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RAD DES MONATS<br />

Das Cannondale SuperSix<br />

Evo von Michael Woods<br />

RICK ZABEL<br />

Schwierige Zeiten –<br />

Zwangspause im August<br />

EUROBIKE<br />

Von Basso bis Sigma –<br />

Highlights aus Friedrichshafen<br />

OKTOBER <strong>2019</strong><br />

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DEUTSCH-<br />

LAND TOUR<br />

GROSSE NACHLESE –<br />

VIER TAGE VOLLER<br />

ERFOLG<br />

VUELTA<br />

A ESPAÑA<br />

DIE BILDER DER<br />

SPANIEN-RUNDFAHRT<br />

RIGOBERTO<br />

URÁN<br />

MUSIK- UND<br />

MODE-GURU<br />

MICHAEL<br />

WOODS<br />

LAUFWUNDER<br />

TEJAY VAN<br />

GARDEREN<br />

US-SPORT-<br />

FANATIKER<br />

EF EDUCATION FIRST<br />

KÄMPFEN<br />

BIS ZUM ENDE<br />

EXKLUSIVER EINBLICK: UNTERWEGS MIT AMERIKAS VORZEIGE-TEAM


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PERISCOPE


EDITORIAL<br />

RADSPORT IM WANDEL<br />

Mit dem Vuelta-Sieg von Primož Roglič neigt sich ein aufregendes und überraschungsvolles Jahr<br />

seinem Ende entgegen. In dieser Saison haben sich nicht nur drei Neulinge mit ihren Grand-Tour-<br />

Titeln einen Platz in der Ruhmeshalle des Radsports erobert – Richard Carapaz (Giro), Egan Bernal<br />

(Tour) und Roglič –, auch für ihre Heimatländer sind es die ersten Erfolge dieser Art. Noch nie<br />

haben ein Ecuadorianer (Carapaz) und ein Slowene (Roglič) bei einer großen Rundfahrt ganz oben<br />

auf dem Podium gestanden; für Kolumbien holte Bernal zudem den lange ersehnten ersten Sieg<br />

bei der Frankreich-Rundfahrt. Diese Entwicklungen werden uns in naher Zukunft weiter beschäftigen<br />

und für spannende Rennen sorgen – dafür muss man nur einen Blick auf die Transfers für<br />

das kommende Jahr werfen: Ineos hat sich bereits die Dienste von Carapaz gesichert und damit<br />

2020 vier Grand-Tour-Sieger in seinen Reihen. Jumbo–Visma hält mit der Verpflichtung von Tom<br />

Dumoulin dagegen und stellt seinen Klassementfahrern Roglič und Steven Kruijswijk einen weiteren<br />

Topmann zur Seite. Da kommt also noch einiges auf uns zu. Vielleicht wird die kommende<br />

Saison die aktuelle in Sachen Spannung sogar noch toppen.<br />

Und die deutschen Fahrer? Abgesehen von den starken Buch-, Schach- und Ackermännern bei<br />

Bora–hansgrohe und dem herausragenden Frühjahr von Nils Politt sah <strong>2019</strong> bislang eher düster<br />

aus. Zwar holte sich Nikias Arndt eine Etappe bei der Vuelta und Tony Martin überzeugte als Lokomotive<br />

bei Jumbo–Visma, doch drei Leistungsträger der Vergangenheit trafen in diesem Jahr auf<br />

ungewohnte Widerstände: André Greipels Wechsel zu Arkea-Samsic scheint bislang ein Missverständnis<br />

zu sein, John Degenkolb konnte seinem Palmarès bis Mitte September gerade mal einen<br />

Sieg hinzufügen – und das bereits am 17. Februar. Und mit Marcel Kittel hat sich zudem der erfolgreichste<br />

deutsche Fahrer seiner Generation aus dem Sport verabschiedet. Die Zeichen deuten auch<br />

hier also ganz klar auf Umbruch. Ob dieser bereits im kommenden Jahr vollzogen sein wird, bleibt<br />

abzuwarten – ihr Potenzial hat die neue Generation aber schon mehr als nur einmal offenbart.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Spaß mit dieser Ausgabe von Procycling!<br />

Chris Hauke<br />

Redaktion


INHALT<br />

AUSGABE 188 / OKTOBER <strong>2019</strong><br />

36<br />

AUF TOUR MIT EF EDUCATION FIRST<br />

Hinter den Kulissen von Amerikas buntestem und verrücktestem<br />

Radteam – wir tauchen ab in die Welt von EF Education First.<br />

38<br />

RIGOBERTO URÁN<br />

Der beste Rundfahrer des Teams erläutert uns seine<br />

Sichtweise auf den Profiradsport.<br />

RUBRIKEN<br />

© Gruber Images<br />

6<br />

SCHNAPP-<br />

SCHUSS<br />

Vuelta-Rückblick<br />

12<br />

PROLOG<br />

Aus dem Herzen<br />

des Pelotons<br />

26<br />

INSIDER<br />

Rick Zabel<br />

& Ralph Denk<br />

28<br />

STRAVA<br />

Die Daten<br />

der Profis<br />

74<br />

NACHLESE<br />

Analysen, Daten,<br />

Erkenntnisse<br />

88<br />

WUNSCH-<br />

LISTE<br />

Eurobike-Spezial<br />

96<br />

JENS VOIGT<br />

Das letzte<br />

Wort<br />

98<br />

VORSCHAU<br />

Themen der<br />

nächsten Ausgabe<br />

4 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


30<br />

DEUTSCHLAND TOUR<br />

Große Nachlese – vier Tage voller Erfolg von Hannover bis Erfurt.<br />

44<br />

JONATHAN VAUGHTERS<br />

Der Chef von EF über seine lange Reise mit dem Team.<br />

52<br />

ALBERTO BETTIOL<br />

Der Flandern-Sieger erklärt, wie er das Rennen gewinnen konnte.<br />

58<br />

LACHLAN MORTON BEIM GBDURO<br />

Beeindruckende Bilder eines außergewöhnlichen Trips.<br />

68<br />

TOUR-NOTIZEN AUS DEM TEAMWAGEN<br />

EF-Sportdirektor Tom Southam plaudert aus dem Nähkästchen.<br />

84<br />

TILL SCHRAMM<br />

Triathlon versus Radsport – Unterschiede und Gemeinsamkeiten.<br />

© Deutschland Tour/Marcel Hilger, Kramon, Darren Wheeler/thatcameraman.com<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 5


SCHNAPPSCHUSS<br />

IMPRESSIONEN DER VUELTA A ESPAÑA<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4 5<br />

6 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


1. ETAPPE<br />

Salinas de Torrevieja–Torrevieja,<br />

13,4 km (MZF), 24.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Astana<br />

Gesamtführender:<br />

Miguel Angel Lopez<br />

(Astana Pro Team)<br />

2. ETAPPE<br />

Benidorm–Calpe,<br />

199,6 km, 25.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Nairo Quintana (Movistar Team)<br />

Gesamtführender:<br />

Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />

3. ETAPPE<br />

Ibi. Ciudad del Juguete–Alicante,<br />

188 km, 26.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Sam Bennett (Bora–hansgrohe)<br />

Gesamtführender:<br />

Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />

4. ETAPPE<br />

Cullera–El Puig,<br />

175,5 km, 27.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Fabio Jakobsen<br />

(Deceuninck–Quick-Step)<br />

Gesamtführender:<br />

Nicolas Roche (Team Sunweb)<br />

6<br />

7<br />

1 Die Vuelta startet mit<br />

einem Teamzeitfahren in<br />

den Salinen von Torrevieja.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

2 Kolumbianische Fans<br />

feiern den Etappensieg<br />

von Nairo Quintana.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

3 Sam Bennett gewinnt<br />

den Sprint in Alicante.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

4 Steven Kruijswijk wird<br />

der erste prominente Ausfall<br />

des Rennens.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

5 Der Spanier Angel Madrazo<br />

dominiert die erste<br />

Bergankunft.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

6 Freude bei Tagessieger<br />

Jesus Herrada.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

7 Kampf der Favoriten in<br />

Richtung Mas de la Costa.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

5. ETAPPE<br />

L’Eliana–Observatorio<br />

Astrofísico de Javalambre,<br />

170,7 km, 28.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Angel Madrazo (Burgos-BH)<br />

Gesamtführender:<br />

Miguel Angel Lopez<br />

(Astana Pro Team)<br />

6. ETAPPE<br />

Mora de Rubielos–Ares del<br />

Maestrat, 198,9 km, 29.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Jesus Herrada<br />

(Cofidis, Solutions Credits)<br />

Gesamtführender:<br />

Dylan Teuns (Bahrain-Merida)<br />

7. ETAPPE<br />

Onda–Mas de la Costa,<br />

183,2 km, 30.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Alejandro Valverde<br />

(Movistar Team)<br />

Gesamtführender:<br />

Miguel Angel Lopez<br />

(Astana Pro Team)<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 7


SCHNAPPSCHUSS<br />

8<br />

8. ETAPPE<br />

Valls–Igualada,<br />

166,9 km, 31.08.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Nikias Arndt (Team Sunweb)<br />

Gesamtführender:<br />

Nicolas Edet<br />

(Cofidis, Solutions Credits)<br />

9. ETAPPE<br />

Andorra la Vella–<br />

Cortals d’Encamp,<br />

94,4 km, 01.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Tadej Pogačar<br />

(UAE Team Emirates)<br />

Gesamtführender:<br />

Nairo Quintana (Movistar Team)<br />

<strong>10</strong>. ETAPPE<br />

Jurançon–Pau,<br />

36,2 km (EZF), 03.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

11. ETAPPE<br />

Saint-Palais–Urdax-Dantxarinea,<br />

180 km, 04.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Mikel Iturria (Euskadi-Murias)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

12. ETAPPE<br />

Circuito de Navarra–Bilbao,<br />

171,4 km, 05.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Philippe Gilbert<br />

(Deceuninck–Quick-Step)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

13. ETAPPE<br />

Bilbao–Los Machucos,<br />

166,4 km, 06.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Tadej Pogačar<br />

(UAE Team Emirates)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

14. ETAPPE<br />

San Vicente de la Barquera–<br />

Oviedo, 188 km, 07.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Sam Bennett (Bora–hansgrohe)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

8 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


SCHNAPPSCHUSS<br />

9 12<br />

<strong>10</strong><br />

8 Nikias Arndt hält mit der<br />

Siegtrophäe auch die deutsche<br />

Sprinterehre hoch.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

9 Schlechtes Wetter und<br />

eine Schotterstraße fordern<br />

Fahrer und Material.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

<strong>10</strong> Mit seinem Erfolg im<br />

Zeitfahren übernimmt Primož<br />

Roglič das Rote Trikot.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

11 Mikel Itturia wird nach<br />

seinem Sieg von Reportern<br />

umringt.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

13<br />

12 Ungewohnter Start 1: die<br />

Rennstrecke von Navarra.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

11<br />

14<br />

13 Ungewohnter Start 2:<br />

Fußballstadion, Bilbao.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

14 Das Feld passiert den<br />

Strand von San Antolin.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 9


SCHNAPPSCHUSS<br />

15 Sepp Kuss lässt sich<br />

vor seinem Sieg feiern.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

16 Historischer Moment:<br />

der erste Grand-Tour-<br />

Erfolg für Jakob Fuglsang.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

17 Kollegen oder Kontrahenten?<br />

Quintana und<br />

Valverde vor dem Start.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

18 Sergio Higuita kann sein<br />

Glück kaum fassen.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

19 Tony Martin muss das<br />

Rennen nach einem<br />

schweren Sturz beenden.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

15<br />

20 Auf dem Weg zur Plataforma<br />

de Gredos.<br />

© Tim De Waele/Getty Images<br />

16 17<br />

21 Das finale Podium:<br />

Primož Roglič gewinnt die<br />

Vuelta <strong>2019</strong> vor Alejandro<br />

Valverde und dem<br />

Dreifach-Etappensieger<br />

Tadej Pogačar.<br />

© Justin Setterfield/Getty Images<br />

18<br />

<strong>10</strong> PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


SCHNAPPSCHUSS<br />

15. ETAPPE<br />

Tineo–Santuario del Acebo,<br />

154,4 km, 08.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Sepp Kuss (Jumbo–Visma)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

16. ETAPPE<br />

Pravia–Alto de La Cubilla,<br />

144,4 km, 09.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Jakob Fuglsang (Astana Pro Team)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

19<br />

17. ETAPPE<br />

Aranda de Duero–Guadalajara,<br />

219,6 km, 11.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Philippe Gilbert<br />

(Deceuninck–Quick-Step)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

18. ETAPPE<br />

Colmenar Viejo–<br />

Becerril de la Sierra,<br />

177,5 km, 12.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Sergio Higuita (EF Education First)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

20<br />

19. ETAPPE<br />

Ávila–Toledo,<br />

165,2 km, 13.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Rémi Cavagna<br />

(Deceuninck–Quick-Step)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

20. ETAPPE<br />

Arenas de San Pedro–<br />

Plataforma de Gredos,<br />

190,4 km, 14.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Tadej Pogačar<br />

(UAE Team Emirates)<br />

Gesamtführender:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

21<br />

21. ETAPPE<br />

Fuenlabrada–Madrid,<br />

<strong>10</strong>6,6 km, 15.09.<strong>2019</strong><br />

Etappensieger:<br />

Fabio Jakobsen<br />

(Deceuninck–Quick-Step)<br />

Gesamtsieger:<br />

Primož Roglič (Jumbo–Visma)<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 11


PROLOG<br />

AUS DEM HERZEN DES PELOTONS<br />

JUMBO–VISMA GREIFT AN<br />

Kann Jumbo mit Dumoulins Unterstützung Ineos schlagen?<br />

© Getty Images<br />

Wenn Jumbo–Visma bei der Tour im<br />

nächsten Jahr antritt, ist es möglich,<br />

dass bis dahin drei der acht Fahrer<br />

zuvor auf dem Podium einer anderen großen<br />

Rundfahrt im Jahr 2020 standen: Primož Roglic,<br />

Gewinner der Vuelta <strong>2019</strong>, Steven Kruijswijk,<br />

Dritter bei der Tour, und Tom Dumoulin, Gewinner<br />

des Giro 2017. Nur ein Team kann ähnliche<br />

Feuerkraft aufbringen: Ineos.<br />

Jumbo–Visma hat einen großen Schritt nach<br />

vorne gemacht. Seit dem Tiefpunkt im Jahr 2015,<br />

als das Team nur sechs Rennen gewann, wurde<br />

es zu einer Siegermannschaft umgebaut. Im Jahr<br />

2017 gewann es 25 Rennen und im Jahr 2018<br />

33. In diesem Jahr, Stand Mitte September, hat es<br />

43 Rennen gewonnen. Damit ist <strong>2019</strong> das quantitativ<br />

erfolgreichste Jahr in seiner 35-jährigen<br />

Geschichte. Teamchef Richard Plugge und sein<br />

Team um Merijn Zeeman und Nico Verhoeven<br />

haben gut rekrutiert und den Erfolg im Team<br />

etabliert. Eines bedingt das andere: Laurens De<br />

Plus sagte Procycling im Dezember, dass der<br />

Erfolg des Teams dazu führte, dass es hochkarätige<br />

Fahrer einstellen konnte.<br />

Bei den großen Rundfahrten belegten im<br />

vergangenen Jahr zwei Fahrer die Plätze vier<br />

und fünf der Tour, und in diesem Jahr wurde<br />

Kruijswijk in Paris Dritter und Roglic siegte bei<br />

der Vuelta. Aber in der Welt des Grand-Tour-<br />

Rennsports sind wahre Sieger selten gesät, und<br />

man kann sagen, dass sowohl Roglic als auch<br />

Kruijswijk ein äußerst glückliches Händchen<br />

bräuchten, um das Team Ineos in Frankreich<br />

herauszufordern, das sieben der letzten acht<br />

Touren gewann. Doch die Siegeschancen von<br />

Jumbo–Visma verbesserten sich weiter, als der<br />

nächstjährige Wechsel von Tom Dumoulin zum<br />

Team bekannt gegeben wurde.<br />

Als Dumoulins Zugang offiziell gemacht wurde,<br />

sagte Plugge: „Wir können jetzt das stärkste Team<br />

im Kampf gegen ein Team wie Ineos zusammenstellen.“<br />

Auf dem Papier sehen die Dinge sehr<br />

gut aus. Das Budget von Plugge ist angeblich auf<br />

20 Millionen Euro gestiegen, und unter seiner<br />

Flagge fahren Kletterer wie George Bennett, Antwan<br />

Toelhoek und De Plus sowie aussichtsreiche<br />

Fahrer wie Sepp Kuss und Jonas Vingegaard. Ein<br />

Indikator für die Stärke des Teams ist, dass Robert<br />

Gesink, einst als Hollands nächster Toursieger<br />

angekündigt, es in diesem Jahr nicht einmal<br />

ins Tour-Team schaffte.<br />

Als Rouleure stehen Tony Martin, Wout Van<br />

Aert und Mike Teunissen bereit. Einen Nachweis<br />

der Stärke stellt ebenso die Siegerleistung des<br />

Teams beim Brüsseler Zeitfahren dar. Der Abstand<br />

von 20 Sekunden zu Ineos war der größte<br />

Vorsprung in einem Tour-Zeitfahren seit 2004.<br />

12 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


"<br />

©Geobasisdaten BezReg Köln/GEObasis.nrw<br />

©OpenStreetMap (ODbL v1.0)<br />

Die Veröffentlichung und Vervielfältigung im Zusammenhang mit dem Sparkassen Münsterland Giro <strong>2019</strong> ist zulässig.<br />

MÜNSTERLAND GIRO<br />

Ausreißer gegen Sprinter –<br />

Saisonfinale in der Fahrradhochburg<br />

Dumoulin verstärkt das Team im<br />

nächsten Jahr und sorgt für eine insgesamt<br />

sehr schlagkräftige Truppe.<br />

Ineos dominierte bisher die Tour de<br />

France, aber Jumbo hat große Pläne<br />

für 2020.<br />

Wenn alles passt, können Plugge, Zeeman und<br />

Verhoeven also ein sehr starkes Team für die<br />

nächste Tour zusammenstellen. Aber all diese<br />

Feuerkraft schafft eine neue Herausforderung:<br />

Die Ambitionen jedes Fahrers zu erfüllen, ist ein<br />

schwieriges Spiel. Jetzt hat es mehrere Fahrer, die<br />

in der Lage sind, eine große Tour zu gewinnen,<br />

und ein paar mehr, die ihren Marktwert bei den<br />

großen einwöchigen Rennen erhöhen wollen. Und<br />

was tun mit Dylan Groenewegen, einem der besten<br />

Sprinter der Welt? Er hat in den letzten drei<br />

Jahren vier Etappen bei der Tour gewonnen und<br />

wird seine Position sicher schützen. Nicht zu vergessen<br />

Van Aert, der bei seinem Tour-Debüt eine<br />

schwierige Etappe gewann. Wird ein solch einzigartiges<br />

Talent weiterhin damit zufrieden sein, im<br />

Frühjahr der Hauptdarsteller und im Sommer ein<br />

Helfer zu sein? Plugge besprach die Situation mit<br />

seinen Hauptfahrern. „Zuerst sprachen wir ausführlich<br />

mit unseren Kapitänen Primož und Steven.<br />

Beide erkannten, dass die Ankunft von Dumoulin<br />

eine Verstärkung ist“, sagte er. „Es erhöht<br />

die Chance für jeden, einmal zu gewinnen. Unser<br />

Ziel ist es nicht nur, die Tour zu gewinnen. Beginnend<br />

mit der Vuelta, streben wir bei jeder großen<br />

Rundfahrt den Sieg an.“<br />

Ineos’ Direktor Dave Brailsford bemerkt gerne,<br />

dass es ein Luxusproblem ist, ein Tour-Aufgebot<br />

aus seinem Pool an Fahrern auszuwählen. Plugge<br />

wird im nächsten Jahr dem gleichen ausgesetzt<br />

sein. Aber während Brailsford auf den Sieg<br />

des Gelben Trikots fokussiert ist und dank seiner<br />

finanziellen Ressourcen, die doppelt so hoch wie<br />

die von Plugge sind, gute Chancen hat, ist die<br />

Mannschaft von Jumbo–Visma anfälliger für einen<br />

Ausfall. Wir sind gespannt, wie sich dieses<br />

Duell der Teams entwickeln wird.<br />

Zum Abschluss einer langen Saison trifft<br />

sich die Elite des Radsports am 3. Oktober<br />

in Münster und Umgebung. Der Kurs führt<br />

das Feld durch das Münsterland und dann in einer<br />

großen Schleife Richtung Münster. Spätestens<br />

auf der Zielrunde in Münsters Innenstadt<br />

wird sich zeigen, wer seine Kräfte zum Saisonschluss<br />

am besten eingeteilt hat. Bereits in den<br />

letzten Jahren haben die Profis festgestellt, dass<br />

es auch im Münsterland zahlreiche selektive Anstiege<br />

gibt. Bei der 14. Auflage des Rennens wartet<br />

erneut eine attraktive Strecke auf Ausreißer<br />

und Fluchtgruppen. Der Sparkassen Münsterland<br />

Giro <strong>2019</strong> gehört zu den wichtigsten Eintagesrennen<br />

in Deutschland und lockt mit dem Duell<br />

Ausreißer gegen Sprinter.<br />

SPRUNGBRETT FÜR CONTINENTAL-TEAMS<br />

Neben den Teams der WorldTour sind auch Continental-Mannschaften<br />

ein fester Bestandteil des<br />

Rennens. Auf der Jagd nach einer guten Platzierung<br />

kämpfen in diesem Jahr gleich vier Teams<br />

aus Deutschland: Bike Aid, Heizomatrad-net.de,<br />

Team Lotto Kern-Haus und Team Sauerland<br />

NRW p/b SKS Germany. Wie wichtig es für junge<br />

"<br />

"<br />

"<br />

Talente ist, sich einem großen Publikum und<br />

Sponsoren zu präsentieren und mit den Profis<br />

zu messen, wissen die Organisatoren nur zu gut.<br />

Organisationsleiter Rainer Bergmann stellt dem<br />

Nachwuchs deshalb ganz gezielt Startplätze zur<br />

Verfügung und erklärt: „Junge Talente brauchen<br />

Unterstützung und müssen gefördert werden,<br />

nur durch Wettkampferfahrung auf Weltklasseniveau<br />

haben sie die Chance, sich zu entwickeln.<br />

Dabei spielt ihnen auch unsere TV-Liveübertragung<br />

in die Karten.“<br />

„Wir haben in Deutschland viele junge Talente,<br />

die eine Plattform brauchen“, pflichtet der Sportliche<br />

Leiter Fabian Wegmann bei und ergänzt: „Leider<br />

können wir nicht alle einladen und hoffen daher,<br />

dass die Fahrer ihre Chance nutzen, um sich<br />

zu zeigen und vielleicht den Schritt in das Profilager<br />

zu schaffen, so wie Pascal Ackermann von<br />

Bora–hansgrohe, der in diesem Jahr zwei Etappen<br />

beim Giro d’Italia gewonnen hat.“<br />

Neben einem hochkarätig besetzten Profirennen,<br />

den Jedermannrennen mit mehr als<br />

4.500 Teilnehmern, Rennen für die Jugend und<br />

Deutschlands größtem „Fette-Reifen-Rennen“<br />

für den jüngsten Radsport-Nachwuchs bietet der<br />

Münsterland Giro auch ein umfangreiches Messe-<br />

und Rahmenprogramm an.<br />

0 1 2 3 4 Basisk@rte Kreis Borken<br />

Kilometer Stand: 04.09.<strong>2019</strong><br />

© Kreis Borken - sämtliche Geodaten sind urheberrechtlich geschützt!<br />

"<br />

"<br />

Strecke Cup der<br />

Profi-Rennen 200 Kilometer<br />

ca. 1800 Höhenmeter<br />

"<br />

© Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 13


PROLOG<br />

„BEI SOCIAL MEDIA GIBT<br />

ES KEIN ZURÜCK. WIR<br />

HABEN DIE BÜCHSE DER<br />

PANDORA GEÖFFNET.“<br />

F&A<br />

MICHAEL<br />

WOODS<br />

Der kanadische Bücherwurm über seine gesammelten<br />

Narben und warum er gerne im Baskenland fährt.<br />

© CorVos<br />

14 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


Was ist dein Lieblingsrennen?<br />

Die Tour. Dieses Jahr bin ich sie zum ersten Mal gefahren,<br />

aber es war irre. Das Niveau, die Größe, das Interesse, alles<br />

ging durch die Decke, und ich habe es geliebt.<br />

Was ist dein Lieblingsberg?<br />

Der letzte Anstieg der Clásica San Sebastián [der Alto de Murgil]. Er<br />

passt in die Bandbreite meiner Fähigkeiten: steil, nicht sehr lang und<br />

die Menschenmengen sind Wahnsinn. Die Energie von diesen Massen<br />

ist unglaublich. Ich liebe es, im Baskenland zu fahren.<br />

Wer ist der beste Domestik im Peloton?<br />

Es ist schwer, nur einen zu nennen. Mitch Docker, Simon Clarke, Tom<br />

Scully und Nate Brown fallen mir alle ein. Ich habe Glück, mit vielen guten<br />

Domestiken gefahren zu sein, und diese Jungs haben mir mehr als<br />

ein paar Mal den Hintern gerettet.<br />

Wer ist dein lustigster Teamkollege?<br />

Hugh Carthy bringt mich immer zum Lachen, genau wie Alberto Bettiol.<br />

Alex Howes kann supergut Leute nachahmen.<br />

Auf welche Resultate bist du in deiner Karriere besonders stolz?<br />

Ich bin vor allem stolz, wie weit ich es gebracht habe. Da ich so spät<br />

angefangen habe, gibt es bei fast jedem Rennen, das ich fahre, einen<br />

Moment, wo ich einfach nur stolz bin, in der WorldTour zu fahren.<br />

Das Finale eines WT-Rennens zu bestreiten ist schwer, aber es ist noch<br />

schwerer, wenn du erst mit 25 mit dem Radsport anfängst.<br />

SPEED<br />

ROCKER<br />

READY TO ROCK THE GRAVEL!<br />

Was war die letzte App, die du heruntergeladen hast?<br />

Tour Tracker. Ich musste mich auf dem Laufenden halten über die Tour<br />

of Utah.<br />

Social Media: ein Geschenk des Himmels oder Teufelszeug?<br />

Teufelszeug. Bei Social Media gibt es kein Zurück. Wir haben die Büchse<br />

der Pandora geöffnet. Es hat Vorteile – ich kann die Fans erreichen und<br />

bin leichter erreichbar. Aber die Forschung zeigt, dass es den Schlaf, die<br />

psychische Verfassung und das Wohlbefinden überhaupt beeinträchtigt.<br />

Im letzten Jahr habe ich versucht, die Zeit, die ich mit meinem Telefon<br />

und Social-Media-Apps verbringe, zu minimieren.<br />

Was war dein schwerster Tag auf dem Rad?<br />

Die <strong>10</strong>. Etappe des Giro 2018 war barbarisch. Es war der erste Tag nach<br />

dem Ruhetag und Esteban Chaves fiel am ersten Anstieg der 240 Kilometer<br />

langen Etappe zurück. Ein paar der Klassementfahrer konnten Blut<br />

riechen und verschärften das Tempo. Wir fuhren vom Start bis ins Ziel<br />

am Anschlag, die Etappe dauerte über sechs Stunden, es regnete und<br />

Mohoric gewann als Solist. Ich beendete den Tag und war total fertig.<br />

Wem folgst du am liebsten auf Instagram?<br />

Siehe oben … aber wenn ich antworten muss: Larry Enticer.<br />

Haben deine Narben eine Geschichte?<br />

Bei den vielen Narben, die ich habe, vergiss die Geschichte, ich könnte<br />

eine Anthologie zusammenstellen. Ich habe so viele, dass ich vergessen<br />

habe, wo sie herkommen.<br />

Wer gewinnt die Tour in fünf Jahren?<br />

Derselbe, der sie dieses Jahr gewonnen hat: Bernal. Der Junge ist erst 22!<br />

Welches Buch hast du zuletzt gelesen?<br />

Ich lese im Moment gerade Educated [von Tara Westover]. Es liest<br />

sich super und erinnert einen daran, dass das Leben die seltsamsten<br />

Geschichten schreibt. Die letzten beiden Bücher, die ich – während der<br />

Tour – gelesen habe, waren Solitary von Albert Woodfox und Jonathan<br />

Vaughters Buch One-Way Ticket.<br />

MORE INFO ON<br />

SKS-GERMANY.COM


PROLOG<br />

IN ALLER KÜRZE<br />

18<br />

Die Anzahl der großen Rundfahrten,<br />

bei denen Andrey Zeits<br />

in seiner zwölfjährigen Karriere<br />

bei Astana startete und ankam.<br />

Im Jahr 2020 wechselt der<br />

32-Jährige mit einem Zweijahresvertrag<br />

zu Mitchelton-Scott.<br />

GROSSES<br />

DING<br />

Die Fahrerinnen des Colorado<br />

Classic der Damen kämpften um<br />

ein Preisgeld von 68.000 Euro<br />

– 4.500 Euro mehr als bei den<br />

Herren im vergangenen Jahr.<br />

„Für mich macht es einen großen<br />

Unterschied in meinem Leben“,<br />

sagte die Zweitplatzierte Brodie<br />

Chapman von Tibco-Silicon Valley<br />

Bank. „Es ist ermutigend, als die<br />

Athleten anerkannt zu werden,<br />

die wir sind. Für mich ist das ein<br />

großes Ding.“<br />

Elia Viviani sagt, dass<br />

er überzeugt sei dass<br />

er mit seinem Wechsel zu<br />

Cofidis im nächsten Jahr<br />

weiter große Siege einfahren<br />

wird. „Es ist wahr, dass das<br />

Team einen Unterschied<br />

macht, aber wenn es darauf<br />

ankommt, kann man nicht<br />

dem Team die Schuld geben,<br />

wenn man nicht gewinnt.<br />

Die Leistungen des Athleten<br />

hängen vom Athleten selbst<br />

ab“, sagte der neue Straßen-<br />

Europameister.<br />

„ICH HEBE DIE MESSLATTE<br />

IMMER WEITER AN, ABER<br />

ICH WEISS AUCH, DASS SIE<br />

IRGENDWANN ZU HOCH<br />

FÜR MICH SEIN WIRD.<br />

MEINE ANSTRENGUNGEN<br />

VERSCHLEISSEN<br />

DEN KÖRPER UND<br />

ERMÜDEN DEN<br />

FAHRER.“<br />

Julian Alaphilippe erläutert<br />

gegenüber L’Équipe die<br />

Schwierigkeit, sein diesjähriges<br />

Annus Miribalis zu wiederholen.<br />

40<br />

Das Alter von Philippe Gilbert,<br />

wenn sein neuer Dreijahresvertrag<br />

mit Lotto Soudal Ende 2022 ausläuft.<br />

Zu der Unterzeichnung sagte<br />

Marc Sergeant, General Manager<br />

von Lotto Soudal: „Sein Alter ist ein<br />

relativer Begriff, du bist so alt oder<br />

fit, wie du dich fühlst. Er hat immer<br />

noch den großen Drang, sich zu<br />

beweisen.“<br />

Matteo Trentin wird<br />

2020 mit Greg Van<br />

Avermaet bei CCC zusammenarbeiten.<br />

Der vielseitige<br />

Italiener sagt, er glaube,<br />

dass das Duo mehr Möglichkeiten<br />

haben wird,<br />

Rennen für statt gegeneinander<br />

zu gewinnen.<br />

© Getty Images<br />

Chris Froome wurde im August offiziell als Gewinner der Vuelta a<br />

España 2011 ausgezeichnet. Nachdem er das Rote Trikot erhalten hatte,<br />

sagte er: „Acht Jahre später zum Sieger ernannt zu werden, fühlt sich<br />

einerseits etwas seltsam an, ist aber andererseits auch etwas ganz<br />

Besonderes, das ich meinem Palmarès hinzufügen kann.“<br />

„Sie sagten uns, dass<br />

es Optimierungspotenzial<br />

gibt, wie etwa die Bereitstel<br />

lung von mehr Informationen<br />

und Daten während<br />

der Übertragungen“, kommen<br />

tiert UCI-Präsident David<br />

Lap partient die Umfrage<br />

des Verbandes, die von den<br />

Fans wissen wollte, wie man<br />

Straßenradrennen attraktiver<br />

für die Zuschauer<br />

gestalten könne.<br />

Neun<br />

Die Anzahl der amerikanischen<br />

Fahrer auf der Startliste der Vuelta.<br />

Insgesamt starteten 22 Fahrer aus<br />

Nord- und Südamerika bei dem<br />

spanischen Rennen.<br />

16 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

4<br />

Chloe Dygert-Owen gewann alle<br />

vier Etappen und das GC der<br />

Colorado Classic. Das bedeutete<br />

eine Schicksalswende für die<br />

Sho-Air-Twenty20-Fahrerin und<br />

fünffache Bahn-Weltmeisterin,<br />

die bei einem Sturz während<br />

der Tour of California 2018 eine<br />

Gehirnerschütterung erlitt und<br />

sich dann im Winter eine schwere<br />

Knieverletzung zuzog.<br />

Marcel Kittel hat seinen<br />

Rückzug aus dem Profi-<br />

Radsport angekündigt und<br />

erklärt, dass er „alle Motivation<br />

verloren hat, sich weiterhin<br />

auf dem Fahrrad zu quälen“.<br />

Kittel gewann 14 Etappen der<br />

Tour – ein deutscher Rekord<br />

– unter insgesamt 89 Siegen.<br />

KRUIJSWIJK<br />

VERLÄSST<br />

DIE VUELTA<br />

„ICH BIN FROH, DASS ICH<br />

MEIN LAND IN UNSEREN<br />

NATIONALFARBEN STOLZ<br />

MACHEN KANN.“<br />

Die gute Form des irischen Meisters Sam Bennett brachte<br />

ihm im August drei aufeinanderfolgende Etappensiege bei<br />

der BinckBanck-Tour; außerdem gewann er den ersten<br />

Massensprint der Vuelta.<br />

„ICH KONNTE NICHT<br />

DAS BESTE AUS MIR<br />

HERAUSHOLEN, UND<br />

WIR KONNTEN UNS<br />

GEGENSEITIG NICHT<br />

WEITER NACH<br />

VORNE BRINGEN.“<br />

Der Giro-Sieger von 2017,<br />

Tom Dumoulin, wechselt 2020<br />

zu Jumbo–Visma nach dem<br />

schwierigen Ende einer<br />

herausragenden Karriere<br />

bei Sunweb.<br />

NEUE<br />

KARRIERE<br />

Bradley Wiggins macht eine<br />

Ausbildung zum Sozialarbeiter.<br />

„Ich schere mich einen Dreck um<br />

meine Radsportkarriere. Ich bin<br />

einfach losgelöst davon und will<br />

nicht ewig daran festhalten“, sagte<br />

er der Big Issue. Und weiter: Er<br />

wolle seine Erfahrung aus einer<br />

schwierigen Kindheit nutzen, um<br />

anderen zu helfen.<br />

Kirsten Wild wurde<br />

wegen Verlassens<br />

ihrer Linie beim RideLondon<br />

Classique disqualifiziert. Elinor<br />

Barker, die sich bei dem Unfall<br />

das Schlüsselbein brach,<br />

verteidigte Wild. „Es ist<br />

beunruhi gend, wenn man<br />

Kommentare sieht, die gegen<br />

Kirsten gerichtet sind“, twitterte<br />

sie. „Die Realität ist, dass<br />

jeder nur hofft, dass die<br />

schnell getroffene Entscheidung<br />

ihm selbst nützt, ohne<br />

jemand anderem zu schaden.“<br />

19<br />

Das Alter, in dem Remco Evenepoel<br />

die Clásica San Sebastián gewann.<br />

Er wurde damit der jüngste Fahrer,<br />

der ein Rennen auf WorldTour-<br />

Level gewonnen hat.<br />

Nach einem Sturz beim<br />

Eröffnungszeitfahren wurde<br />

Jumbo-Vismas Chance auf den<br />

Sieg bei der spanischen Rundfahrt<br />

ein Dämpfer versetzt, als der<br />

Niederländer nach 50 Kilometern<br />

der vierten Etappe mit Knieschmerzen<br />

ausstieg.<br />

„ICH HABE<br />

NICHT DAS<br />

BEWUSSTSEIN<br />

VERLOREN UND<br />

ICH ERINNERE<br />

MICH AN ALLES.<br />

ICH HATTE<br />

GROSSE ANGST.“<br />

Domenico Pozzovivo erinnert<br />

sich an den Moment,<br />

als er während des Trainings<br />

von einem Auto<br />

angefahren wurde. Die<br />

Liste der Verletzun -<br />

gen umfasste ein<br />

gebrochenes<br />

Schlüsselbein,<br />

Oberarmknochen<br />

und die Elle des<br />

linken Armes. Das<br />

rechte Schien- und<br />

Wadenbein waren<br />

ebenfalls gebrochen.<br />

© Tim de Waele/Getty Images (Bennett), Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 17


