br />

Abgesehen von den zwei ausgewiesenen<br />

Aero-Spezialisten „Super TT“ ist kein<br />

Airstreeem-Bike so aggressiv geschnitten<br />

wie der Graveller. Ein komfortorientierter<br />

Tourenrenner ist dieses Rad definitiv nicht.<br />

Dazu passt die edle Komplettierung mit<br />

mechanischer Dura-Ace und tiefen Carbonfelgen;<br />

verbaut sind dazu ein leichter<br />

Carbonsattel sowie ein griffgünstiger Aero-<br />

Lenker mit flachem Oberlenker. Kurz: Der<br />

Graveller ist eher „Rennrad +“ als Gravel-<br />

Bike, damit aber der vielleicht perfekte Kompromiss<br />

zwischen Straße und Gelände.<br />

SPECS<br />

Rahmen Ultralight<br />

Carbon<br />

Gabel<br />

Vollcarbon<br />

Schaltung<br />

Shimano<br />

Dura-Ace<br />

Kurbelsatz<br />

Shimano<br />

Dura-Ace<br />

Laufradsatz<br />

Carbon Aero 50<br />

Bereifung<br />

Schwalbe G-One<br />

Allround 35 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Speeed<br />

Carbonlight<br />

Sattel Speeed<br />

Carbonlight<br />

Stütze<br />

Graveller Carbon<br />

Gewicht<br />

7,97/1,48/1,78 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

90 PROCYCLING | JUNI 2019


RADTEST<br />

BERGAMONT GRANDURANCE ELITE<br />

2.599 € // www.bergamont.com<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

Ultra Lite High<br />

Strength Carbon<br />

Gabel Grandurance<br />

Carbon<br />

Schaltung<br />

SRAM Apex 1<br />

Kurbelsatz<br />

SRAM Apex 1<br />

Laufradsatz<br />

Mavic Allroad<br />

Bereifung<br />

Schwalbe G-One<br />

Allround 35 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Syncros RR2.5/<br />

Creston 2.0<br />

Sattel<br />

Syncros FL2.5<br />

Stütze<br />

Syncros RR2.5<br />

Gewicht<br />

9,16/1,55/2,27 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

Mit nach außen gebogenem Unterlenker<br />

und 1x11-Schaltung<br />

ist das Bergamont auf den ersten<br />

Blick als klassisches Gravel-Bike zu erkennen:<br />

abgeleitet vom Crosser, mit einem<br />

breiteren Übersetzungsspektrum versehen<br />

und für Touren geeignet. Die spezielle<br />

Lenkerform erleichtert die Montage einer<br />

breiten Lenkertasche; an der Alustütze<br />

lässt sich eine große Satteltasche befestigen.<br />

Ungewöhnlich ist der Schnellspanner<br />

an der Sattelklemme – vielleicht zum Absenken<br />

des Sattels an Steilstücken bergab.<br />

Bergamont veredelt das Topmodell der<br />

Grandurance-Reihe mit einem schlanken<br />

Carbonrahmen, dessen Gewindeösen die<br />

Montage von Schutzblechen ermöglichen.<br />

Auch ein Umwerfersockel kann montiert<br />

werden. Hinterbau und Gabel sind mit<br />

Steckachsen ausgestattet; bei der Forke hat<br />

es leider nicht für eine Innenverlegung der<br />

Bremsleitung gereicht. Vorne ist bereits ein<br />

kleiner „Fender“ montiert. Die Sitzhaltung<br />

fällt etwas kompakter aus als etwa auf<br />

dem Crossrad, ist aber nicht allzu aufrecht;<br />

bei fünf Rahmenhöhen wachsen die Rahmen<br />

stärker in der Höhe als in der Länge.<br />

Auch die Hamburger montieren den<br />

G-One Allround in 35 Millimeter Breite.<br />

Ein 40er dürfte noch durch Rahmen und<br />

Gabel passen, nicht jedoch die Zwei-Zoll-<br />

Walzen mancher Hardcore-Graveller – auf<br />

extreme Offroad-Einsätze ist also auch dieses<br />

Rad nicht abgestimmt. Dafür auf steile<br />

Anstiege: Mit 11-42 Zähnen hinten und<br />

42er-Blatt ist eine 1:1-Übersetzung an Bord.<br />

Die SRAM Apex schaltet knackig und bremst<br />

tadellos; ein Unterschied gegenüber den<br />

teureren Gruppen des Anbieters ist nicht<br />

feststellbar. Mit anderen Reifen könnte der<br />

Radsatz auch schlauchlos gefahren werden.<br />

FAZIT<br />

Das Bergamont<br />

liegt noch etwas<br />

näher am Crosser<br />

als am Extrem-<br />

Reise-Offroad-<br />

Rennrad, ist aber in<br />

Sachen Übersetzung,<br />

Sitzhaltung<br />

und Bereifung klar<br />

„Gravel“, dazu gut<br />

ausgestattet, attraktiv<br />

ausgepreist und<br />

nicht zu schwer.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 91


RADTEST<br />

CENTURION CROSSFIRE GRAVEL 4000<br />

2.449 € // www.centurion.com<br />

Die süddeutsche Marke hat sich<br />

komplett aus dem Rennradsegment<br />

verabschiedet, bietet jedoch<br />

noch eine Handvoll Geländerenner an –<br />

Ehrensache, Centurion-Gründer Wolfgang<br />

Renner war schließlich mehrfacher deutscher<br />

Querfeldein-Meister. Eine Unterscheidung<br />

zwischen Cross und Gravel findet<br />

freilich nicht statt, mit weniger als<br />

2.500 Euro ist zudem selbst das Topmo-<br />

FAZIT<br />

Centurion liegt mit<br />

dem Crossfire nah<br />

am Quer feldeinrad,<br />

wobei die Straßenübersetzung<br />

der<br />

Kurbel weder hier<br />

noch da passt. Es sei<br />

denn, man montiert<br />

den Träger und geht<br />

mit dem insgesamt<br />

gelungenen Rad auf<br />

Reisen über Asphalt<br />

und Naturwege.<br />

dell eher günstig. Für diesen Preis bekommt<br />

man eine Ultegra mit Straßenübersetzung<br />

(53/34; 11-32), montiert an<br />

einen kühl wirkenden gebürsteten Alurahmen<br />

mit knallroter Carbongabel und<br />

modernen Details: Züge und Leitungen<br />

werden durch Gabel und Unterrohr geführt,<br />

wobei hinterer Schaltzug und hintere<br />

Bremsleitung ab dem Tretlager außen<br />

an den Ketten streben verlaufen; vorne wie<br />

hinten kommen zeitgemäße Steckachsen<br />

zum Einsatz. Außerdem gehört Centurion<br />

zu den ganz wenigen Anbietern, die ein<br />

Direct-Mount-Ausfallende spezifizieren.<br />

Das Crossfire Gravel ist moderat komfortabel<br />

geschnitten, wobei kurzer Vorbau<br />

und Spacer am Testrad eine eher aufrechte<br />

Haltung ergeben. Auch hier sorgt ein unten<br />

breiterer Lenker für Taschen-Kompatibilität,<br />

Gravel-typische Gewindeösen an<br />

allen möglichen Stellen fehlen jedoch. Dafür<br />

erlauben die hinteren Ausfallenden die<br />

Montage eines speziellen Gepäckträgers,<br />

dessen Belastbarkeit von 15 auf 25 Kilo<br />

gesteigert werden kann, wenn man spezielle<br />

Zusatzstreben montiert.<br />

Die 38er-Tubeless-Reifen rollen sehr<br />

leicht, bieten mit Schulterstollen jedoch<br />

auch Kurvengrip auf losem Untergrund.<br />

Für breitere Reifen bietet der Rahmen ausreichend<br />

Platz.<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

Crossfire Gravel<br />

Gabel<br />

Cross Carbon<br />

Schaltung<br />

Shimano<br />

Ultegra<br />

Kurbelsatz<br />

Shimano<br />

Ultegra<br />

Laufradsatz<br />

Procraft/DT Swiss<br />

350 Road<br />

Bereifung<br />

Maxxis Rambler<br />

38 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Procraft AL OS<br />

PRO/Gravel<br />

Sattel<br />

Procraft Race III<br />

Stütze Procraft<br />

JD-SP67T.2<br />

Gewicht<br />

9,62/1,57/2,01 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

92 PROCYCLING | JUNI 2019


RADTEST<br />

CORRATEC ALLROAD C2<br />

2.699 € // www.corratec.com<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