PROLOG<br />

MICHAEL WOODS<br />

CANNONDALE<br />

SUPERSIX EVO<br />

Der Kanadier gab sein Tour-<br />

Debüt auf dem neuen und<br />

leichten SuperSix.<br />

Michael Woods fuhr bei seinem Tour-Debüt auf<br />

dem brandneuen Cannondale SuperSix Evo,<br />

das erstmals im Juni beim Critérium du Dauphiné<br />

zu bewundern war, bevor es einige Wochen später<br />

offiziell vorgestellt wurde. Das neue SuperSix setzt komplett<br />

auf einen aerodynamisch optimierten und geformten<br />

Rahmen.<br />

Im Handel ist das SuperSix Evo sowohl als Scheibenals<br />

auch als Felgenbremsen-Variante erhältlich. Während<br />

die Disc-Version aus leichterem Hi-Mod-Carbon<br />

gefertigt ist, wird beim Felgenbremsen-Modell auf Cannondales<br />

Standardcarbon gesetzt. Ein Vertreter von<br />

Cannondale sagte uns, dass die Teamräder mit Felgenbremsen<br />

die Gewichtsgrenze von 6,8 Kilogramm erfüllen,<br />

was darauf hindeutet, dass diese Rahmensätze eine<br />

Spezialanfertigung sind. EF Education First kombiniert<br />

seine Rahmensets mit einer Mischung aus Shimano-<br />

Dura-Ace-R9<strong>10</strong>0-Bremsen plus -Antrieb und FSA-,<br />

Vision-, Tacx- und Prologo-Komponenten. Die von Cannondale<br />

entwickelten SiSL2-Kurbeln verfügen nun auch<br />

über eine Teamausgabe des Power2Max-Leistungsmessers.<br />

Die Vision-Metron-Laufräder aus Carbon rollen auf<br />

25-Millimeter-Schlauchreifen von Vittoria Corsa.<br />

AUSSTATTUNG<br />

© Chris Auld, Getty Images (Porträt)<br />

Rahmen Cannondale-SuperSix-Evo-Hi-Mod-Felgenbremse<br />

(Team) Ausstattung Vision-Metron-Lenker und<br />

-Vorbau; hauseigene SuperSix-Evo-Sattelstütze; Shimano-<br />

Dura-Ace-SPD-SL-Pedale; Prologo-Nago-Evo-Sattel,<br />

Tacx-Ciro-Flaschenhalter Schaltgruppe Dura-Ace-Di2-<br />

9150-Hebel, -Schaltung und -Bremsen Kurbel Cannondale<br />

SiSL2 mit Power2Max-Leistungsmesser und FSA-<br />

Kettenblättern Laufräder Vision Metron 40 SL Tubular<br />

Reifen Vittoria Corsa G+ 25 mm<br />

TOP POSITION<br />

Der windschnittige Vision-Metron-<br />

Carbonlenker bietet optimierte Steifigkeit<br />

und reduziertes Gewicht bei<br />

angenehmer Griffposition.<br />

PRO POPO<br />

Der Prologo-Nago-Evo-Sattel sitzt<br />

auf der rahmenspezifischen Stütze<br />

mit D-Profil und bietet so aerodynamisch<br />

optimierten Komfort.<br />

18 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

STARKE LEISTUNG<br />

EF nutzt Cannondales hauseigene<br />

SiSL2-Kurbel in Kombination mit<br />

FSA-Kettenblättern und einer<br />

Power2Max-Leistungsmessung.<br />

AERO-FRONT<br />

Die Gabel von Cannondales SuperSix<br />

Evo ist perfekt in das Unterrohr<br />

integriert und reduziert<br />

ebenfalls den Luftwiderstand.<br />

NICHT BLOSS EINE NUMMER<br />

Woods startete bei seiner ersten<br />

Tour de France als Edelhelfer für<br />

EF Education Firsts kolumbianischen<br />

Kapitän Rigoberto Urán.<br />

DER BESTE GUMMI<br />

Vittoria-Corsa-G+-Schlauchreifen<br />

sind sehr beliebt in der WorldTour.<br />

Fahrer dieser Reifen gewannen acht<br />

Etappen bei der diesjährigen Tour.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 19


PROLOG<br />

© Getty Images<br />

20 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

TEJAY VAN GARDEREN<br />

Der Amerikaner spricht über seine Wandlung vom Hoffnungsträger<br />

zum Veteranen und seinen Respekt vor der Tour.<br />

Wir hatten bei EF Education First<br />

eine gute Mannschaftszeitfahrer-Fraktion.<br />

Das Team hat viel<br />

Zeit, Energie und Ressourcen investiert,<br />

um zu einer guten Truppe gegen die Uhr<br />

zu werden, denn es geht mehr um die Details<br />

als um die Stärke der Fahrer. Mein<br />

altes Team, BMC, war beim Mannschaftszeitfahren<br />

sehr gut eingespielt, und ich<br />

freue mich, dass dieses Team mich gebeten<br />

hat, sie zu beraten und an meinem<br />

Wissen teilhaben zu lassen.<br />

Know-how bleibt in diesem Sport nicht<br />

lange geheim. Ich erinnere mich, dass ich<br />

2014 dachte, wir hätten bei BMC die Nase<br />

vorn, und dann schaust du dich um und<br />

siehst, dass es alle machen. Die Leute<br />

wechseln die Teams und verteilen sich<br />

im Peloton und lassen andere an ihrem<br />

Know-how teilhaben. Deswegen sind die<br />

Unterschiede zwischen den Topteams so<br />

gering. Die besten Fahrer zu haben, wird<br />

immer den Ausschlag geben – so wie es<br />

sein sollte.<br />

Ich hatte sieben tolle Jahre bei BMC, aber<br />

ich war bereit für eine Veränderung. Ich<br />

war bereit für einen Tapetenwechsel und<br />

ein paar neue Gesichter. Hierher zu kommen,<br />

war eine einfache Wahl, denn ich<br />

habe Freunde hier. Es ist ein amerikanisches<br />

Team und es hat viel Persönlichkeit<br />

und Identität. Ich fand es wirklich attraktiv,<br />

hierher zu kommen.<br />

Der Unterschied zwischen BMC und<br />

diesem Team wurde am Tag des Mannschaftsfotos<br />

klar. Bei BMC bekamen wir<br />

eine E-Mail, in der stand, dass sich alle<br />

Fahrer die Haare schneiden lassen und<br />

die Beine und das Gesicht rasieren sollten.<br />

In diesem Team haben die Fahrer Schnurrbart<br />

und langes Haar. Es ist nicht mein<br />

Stil, aber ich finde es cool, dass sie einen<br />

ermutigen, eine Identität und einen Stil zu<br />

haben. Keines von beiden ist falsch, aber<br />

ich finde, es spricht Bände über den Unterschied<br />

zwischen den beiden Teams. Ich<br />

glaube, ich bringe eine Veteranen-Präsenz<br />

in das Team. Das hört sich komisch an,<br />

aber du fängst an als junger Typ, von dem<br />

die Sportlichen Leiter zu den älteren Fahrern<br />

sagen: „Hey, passt mir auf diesen Jungen<br />

auf“, und dann scheint es, als würdest<br />

du nur einmal mit den Augen blinzeln,<br />

schon sagt jemand zu dir, dass du auf diesen<br />

jungen Kerl aufpassen sollst. Ich kann<br />

nicht sagen, dass es je einen Moment gab,<br />

wo ich das Gefühl hatte, dass sich diese<br />

Wandlung vom jungen Fahrer zum Veteranen<br />

vollzogen hat; ich habe nur keine<br />

Fragen mehr gestellt und war stattdessen<br />

derjenige, dem Fragen gestellt wurden.<br />

Ich habe einen mit Groll verbundenen Respekt<br />

vor der Tour de France. Es ist das<br />

Rennen, bei dem Karrieren gemacht werden.<br />

Ich hatte zwei gute, aber noch mehr<br />

nicht so gute Rennen. Es ist eines von denen,<br />

wo es wirklich nicht angenehm ist,<br />

wenn du es fährst, weil es das stressigste,<br />

gefährlichste und von den meisten Medien<br />

begleitete Rennen ist. Aber gleichzeitig<br />

erkennt man, dass Radsport ohne die Tour<br />

nur eine olympische Sportart wäre, die alle<br />

vier Jahre von Interesse wäre. Man muss<br />

honorieren, was die Tour ist und dass sie<br />

dem Radsport seine Identität gibt und ihn<br />

zu einem legitimen Sport macht und es dir<br />

ermöglicht, gut davon zu leben. Wenn du<br />

bei der Tour gut fährst, ist es ein unvergleichliches<br />

Gefühl. Als ich bei der Tour<br />

2012 das Weiße Trikot gewann, war es<br />

FAHRER-<br />

PROFIL<br />

Geburtsort<br />

Tacoma, USA<br />

Alter 31<br />

Profi seit 20<strong>10</strong><br />

TEAMS<br />

20<strong>10</strong> HTC-<br />

Columbia<br />

2012 BMC Racing<br />

<strong>2019</strong> EF Education<br />

First<br />

KARRIERE-<br />

HÖHEPUNKTE<br />

2013, 2018<br />

Etappensieg Tour<br />

of California<br />

2017 Etappensieg<br />

Giro d’Italia<br />

2016 Etappensieg<br />

Tour de Suisse<br />

2014, 2015<br />

Etappensieg Katalonien-Rundfahrt<br />

2014 WM-Titel<br />

Mannschaftszeitfahren<br />

2013, 2014<br />

Gesamtsieg<br />

Tour of Colorado<br />

2018 Zweiter<br />

Tour of California<br />

2015, <strong>2019</strong><br />

Zweiter Critérium<br />

du Dauphiné<br />

2013 Etappen-Zweiter<br />

Tour de France<br />

2014 Dritter<br />

Katalonien-<br />

Rundfahrt<br />

20<strong>10</strong> Dritter<br />

Critérium du<br />

Dauphiné<br />

wohl das beste Gefühl, das ich je als Radrennfahrer<br />

hatte. Das würde ich gegen<br />

nichts eintauschen, aber die Tour ist nicht<br />

immer nett zu dir.<br />

Ich glaube nicht, dass mich das Etikett<br />

„nächster amerikanischer Toursieger“<br />

beeinträchtigt hat. Ich finde es toll, wie<br />

meine Fans mich unterstützt haben. Die<br />

amerikanischen Fans wollten einen amerikanischen<br />

Fahrer anfeuern. Als sie mich<br />

aufkommen sahen, sagten sie: „Okay, das<br />

ist unser nächster Mann.“ Aber ihre Hoffnungen<br />

waren größer als meine Fähigkeiten.<br />

Wenn du es mit Froome oder Quin -<br />

tana zu tun bekommst, kannst du nur dein<br />

Bestes geben. Ich glaube, jeder kann sehen,<br />

dass sie einfach besser waren als ich.<br />

Mein Rat an junge, aufstrebende Amerikaner<br />

ist, sich nicht endlos Gedanken zu<br />

machen. Wenn ihr Talent habt und vielversprechend<br />

fahrt, denken die Leute, ihr<br />

könnt X, Y und Z machen. Ihr bekommt<br />

viele Ratschläge von Leuten, die es alle gut<br />

meinen mit euch und ihren Senf dazugeben<br />

wollen. Ihr müsst einfach Leute finden,<br />

denen ihr vertraut, und sie bei euch<br />

behalten und dann versuchen, den Lärm<br />

respektvoll zu dämpfen.<br />

Ich habe fast das Gefühl, EF ist das Team,<br />

bei dem ich von Anfang an hätte sein sollen.<br />

Als ich jung war, bin ich für Jonathans<br />

Juniorenteam gefahren. Als es Zeit war für<br />

die U23, bin ich zu Rabobank CT gegangen.<br />

Als ich bereit war, Profi zu werden,<br />

habe ich bei HTC unterschrieben. Es war<br />

immer eine geschäftliche oder sportliche<br />

Entscheidung, die mich davon abgehalten<br />

hat hierher zu kommen. 15 Jahre später<br />

bin ich schließlich zurück und es fühlt<br />

sich fast an, als hätte ich immer hier sein<br />

sollen. Aber andererseits möchte ich auch<br />

kein Jahr missen, das ich bei Rabobank<br />

CT, HTC oder BMC verbracht habe. Es<br />

waren alles tolle Jahre, aber 15 Jahre später<br />

fühlte es sich auch an, als wäre ich nie<br />

weggewesen.<br />

© Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 21


PROLOG<br />

SCHAUFENSTER<br />

PRODUKTEMPFEHLUNGEN<br />

Zwift<br />

VIRTUELLE WELTMEISTERSCHAFTEN<br />

© Hersteller<br />

Pünktlich zur Austragung der Straßen-WM vom 22. bis zum 29. September in der ehemaligen britischen<br />

Grafschaft und heutigen Region Yorkshire haben die Macher der Online-Trainings- und -Rennplattform<br />

Zwift einen neuen virtuellen Kurs mit einer Nachbildung der WM-Strecke veröffentlicht. Fans können so<br />

unter anderem den originalen Harrogate-Zielkurs nachfahren und virtuelles Yorkshire-Flair erleben. „Es ist<br />

fantastisch, dass Zwift als offizieller Supplier zurückkehrt“, sagte UCI-Präsident David Lappartient bei der<br />

Präsentation der Online-Strecke Ende August. „Zwift ist ein aufregendes neues Produkt in unserer Sphäre.<br />

Es ist toll zu sehen, wie Zwift Menschen aus der ganzen Welt auf rein virtuelle Weise näher an die<br />

Weltmeisterschaft bringen kann. Darüber hinaus bietet der Kurs den Teilnehmern die Möglichkeit, sich<br />

mit dem offensichtlich sehr selektiven Finalkurs in diesem Jahr vertraut zu machen.“<br />

Bereits während der WM 2015 in Richmond und während der Titelkämpfe im vergangenen<br />

Jahr in Innsbruck hatte Zwift die Original-WM-Strecken veröffentlicht. Rund um die<br />

Weltmeisterschaften sind zahlreiche weitere Aktivitäten der Marke geplant.<br />

www.zwift.com/yorkshire<br />

22 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

Bkool<br />

VIRTUELLE<br />

DEUTSCHLAND<br />

TOUR<br />

Die Deutschland Tour <strong>2019</strong> ist zwar<br />

bereits seit einem Monat Geschichte<br />

– Fans des einzigen deutschen Profi-<br />

Etappenrennens können es allerdings<br />

auch auf dem Rollentrainer nachfahren.<br />

Der Hersteller Bkool hat die Etappen<br />

der diesjährigen Deutschland Tour<br />

virtuell nachgebildet. Um die vier<br />

Tagesabschnitte gemeinsam mit<br />

Spielern aus aller Welt zu entdecken,<br />

sind lediglich ein Rollentrainer einer<br />

kompatiblen Marke und die Bkool-<br />

Online-Software notwendig.<br />

www.bkool.com<br />

Pirelli<br />

TOUR-DE-FRANCE-REIFEN<br />

Stolze vier Etappensiege feierte das Team<br />

Mitchelton-Scott bei der diesjährigen Tour<br />

de France. Simon Yates, Matteo Trentin, Daryl<br />

Impey und Co. waren dabei auf den P Zero Velo<br />

Tubular Tires des italienischen Reifenspezialisten<br />

unterwegs. Der Pneu ist ein renntauglicher,<br />

moderner Schlauchreifen, der aus einem<br />

320-TPI-Corespun mit aramidverstärkter Kar -<br />

kasse und einem modifizierten Latexschlauch<br />

besteht. Die Yellow-Soft-Gummimischung soll<br />

zusätzlich für ein kompromissloses Fahrverhalten<br />

und eine entsprechende Bodenhaftung<br />

sorgen. Erhältlich ist der Reifen in den Breiten<br />

25 und 28 Millimeter.<br />

www.pirelli.com<br />

Sportful<br />

PARTNERSCHAFT MIT BORA<br />

Bereits in diesem Jahr waren die Profis von Bora–<br />

hansgrohe mit der Bekleidung von Sportful unter -<br />

wegs. Im Vorfeld der diesjährigen Vuelta haben<br />

der italienische Bekleidungshersteller und die<br />

Mannschaft aus Raubling eine Verlängerung ihrer<br />

Partnerschaft bis zur Saison 2021 bekanntgegeben.<br />

„In unserem Performance-Team arbeiten wir hart,<br />

um für unsere Fahrer das bestmögliche Material an<br />

den Start zu bekommen. Der Rennbekleidung kommt<br />

da besondere Bedeutung zu, denn in diesem Bereich<br />

geht es um Performance wie Aerodynamik und<br />

Heat Management, gleichzeitig aber auch um<br />

Komfort. Ich freue mich, dass wir diese äußerst<br />

erfolgreiche und produktive Partnerschaft weiter<br />

fortsetzen können“, sagte Teammanager Ralph<br />

Denk zum Vertragsabschluss. Die neuen Designs<br />

der Bora–hansgrohe-Rennbekleidung 2020 werden<br />

bis Ende des Jahres bekanntgegeben.<br />

www.sportful.com<br />

© Hersteller<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 23


PROLOG<br />

Evoc<br />

TASCHE FÜRS TRAININGSLAGER<br />

© Hersteller<br />

Winterzeit ist Trainingslagerzeit. Pünktlich für<br />

die kalte Jahreshälfte stellt Evoc seine neue<br />

Road Bike Bag Pro vor. Die Radreisetasche<br />

ermöglicht das sichere Verpacken von Renn -<br />

rädern und Triathlonmaschinen. Das Besondere:<br />

Sattelstützen und Lenker müssen nicht länger<br />

verstellt oder abmontiert werden. Hat man die<br />

Laufräder und Pedale abgenommen, wird der<br />

Rahmen nämlich mit wenigen Handgriffen auf<br />

dem längenverstellbaren Evoc-Road-Bike-Stand<br />

aus Aluminium und Hartplastik montiert. In der<br />

Road Bike Bag Pro wird der Rahmen samt Stand<br />

Specialized<br />

NEUE<br />

ZEITFAHR-<br />

MASCHINE<br />

Im Rahmen der Tour de France gab das neue<br />

Specialized S-Works Shiv TT Disc sein Debüt<br />

bei der Tour de France. Sowohl Bora–hansgrohe<br />

als auch Deceuninck–Quick-Step waren<br />

auf den Aerorädern unterwegs, die unter<br />

anderem mit den Roval-321-Disc-Laufrädern<br />

ausgestattet waren. Ein Hingucker: Die Schei -<br />

benräder waren mit dem Logo der Aktion<br />

„Riding for Focus“ bedruckt, einem Projekt,<br />

das erforscht, wie Radfahren einen positiven<br />

Effekt auf Gesundheit und Co., insbesondere<br />

im Hinblick auf ADHD, hat.<br />

www.specialized.com<br />

dann an strategischen Punkten mit einfach<br />

erkennbaren roten Klettriemen an den<br />

Seitenwänden fixiert. Ein Cockpit-Pad bietet<br />

zusätzliche Polsterung für die Lenkerkonstruktion.<br />

Die Laufräder finden in den mitgelieferten<br />

Wheel Bags mit verstärktem Achsschutz Platz<br />

und werden seitlich neben dem Rahmen<br />

platziert. Ein variabel fixierbarer, innen liegender<br />

Seitenstabilisator schützt vor seitlichem<br />

Druck auf das Rad.<br />

www.evocsports.com<br />

POC<br />

SMARTER<br />

KOPFSCHUTZ<br />

Mit dem Ventral Air Spin NFC präsen -<br />

tiert POC einen Helm, der das Thema<br />

Sicherheit auf ein neues Level bringen<br />

soll. Dank integriertem NFC-Chip sendet<br />

der Kopfschutz nämlich direkt nach<br />

einem Unfall lebenswichtige medizinische<br />

Daten an Retter und Helfer – zum<br />

Beispiel die Blutgruppe, Vorerkrankungen<br />

oder Allergien, wenn der Fahrer<br />

selbst keine Auskunft mehr geben kann.<br />

Dazu muss lediglich ein NFC-fähiges<br />

Smartphone direkt über den Helm<br />

gehalten werden. Internet, Telefon- oder<br />

Satellitenverbindung sind zum Auslesen<br />

nicht notwendig. Programmiert wird<br />

die Medical ID nach ICAR-Standard<br />

(International Commission for Alpine<br />

Rescue) über eine kostenlose App. Der<br />

„sprechende Helm“ basiert auf dem<br />

Rennradhelm Ventral Air Spin, der für<br />

seinen geringen Luftwiderstand, seine<br />

ausgezeichnete Belüftung auch bei<br />

langsamem Tempo und die optimale<br />

Temperaturregulierung durch eine<br />

ausgeklügelte Luftzirkulation im Inne -<br />

ren bekannt ist. Erhältlich ist das neue<br />

Modell ab Frühjahr 2020.<br />

www.pocsports.com<br />

24 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

Schwalbe<br />

LEICHTLAUF<br />

MAL DREI<br />

Geschmeidiger, leichter, schneller:<br />

Mit der neuen „Pro One“-Familie will<br />

Schwalbe die Spitzenposition bei den<br />

Road-Tubeless-Reifen zurückerobern.<br />

Procycling konnte die neuen Modelle<br />

bereits ausprobieren.<br />

Schwalbe bietet Road Tubeless ab sofort<br />

in drei Varianten an: als minimalistischen<br />

Wettkampfreifen „TT“ (oben), als aufgefrischten<br />

Allrounder „One“ (Mitte) und als<br />

komplett neu entwickelten „Pro One“ mit<br />

„Turn-up“-Karkasse.<br />

Der Pro One hat sich Schwalbe zufolge<br />

auf so ziemlich jedem Gebiet verbessert:<br />

Er ist leichter geworden und soll in 25 Mil -<br />

limeter Breite nun nur noch 245 Gramm<br />

wiegen; dazu wurde der Rollwiderstand<br />

im Vergleich zum Vor gänger um 13 Prozent<br />

reduziert. Die neue Addix-Gummimischung<br />

soll für deutlich bessere Kur -<br />

venhaftung sorgen, gleichzeitig aber<br />

eine höhere Kilometerleistung ermöglichen.<br />

Eine besonders geschmeidige<br />

„V-Guard“-Pannenschutzschicht soll den<br />

Reifen widerstandsfähiger machen, und<br />

über allem steht eine geheimnisvolle Eigenschaft<br />

namens „Souplesse“ – ein insgesamt<br />

geschmeidigerer Charakter, der<br />

durch einen neuen Aufbau der Kar kasse<br />

möglich wurde. Bei der sogenannten<br />

„Turn-up“-Konstruktion liegen nur noch<br />

zwei statt vier Gewe belagen unter der<br />

Lauffläche; die dreila gige Seitenwand soll<br />

flexibel, aber dennoch schnittfest sein.<br />

Auf der Straße fährt sich der neue Pro<br />

One außerordentlich angenehm. Der Reifen<br />

rollt leicht und gefühlt widerstandsarm<br />

ab, dazu erlaubt er in schnell gefah -<br />

renen Kurven enorm viel Schräg lage.<br />

Das spricht nicht nur für die Addix-Gum -<br />

mi mischung, sondern auch für die Ge -<br />

schmeidigkeit der Karkasse, die sich<br />

dem Straßenbelag feinfühlig anpasst.<br />

Noch etwas schneller dürfte der Pro<br />

One TT sein, ein superleichter Wettkampfreifen<br />

(als 25er mit 205 Gramm)<br />

mit noch einmal 21 Prozent weniger Roll -<br />

widerstand. Er fühlt sich auf der Straße<br />

wirklich schnell an, macht aber Kompro -<br />

misse beim Pannenschutz nötig, der hier<br />

nur durch die Dichtmilch gegeben ist.<br />

Während Pro One und Pro One TT für<br />

jeweils 69,90 Euro angeboten werden,<br />

ist der neue One Tubeless bereits für<br />

54,90 Euro erhältlich. Dies ist der bishe -<br />

rige Pro One, ergänzt um die Addix-Mischung<br />

und mit konventionellem Auf -<br />

bau nicht ganz so rollwiderstandsarm.<br />

Attraktiv wird der günstige Allrounder<br />

dadurch, dass er ab sofort mit „Classic<br />

Skin“-Seitenwand ver fügbar ist. Den Pro<br />

One gibt’s nur in Schwarz, den TT nur in<br />

klassischem Beige.<br />

© Irmo Keizer<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 25


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RICK ZABEL<br />

SCHWIERIGE ZEITEN<br />

Der Katusha-Alpecin-Profi berichtet über seine Zwangspause im August.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Jojo Harper/Team Katusha-Alpecin (Porträt), Luc Claessen/Getty Images<br />

Meine Saison <strong>2019</strong> ist offiziell<br />

vorbei. Eigentlich<br />

sollte ich in diesen Wochen<br />

noch einige Eintagesrennen im<br />

Herbst bestreiten, aufgrund meiner<br />

lange Zeit gesundheitlich schwierigen<br />

Situation in diesem Sommer<br />

habe ich aber gemeinsam mit dem<br />

Team entschieden, bereits frühzeitig<br />

in die Winterpause zu gehen.<br />

Nachdem ich mir bei der Tour de<br />

France eine Virusinfektion eingefangen<br />

hatte, aufgrund derer ich die<br />

Frankreich-Rundfahrt nach dem<br />

ersten Ruhetag verlassen musste,<br />

musste ich eine dreiwöchige Komplettpause<br />

einlegen. Kein Rad, kein<br />

Training, einfach nur Ruhe. Von<br />

<strong>10</strong>0 zurück auf null – man kann<br />

sich vorstellen, was das mit dem<br />

Körper eines Leistungssportlers<br />

macht. Als ich dann Anfang August<br />

wieder die ersten Trainingseinheiten<br />

abspulen konnte, fing ich wieder<br />

komplett von vorne an. Anfangs verfolgte<br />

ich zwar noch das Ziel, rechtzeitig<br />

bis zu den Cyclassics in Hamburg<br />

und zur Deutschland Tour fit<br />

zu werden, aber zweieinhalb Wochen<br />

reichten für einen schnellen<br />

Formaufbau einfach nicht aus.<br />

Kein Start in Hamburg, kein Start<br />

bei der Deutschland Tour – der<br />

nächste Rückschlag für mich in den<br />

sowieso schon schwierigen letzten<br />

Wochen. In Anbetracht der Tatsache,<br />

dass die Saison bald vorüber<br />

sein würde, musste nun eine Grundsatzentscheidung<br />

getroffen werden:<br />

entweder weiter trainieren und versuchen,<br />

für Paris–Tours und die<br />

WorldTour-Rundfahrt in China in<br />

Form zu kommen oder frühzeitig in<br />

die Winterpause zu gehen, um dann<br />

nächste Saison stärker zurückzukommen.<br />

Gemeinsam mit dem Performance<br />

Team unserer Mannschaft<br />

entschied ich mich für Letzteres.<br />

Manchmal ist es besser, auf ein paar<br />

Rennen zu verzichten und im Hinblick<br />

auf das kommende Jahr stattdessen<br />

langfristig zu denken.<br />

„MANCHMAL MUSS MAN EINEN SCHRITT<br />

ZURÜCKGEHEN, UM ZWEI SCHRITTE NACH<br />

VORNE MACHEN ZU KÖNNEN.“<br />

Nach einer schweren Virusinfektion<br />

bei der Tour de France beendete Rick<br />

Zabel seine Saison frühzeitig.<br />

Genaue Beobachter des Renngeschehens<br />

werden sich jetzt natürlich<br />

wundern: Denn sowohl beim Bretagne<br />

Classic Anfang September in<br />

Frankreich als auch bei den beiden<br />

WorldTour-Rennen in Kanada Mitte<br />

des Monats tauche ich mit einem<br />

dicken DNF [Did Not Finish; Anm.<br />

d. Red] in den Ergebnislisten auf.<br />

Die Erklärung ist so einfach wie seltsam:<br />

Ich wurde vom Team trotz<br />

meiner Pause tatsächlich für diese<br />

Rennen nominiert. Der Grund dafür<br />

ist eine UCI-Regelung, die besagt,<br />

dass eine Mannschaft bei World­<br />

Tour-Rennen immer vollzählig am<br />

Start stehen muss. Schickt das<br />

Team nicht genügend Fahrer, muss<br />

eine hohe Strafe bezahlt werden.<br />

Da Katusha-Alpecin nach dem Karriereende<br />

von Marcel Kittel, einer<br />

Langzeitverletzung des US-Amerikaners<br />

Ian Boswell und einem Visaproblem<br />

des Russen Dmitry Strakhov<br />

derzeit nur 22 aktive Fahrer<br />

hat, sind wir hier absolut am Limit.<br />

Ich musste also aushelfen, zu den<br />

Rennen reisen und mich dort in die<br />

Startliste eintragen – um so dem<br />

Team die UCI-Strafe zu ersparen.<br />

Gefahren bin ich die Rennen allerdings<br />

nicht.<br />

Wenn ihr diese Zeilen lest, befinde<br />

ich mich nun allerdings endgültig<br />

in meiner vorgezogenen Winterpause.<br />

Ich möchte die Auszeit nutzen,<br />

um meine Batterien für das kommende<br />

Jahr wieder voll aufzuladen.<br />

Bereits Anfang Oktober – so früh<br />

wie noch nie – will ich dann mit den<br />

Vorbereitungen auf die Saison 2020<br />

beginnen. Wie heißt es so schön:<br />

Manchmal muss man einen Schritt<br />

zurückgehen, um zwei Schritte nach<br />

vorne machen zu können. Ich hoffe,<br />

die Entscheidung, meine Saison<br />

frühzeitig zu beenden, zahlt sich am<br />

Ende aus.<br />

Geboren am 7. Dezember 1993, zog<br />

es den Sohn von Erik Zabel schon<br />

früh zum Radsport. Nach guten<br />

Platzierungen bei den Junioren<br />

wechselte er 2012 zum Rabobank<br />

Development Team. 2014 wurde<br />

Rick Zabel Profi bei BMC und fuhr<br />

drei Jahre bei der US-amerikanischen<br />

Equipe. 2017 wechselte er<br />

zu Katusha-Alpecin und bestritt<br />

erstmals die Tour de France und<br />

die Straßen-WM.<br />

26 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

INSIDER<br />

RALPH DENK<br />

EINE GUTE VUELTA<br />

Der Teamchef von Bora–hansgrohe blickt auf die Spanien-Rundfahrt zurück.<br />

Zwei Etappensiege durch Sam<br />

Bennett sowie Platz sechs in<br />

der Gesamtwertung durch<br />

Rafał Majka – wie schon beim Giro<br />

d’Italia und bei der Tour de France<br />

können wir auch mit unserem Auftritt<br />

bei der Spanien-Rundfahrt sehr<br />

zufrieden sein. Das ganze Team hat<br />

erneut gezeigt, dass wir bei den<br />

Grand Tours im Vergleich zum Vorjahr<br />

einen großen Schritt nach vorne<br />

gemacht haben – das macht mich<br />

sehr stolz.<br />

Rafał hat sich in diesem Jahr<br />

komplett auf die Grand Tours konzentriert<br />

– ein Fokus, der sich sowohl<br />

beim Giro d’Italia als auch bei<br />

der Vuelta a España bezahlt gemacht<br />

hat. Seine konstant starken<br />

Leistungen sind dabei auch einer<br />

Umstellung seiner Fahrweise geschuldet:<br />

Im Vergleich zu früher, wo<br />

er oftmals mit sehr spektakulären<br />

Attacken aufgefallen ist und um<br />

Bergtrikots gekämpft hat, fährt er<br />

heute eher zurückhaltend. Genau<br />

diese Fahrweise braucht es aber, um<br />

sich bei der hohen Leistungsdichte<br />

bei Grand Tours vorne platzieren zu<br />

können. Für uns als Team und unsere<br />

Sponsoren sind solche Platzierungen<br />

im Hinblick auf das World­<br />

Tour-Ranking extrem wichtig. Und<br />

für einen Top-Ten-Platz in der Gesamtwertung<br />

einer großen Landesrundfahrt<br />

gibt es eben deutlich mehr<br />

Punkte als für ein Bergtrikot.<br />

Besonders hervorheben möchte ich<br />

auch die Leistung von Sam Bennett.<br />

Im Laufe der Vuelta hat Sam endgültig<br />

bewiesen, dass er einer der<br />

besten Sprinter der Welt ist. 13 Saisonsiege,<br />

davon alleine elf in der<br />

WorldTour – das muss man erst einmal<br />

schaffen. Sam ist 2014 bei uns<br />

Profi geworden – damals noch in<br />

den Farben von NetApp-Endura. Er<br />

hat sich seitdem konstant weiterentwickelt<br />

und jedes Jahr einen weiteren<br />

Schritt nach vorne gemacht. Seine<br />

„DAS GANZE TEAM HAT GEZEIGT, DASS WIR<br />

BEI DEN GRAND TOURS IM VERGLEICH ZUM<br />

VORJAHR EINEN GROSSEN SCHRITT NACH<br />

VORNE GEMACHT HABEN.“<br />

derzeitigen Erfolge sind nun der<br />

Lohn für diese konstante Arbeit.<br />

In den vergangenen Wochen gab es<br />

ja immer wieder Gerüchte darüber,<br />

dass Sam das Team wechseln würde.<br />

Wir beteiligen uns an solchen<br />

Spekulationen nicht, aber ich würde<br />

nicht allem Glauben schenken, was<br />

man in den Medien liest.<br />

Damit sind wir mittendrin in der<br />

sogenannten silly season. Das<br />

Transferkarussell dreht sich derzeit<br />

rasend schnell und viele Teams verstärken<br />

sich für das nächste Jahr. Ich<br />

freue mich, dass wir mit Lennard<br />

Kämna und Ide Schelling bereits<br />

zwei hoffnungsvolle Talente verpflichten<br />

konnten, die wir genauso<br />

Bora-Profi Sam Bennett war mit<br />

zwei Etappensiegen der stärkste<br />

Sprinter der Vuelta <strong>2019</strong>.<br />

entwickeln wollen wie unsere anderen<br />

jungen Fahrer in den letzten Jahren.<br />

Lennard ist unbestritten ein<br />

großes Talent und war mit Sicher heit<br />

bei einigen Teams auf der Wunschliste.<br />

Es war beeindruckend zu sehen,<br />

wie er sich in der letzten Tour-<br />

Woche präsentiert hat. Immer aktiv,<br />

immer vorne dabei – und das jeden<br />

Tag. Da kann man schon erahnen,<br />

dass er sehr belastungsfähig ist und<br />

einen großen Motor hat.<br />

Ide ist wohl nur wenigen Fans bekannt,<br />

aber genau das macht ihn so<br />

interessant: Er ist ein vielseitiger<br />

junger Fahrer, der großes Potenzial<br />

hat. In der kommenden Saison müssen<br />

wir ihn erst einmal an das Niveau<br />

in der WorldTour heranführen,<br />

aber ich erhoffe mir, dass er unserem<br />

Kader bei Rennen wie den Ardennenklassikern<br />

weitere Tiefe gibt und<br />

dort das Team auch entsprechend<br />

tatkräftig unterstützt. Er wird die<br />

nötige Zeit, aber auch die Chancen<br />

bekommen, um mit uns gemeinsam<br />

herauszufinden, wo genau seine Zukunft<br />

als Rennfahrer liegt.<br />

Ralph Denk ist Teammanager der<br />

deutschen WorldTour-Mannschaft<br />

Bora–hansgrohe. Nach jahrelanger<br />

Aufbauarbeit ist die Equipe mit Sitz<br />

im oberbayerischen Raubling seit<br />

2017 in der höchsten Radsportliga<br />

aktiv. In Procycling berichtet Denk,<br />

in früheren Jahren selbst aktiver<br />

Rennfahrer, jeden Monat über seinen<br />

Alltag als Teamchef.<br />

Aufgezeichnet von Werner Müller-Schell, © Bora–hansgrohe/BettiniPhoto<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 27


PROLOG<br />

DIE ATTACKE DES<br />

WELTMEISTERS<br />

So machte Alejandro Valverde Jagd auf das Vuelta-Podium.<br />

Text Werner Müller-Schell<br />

schnittlich fast zehn Prozent steilen Bergstrecke<br />

konnte nur Roglic folgen, und bis ins Ziel fuhren<br />

die beiden mehr als 40 Sekunden auf die anderen<br />

Favoriten in der Gesamtwertung heraus.<br />

1.842 HÖHENMETER<br />

PRO STUNDE<br />

© Strava (Screenshots)<br />

Zu Beginn des Jahres schien auf Alejandro<br />

Valverde noch der Fluch des Weltmeistertrikots<br />

zu liegen. Doch spätestens seit Juni<br />

ist der 39-jährige Altmeister aus den Reihen der<br />

spanischen Movistar-Equipe wieder in Bestform.<br />

Das zeigte er zuletzt eindrucksvoll bei der Spanien-Rundfahrt:<br />

Im Laufe der Vuelta fuhr sich<br />

Valverde nämlich nicht nur in die Kapitänsrolle<br />

seiner unter anderem mit Nairo Quintana (Kolumbien)<br />

stark besetzten Equipe, sondern kämpfte<br />

auch bis zum Ende um das Podium in der Gesamtwertung<br />

mit. Dabei beließ es „Balaverde“<br />

in der für ihn typisch angriffslustigen Fahrweise<br />

nicht nur bei taktischem Mitrollen: Auf der<br />

15. Etappe etwa setzte er eine der stärksten<br />

Attacken der gesamten Spanien-Rundfahrt –<br />

und konnte bis auf den dominierenden Slowenen<br />

Primož Roglic alle anderen Mitfavoriten wie den<br />

Kolumbianer Miguel Ángel López oder Roglic’<br />

Landsmann Tadej Pogacar distanzieren.<br />

Schauplatz jener Bergankunft war der Anstieg<br />

zum Santuario del Acebo in Asturien, der am<br />

Ende des bergigen, 155 Kilometer langen Tagesabschnitts<br />

mit Start in Tineo auf dem Programm<br />

stand. Während vorne eine Ausreißergruppe den<br />

Sieg unter sich ausmachte – mit dem glücklichen<br />

Ende für den US-Amerikaner Sepp Kuss –, attackierte<br />

Valverde direkt am Fuß der 7,8 Kilometer<br />

langen und 756 Meter hohen Schlusssteigung.<br />

Dem Antritt des Weltmeisters auf der durch-<br />

Attacke vom Fuße des Schlussanstieges bis ins Ziel<br />

– lange haben wir auf einen solchen Angriff von<br />

Valverde bei der Spanien-Rundfahrt gewartet. Wie<br />

kraftvoll der Antritt des Altmeisters war, zeigen die<br />

Zahlen: Gerade einmal 24:37 Minuten benötigte<br />

er für den 7,8 Kilometer langen Anstieg, was eine<br />

enorm hohe Steigungsrate von 1.842 Metern pro<br />

Stunde ergibt. Sicherlich trug die steile Durchschnittssteigung<br />

bei einer verhältnismäßig kurzen<br />

Fahrzeit dazu bei, dass Valverde und sein Begleiter<br />

Roglic hier in Sachen Aufstiegsrate auf Augenhöhe<br />

mit früheren Höhenmeterleistungen etwa von<br />

Alberto Contador lagen, der solche Werte auch<br />

auf längeren Bergstrecken erreichte. Dennoch zeigten<br />

Roglic und Valverde am Schlussanstieg der<br />

15. Etappe sicherlich eine der stärksten Bergleistungen<br />

der gesamten Spanien-Rundfahrt <strong>2019</strong>.<br />

Das untermauert auch ein Blick auf die Wattwerte:<br />

Da Valverde auf Strava weder Herzfrequenz-<br />

noch Leistungsdaten veröffentlichte, errechnete<br />

die Online-Plattform stellvertretend per<br />

Algorithmus eine durchschnittliche Aufstiegsleistung<br />

von 393 Watt. Bei einem Körpergewicht<br />

von 61 Kilogramm lag Valverde über die knappen<br />

28 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


PROLOG<br />

Das Strava-Ranking<br />

Santuario del Acebo por Castro de Limés<br />

(7,8 Kilometer / 756 Höhenmeter)<br />

Setzte die Strava-Bestzeit hinauf zum<br />

Santuario del Acebo por Castro de<br />

Limés: Alejandro Valverde. Das Strava-<br />

Segment am Santuario del Acebo findet<br />

ihr unter www.strava.com/<br />

segments/16394765<br />

25 Minuten Fahrzeit so bei 6,4 Watt pro Kilogramm.<br />

Zum Vergleich: Tadej Pogacar, der<br />

42 Sekunden hinter Valverde die Ziellinie überquerte<br />

und mit Powermeter unterwegs war, erreichte<br />

421 Watt bei 66 Kilogramm Körpergewicht<br />

– eine gemessene Durchschnittsleistung<br />

von 6,3 Watt pro Kilogramm. Auch Tagessieger<br />

Sepp Kuss verewigte sich im Strava-Ranking auf<br />

Rang drei: Er war trotz der langen Flucht nur<br />

1:16 Minuten langsamer als Valverde und trat im<br />

Schnitt immer noch 6,1 Watt pro Kilogramm.<br />

1. Alejandro Valverde Movistar<br />

24:37 Minuten<br />

2. Tadej Pogačar UAE<br />

25:19<br />

3. Sepp Kuss Jumbo–Visma<br />

25:53<br />

4. Nicolas Edet Cofidis<br />

26:12<br />

5. Carl Fredrik Hagen Lotto Soudal<br />

26:23<br />

6. James Knox Deceuninck<br />

26:26<br />

7. Ruben Guerreiro Katusha-Alpecin<br />

26:39<br />

8. Óscar Rodríguez Euskadi<br />

26:47<br />

9. Ben O’Connor Dimension Data<br />

27:52<br />

<strong>10</strong>. Lawson Craddock EF Education First<br />

28:11<br />

© Luis Gomez/Pool/Getty Images<br />

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RENNKULTUR<br />

DIE ZWEITE<br />

RUNDE<br />

Nach dem Comeback im vergangenen Jahr<br />

wurde auch die zweite Austragung der „neuen“<br />

Deutschland Tour zum vollen Erfolg.<br />

Ein Rückblick auf die vier spannenden<br />

Etappen von Hannover nach Erfurt.<br />

Text Werner Müller-Schell<br />

30 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 31


REVANCHE GEGLÜCKT<br />

© Deutschland Tour/Marcel Hilger<br />

Bei der Auftaktetappe der Deutschland Tour im vergangenen Jahr<br />

hatte Pascal Ackermann als Zweiter noch knapp das Nachsehen.<br />

Beim diesjährigen Start der D-Tour zeigte der Profi aus den Reihen<br />

von Bora–hansgrohe, dass er derzeit nicht umsonst als schnellster Sprinter<br />

der Welt gilt. Nach 167 Kilometern und Start in Hannover entschied Ackermann<br />

das Kräftemessen der schnellen Leute auf der Zielgeraden in Halberstadt<br />

für sich. Damit übernahm der Sprinter aus Kandel gleichzeitig das<br />

erste Rote Trikot des Gesamtführenden dieser Deutschland Tour. Platz zwei<br />

auf der leicht ansteigenden Zielgeraden ging an den Norweger Alexander<br />

Kristoff (UAE Team Emirates), der vor seinem italienischen Teamkollegen<br />

Simone Consonni die Ziellinie überquerte. „Wir hatten es heute nicht einfach,<br />

jedes Team hatte uns auf dem Kieker und wollte uns den Sieg streitig machen.<br />

Wir haben aber die Ruhe behalten und das Team hat im Finale einen unglaublichen<br />

Job gemacht. Auf dem letzten Kilometer haben wir sogar noch<br />

ein wenig taktiert und uns noch einmal kurz zurückfallen lassen. Mit der<br />

Gesamtführung müssen wir nun von Tag zu Tag schauen. Es wird sehr<br />

schwer, wir werden aber alles versuchen, hier noch eine Etappe zu gewin -<br />

nen“, sagte Ackermann im Ziel.<br />

Ackermanns Sieg war der perfekte Auftakt für das derzeit einzige Profietappenrennen<br />

auf deutschem Boden. Ihren Anfang hatte die Deutschland<br />

Tour <strong>2019</strong> bereits am Vorabend mit einer gefeierten Teampräsentation in<br />

Hannover genommen. Dabei zeigte sich erneut, dass die Rückkehr des<br />

größten deutschen Etappenrennens ins Peloton nach der bis zum letzten<br />

Sommer zehnjährigen Pause längst überfällig war. So hatte sich eine Rekordzahl<br />

von 15 WorldTour-Mannschaften gemeldet und die Startliste war mit<br />

Grand-Tour-Gewinnern, mehr als einem Dutzend Etappensieger der Tour<br />

de France, Welt-, Europa- und Landesmeistern sowie Monumentgewinnern<br />

gespickt. Neben heimischen Assen wie Ackermann, Emanuel Buchmann<br />

(ebenfalls Bora–hansgrohe), Nils Politt (Katusha-Alpecin) und Lennard Kämna<br />

(Team Sunweb) standen unter anderem so berühmte Namen wie Julian<br />

Alaphilippe (Deceuninck–Quick-Step), Geraint Thomas, Michal Kwiatkowski<br />

(beide Team Sky) oder Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida) am Start.<br />

Dass die Strecke, die als Hommage an das 30-jährige Jubiläum der Öffnung<br />

der innerdeutschen Grenze von Hannover nach Erfurt führen sollte,<br />

Spannung versprach, zeigte bereits die erste Etappe: Eine Fluchtgruppe mit<br />

Nikodemus Holler (Bike Aid), Igor Boev (Gazprom-RusVelo), Joshua Huppertz<br />

(Team Lotto Kern-Haus) und Julien Bernard (Trek-Segafredo) sorgte<br />

so gleich zu Beginn für Spannung an der Spitze des Rennens. Die Ausreißer<br />

konnten sich aber letztlich nicht gegen die heraneilenden Mannschaften<br />

der Sprinter wehren – mit dem besten Ausgang für Ackermann. Damit revanchierte<br />

sich der 25-Jährige für seinen zweiten Platz zum Auftakt der<br />

Deutschland Tour im Vorjahr.<br />

32 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


DER (FAST) PERFEKTE AUFTAKT<br />

Ein erster Schlagabtausch der Favoriten, eine lange Solofahrt eines verheißungsvollen<br />

Talents und am Ende ein Sieger, der eigentlich schon<br />

abgehängt war … das zweite Teilstück der Deutschland Tour war an<br />

Ereignisreichtum kaum zu überbieten. Auf der welligen Etappe über 202 Kilometer<br />

von Marburg nach Göttingen setzte sich der Norweger Alexander<br />

Kristoff (UAE) im Schlusssprint einer dezimierten Gruppe vor Sonny Colbrelli<br />

(Bahrain-Merida) und Yves Lampaert (Deceuninck–Quick-Step) durch. Mit<br />

dem Sieg übernahm Kristoff das Rote Trikot des Gesamtführenden von<br />

Pascal Ackermann (Bora–hansgrohe). „Während der Etappe hatte ich bereits<br />

den Anschluss verloren, ich kam jedoch zurück, und im Finale fühlte ich mich<br />

immer besser. Im Zielsprint war ich kurz eingebaut, aber ich konnte mich befreien<br />

und noch an Colbrelli vorbeifahren. Gestern fühlte ich mich schon gut,<br />

aber der Sieg ist natürlich besser“, sagte Kristoff im Ziel. Am Vortag hatte er<br />

als Zweiter hinter Ackermann noch den Tagessieg verpasst. Ackermann verlor<br />

hingegen an Boden und erreichte das Ziel mit Rückstand. „Wir haben alles<br />

versucht, gegen die Bergfahrer haben wir berghoch aber keine Chance. Die<br />

Anfangsphase war extrem schnell, da mussten wir mitgehen, und das war am<br />

Ende einfach etwas zu viel“, sagte der deutsche Topsprinter im Ziel.<br />

Nach Start im hessischen Marburg hatte sich auf leicht welligem Terrain<br />

eine offensive und temporeiche Anfangsphase entwickelt, aus der nach rund<br />

25 Kilometern eine 25-köpfige Spitzengruppe entsprang. Die Gruppe umfasste<br />

unter anderem Vincenzo Nibali (Bahrain-Merida), Julian Alaphilippe<br />

(Deceuninck–Quick-Step), Simon Geschke (CCC) sowie Emanuel Buchmann<br />

und den Gesamtführenden Ackermann von Bora–hansgrohe, kam allerdings<br />

nur rund 80 Kilometer weit. Zwischendrin gewann der Italiener Davide Villella<br />

(Astana) die erste Bergwertung und holte sich das Bergtrikot.<br />

Prägender Fahrer der Etappe war hingegen Remco Evenepoel (Deceuninck–<br />

Quick-Step), der über <strong>10</strong>0 Kilometer als Solist an der Spitze lag. Der 19-Jährige<br />

setzte sich nach 94 Kilometern ab und fuhr einen Vorsprung von über<br />

drei Minuten heraus. Zunächst organisierte Bora–hansgrohe die Verfolgungsarbeit,<br />

bei hohem Tempo teilte sich später jedoch das Hauptfeld in zwei Gruppen<br />

– zu den abgehängten Fahrern gehörten auch Alaphilippe und Ackermann.<br />

Evenepoel gewann noch die zweite Bergwertung sowie die beiden<br />

Sprintwertungen. An der zweiten Überfahrt an der Herzberger Landstraße<br />

in Göttingen holte das dezimierte Feld den Belgier jedoch wieder ein. „Der<br />

Tag war nicht einfach, die Strecke war sehr anspruchsvoll. Ich dachte auch<br />

an den Sieg, am letzten Anstieg holten sie mich aber zu früh ein, weshalb ich<br />

nicht mehr mitfahren konnte. Am Ende war es aber ein guter Trainingstag“,<br />

sagte der junge Belgier. Auf den letzten acht Kilometern probierten es der<br />

U23-Weltmeister Marc Hirschi (Sunweb) und Alexey Lutsenko (Astana) mit<br />

einem Vorstoß – allerdings erfolglos. Die Entscheidung fiel im Sprint eines<br />

reduzierten Feldes.<br />

© Deutschland Tour/Marcel Hilger<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 33


ASGREENS SPÄTE ATTACKE<br />

© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />

Simon Geschke, Nils Politt oder gar Emanuel Buchmann – die deutschen<br />

Fans hätten sich auf der hügeligen dritten Etappe durch den<br />

Thüringer Wald einen heimischen Sieger gewünscht. Am Ende lachte<br />

allerdings ein Däne: Kurz vor dem Ziel der 189 Kilometer zwischen Göttingen<br />

und Eisenach hatten sich Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) und Kasper<br />

Asgreen (Deceuninck–Quick-Step) aus einer kleinen Gruppe abgesetzt, den<br />

Schlusssprint gewann schließlich Asgreen. Sonny Colbrelli (Bahrain-Merida)<br />

führte die Verfolger um Buchmann, der zwischenzeitlich selbst attackiert<br />

hatte, und Geschke 17 Sekunden später ins Ziel. Stuyven übernahm das Rote<br />

Trikot des Gesamtführenden der Deutschland Tour <strong>2019</strong>. „Es war eine tolle<br />

Teamleistung heute. Wir hatten Julian Alaphilippe in der Spitzengruppe und<br />

konnten uns deshalb im Feld schonen. Für das Finale hatten wir einen Plan,<br />

und jeder trug seinen Teil dazu perfekt bei. Ich habe meine Sprintfähigkeiten<br />

verbessert, und einen Fahrer wie Stuyven zu schlagen, ist eine tolle Bestätigung“,<br />

sagte Sieger Asgreen.<br />

Nach Start im niedersächsischen Göttingen hatte sich nach wenigen Kilometern<br />

mit Julian Alaphilippe (Deceuninck–Quick-Step), Mads Pedersen<br />

(Trek-Segafredo) und Miká Heming (Dauner Akkon) die Fluchtgruppe des Tages<br />

zusammengefunden. Das Trio bekam zeitweise einen Vorsprung von über<br />

sieben Minuten vom Feld zugestanden, die Bergwertung in Heilbad Heiligenstadt<br />

sowie die Sprintwertung in Treffurt ging an Heming. Entscheidend waren<br />

die letzten 40 Kilometer mit drei Anstiegen durch den nordwestlichen<br />

Thüringer Wald. Zu diesem Zeitpunkt lagen bei hohen sommerlichen Temperaturen<br />

nur noch Alaphilippe und Pedersen mit rund 1:30 Minuten an der<br />

Spitze. Alaphilippe sicherte sich noch die Bergwertung an der Hohen Sonne,<br />

Pedersen 27 Kilometer vor dem Ziel die Sprintwertung bei der ersten Zielpassage<br />

in Eisenach – unmittelbar danach war ihre Flucht beendet. Im Anschluss<br />

bildete sich im Anstieg über den Vachaer Stein eine neue, rund<br />

20-köpfige Spitzengruppe, zu der allerdings nicht der Gesamtführende Alexander<br />

Kristoff (Team UAE Emirates) gehörte. Die Spitzengruppe blieb auch<br />

im erneuten Aufstieg zur Hohen Sonne größtenteils zusammen, erst auf den<br />

letzten drei Kilometern löste sich zunächst Stuyven und bekam kurz darauf<br />

Begleitung durch den späteren Sieger Asgreen.<br />

„Das Finale war sehr schwer und taktisch. Deceuninck–Quick-Step hatte<br />

noch drei Fahrer in der Gruppe dabei. Ich bin dann noch einmal mit Emanuel<br />

Buchmann weggefahren, das war unsere einzige Chance. Aber wir wurden<br />

wieder eingeholt. Stuyven und Asgreen waren dann zum Schluss aber zu<br />

stark“, sagte Simon Geschke im Ziel. Und Tour-de-France-Star Buchmann<br />

erklärte: „Im letzten Anstieg war das Tempo extrem hoch. Als ich im Finale<br />

angriff, zog Stuyven an mir vorbei. Die Stimmung bei der Deutschland Tour<br />

ist super und es wird richtig hart gefahren, das macht es natürlich spannend.<br />

Morgen hoffen wir auf einen Sprint für Ackermann.“<br />

34 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


COLBRELLIS SCHLUSSAKT<br />

Nach den Plätzen drei und zwei auf den Voretappen platzte bei Sonny<br />

Colbrelli (Bahrain-Merida) auf der Schlussetappe der Deutschland<br />

Tour der Knoten: Der Italiener verwies in einem umkämpften Sprint<br />

nach 159,5 Kilometern von Eisenach nach Erfurt Yves Lampaert (Deceuninck–Quick-Step)<br />

und Alexander Kristoff (Team UAE Emirates) auf die weiteren<br />

Ränge. Jasper Stuyven (Trek-Segafredo) reichte Platz fünf im Tagesergebnis,<br />

um sein rotes Führungstrikot zu verteidigen und den Gesamtsieg der<br />

Deutschland Tour zu feiern. „Meine Mannschaft hat die Etappe toll kontrolliert,<br />

und am Ende kam es auf mich an. Ich bin sehr glücklich mit diesem<br />

Sieg. Es ist mein erster Gesamterfolg bei einer Rundfahrt, das macht es zusätzlich<br />

sehr besonders für mich. Ich hörte bereits im vergangenen Jahr, dass<br />

die Rundfahrt toll ist, mit wenig kontrollierten Etappen. Und da war für mich<br />

klar, ich möchte hier unbedingt teilnehmen“, zeigte sich der Gesamtsieger im<br />

Ziel zufrieden.<br />

Direkt nach dem Start in Eisenach hatten sich der Vortagesetappensieger<br />

Kasper Asgreen (Deceuninck–Quick-Step) und Mads Pedersen (Trek-Segafredo)<br />

aus dem Feld abgesetzt, später stießen Jenthe Biermans (Team Katusha-Alpecin),<br />

Nans Peters (AG2R La Mondiale), Magnus Cort Nielsen (Astana),<br />

Kamil Gradek (CCC) sowie Evgeny Shalunov (Gazprom-RusVelo) zur<br />

Spitzengruppe hinzu. Ihr Vorsprung überstieg jedoch nie mehr als zwei Minuten,<br />

und nach 80 Kilometern war ihre Flucht zu Ende – einzig Cort Nielsen<br />

rettete sich noch einige Kilometer weiter und gewann den Bergpreis auf über<br />

800 Meter Höhe in Oberhof. Damit sicherte sich der Däne mit acht Punkten<br />

die Bergwertung dieser Deutschland Tour. Im Anschluss verlief die Strecke<br />

weitestgehend ohne Schwierigkeiten bis nach Erfurt. Zwischenzeitlich attackierte<br />

erst der Luxemburger Ben Gastauer (AG2R) und später Joshua Huppertz<br />

aus Aachen (Team Lotto Kern-Haus); beide kamen allerdings nicht weit.<br />

Die Entscheidung fiel auf zwei Schlussrunden mit ansteigender Zielgeraden in<br />

Erfurt, auf denen insbesondere Deceuninck–Quick-Step ein hohes Tempo<br />

forcierte. Den Tagessieg verpasste die belgische Mannschaft aber knapp.<br />

Bester deutscher Fahrer im Tagesergebnis war Simon Geschke (CCC), der<br />

im Sprint aus der Gruppe heraus Platz zehn erreichte. „Es war noch einmal<br />

eine schwere Etappe und ich hätte nicht gedacht, dass die Gruppe am Ende<br />

so klein ist. Deshalb konnte ich auch in den Sprint reinhalten. In der Gesamtwertung<br />

bin ich leider nicht ganz so weit vorne, wie ich gehofft hatte. Die Tour<br />

hat trotzdem sehr viel Spaß gemacht“, sagte Geschke. Der gebürtige Berliner<br />

beendete die Deutschland Tour schlussendlich mit 23 Sekunden Rückstand<br />

auf Platz zwölf als bester deutscher Profi in der Gesamtwertung. Mitfavorit<br />

Emanuel Buchmann (Bora–hansgrohe) landete einen Platz dahinter auf Rang<br />

13, ebenfalls mit 23 Sekunden Rückstand auf den Gesamtsieger Jasper Stuyven.<br />

Für den Kletterspezialisten fehlten im diesjährigen Profil der Deutschland<br />

Tour längere Anstiege.<br />

© Deutschland Tour/Henning Angerer<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 35


UNTERWEGS MIT<br />

ERSTKLASSIGE<br />

ERZIEHUNG<br />

EF Education First ist wegweisend. Gestartet als Team<br />

Garmin im Jahr 2008, setzte es sich in einer Zeit für den<br />

Anti-Doping-Kampf ein, in der der Radsport durch Skandale<br />

wieder in die Knie gezwungen worden war. Heutzutage<br />

bringt das Team frischen Wind in den Radsport, indem es<br />

aus dem klassischen Rennkalender ausbricht und auch mal<br />

Gravel-, Mountainbike- oder Langstreckenrennen fährt. All<br />

dies unter Beibehaltung des eigenwilligen Ethos, der es seit<br />

jeher geprägt hat. In einer speziellen Sammlung von Artikeln<br />

folgt Procycling dem Pionierteam hinter die Kulissen, um<br />

herauszufinden, was es wirklich antreibt.<br />

Fotografie Gruber Images<br />

RIGOBERTO URÁN 38<br />

DER MACHER DES TEAMS 44<br />

MAMMA DI PASTA 52<br />

LACHLANS ABENTEUER 58<br />

TOMS TOUR-TAGEBUCH 68<br />

36 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 37


38 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


UNTERWEGS MIT<br />

DER GROSSE<br />

ENTERTAINER<br />

Wegen seiner unbekümmerten Art gilt Rigoberto Urán<br />

vielen als Spaßvogel des Pelotons, aber in Wirklichkeit ist er<br />

einer der professionellsten Fahrer im Feld. Procycling untersucht Uráns<br />

einzigartige Einstellung zum Radsport, zu den Rennen – und zum Leben.<br />

Text Fran Reyes Fotografie Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 39


RIGOBERTO URÁN<br />

Foder einem Akrobaten: Jeden Tag werfen Athleten<br />

ein Dutzend Bälle hoch, die Training, Ernährung,<br />

Familie, Ambitionen, Freundschaften, Verträge,<br />

Teamkollegen, Bosse und Erwartungsdruck sein<br />

können, und versuchen dann, sie alle möglichst<br />

lang in der Luft zu halten. Und wenn sie wirklich<br />

gut sind, kombinieren sie das mit einem Gang<br />

über ein Hochseil – ein dünner Draht, der ihre<br />

schwierige Vergangenheit mit einer unsicheren<br />

Zukunft verbindet. Bei ein paar Glücklichen ist<br />

die Fähigkeit, im Gleichgewicht zu bleiben, während<br />

sie mit verschiedenen Objekten jonglieren,<br />

angeboren. Bei anderen entwickelt sie sich mit der<br />

Erfahrung. Viele andere schaffen es nie, weil es<br />

schwer ist da oben auf dem Seil, wenn alle einen<br />

anschauen.<br />

Rigoberto Urán ist einer von denen, die hart an<br />

ihrer Fähigkeit arbeiten mussten, alles in der Luft<br />

zu halten. Aber nach einem Leben voller lehrreicher<br />

Erfahrungen kam die Erleuchtung vor nicht<br />

allzu langer Zeit. „Ich habe bei einer Tour de France<br />

ür viele mag ein Berufssportler wie eine Maschine eine sehr hässliche, verstörende Erfahrung gemacht.<br />

Ich hätte eine große Leistung abliefern<br />

wirken, dazu erschaffen, in die Pedale zu treten,<br />

zu laufen oder Tore zu schießen – ein Roboter, sollen und habe eine beschissene abgeliefert“,<br />

den man einschaltet, wenn der Wettkampf losgeht,<br />

und der dann in Watte gehüllt wird, wenn es unangenehme war. „Ich habe immer davon ge­<br />

sagt er und vermeidet es zu sagen, welche Tour die<br />

vorbei ist. Das ist vielleicht ein Grund, warum es träumt, mit dem Radfahren meinen Lebensunterhalt<br />

zu verdienen, und plötzlich hat mir keine ein­<br />

bei Fußballspielen von den Rängen Spott und Beschimpfungen<br />

hagelt – als würde ein Spitzensportler<br />

von den Beleidigungen weniger hart ge­<br />

habe ich beschlossen, meine Einstellung zu änzige<br />

Pedalumdrehung mehr Spaß gemacht. Da<br />

troffen als ein normaler Mensch.<br />

dern, sodass mein Glück nie wieder von meinen<br />

Aber natürlich sind auch Athleten aus Fleisch Resultaten abhängt.“<br />

und Blut, nur dass sich ihr Leben mit einem Zirkusartisten<br />

vergleichen lässt – einem Jongleur „Ich fange jede Saison bei null an. Ich trage keine<br />