Corratec Allroad<br />

Carbon<br />

Gabel Corratec<br />

Pro Control Fork<br />

Schaltung<br />

Shimano<br />

Ultegra<br />

Kurbelsatz<br />

Shimano<br />

FC-RS 510<br />

Laufradsatz<br />

ZZYZX 700C Disc<br />

Bereifung<br />

Schwalbe G-One<br />

Allroad 40 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

ZZYZX SL Alloy<br />

Sattel Fizik<br />

Antares R7<br />

Stütze Carbon<br />

Gewicht<br />

9,64/1,78/2,25 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

Das mattgraue Corratec präsentiert<br />

sich ausgesprochen formschön mit<br />

integriertem Gabelkopf, säuberlich<br />

innen verlegten Zügen wie Leitungen und<br />

einer nahezu unsichtbaren Sitzklemme.<br />

Gabelbeine und Unterrohr erwecken mit<br />

ihren aerodynamischen Formen den Eindruck<br />

eines schnellen Straßenrenners,<br />

doch spätestens die diversen Gewinde ösen<br />

zeigen, dass hier ein echter Allrounder vor<br />

einem steht, der mit 40-Millimeter-Reifen<br />

dazu ziemlich geländetauglich ist. Und<br />

der üppige Durchlauf deutet an, dass noch<br />

breitere Pneus gefahren werden können.<br />

Die Schaltung ist mit einer einfachen Shimano-Kompakt-Kurbel<br />

und 11-32 hinten<br />

für fast alles gerüstet, schnelle Abfahrten<br />

wie steile Anstiege. Mit ausgewogener Sitzposition<br />

ist das Corratec ebenso sportlich<br />

wie tourentauglich; flacher Lenkwinkel und<br />

langer Radstand sorgen für ein ruhiges<br />

Fahrverhalten, Bereifung und Carbonstütze<br />

für Komfort. Der hochwertige Fizik-<br />

Sattel fährt sich sehr angenehm, und zum<br />

griffigen Lenkerband gesellen sich breite<br />

Gummi-Endkappen, die ein Abrutschen<br />

am Unterlenker verhindern.<br />

Die Ultegra-Komponenten des Allroad<br />

liefern bewährt gute Funktion ab in Form<br />

von geschmeidigen Schaltvorgängen und<br />

hoher Bremskraft. Und auch hier überzeu-<br />

gen die ebenso geschmeidigen wie griffigen<br />

Schwalbe-Reifen – eine Verbesserung<br />

könnte nur noch die Tubeless-Variante<br />

bringen, die für einen Reifen dieser Breite<br />

schon fast unheimlich leicht abrollt.<br />

Eher unmodern ist freilich der 32-Speichen-Radsatz,<br />

der komplett mit Kranz<br />

und Reifen über vier Kilo auf die Waage<br />

bringt – kein Wunder, dass das Komplettrad<br />

mit Pedalen über zehn Kilo wiegt.<br />

FAZIT<br />

Im dezenten<br />

Rennrad-Look<br />

gehalten, bietet<br />

das Corratec<br />

viel Gravel-<br />

Funktion mit<br />

breiten Reifen und<br />

diversen Gewindeösen.<br />

Die Ausstattung<br />

ist solide;<br />

für ein Carbonrad<br />

ist das Allroad<br />

freilich eher<br />

schwer.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 93


RADTEST<br />

FUJI JARI CARBON 1.1<br />

2.899 € // www.fujibikes.com<br />

Am Fuji Jari Carbon 1.1 lässt sich<br />

vorzüglich zeigen, wie ein spezialisiertes<br />

Gravel-Bike aussieht. Die<br />

US-Firma präsentiert einen echten Offroader<br />

mit unten in die Breite gezogenem<br />

Rennlenker und zahlreichen Details, die<br />

das Rad interessant für Langstreckenfahrer<br />

machen. Los geht’s mit dem Rahmen,<br />

der mit einem Gewicht von unter 1.000<br />

Gramm (Herstellerangabe) sehr leicht aus-<br />

FAZIT<br />

Die hierzulande<br />

leider unterrepräsentierte<br />

Marke<br />

stellt ein Gravel-<br />

Bike „im klassischen<br />

Sinne“ vor:<br />

auf Radreisen und<br />

schweres Gelände<br />

abgestimmt, opti -<br />

mal übersetzt, dazu<br />

optisch gelungen,<br />

recht leicht und<br />

ziemlich preiswert.<br />

fällt und mit zahlreichen Gewindebohrungen<br />

versehen ist. Am Unterrohr können<br />

zwei Flaschenhalter montiert werden, dazu<br />

eine am Sitzrohr und eine an jedem Gabelbein.<br />

Das Oberrohr ist hinten/unten mit<br />

einem Schulterpolster zum Tragen ausgestattet,<br />

vorne/oben mit einer angeschraubten<br />

„Bento box“ – einer kleinen Tasche mit<br />

Reißverschluss, in die man etwa Energieriegel<br />

packen kann. Auch Schutzbleche lassen<br />

sich montieren; Züge und Leitungen<br />

sind fein säuberlich innen verlegt. Die flachen<br />

Kettenstreben sowie der auffällige<br />

Knick in den Sitzstreben dienen dem Komfort:<br />

Bis zu 15 Millimeter Federweg soll der<br />

Carbonhinterbau damit bieten. Dazu sind<br />

43 Millimeter breite Panaracer mit schnellem,<br />

dabei griffigem Profil montiert; wie die<br />

WTB-Felgen sind sie „tubeless ready“. Gabel<br />

wie Hinterbau lassen Platz für breitere<br />

Reifen, außerdem kann das Rad mit<br />

650B-Laufrädern gefahren werden. Richtig<br />

exotisch wird’s bei der Übersetzung: Zur<br />

11-34er-Kassette gibt es vorne 46/30<br />

Zähne, einen Berggang unterhalb von 1:1<br />

also, was gerade angesichts der breiten Reifen<br />

sinnvoll ist. Schaltung und Bremsen<br />

entstammen der Ultegra-Familie. Mit 9,1<br />

Kilo ist das Jari Carbon recht leicht, ebenso<br />

sein Radsatz; optisch gelungen und preiswert<br />

ist das Rad dazu.<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

C15 One-Piece<br />

UHM Carbon<br />

Gabel FC-440<br />

Cross Carbon<br />

Schaltung<br />

Shimano Ultegra<br />

Kurbelsatz FSA<br />

Energy Modular<br />

Laufradsatz<br />

WTB KOM Light<br />

i23 TCS 2.0<br />

Bereifung<br />

Panaracer<br />

Gravelking SK<br />

43 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Oval Concepts<br />

707/325<br />

Sattel Oval<br />

Concepts X38<br />

Stütze Oval<br />

Concepts 905<br />

Gewicht<br />

9,08/3,38 kg<br />

(kpl. o. P./Radsatz)<br />

94 PROCYCLING | JUNI 2019


Nur für kurze Zeit<br />

59,90 € *<br />

statt 150 €<br />

6<br />

JAHRESABO<br />

SPEZIAL<br />

Zu bestellen unter<br />

0049 991 991 380 19 abo@wom-medien.de www.procycling.de/de/abo<br />

* inkl. Mwst / zzgl. Versandkosten / solange der Vorrat reicht<br />

12 Ausgaben +<br />

GripGrap Handschuhe +<br />

WD 40 Kettenöl +<br />

SKS Minipumpe +<br />

<strong>Procycling</strong> Shirt +<br />

<strong>Procycling</strong> Flasche +<br />

<strong>Procycling</strong> Socken


RADTEST<br />

ROSE BACKROAD GRAVEL<br />

2.549 € // www.rosebikes.com<br />

Das Gravel-Bike aus Bocholt ist bis<br />

auf die Bereifung identisch mit<br />

dem Backroad Cross, einem Querfeldeinrad<br />

auf aktuellem Stand. Darunter<br />

versteht man beim Rose-Versand erst einmal<br />

einen glattflächigen Carbonrahmen in<br />

elegantem Blauton, bei dem alle Züge und<br />

Leitungen innen verlaufen und an den neben<br />

den zwei Flaschenhaltern keine weiteren<br />

Zubehörteile geschraubt werden kön-<br />

FAZIT<br />

Cross oder Gravel?<br />

Bei Rose ist das eine<br />

Frage der Reifen<br />

sowie der Übersetzung.<br />

Womit das<br />

Backroad die sport -<br />

liche Variante der<br />

Gattung ist, die zu<br />

schnellen Runden<br />

im Gelände einlädt,<br />

wobei der Lenker<br />

auch eine Lenkertasche<br />

zulässt.<br />

nen, mal abgesehen von Schutzblechen.<br />

Die Sitzgeometrie auf dem Backroad ist,<br />

anders als bei manch anderem sportlichen<br />

Crosser, eher relaxed und kompakt, dafür<br />

lenkt sich das Rad wendig und handlich.<br />

Die Sitzhaltung passt also gut zu einem<br />

Gravel-Bike.<br />

Ebenso wie die Übersetzung mit 42er-<br />

Kettenblatt und 11-42 hinten, die gleichen<br />

Gänge, mit denen auch die Cross-Variante<br />

ausgeliefert wird und die dort nicht<br />

ganz passen – aber im Rose-Konfigurator<br />

kann man die Kassette ebenso wie Lenkerbreite,<br />

Vorbaulänge und andere Spezifikationen<br />

nach Belieben ändern. Breitere<br />

Reifen als die 40 sind nicht im Angebot,<br />

würden jedoch passen – typisch für einen<br />

Crosser, ist der Durchlauf ziemlich groß,<br />

damit sich kein Matsch festsetzen kann.<br />

Ein weiteres Gravel-typisches Detail ist<br />

der Rennbügel mit um zwölf Grad nach<br />

außen abgewinkeltem Unterlenker, der<br />

mehr Kontrolle bergab erlaubt.<br />

Die vorzüglich funktionierenden Komponenten<br />

mit knackigen elf Gängen und<br />

scharfen Discbrakes sind auch an deutlich<br />

teureren Bikes zu Hause, warum also<br />

nicht einen zweiten Laufradsatz besorgen,<br />

sodass man das Backroad entweder als<br />

richtigen Crosser oder als Gravel-Bike mit<br />

breiteren Reifen fahren kann?<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

High Modulus<br />

Aerospace Carbon<br />

Gabel<br />

High Performance<br />

Disc<br />

Schaltung<br />

SRAM Force 1<br />

Kurbelsatz<br />

SRAM Force 1<br />

Laufradsatz<br />

Rose R Thirty Disc<br />

Bereifung<br />

Schwalbe G-One<br />

Allroad 40 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Ritchey WCS<br />

C220/WCS<br />

Evomax<br />

Sattel Selle Italia<br />

Novus Flow<br />

Stütze Rose<br />

RC-170 Carbon<br />

Gewicht<br />

8,62/1,61/2,26 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

96 PROCYCLING | JUNI 2019


RADTEST<br />

SPECIALIZED DIVERGE EXPERT X1<br />

4.799 € // www.specialized.com<br />

SPECS<br />

Rahmen<br />

FACT 9r Carbon<br />

Gabel<br />

FACT Carbon<br />

Schaltung<br />

SRAM Force 1<br />

Kurbelsatz Praxis<br />

Zayante Carbon 1X<br />

Laufradsatz<br />

Roval C38 Disc<br />

Bereifung<br />

Sawtooth 2Bliss<br />

Ready 38 mm<br />

Vorbau/Lenker<br />

Specialized<br />

Adventure<br />

Gear Hover<br />

Sattel<br />

Body Geometry<br />

Phenom Expert<br />

Stütze<br />

Specialized<br />

Carbon<br />

Gewicht<br />

8,61/1,53/2,0 kg<br />

(kpl. o. P./VR/HR)<br />

Mit Sichtcarbon und Glitterlack ist<br />

das Diverge ein ausgesprochen<br />

attraktives Gravel-Bike – so hip<br />

wie der neue Rennradtrend selbst, dabei<br />

konsequent auf Komfort getrimmt. Die<br />

weit ausgezogene Stütze mit dem charakteristischen<br />

Knick ist sicht- und spürbar<br />

vibrationsdämpfend; im Gabelschaft sitzt<br />

das „Future Shock“-System mit 20 Millimeter<br />

Federweg. Im Vergleich zu älteren<br />

Ausführungen führen auch harte Stöße<br />

nun nicht mehr dazu, dass die Federung<br />

durchschlägt; Dauervibrationen und kleinere<br />

Schläge werden abgepuffert und sorgen<br />

für einen lockeren Griff am Flare-Lenker.<br />

Dieser ist auch nach oben gezogen<br />

und sorgt zusammen mit der extrem entspannten<br />

Sitzgeometrie für eine ungewohnt<br />

aufrechte Haltung: Im Vergleich zu<br />

einem Specialized-Crosser bietet das Diverge<br />

bei gleichem „Reach“ gut sechs Zentimeter<br />

mehr „Stack“. Das ist angenehm<br />

auf entspannten Geländetouren und perfekt<br />

auf den Einsatz zweck abgestimmt.<br />

Als einziger Anbieter im Testfeld verbaut<br />

Specialized eine XG-Kassette mit<br />

10er-Abschlussritzel, das zusammen mit<br />

dem 40er-Kettenblatt für einen ausreichend<br />

lang übersetzten Schnellgang sorgt.<br />

Am Berg steht mit 40-42 sogar eine Untersetzung<br />

zur Verfügung; die Abstufung<br />

muss dafür etwas grob ausfallen, was im<br />

Gelände freilich kein Nachteil ist.<br />

Die Amerikaner montieren ihren hauseigenen<br />

Sawtooth-Reifen, der auf Asphalt<br />

sehr ruhig und leicht rollt, mit dem mäßig<br />

tiefen Sägezahnprofil aber auch auf losem<br />

Untergrund sichere Haftung bietet. Allerdings<br />

sind die Reifen mit 38 Millimetern<br />

nicht allzu breit und der Durchlauf ist vorne<br />

wie hinten nicht allzu üppig bemessen.<br />

FAZIT<br />

Dem ziemlich<br />

leichten Specialized<br />

kann man<br />

„Gravel pur“ be -<br />

scheinigen mit<br />

sehr aufrechter<br />

Sitzhaltung, opti -<br />

maler Übersetzung<br />

und sogar einer<br />

Federung im<br />

Gabelschaft. Nur<br />

die Reifen dürften<br />

etwas breiter sein.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 97


RETRO<br />

ONCE<br />

DIE LETZTEN<br />

KRIEGER<br />

In den 1990ern stellte das spanische Team<br />

ONCE die etablierte Radsport-Hierarchie und die<br />

traditionellen Methoden auf den Kopf, bevor sie sich zu<br />

ernsthaften Herausforderern für ihre Rivalen Banesto bei<br />

der Tour de France entwickelten. <strong>Procycling</strong><br />

untersucht, wie ihnen das gelang.<br />

Text William Fotheringham Fotografie Getty Images<br />

Jedes große Team hat zu irgendeinem Zeitpunkt<br />

in seiner Geschichte einen Moment<br />

des Durchbruchs. Es ist nicht unbedingt ein<br />

Sieg. Es ist eher ein Punkt bei einem hochkarätigen<br />

Rennen, wo dieses Team zusammenarbeitet<br />

und als Einheit beeindruckt, mehr wird als die<br />

Summe seiner einzelnen Teile. Im Fall des spanisches<br />

Teams ONCE, gesponsert von der Blindenorganisation<br />

des Landes, kam dieser Augenblick<br />

bei der Tour de France 1992 auf der 15. Etappe<br />

nach Saint-Étienne, als das Rennen die Alpen<br />

hinter sich ließ und sich nach Paris bewegte.<br />

Der Col de la Croix de Chaubouret, der entscheidende<br />

Anstieg vor dem Ziel, war der Punkt,<br />

an dem ONCE in Aktion trat. Hier machten die<br />

Männer in Pink – eine Abwechslung zu ihrem<br />

üblichen gelben Outfit – einen konzertierten Versuch,<br />

Johan Museeuw das Grüne Trikot zu entreißen,<br />

um es mit Laurent Jalabert zu übernehmen:<br />

Im Anstieg verschärfte der australische Domestik<br />

Neil Stephens immer wieder das Tempo und dezimierte<br />

die Gruppe, an deren Ende Museeuw zu<br />

kämpfen hatte.<br />

Es war ein weiteres Scharmützel in einem<br />

Kampf, der begonnen hatte, als Jalabert neun<br />

Etappen zuvor eine dramatische Etappe nach<br />

Brüssel gewonnen hatte; die beiden hatten das<br />

Trikot danach abwechselnd getragen, aber hier<br />

war die Gelegenheit für ONCE, einen entscheidenden<br />

Vorsprung zu erringen. Und so kam es:<br />

In Saint Etienne war von Museeuw nichts mehr<br />

zu sehen, Jalabert wurde Vierter und schlüpfte ins<br />

Grüne Trikot, das er bis Paris tragen sollte – als<br />

erster Franzose seit Bernard Hinault 1979.<br />

Das Grüne Trikot der Tour 1992 war nicht der<br />

erste große Sieg für ONCE. Im Gegenteil. 1991<br />

gewann das Team die Vuelta mit dem unbekannten<br />

Melcior Mauri, aber das hätte man als Glückstreffer<br />

abtun können. Das Team gewann außerdem<br />

zwei aufeinanderfolgende Etappen der Tour<br />

1990 mit Eduardo Chozas und Marino Lejarreta,<br />

auch Jalaberts Etappensieg 1992 in Brüssel war<br />

ein Klassiker gewesen. An einem Tag mit Regen<br />

und Kopfsteinpflaster gewann er aus einer vierköpfigen<br />

Ausreißergruppe heraus, in der auch<br />

Greg LeMond und Claudio Chiappucci fuhren.<br />

Doch der Moment am Croix de Chaubouret war<br />

anders: Es war keine individuelle Leistung. Es war<br />

ein Punkt, an dem ONCE als Einheit der Tour, der<br />

größten Arena im Radsport, seine Autorität auf-<br />

zudrücken begann – und das bei einem Rennen,<br />

das vom spanischen Helden der Stunde, Miguel<br />

Indurain, dominiert wurde. Es war eine klare Ansage,<br />

dass da ein weiteres spanisches Team im<br />

Rennen war neben Indurains Banesto, eines, das<br />

eine andere Fahrweise hatte. Von da bis zu seiner<br />

Auflösung 2003 sollte ONCE bei der Tour immer<br />

präsent sein.<br />

Ich würde die großen Radsportteams in zwei<br />

Kategorien einteilen. Die einen ähneln Dynastien,<br />

die wechselnde Sponsoren unter einem weitgehend<br />

gleichen Management haben: Man denke an<br />

Peter Posts Raleigh und Panasonic; Giancarlo Ferrettis<br />

Bianchi, Ariostea, MG und Fassa Bortolo;<br />

Cyrille Guimards Renault, Système-U und Castorama.<br />

Heute hat der Radsport Deceuninck–Quick-<br />

Step, dessen Wurzeln bis zu Capri Sonne in den<br />

frühen 1980ern reichen, auch wenn die heutige<br />

Version auf 2003 zurückgeht, dazu Movistar, das<br />

– ebenfalls in den frühen 1980ern – als Reynolds<br />

begann und lange unter Banesto firmierte.<br />

Die andere Kategorie sind die Formensprenger:<br />

Teams, die neue Sachen machen, neue<br />

Ideen entwickeln und auf andere Weise Rennen<br />

fahren. Das Team Sky entspricht diesem<br />

98 PROCYCLING | JUNI 2019


JUNI 2019 | PROCYCLING 99


RETRO<br />

ONCE<br />

© Offside Sports Photography<br />

Sche ma, ebenso Garmin in seinen ersten Jahren.<br />

Auch die Teams von Guimard und Post waren<br />

radikale Innovatoren.<br />

ONCE fällt aus dem Rahmen. Dies war ein<br />

Team, das von einem karitativen Unternehmen<br />

gesponsert und nicht von einem Ex-Profi geleitet<br />

wurde, auf eine bestimmte Art Rennen fuhr und<br />

größten Wert auf Dinge legte, die einige Teams<br />

für selbstverständlich hielten: Fahrräder (nicht<br />

alle auf einmal lachen), Transport und Equipment.<br />

Diese Gelben Trikots mit dem Piktogramm<br />

einer Person mit Stock gehören zu den unverkennbarsten<br />

Designs des Radsports.<br />

DER NEULING BETRITT DAS PARKETT<br />