Und so definiert Urán seine neue Philosophie:<br />

Resultate von früheren Jahren mit mir herum,<br />

egal ob gut oder schlecht. Ich versuche alles zu<br />

genießen, was ich auf dem Rad mache. Manchmal<br />

ist es schwer, besonders bei Rennen wie der<br />

Tour, wo es ununterbrochen Druck und Stress<br />

gibt. Aber sogar im Juli versuche ich, das Rennen<br />

Tag für Tag anzugehen und die Straße sprechen<br />

zu lassen.“<br />

Wir führen diese Unterhaltung am zweiten<br />

Ruhetag der Tour <strong>2019</strong>. Urán befindet sich auf<br />

einem mittelmäßigen zehnten Gesamtrang, der<br />

bis Paris zum siebten wird, doch er hält sich an<br />

seine Worte: Die Enttäuschung wird beiseitegewischt,<br />

er ist gesprächig und fröhlich. Seine<br />

Philosophie klingt schön und gut, aber was ist sie<br />

wert, wenn es mal nicht läuft? „Ich lasse Arbeitsprobleme<br />

immer auf der Arbeit und familiäre<br />

Probleme immer zu Hause. Wir können nicht<br />

den ganzen Tag das Gewicht all unserer Sorgen<br />

auf den Schultern tragen. Die Tour ist nicht mein<br />

Leben. Radsport ist nicht mein Leben. Ich liebe<br />

Sport und bin in guter Form, aber die Resultate<br />

bedeuten mir nicht so viel wie anderen Fahrern<br />

– oder wie mir selbst früher.“<br />

Er sagt weiter: „Ein 20-Jähriger nimmt vielleicht<br />

alles als selbstverständlich hin, wenn er nicht<br />

nach Resultaten beurteilt wird. Aber wenn du in<br />

deinem Leben genug Erfahrungen gemacht hast,<br />

bist du auf einem anderen Niveau. Es ist schwer<br />

zu erklären, aber du weißt einfach, wie es läuft.<br />

Du bereitest dich gewissenhaft vor, du weißt,<br />

was du brauchst, um der Aufgabe gewachsen zu<br />

sein. Du glaubst an dich, du meisterst die Teamarbeit<br />

– du tust dein Bestes. Aber wir sind alle<br />

menschlich. Manchmal bist du obenauf, manchmal<br />

nicht. Und das sollte unsere Einstellung<br />

nicht ändern.“<br />

Der spanische Fahrer Luis Pasamontes kennt<br />

Urán gut. Die beiden waren vier Jahre im selben<br />

40 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


RIGOBERTO URÁN<br />

Im Sprint setzt sich Urán bei der<br />

Tour 2017 knapp gegen Barguil durch.<br />

Team, als der Kolumbianer seine Profikarriere begann,<br />

erst 2007 beim belgischen Team Unibat<br />

und dann drei Jahre bei Caisse d’Épargne, dem<br />

Vorläufer von Movi star. „Bei Unibet haben mich<br />

die Sport lichen Leiter gebeten, auf ihn aufzupassen,<br />

weil er erst 20 war und sich hätte schwertun<br />

können, sich im Team einzuleben. Er war zwar<br />

ein sehr junger, aber sehr reifer Mann. Eine Woche<br />

später sagte ich dem Sportdirektor, dass er am<br />

Ende vielleicht auf mich aufpasst!“<br />

RIGO ZIEHT AN<br />

Urán und seine Entourage haben letzten Jahr ein Jedermannrennen<br />

organisiert: El Giro de Rigo. „Es zog 2.000 Teilnehmer aus<br />

19 Ländern an“, sagt er stolz. Unter ihnen war Chris Froome.<br />

Seit 2014 betreibt er auch die Bekleidungsmarke Go Rigo Go.<br />

„Es begann als Hobby, aber jetzt denke ich, das ist etwas,<br />

woran ich auch nach meinem Karriereende Spaß haben<br />

werde. Ich mag es auch, etwas zu schaffen, das den<br />

Leuten gefällt – und eine ganze Handvoll Arbeitsplätze.“<br />

Urán macht es auf seine persönliche Art. Die kolumbianische<br />

Presse berichtet, dass er einige Sachen<br />

persönlich ausliefert – auf dem Fahrrad. Das Logo der<br />

Marke ist ein Totenkopf, erklärt er, „weil wir<br />

schwarz, weiß, reich, arm, schön, hässlich, klug,<br />

dumm, dick oder dünn sein können – aber wir<br />

haben alle einen Schädel unter der Haut.“<br />

© Gruber Images (oben)<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 41


RIGOBERTO URÁN<br />

Urán kämpft sich am<br />

Tourmalet zum siebten<br />

Schlussrang der Tour <strong>2019</strong>.<br />

2014 führte Urán vier<br />

Tage lang den Giro d’Italia an.<br />

Pasamontes arbeitet heute als Mentaltrainer<br />

und sieht Uráns Einstellung zum Radsport anders.<br />

„Er hat die Fähigkeit, alles richtig zu machen,<br />

und hat immer noch Raum und Zeit, um<br />

sich um sein Bekleidungs-Business zu kümmern<br />

und zu Veranstaltungen und Konzerten zu gehen<br />

… Diese Projekte und Hobbys sind wichtig, um die<br />

emotionale Belastung von Radrennen zu verringern<br />

und länger als üblich Radsport auf höchstem<br />

Niveau machen zu können. Superprofessionell zu<br />

sein, kann einen Fahrer verrückt machen und seine<br />

Karriere ruinieren. Rigo hat bewiesen, dass es<br />

nicht sein muss, jeden Bissen Essen abzuwiegen,<br />

um ein hervorragender Radprofi zu sein.“<br />

In der Tat ist Urán der kolumbianische Fahrer<br />

mit der längsten Karriere im Oberhaus des Radsports:<br />

zwölf Jahre – und kein Ende in Sicht. Santiago<br />

Botero fuhr zehn und Víctor Hugo Peña<br />

neun Jahre, und keiner von beiden hatte einen<br />

Grand-Tour-Podiumsplatz zu Buche stehen.<br />

Urán dagegen war zweimal Zweiter beim Giro<br />

d’Italia und einmal bei der Tour de France.<br />

Doch trotz seiner drei zweiten Plätze hat er<br />

nie eine große Rundfahrt gewonnen.<br />

„Muss ich das?“, fragt er, als er darauf angesprochen<br />

wird. „Wozu? Es wäre schön und<br />

ich trainiere gern dafür. Aber es bereitet mir<br />

keine schlaflosen Nächte. Ein Grand-Tour-<br />

Sieg würde mein Leben nicht ändern. Das<br />

habe ich hinter mir.“ Einige mögen diese Denkweise<br />

als mangelnden Willen auslegen, doch er<br />

sieht das anders. „Im Gegenteil. Ich meine es<br />

ernst mit dem Radsport und damit, mein Bestes<br />

zu geben. Ich weiß, wenn ich das alles irgendeinem<br />

anderen Team in der Welt erzählen würde,<br />

würden sie es vielleicht nicht verstehen. Aber<br />

bei EF Education First verstehen sie es. Sie kennen<br />

mich und sie wissen, dass ich absolut Radsport<br />

auf höchstem Niveau betreiben will. Sie<br />

wissen auch, dass ich jederzeit aufhören kann,<br />

wenn ich es satt habe. Es ist sehr wichtig für<br />

mich, mich von meinem Team unterstützt zu<br />

fühlen und zu wissen, dass es meine Lebens ­<br />

weise respektiert.“<br />

„Er hat die seltene Gabe zu verstehen, was<br />

wichtig ist im Leben“, sagt Pasamontes. „Ich<br />

habe es in diesem Maße bei keinem anderen erlebt.<br />

Seine Lebenserfahrung sagt ihm, was wichtig<br />

ist und was nicht.“ An diesem Punkt muss<br />

man daran erinnern, dass Urán mit 14 seinen<br />

Vater verlor, der von Paramilitärs ermordet wurde,<br />

und auf einmal die Familie ernähren musste.<br />

Er sah den Radsport als Ausweg aus dieser<br />

schweren Situa tion.<br />

„2001, als ich mein erstes Rennen fuhr, hat ­<br />

ten wir es zu Hause nicht leicht“, sagt Urán. „Ich<br />

erreichte die Junioren-Kategorie und begann,<br />

mit dem Radsport Geld zu verdienen. Ich sah den<br />

24<br />

GROSSE<br />

ERFOLGE<br />

Urán stand ganze 57-mal auf dem Treppchen. Sein<br />

größter Erfolg ist ein Tour-Etappensieg, doch er<br />

war auch Gesamt-Zweiter bei Tour und Giro.<br />

1. PLATZ 2. PLATZ 3. PLATZ<br />

57<br />

13<br />

20<br />

Radsport als mögliche Lösung in einem kritischen<br />

Moment für meine Familie und mich. Ich brauchte<br />

dringend einen Job, um Geld nach Hause zu<br />

bringen.“<br />

Der Manager Giuseppe Acquadro besorgte ihm<br />

einen Platz im kleinen italienischen Tenax-Team.<br />

„Es war schwer für ihn, seine Familie zu verlassen<br />

und nach Europa zu ziehen“, sagt Pasamontes.<br />

„Aber er wusste, dass seine Familie der Grund für<br />

seinen Umzug war.“ Urán betont: „Der Radsport<br />

hat das Leben meiner ganzen Familie geändert,<br />

und zwar zum Besseren.“<br />

Und trotzdem ist Geld nicht alles für unseren<br />

Zirkus-Performer. Die Menschen stehen an erster<br />

Stelle. Wenn er über seine ersten Jahre in Europa<br />

spricht, erinnert sich Urán zu allererst an seine<br />

„italienischen Eltern“. „Das Tenax-Team hatte<br />

eine Wohnung von einem älteren Ehepaar angemietet“,<br />

sagt er. „Von Anfang an waren sie meine<br />

italienischen Eltern und unterstützten mich, wo<br />

sie konnten. Ich besuche sie immer noch gele­<br />

42 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


RIGOBERTO URÁN<br />

SPIEL’S NOCH<br />

EINMAL, RIGO<br />

gentlich und sie haben mein Zimmer gelassen, wie<br />

es war – meine Bekleidung, mein altes Rad und<br />

meine Preise. Diese Bekanntschaft zählt mit zum<br />

Schönsten, was mir je im Radsport passiert ist.“<br />

Eine vielsagende Äußerung von Rigoberto<br />

Urán: „Ich liebe es, barfuß zu laufen“, sagt er. „Da<br />

habe ich das Gefühl, im Kontakt mit der Natur zu<br />

sein. Wenn ich in Kolumbien auf dem Lande bin,<br />

liebe ich es, die Schuhe auszuziehen, herumzulaufen,<br />

Bäume zu umarmen … Meine Oma hat<br />

immer gesagt, so können wir unsere Batterien mit<br />

natürlicher Energie aufladen.“<br />

Kaum etwas ist so pur wie barfuß zu laufen.<br />

Und übrigens: Einige sagen, barfuß bewege man<br />

sich auf dem Hochseil am besten. Bei Urán<br />

scheint es zu funktionieren.<br />

Ein Aspekt der kolumbianischen Kultur,<br />

den Urán vorangebracht hat, ist die<br />

Musik seines Landes. „Als ich bei Caisse<br />

d’Épargne war, habe ich im Bus<br />

Reggaeton gehört, und meine Teamkollegen<br />

haben mich gebeten, die Musik<br />

auszumachen“, erinnert er sich lachend.<br />

„Jetzt hört jeder diese Musik. Der<br />

Rhythmus ist sehr eingängig.“ Durch<br />

seine Leidenschaft<br />

für Musik hat er einige Bekanntschaften<br />

in dieser Welt gemacht. „Ich kenne<br />

einige kolumbianische Musiker wie<br />

Carlos Vives. Sie laden mich zu ihren<br />

Konzerten ein, wenn sie wissen, dass ich<br />

in der Gegend bin, aber diese Gelegenheiten<br />

gibt es nicht oft, da ich jetzt in<br />

Monaco lebe. Ich besuche weniger<br />

Konzerte, als ich gerne würde.“<br />

© Kramon<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 43


UNTERWEGS MIT<br />

© Joseph Branston<br />

L’ÉQUIPE,<br />

C’EST MOI<br />

2003 gründete Jonathan Vaughters die Mannschaft,<br />

die zu EF Education First wurde, als Junioren-<br />

Nachwuchsteam. Seitdem hat sich seine Truppe zu<br />

einem festen Bestandteil der WorldTour entwickelt.<br />

Gegenüber Procycling erzählt der Manager, was sich<br />

in diesen 17 Jahren geändert hat – und was nicht.<br />

Text Edward Pickering<br />

Im November ist es zwölf Jahre her, dass ich<br />

bei einer Trainingsfahrt in Boulder, Colorado,<br />

im Slipstream-Mannschaftswagen saß und<br />

Jonathan Vaughters mir seine große Idee erklärte.<br />

Vor ihm trat Magnus Backstedt in einem Anstieg<br />

kräftig in die Pedale, während es andere Fahrer<br />

locker angehen ließen, nachdem sie am Vorabend<br />

durch die Bars von Boulder gezogen waren.<br />

„Warum steckt ein Sponsor Geld in ein Radsportteam?“,<br />

fragte er mich. „Publicity. Und wie<br />

bekommt man Publicity? Die Antwort lautet bis<br />

heute, dass man Publicity und damit ein positives<br />

Image bekommt, indem man Rennen gewinnt.“<br />

Im Kontext von Ende 2007, als Vaughters für<br />

Schlagzeilen sorgte, indem er ein Team gründete,<br />

das für sauberen Radsport stand, war Gewinnen<br />

wahrscheinlich gleichbedeutend mit Dopen. Die<br />

Sieger der drei großen Rundfahrten jenes Jahres<br />

hießen Danilo Di Luca, Alberto Contador und<br />

Denis Mentschow, deren Karrieren nicht ohne<br />

Dopingmakel blieben. Das Gleiche galt für die<br />

meisten Monumente: Ballan in Flandern, O’Grady<br />

in Roubaix und Di Luca in Lüttich waren Sieger,<br />

die irgendwann entweder positiv getestet wurden<br />

oder Doping zugaben. Vaughters wusste Ende<br />

2007, dass er keinem Sponsor gute Resultate ga-<br />

44 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


antieren konnte (obwohl er sie bekam), also<br />

machte er das Gewinnen zum Nebenerzeugnis<br />

statt zum Ziel seines gerade in die ProConti-<br />

Division aufgestiegenen Teams.<br />

„Du kannst dich von diesem Paradigma [siegen<br />

zu müssen] lösen, indem du andere Wege findest,<br />

deinem Sponsor ein positives Image zu geben –<br />

und eine Publicity, die nichts mit Siegen zu tun<br />

hat“, sagte Vaughters zu mir.<br />

Heutzutage ist es dasselbe, aber anders. Der<br />

Dopingkrieg ist zwar nicht endgültig gewonnen,<br />

aber der biologische Pass, bessere Kontrollen, eine<br />

veränderte Kultur und einige andere Faktoren bedeuten,<br />

dass EF Education First sich nicht mehr<br />

als „sauberes Team“ des Radsports verkaufen<br />

kann wie 2008 – es hat kein Monopol mehr.<br />

Doch das Team versucht weiter, seinen Wert für<br />

seinen Sponsor über Radrennen und Siege hinaus<br />

zu vergrößern. Die Ironie ist natürlich, dass es<br />

tatsächlich viele bedeutende Rennen gewonnen<br />

hat – das Team hat eine große Rundfahrt für sich<br />

entschieden und ist eines von nur vier Teams in<br />

der WorldTour, die vier der fünf Monumente gewonnen<br />

haben (Deceuninck und Lotto mit fünf<br />

und Mitchelton mit vier sind die anderen.) <strong>2019</strong><br />

ist man sogar mit einem Monument im Plus –<br />

„WIR SIND DAS AMERI KA -<br />

NISCHE TEAM, DAS AM<br />

LÄNGSTEN BEI DER TOUR<br />

DE FRANCE IST.“<br />

nach Alberto Bettiols eindrucksvollem Sieg bei der<br />

Flandern-Rundfahrt –, aber die größere<br />

Geschichte ist die Betätigung des Teams in der<br />

Offroad- und Endurance-Szene abseits des<br />

WorldTour-Kalenders. Ob das Experiment, an<br />

Rennen wie GBDuro, Dirty Kanza und Leadville<br />

<strong>10</strong>0 teilzunehmen, wegweisend ist oder nicht,<br />

wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen, aber<br />

bemerkenswert ist, dass EF Education First es<br />

schon zwei Jahre macht und dabei nicht das einzige<br />

Team ist – auch Trek-Segafredo-Profi Peter<br />

Stetina hat ein ähnlich gemischtes Programm mit<br />

Gravel- und Straßenrennen bestritten.<br />

Aber die größte Geschichte und der größte Erfolg<br />

des Teams ist, dass es noch existiert. Vaughters<br />

ist älter, ein bisschen fülliger, faltiger und<br />

unendlich erfahrener als 2007, als ihn eine Mischung<br />

aus Idealismus, Naivität und aufkeimendem<br />

Geschäftssinn neben einer gut versteckten<br />

obsessiven Ader, die seine Karriere als Teammanager<br />

voranbringen und sein Privatleben ruinieren<br />

sollte, befähigte, das Team nicht nur auf die Beine<br />

zu stellen, sondern einige große Resultate zu erzielen:<br />

Vierter der Tour 2008 mit Christian Vande<br />

Velde, Dritter bei der folgenden mit Bradley Wiggins.<br />

Aber Resultate zu erreichen war nur ein<br />

Kampf – die Rechnungen dafür zu bezahlen war<br />

der andere.<br />

EF Education First erreicht das Ende seiner<br />

17. Saison und seiner zwölften auf höchstem Niveau.<br />

Damit ist die Formation, verglichen mit anderen<br />

Teams, im mittleren Alter. Großvater der<br />

World Tour ist Movistar, das es seit 1980 gibt; mit<br />

Jumbo–Visma and Lotto Soudal gehen zwei weitere<br />

Teams auf die 1980er zurück. (Das jüngste<br />

Team ist Bahrain-Merida, das seine vierte Saison<br />

beendet.) Vaughters hat wechselnde Sponso-<br />

Vaughters hat ein freundliches Team aufgebaut,<br />

dessen Atmosphäre einen guten Ruf hat.<br />

© Gruber Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 45


JONATHAN VAUGHTERS<br />

© Getty Images<br />

46 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


JONATHAN VAUGHTERS<br />

Vaughters hat den Ruf, der Presse<br />

gegenüber offen und ehrlich zu sein.<br />

„ALEX PASSTE DAMALS REIN<br />

UND ER PASST HEUTE REIN.<br />

ER IST HOCHINTELLIGENT,<br />

INDIVIDUALISTISCH, ABER<br />

UNGLAUBLICH SELBSTLOS.“<br />

ren, zwei Fusionen und eine Phase in der Saison<br />

2017 erlebt, wo der Fortbestand des Teams auf<br />

der Kippe stand. Dass es überhaupt noch hier ist,<br />

ist eine Art Wunder. 2008 war die Truppe der<br />

Neuankömmling; heute, als wir am zweiten Ruhetag<br />

der Tour <strong>2019</strong> mit ihr reden, leitet Vaughters<br />

eines der ältesten Teams.<br />

„Wir sind das amerikanische Team, das am<br />

längsten bei der Tour de France ist“, sagt Vaughters.<br />

„Damit ein amerikanisches Team – abgesehen<br />

von Trek – überlebt, musst du sehr agil sein.<br />

US-Firmen geben dir zwei- bis dreijährige Sponsorenverträge.<br />

Sie bekommen, was sie brauchen,<br />

und dann ziehen sie weiter. So funktioniert das<br />

einfach. Auf dem amerikanischen Markt brauchst<br />

du unter kommerziellen Gesichtspunkten einen<br />

kugelsicheren Plan. So gern ich auch die Flandern-Rundfahrt<br />

gewinnen würde, würde ein Sieg<br />

bei dem Rennen absolut niemanden überzeugen,<br />

ein Radsportteam zu finanzieren.“<br />

Alex Howes ist einer der Senioren des<br />

Teams, dem er schon als Junior angehörte.<br />

Er sagt weiter: „Wir haben keinen starken na tionalen<br />

Sponsoren-Markt, aus dem wir etwas herausangeln<br />

können. In Amerika dreht sich alles<br />

um Shareholder Value, den Aktionärswert – passt<br />

ein Radsportteam da rein oder fährt ein Unternehmen<br />

besser damit, einen Packen Google-Anzeigen<br />

zu kaufen, die gezielt geschaltet werden?<br />

Damit müssen wir konkurrieren. Die Tatsache,<br />

dass wir so lange überlebt haben, ist außerordentlich.<br />

Und jetzt haben wir ein langes Leben vor<br />

uns, weil die EF-Leute sehr engagiert sind.“<br />

Der antike griechische Schriftsteller Plutarch<br />

stellte in dem Gedankenexperiment „Schiff des<br />

Theseus“ die Frage: Wenn das Schiff des griechischen<br />

Helden im Laufe der Zeit repariert wurde,<br />

seine Holzplanken nach und nach ausgetauscht<br />

DIE <strong>10</strong> WICHTIGSTEN RESULTATE FÜR EF<br />

GIRO D’ITALIA 2008<br />

Das Team startet mit einem perfekten<br />

Mannschaftszeitfahren in den Giro 2008 und<br />

Christian Vande Velde trägt das erste Rosa<br />

Trikot. Wichtigste Fahrer des Tages: Vande<br />

Velde, Zabriskie und Millar.<br />

wurden, bis vom Original nichts mehr übrig war,<br />

war es dann noch dasselbe Boot?<br />

<strong>2019</strong> ist keiner der ursprünglichen Fahrer von<br />

2008 mehr bei EF Education First. Drei der Fahrer<br />

der Erstbesetzung blieben bis 2015 – Tom<br />

Danielson, Ryder Hesjedal und Dan Martin. Am<br />

längsten dabei ist heute Alex Howes, der seit 2012<br />

für das Profiteam fährt und seit 2007 mit zwei<br />

Unterbrechungen beim Nachwuchsteam war.<br />

„Alex ist schon ewig hier“, sagt Vaughters. „Ist<br />

Slipstream gleich geblieben? Er ist das beste Beispiel.<br />

Er passte damals rein und er passt heute<br />

rein. Er ist hochintelligent, individualistisch, aber<br />

unglaublich selbstlos.“<br />

Doch wer wirklich immer schon da war, ist<br />

Vaughters selbst. Genau wie Deceuninck–Quick-<br />

Step mit Patrick Lefevere und Groupama-FDJ mit<br />

Marc Madiot, kann man sich das Team nicht ohne<br />

seinen Generalmanager vorstellen. Das Gute da ran<br />

ist, dass Vaughters das praktisch unkündbar<br />

macht. Als er und sein Geschäftspartner Doug Ellis<br />

gemeinsam Eigentümer des Teams waren, war<br />

das selbstverständlich, auch wenn Vaughters in<br />

seinem unlängst erschienenen Buch One Way Ticket<br />

den Versuch einer Gruppe von Fahrern beschreibt,<br />

ihn auszubooten. Jetzt, wo das Team an<br />

EF Education First verkauft wurde, ist es theoretisch<br />

denkbar, dass er eines Tages ersetzt werden<br />

könnte, aber immer noch unvorstellbar.<br />

Die allgemeine Wahrnehmung von Slipstream<br />

im Laufe der Jahre ist, dass es das ursprüngliche,<br />

saubere Team war, und es gilt noch heute als Gegensatz<br />

zu den schlechten alten Zeiten von Lance<br />

Armstrong, dessen Antipathie zu Vaughters<br />

TOUR DE FRANCE 2008<br />

Obwohl ihn niemand für die Gesamtwertung auf<br />

der Rechnung hatte, fährt Christian Vande Velde<br />

das ganze Rennen über superb und wird<br />

Gesamt-Vierter. Ein schlechter Tag in den Alpen<br />

kostet ihn einen Podestplatz.<br />

© Gruber Images, Getty Images (Leiste)<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 47