Die ONCE-Geschichte begann 1989, als ein unbekannter<br />

Coach namens Manolo Saiz beauftragt<br />

wurde, ein Radsportteam auf die Beine zu stellen,<br />

das vom spanischen Blindenverband gesponsert<br />

wurde. Die Organización Nacional de Ciegos<br />

Españoles wurde 1938 gegründet und hat ein<br />

staatliches Monopol für eine nationale Lotterie.<br />

Die Lose werden in Kiosken verkauft, die an jeder<br />

Ecke stehen und das Logo der Organisation tragen:<br />

die Person mit Stock. Im Laufe der Jahre<br />

hat es sich zu einem großen Unternehmen entwickelt,<br />

das Leute mit Behinderungen einstellt,<br />

auch Taube. Es bietet Ausbildung und Arbeit bei<br />

den unterschiedlichsten Dienstleistungsbetrieben<br />

– Hotels, Geschäften, Gesundheitszentren –, die<br />

Zehntausende von Menschen beschäftigen.<br />

SAIZ SAGTE SPÄTER,<br />

ANDERE SPORTDIREKTOREN<br />

HÄTTEN IHN GESCHNITTEN;<br />

ER PASSTE NIE WIRKLICH<br />

REIN. ONCE WAR ANDERS<br />

ALS DIE ANDEREN TEAMS.<br />

Das war nicht der übliche Radsportsponsor, und<br />

Saiz war alles andere als der übliche Ex-Profi, der<br />

sich nach seiner Karriere in den Mannschaftswagen<br />

setzt. Er war jung: erst 30. Er sei ein erfolgloser<br />

Amateur gewesen, sagte er, weil er nicht leidensfähig<br />

genug gewesen sei. Dann hatte er sich<br />

zum Trainer ausbilden lassen und war Coach der<br />

spanischen Junioren- und Amateur-Teams geworden.<br />

Unter anderem hatte er bei dem ostdeutschen<br />

Bahntrainer Wolfram Lindner gelernt. Die<br />

Verbindung mit ONCE kam zustande, als er für<br />

sie die Verantwortung für das Team der Tandem-<br />

Fahrer mit blindem Partner übernahm.<br />

Saiz sagte später, andere Sportdirektoren hätten<br />

ihn geschnitten; er passte nie wirklich rein.<br />

ONCE war anders als die anderen Teams, sagte<br />

er, „weil mein Team eine Seele hat“. Das sah<br />

auch der Australier Stephen Hodge so, der 1990<br />

neben einem weiteren wichtigen Neuzugang –<br />

dem Veteranen Marino Lejarreta – zu ONCE<br />

kam und sagte: „Manolo war anders. Er baute<br />

eine enge, fast familiäre Atmosphäre zwischen<br />

den Jungs auf. Er war eher wie ein älterer Bruder<br />

als wie ein Boss.“<br />

Der ONCE-Chef hatte auch in Bezug auf das<br />

Coaching neue Ideen. Zum einen hatte Lindner<br />

ihn überzeugt, dass die meisten Radprofis nicht<br />

hart genug trainierten. Laurent Jalabert stieß<br />

1992 zum Team, aber seine ersten Jahre waren<br />

alles andere als ein Genuss. „Ich habe ihm gesagt:<br />

‚Du wirst sehr leiden‘“, sagte Hodge. „Er kämpfte<br />

sechs Monate ohne Ergebnisse und begann bereits<br />

zu zweifeln. Doch dann kamen die Resultate.“<br />

Hodge erinnert sich, dass Saiz beim Training<br />

der Fahrer „nicht zimperlich“ war und ihnen –<br />

damals eher unüblich – jede Menge Arbeit im Fitnessstudio<br />

und Krafttraining verordnete.<br />

Jalabert erwies sich als die wichtigste Verpflichtung<br />

in Saiz’ Karriere – neben dem kurzsichtigen<br />

Schweizer Alex Zülle, den der Sportliche Leiter<br />

erst nicht anstellen wollte, weil er Ohrringe trug.<br />

Die beiden bescherten Saiz seine größten Erfolge:<br />

drei Siege bei der Vuelta; 1995 für Jalabert, 1996<br />

und 1997 für Zülle. Mittlerweile war das Team<br />

als „Gelbe Armada“ bekannt.<br />

„Bei der Vuelta gab es immer eine Etappe, wo<br />

wir nach einem Hügel auf ein langes flaches Stück<br />

mit Seitenwind kamen und dort genug Zeit vor<br />

dem Ziel hatten, um etwas auszurichten“, erklärte<br />

Hodge. „Jeder wusste, was passieren wird, aber<br />

trotzdem schafften wir es immer, Windstaffeln<br />

aufzumachen und das Rennen zu sprengen. Das<br />

brachte uns den Spitznamen ein.“<br />

ONCE war auch aus anderen Gründen besonders<br />

präsent. Als sie die Vuelta gewannen, wurden<br />

rund 100.000 Mitglieder der Organisation<br />

mit dem Bus nach Madrid geschafft, um sich die<br />

letzte Etappe anzuschauen – allesamt in gelben<br />

T-Shirts. Die Verbindung mit dem karitativen<br />

Unternehmen bedeutete, dass das Team ONCE-<br />

Einrichtungen wie Hotels in ganz Spanien nutzen<br />

konnte, die Fahrer besuchten außerdem<br />

Schulen und Unternehmen, die sich der Blindenhilfe<br />

widmeten.<br />

„Wenn es hart auf hart kam, musste man nur<br />

daran denken, wie das Leben für die blinden, tauben<br />

und stummen Menschen in Spanien war, die<br />

wir in der Welt der Sehenden repräsentierten“,<br />

sagte Hodge.<br />

Auf der Straße wurde von der Gelben Armada<br />

erwartet, für Chaos und Panik zu sorgen; bei<br />

Etappenstarts und Ankünften stachen ihre Busse<br />

Der Schweizer Alex Zülle wurde zu<br />

einem der wichtigsten Fahrer von ONCE.<br />

100 PROCYCLING | JUNI 2019


heraus. Seiner Zeit weit voraus, kaufte Saiz einen<br />

zweiten Bus für die Mechaniker und Pfleger, auch<br />

weil Lkw in Spanien sonntags nicht fahren dürfen,<br />

und mit Bussen kamen Mitarbeiter und Material<br />

schneller nach Hause. Es gab spezielle Bergfahrräder<br />

– von Klein, aber mit Look-Logo – mit leichten<br />

Komponenten, die in einigen Fällen vom<br />

Mountainbiking stammten, sowie Modelle für<br />

Paris–Roubaix … und das in einer Zeit, in der einige<br />

Teams noch immer auf dicken Stahl setzten.<br />

Die Rivalität mit Banesto war unvermeidlich,<br />

teils weil ONCE relativ neuartig war, teils weil<br />

Saiz nicht zum Klüngel gehörte, aber auch wegen<br />

des unterschiedlichen Ethos. ONCE fuhr überall<br />

mit derselben Angriffslust, egal ob es ein kleines<br />

spanisches Rennen oder die Tour war. Banesto<br />

verließ sich auf die Zeitfahr-Qualitäten und die<br />

Präsenz von Indurain und begnügte sich damit,<br />

die ganze Saison auf den Giro und die Tour auszurichten.<br />

Ausgerechnet die neuen Jungs in Gelb<br />

erinnerten an frühere spanische Helden wie Luis<br />

Ocaña und Pedro Delgado.<br />

DIE GELBE ARMADA<br />

Wenn ONCE einen großartigsten Moment hatte,<br />

dann bei der Tour 1995, wo das Team nahe dran<br />

war, Indurain um seinen fünften Sieg in Serie zu<br />

bringen. 1994 war es bei der Tour nach Jalaberts<br />

fürchterlichem Sturz in Armentières leer ausgegangen<br />

– er hatte im Frühjahr sieben Etappen der<br />

Vuelta gewonnen und galt erneut als Favorit für<br />

das Grüne Trikot der Tour –, doch 1995 war der<br />

Franzose wieder da, einige Kilo leichter, nachdem<br />

er Muskelmasse verloren hatte, während er sich<br />

von dem Sturz erholte. In jenem Jahr gewann er<br />

Paris–Nizza, Mailand–San Remo und den Flèche<br />

Wallonne. Auch Zülle präsentierte sich mit Siegen<br />

bei der Baskenland-Rundfahrt und der Vuelta a<br />

Valencia in sehr guter Form.<br />

Der ursprüngliche Plan des Teams war, Indurain<br />

auf der schweren Etappe durch die Ardennen<br />

nach Lüttich in Schach zu halten, aber nur Johan<br />

Bruyneel konnte „Big Mig“ folgen, als er an der<br />

Côte des Forges eine – wie sich herausstellte –<br />

Saiz war relativ jung, gerade 30, als er in<br />

ONCEs Teamwagen stieg.<br />

entscheidende Attacke fuhr. Am folgenden Tag<br />

lieferte Indurain eine typische Zeitfahr-Leistung<br />

ab und holte das Gelbe Trikot. Nach dem Transfer<br />

in den Süden zur 9. Etappe ließ Saiz Zülle auf der<br />

ersten Alpenetappe nach La Plagne angreifen. Indurain<br />

konterte und sprengte das Rennen, aber<br />

am Ende des Anstiegs war Zülle sein einziger Herausforderer,<br />

mit 2:27 Minuten Rückstand.<br />

Der dramatischste Tag der Tour war die heute<br />

legendäre 12. Etappe von Saint-Étienne nach<br />

Mende. Mittlerweile kontrollierten Indurains Domestiken<br />

seit vier Tagen das Rennen und waren<br />

erschöpft. Erschwerend kam hinzu, dass sie alle<br />

am Ende des Pelotons in der neutralisierten Zone<br />

waren. Das Epos, das sich an diesem französischen<br />

Nationalfeiertag ereignete, war nicht ge-<br />

© Getty Images<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 101


© Offside/L’Équipe<br />

102 PROCYCLING | JUNI 2019


RETRO<br />

ONCE<br />

Jalabert auf der heute berühmten<br />

12. Etappe der 1995er-Tour, als ONCE<br />

in die Offensive ging.<br />

Belokis fürchterlicher Sturz bei der Tour<br />

2003. Es war die letzte Saison des Teams.<br />

plant. ONCE beabsichtigte, in die Offensive zu<br />

gehen, da die Etappe zu Beginn einen Anstieg<br />

enthielt, an dem Saiz hoffte, Banesto in Schwierigkeiten<br />

bringen zu können. Tatsächlich waren<br />

die Attacken intensiv – von Fahrern, die es auf den<br />

Etappensieg abgesehen hatten. Als Jalabert nach<br />

27 Kilometern die Lücke zu Gewiss-Fahrer Dario<br />

Bottaro zugefahren hatte, war das Feld zerlegt<br />

und die Domestiken von Banesto waren versprengt.<br />

Der Vorsprung pendelte sich rund 20 Kilometer<br />

lang auf 30 Sekunden ein, sodass Saiz Fahrer<br />

nach vorn zu Jalabert schicken konnte.<br />

Zülle hatte ein Knieproblem, also musste Mauri<br />

ran, und später schaffte auch Stephens den Anschluss.<br />

Als Stephens das erste Mal attackierte,<br />

fuhr Indurain dem Helfer hinterher. Als der Australier<br />

gestellt war, fuhr ein anderer ONCE-Fahrer,<br />

Bruyneel, die nächste Attacke. Wieder war es Indurain,<br />

der hinterherging. Das Gelbe Trikot war<br />

isoliert und musste die Arbeit alleine verrichten.<br />

„Als Kollektiv hätten wir die Tour an dem Tag<br />

in Mende gewinnen können“, sagte Saiz Alasdair<br />

Fotheringham für seine Indurain-Biografie Relentless.<br />

„Es war die ideale Strategie, um Indurain<br />

zu schlagen: ihn isolieren und angreifen.“<br />

Es war der einzige wirklich verzweifelte Moment<br />

in Indurains Serie von fünf Toursiegen. Seine<br />

indivduelle Stärke half ihm bei der Verfolgung<br />

des ONCE-Trios, ebenso die Tatsache, dass später<br />

die beiden Banesto-Domestiken Gérard Rué und<br />

Ramón Arrieta wieder zu ihrem Kapitän aufschlossen.<br />

Doch der Schlüsselfaktor war die Hilfe,<br />

die der Spitzenreiter von einer Reihe anderer<br />

Teams und Fahrer im Feld erhielt, im Austausch<br />

für Gefallen, die sie in der Vergangenheit erhalten<br />

hatten, und in der Hoffnung auf künftige Gefallen.<br />

Der ONCE-Angriff bescherte Frankreich seinen<br />

ersten Sieg am Nationalfeiertag seit sechs Jahren<br />

und sicherte Jalabert einen Platz in der Tour-Geschichte.<br />

Dazu beförderte er Jalabert und Mauri<br />

in die Top Six und sorgte dafür, dass ONCE die<br />

Mannschaftswertung gewann. Doch nicht alle<br />

waren zufrieden mit dem Triumph in Mende. Die<br />

spanische Presse war weitgehendend pro Indurain<br />

und sah die Episode als Angriff auf einen Nationalhelden.<br />

„Wir wurden von der Presse geschlachtet“,<br />

sagte Saiz.<br />

DER ANFANG VOM ENDE<br />

Saiz traf einige bizarre Entscheidungen, mit denen<br />

er sich keine Freunde machte. 1997 erlaubte<br />

er Zülle, mit einem gebrochenen Schlüsselbein<br />

bei der Tour zu starten. Das Experiment dauerte<br />

eine Woche, in der der Schweizer dreimal stürzte.<br />

1998 stieg das Team nach dem Festina-Dopingskandal<br />

aus der Tour aus, und Saiz prägte den berühmten<br />

Satz, dass er „der Tour seinen Finger in<br />

den Arsch gesteckt“ habe – eine Anspielung auf<br />

die Razzien der Polizei bei Festina- und TVM-<br />

Fahrern. Saiz wurde vorübergehend von den<br />

Tour-Organisatoren gesperrt, von der UCI aber<br />

zum Rennen 1999 wieder zugelassen. Danach<br />

war es nicht mehr das Gleiche. 2001 wechselte<br />

Jalabert zu Bjarne Riis’ CSC-Team. Auf ihn folgte<br />

Joseba Beloki, ein relativ anonymer Schatten hinter<br />

dem dominanten Lance Armstrong.<br />

Belokis denkwürdigster Tour-Moment war leider<br />

ein fürchterlicher Sturz in der Abfahrt von der Côte<br />

de la Rochette nach Gap 2003, wo er in einer Kurve<br />

die Kontrolle über sein Rad verlor und sich Ellbogen,<br />

Handgelenk und sein rechtes Bein brach.<br />

Das führte zu einem der denkwürdigsten Bilder<br />

der Frankreich-Rundfahrten mit Armstrong, als<br />

der Texaner die Straße verlassen musste, um Belo-<br />

DER ONCE-ANGRIFF<br />

BESCHERTE FRANKREICH<br />

SEINEN ERSTEN SIEG AM<br />

NATIONALFERIERTAG SEIT<br />

SECHS JAHREN.<br />

ki auszuweichen, und sich in einen Crossfahrer<br />

verwandelte, die Kurve bergab schnitt, durch ein<br />

Feld fuhr und sich den Führenden wieder anschloss.<br />

Beloki war danach nie wieder der Alte; am<br />

Ende der Saison stieg ONCE als Sponsor aus. Saiz<br />

führte das Team unter der Liberty-Seguros-Flagge<br />

zu einem unrühmlichen Ende im Operación-Puerto-Dopingskandal.<br />

„Als Beloki fiel, fiel das Team<br />

mit ihm“, sagte Saiz. „Es hatte eine kleine Chance<br />

gegeben, dass ONCE nach der Tour weitermacht …<br />

Es war unsere letzte Chance. Wir haben in dem<br />

Moment nicht nur die Tour verloren, wir haben unsere<br />

Zukunft verloren.“<br />

© Offside/L’Équipe<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 103


WUNSCHLISTE<br />

DIE PRODUKT-HIGHLIGHTS DES MONATS<br />

104 PROCYCLING | JUNI 2019


BH G7 PRO 6.0<br />

5.499 €<br />

www.bhbikes.com<br />

Der spanische Anbieter stellt mit<br />

der Non-Disc-Version des G7 eine<br />

aerodynamische Rennmaschine<br />

mit klassischer Komplettierung vor.<br />

Mit Kammtail-Rohrprofilen, Sitzdom<br />

und tief platzierten Streben sollte<br />

das Rad bei hohem Tempo wenig<br />

Watt kosten; mit der Nummer zwei<br />

im Programm von Campagnolo, der<br />

bewährten Record, ist es zudem<br />

fortschrittlich ausgestattet:<br />

Zwölffach-Antrieb, neu designte,<br />

starke Felgenbremsen, sehr<br />

griffgünstige Hebel sowie ein<br />

leichter, flächiger Carbon-Kurbelsatz.<br />

Zusammen mit dem recht<br />

leichten Aluradsatz wiegt das<br />

Komplettrad gerade mal 7,24 Kilo.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 105


WUNSCHLISTE<br />

RUDY PROJECT<br />

DEFENDER<br />

189,95 €<br />

www.rudyproject.com<br />

Der italienische Hersteller greift mit<br />

der Form der neuen Defender ein<br />

Modell aus der langen Firmengeschichte<br />

auf: die Agressor, die 1992<br />

das Gesicht so manchen Radprofis<br />

schmückte, darunter Moreno<br />

Argentin. Mit ihrer hohen Scheibe<br />

deckt sie das Gesicht großflächig<br />

ab, sodass Fahrtwind und Kälte<br />

von den Augen abgehalten<br />

werden. Da Letztere dem Anbieter<br />

zufolge besonders viel Wärme<br />

produzieren, wurde beim Design<br />

der Brille besonders auf gute<br />

Belüftung geachtet. Das Gestell ist<br />

sehr flexibel und drückt am Kopf<br />

nirgends; Nasensteg und Bügelenden<br />

sind individuell justierbar.<br />

PARK TOOL<br />

PZT-2<br />

19,99 €<br />

www.parktool.com<br />

Der US-Werkzeugspezialist hat<br />

seinen Pizzaschneider weiter<br />

verbessert und ihn damit funktioneller<br />

gemacht. Eine größere Klinge<br />

schneidet nun noch leichter durch<br />

den Werkstoff; mit dem optimier -<br />

ten Griff lässt sich der Cutter da -<br />

bei sicher und exakt führen. Für<br />

sicheren Stand auf der Werkbank<br />

sorgt ein kleiner Halter, der eigens<br />

mitgeliefert wird.<br />

106 PROCYCLING | JUNI 2019


WUNSCHLISTE<br />

TUNE<br />

WASSER-<br />

TRÄGER MTB<br />

55 €<br />

www.tune.de<br />

Mit 15 Gramm immer noch extrem<br />

leicht, ist der Offroad-Flaschenhalter<br />

der Schwarzwälder robuster<br />

als seine Markengeschwister und<br />

damit optimal für raues Terrain –<br />

eine gute Wahl fürs Gravel-Bike<br />

oder Rennradtouren auf schlechten<br />

Strecken. Der Träger ist für<br />

herkömmliche Halbliter- oder<br />

Dreiviertelliter-Flaschen geeignet<br />

und wird inklusive Tune-<br />

Flasche geliefert.<br />

RUDY PROJECT<br />

AIRSTORM<br />

119,95 €<br />

www.rudyproject.com<br />

Der in zwei Größen erhältliche<br />

Helm ist preislich in der Mittelklasse<br />

angesiedelt und mit 21 Öffnungen<br />

auf optimale Belüftung ausgelegt.<br />

Insektennetz, vestellbare Gurtteiler<br />

und ein fein justierbarer Kopfring<br />

sorgen für Komfort und Sicherheit<br />

auf der Straße wie im Gelände.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 107