JONATHAN VAUGHTERS<br />

und dem Team so groß war, dass es angeblich eine<br />

Motivation für sein unseliges Comeback und seinen<br />

anschließenden Sturz war. Aber die saubere<br />

Masche konnte nur so lange gehen, wie Doping<br />

eine große Geschichte im Radsport war, und das<br />

eigentlich verbindende Thema des Teams ist die<br />

Eigenwilligkeit und der Charakter, den Vaughters<br />

selbst ihm durch sein Verhalten und seine Personalpolitik<br />

verliehen hat. Ja, er engagiert die physisch<br />

stärksten Fahrer, die er sich leisten kann,<br />

aber sie brauchen ein gewisses Faible für die Art<br />

und Weise, wie das Team geführt wird – wenn<br />

Fahrer irgendeines Teams am Tisch säßen und<br />

ein auf Plutarch zurückgehendes Gedankenexperiment<br />

durchführten, wären es die von EF<br />

Education First. Wahrscheinlich Phinney.<br />

„Das Team hat sich entwickelt, aber im Wesentlichen<br />

ist der Charakter noch da“, sagt Vaughters.<br />

„Ich würde sagen, dass die Fahrer eine viel<br />

nettere, höflichere Gruppe von Leuten sind. 2008<br />

war es ein ziemlich wildes Team. Jetzt ist es viel<br />

weniger wild. Die Jungs sind konzentrierter und<br />

profes sioneller – die Abstände sind viel geringer,<br />

daher können sie es sich nicht leisten, auf einem<br />

dreistündigen Transfer bei einer Giro-Etappe zwei<br />

Sixpacks zu trinken. Das geht nicht mehr. Die<br />

Fahrer, besonders bei diesem Team, sind gesellschaftlich<br />

verantwortungsvollere, gewissenhaftere<br />

und nettere Leute.“<br />

Einer der größten Unterschiede zwischen 2008<br />

und <strong>2019</strong> ist, dass Vaughters selbst mit seinem<br />

Team wachsen und sich entwickeln musste.<br />

2008 war er 35 Jahre alt, kaum älter als einige<br />

seiner Fahrer und erst seit ein paar Jahren nicht<br />

mehr aktiv. Und da war noch etwas: Als Fahrer<br />

war er weniger erfolgreich gewesen als einige seiner<br />

selbstbewussteren Teammitglieder wie David<br />

Millar und Christian Vande Velde.<br />

„MANCHMAL GESTATTET ES<br />

MIR DIESE GRUPPE, EIN<br />

GLEICHRANGIGER ZU SEIN,<br />

ABER ES IST EHER EINE<br />

VÄTERLICHE BEZIEHUNG.“<br />

Vaughters freut sich mit seinen<br />

Fahrern über einen Sieg im Mannschaftszeitfahren<br />

bei der Tour 2011.<br />

„Plötzlich gab ich ihnen Anweisungen als jemand,<br />

der als Fahrer nicht erfolgreich gewesen<br />

war. Das war für sie schwer zu akzeptieren, daher<br />

gab es dauernd Reibereien. Heute gibt es<br />

keine Spannungen mehr. Die Beziehung zu den<br />

Fahrern ist anders. Damals war ich fast wie ein<br />

Gleichrangiger, und es war nervig, dass ich der<br />

Boss war“, sagt er. „Manchmal gestattet es mir<br />

diese Gruppe, eine Weile ein Gleichrangiger zu<br />

sein, aber es ist eher eine väterliche als eine brüderliche<br />

Beziehung.“<br />

Die Idee, dass es einen bestimmten psycholo -<br />

gischen „Typ“ Fahrer bei EF Education First gibt,<br />

hält einer Überprüfung stand. Als Vaughters erwähnte,<br />

seine Fahrer seien gewissenhafter und<br />

netter, bezog er sich teilweise darauf, dass sein<br />

Team 2008 außer Kontrolle zu geraten drohte,<br />

aber er bezog sich auch generell auf seine Sponsoren<br />

und Fahrer.<br />

„EF ist superintelligent, wie sie das Team se -<br />

hen. Sie sehen es als Argument für ihre rund<br />

50.000 Mitarbeiter und als eine Art, eine Marke<br />

zu bewerben, die nur sehr wenige Leute kannten.<br />

In den USA ist es heutzutage schwer, Personal<br />

anzuwerben und zu behalten. Wir haben eine geringe<br />

Arbeitslosigkeit, die Leute können häufig<br />

den Arbeitgeber wechseln, und wir haben Firmen,<br />

die etwas Attraktives und Interessantes machen,<br />

womit sich die Arbeitnehmer identifizieren können<br />

– diese Strategien sind erfolgreicher, als den<br />

Menschen nur mehr zu bezahlen. Unsere Generation<br />

bezahlt den Menschen einfach mehr. Die<br />

Millennials fragen: ‚Wofür steht meine Firma?‘“<br />

Gilt das auch für seine Fahrer? „Vielleicht ist es<br />

nicht so verrückt wie damals, aber ich glaube, wir<br />

gelten als eines der lockereren, fröhlicheren und<br />

lustigeren Teams. Das liegt irgendwie an meiner<br />

Persönlichkeit. Es gibt Fahrer und Fans, die sich<br />

von dieser exzentrischen Lockerheit angezogen<br />

fühlen, und es gibt Fahrer und Fans, die finden,<br />

dass es wie eine Clownshow aussieht. Am Ende<br />

hast du eine Gruppe von Fahrern, die sich von diesem<br />

Umfeld angezogen fühlen, wie Rigo oder Higuita.<br />

Alberto Bettiol ist ein klassisches Beispiel<br />

– ihm gefällt es hier. Fahrer, die mehr Strenge und<br />

Anweisungen brauchen, sind hier nicht so gut<br />

aufgehoben. Aber das gilt auch für die Fans.<br />

© Getty Images<br />

TOUR DE FRANCE 2009<br />

Der Ruf des Teams, ein Händchen für<br />

Talente zu haben, bestätigt sich, als<br />

Bradley Wiggins bei der Tour Vierter<br />

wird (später auf den dritten Platz<br />

hochgestuft). Vande Velde ist Achter<br />

(später Siebter), womit das Team zwei<br />

Fahrer in den Top Ten hat.<br />

PARIS–ROUBAIX 2011<br />

Als Garmin-Cervélo führt das Team<br />

einen perfekten taktischen Plan aus:<br />

Erst spielt Vaughters die überlegene<br />

Stärke von Fabian Cancellara aus, dann<br />

wird Johan Vansummeren in eine<br />

Position gebracht, aus der heraus er das<br />

erste Monument des Teams gewinnt.<br />

TOUR DE<br />

FRANCE 2011<br />

Die wohl beste Tour des Teams.<br />

Es gewinnt vier Etappen: das<br />

Mannschaftszeitfahren, einen<br />

Sprintsieg mit Farrar und zwei mit<br />

Hushovd. Tom Danielson wird<br />

Gesamt-Achter in Paris.<br />

GIRO D’ITALIA 2012<br />

Der große Sieg. Ryder Hesjedal<br />

ist nicht der Stärkste, aber er<br />

überrascht den besseren<br />

Kletterer Joaquim Rodríguez,<br />

und der Kanadier fährt mithilfe<br />

seines Teams ins Rosa Trikot<br />

und zum Gesamtsieg.<br />

48 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


JONATHAN VAUGHTERS<br />

© Gruber Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 49


JONATHAN VAUGHTERS<br />

Vaughters und Lance Armstrong<br />

kamen nie wirklich gut miteinander aus.<br />

Ich kann mir nicht vorstellen, dass es viele Fans<br />

von Deceuninck–Quick-Step gibt, die auch EF-<br />

Fans sind. Sie sind so: ‚Wir sind das Wolfs rudel.<br />

Rarrrr.‘“<br />

Er fügt hinzu: „Ich kann da nur mit den Augen<br />

rollen, aber auch bei diesem Team, das sehr darauf<br />

konzentriert ist, so viel zu gewinnen wie<br />

möglich, und sehr auf die sportlichen Qualitäten<br />

konzen triert ist und nicht unbedingt auf die breitere<br />

Wirkung seines Outputs, funktioniert es für<br />

seine Fans und eine bestimmte Gruppe von Fahrern.<br />

Wir bewegen uns in einem anderen Raum.<br />

Unter kommerziellen Gesichtspunkten sehe ich<br />

das Team nicht als Konkurrenten und es sieht<br />

mich nicht als Konkurrenten. Ich bin bei der<br />

Suche nach einem Sponsor noch nie Patrick Lefevere<br />

in die Quere gekommen. Er und ich fischen<br />

nicht im selben Teich.“<br />

Es gab eine weitere Erinnerung aus den<br />

2000ern, eine aus dem folgenden Jahr, die mir<br />

blieb: Die Saison, als Slipstream startete, das<br />

Rosa Trikot beim Giro trug und Vierter der Tour<br />

wurde – 2008 –, war das Jahr, in dem Lance<br />

Arm strong sein Comeback ankündigte. Ich war<br />

nach Austin gereist, um ihn zu interviewen, und<br />

weil ich mich für Slipstream interessierte und<br />

für Armstrong, fragte ich ihn nach seinen Landsleuten.<br />

Armstrong war damals noch ein größeres<br />

Arschloch, und ich erinnere mich, dass er gereizt<br />

auf das „sauberes Team“-Ethos reagierte. Er sagte,<br />

ja, es sei zwar ein sauberes Team, aber fragte<br />

dann am Thema vorbei – ob absichtlich oder<br />

nicht: „Ist es ein siegreiches Team?“<br />

Das Urteil ist jetzt teilweise gefällt. Slipstream<br />

ist bis zu einem gewissen Punkt kein siegreiches<br />

Team – aber das ist laut Vaughters der Punkt.<br />

„Das Ding bei diesem Team ist, dass wir nicht<br />

eine hohe Zahl von Siegen einfahren“, sagt er. „So<br />

haben wir von Anfang an funktioniert. Nokere<br />

Koerse zu gewinnen war nie eine Priorität. Wir<br />

haben immer den großen, interessanten Rennen<br />

Priorität gegeben. Roubaix, Lüttich, großen Rundfahrten<br />

… Wenn wir Fahrer einstellen, denke ich<br />

immer: Ist das jemand für Paris–Roubaix? Ist das<br />

jemand, der die Lombardei-Rundfahrt gewinnen<br />

kann? Ist das jemand, der beim Giro oder der Tour<br />

gut fahren kann? Ich wollte nie einen Fahrer, der<br />

unbedingt die Tour de Romandie gewinnen will.“<br />

Bei dem Budget, das Vaughters hat, muss er Kompromisse<br />

machen – aber Kompromisse, was die<br />

Taktik angeht, nicht die Ambitionen. „Bei einem<br />

größeren Budget hast du einen größeren Spielraum<br />

für Fehler. Ineos fährt vorne und hat nicht<br />

so viele Stürze – weil es eine Million Euro teure<br />

Fahrer hat, die vorne Tempo machen. Wenn wir<br />

eine solche Strategie hätten, wären wir nach nicht<br />

mal einem Jahr erledigt. Wenn du das nicht<br />

kannst, musst du hinten mitrollen, aber da bist du<br />

an einer gefährlicheren Position und wirst in mehr<br />

Stürze verwickelt sein. Es ist kein Glück und es ist<br />

keine Superhirn-Strategie, es sind einfach schiere<br />

Pferdestärken, mit denen sich Ineos aus Problemen<br />

raushalten kann.“<br />

© Getty Images<br />

LÜTTICH–BASTOGNE–<br />

LÜTTICH 2013<br />

Eine solide Vorarbeit von Ryder<br />

Hesjedal, der attackiert und die<br />

anderen Teams zur Aufholjagd zwingt,<br />

bringt Dan Martin im Schlussanstieg<br />

nach Ans in die Spitzengruppe, wo er<br />

seine Rivalen im Sprint bezwingt.<br />

LOMBARDEI-<br />

RUNDFAHRT 2014<br />

Dan Martin gewinnt mit dem Rennen der<br />

fallenden Blätter sein zweites Monument,<br />

das dritte des Teams. Er löst sich 1,5 Kilometer<br />

vor dem Ziel aus einer kleinen<br />

Spitzengruppe und fährt als Solist zum<br />

Sieg, während die anderen zögern.<br />

TOUR DE FRANCE 2017<br />

Das Team erreicht seine beste<br />

Platzierung in der Gesamtwertung<br />

der Tour, als Rigoberto Urán Zweiter<br />

wird, nicht weit hinter dem Sieger<br />

Froome. Außerdem feiert Urán<br />

einen spektakulären Etappensieg<br />

in Chambéry.<br />

FLANDERN-<br />

RUNDFAHRT <strong>2019</strong><br />

EF Education First gewinnt sein<br />

erstes Monument, als Alberto Bettiol<br />

am Oude Kwaremont attackiert.<br />

Während Sebastian Langeveld<br />

auf die Verfolger aufpasst,<br />

gewinnt der Italiener als Solist.<br />

50 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


JONATHAN VAUGHTERS<br />

Er fügt hinzu: „Ich hätte Dylan van Baarle<br />

sehr gerne behalten, aber ich konnte ihn mir nicht<br />

mehr leisten. Was macht er bei Ineos?<br />

Tempo. Und er ist ein verdammt starker Typ. In<br />

meinem Team habe ich ihn als künftigen Flandern-Rundfahrt-<br />

oder Roubaix-Sieger gesehen.<br />

Bei Ineos ist er ein Windblocker, und zwar ein<br />

sehr effektiver. Im Prinzip bezahlen sie einen Typ<br />

dafür, dass er seine persönlichen Ambitionen<br />

aufgibt; ich kann Fahrern nicht genug bezahlen,<br />

damit sie das tun.“<br />

Aber auch wenn EF bei der Tour nicht fahren<br />

kann wie Ineos, scheint zumindest die Zukunft<br />

des Teams gesichert zu sein. Bedenkt man dazu,<br />

dass das Team noch 2017 fast hätte dichtmachen<br />

müssen, ist es wohl die solideste Grundlage, die<br />

Vaughters seit zehn Jahren oder überhaupt je hatte.<br />

„2017 war finanziell das magerste Jahr, und<br />

wir waren trotzdem Zweiter der Tour. Du kommst<br />

mit knapper Kasse nicht ewig über die Runden“,<br />

ICH KANN MIR NICHT VOR-<br />

STELLEN, DASS ES VIELE FANS<br />

VON DECEUNINCK–QUICK-<br />

STEP GIBT, DIE AUCH EF-FANS<br />

SIND. SIE SIND SO: ‚WIR SIND<br />

DAS WOLFSRUDEL. RARRRR.‘“<br />

sagt er. „Der Schlüssel zur Unterstützung ist jetzt,<br />

dass sie sehr langfristig angelegt ist. Wir haben<br />

einige Probleme gelöst und ich habe etwas mehr<br />

Geld, um auf den Fahrermarkt zu gehen. Das<br />

heißt nicht, dass ich hingehe und Peter Sagan<br />

kaufe, aber ich hatte neulich eine Diskussion mit<br />

dem Vorstandschef von EF und wir sprachen darüber,<br />

wie wir in fünf, sechs, sieben Jahren die<br />

Paris–Roubaix gehört zu den größten<br />

Zielen von EF. 2011 war das Team hier<br />

schon einmal erfolgreich.<br />

Tour de France gewinnen können. Also, was sind<br />

die langfristigen strategischen Ziele?“<br />

Und Vaughters ergänzt: „Diesen Luxus hatte<br />

ich noch nie. In der Vergangenheit hieß es eher:<br />

Wir haben noch dreieinhalb Monate Sponsoring<br />

übrig. Mich zu bitten, fünf Jahre im Voraus zu<br />

denken, wäre so ähnlich gewesen wie mich zu<br />

bitten, ein Team zum Mond zu schicken.“<br />

Rechnet man diese fünf Jahre zu den zwölf Jahren<br />

hinzu, die Vaughters schon hinter sich hat,<br />

kommt man auf fast zwei Jahrzehnte ununterbrochener<br />

Fortexistenz im Oberhaus des Radsports.<br />

Für ein Team, das seit seinen Anfängen von Jahr<br />

zu Jahr gelebt hat, ist schon die Zielsetzung „Tour<br />

2024“ Sieg genug.<br />

© Gruber Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 51


UNTERWEGS MIT<br />

DER GROSSE<br />

DURCHBRUCH<br />

Alberto Bettiol war der Sieger, mit dem bei der<br />

Flandern-Rundfahrt in diesem Frühjahr niemand<br />

gerechnet hatte. Der Italiener erzählt Procycling von<br />

jenem Tag im April, als „Mamma di Pasta“ seinen<br />

ersten Profisieg feierte und sich alles änderte.<br />

Text Sophie Hurcom<br />

52 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


© Kramon<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 53


ALBERTO BETTIOL<br />

Als Alberto Bettiol sich auf der Pressekonferenz<br />

des Siegers bei der Flandern-Rundfahrt<br />

setzte, war es eine Stunde her, dass<br />

er als Solist über die Ziellinie gefahren war, aber<br />

er trug immer noch denselben Ausdruck der Verwunderung<br />

im Gesicht. Als er das Mikrofon nahm<br />

und in den Raum mit den Fotografen und Journalisten<br />

schaute, wurden seine Augen fast noch größer.<br />

Ein kleiner Junge hatte sich hinter ihm reingeschlichen,<br />

stand an der Seite und schaute zu,<br />

darauf wartend, dass Bettiol fertig wurde, sodass<br />

er sich mit ihm fotografieren lassen konnte.<br />

Vor dem 7. April war Alberto Bettiol kein Begriff<br />

im Radsport; die wenigsten konnten mit seinem<br />

Namen etwas anfangen. Der 25-Jährige hatte<br />

nie ein Rennen gewonnen, ganz zu schweigen<br />

von einem Monument. Als klar wurde, dass Bettiol<br />

im Begriff war, als Solist zum Sieg bei der<br />

Flandern-Rundfahrt zu fahren, nachdem er am<br />

Oude Kwaremont aus einer kleinen Gruppe entwischt<br />

war, konnte man die Journalisten hinter<br />

der Ziellinie etwas ratlos vor den Bildschirmen<br />

stehen sehen. Wer war dieser junge Italiener, der<br />

die Klassiker-Spezialisten taktisch ausgetrickst<br />

hatte und kurz davor stand, ihnen den Sieg beim<br />

größten belgischen Eintagesrennen vor der Nase<br />

wegzuschnappen? Bettiol war sich über seinen<br />

Underdog-Status im Klaren. Als er die Linie überquerte,<br />

richtete er sich auf, nahm seine Sonnenbrille<br />

ab, deutete mit zwei Fingern erst auf seine<br />

Augen und dann in die Ferne. Wenn die Radsport<br />

welt Bettiol zuvor nicht sehen konnte, konnte<br />

sie es jetzt bestimmt. „Ich habe nie ein Rennen<br />

gewonnen. Warum sollte ich<br />

die Flandern-Rundfahrt gewinnen?“,<br />

kommentierte er<br />

seine Siegergeste. „Warum<br />

sollte ich überhaupt ein Favorit<br />

sein?“<br />

Mehr als drei Monate<br />

später hat man das Gefühl,<br />

dass sich Bettiol immer noch<br />

an sein neues Leben nach<br />

dem 7. April gewöhnt. Interviews,<br />

Fotoshootings und<br />

Leute, die mit ihm reden<br />

wollen – all das ist ein neues<br />

Phänomen für ihn. Er begrüßt<br />

uns und setzt sich<br />

hin, aber während er sein Telefon auf den Tisch<br />

zwischen uns legt, sind seine Füße kaum darunter.<br />

Stattdessen ist sein Körper sofort leicht geneigt,<br />

zur Seite gedreht, als wollte er lieber wieder<br />

aufstehen und gehen.<br />

ICH HABE NIE EIN<br />

RENNEN GEWONNEN.<br />

WARUM SOLLTE<br />

ICH DIE FLANDERN-<br />

RUND FAHRT<br />

GEWINNEN?<br />

Es ist Tag zehn der Tour de France, der erste Ruhetag,<br />

und für Bettiol ist die Flandern-Rundfahrt<br />

mittlerweile wahrscheinlich Schnee von gestern.<br />

Am Vortag unterlief seinem Team EF Education<br />

First ein taktischer Patzer bei Seitenwind, den er<br />

bestimmt gerne vergessen würde. Außerdem sind<br />

es draußen 33 Grad. Kein<br />

Wunder, dass er aussieht, als<br />

wäre er lieber woanders.<br />

„Es hat eine Weile gedauert,<br />

bis mir klar wurde, was<br />

ich erreicht habe“, sagt er zu<br />

Procycling. „Jetzt wollen<br />

mehr Leute etwas von mir,<br />

also muss ich mein Leben<br />

anders einteilen; meine Zeit,<br />

meine Termine, mein Training<br />

… Aber wenn ich denke,<br />

was ich erreicht habe, will<br />

ich das nicht ändern. Ich<br />

habe immer gesagt, die Leute<br />

sehen mich deswegen anders,<br />

aber ich sehe die Leute nicht anders – meine<br />

Familie, meine Freunde, mein Team. Es hat mein<br />

Leben ein bisschen geändert, aber nicht viel. Ich<br />

fühle mich immer noch als derselbe Mensch wie<br />

vor dem 7. April.“<br />

Bettiol kann sagen, dass der Sieg bei einem<br />

großen Rennen wie der Flandern-Rundfahrt ihn<br />

nicht verändert hat, aber für Bettiol hat es in diesem<br />

Jahr sicherlich so etwas wie Veränderungen<br />

gegeben. <strong>2019</strong> war der Italiener zu EF Education<br />

First zurückgekehrt, wo er 2014 Profi geworden<br />

war. Bettiol war erst 20, als er zu Cannondale<br />

ging, und er blieb bei dem Team, als es ein Jahr<br />

später mit Garmin fusionierte und das amerikanische<br />

Team die Lizenz übernahm. Seine Karriere<br />

ging stetig bergan, und er ließ 2016 und 2017<br />

mit einigen Platzierungen sein Talent aufblitzen:<br />

Dritter der Polen-Rundfahrt, Zweiter des Bretagne<br />

Classic; Dritter und Siebter beim GP Québec<br />

und GP Montréal; Sechster der Clásica San Sebastián.<br />

Doch als Cannondale ankündigte, Ende<br />

2017 als Titelsponsor auszusteigen, und Teamchef<br />

Jonathan Vaughters unsicher war, ob er einen<br />

neuen Geldgeber finden würde, beschloss Bettiol,<br />

es in einer neuen Umgebung zu versuchen, und<br />

wechselte zu BMC.<br />

© Getty Images<br />

Bettiol kämpft sich mit sichtbarem Vorsprung<br />

den Paterberg hoch, den letzten<br />

Anstieg der Ronde <strong>2019</strong>.<br />

Als Bettiol in Oudenaarde über den Zielstrich<br />

rollt, ist er vom Nobody zum gefragten<br />

Rennfahrer geworden.<br />

54 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


ALBERTO BETTIOL<br />

© Gruber Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 55


ALBERTO BETTIOL<br />

© Kramon<br />

Erstmals kann Bettiol das Gefühl genießen,<br />

auf der höchsten Stufe des Treppchens<br />

zu stehen – und dann gleich hier!<br />

Er hatte gehofft, der Wechsel würde ihm guttun,<br />

aber das Gegenteil war der Fall. Plötzlich war Bettiol<br />

der Neue in einem Team mit vollkommen anderen<br />

Abläufen, Strukturen und Gepflogenheiten.<br />

2018 war eines seiner schlechtesten Jahre, und<br />

als die Chance kam, zu EF zurückzugehen, zögerte<br />

er nicht.<br />

„Wenn du das Team wechselst, ist es wie eine<br />

Familie zu wechseln, du fängst bei null an. Sich<br />

einer Gruppe von Leuten anzuschließen, die sich<br />

schon lange kannten, war ohnehin schwer, außerdem<br />

hatte ich meine eigenen Probleme. Vielleicht<br />

ist es auch dank BMC, dass ich die Flandern-<br />

Rundfahrt gewonnen habe, weil ich verstehe, wie<br />

wichtig dieses Team [EF] ist und dass es am Ende<br />

nicht so schlecht war“, sagt er. „Die Umgebung<br />

war ganz anders, vieles war anders. Ich könnte<br />

eine Woche lang die Unterschiede erklären. Es ist<br />

keine gute oder schlechte Umgebung, es ist einfach<br />

anders, und jeder Mensch reagiert auf die<br />

Umgebung, in der er ist. Wenn du nur eine Umgebung<br />

siehst, weißt du nie, wie unterschiedlich die<br />

Dinge sind.“<br />

Der Wechsel zurück gab Bettiol eine neue<br />

Wertschätzung für EF und brachte ihn wieder zurück<br />

in eine Trainingsumgebung, von der er gar<br />

nicht erkannt hatte, dass sie von Anfang an perfekt<br />

auf ihn zugeschnitten war. Vor allem gab das<br />

Team ihm den Glauben an sich selbst und die Zuversicht,<br />

die ihm oft fehlten, wie er sagt.<br />

„Es gibt wenige Leute, die immer an mich<br />

glaubten. Zwei davon sind Jonathan Vaughters<br />

und Charly Wegelius. Ich habe nie wirklich an<br />

mich geglaubt. Selbst heute noch brauche ich<br />

jemanden, der mir sagt, was ich kann“, gibt Bettiol<br />

zu. „Im letzten Jahr war das Team [BMC]<br />

ganz auf Greg Van Avermaet ausgerichtet, und<br />

das war … okay, das ist normal, aber für mich<br />

war es nicht gut.“<br />

Bettiol hat weitere Veränderungen vorgenommen.<br />

Er nahm drei Kilo ab und verfeinerte sein<br />

Training, achtete mehr auf Regeneration, Ruhetage,<br />

Schlafen und Ernährung. Nicht leicht für einen<br />

italienischen Fahrer, dessen Vorliebe für italienische<br />

Küche ihm den Spitznamen „Mamma di<br />

Pasta“ eingebracht hat.<br />

„Ich dachte, wenn du etwas tun willst, was du<br />

noch nie getan hast, musst du etwas tun, was du<br />

noch nie getan hast. Also sagte ich: Okay, mit diesem<br />

Körper habe ich gute Resultate geholt, aber<br />

ich will mich steigern. Ich stellte mein Training<br />

um, ich versuchte, Gewicht zu verlieren“, sagt er.<br />

„Bis dahin war ich, als ich alles machte wie immer,<br />

Vierter, Siebter, Fünfter, Zehnter geworden.<br />

Ich versuchte, einen weiteren Schritt zu gehen.“<br />

56 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


ALBERTO BETTIOL<br />

Bettiol beginnt sich an seinen Stuhl zu gewöhnen,<br />

als die Minuten vorbeigehen, streckt seine<br />

Beine nach und nach unter dem Tisch aus, als<br />

fühlte er sich mit jedem Wort wohler, das aus<br />

seinem Mund kommt. Er dreht sein Telefon um,<br />

Gesicht nach unten, als eine Botschaft auf dem<br />

Schirm auftaucht.<br />

Der Wechsel zu EF Education First brachte<br />

die Dinge ins Rollen, als die Flandern-Rundfahrt<br />

kam. Von neuem Selbstbewusstsein erfüllt, fuhr<br />

Bettiol, wie er 2017 aufgehört hatte. Bei Tirreno–<br />

Adriatico war er auf vier Etappen in die Top Ten<br />

gefahren; bei Mailand–San Remo startete er eine<br />

couragierte Attacke am Poggio. Beim E3 Binck-<br />

Bank Classic war er Teil der fünfköpfigen Gruppe,<br />

die den Sieg unter sich ausmachte. Als die Flandern-Rundfahrt<br />

kam, wusste er, dass er in guter<br />

Form war.<br />

„An dem Morgen habe ich an mich geglaubt.<br />

Ich wusste, dass ich bereit war. Als ich dort ankam,<br />

hatte ich <strong>10</strong>0 Prozent von dem gemacht,<br />

was ich konnte“, sagt er. „Es war eine Überraschung,<br />

denn es war mein erster Sieg, aber ich<br />

musste irgendwo anfangen, und deswegen habe<br />

ich beschlossen, bei dem Rennen anzufangen, das<br />

wohl am schwersten zu gewinnen ist.“<br />

Bettiol und sein Team fuhren das perfekte<br />

Rennen. Er war immer genau in der richtigen Position<br />

und verbrauchte kein Quäntchen Energie<br />

mehr als nötig. Nach der<br />

Muur van Geraardsbergen<br />

hatte das Team immer noch<br />

vier Fahrer vorn. Erst infiltrierte<br />

Matti Breschel eine<br />

gefährliche Attacke von vier<br />

Fahrern, dann entwischte<br />

Sep Vanmarcke 50 Kilometer<br />

vor der Linie mit einem<br />

Trio. Als das reduzierte<br />

Peloton den Kwaremont<br />

17 Kilometer vor dem Ziel<br />

zum letzten Mal in Angriff<br />

nahm, beschleunigte Bettiol<br />

und setzte sich ab. Sein<br />

Teamkollege Sebastian<br />

Langeveld war immer noch<br />

in der Gruppe dahinter mit den Favoriten, konnte<br />

die Verfolgung stören und hätte eine Konterattacke<br />

fahren können, wenn nötig.<br />

„Ich habe immer gesagt, dass ich nicht der<br />

Stärkste war, aber ich war der Frischeste, weil<br />

mein Team mich bis zum Kwaremont geschont<br />

hatte. Meine Teamkollegen haben den Job gemacht,<br />

den Greg Van Avermaet an der Muur<br />

selbst machen musste. [Oliver] Naesen musste es<br />

selbst machen. Quick-Step-Fahrer bekämpfen<br />

sich gegenseitig, um zuerst dort hinzukommen,<br />

gegen ihre Teamkollegen. Das ist nicht unsere<br />

ICH WAR NICHT DER<br />

STÄRKSTE, ABER<br />

ICH WAR DER<br />

FRISCHESTE, WEIL<br />

MEIN TEAM MICH<br />

GESCHONT HAT.<br />

Strategie. Unsere Strategie war, dass wir einen<br />

sehr klaren Plan hatten. Wir hatten ihn zwei Tage<br />

zuvor alle zusammen besprochen, und wir setzen<br />

diesen Plan zu 1<strong>10</strong> Prozent um. Alle in meiner<br />

Gruppe wussten ganz genau, was sie zu tun hatten“,<br />

sagt er. „Am Ende waren wir an dem Tag<br />

eine Art Quick-Step, weil es super war, was wir<br />

gemacht haben. Du kannst die ganze Zeit der<br />

Stärkste sein, aber ohne das Team gewinnst du<br />

nie die Flandern-Rundfahrt.“<br />

Obwohl Bettiol versichert, dass es Parallelen<br />

gebe zwischen den Straßen in seiner heimischen<br />

Toskana und denen in Belgien, fehlt ihm einiges<br />

von der Erfahrung, die normalerweise notwendig<br />

ist, um sich bei der Flandern-Rundfahrt zu behaupten.<br />

Dieses Jahr war nach zwei Aufgaben und<br />

einem 24. Platz erst sein vierter Start bei dem<br />

Rennen. Aber in diesem Jahr strahlte Bettiol die<br />

taktische Sicherheit eines viel älteren Fahrers oder<br />

eines Fahrers aus der Region aus. Als seine Rivalen<br />

mehr als 90 Kilometer vor dem Ziel nach vorne<br />

zu fahren begannen, wusste Bettiol, dass es<br />

am besten war, zu bleiben, wo er war, und Energie<br />

zu sparen. Als er angriff, hatte niemand die Beine,<br />

um ihm zu folgen.<br />

„Ich sagte mir einfach: Nein, ich muss am Hinterrad<br />

bleiben; ich kann nicht gehen, es ist zu<br />

früh. Meine Rivalen wollten nach vorn, ich weiß<br />

nicht, warum, aber sie haben so viel Energie verbraucht.<br />

Schließlich zählt<br />

nach 250 Kilometern alle<br />

Energie, und als ich ging,<br />

glaube ich nicht, dass sie<br />

sich da gegenseitig angeschaut<br />

haben. Sie konnten<br />

einfach nicht“, sagt er.<br />

„Ich wusste nicht, dass es<br />

die richtige Attacke war,<br />

denn ich hätte nie gedacht,<br />

dass ich alleine mit 15 Sekunden<br />

Vorsprung ankommen<br />

würde. Ich wollte sie<br />

unter Druck setzen, vielleicht<br />

mit zwei oder drei<br />

Fahrern entwischen und<br />

dann meine Karten im Finale<br />

ausspielen. Aber schließlich hatte ich nach dem<br />

Paterberg so viele Sekunden herausgefahren.“<br />

Die Herausforderung für Bettiol ist jetzt, dafür<br />

zu sorgen, dass die Flandern-Rundfahrt kein einmaliger<br />

Treffer ist, sondern der erste von mehreren<br />

großen Siegen. Er stand im Juni beim Straßenrennen<br />

und Zeitfahren der italienischen Meisterschaf -<br />

ten auf dem Podium und hat sich für die Weltmeisterschaft<br />

in Yorkshire einiges vorgenommen.<br />

„Mein Fokus ist auch, diese Einstellung zu behalten<br />

– einen Plan zu haben, aber mich gleichzeitig<br />

frei zu fühlen, Fehler zu machen, und mit<br />

ITALIENISCHE<br />

GEWINNER<br />

DER FLANDERN-<br />

RUNDFAHRT<br />

In der 116-jährigen Geschichte der<br />

Flandern-Rundfahrt hat es nur elf ita -<br />

lie nische Sieger bzw. Siegerinnen des<br />

Rennens in Belgien gegeben. Der aus<br />

der Toskana stammende Alberto Bettiol<br />

sagt: „Wenn du die Straßen in der Toskana<br />

siehst – würdest du das Kopfsteinpflaster<br />

hinzufügen, wäre es mehr oder<br />

weniger dasselbe [wie in Flandern].“<br />

Aber der 25-Jährige, der in der Region<br />

lebt und trainiert, ist einer von nur vier<br />

Fahrern aus der Toskana, die den Titel<br />

gewonnen haben. Die anderen sind<br />

Fiorenzo Magni, der die Ronde als erster<br />

Italiener über haupt gewann – und dann<br />

gleich drei Mal von 1949 bis 1951 –, der<br />

Sieger von 1996, Michele Bartoli, und<br />

der Champion von 2002, Andrea Tafi.<br />

Der letzte italienische Sieger vor Bettiol<br />

war Alessandro Ballan 2007.<br />

Alberto BETTIOL <strong>2019</strong><br />

Marta BASTIANELLI <strong>2019</strong><br />

Elisa LONGO BORGHINI 2015<br />

Alessandro BALLAN 2007<br />

Andrea TAFI 2002<br />

Gianluca BORTOLAMI 2001<br />

Michele BARTOLI 1996<br />

Gianni BUGNO 1994<br />

Moreno ARGENTIN 1990<br />

Dino ZANDEGÙ 1967<br />

Fiorenzo MAGNI 1949–1951<br />

einem freien Kopf, ohne jeden Druck und ohne<br />

etwas, was dich müde machen kann, Rennen zu<br />

fahren“, sagt er.<br />

So oder so dürfte Alberto Bettiol wohl nie wieder<br />

ganz der sein, der er vor dem 7. April war. „Ich<br />

erinnere mich daran, dass ich zwei Tage später,<br />

am Dienstag, mit meinem Rad rausfuhr und nicht<br />

trainieren konnte, weil all die Autos anhielten und<br />

ein Foto mit mir wollten.“<br />

Mittlerweile sitzt er da und schaut uns direkt<br />

an, seine Arme ruhen auf dem Tisch, als er sich<br />

vorbeugt. Das scheint eine Geschichte zu sein, die<br />

zu erzählen er nicht müde wird.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 57


UNTERWEGS MIT<br />

LACHLAN MORTON FÄHRT GBDURO<br />

„ES WAR DIE INTENSIVSTE<br />

ERFAHRUNG, DIE ICH JE<br />

GEMACHT HABE.“<br />

Fotografie Dan Monaghan & Jered Gruber<br />

Ende 2018 kündigte EF Education First an,<br />

einige der Fahrer einen sogenannten alternativen<br />

Kalender bestreiten zu lassen –<br />

eine inoffizielle Liste von Ultra-Endurance-Rennen<br />

mit Massenstart, bei denen viel im Gelände<br />

gefahren wird. Eben wegen dieser Möglichkeit,<br />

Straßenradsport mit Offroad zu verbinden, kehrte<br />

der Australier Lachlan Morton nach vier Jahren zu<br />

dem Team zurück.<br />

„Der alternative Kalender kombiniert Wettkampf<br />

und Abenteuer, und es ist eine riesige<br />

Welt“, sagte er zu Procycling. Im Juni gewann<br />

Morton das GBDuro, ein Offroad-Rennen für<br />

Bike packer über 2.000 Kilometer von Land’s End<br />

am südwestlichsten Zipfel Englands nach John<br />

O’Groats an der Nordostspitze Schottlands.<br />

„Es war etwas zwischen Rennen und Überlebenstraining“,<br />

sagte er. „Es war das intensivste Erlebnis,<br />

das ich je hatte. Ich tue mich mit dem Sinn<br />

und Zweck von Profirennen immer schwer. Wofür<br />

fahre ich? Nach dieser Veranstaltung, nach den<br />

Reaktionen der Leute, hatte ich das Gefühl, dass<br />

die Leute mehr Interesse zeigen. Andere sagten,<br />

es habe sie inspiriert, ihren eigenen ,Epic‘ zu fahren,<br />

und das gibt mir das Gefühl, zu helfen und<br />

etwas zurückzugeben.“<br />

Dass Morton Kraft aus einer neuen Quelle<br />

geschöpft hatte, zeigte sich bei der Tour of Utah,<br />

wo er die 5. Etappe gewann – sein erster Sieg<br />

seit 2016. „Das Radfahren hat mir in diesem<br />

Jahr mehr Spaß gemacht als in meiner ganzen<br />

Kar riere“, sagte er.<br />

58 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


YSBYTY CYNFYN,<br />

CEREDIGION, WALES<br />

Die erste Etappe des GBDuro war<br />

auch die längste: 680 Kilometer<br />

von Land’s End in einen kleinen Ort<br />

in Mittelwales. Morton absolvierte<br />

das Teilstück in 32 Stunden.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 59


GBDURO<br />

YSBYTY CYNFYN,<br />

CEREDIGION, WALES<br />

Morton macht sich bereit für sein<br />

erstes Schläfchen. Kein Abendessen mit<br />

der Mannschaft, keine Besprechung<br />

oder Massage, nur ein Schafsack in<br />

einem Zelt in Wales. Wenn die GBDuro-<br />

Fahrer einen Kontrollpunkt erreichen,<br />

wird die Uhr angehalten und sie können<br />

sich so lange ausruhen, wie sie wollen.<br />

Morton war am nächsten Morgen schon<br />

wieder um sieben Uhr auf den Beinen.<br />

NANT-Y-MOCH,<br />

CEREDIGION, WALES<br />

Morton am Start seines zweiten<br />

Abschnitts. Bis zum Ziel in Garrigill im<br />

Gebirgszug der North Pennines war<br />

Morton durch Hagel und Hochwasser<br />

gelaufen und gefahren. Der Tiefpunkt<br />

kam, als er über den Killhope-Pass<br />

kletterte und auf einen unbefahrbaren<br />

Fußweg geleitet wurde. „Ich hatte einen<br />

Moment der Hilflosigkeit. Ich habe zehn<br />

Minuten geweint. Aber als ich das<br />

überwunden hatte, war es ein großer<br />

Moment, einer der größten Momente<br />

meines Lebens, weil ich so viel Kraft<br />

daraus gezogen habe. Ich weine selten,<br />

aber es fühlte sich an wie Befreiung<br />

von allem, was sich in meiner ganzen<br />

Radsportkarriere aufgestaut hatte.“<br />

60 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


GBDURO<br />

BWLCH-Y-GROES,<br />

CEREDIGION, WALES<br />

Das GBDuro war bei Weitem nicht<br />

die direkteste Route von Land’s End<br />

nach John O’Groats. Stattdessen hatten<br />

die Organisatoren Straßen und Wege<br />

abgesteckt, die die ländlichen und<br />

industriellen Gegenden von Großbritannien<br />

in Szene setzten. Hier fährt<br />

Morton durch das Hochland von<br />

Nord-Wales am Ostrand des Snow -<br />

donia-Nationalparks.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 61


GBDURO<br />

LLANDRILLO,<br />

DENBIGHSHIRE, WALES<br />

Wo es hinaufgeht, geht es auch<br />

wieder hinunter – Morton fährt den<br />

Wayfarer Way in Nord-Wales hinab.<br />

Schlechtes Wetter kündigte sich an<br />

und ein schwerer Abschnitt durch<br />

das Mittelgebirge der Pennines stand<br />

bevor. „Da habe ich angefangen, ganz<br />

klein zu denken, wie ich diesen Berg<br />

hoch komme und ihn in ganz kleine<br />

Abschnitte unterteile“, sagte Morton.<br />

ALSTON, CUMBRIA,<br />

ENGLAND<br />

Morton am frühen Morgen der<br />

3. Etappe. Er begann den Abschnitt im<br />

kleinen Ort Garrigill um drei Uhr nachts<br />

und hatte bereits mehr als 1.000 Kilo -<br />

meter in fünf Tagen zurückgelegt. Nach<br />

der Verzweiflung am Killhope-Pass<br />

konnte Morton nichts mehr schrecken.<br />

„Ich erkannte, dass ich mich vor nichts<br />

zu fürchten und über nichts zu ärgern<br />

brauchte und dachte: Jetzt kann ich<br />

alles machen.“<br />

62 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


GBDURO<br />

LAMBLEY VIADUCT,<br />

NORTHUMBERLAND,<br />

ENGLAND<br />

Morton war auf der GBDuro-Route<br />

die meiste Zeit alleine. Er begann seinen<br />

Tag häufig um drei Uhr nachts, um das<br />

Tageslicht im Hochsommer zu nutzen.<br />

In Nordengland war es rund 17 Stunden<br />

am Tag hell. „Ich kann es kaum<br />

abwarten, die Strecke mit etwas mehr<br />

Zeit noch einmal zu fahren“, sagte er.<br />

TORWOOD, FALKIRK,<br />

SCHOTTLAND<br />

Weil man das Rennen im Internet<br />

verfolgen konnte, bekam Morton<br />

vorübergehend Gesellschaft von<br />

Fahrern aus der Gegend – hier Murray<br />

Ferguson vom Falkirk Bicycle Club.<br />

„Radsport ist so vielfältig“, sagte<br />

Morton. „Es tut gut, rauszukommen<br />

und an verschiedenen Events teilzunehmen<br />

und mehr in die Radsport-<br />

Community involviert zu sein.“<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 63


GBDURO<br />

STIRLING, SCHOTTLAND<br />

Morton isst Sushi aus dem Sonderangebot, während er in<br />

einem Park in Stirling campt. Er glaubt, dass das Abenteuer,<br />

das Ultra-Events auszeichnet, attraktiv für die breite<br />

Bevölkerung ist. „Wie kann man ein zwölfjähriges Kind fürs<br />

Radfahren begeistern? Wie bekommen wir mehr Leute dazu,<br />

Rad zu fahren? Ich glaube, dazu gehört mehr, als tagein,<br />

tagaus Straßentouren zu machen.“<br />

LOCH LAGGAN, SCHOTTLAND<br />

Morton sagte, er habe sich nie dazu hingezogen gefühlt, in<br />

Großbritannien zu fahren. Er musste lange nachdenken, bevor<br />

er sich daran erinnerte, schon einmal auf den britischen Inseln<br />

gewesen zu sein, nämlich bei der Großbritannien-Rundfahrt<br />

2012. „Es gab nie eine Zeit, wo ich dachte, ich würde gerne im<br />

Vereinigten Königreich fahren. Ich habe immer gesagt, es sei<br />

mein erstes Mal, aber dann dachte ich: Moment mal, ich bin bei<br />

der Tour of Britain eine Etappe in Schottland gefahren.“<br />

64 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


GBDURO<br />

FORT AUGUSTUS,<br />

SCHOTTLAND<br />

Morton klettert über den<br />

Corrieyairack-Pass kurz vor dem Ende<br />

der 3. Etappe in Fort Augustus. „Die<br />

ganze Strecke war landschaftlich<br />

unglaublich, aber Schottland hat mich<br />

umgehauen. Es war wilder als ich<br />

dachte. Es war unglaublich, wie einsam<br />

es über weite Strecken war.“<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 65


GBDURO<br />

TOMICH, HIGHLANDS,<br />

SCHOTTLAND<br />

Die Route führte über öffentliche<br />

Wege, aber man musste trotzdem<br />

mit dem beladenen Fahrrad schwie -<br />

rige Gatter überwinden. „Es war<br />

faszinierend. In Australien oder den<br />

USA wäre es schwer, so viel Land<br />

miteinander zu verbinden wie in<br />

Großbritannien.“<br />

FORSINARD,<br />

SUTHERLAND, SCHOTTLAND<br />

EF ist das erste WorldTour-Team,<br />

das am sogenannten alternativen<br />

Kalender teilnimmt. „Deswegen<br />

bin ich zum Team zurückgekehrt,<br />

<strong>10</strong>0 Prozent. Das eröffnet mir die<br />

Möglichkeit, so zu fahren, wie ich in<br />

meiner eigenen Zeit fahren will.“<br />

66 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


GBDURO<br />

KIRKSTYLE, CAITHNESS,<br />

SCHOTTLAND<br />

„Ich dachte, das ist etwas, was ich<br />

mache und anschließend mein Rad<br />

einen Monat lang nicht anrühre“, sagte<br />

Morton. Aber er wachte auf und wollte<br />

weiterfahren. Nun denkt er, dass die<br />

Tour ihn bei Radrennen stärker machen<br />

wird: „Ich vertraue einfach meinen<br />

Fähigkeiten mehr, mit Situationen<br />

zurechtzukommen“, erklärte er. „Ich<br />

kann leiden, aber jetzt denke ich: Was<br />

ist das gegen die letzten <strong>10</strong>0 Kilometer<br />

der 2. Etappe?‘“<br />

KIRKSTYLE, CAITHNESS,<br />

SCHOTTLAND<br />

Der Australier absolvierte das GBDuro<br />

in 111 Stunden und 44 Minuten, 38 Stunden<br />

vor dem zweitplatzierten Fahrer<br />

Angus Young. „Nachdem ich es zu Ende<br />

gefahren bin, sehe ich den Radsport mit<br />

ganz neuen Augen“, sagte Morton.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 67