WUNSCHLISTE<br />

LEEZE<br />

CC 58 DISC<br />

WASO<br />

1.549 €<br />

www.leeze.de<br />

„Weight–Aero–Stiffness–Optimized“<br />

ist die Ausschreibung des Kürzels,<br />

mit dem der münsterländische<br />

Hersteller neuerdings seine<br />

Laufräder versieht. Im konkreten<br />

Fall heißt dies: 58 Millimeter tiefe<br />

Felgen mit 18er-Maulweite und gut<br />

28 Millimeter maximaler Breite,<br />

je 21 „Sapim CX Ray“-Speichen,<br />

vorne wie hinten 2:1 gespeicht,<br />

Zahnscheibenfreilauf sowie ein mit<br />

knapp 1.670 Gramm annehmbar<br />

geringes Gewicht. Im Preis<br />

inbegriffen ist ein Satz bereits<br />

montierter Conti 5000; für knapp<br />

30 Euro Aufpreis wird der Radsatz<br />

mit Conti Tubeless ausgeliefert.<br />

108 PROCYCLING | JUNI 2019


WUNSCHLISTE<br />

SKS<br />

AIRWORX<br />

10.0<br />

42,99 €<br />

www.sks-germany.com<br />

Die etwas modernere Version<br />

des SKS-Rennkompressors bleibt<br />

mit Stahlrohr und großem<br />

Standfuß aus Metall in Werkstatt<br />

und Radkeller stets aufrecht. Das<br />

oben angebrachte Manometer<br />

ist optimal ablesbar und der<br />

Zwei-Komponenten-Griff liegt<br />

gut in der Hand; sehr praktisch<br />

ist der für alle Ventilarten<br />

geeignete Klemmkopf. Die<br />

Airworx 10.0 gibt es auch als<br />

<strong>Procycling</strong> Aboprämie in<br />

unserem Shop.<br />

JUNI 2019 | PROCYCLING 109


-AUSLAGE<br />

PLZ 20000 PLZ 10000<br />

PLZ 00000<br />

Max-Brauer-Allee 36<br />

22765 Hamburg<br />

Tel.: 040/380 865 33<br />

Fax: 040/38907743<br />

info@cyclefactory.de<br />

www.cyclefactory.dee<br />

PLZ 20000<br />

PLZ 30000<br />

PLZ 40000<br />

Händlerverzeichnis <strong>Procycling</strong>:Layout 1<br />

DIANA<br />

S P O R T R E I S E N<br />

Rose biketown<br />

Werther Straße 44, 46395 Bocholt<br />

Tel.: 0 28 71/27 55-55<br />

Fax: 0 28 71/27 55-50<br />

Email: rosemail@rose.de, Internet: www.rose.de<br />

1984<br />

2014<br />

DIANA<br />

S P O JAHRE R T R E I S E N<br />

PLZ 50000<br />

PLZ 70000 PLZ 60000<br />

1984<br />

2014<br />

DIANA<br />

S P OJAHRE<br />

R T R E I S E N<br />

1984<br />

2014<br />

JAHRE<br />

TOP-Preise<br />

TOP-Service<br />

www.hwg-radsport.de<br />

www.<br />

dianasport.<br />

de<br />

www.dianasport.de<br />

www.dianasport.de<br />

www.dianasport.de<br />

Die perfekte Fahrradpflege<br />

für Profis!<br />

● Korrosionsschutz ● Schmiermittel ● Kontaktspray<br />

● Reinigungsspray ● Kriechöl für höchste Ansprüche<br />

Erhältlich im guten Fachhandel<br />

Händlernachweiss: BRUNOX Korrosionsschutz GmbH, DE-85001 Ingolstadt, Tel. 0841 961 2904, Fax -13


Bei diesen Fachhändlern erhalten Sie neben<br />

gutem Service immer pünktlich Ihre <strong>Procycling</strong>.<br />

PLZ 70000<br />

PLZ 80000<br />

Dein Radsportpartner<br />

in Oberschwaben!<br />

www.goelz-raeder.de<br />

PLZ 90000<br />

93309KELHEIM<br />

KELHEIMWINZERSTR.101<br />

BIKESTATIONKELHEIM.DE<br />

EinEs dEr GrösstEn AnGEbotE An<br />

rEnnrädErn in süddEutsCHLAnd<br />

Zweirad Lämmle GmbH & Co.KG<br />

Ittelsburger Straße 11 · 87730 Bad Grönenbach, Allgäu<br />

Tel. 08334-72 17 · www.zweirad-laemmle.de<br />

Free Wheels<br />

Pfalzstraße 35<br />

94356 Pillnach/Kirchroth<br />

Tel. 09428-948990<br />

info@free-wheels.de<br />

www.free-wheels.de<br />

Ihre Spezialisten für<br />

Rennrad / MTB / Trekking<br />

81543 München<br />

PC Händlereintrag 60x15 www.feine.de<br />

29.11.2007 10:59 U<br />

PLZ 80000<br />

Thomas Binder<br />

Starnberger Straße 21<br />

82131 Gauting<br />

Tel. 089/89 32 87 07<br />

www.bici-sport-binder.de<br />

Bianchi Colnago Corratec Campagnolo Pro Shop - www.serviziocorsa.com<br />

c/o Fitness Zone - Olchinger Str. 86 - 82194 Gröbenzell - Telefon 08142 / 446 66 67<br />