UNTERWEGS MIT<br />

NOTIZEN AUS DEM<br />

MANN-<br />

SCHAFTS-<br />

WAGEN<br />

TEXT VON TOM SOUTHAM<br />

68 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


© Phil Barker<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 69


UNTERWEGS MIT EF<br />

© Getty Images<br />

Exprofi Tom Southam<br />

ist Sportlicher Leiter bei<br />

EF Education First. Bei<br />

der Tour dirigiert er die<br />

Fahrer, wenn sie in einer<br />

Ausreißergruppe sind,<br />

und er ist für die Logistik<br />

zuständig. Hier erinnert<br />

er sich an prägende<br />

Momente der Tour<br />

de France <strong>2019</strong>.<br />

WOCHE EINS<br />

NIEMAND SAGT<br />

SO RESOLUT<br />

UND MIT SO VIEL<br />

ENDGÜLTIGKEIT<br />

„NON“ WIE EIN<br />

MÜRRISCHER<br />

GENDARM.<br />

Freitag, 5. Juli – der Vortag: Das Holiday Inn<br />

Brussels Airport ist das erste von 18 Hotels, in<br />

denen wir in den nächsten drei Wochen übernachten<br />

werden. Es ist ein nüchterner Durchgangsort<br />

für Geschäftsleute, und sechs Tage<br />

kommen einem hier wie eine Ewigkeit vor. Die<br />

Tage vor dem Rennen sind eine endlose Flut von<br />

administrativen Aufgaben und Presseinterviews.<br />

Obendrein sind alle gestresst und scheinen nach<br />

ihrer Akkreditierung zu suchen. Ehrlich gesagt<br />

nutze ich meine nur, um mir das Brathähnchen<br />

und die Pommes zu holen, die es im Village<br />

Départ gibt, aber dann sitze ich die meiste Zeit<br />

im Auto. Doch die Tour ist das eine Rennen, bei<br />

dem es zu einem Problem werden kann, wenn<br />

man nicht das richtige Stück Kunststoff um den<br />

Hals baumeln hat, daher darf man sich schon Sorgen<br />

machen, wo es ist. Niemand sagt so resolut<br />

und mit einer solchen Endgültigkeit „non“ wie ein<br />

mürrischer, unter der Hitze leidender Gendarm.<br />

Samstag, 6. Juli – Grand Départ: Wenn sie<br />

im Ausland startet, zieht die Tour immer mehr<br />

Menschen an. Dass die Tour zum 50. Jahrestag<br />

von Eddy Merckx’ erstem Toursieg im radsportverrückten<br />

Belgien beginnt, führt dazu, dass<br />

Brüssel beim Grand Départ brechend voll ist. Große<br />

Mengen bedeuten viel Verkehr, was potenzielle<br />

logis tische Albträume bedeutet. Am Morgen der<br />

1. Etappe freue ich mich festzustellen, dass die<br />

Hauptverkehrsstraße für die Öffentlichkeit gesperrt<br />

ist, sodass die Teams mit dem Bus in die<br />

Stadt fahren können. Eine Polizeieskorte ist gut<br />

– eine ganze Schnellstraße für uns zu sperren ist<br />

noch besser.<br />

Montag, 8. Juli – 3. Etappe: Das Rennen ist<br />

im Gange. Die Nerven beruhigen sich und die<br />

Routine beginnt. In der ersten Woche kommen<br />

die Ausreißergruppen selten durch und meine<br />

Hauptaufgabe im zweiten Mannschaftswagen<br />

ist, wach zu bleiben. Aber hin und wieder siehst<br />

du etwas, bei dem du dich fragst, ob du das jetzt<br />

wirklich gerade gesehen hast. Im Schlussanstieg<br />

der 3. Etappe nach Epernay kam ich an einem<br />

perplexen Zuschauer vorbei, der in einem Weinberg<br />

stand und eine Colnago-Rennmaschine in<br />

den Teamfarben von UAE Emirates festhielt. Ein<br />

Blick in den Rückwinkel bestätigte, dass kein<br />

UAE-Wagen folgte, was hieß, dass der genannte<br />

Zuschauer sich wohl fragte (genau wie ich), welche<br />

Verkettung von Ereignissen dazu geführt<br />

hatte, dass man Fabio Aru ein Ersatz-Colnago<br />

gegeben hatte, ohne das defekte Rad mitzunehmen.<br />

Ich bin überrascht, dass der Fan so ehrlich<br />

war, bis dahin nicht damit abgehauen zu sein.<br />

Freitag, 12. Juli – 7. Etappe: Lustiges im Äther<br />

heute. Mit 230 Kilometern war die Etappe von<br />

Belfort nach Chalon-sur-Saône die längste und<br />

bisher einschläferndste. Stéphane Rossetto und<br />

Yoann Offredo waren den ganzen Tag mit zwei<br />

Minuten Vorsprung vor dem Feld hergefahren und<br />

hatten nicht den Hauch einer Chance, es ins Ziel<br />

zu schaffen. Aber rund 60 Kilometer vor dem<br />

Ziel kam plötzlich Leben in Radio Tour und die<br />

Stimme des Rennens, Seb Piquet, verkündete den<br />

Zeitabstand mit 14 Minuten 45 Sekunden. Für<br />

den Bruchteil einer Sekunde fingen die Mannschaftswagen<br />

an, aus dem Konvoi auszuscheren,<br />

da alle halb dösenden Sportlichen Leiter einen<br />

„Was zum Teufel ist jetzt los“-Moment hatten.<br />

Monsieur Piquet meldete sich gleich wieder und<br />

teilte mit, er habe einen Scherz gemacht und der<br />

Abstand betrage immer noch zwei Minuten. Oh,<br />

was haben wir gelacht. Trotzdem fühlte es sich<br />

an wie ein Arzt, der einen Witz macht, wenn er<br />

dir die Untersuchungsergebnisse sagt.<br />

Viel Platz im Kofferraum ist bei<br />

der Tour de France unerlässlich.<br />

70 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


UNTERWEGS MIT EF<br />

CHEF OLGA<br />

Southam (l.)<br />

bespricht Taktik<br />

und Strecke mit<br />

seinem Kollegen<br />

Andreas Klier.<br />

WOCHE ZWEI<br />

MEINE<br />

TURNSCHUHE<br />

SIND KAPUTT.<br />

DANKE,<br />

ANDREAS!<br />

Sonntag, 14. Juli – 9. Etappe: Während des<br />

Rennens finden die meisten Mitarbeiter etwas,<br />

was ihnen hilft, jeden Tag mental abzuschalten.<br />

Da viele Sportdirektoren früher selbst Radprofis<br />

waren, hilft ihnen ein bisschen Sport, ein körperliches<br />

und mentales Gleichgewicht zu halten. Ich<br />

gehe meistens mit Andreas Klier joggen. Wir haben<br />

einfach willkürlich festgelegt, dass wir bis<br />

zum Ende der Tour <strong>10</strong>0 Kilometer laufen wollen,<br />

also rund fünf am Tag. Meistens laufen wir<br />

abends eine halbe Stunde. Klier, der seinerzeit<br />

ein Klassiker-Spezialist war,<br />

weigert sich heute entschieden,<br />

irgendwelche Hügel hochzurennen,<br />

also müssen wir so viel laufen,<br />

wie wir können, bevor das<br />

Terrain nicht nach seinem Geschmack<br />

ist. Heute, im Zentralmassiv,<br />

sind wir durch<br />

den Wald und über eine<br />

lange, matschige Strecke<br />

gelaufen. Meine Turnschuhe<br />

sind ruiniert.<br />

Toll! Vielen Dank,<br />

Andreas!<br />

Donnerstag,<br />

18. Juli –<br />

12. Etappe:<br />

Nach den ersten<br />

Bergetappen ist die<br />

Tour ein Rennen<br />

aus zwei Teilen gewonnen: der Kampf um die Gesamtwertung<br />

und der Kampf um Etappensiege.<br />

Und inzwischen ist meine Rolle auch nicht mehr,<br />

hinter dem Gruppetto herzubummeln, sondern<br />

tatsächlich ein Teil des Rennens zu sein. Die Ausreißergruppen<br />

sind in dieser Phase des Rennens<br />

immer groß, und deswegen muss man viele Fragen<br />

stellen und an viele Dinge denken. Der Job<br />

eines Sportlichen Leiters ist, auf Dinge zu achten,<br />

die die Fahrer nicht sehen können, entweder<br />

auf dem vor ihnen liegenden Terrain oder<br />

in der Zusammensetzung der Gruppe.<br />

Es gibt viele taktische Überlegungen:<br />

Welche Fahrer werden abwarten und<br />

welche werden versuchen, sich vor<br />

dem Schlussanstieg oder dem<br />

Sprint abzusetzen? Auf wen können<br />

wir setzen, dass er Lücken<br />

zufährt, und an welchem Punkt<br />

wollen wir sie lieber nicht mehr<br />

dabei haben? Das ist die Arbeit<br />

des Sportlichen Leiters, die ich<br />

liebe, und es ist eine Erleichterung<br />

nach der endlosen Schufterei<br />

und der logistischen Überlastung<br />

der ersten Woche.<br />

© Gruber Images (oben), Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 71


UNTERWEGS MIT EF<br />

© Chris Auld<br />

72 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


UNTERWEGS MIT EF<br />

An der Hourquette d’Ancizan, dem wichtigsten<br />

Anstieg der Etappe, waren wir in einer guten Position.<br />

Das Peloton hat die Ausreißer gewähren lassen,<br />

und wir waren zahlenmäßig in der Gruppe<br />

gut vertreten, und mit starken Fahrern und Taktik<br />

hatte das gut funktioniert. Simon Clarke war mit<br />

anderthalb Minuten Vorsprung alleine an der<br />

Spitze des Rennens und wir hatten Alberto Bettiol<br />

in der Gruppe dahinter. Alberto Contador kam auf<br />

seinem Eurosport-Motorrad zu uns vorgefahren,<br />

um uns Komplimente für unsere Taktik zu machen.<br />

Er fragte, ob alles genau nach Plan laufe.<br />

Und ich antwortete cool: „Natürlich.“ Es wäre<br />

alles viel knapper geworden, wenn einer unserer<br />

beiden Fahrer hätte gewinnen können.<br />

Samstag, 20. Juli – 14. Etappe: Von der Spitze<br />

des Rennens ans Ende. Meistens sind es jeden<br />

Tag dieselben Jungs am Ende des Rennens, aus<br />

verschiedenen Gründen – Verletzungen, Erkrankungen,<br />

schlechte Form … In diesem Jahr waren<br />

es Michael Hepburn, Max Richeze und unser<br />

Fahrer Sebastian Langeveld. Keiner von ihnen ist<br />

ein Kletterer, daher war es nicht überraschend.<br />

Aber am Col du Tourmalet kam ein Fahrer, den<br />

man an diesem Ende eines Radrennens eigentlich<br />

nicht vermuten würde. Romain Bardet tauchte<br />

am Fenster auf und bat um eine Trinkflasche. Ich<br />

konnte nicht umhin, mit dem Fahrer mitzufühlen,<br />

der als größte französische Hoffnung für die<br />

Gesamtwertung galt. Als er fragte, standen zwei<br />

andere Franzosen – Thibaut Pinot und Julian Alaphilippe<br />

– Arm in Arm mit dem Präsidenten der<br />

Republik am Gipfel, und Bardet hatte nicht mal<br />

seinen eigenen Mannschaftswagen dabei, der<br />

ihm eine Flasche geben konnte.<br />

Die Fans am Tourmalet waren die wildsten,<br />

die ich bei der ganzen Tour in diesem Jahr gesehen<br />

habe. Angesichts der Anzahl männlicher Gliedmaßen<br />

und behaarter Kehrseiten, die den langsam<br />

fahrenden Autos gezeigt wurden, vermute<br />

ich, dass ziemlich viel Alkohol konsumiert worden<br />

war, als wir ankamen. Man muss meine Beifahrerin<br />

dafür bewundern, dass sie bei diesen Szenen<br />

eine stoische Gelassenheit an den Tag legte.<br />

Michael Woods von EF fuhr eine<br />

solide Tour, die er als 32. beendete.<br />

Die Fahrer von EF beglückwünschen<br />

sich gegenseitig am Ende der Tour <strong>2019</strong>.<br />

WOCHE DREI<br />

EIN KURZER<br />

ANRUF BEI DER<br />

ASO LÖST SO<br />

ZIEMLICH ALLES<br />

BEI DER TOUR.<br />

Montag, 22. Juli – zweiter Ruhetag: Das beste<br />

Hotel des Rennens kommt genau, wenn man es<br />

am dringendsten braucht: am zweiten Ruhetag.<br />

Wir drei Sportlichen Leiter können nicht nur eine<br />

gesellige Ausfahrt durch die heißen Weinberge<br />

von Nîmes machen, sondern genießen auch den<br />

Luxus eines Pools, an dem wir den ganzen Nachmittag<br />

sitzen können. Aber das Beste von allem<br />

ist, dass wir hier nur ein Team sind. Es ist selten,<br />

dass man sich an einem Ruhetag tatsächlich ausruhen<br />

kann, aber wenn dir das gelingt, fühlst du<br />

dich wie neugeboren.<br />

Dienstag, 23. Juli – 16. Etappe: Als Logistikverantwortlicher<br />

ist meine größte Sorge, auf dem<br />

Weg zum Start ein Problem zu haben und dort<br />

zu spät anzukommen. Es ist wie der Albtraum,<br />

in dem man vergessen hat, sich zum ersten<br />

Schultag seine Sachen anzuziehen. Obwohl meine<br />

Logistik arbeit in den Wochen vor dem Rennen<br />

abgeschlossen ist, ist da immer die Angst,<br />

dass ein Verkehrsstau oder eine gesperrte Straße<br />

deine Pläne über den Haufen wirft. Ein solcher<br />

Knüppel wurde uns heute zwischen die Beine<br />

geworfen. Eine Straßensperre war über Nacht<br />

zwischen unserem Hotel und dem Start in Nîmes<br />

aufgebaut worden, und die Umleitung war<br />

unmöglich mit dem Bus zu befahren. Ich hatte<br />

unseren Busfahrer Biso noch nie in Stress geraten<br />

sehen, aber als er den Bus auf einer unglaublich<br />

schmalen Landstraße wendete, wobei die<br />

Mechaniker einen Baum zurückbogen, damit<br />

dieser uns nicht den Außenspiegel abriss, konnte<br />

ich die Panik einsetzen sehen.<br />

Glücklicherweise löst ein kurzer Anruf bei der ASO<br />

so gut wie alles bei der Tour. Ein paar Augenblicke<br />

nach dem Telefonat wurden wir von einer Polizeieskorte<br />

gerettet, die uns durch einen Sechs-Kilometer-Stau<br />

in die Innenstadt und zum Start des<br />

Rennens pilotierte. Krise abgewendet, aber der Erholungseffekt<br />

des Ruhetages war praktisch dahin.<br />

Sonntag, 28. Juli – 21. Etappe: Es ist ja schon<br />

beeindruckend, wie die ASO in einer Stadt wie<br />

Nîmes ein Problem lösen kann, doch die Etappe<br />

nach Paris ist der Ort, wo die Organisation wirklich<br />

ihre Muskeln spielen lässt. Der ganze Tag ist<br />

ein Wirbelwind von Polizeieskorten und blinkenden<br />

Sirenen, die uns von unserem Hotel in den<br />

Bergen von Val Thorens zu den Stufen der wartenden<br />

Flugzeuge in Chambéry bringen und dann<br />

nach Paris zum Start.<br />

Es nach Paris zu schaffen, ist großartig. Egal,<br />

wie gut oder schlecht das Team gefahren ist, das<br />

Ende der Tour ist immer ein Highlight. Allein dort<br />

anzukommen, ist immer noch eine Errungenschaft.<br />

Meine Tour endet um vier Uhr nachts, als<br />

unser Taxifahrer uns in die falsche Bar fährt, die<br />

geschlossen und am falschen Ende der Stadt ist.<br />

Wir geben uns geschlagen und fahren zurück<br />

zum Hotel. Am Montagmorgen nach der Tour wache<br />

ich 15 Minuten vor dem Abflug meines Flugzeugs<br />

auf. Nachdem ich ein Team von 33 Leuten<br />

fast vier Wochen lang auf dem rechten Weg gehalten<br />

habe, finde ich, dass eine Verspätung am<br />

ersten Tag, wo es nicht mehr darauf ankommt,<br />

perfektes Timing ist.<br />

© Gruber Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 73


NACHLESE<br />

ANALYSE • ERKENNTNISSE • DATEN<br />

© Getty Images<br />

BINCKBANK TOUR / 12.–18.08.<strong>2019</strong><br />

DE PLUS ERZIELT A-PLUS<br />

BEIM BINCKBANK<br />

Um Etappenrennen zu gewinnen,<br />

muss man manchmal verstehen,<br />

wie Mengendiagramme funktionieren.<br />

Im Fall der BinckBank Tour <strong>2019</strong><br />

bräuchte man ein klassisches Diagramm<br />

mit drei Kreisen. Ein Kreis wäre Etappe 4,<br />

eine hügelige, 96 Kilometer lange Runde<br />

mit Start und Ziel in Houffalize. Ein weite-<br />

ERGEBNIS<br />

rer wäre das Zeitfahren der 6. Etappe. Und<br />

der dritte wäre das traditionelle Finale zum<br />

Abschluss des Rennens in Geraards bergen.<br />

Eine Drei-Mann-Gruppe machte Etappe<br />

4 unter sich aus: Tagessieger Tim Wellens,<br />

die junge Schweizer Sensation Marc Hirschi<br />

und Jumbo–Visma-Fahrer Laurens De<br />

Plus. Indem es fast eine halbe Minute vor<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Laurens De Plus Jumbo-Visma 21:29:55<br />

2 Oliver Naesen Ag2r La Mondiale + 0:35<br />

3 Tim Wellens Lotto Soudal + 0:36<br />

4 Greg Van Avermaet CCC Team + 0:37<br />

5 Marc Hirschi Team Sunweb + 0:44<br />

De Plus (r.) gewann<br />

keine Etappe,<br />

war aber immer<br />

zur Stelle, wenn es<br />

darauf ankam.<br />

43<br />

Siege für<br />

Jumbo–Visma<br />

in diesem Jahr<br />

den Verfolgern ins Ziel fuhr, brachte sich<br />

dieses Trio in eine starke Position, um die<br />

Gesamtwertung zu bestreiten. Beim Zeitfahren<br />

war das Ergebnis nuancierter – die<br />

Spezialisten dominierten, aber viele der<br />

Klassement-Anwärter kamen relativ dicht<br />

gedrängt ins Ziel, rund 20 Sekunden hinter<br />

Etappensieger Filippo Ganna. Die Besten<br />

unter ihnen: De Plus als Neunter mit<br />

18 Sekunden und Wellens mit 20 Sekunden.<br />

Und beim Finale in Geraardsbergen<br />

machte ein anderes Trio den Etappensieg<br />

unter sich aus: Oliver Naesen setzte sich<br />

knapp vor Greg Van Avermaet durch und<br />

De Plus war gleich dahinter. Die nächsten<br />

Fahrer waren rund eine halbe Minute zurück,<br />

genau wie auf Etappe 4.<br />

In der entscheidenden Schnittmenge<br />

der drei Kreise unseres BinckBank-Diagramms<br />

tauchte nur der Name eines Fahrers<br />

auf: Laurens De Plus. Wellens und<br />

Hirschi waren auf den Etappen 4 und 6<br />

vorn; Naesen und Van Avermaet lieferten<br />

anständige Zeitfahren ab und waren auf<br />

Etappe 7 die beiden Ersten im Ziel. Aber<br />

De Plus war als einziger Fahrer bei allen<br />

drei wichtigen Rendezvous zur Stelle. Die<br />

Ironie – und sie ist bei Etappenrennen<br />

74 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


EDWARD PICKERING<br />

Herausgeber<br />

Ed vermisst Marcel Kittel jetzt schon<br />

bei den Sprints. Wenn er in Form<br />

war, war er unschlagbar.<br />

SAM DANSIE<br />

Redakteur<br />

Die vielen großen Siege junger Fahrer<br />

lassen für Sam nur einen Schluss<br />

zu: Die Zeit der 1990er-Generation<br />

geht ihrem Ende entgegen.<br />

SOPHIE HURCOM<br />

Procycling-Autorin<br />

Sophie ist immer wieder<br />

beeindruckt von Van der<br />

Poel und fragt sich, was er<br />

bei der WM erreichen kann.<br />

nicht selten – war, dass er bei den beiden<br />

wichtigen Straßenetappen das Nachsehen<br />

hatte. Er musste von hinten zuschauen,<br />

als Wellens Hirschi in Houffalize auf der<br />

Linie abfing. Auch in Geraardsbergen hatten<br />

Naesen und Van Avermaet die Nase<br />

vorn und nahmen ihrem belgischen Rivalen<br />

vier Sekunden ab. De Plus fuhr die<br />

970 Kilometer der BinckBank Tour in weniger<br />

Zeit als alle anderen (ungeachtet der<br />

klugen Akkumulation von Bonussekunden<br />

bei den „Golden Kilometre“-Sprints der<br />

letzten Etappe), also war er der Sieger.<br />

Wellens und Naesen standen häufiger im<br />

Rampenlicht, aber Radrennen zu gewinnen<br />

heißt manchmal, im Hintergrund hart<br />

vor sich hin zu arbeiten.<br />

Die BinckBank Tour ist eine Anomalie<br />

auf dem Kalender, obwohl ihr das eher<br />

zum Vorteil als zum Nachteil gereicht.<br />

Anders als viele einwöchige Etappenrennen<br />

des Frühjahrs ist es kein Vorbereitungsrennen<br />

– wer die Vuelta anpeilt, ruht<br />

sich vielleicht nach der Tour aus oder spult<br />

bei der Vuelta a Burgos kurzfristig noch<br />

ein paar Kletterkilometer ab. Sie ist nicht<br />

gebirgig genug, um dasselbe Feld wie die<br />

meisten anderen Etappenrennen anzulocken,<br />

und sie fällt in die Flaute Mitte August<br />

zwischen Tour und Vuelta. Aber viele<br />

A-Promis der Klassiker bevölkerten die<br />

Top 15, die durchsetzt waren mit robusteren<br />

Zeitfahrern, die auf Etappe 6 gut<br />

fuhren und ihre Verluste dann auf den<br />

Sam Bennett domininierte mit<br />

drei Etappensiegen die Sprints.<br />

DE PLUS FUHR DIE<br />

BINCKBANK TOUR IN<br />

WENIGER ZEIT ALS<br />

ALLE ANDEREN. RAD-<br />

RENNEN ZU GEWINNEN<br />

HEISST MANCHMAL, IM<br />

HINTERGRUND HART<br />

ZU ARBEITEN.<br />

beiden hügeligeren Etappen begrenzten.<br />

Bis zur Weltmeisterschaft waren es noch<br />

sechs Wochen, aber Fahrer wie Van Avermaet<br />

und Philippe Gilbert galten als Favoriten<br />

für Yorkshire, und die intensive Woche<br />

mit Sprints und wiederholten kurzen<br />

Anstiegen war ein gutes Formbarometer.<br />

Natürlich sind die andere Kategorie von<br />

Fahrern, die bei der BinckBank in ihrem<br />

Element sind, die Sprinter, und das Rennen<br />

<strong>2019</strong> hatte ein gut besetztes Feld.<br />

Zwei der besten Sprinter der Welt waren<br />

dabei – Sam Bennett und Dylan Groenewegen<br />

–, und während Elia Viviani, Fernando<br />

Ga viria und Caleb Ewan anderweitig<br />

unterwegs waren, gab es eine Tiefe im<br />

Feld der Sprinter in Form von Álvaro Hodeg<br />

und Jasper Philipsen. Bennett, der bei<br />

seinem Bora-Team bei Giro und Tour fehlte,<br />

aber bei unserem Redaktionsschluss<br />

bereits zwei Etappen der Vuelta gewonnen<br />

hatte, war dominant. Er gewann die ersten<br />

drei Etappen der BinckBank-Tour und war<br />

Zweiter hinter Hodeg beim Sprint am<br />

fünften Tag. Bennetts wachsendes Selbstbewusstsein<br />

war in den letzten zwei Jahren<br />

deutlich, und ein möglicher Wechsel zu<br />

Deceuninck–Quick-Step 2020 könnte<br />

entscheidend für seine Karriere sein.<br />

Aber die glänzendste Zukunft von allen<br />

könnte die von Laurens De Plus sein, für<br />

den die BinckBank-Gesamtwertung der<br />

erste individuelle Sieg seiner Karriere war.<br />

Beiträge zu drei Siegen im Mannschaftszeitfahren,<br />

darunter die Weltmeisterschaft<br />

mit Quick-Step Floors 2018 und<br />

bei der Tour de France <strong>2019</strong>, zeigen seine<br />

Allrounder-Qualitäten. Es sind genau diese<br />

Attribute, die ihn die BinckBank Tour<br />

gewinnen ließen.<br />

JUMBO–VISMA:<br />

EIN TEAM IM<br />

HÖHENFLUG<br />

Der BinckBank-Gesamtsieg von Laurens De Plus<br />

war Jumbo–Vismas 41. Sieg <strong>2019</strong>. Zwei Monate<br />

vor dem Ende der Saison konnte das holländische<br />

Team, dessen Geschichte bis 1984 zurückreicht,<br />

bereits sein Jahr mit den bisher meisten Siegen<br />

feiern – die Vuelta-Etappensiege von Primož Roglič<br />

und Sepp Kuss nicht mal mit eingerechnet.<br />

Zuvor war ihr siegreichstes Jahr 2013 gewesen,<br />

als sie von Belkin gesponsert wurden. Damals<br />

holten sie 38 Erfolge, wobei in dieser Summe alle<br />

neun Etappen und die Gesamtwertung der Tour of<br />

Hainan Ende Oktober enthalten sind, was unterm<br />

Strich relativ weiche Siege sind. Ansonsten knackte<br />

das Team die 30-Siege-Marke nur dreimal, in den<br />

Jahren 2004, 2007 und letztes Jahr.<br />

Von den größten Rennen gewann die Truppe<br />

je einmal den Giro und die Vuelta (allerdings von<br />

Denis Mentschow, dessen Doping-Historie nicht<br />

ohne Makel ist), dreimal Mailand–San Remo und<br />

viermal die Flandern-Rundfahrt. Bei Roubaix, Lüt -<br />

tich und Lombardei stehen insgesamt 16 Podiumsplätze<br />

zu Buche, wobei es nie zum Sieg reichte.<br />

Beim Heim rennen Amstel Gold erzielte das Team<br />

sechs Siege, aber keinen seit 2001. Der letzte<br />

wirklich große Sieg war Óscar Freires Mailand–San<br />

Remo 20<strong>10</strong>. So stark wie jetzt war das Team noch<br />

nie – erst recht, wenn 2020 Tom Dumoulin kommt.<br />

Die Fans dürfen gespannt sein, ob der Quantität<br />

der Siege die Qualität entsprechen wird.<br />

43 SIEGE: JUMBOS ERFOLGSJAHR<br />

SIEGE JAHR SPONSOR GRÖSSTER SIEG<br />

43+ <strong>2019</strong> Jumbo–Visma Vuelta a España<br />

38 2013 Belkin GP de Québec<br />

33 2018 LottoNL–Jumbo Tour de Romandie<br />

32 2007 Rabobank Vuelta a España<br />

31 2004 Rabobank Mailand–San Remo<br />

28 2005 Rabobank Tirreno–Adriatico<br />

26 2001, ’09, ’11 Rabobank Amstel Gold Race (2001)<br />

24 1990 Buckler 3 Tour-Etappensiege<br />

© Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 75


NACHLESE<br />

TOUR DE POLOGNE / 03.–09.08.<strong>2019</strong><br />

SIWAKOW GEWINNT<br />

TRAGISCHE POLEN-<br />

RUNDFAHRT<br />

© Getty Images<br />

Die Polen-Rundfahrt <strong>2019</strong> war<br />

durch den tödlichen Sturz von<br />

Bjorg Lambrecht auf der 3. Etappe<br />

nicht nur in menschlicher Hinsicht beeinträchtigt<br />

– die Tragödie sorgte auch für ein<br />

radikal geändertes Rennen.<br />

Eine neue, sehr schwere Bergankunft<br />

– die einzige des siebentägigen Rennens<br />

– war für die 4. Etappe in Kocierz vorgesehen.<br />

Ursprünglich hatte das bedeutet,<br />

dass nach drei Flachetappen in Kocierz<br />

Bewegung in die Gesamtwertung kommen<br />

würde, die in der deutlich hügeligeren<br />

zweiten Hälfte des Rennens entschieden<br />

werden sollte.<br />

Aber die Neutralisierung der Etappe<br />

nach Kocierz nach Lambrechts Tod und<br />

einem zweiten Sprintsieg für Luka Mezgec<br />

24 Stunden später – nach fünf Jahren ohne<br />

WorldTour-Sieg holte der Slowene zwei in<br />

vier Tagen – sorgten für einen fünftägigen<br />

Stillstand in der Gesamt wertung.<br />

Die Polen-Rundfahrt wurde daher auf<br />

zwei kurzen hügeligen Etappen entschieden.<br />

Statt dass sich auf der 4. Etappe ein<br />

echter Klassementfahrer hervorgetan hätte,<br />

wie es der Fall gewesen wäre, wenn<br />

ERGEBNIS<br />

Kocierz in Angriff genommen worden<br />

wäre, war die allgemeine Schlagkraft und<br />

Beständigkeit der Teams auf dem anspruchsvollen<br />

Terrain der wichtigste Faktor<br />

in der Gesamtwertung.<br />

Die ersten zwei Stunden der 6. Etappe<br />

beschrieb der Brite James Knox später als<br />

die härtesten seiner bisherigen Karriere.<br />

Die Folge war, dass ganze 20 Fahrer das<br />

Rennen aufgaben. Der Kampf auf Biegen<br />

und Brechen führte dazu, dass die beiden<br />

stärksten Teams des Rennens den Ton<br />

angaben, wobei sich Jumbo–Vismas Kletterer-Trio<br />

Robert Gesink, Antwan Tolhoek<br />

und Jonas Vingegaard mit drei Ineos-<br />

Männern auseinandersetzte: Ben Swift,<br />

Tao Geoghegan Hart und Pawel Siwakow.<br />

Als Jumbo–Visma-Profi Vingegaard<br />

sich im Finale der 6. Etappe gegen Siwakow<br />

behauptete, schien das holländische<br />

Team die Oberhand gewonnen zu haben.<br />

Aber nach Vingegaards Angriff und der<br />

Gesamtführung musste Tolhoek, theoretisch<br />

Jumbos Topmann für das Rennen,<br />

das Trikot seines Teamkollegen auf der<br />

7. Etappe verteidigen. Als Vingegaard auf<br />

der 7. Etappe komplett einbrach und Gesink<br />

nach langer Auszeit in Folge eines<br />

schweren Sturzes im Frühjahr keinen Rennrhythmus<br />

fand, war Tolhoek schnell isoliert<br />

und Ineos übernahm das Kommando.<br />

Bereits auf der 6. Etappe hatten die unterschiedlichen<br />

Stärken – und mithin Strategien<br />

– der drei Ineos-Kapitäne effektiv<br />

zusammengespielt. Swifts späte Attacke<br />

hatte den Ausdünnungsprozess fortgeführt,<br />

den Geoghegan Hart mit seinen früheren<br />

Angriffen eingeleitet hatte.<br />

Nach seinen eigenen Worten war Siwakow<br />

schwächer als Geoghegan Hart. Aber<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Pavel Siwakow Team Ineos 26:20:58<br />

2 Jai Hindley Team Sunweb + 0:02<br />

3 Diego Ulissi UAE Team Emirates + 0:12<br />

4 Sergio Higuita EF Education First + 0:14<br />

5 Tao Geoghegan Hart Team Ineos + 0:14<br />

Die Fahrer von<br />

Lotto Soudal trauern<br />

um ihren jungen<br />

Kameraden<br />

Bjorg Lambrecht.<br />

8<br />

Gesamtsiege<br />

für Ineos in der<br />

Saison <strong>2019</strong><br />

auf der 6. Etappe war er bis zum Schlussanstieg<br />

besser beschützt und deswegen<br />

besser in der Lage, seine Energien zu nutzen,<br />

als es am meisten darauf ankam, sodass<br />

er Zweiter hinter Vingegaard wurde.<br />

Auf der 7. Etappe zerstörte Geoghegan<br />

Hart mit seinen wiederholten Angriffen<br />

die defensive Strategie von Jumbo und<br />

brachte Vingegaard in Bedrängnis. Siwakow<br />

konnte es sich leisten, auf den letzten<br />

50 Kilometern defensiv zu fahren, während<br />

ein erschöpftes Peloton anscheinend<br />

bereit war, den Status quo zu akzeptieren.<br />

Geoghegan Hart hatte eine äußerst effektive<br />

Rolle als Wachhund und Königsmacher<br />

für Siwakow gespielt.<br />

Eine weitere Trumpfkarte, die Siwakow<br />

auf der 7. Etappe in den Schoß fiel, war<br />

eine frühe Ausreißergruppe, deren Speerspitze<br />

Matej Mohoric war. Der Slowene<br />

76 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


NACHLESE<br />

THE LARRY H. MILLER TOUR OF UTAH / 12.–18.08.<strong>2019</strong><br />

BEN HERMANS’<br />

GROSSES ABENTEUER<br />

legte ein 47-Kilometer-Solo hin und hielt<br />

eine Gruppe von Verfolgern auf Trab.<br />

Die Ausreißer saugten alle Zeitgutschriften<br />

auf, die ihn unter Druck hätten<br />

setzen können. Aber die grundsolide Strategie<br />

von Ineos auf der 6. Etappe erlaubte<br />

es dem britischen Team, die Gesamtwertung<br />

einen Tag später nach Belieben umzukrempeln.<br />

Wie bei einem Rennen, das in einer<br />

Höhenlage zwischen rund<br />

1.300 und 3.000 Metern ausgetragen<br />

wurde, nicht anders zu erwarten,<br />

war die 15. Tour of Utah ein Test für Beine<br />

und Lunge, kein Strategiespiel.<br />

Nach sieben Tagen und mehr als 11.500<br />

Klettermetern erwies sich Ben Hermans<br />

(Israel Cycling Academy) als bester Bergfahrer<br />

des Rennens – er sicherte sich zwei<br />

Etappensiege und den Gesamtsieg mit<br />

50 Sekunden Vorsprung auf James Piccoli,<br />

einen 27 Jahre alten Kanadier vom US-<br />

Continental-Team Elevate-KHS.<br />

Die Rennorganisatoren trafen die wichtige<br />

Entscheidung, die Länge der Etappen<br />

<strong>2019</strong> zu verringern; sie kappten die Anzahl<br />

von Kilometern, auf denen das Peloton<br />

nur „herumbummelte“, wie der Gewinner<br />

der 7. Etappe, Joe Dombrowski,<br />

es nannte, und das führte zu spannenden<br />

Rennen mit sechs verschiedenen Etappensiegern.<br />

Dombrowski, der hier 2015<br />

gewann, profitierte von der Dynamik und<br />

feierte einen Solosieg am letzten Tag,<br />

nachdem er am Empire Pass angegriffen<br />

und die rasante Abfahrt nach Park City<br />

wie auf Schienen heruntergerauscht war.<br />

Bei den kurzen Etappen, die nach dem<br />

5,3-Kilometer-Prolog zwischen 86,5 und<br />

140 Kilometer lang waren, gab es keine<br />

verschwendeten Momente. Fast jeder Angriff<br />

hatte Folgen, und da sich das Peloton<br />

dessen bewusst war, dauerte es jeden Tag<br />

mehr als eine Stunde, bis die Ausreißergruppe<br />

stand.<br />

Hermans fuhr fehlerfrei und sparte sich<br />

seine Körner für die entscheidenden Augenblicke<br />

auf. Nachdem Piccoli das Feld<br />

mit einem Prologsieg überrascht hatte,<br />

startete EF-Mann Lawson Craddock auf<br />

der 1. Etappe einen späten Angriff, der<br />

ERGEBNIS<br />

Neri-Sottoli-Profi Umberto Marengo zum<br />

Etappensieg und Craddock ins Spitzenreitertrikot<br />

beförderte.<br />

Doch auf der 2. Etappe mit der Bergankunft<br />

am Powder Mountain war Hermans<br />

an der Reihe. Er gewann die Etappe mit<br />

20 Sekunden Vorsprung auf Piccoli und<br />

übernahm die Führung des Rennens, die<br />

er den Rest der Woche nicht mehr abgab.<br />

Hermans gewann erneut am nächsten<br />

Tag, um keinen Zweifel aufkommen zu<br />

lassen, wer das Rennen dominierte.<br />

An den folgenden Tagen gab es Etappensiege<br />

für Marco Canola (Nippo–Vini<br />

Fantini), Lachlan Morton (EF Education<br />

First) und Dombrowski, aber es war Hermans,<br />

der das Rennen eroberte, das sich<br />

selbst America’s Toughest nennt.<br />

Mit zwei Etappenerfolgen<br />

zementierte Ben Hermans seinen<br />

Gesamtsieg bei der Tour of Utah.<br />

Ineos ließ Jumbo<br />

die Arbeit machen,<br />

doch Siwakow (l.)<br />

wartete schon auf<br />

seine Chance.<br />

FAHRER TEAM ZEIT<br />

1 Ben Hermans Israel Cycling Academy 18:46:09<br />

2 James Piccoli Elevate–KHS Pro Cycling + 0:50<br />

3 Joe Dombrowski EF Education First + 1:32<br />

4 João Almeida Hagens Berman Axeon + 2:26<br />

5 Niklas Eg Trek-Segafredo + 2:57<br />

© Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 77


NACHLESE<br />

Deceuninck–Quick-Step<br />

Bora–hansgrohe<br />

Jumbo–Visma<br />

Astana<br />

Mitchelton-Scott<br />

Israel Cycling Academy<br />

56<br />

43<br />

41<br />

32<br />

31<br />

26<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM<br />

SIEGE<br />

PRO LAND<br />

77<br />

ITALIEN<br />

51<br />

70<br />

FRANKREICH<br />

48<br />

12<br />

JULIAN<br />

ALAPHILIPPE<br />

SIEGE<br />

PRO FAHRER<br />

12<br />

SAM<br />

BENNETT<br />

DECEUNINCK–QUICK-STEP BORA–HANSGROHE<br />

11<br />

DYLAN<br />

GROENEWEGEN<br />

JUMBO–VISMA<br />

Team Ineos ....................................25<br />

UAE Emirates ..................................21<br />

Lotto Soudal ...................................21<br />

Movistar ......................................20<br />

Androni Giocattoli ............................ 19<br />

NIEDERLANDE<br />

BELGIEN<br />

Groupama-FDJ ................................ 19<br />

AG2R La Mondiale .............................15<br />

Cofidis ........................................ 14<br />

EF Education First ..............................13<br />

Bahrain-Merida ................................13<br />

Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step <strong>10</strong><br />

Caleb Ewan Lotto Soudal 9<br />

Primož Roglič Jumbo–Visma 9<br />

Pascal Ackermann Bora–hansgrohe 9<br />

Bryan Coquard Vital Concept–B&B Hotels 8<br />

Alexey Lutsenko Astana 8<br />

Daryl Impey Mitchelton-Scott 6<br />

Álvaro Hodeg Deceuninck–Quick-Step 6<br />

Max Schachmann Bora–hansgrohe 6<br />

M. van der Poel Corendon-Circus 6<br />

Ben Dyball Team Sapura 6<br />

© Getty Images (Bennett), BettiniPhoto (Alaphilippe), Yuzuru Sunada (Groenewegen); Stand: 12.09.<strong>2019</strong><br />

RIDELONDON-SURREY CLASSIC /<br />

04.08.<strong>2019</strong><br />

VIVIANI DOMINIERT<br />

IN LONDON<br />

Da es eine Woche nach der Tour de France<br />

kommt, würde man es den Tour-Fahrern<br />

nachsehen, wenn sie komplett auf das<br />

RideLondon-Surrey Classic verzichten würden.<br />

Aber Elia Viviani bewies, dass es tatsächlich ein<br />

Vorteil sein kann, die Tour de France in den Beinen<br />

zu haben. Er schlug Sam Bennett im Sprint<br />

auf der Mall im Zentrum von London vor dem<br />

Buckingham-Palast; der Ire war die Tour übrigens<br />

nicht gefahren. Damit gewann Viviani zum vierten<br />

Mal ein anderes WorldTour-Eintagesrennen<br />

in seiner Karriere, wobei seine bisher acht Siege<br />

<strong>2019</strong> alle auf WorldTour-Niveau waren.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Elia Viviani Deceuninck–Quick-Step<br />

2 Sam Bennett Bora–hansgrohe<br />

3 Michael Mørkøv Deceuninck–Quick-Step<br />

WOMEN’S TOUR OF<br />

SCOTLAND / O9.–11.08.<strong>2019</strong><br />

VERREGNETE<br />

ERSTAUFLAGE<br />

Die erste Women’s Tour of Scotland erwies<br />

sich als gutes Pflaster für nordamerikanische<br />

Fahrerinnen, gewannen doch die<br />

Kanadierin Alison Jackson und die US-Amerikanerin<br />

Leah Thomas die beiden Etappen des Rennens,<br />

wobei Letztere auch die Gesamtwertung für<br />

sich entschied. Die Organisatoren hatten sich eher<br />

ein Feuerwerk versprochen als den meteorologischen<br />

Schlag ins Wasser bei der ersten Auflage, der sie<br />

zwang, die 1. Etappe wegen Unwetters abzusagen.<br />

Von den zwei verbleibenden Tagesabschnitten gewann<br />

Jackson den Sprint auf der 2. Etappe in Perth,<br />

während Thomas dasselbe auf der 3. Etappe in<br />

Edinburgh machte. Die Bonussekunden im Ziel<br />

reichten der Amerikanerin für den Gesamtsieg.<br />

FAHRERIN<br />

TEAM<br />

1 Leah Thomas Bigla Pro Cycling<br />

2 Alison Jackson Team TIBCO-SVB<br />

3 Stine Borgli Norway<br />

EM FRAUEN STRASSE / <strong>10</strong>.08.<strong>2019</strong><br />

PIETERS GLÄNZT,<br />

HOLLÄNDERINNEN<br />

DOMINIEREN<br />

Es ist klar, warum die Holländerinnen so dominant<br />

sind – weil sie eine solche Tiefe im<br />

Team haben. Mit Fahrerinnen wie Marianne<br />

Vos, Kirsten Wild und Lorena Wiebes auf der<br />

Startliste hatte das Team bei der Europameisterschaft<br />

in Alkmaar eine Vielzahl an Optionen plus<br />

den Heimvorteil. Amy Pieters infiltrierte die erste<br />

Ausreißergruppe des Tages und initiierte dann<br />

76 Ki lometer eine dreiköpfige Gruppe, die den<br />

Rivalinnen die Hände band. Hätten sie sie gestellt,<br />

hätten die Holländerinnen drei Sprinterinnen<br />

in Reserve gehabt. Während ihre Rivalinnen<br />

sich nicht einig wurden, setzte sich das Trio weiter<br />

ab und Pieters gewann den Dreiersprint.<br />

FAHRERIN<br />

1 Amy Pieters<br />

2 Elena Cecchini<br />

3 Lisa Klein<br />

LAND<br />

78 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


NACHLESE<br />

An Elia Viviani<br />

ist dieses Jahr nur<br />

schwer vorbeizukommen.<br />

Unter<br />

anderem gewann<br />

er die EuroEyes<br />

Cyclassics in<br />

Hamburg.<br />

SIEGE PRO LAND – FRAUEN<br />

50 21<br />

20 19<br />

SIEGE<br />

PRO<br />

TEAM –<br />

FRAUEN<br />

19<br />

17<br />

NIEDERLANDE<br />

ITALIEN<br />

EM MÄNNER STRASSE / 11.08.<strong>2019</strong><br />

EIN BRUCH<br />

TAKTISCHER<br />

KONVENTIONEN<br />

USA<br />

AUSTRALIEN<br />

EUROEYES CYCLASSICS / 25.08.<strong>2019</strong><br />

ALLER GUTEN<br />

DINGE SIND DREI<br />

Trek-Segafredo<br />

Boels-Dolmans<br />

Mitchelton-Scott<br />

Team Virtu Cycling<br />

CCC-Liv<br />

16<br />

17<br />

17<br />

Es ist selten, dass Sprinter auf einem vollkommen<br />

flachen Kurs etwas anderes machen,<br />

als auf einen Massensprint zu warten.<br />

Bei der Europameisterschaft im nordhollän dischen<br />

Alkmaar wurde also ein Massensprint erwartet,<br />

und Elia Viviani ging nach seinen Erfolgen bei der<br />

Tour de France und dem RideLondon als einer der<br />

Favoriten ins Rennen. Aber da er zwei Jahre zuvor<br />

im Sprint von Alexander Kristoff geschlagen worden<br />

war, beschloss der Italiener, alle Vorsicht in<br />

den Wind zu schlagen und sich 26 Kilometer vor<br />

dem Ziel mit einer dreiköpfigen Gruppe abzusetzen.<br />

Dann schloss Viviani zu seinem Teamkollegen<br />

Yves Lampaert auf, ließ Pascal Ackermann<br />

stehen und fing den Belgier auf der Linie ab.<br />

FAHRER<br />

1 Elia Viviani<br />

2 Yves Lampaert<br />

3 Pascal Ackermann<br />

LAND<br />

Elia Viviani komplettierte im August den<br />

Hattrick von prestigeträchtigen Eintages-<br />

Siegen, als er seine dritten Cyclassics<br />

Hamburg in Serie im Massensprint gewann. Das<br />

Rennen in der Hansestadt lockte ein erlesenes<br />

Feld von Sprintern an, darunter die früheren Sieger<br />

Arnaud Démare, Alexander Kristoff, André<br />

Greipel und Caleb Ewan sowie Peter Sagan und<br />

den immer selbstbewussteren Mike Teunissen.<br />

Viviani zeigte, dass er bei einem langen, flachen<br />

Eintagesrennen seinesgleichen sucht, und verwies<br />

Ewan und Giacomo Nizzolo (Dimension Data) auf<br />

die Plätze. Mit seinem dritten Sieg ist er Rekordhalter<br />

bei dem Rennen.<br />

FAHRER<br />

TEAM<br />

1 Elia Viviani Deceuninck–QS<br />

2 Caleb Ewan Lotto Soudal<br />

3 Giacomo Nizzolo Dimension Data<br />

SIEGE PRO<br />

FAHRERIN<br />

12 13 12<br />

LORENA<br />

WIEBES<br />

PARKHOTEL<br />

VALKENBURG<br />

MARIANNE<br />

VOS<br />

CCC-LIV<br />

CHLOE<br />

DYGERT<br />

SHO-AIR –<br />

TWENTY 20<br />

Marta Bastianelli Virtu Cycling 9<br />

Arlenis Sierra Astana 7<br />

Annemiek van Vleuten Mitchelton-Scott 6<br />

Kirsten Wild WNT-Rotor 6<br />

Lisa Klein Canyon-SRAM 6<br />

© Getty Images; Stand: 12.09.<strong>2019</strong><br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 79


NACHLESE<br />

Fahrer im Fokus<br />

MAX SCHACHMANN<br />

© Kramon<br />

Manchmal gehen Resultate im Lärm unter,<br />

und die hügeligen Klassiker waren<br />

<strong>2019</strong> besonders laut. Das Echo von<br />

Mathieu van der Poels Amstel-Gold-Sieg hallt<br />

noch nach, während ein immer selbstbewussterer<br />

Jakob Fuglsang auf einen dritten Platz hinter<br />

van der Poel und einen zweiten beim Flèche Wallonne<br />

(hinter einem weiteren Shootingstar, Julian<br />

Alaphilippe) schließlich einen Sieg in Lüttich<br />

draufsetzte.<br />

Inmitten von all diesem Getöse sind die Resultate<br />

des Bora-Fahrers Max Schachmann irgendwie<br />

untergegangen. Der Berliner war bei den<br />

Rennen Fünfter, Fünfter und Dritter. Das sind<br />

glänzende Ergebnisse für einen 25-Jährigen, nur<br />

dass van der Poel ein Jahr jünger ist. Er war beständig,<br />

aber Fuglsang war noch beständiger. Bei<br />

Lüttich–Bastogne–Lüttich<br />

wurde sein Teamkollege Davide<br />

Formolo Zweiter, sodass<br />

er nicht einmal der beste junge<br />

Bora-Fahrer war. Schachmann<br />

wurde in den Meldungen<br />

pflichtgemäß erwähnt,<br />

JAHR RENNEN<br />

dann vergessen.<br />

Schachmann ist ein Puncheur-Sprinter,<br />

der die Stellen<br />

erreicht, die andere Sprinter<br />

nicht erreichen können, und<br />

auf Siege nach späten Angriffen<br />

spezialisiert ist. Er bestreitet<br />

Finals mit Leuten wie<br />

Michael Matthews und Daryl<br />

Impey – endschnelle Männer, die klettern können.<br />

Aber er ist bergauf vielleicht sogar noch<br />

schneller: Bei der Baskenland-Rundfahrt gewann<br />

er eine Etappe aus einer Ausreißergruppe heraus,<br />

die er am Anstieg mit Tadej Pogacar, Fuglsang<br />

und Adam Yates erzwungen hatte. Bei jenem<br />

Rennen war er in bestechender Form – er gewann<br />

auch eine Straßenetappe im Sprint einer kleineren<br />

Gruppe und das Auftakt-Zeitfahren. Bei der Kalifornien-Rundfahrt<br />

wurde er Zehnter, hätte aber<br />

besser abgeschnitten, wenn er nicht bei einer frühen<br />

spektakulären Attacke auf der Etappe zum<br />

Mount Baldy Zeit verloren hätte.<br />

Eine gebrochene Hand bei der Tour verlangsamte<br />

die Fortschritte des deutschen Meisters,<br />

aber früher oder später sollte er für einen großen<br />

Sieg gut sein.<br />

MAX SCHACHMANNS SIEGE<br />

METHODE<br />

2018 Katalonien-Rundfahrt, 6. Etappe Zweiergruppe<br />

2018 Giro d’Italia, 18. Etappe Solo aus Fluchtgruppe am Berg<br />

2018 Deutschland Tour, 2. Etappe Sprint einer späten Vierergruppe<br />

<strong>2019</strong> GP Industria & Artigianato Zweiergruppe<br />

<strong>2019</strong> Volta a Catalunya, 5. Etappe Zweiergruppe<br />

<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 1. Etappe Kurzes Zeitfahren<br />

<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 3. Etappe Sprint mit 40 Fahrern<br />

<strong>2019</strong> Baskenland-Rundfahrt, 4. Etappe Späte Vierergruppe<br />

<strong>2019</strong> Deutsche Straßenmeisterschaft Dreierflucht aus großer Gruppe<br />

WAS WIR<br />

DIESEN MONAT<br />

GELERNT HABEN<br />

Remco Evenepoel ist eine<br />

Klasse für sich<br />

Wo waren Sie, als Sie erkannt haben,<br />

dass Remco Evenepoel mehr ist als<br />

einer von vielen guten Neuprofis? War<br />

es nach dem dritten Platz, den er beim Zeitfahren<br />

in San Juan erreichte, vier Tage nach seinem<br />

19. Geburtstag? Waren es der Etappensieg und<br />

die Gesamtwertung der Belgien-Rundfahrt? War<br />

es vielleicht der denkwürdige Sieg bei der Junioren-Weltmeisterschaft<br />

2018, als er wegen eines<br />

Defekts zwei Minuten verlor, dann allein durch<br />

das ganze Feld nach vorn fuhr und als Solist gewann?<br />

Oder sind Sie noch früher draufgekommen,<br />

als Sie seine 22 Junioren-Siege 2018 mitgezählt<br />

haben?<br />

Zweifler mögen darauf hinweisen, dass er sich<br />

bei den großen WorldTour-Rennen schwerer tat.<br />

So beendete er die meisten Etappen der Tour de<br />

Romandie im mittleren Drittel des Feldes.<br />

Aber Evenepoels Sieg bei der Clásica San Sebastián<br />

ließ die Welt aufhorchen. Er schüttelte<br />

alle ab und widersetzte sich Verfolgern wie Greg<br />

Van Avermaet und Alejandro Valverde. Dann<br />

setzte er mit einem Sieg im Zeitfahren bei der<br />

Europameisterschaft noch einen drauf.<br />

Es gibt gute Gründe, die Kirche im Dorf zu<br />

lassen. Es ist wichtig, dass Evenepoels Team<br />

ihn vor Druck beschützt. Und <strong>2019</strong> war ein Jahr<br />

der Jungstars – Egan Bernal, drei Jahre älter als<br />

Evene poel, ist ein Toursieger; Tadej Pogacar gewann<br />

die Kalifornien-Rundfahrt mit 20; Mathieu<br />

van der Poel ist 24, aber ein Neuling im Straßenradsport<br />

mit einem Amstel-Gold-Titel. Die Sportwissenschaft<br />

hat jüngere Champions hervorgebracht,<br />

aber die großen Verbesserungen scheinen<br />

immer früher zu kommen – Evenepoel scheint mit<br />

19 näher an seinem Zenit zu sein als früher Fahrer<br />

mit 23 oder 24. In der Zwischenzeit wird sich<br />

der Radsport am Anblick eines furchtlosen, talentierten<br />

Jungprofis erfreuen, der die Rennen im<br />

Sturm erobert.<br />

80 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


NACHLESE<br />

TAKTIK-TIPPS: AUGEN AUF BEI DER ANFAHRER-WAHL<br />

Elia Viviani hatte ein gutes Jahr.<br />

Zwar noch nicht ganz so gut wie<br />

2018: Nach einem relativ langsamen<br />

Start in die erste Hälfte der Saison<br />

sind <strong>2019</strong> bisher zehn Siege auf seinem<br />

Konto, verglichen mit insgesamt 18 im<br />

letzten Jahr. Aber es waren gute Siege:<br />

eine erste Tour-Etappe und ein Hattrick<br />

von pres tigeträchtigen Eintagesrennen<br />

im Spä t sommer – RideLondon, das EM-<br />

Straßen rennen und sein dritter Sieg in<br />

Serie beim Hamburg Cyclassics, was ein<br />

Rekord ist.<br />

Viviani gewinnt viele Rennen, weil er ein<br />

sehr schneller Sprinter ist. Aber es gibt<br />

noch einen Faktor, den viele seiner Siege<br />

gemeinsam haben: die Anwesenheit von<br />

Michael Mørkøv. Das letzte Rennen –<br />

abgesehen von der italienischen Meisterschaft<br />

oder Einsätzen mit dem Nationalteam<br />

–, das Viviani ohne den Dänen in<br />

seinem Team gewinnen konnte, war Adriatica<br />

Ionica im Juni 2018. Andersherum<br />

war bei den Rennen, bei denen Viviani<br />

nicht gewann – der Giro und die Tour de<br />

Romandie plus Mailand–San Remo und<br />

Mørkøv (l.) ist für<br />

Viviani ein unverzichtbarer<br />

Anfahrer<br />

und war <strong>2019</strong> an<br />

bislang zehn Siegen<br />

beteiligt.<br />

Gent–Wevelgem –, Mørkøv auch nicht<br />

im Team. Das einzige Mal, dass sie in<br />

dieser Saison gepatzt haben, wenn sie zusammen<br />

fuhren, war bei De Panne, als<br />

Viviani Dritter wurde. Mørkøv ist ein guter<br />

Sprinter, aber seine eigentliche Stärke ist<br />

das Anfahren, und er ist vielseitig genug,<br />

um letzter Mann zu sein oder früher in<br />

Aktion zu treten.<br />

Im nächsten Jahr wechselt Viviani zu<br />

Cofidis, während Mørkøv bei Deceuninck<br />

bleibt. Wir werden sehen, wie wichtig der<br />

Däne für die Siege des Italieners war.<br />

© BettiniPhoto<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 81


NACHLESE<br />

DIE GRÖSSTE<br />

BANDBREITE<br />

AN SIEGERN<br />

Welche Teams haben die größte Stärke in der Tiefe, was Sieger angeht?<br />

Wir haben uns nicht nur angeschaut, welche Teams die<br />

meisten Rennen gewonnen haben (Deceuninck, vorhersehbar),<br />

sondern auch, welche Teams die meisten Fahrer haben, die <strong>2019</strong> wenigstens<br />

ein Rennen für sich entschieden haben.<br />

Ebenfalls vorhersehbar, hat Deceuninck in diesem Jahr die bisher größte<br />

Bandbreite an Siegern – 14 seiner Fahrer haben wenigstens ein Rennen<br />

gewonnen, wobei Julian Alaphilippe am meisten beigetragen hat. Gleich dahinter<br />

rangieren Astana mit 13 sowie Bora und Ineos mit je zwölf Siegern.<br />

Jumbo–Visma ist ein interessanter Fall – das Team hat 41 Rennen gewonnen<br />

und ist Zweiter auf der Siegesliste, aber nur zehn seiner Fahrer waren erfolgreich.<br />

Am unteren Ende: CCC, für das Greg Van Avermaet und Pat Bevin bisher<br />

die einzigen Sieger sind.<br />

WORLDTOUR-<br />

TEAM<br />

ZAHL DER SIEGER<br />

ERFOLGREICHSTER<br />

FAHRER<br />

SIEGE INSGESAMT<br />

DIE<br />

MEISTEN<br />

SIEGE<br />

ALLER<br />

ZEITEN<br />

Die großen Sieger <strong>2019</strong> waren<br />

tendenziell aus einer jüngeren<br />

Generation, so Elia Viviani,<br />

Julian Alaphilippe und Dylan Groenewegen.<br />

Aber André Greipel führt<br />

die Allzeit-Siegesliste im Peloton immer<br />

noch an, obwohl er <strong>2019</strong> nur<br />

einen weiteren Sieg verbuchten konnte.<br />

Ihm folgen Cavendish, Valverde,<br />

Sagan und Marcel Kittel, der seine<br />

Karriere vor Kurzem beendet hat.<br />

FAHRER<br />

EINTAGSFLIEGER<br />

SIEGE<br />

André Greipel 156<br />

Mark Cavendish 146<br />

Alejandro Valverde 126<br />

Peter Sagan 113<br />

Marcel Kittel 89<br />

Siege bei Eintagesrennen werden zunehmend die Domäne einiger weniger<br />

Teams. Deceuninck und Bora haben dieses Jahr kombiniert 29 gewonnen;<br />

die anderen Teams kommen zusammen nur auf 30. Mit 19 Siegen<br />

liegt Deceuninck auf Platz eins, deutlich vor Bora mit zehn Eintagessiegen.<br />

AG2R kommt mit fünf Erfolgen in dieser Kategorie <strong>2019</strong> auf den dritten Platz.<br />

© Getty Images<br />

Deceuninck–Quick-Step 14 Julian Alaphilippe 12 56<br />

Astana 13 Alexey Lutsenko 8 34<br />

Bora–hansgrohe 12 Sam Bennett 12 41<br />

Team Ineos 12 Egan Bernal 5 26<br />

Mitchelton-Scott 11 Daryl Impey 6 31<br />

Jumbo–Visma <strong>10</strong> Dylan Groenewegen 11 43<br />

Bahrain-Merida <strong>10</strong> Mark Padun 3 13<br />

EF Education First <strong>10</strong> Jonathan Caicedo 2 13<br />

Movistar 11 Richard Carapaz 5 20<br />

Groupama-FDJ 8 Thibaut Pinot 5 19<br />

AG2R La Mondiale 8 Benoît Cosnefroy 5 14<br />

UAE Emirates 7 Tadej Pogačar, Alexander Kristoff 5 23<br />

Lotto Soudal 7 Caleb Ewan 9 21<br />

Trek-Segafredo 5 Giulio Ciccone 2 6<br />

Katusha-Alpecin 5 Fünf Fahrer 1 5<br />

Dimension Data 4 Giacomo Nizzolo, Edvald Boasson Hagen 3 8<br />

Sunweb 3 Cees Bol 3 6<br />

CCC Team 2 Greg Van Avermaet, Pat Bevin 2 5<br />

Deceuninck–<br />

Quick-Step<br />

Siege: 19<br />

Podest: 12<br />

Education<br />

First<br />

Siege: 3<br />

Podest: 4<br />

Bahrain-<br />

Merida<br />

Siege: 1<br />

Podest: 4<br />

Bora–<br />

hansgrohe<br />

Siege: <strong>10</strong><br />

Podest: 11<br />

Movistar<br />

Team<br />

Siege: 3<br />

Podest: 2<br />

Mitchelton-<br />

Scott<br />

Siege: 1<br />

Podest: 3<br />

AG2R La<br />

Mondiale<br />

Siege: 5<br />

Podest: 7<br />

Jumbo–<br />

Visma<br />

Siege: 2<br />

Podest: 4<br />

Katusha-<br />

Alpecin<br />

Siege: 1<br />

Podest: 2<br />

UAE Team<br />

Emirates<br />

Siege: 4<br />

Podest: 9<br />

Lotto<br />

Soudal<br />

Siege: 1<br />

Podest: 6<br />

Team<br />

Sunweb<br />

Siege: 1<br />

Podest: 2<br />

Groupama-<br />

FDJ<br />

Siege: 3<br />

Podest: 7<br />

Team<br />

Ineos<br />

Siege: 1<br />

Podest: 6<br />

CCC<br />

Team<br />

Siege: 0<br />

Podest: 4<br />

Astana<br />

Siege: 3<br />

Podest: 6<br />

Trek-<br />

Segafredo<br />

Siege: 1<br />

Podest: 6<br />

Dimension<br />

Data<br />

Siege: 0<br />

Podest: 4<br />

82 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


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RADSPORT VS.<br />

TRIATHLON<br />

Wenn am 12. Oktober die Ironman-Weltmeisterschaft auf Hawaii<br />

stattfindet, richten sich die Blicke der Sportwelt auf den Triathlon.<br />

Auch viele Radsportler verfolgen den Kampf der Eisenmänner mit<br />

großem Interesse. Doch was sind eigentlich die Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschiede der beiden Sportarten? Procycling sprach mit<br />

dem Kölner Triathlonprofi Till Schramm über die verschiedenen<br />

Anforderungen im Radsport und im Triathlon.<br />

Fotografie Darren Wheeler/thatcameraman.com<br />

84 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


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Till, du bist mittlerweile im zehnten<br />

Jahr Profitriathlet, hast im Laufe<br />

deiner Karriere aber auch immer wieder<br />

Einblicke in den Radsport gewinnen<br />

können. Wie viel Radsportler steckt eigentlich<br />

in dir?<br />

Doch mehr, als man auf den ersten Blick denken<br />

mag. Das Radfahren ist meine stärkste Disziplin<br />

im Triathlon, besonders auf bergigen und anspruchsvollen<br />

Strecken kann ich oft Zeit auf meine<br />

Konkurrenten gutmachen. Meine Verbindung<br />

zum Profiradsport reicht aber deutlich weiter: In<br />

Sachen Aerodynamik und Performance arbeite<br />

ich beispielsweise eng mit Lars Teutenberg zusammen,<br />

der ja unter anderem schon Performance-Trainer<br />

bei Bora–hansgrohe war. Zudem fahre<br />

ich oft mit Christian Knees zum Training, auch<br />

mit Gerald Ciolek war ich früher häufig unterwegs.<br />

Was sind denn die prinzipiellen Unterschiede<br />

zwischen Radsport und Triathlon?<br />

Der größte Unterschied sind sicherlich die Rennen<br />

an sich. Offensichtlich ist natürlich, dass im<br />

Triathlon drei Disziplinen – neben dem Radfahren<br />

eben noch Schwimmen und Laufen – in einem<br />

Wettkampf stattfinden. Beim Radsport ist man<br />

dagegen Spezialist. Aber auch das Radfahren als<br />

Disziplin an sich läuft im Profitriathlon ganz anders<br />

ab: So ist im Triathlon Windschattenfahren<br />

meist nicht erlaubt. Die Ausnahme ist die Olympische<br />

Distanz, auf der man auch im Pulk fährt.<br />

Ein weiterer Unterschied ist sicherlich, dass es im<br />

Triathlon keine Mehrtagesveranstaltungen oder<br />

Etappenrennen gibt. Im Triathlon ist jeder Wettkampf<br />

wie ein Klassiker.<br />

Bei einem Klassiker spielen allerdings Tempohärte<br />

und viele Belastungsspitzen eine<br />

große Rolle. Wie sieht das bei einem Triathlon<br />

aus?<br />

Das kommt ganz auf die Distanzen an. Auf kürzeren<br />

Strecken wie der Olympischen Distanz<br />

entscheidet sich ein Triathlon so gut wie immer<br />

beim Laufen, was unter anderem auch daran liegt,<br />

dass das Windschattenfahren dort erlaubt ist. Bei<br />

diesen Rennen spielt die Fahrtechnik eine große<br />

Rolle. Man muss möglichst effizient im Windschatten<br />

mitfahren, um so noch Kraft für das abschließende<br />

Laufen übrigzuhaben. Auf der Mittelund<br />

Langdistanz ist es dagegen wichtig, effizient<br />

und zugleich kraftvoll und aerodynamisch zu fahren.<br />

Aber auch hier muss man sich Körner für das<br />

Laufen aufsparen.<br />

Wie sehr ist das Radfahren beim Triathlon<br />

eigentlich mit einem Zeitfahren im Profiradsport<br />

zu vergleichen?<br />

Auf den ersten Blick sind sich beide Disziplinen<br />

sicherlich ähnlich – mit dem Unterschied, dass<br />

man beim Triathlon eben immer noch Reserven<br />

für das Laufen übriglassen muss. Während ein<br />

Radsportler sich im Zeitfahren immer am absoluten<br />

Limit bewegt, fahren wir grundsätzlich mit<br />

Luft nach oben – meist im GA2- oder EB-Bereich.<br />

Prinzipiell muss man sich im Triathlon sehr lange<br />

„PRINZIPIELL MUSS<br />

MAN SICH IM TRIATHLON<br />

SEHR LANGE IN DIESEM<br />

,EKELTEMPO‘ BEWEGEN<br />

KÖNNEN.“<br />

in diesem „Ekeltempo“ bewegen können. Ich fahre<br />

im Schnitt rund 300 Watt bei 70 Kilogramm<br />

über vier Stunden hinweg – die sehr guten Profitriathleten<br />

brauchen sich also von der reinen<br />

Durchschnittsleistung nicht vor Radsportlern zu<br />

verstecken. Aber klar: Eine Stunde Vollgas liegt<br />

mir wiederum nicht so gut, dafür kann ich eben<br />

vier Stunden konstant schnell fahren. [lacht]<br />

Provokativ gefragt: Könnte ein Profitriathlet<br />

bei einem Profiradrennen bestehen?<br />

Mit einer entsprechenden Vorbereitung könnte<br />

man eine Etappe wahrscheinlich schon zu Ende<br />

fahren. Es kommt aber ganz darauf an, wie das<br />

Rennen gefahren werden würde. Da Triathlon<br />

eine Einzelsportart ist, würden die meisten Triathleten<br />

sicherlich sehr schnell Schwierigkeiten<br />

bekommen, sich in einem Profifeld zu bewegen,<br />

und so viel Kraft verlieren. Ich bin aber davon<br />

überzeugt, dass manche Topprofitriathleten mit<br />

der richtigen Vorbereitung auch wirklich gute<br />

Radrennen fahren könnten.<br />

Mit dem Australier Cameron Wurf und dem<br />

Deutschen Ruben Zepuntke gibt es derzeit<br />

zwei ehemalige Profiradsportler, die im<br />

Triathlon sehr erfolgreich sind, während<br />

es kaum Umsteiger vom Triathlon zum Profiradsport<br />

gibt. Woran liegt das?<br />

Das liegt sicherlich daran, dass ein Profiradsportler<br />

ein so hohes Level an Ausdauer und Kraft mitbringt,<br />

dass er beispielsweise recht schnell sehr<br />

gut laufen kann. Das einzige Problem ist das<br />

Schwimmen. Da aber der Motor auch hier vorhanden<br />

ist, kann man sich auf die Schwimmtechnik<br />

konzentrieren und im Rennen hier Schadensbegrenzung<br />

betreiben. Ich könnte mir gut vorstellen,<br />

dass ein Julian Alaphilippe oder mein Freund<br />

Christian Knees sehr gute Ironmans absolvieren<br />

könnten.<br />

Der Triathlet kann dagegen alle drei Disziplinen<br />

überdurchschnittlich gut – im Radsport sind aber<br />

absolute Spezialisten gefragt. Das beginnt nicht<br />

nur beim Radfahren selbst, sondern führt weiter<br />

über das taktische Gespür bis hin zum Fahren<br />

im Feld. Um diese Fertigkeiten zu erlangen, muss<br />

man schon im Jugendalter anfangen. Übrigens:<br />

Ironman-Weltmeister Patrick Lange war in seiner<br />

Jugend ein reinrassiger Mountainbikefahrer.<br />

Der Radsport ist prinzipiell eine Mannschaftssportart.<br />

Im Triathlon gibt es Teams<br />

nur auf Bundesligaebene, bei Ironmans und<br />

Co. ist man aber auf sich alleine gestellt.<br />

Welche Auswirkungen hat das auf das<br />

Sportlerdasein?<br />

Sehr große. Auch wenn wir eine große Triathlonfamilie<br />

sind, gibt es im Rennen und im Training<br />

so gut wie keine Freunde. Aufgrund der Eins-zueins-Stituation<br />

im Wettkampf hat man immer<br />

sprichwörtlich die Ellbogen draußen und muss<br />

sich selber durchbeißen. Der Ironman ist wie ein<br />

Haifischbecken. Im Profiradsport ist man dagegen<br />

mit einem Team unterwegs – das macht einen<br />

großen Unterschied aus.<br />

Neben dem Radfahren müssen Triathleten<br />

auch im Schwimmen und beim Laufen ein<br />

sehr hohes Level erreichen.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 85