Radmanufaktur seit 2006–www.pasculli.de<br />

Maßrahmen | Handgefertigt | Wunschlackierung


NÄCHSTE<br />

AUSGABE<br />

28.06.19<br />

-Impressum<br />

<strong>Procycling</strong> erscheint monatlich bei<br />

WOM Medien GmbH<br />

Auwiesenstraße 1<br />

94469 Deggendorf<br />

info@wom-medien.de<br />

Ihr <strong>Procycling</strong>-Team<br />

Redaktionsleitung Dieter Steiner<br />

Textchef Caspar Gebel<br />

E-Mail info@procycling.de<br />

Ständige redaktionelle Mitarbeiter<br />

Chris Hauke, Dominik Ruiz Morales,<br />

Peter Cossins, Sam Dansie, Alasdair<br />

Fotheringham, Daniel Friebe, Werner<br />

Müller-Schell, Sadhbh O’Shea, Herbie<br />

Sykes, John Whitney, Jamie Wilkins,<br />

Cam Winstanley<br />

Layout Saskia Funke<br />

Übersetzungen Esther Kriegel<br />

Lektorat Helga Peterz<br />

Fotos Andreas Meyer, Getty Images,<br />

Chris Auld (Cover)<br />

Objekt- und Anzeigenleitung<br />

Maximilian Seidl<br />

m.seidl@wom-medien.de<br />

Druck Mayr Miesbach GmbH<br />

Pressevertrieb<br />

stella distribution GmbH<br />

20097 Hamburg<br />

Abonnement<br />

© Getty Images<br />

TOUR<br />

DE FRANCE<br />

VORSCHAU<br />

+ GERAINT THOMAS<br />

+ CHRIS FROOME<br />

70% K<br />

90% K<br />

Hotline Michaela von Sturm,<br />

0 99 1-99 13 80 19<br />

Abonnieren Sie online unter<br />

www.procycling.de<br />

Der Preis für ein Einzelheft beträgt<br />

5,90 Euro (D). Nachbestellungen<br />

älterer Ausgaben sind zzgl. Versandkosten<br />

möglich. Der Preis für ein<br />

Jahresabo beträgt 59,90 Euro (D)<br />

bzw. 79,90 Euro (Ausland).<br />

© 2019 WOM Medien GmbH<br />

16. Jahrgang<br />

Geschäftsführer Dieter Steiner<br />

Das Magazin <strong>Procycling</strong> und die<br />

Internetseite procycling.de sowie<br />

deren Inhalte sind urheberrechtlich<br />

geschützt.<br />

Die Inhalte dürfen weder in Teilen<br />

noch im Ganzen ohne schriftliche<br />

Genehmigung durch den Verlag<br />

reproduziert oder anderweitig<br />

au ßer halb der Grenzen des Ur he ber -<br />

rechts verwendet werden.<br />

Für unverlangt eingesandte Fotos<br />

und Manuskripte kann keine Haftung<br />

übernommen werden.<br />

Gerichtsstand ist Deggendorf.<br />

<strong>Procycling</strong> erscheint in Lizenz der<br />

englischen Originalausgabe von<br />

Immediate Media Co., London, UK.<br />

112 PROCYCLING | JUNI 2019


70% K<br />

90% K<br />

70% K<br />

90% K<br />

70% K<br />

90% K<br />

SEPTEMBER 2018<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

OKTOBER 2018<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

NOVEMBER 2018<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

70% K<br />

90% K<br />

70% K<br />

90% K<br />

DEZEMBER 2018<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

70% K<br />

90% K<br />

70% K<br />

90% K<br />

70% K<br />

90% K<br />

JANUAR 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

70% K<br />

90% K<br />

FEBRUAR 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

MÄRZ 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

APRIL 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

MAI 2019<br />

€ 5,90<br />

A-€ 6,50<br />

CHF 10,80<br />

Lux-€ 6,50<br />

www.procycling.de<br />

70% K<br />

90% K<br />

JAHRESABO<br />

12 AUSGABEN +<br />

GRATIS TOUR DE FRANCE PROGRAMMHEFT<br />

FÜR 59,90 EURO*<br />

TOUR DE FRANCE<br />

LE<br />

TO UR<br />

20<br />

18<br />

BERNHARD EISEL<br />

ARCTIC RACE<br />

RAD DES MONATS<br />

DER Cervélo S5 GROSSE – das Rad des<br />

OF NORWAY<br />

RÜCKBLICK<br />

Das BMC Timemachine<br />

Österreichers im Detail<br />

Zu Besuch am R01 Polarkreis<br />

von Michael Schär<br />

JENS VOIGT HIGHWAY TO ZEITNAHME<br />

HÖLL<br />

Darum ist die Michael Vuelta etwas Woods’ Hinter Strava-Ride<br />

den Kulissen<br />

ganz Besonderes durch die Höttinger der Tour Höll<br />

de France<br />

RICK ZABEL<br />

MURO DI SORMANO LIANE LIPPERT<br />

RALPH DENK<br />

TOM DUMOULIN TONY MARTIN<br />

ANNEMIEK VAN NICO VLEUTEN<br />

DENZ RALPH DENK<br />

Höchste Thibaut Zeit für<br />

Pinots Strava-Ride Deutsche Meisterin mit 20 „Wir –<br />

haben 2018 das<br />

Kommentiert Fährt die<br />

er bei Jumbo-Visma<br />

Tokyo Calling – die Nur erfolgreichste<br />

noch ein paar Saisonstart Zentimeter wie aus<br />

die Winterpause<br />

bei „Il Lombardia“ zur eigenen Überraschung<br />

Bestmögliche herausgeholt.“<br />

Bilder seines zurück Jahres<br />

zu alter Stärke?<br />

Fahrerin 2018 hat vom noch großen viel vorErfolg dem entfernt. Bilderbuch<br />

LISA BRENNAUER<br />

RICK ZABELNILS POLITT<br />

„Ich möchte So ein erlebte großes er Marcel Mit einem guten Gefühl<br />

Eintagesrennen Kittels gewinnen.“ ersten Sieg Richtung 2019 Klassiker<br />

BERNHARD RALPH EISEL<br />

DENK DEUTSCHLAND TOUR<br />

Der Steirer Boras schaut Teamchef auf Vier feiert Tage die durch das<br />

seine Karriere ersten zurück<br />

Erfolge der Herz Saison der Republik<br />

GROSSER RADTEST<br />

RALPH DENK<br />

14 Renner zwischen Alles 2.500 in Richtung Giro –<br />

und 10.000 € unter das der sind Lupe Boras Ziele in Italien<br />

RADTEST<br />

Sechs Aerorenner von<br />

Cannondale bis Trek<br />

SEPTEMBER 2018 | Nummer 175<br />

Tour de France – der große Rückblick | Geraint Thomas | Tom Dumoulin | Peter Sagan | Julian Alaphilippe | John Degenkolb<br />

GERAI NT<br />

RAD-WM<br />

THOM DIE<br />

AS<br />

„DAS<br />

GELBE TRIKOT<br />

ZU HABEN,<br />

IST IRRE.“<br />

SO HOLTE SICH DER<br />

WALISER DEN SIEG<br />

EXKLUSIV<br />

WIE PETER<br />

SAGAN DEM DRUCK<br />

ALLE<br />

IM FOKUS<br />

BEGEGNET<br />

Peter Sagan, John Degenkolb,<br />

ETAPPEN<br />

Greg Van Avermaet, Tom Dumoulin,<br />

IM DETAIL<br />

Julian Alaphilippe & Chris Froome<br />

OKTOBER 2018 | Nummer 176<br />

Peter Sagan | Deutschland Tour | Egan Bernal | Arctic Race of Norway | Bernhard Eisel<br />

WILLKOMMEN<br />

ZU HAUSE<br />

DEUTSCHLAND<br />

TOUR<br />

Die Bilder und<br />

Geschichten<br />

der Neuauflage<br />

RENNEN<br />

WERDEN<br />

JEDES JAHR<br />

SCHLIMMER<br />

NOVEMBER 2018 | Nummer 177<br />

Rad-WM Innsbruck | Vuelta-Rückblick | Emanuel Buchmann | Movistar | Greg LeMond 1983<br />

INNSBRUCK<br />

DIE BILDER UND<br />

GESCHICHTEN<br />

AUS TIROL<br />

VUELTA A<br />

ESPAÑA<br />

Großer Rückblick auf die<br />

letzte Grand Tour<br />

des Jahres<br />

DEZEMBER 2018 | Nummer 178<br />

John Degenkolb | Daniel Oss | Michael Valgren & Magnus Cort | BMC | Giro dell’Emilia | Muro di Sormano | Festina-Affäre<br />

MOVISTAR<br />

GROSSER<br />

Wie Spaniens stärkstes<br />

SAISON-<br />

Team das Heimspiel<br />

vergeigte<br />

RÜCKBLICK<br />

DEGEN KOLB<br />

MIT GAST-REDAKTEUR<br />

MARK CAVENDISH<br />

EMANUEL<br />

EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

BUCHMANN<br />

GERAINT<br />

Das Saisonfazit des<br />

besten deutschen<br />

„ICH HÄTTE THOMAS<br />

Rundfahrers<br />

VALGREN<br />

„Es ist wie ein Lichtschalter.<br />

& CORT<br />

TOT SEIN<br />

Dazwischen gibt RETRO es nichts.<br />

Nordische<br />

EGAN<br />

Entweder Salat Greg und LeMonds Quinoa<br />

Allianz<br />

KÖNNEN.“<br />

BERNAL<br />

oder Burger WM-Triumph<br />

und Bier.“<br />

Skys nächster<br />

1983<br />

FOTO-<br />

Toursieger<br />

CHRIS FROOME<br />

FEATURE<br />

Giro dell’Emilia<br />

Darum ist er der<br />

FAHREN<br />

Rundfahrer des Jahres<br />

FÜR EIN<br />

RETRO<br />

TASCHENGELD<br />

ENRIC MAS<br />

Die Festina-<br />

Affäre 1998<br />

Warum die Frauen so<br />

FAB GEORGE FOUR<br />

wenig verdienen –<br />

Das<br />

und wie man das<br />

BENNETT<br />

Fazit von<br />

Ackermann,<br />

ändern könnte<br />

Schachmann<br />

& PAULINE<br />

Co.<br />

FERRAND-<br />

PRÉVOT<br />

BMC<br />

SUPERTEAM MIT<br />

NEUEM GESICHT –<br />

SO GEHT ES 2019<br />

WEITER<br />

„WIR SIND EIN<br />

BISSCHEN ROCK’N’ROLL“<br />

DIE WUNDERBARE WELT<br />

DES DANIEL OSS<br />

JANUAR 2019 | Nummer 179<br />

Geraint Thomas | Chris Froome | Marcel Kittel | Quick-Step Floors | André Greipel | Fab Four | Tom Dumoulin | Annemiek van Vleuten | Liane Lippert<br />

FEBRUAR 2019 | Nummer 180<br />

Mark Cavendish | Mailand–San Remo | Marianne Vos | Olympia 1992 | Tony Martin | Nico Denz | Lisa Brennauer<br />

MÄRZ 2019 | Nummer 181<br />

Vincenzo Nibali | Große Saisonvorschau | Themen des Jahres | Fab Four | Erik Zabel | Team Sky | Bernhard Eisel<br />

73<br />

VINCENZO NIBALI<br />

SIEGE „EINEN<br />

WIE QUICK-STEP<br />

DRITTEN GIRO<br />

FLOORS DIE SAISON<br />

ZU DOMINIERT GEWINNEN,<br />

HAT<br />

WÄRE EIN<br />

MARCEL KITTEL<br />

WUNDERBARES<br />

Nach einem Jahr zum<br />

Vergessen – das sind seine<br />

RESULTAT.“<br />

Pläne für 2019<br />

Der beste Allrounder im Radsport<br />

hat ambitionierte Ziele<br />

ANDRÉ GREIPEL<br />

Neues Team, alte Ziele<br />

GROSSE<br />

SAISON-<br />

VORSCHAU<br />

EXKLUSIV-INTERVIEW<br />

„ICH BIN SÜCHTIG<br />

NACH SIEGEN.<br />

ICH BRAUCHE DAS.“<br />

60 Seiten Spezial –<br />

alle Rennen, alle Fahrer,<br />

alle Teams<br />

DER SPRINTSTAR VON DIMENSION DATA<br />

ÜBER SEINE MOTIVATION FÜR 2019<br />

APRIL 2019 | Nummer 182 Greg Van Avermaet | Niki Terpstra | Klassiker-Vorschau | Romain Bardet | Großer Radtest | Nils Politt<br />

AUF DEM RAD<br />

MIT CAV<br />

BEI DER FLANDERN-<br />

KLASSIKER-<br />

VORSCHAU<br />

MAILAND–<br />

SAN REMO<br />

Die Rückkehr<br />

der A lrounder<br />

BEREIT<br />

FÜR DEN<br />

KAMPF<br />

MARIANNE<br />

VOS<br />

GREG VAN AVERMAET<br />

IM VISIER: DER SIEG<br />

WISSEN<br />

IST MACHT<br />

RUNDFAHRT<br />

Wie WorldTour-<br />

Teams Daten nutzen,<br />

um Rennen zu<br />

gewinnen<br />

SPRINTER-<br />

GEHEIMNISSE<br />

OLYMPIA 1992<br />

MAI 2019 | Nummer 183<br />

Simon Yates | Giro-Vorschau | Pascal Ackermann | Radtest: Sechs Aerorenner von Cannondale bis Trek | Deutschland Tour<br />

GIRO<br />

D’ITALIA<br />

S P E Z I A L<br />

IM FOKUS<br />

Diese Themen<br />

werden das<br />

Jahr prägen<br />

FAB FOUR<br />

Stars von morgen<br />

– vier Nachwuchsfahrer<br />

für 2019<br />

DAS ERIK ZABEL<br />

Über Mailand–San Remo<br />

BESTE<br />

– von 1993 bis heute<br />

RENNEN<br />

DER WELT<br />

TEAM SKY<br />

Das Ende? So hat die<br />

britische Equipe das<br />

Peloton verändert<br />

Wir fragen Fahrer, Manager<br />

und Experten, warum sie<br />

den Giro lieben<br />

ROMAIN<br />

BARDET<br />

Frankreichs Star auf der Jagd<br />

nach dem Gelben Trikot<br />

NIKI<br />

TERPSTRA<br />

Nach zwei Monument-Siegen –<br />

neuer Start bei Direct Énergie<br />

DIE<br />

ANSTIEGE<br />

DES GIRO<br />

Diese Berge muss das<br />

Peloton 2019 erklimmen<br />

PASCAL<br />

ACKERMANN<br />

Neues Jahr, neue Höhen?<br />

Der deutsche Meister<br />

im Gespräch<br />

SIMON YATES<br />

RÜCKKEHR NACH ITALIEN –<br />

DER VUELTA-SIEGER WILL DAS ROSA TRIKOT<br />

+<br />

OFFIZIELLES PROGRAMM<br />

TOUR DE FRANCE 2019<br />

DIE ETAPPEN<br />

Alle Infos zu jedem Renntag – mit<br />

Karten, Marschtabellen & Höhenprofilen<br />

Von den Machern von<br />

DIE TEAMS<br />

Die Analyse von Bernard Thévenet –<br />

ihre Fahrer, ihre Stärken, ihre Ziele<br />

DIE FAVORITEN<br />

Thomas, Froome, Dumoulin, Quintana –<br />

welcher Topstar holt sich den Toursieg?<br />

€ 7,95<br />

A-€ 8,50<br />

CHF 12,80<br />

Lux-€ 8,50<br />

It-€ 8,50<br />

DIE DEUTSCHEN<br />

EDELHELFER & ETAPPENJÄGER<br />

DIE PERSPEKTIVEN VON KITTEL,<br />

MARTIN, DEGENKOLB & CO.<br />

196<br />

Seiten<br />

zum größten<br />

Radrennen<br />

der Welt<br />

Zu bestellen unter<br />

0049 991 991 380 19 abo@wom-medien.de www.procycling.de/de/abo<br />

* inkl. Mwst / zzgl. Versandkosten


DAS LETZTE WORT<br />

JENS VOIGT<br />

Jens macht bei den Frühjahrsklassikern einen Schlagabtausch der alten und neuen Generation aus.<br />

© Getty Images<br />

Das ist Sport: Es gibt immer<br />

ein aufregendes junges Talent<br />

um die Ecke und neue<br />

Helden stehen Schlange, um die<br />

Nachfolge der alten Garde anzutreten.<br />

Aber, meine Freunde,<br />

es war noch nie so gut zu sehen wie<br />

jetzt im Radsport. Aktuell erleben<br />

wir den direkten Wechsel zwischen<br />

zwei Epochen mit.<br />

Für die aktuellen Helden und Legenden<br />

des Radsports läuft die Zeit<br />

sehr, sehr schnell ab. Schaut euch<br />

nur die Frühjahrsklassiker an. Der<br />

alte König Philippe Gilbert gewann<br />

Paris–Roubaix, um alle anderen<br />

Klassiker, die er in den letzten zehn<br />

Jahren und mehr gewonnen hat, zu<br />

ergänzen. Im Finale konnte er den<br />

jungen deutschen Fahrer Nils Politt<br />

nur knapp in Schach halten. Politt<br />

hat Gilbert im Rennen zugesetzt,<br />

daran besteht kein Zweifel. Und ich<br />

wette, dass dieses Ergebnis im<br />

nächsten Jahr anders herum lauten<br />

könnte, wenn Politt stärker und erfahrener<br />

wird.<br />

Es gibt noch mehr. Die Flandern-<br />

Rundfahrt wurde von Alberto Bettiol<br />

gewonnen, der erst 25 Jahre alt ist.<br />

Amstel Gold Race wurde vom 24-<br />

jährigen neuen niederländischen<br />

Superhelden Mathieu van der Poel<br />

gewonnen. Dies ist die kommende<br />

Generation der Klassiker-Fahrer.<br />

Gilbert war nicht der einzige ältere<br />

Fahrer, der gewonnen hat. Jakob<br />

Fuglsang nutzte seine Erfahrung<br />

und Reife, um die jungen Talente<br />

bei Lüttich–Bastogne–Lüttich zu<br />

überlisten, obwohl sie nicht weit<br />

zurücklagen – es gab einen weiteren<br />

jungen Deutschen auf Platz drei:<br />

Maximilian Schachmann, der erst<br />

25 Jahre alt ist. Es gab auch starke<br />

Auftritte von David Gaudu und Bjorg<br />

Lambrecht, die beide erst 22 Jahre<br />

alt sind.<br />

Und die Liste geht weiter, denn<br />

nicht nur bei den Klassikern hat es<br />

die ältere Generation schwer gegen<br />

die Jüngeren. Der 24-jährige Brite<br />

Tao Geoghegan Hart gewann bei der<br />

Alpenrundfahrt zwei Etappen und<br />

wurde hinter seinem noch jüngeren<br />

Teamkollegen Pavel Sivakov Zweiter.<br />

Okay, die Alpenrundfahrt ist nicht<br />

das größte Rennen, aber sie hielten<br />

Vincenzo Nibali bei den Kletterpassagen<br />

unter Kontrolle. Und ich habe<br />

noch nicht einmal über den Fahrer<br />

gesprochen, der vielleicht das größte<br />

Talent von allen ist: den 19-jährigen<br />

Belgier Remco Evenepoel, der im<br />

letzten Jahr Doppelweltmeister bei<br />

den Junioren wurde.<br />

Wir als Fans sind in einer tollen<br />

Situation. Wir können unsere Helden<br />

noch ein oder zwei Jahre lang<br />

genießen – und glaubt mir, sie werden<br />

hart kämpfen, um ihren Thron<br />

weiterhin zu besetzen. Aber wir<br />

„MIT DER ZEIT WERDEN WIR UNSERE<br />

NEUEN HELDEN ANNEHMEN. ES FÜHLT<br />

SICH AN, ALS STÜNDEN WIR AM ANFANG<br />

EINER NEUEN ÄRA, AM ANFANG EINES<br />

GENERATIONSWECHSELS.“<br />

Gilbert gegen Politt bei Paris–<br />

Roubaix, im Kampf der jungen gegen<br />

die ältere Generation.<br />

können auch zusehen, wie diese<br />

jungen, hungrigen, wilden Kids versuchen,<br />

sie abzudrängen. Diese Geschichte<br />

ist so alt wie der Sport, und<br />

wenn wir zehn Jahre zurückblicken,<br />

würden wir sehen, dass die jetzigen<br />

Spitzenfahrer damals ihren eigenen<br />

Kampf hatten, um die etablierten<br />

Helden des Radsports zur Seite zu<br />

schieben. Es ist so, wie es sein sollte<br />

– nichts hält ewig.<br />

Mit der Zeit werden wir unsere<br />

neuen Helden annehmen. Es fühlt<br />

sich an, als stünden wir am Anfang<br />

einer neuen Ära, am Anfang eines<br />

Generationswechsels, den wir seit<br />

einigen Jahren nicht mehr erlebt haben.<br />

An der Spitze des Sports stehen<br />

vielleicht nur noch Julian Alaphilippe<br />

und Peter Sagan bei den Klassikern,<br />

die noch mehr als ein Jahr<br />

Zeit haben. Und wie immer seit der<br />

Erfindung des Sports werden wir<br />

dem gleichen Mantra folgen: Der<br />

König ist tot; es lebe der König!<br />

Jens Voigt beendete seine Profi -<br />

karriere 2014 nach 18 Jahren.<br />

Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />

und beliebtesten Fahrer<br />

im Peloton. Unter anderem hielt er<br />

für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />

114 PROCYCLING | JUNI 2019


The<br />

Global<br />

Platform<br />

Die Zukunft<br />

startet hier<br />

& jetzt!<br />

Entdecke<br />

Fahrradund<br />

Mikromobilitäts-<br />

Lösungen von morgen<br />

4. – 7. Sept. 2019<br />

Messe Friedrichshafen<br />

open to public<br />

FESTIVAL DAY<br />

7. Sept.<br />

eurobike-show.de<br />

#EUROBIKESHOW


GERMAN ENGINEERING & DESIGN<br />

REACTO<br />

DISC TEAM<br />

AERODYNAMICS SIMPLIFIED<br />

Das 2018 komplett überarbeitete REACTO ist eines der führenden<br />

Rennräder seiner Klasse und überzeugte mit seiner „beeindruckenden<br />

Aerodynamik, dem erstaunlichen Komfort für ein Aero-Rennrad, den<br />

tollen Fahreigenschaften und der kompromisslosen Ausstattung“<br />

auch die Tester der TOUR. Es wird nicht nur äußerst erfolgreich<br />

vom BAHRAIN MERIDA PRO CYCLING TEAM eingesetzt, auch den<br />

Design & Innovation Award 2018 konnte es für sich verbuchen.<br />

Das REACTO ist die perfekte Kombination aus Geschwindigkeit<br />

und Komfort.<br />

MORE SUCCESS. MORE BIKE.<br />

VINCENZO NIBALI - VICTORY MILANO SANREMO 2018<br />

MERIDA.com

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!