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BIOGRAFIE<br />

Till Schramm wurde am 20. März 1985<br />

in Köln geboren. Nachdem er in seiner<br />

Jugendzeit bereits ambitionierter<br />

Mountainbiker war und unter anderem<br />

in der deutschen Nationalmannschaft<br />

fuhr, wechselte er als Junior zum<br />

Duathlon. Dort wurde er 2006 Weltmeister<br />

der Kategorie U23 auf der<br />

Lang distanz, ein Jahr später folgte ein<br />

deutscher Meistertitel im Crosstriathlon.<br />

2008 wurde er zudem deutscher<br />

Meister in der Altersklasse 20 bis 24 auf<br />

der Triathlon-Langdistanz. Seit 20<strong>10</strong> ist<br />

er als Profitriathlet aktiv und konnte<br />

unter anderem viermal den Ostseeman,<br />

eine der größten Triathlonveranstaltungen<br />

Deutschlands, gewinnen. Mit sechs<br />

Siegen auf der Langdistanz gehört<br />

Till Schramm zu den erfolgreichsten<br />

deutschen Triathleten der letzten Jahre.<br />

Weitere Informationen zu Till Schramm<br />

finden Sie unter: www.tillschramm.com<br />

Till Schramm gewann in seiner<br />

Karriere unter anderem viermal den<br />

renommierten Ostseeman-Triathlon.<br />

Das heißt, du trainierst auch größtenteils<br />

alleine?<br />

Ja, sehr oft. Natürlich bin ich vor allem beim Radfahren<br />

gerne mit Freunden unterwegs, die Schlüsseleinheiten<br />

werden aber meist alleine abgespult.<br />

Viele unserer Leser interessieren sich für<br />

Trainingstipps. Worin unterscheiden sich<br />

Radsport- und Triathlontraining?<br />

Auf dem Rad fahren wir genauso wie Radsportler<br />

auch VO 2 max-Programme und drücken Wellen<br />

mit 700 bis 800 Watt hoch. Prinzipiell sind unsere<br />

Radumfänge aber natürlich deutlich niedriger<br />

als die eines Radprofis, weil wir drei Disziplinen<br />

abbilden müssen. Mein Training beschränkt sich<br />

deshalb auf sehr spezifische Einheiten, jede<br />

Woche etwa ein langes GA2-Zeitfahren. Auch<br />

Grundlage findet eher konzentriert statt. Sprints<br />

fahre ich so gut wie nie – das trainiere ich beim<br />

Laufen. Beim Triathlon ist die richtige Dosierung<br />

ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg. Denn wenn<br />

man alles so trainiert wie der Spezialist, platzt<br />

irgendwann der Motor.<br />

Wo liegen die Unterschiede zwischen beiden<br />

Sportarten in Sachen Ernährung? Gerade<br />

das Laufen stellt Triathleten in Sachen Nährstoffzufuhr<br />

ja immer wieder vor große Herausforderungen<br />

…<br />

Das ist in der Tat ein sehr heikles Thema. Ich<br />

habe lange wie ein Radsportler gegessen und getrunken,<br />

was aber im Rennen fatal sein kann.<br />

Nimmt man etwa zu viel Flüssigkeit auf, fühlt<br />

man sich beim Laufen wie ein Wasserkessel. Ich<br />

weiß mittlerweile genau, wie viel Energie ich pro<br />

Stunde dem Körper zuführen kann – und das mache<br />

ich mit dem geringstmöglichen Flüssigkeitsund<br />

Nahrungsaufwand. Dabei ist es übrigens<br />

ein Irrglaube, dass mineralienreiche Ernährung<br />

schnell Energie bringt. Ein mineralienarmes Getränk<br />

bringt Energie und Nährstoffe viel schneller<br />

in die Zelle.<br />

Einer deiner Partner ist die Wassermarke<br />

Lauretana, die sich als das „leichteste Wasser<br />

Europas“ bezeichnet.<br />

Das Wasser stammt aus der gleichnamigen Quelle,<br />

die in 1.200 Meter Höhe unweit des Monte-<br />

Rosa-Massivs im italienischen Graglia liegt. Es ist<br />

besonders rein, ganz ohne jegliche Schadstoffe<br />

wie etwa Nitrate. Mit nur 14 Milligramm Mineralsalzen<br />

ist es zudem entsprechend mineralarm.<br />

Wie zuvor schon gesagt, gelangt die Energie durch<br />

dieses mineralarme Wasser schneller in die Zellen.<br />

Umgekehrt geht auch der Abtransport von<br />

Stoffwechselabfällen schneller.<br />

Wir haben nun über die Rennen, das Training<br />

und die Ernährung gesprochen. Wo<br />

können Radsportler von Triathleten etwas<br />

voneinander lernen – und umgekehrt?<br />

Triathleten können sicherlich lernen, dass man<br />

nicht alles zu ernst nimmt. Viele Sportler sind hier<br />

so sehr auf Training und Co. fokussiert, dass wenig<br />

Zeit für anderes bleibt. Bei den Radsportlern,<br />

die ich kenne, geht es dagegen oftmals viel lockerer<br />

zu. Die Radsportler können wiederum lernen,<br />

dass man im Training auch einmal über den Tellerrand<br />

schauen kann. Das heißt, auch eine Laufeinheit<br />

zwischendurch oder ein Urlaub mit langen<br />

Wanderungen kann ein guter Reiz sein.<br />

Würde es dich reizen, einmal bei einem<br />

Profiradrennen am Start zu stehen? Und<br />

wenn ja, welches würdest du wählen?<br />

Definitiv. Am liebsten wäre mir Paris–Roubaix<br />

– das würde ich sofort ausprobieren wollen. Aber<br />

wie heißt es so schön: Schuster, bleib bei deinen<br />

Leisten. [lacht]<br />

Till, vielen Dank für das Gespräch!<br />

Dieser Beitrag entstand in Zusammenarbeit mit<br />

Lauretana. Weitere Informationen zum Produkt<br />

gibt es unter: www.lauretana.de<br />

© Speedphotos.de/Mario Koberg (rechts)<br />

86 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


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IN VIER WOCHEN VOM<br />

RADLER ZUM TRIATHLETEN<br />

Der Crashkurs-Plan zur Olympischen Distanz von Triathlon-Profi Till Schramm<br />

WOCHE 1<br />

WOCHE 2<br />

WOCHE 3<br />

WOCHE 4 – RENNWOCHE<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– (4 x) 5 x 25 m mit 30 s Pause<br />

und 1:30 min Pause nach jedem<br />

5. – <strong>10</strong>0 m locker – 5 x 25 m<br />

Kraul Beinschlag – <strong>10</strong>0 m aus<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– <strong>10</strong> x 50 m Kraul – 50 m locker<br />

– <strong>10</strong> x 50 m Kraul mit Paddles<br />

und Pullbuoy – <strong>10</strong>0 m aus<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– 20 x 50 m Kraul (3 mittel<br />

+ 1 schnell im Wechsel mit<br />

1 min Pause) – 200 m aus<br />

1 h locker Rad mit hoher<br />

Trittfrequenz<br />

30 min nüchtern laufen vor der<br />

Arbeit im mittleren Tempo<br />

45 min nüchtern laufen vor<br />

der Arbeit (4:30 min mittleres<br />

Tempo + 30 s fast voll im<br />

Wechsel)<br />

60 min nüchtern am Morgen<br />

laufen (9 min mittel + 1 min fast<br />

voll im Wechsel)<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– 8’25 m Kraul schnell auf 45 s<br />

Start – <strong>10</strong>0 m locker – 8’25 m Kraul<br />

Sprint auf 1 min Start – 200 m aus<br />

2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />

4 x 5 min Kraft in TT-Position<br />

bei 70 % FTP und Trittfrequenz<br />

30–40<br />

2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />

6 x 6 min Kraft in TT-Position<br />

bei 70 % FTP und TF 30–40,<br />

dazwischen 4 min locker<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– <strong>10</strong> x <strong>10</strong>0 m Kraul mit Paddles<br />

und Pullbuoy, auf gute<br />

Druck phase achten, mit 15 s<br />

Pause – <strong>10</strong>0 m aus<br />

1 h TT-Rad mit 3’5 min (3 min<br />

80 % – 1 min 90 % – 1 min 95 %)<br />

+ 5 km laufen (5 x 1:30 min<br />

schnell + 1:30 min locker,<br />

Rest auslaufen)<br />

30 min laufen am Abend,<br />

je 5 min ruhig + 5 min flott im<br />

Wechsel<br />

45 min laufen am Abend<br />

(<strong>10</strong> min ein – 3 x 7 min schnell<br />

mit 3 min locker dazwischen –<br />

5 min aus)<br />

1,5 h TT-Rad (<strong>10</strong> x 3 min FTP<br />

mit 2 min locker dazwischen)<br />

+ 30 min laufen (<strong>10</strong> min ruhig,<br />

<strong>10</strong> min mittel, <strong>10</strong> min schnell)<br />

Ruhetag<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– 3 x <strong>10</strong>0 m Kraul – <strong>10</strong>0 m locker<br />

– 3 x <strong>10</strong>0 m Kraul mit Pullbuoy<br />

– <strong>10</strong>0 m locker – 3 x <strong>10</strong>0 mit<br />

Paddles – <strong>10</strong>0 m aus<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– 8’25 m Kraul Beine – 5’200 m<br />

Kraul, alle 5 s schneller als die<br />

vorherigen mit 60 s Pause –<br />

<strong>10</strong>0 m aus<br />

Ruhetag<br />

Ruhetag<br />

2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle mit<br />

4 x <strong>10</strong> min Zeitfahren bei 90 %<br />

FTP + 30 min laufen, gesteigert<br />

von locker bis schnell<br />

2 h TT-Rad oder 1,5 h Rolle<br />

mit 6 x 5 min Zeitfahren FTP<br />

+ <strong>10</strong> min laufen schnell<br />

30 min schwimmen: 200 m ein<br />

– 3 x 400 m Kraul, die ersten<br />

<strong>10</strong>0 m schnell + 300 m mittel<br />

mit 1 min Pause – <strong>10</strong>0 m aus<br />

30 min locker Rad mit kurzen<br />

Abschnitten Renntempo<br />

2 h locker Rad am Morgen,<br />

dabei die erste Stunde nüchtern,<br />

danach pro Stunde eine Banane<br />

oder einen halben Riegel;<br />

Getränk: Wasser<br />

3 h locker Rad am Morgen, auf<br />

hohe Trittfrequenz (80–90)<br />

achten!<br />

1 h TT Rad (15 min ein – 30 min<br />

TT bei 85 % FTP – 15 min locker)<br />

+ 5 km laufen so schnell wie<br />

möglich<br />

Triathlon<br />

Till Schramm empfiehlt vor allen Einheiten zehn Minuten Rumpfstabilisation und nach allen Einheiten<br />

<strong>10</strong> Minuten dehnen. Außerdem hat es sich bewährt, bei den Koppeleinheiten am Samstag mit<br />

Rennernährung zu trainieren, dann weiß man, was man verträgt und was gut funktioniert.<br />

SIE WOLLEN EINMAL IN DIE TRIATHLONWELT HINEINSCHNUPPERN?<br />

WIR VERLOSEN EINEN EXKLUSIVEN TRAININGSTAG MIT TILL SCHRAMM.<br />

HIERZU EINFACH EINE MAIL AN GEWINNSPIEL@WOM-MEDIEN.DE MIT DEM BETREFF „TRIATHLON“ SCHREIBEN.<br />

EXKLUSIVES<br />

GEWINN-<br />

SPIEL<br />

*Um zu gewinnen, schreiben Sie uns einfach die richtige Antwort auf die Gewinnspielfrage bis einschließlich 01.<strong>10</strong>.<strong>2019</strong> an folgende E-Mail-Adresse: gewinnspiel@wom-medien.de.<br />

Unter allen E-Mails wird der Gewinner bzw. die Gewinnerin ermittelt. Teilnahmeberechtigt sind Personen ab Vollendung des 18. Lebensjahres. Pro Person bzw. E-Mail-Adresse<br />

wird nur eine Teilnahme akzeptiert. Der Gewinner wird im Anschluss an das Gewinnspiel per E-Mail benachrichtigt. Die bereitgestellten Informationen werden von der WOM Medien GmbH<br />

ausschließlich für das Gewinnspiel verwendet und nach der Verlosung gelöscht. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 87


WUNSCHLISTE<br />

EUROBIKE-SPEZIAL<br />

88 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


DE ROSA<br />

MERAK DISC<br />

<strong>10</strong>.790 € (Rahmenset 4.150 €)<br />

www.derosa.it<br />

Mit dem neuen Merak Disc stellt<br />

De Rosa eine Rennmaschine vor,<br />

wie man sie sich eleganter kaum<br />

vorstellen kann. Ihre glatten<br />

Formen zeigen alle Merkmale<br />

aktueller Aero-Rahmen, etwa die<br />

tief angesetzten Sitzstreben und<br />

die Abrisskante am Übergang vom<br />

Steuerrohr zum Unterrohr, nicht<br />

zu vergessen die integrierte<br />

Sitzklemme. Den Bogen von der<br />

Moderne zur klassischen Optik<br />

schlägt das waagerechte Oberrohr,<br />

dem aufgrund aerodynamischer<br />

Erwägungen ein Comeback ge -<br />

lungen ist. Das mit elektronischer<br />

Campagnolo EPS und Hydraulikbremsen<br />

ausgestattete Rad kann<br />

natürlich auch in Sachen Integration<br />

viel bieten; optisch stimmig ist<br />

die Komplettierung mit schwarzen<br />

Carbonteilen, die auch gewichtsmäßig<br />

gut mit dem 900-Gramm-<br />

Rahmen harmonieren.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 89


WUNSCHLISTE<br />

BASSO<br />

VENTA<br />

2.599 €<br />

www.bassobikes.com<br />

Das 1977 von Alcide Basso (Bruder des<br />

Straßenweltmeisters von 1972, Marino<br />

Basso) gegründete Traditionsunternehmen<br />

gehört zu den wenigen namhaften<br />

Anbietern, die die Produktion nicht aus<br />

der Hand gegeben haben. Basso<br />

zelebriert italienische Handwerkskunst<br />

mit glattflächigen, dezent gestalteten<br />

Carbonrahmen, und das auch zu<br />

günstigen Preisen: Das neue Modell<br />

Venta Disc ist mit Shimano Ultegra<br />

schon für 2.599 Euro verfügbar; die<br />

bereits bekannte Version mit Felgenbremsen<br />

kostet sogar nur 2.199 Euro.<br />

Die mattsilberne Rennmaschine bietet<br />

alle modernen Montagestandards und<br />

verspricht bei einem Rahmengewicht<br />

um 1.000 Gramm, schön leicht zu sein.<br />

Als Rahmenset wird der echte Italiener<br />

leider nicht angeboten, was angesichts<br />

dieses Freundschaftspreises aber auch<br />

nachvollziehbar ist.<br />

FULCRUM<br />

WIND 40 DB<br />

1.226 €<br />

www.fulcrumwheels.com<br />

Als Allrounder für Rennmaschinen<br />

mit Scheibenbremse stellt der Laufradspezialist<br />

den Wind 40 DB vor. Mit<br />

1.620 Gramm recht leicht, ist der Carbonradsatz<br />

mit 19 Millimeter Maulweite auf<br />

dem neuesten Stand und dank „2-Way<br />

Fit“ zudem mit Schlauchlosreifen<br />

kompatibel. Damit die Brems kräfte<br />

besser aufgenommen werden können,<br />

ist auch das Vorderrad zwei zu eins<br />

eingespeicht; vorne wie hinten kommen<br />

24 DD-Speichen zum Einsatz. Sie<br />

verfügen über raschenderweise über<br />

einen runden Querschnitt – an einem<br />

Aero-Laufradsatz eher ungewöhnlich.<br />

90 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


WUNSCHLISTE<br />

ABUS<br />

STORMCHASER<br />

129 €<br />

www.abus.com<br />

Mit dem Aero-Road-Helm Gamechanger<br />

schaffte Abus den Sprung in die Topliga<br />

der Helmanbieter und konnte den<br />

unterstützten Teams echtes High end-<br />

Material bieten. Nun werden zahlreiche<br />

Merkmale des Topmodells in einen<br />

preiswerten Helm gepackt, der mit<br />

280 Gramm Gewicht und angenehmer<br />

Passform zum Kassenschlager werden<br />

könnte. Ein besonders interessantes<br />

Merkmal sind die vernähten Gurte, die in<br />

Sachen Tragekomfort unschlagbar sind.<br />

Sie werden aus einem Material gefertigt,<br />

das aus der Damenbekleidung stammt,<br />

und erleichtern auch die Anpassung des<br />

Helms deutlich. Abus hält den Stormchaser<br />

in zahlreichen Farben bereit,<br />

auch eine Variante mit Visier ist erhältlich.<br />

SIGMA SPORT<br />

BLAZE<br />

24,95 €<br />

www.sigmasport.com<br />

Ein Rücklicht, das mehr kann: Im Blaze<br />

stecken Sensoren, die Bremsvorgänge<br />

erkennen (und von anderen Fahrmanövern<br />

unterscheiden) können und dann<br />

durch helles Erstrahlen den rückwärtigen<br />

Verkehr warnen – seien es die<br />

Trainingspartner oder Autofahrer. Die<br />

mit drei LED ausgestattete Lampe<br />

verfügt über Tag- und Nachtmodus und<br />

soll bis zu sieben Stunden Leuchtdauer<br />

bieten. Befestigt wird das kompakte<br />

Rücklicht per O-Ring.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 91


WUNSCHLISTE<br />

GIRO<br />

IMPERIAL<br />

429 €<br />

www.giro.com<br />

GIRO<br />

AGILIS<br />

99 €<br />

www.giro.com<br />

Mit dem Agilis stellt Giro ein ausgesprochen<br />

preisbewusstes Modell mit<br />

MIPS-Innenschale vor. Zur Erinnerung:<br />

Die schwimmend gelagerte Schicht soll<br />

bei einem Sturz Drehbewegungen des<br />

Kopfes abfangen, die die Halswirbelsäule<br />

schädigen könnten. Der mit<br />

280 Gramm nicht zu schwere Helm<br />

orien tiert sich optisch an den Topmodellen<br />

des US-Anbieters, ist aber geschlossener,<br />

um trotz etwas einfacherer Machart<br />

hohe Sicherheit zu gewährleisten.<br />

Aus superleichtem Material fertigt<br />

Giro den neuen Imperial, der dadurch<br />

nur 215 Gramm pro Stück wiegt und<br />

sich außerdem sehr gut dem Fuß<br />

anpasst. Zwei BOA-Verschlüsse sorgen<br />

für feinfühlige Verstellbarkeit; trotz<br />

der dünnen Lasche drückt bei enger<br />

Einstellung nichts, zumal auf harte<br />

Kunststoffösen für die Schnürdrähte<br />

verzichtet wird. Luftig wird der Schuh<br />

durch die seitlichen „Fenster“, die freilich<br />

auch Regen und Spritzwasser einlassen<br />

dürften. Mitgeliefert werden die<br />

bekannten Giro-Einlegesohlen mit<br />

austauschbarer Fußgewölbeunterstützung.<br />

92 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


WUNSCHLISTE<br />

BIORACER<br />

KAIMAN<br />

139 €<br />

www.bioracer.com<br />

Die komplett wasserdichte, dank hoher<br />

Elastizität bequeme Kaiman gab es<br />

schon, bislang aber nur in Schwarz. Nun<br />

kommt eine bei typisch belgischem<br />

Schmuddelwetter deutlich praxistauglichere<br />

Version auf den Markt, wahlweise<br />

in Gelb oder Orange und dank<br />

Reflex-Applikationen besonders<br />

auffällig. Enge Bündchen und eine<br />

verlängerte Rückenpartie sorgen an<br />

Regentagen für optimalen Schutz.<br />

CASTELLI<br />

FREE PROTECT<br />

RACE BIBSHORT<br />

199,95 €<br />

www.castelli-cycling.com<br />

Wer in der Kurve wegrutscht, bezahlt<br />

das nicht selten mit einer zerrissenen<br />

Radhose – ärgerlich, denn solche<br />

Beschädigungen lassen sich in der<br />

Regel nur schwer reparieren. Damit es<br />

gar nicht so weit kommt, hat Castelli<br />

gemeinsam mit dem Team Ineos ein<br />

neuartiges Material entwickelt, dessen<br />

Gitterstruktur an der Innenseite<br />

besonders resistent gegenüber Ein -<br />

reißen und Abrieb zu sein verspricht.<br />

Mit breiter Gummierung, luftdurchlässigem<br />

Material an den Trägern und<br />

durch Flachnähte verbundenen Bahnen<br />

bietet die Hose alle modernen Standards<br />

in Sachen Tragekomfort – und natürlich<br />

den berühmten Skorpion der italienischen<br />

Marke.<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 93


-AUSLAGE<br />

PLZ 20000 PLZ <strong>10</strong>000<br />

PLZ 00000<br />

Max-Brauer-Allee 36<br />

22765 Hamburg<br />

Tel.: 040/380 865 33<br />

Fax: 040/38907743<br />

info@cyclefactory.de<br />

www.cyclefactory.dee<br />

PLZ 20000<br />

PLZ 30000<br />

PLZ 40000<br />

Händlerverzeichnis Procycling:Layout 1<br />

DIANA<br />

S P O R T R E I S E N<br />

Rose biketown<br />

Werther Straße 44, 46395 Bocholt<br />

Tel.: 0 28 71/27 55-55<br />

Fax: 0 28 71/27 55-50<br />

Email: rosemail@rose.de, Internet: www.rose.de<br />

1984<br />

2014<br />

DIANA<br />

S P O JAHRE R T R E I S E N<br />

PLZ 50000<br />

PLZ 70000 PLZ 60000<br />

1984<br />

2014<br />

DIANA<br />

S P OJAHRE<br />

R T R E I S E N<br />

1984<br />

2014<br />

JAHRE<br />

TOP-Preise<br />

TOP-Service<br />

www.hwg-radsport.de<br />

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dianasport.<br />

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rEnnrädErn in süddEutsCHLAnd<br />

Zweirad Lämmle GmbH & Co.KG<br />

Ittelsburger Straße 11 · 87730 Bad Grönenbach, Allgäu<br />

Tel. 08334-72 17 · www.zweirad-laemmle.de<br />

Free Wheels<br />

Pfalzstraße 35<br />

94356 Pillnach/Kirchroth<br />

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DAS LETZTE WORT<br />

JENS VOIGT<br />

Jens fragt sich, wo all die amerikanischen Helden geblieben sind.<br />

D<br />

ie Fans fast aller Länder, in denen Radsport<br />

beliebt ist, verehren mindestens einen<br />

Helden oder sogar einen Superhelden,<br />

der als Aushängeschild für ihre Nation dient.<br />

Großbritannien hat Chris Froome, Mark Cavendish<br />

und Geraint Thomas, Frankreich hat Julian<br />

Alaphilippe und Thibaut Pinot, Spanien Alejandro<br />

Valverde, Belgien Philippe Gilbert und Italien Vincenzo<br />

Nibali und Elia Viviani, um nur einige Beispiele<br />

zu nennen. Nicht schwer zu erraten, wer der<br />

Held der Slowakei ist … er hat viele Grüne und Regenbogentrikots<br />

gewonnen. Kolumbien? Sie haben<br />

mindestens ein halbes Dutzend!<br />

Aber es gibt eine große Ausnahme: den US-<br />

Markt. Wir haben ein paar solide und wirklich<br />

gute Fahrer in den Vereinigten Staaten, aber keinen<br />

Superhelden. Ich frage mich, warum; denn<br />

mit einer Bevölkerung von 330 Millionen Menschen<br />

muss es einige ernsthafte Talente geben.<br />

Vielleicht geht es um das Huhn und das Ei? Vielleicht<br />

braucht ein Land zuerst einen Superhelden,<br />

um die Kinder für diesen Sport zu gewinnen, um<br />

die Kinder zu inspirieren, in die Fußstapfen dieses<br />

Helden zu treten?<br />

Nach der diesjährigen Tour de France kann ich<br />

sehen, wie Tausende von französischen Kindern<br />

Julian Alaphilippe nacheifern oder ebenso ein<br />

paar kolumbianische Kinder, die ihren lokalen<br />

Vereinen beitreten, um Egan Bernal zu folgen. Ich<br />

wette, Ecuador wird auf eine ähnliche Reise gehen,<br />

nachdem Richard Carapaz in diesem Jahr<br />

den Giro d’Italia gewonnen hat.<br />

In den USA scheint es jedoch, dass Radfahren<br />

bei Erwachsenen, Menschen zwischen 30 und<br />

60 Jahren, Menschen, die eine gute Karriere hatten<br />

und jetzt Zeit und Geld haben, um es für<br />

Fahrräder und Radfahren auszugeben, sehr beliebt<br />

ist. Aber es scheint ein System zu fehlen,<br />

um Talente zu entdecken und sie im Radsport<br />

zu fördern. Außerdem scheint es, dass Kinder in<br />

den USA lieber Mountainbike oder BMX als Straßen-<br />

oder Bahnrad fahren. Es gibt also ein strukturelles<br />

Problem, die nächste Generation dem<br />

Radsport näherzubringen. Und wie wir alle wissen,<br />

ist es ein Teufelskreis: Kein Superheld mit<br />

spektakulären Ergebnissen, kein extravaganter<br />

Charakter bedeutet keine TV-Berichterstattung,<br />

gefolgt von fehlenden Sponsoren, gefolgt von ausbleibender<br />

Unterstützung und keiner nächsten<br />

Generation … und so weiter …<br />

In den USA haben wir nur die Tour of California<br />

und die Tour of Utah, die hauptsächlich lokale<br />

Teams anziehen. Dennoch sind die USA nach wie<br />

vor ein großer Markt für die Fahrradindustrie.<br />

Eine ganze Reihe von in den USA ansässigen<br />

Fahrradfirmen und Sponsoren ist am Profizirkus<br />

beteiligt. Das ist paradox, und ich bin sicher, dass<br />

sich diese Situation ändern wird: Wir müssen einen<br />

neuen amerikanischen Superhelden finden,<br />

um neues Interesse beim Nachwuchs zu wecken,<br />

um sicherzustellen, dass wir eine neue Generation<br />

haben, die uns nachfolgt, und um das amerikanische<br />

Fernsehen und die Sponsoren beim Radsport<br />

zu halten. Mit Sepp Kuss, Brandon McNulty und<br />

Neilson Powless gibt es dort Talente, aber sie werden<br />

noch ein paar Jahre brauchen, um ihr volles<br />

Potenzial auszuschöpfen. Es gibt also Hoffnung<br />

und sicherlich eine aussichtsreiche Zukunft.<br />

Zu guter Letzt möchte ich mich mit dieser<br />

Rub rik von Bjorg Lambrecht verabschieden, der<br />

nach einem Unfall bei der Polen-Rundfahrt verstorben<br />

ist. Ruhe in Frieden, mein junger Freund.<br />

Wir werden dich nie vergessen.<br />

Jens Voigt beendete seine Profi karriere 2014 nach<br />

18 Jahren. Der Berliner war einer der angriffslustigsten<br />

und beliebtesten Fahrer im Peloton. Unter anderem<br />

hielt er für 42 Tage den Stundenweltrekord.<br />

NACH DER DIESJÄHRIGEN TOUR DE FRANCE KANN ICH SEHEN,<br />

WIE TAUSENDE VON FRANZÖSISCHEN KINDERN JULIAN<br />

ALAPHILIPPE NACHEIFERN WOLLEN.<br />

96 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


Mit leuchtenden Augen<br />

und voller Eifer<br />

erwarten diese jungen<br />

Radsportfans<br />

ihren Superhelden.<br />

© Getty Images<br />

OKTOBER <strong>2019</strong> | PROCYCLING 97


NÄCHSTE<br />

AUSGABE<br />

-Impressum<br />

25.<strong>10</strong>.19<br />

Procycling erscheint monatlich bei<br />

WOM Medien GmbH<br />

Auwiesenstraße 1<br />

94469 Deggendorf<br />

info@wom-medien.de<br />

Ihr Procycling-Team<br />

Redaktionsleitung Dieter Steiner<br />

Textchef Caspar Gebel<br />

E-Mail info@procycling.de<br />

Ständige redaktionelle Mitarbeiter<br />

Chris Hauke, Dominik Ruiz Morales,<br />

Peter Cossins, Sam Dansie, Alasdair<br />

Fotheringham, Daniel Friebe, Werner<br />

Müller-Schell, Sadhbh O’Shea, Herbie<br />

Sykes, John Whitney, Jamie Wilkins,<br />

Cam Winstanley<br />

Layout Saskia Funke<br />

Übersetzungen Esther Kriegel<br />

Lektorat Helga Peterz<br />

Fotos Andreas Meyer, Getty Images,<br />

Joseph Branston (Cover)<br />

Objekt- und Anzeigenleitung<br />

Maximilian Seidl<br />

m.seidl@wom-medien.de<br />

Druck Mayr Miesbach GmbH<br />

Pressevertrieb<br />

stella distribution GmbH<br />

20097 Hamburg<br />

Abonnement<br />

Hotline Michaela von Sturm,<br />

0 99 1-99 13 80 19<br />

Abonnieren Sie online unter<br />

www.procycling.de<br />

Der Preis für ein Einzelheft beträgt<br />

5,90 Euro (D). Nachbestellungen<br />

älterer Ausgaben sind zzgl. Versandkosten<br />

möglich. Der Preis für ein<br />

Jahresabo beträgt 59,90 Euro (D)<br />

bzw. 79,90 Euro (Ausland).<br />

© Getty Images<br />

RÜCKBLICK<br />

LA VUELTA<br />

A ESPAÑA<br />

+ RENNANALYSEN<br />

+ FELICE GIMONDI<br />

+ KASIA NIEWIADOMA<br />

70% K<br />

90% K<br />

© <strong>2019</strong> WOM Medien GmbH<br />

16. Jahrgang<br />

Geschäftsführer Dieter Steiner<br />

Das Magazin Procycling und die<br />

Internetseite procycling.de sowie<br />

deren Inhalte sind urheberrechtlich<br />

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und Manuskripte kann keine Haftung<br />

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Gerichtsstand ist Deggendorf.<br />

Procycling erscheint in Lizenz der<br />

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Immediate Media Co., London, UK.<br />

98 PROCYCLING | OKTOBER <strong>2019</strong>


CCT EVO DISC<br />

SECRET<br />

OF<br />

SPEED<br />

Secret of Speed - Eine Kombination aus Aerorennrad<br />

und Racebike ist die magische Formel<br />

des superschnellen CCT EVO´s . Es ist extrem<br />

leicht, besitzt aber dennoch einen besonders<br />

steifen Carbon Rahmen, der hervorragende Aerodynamikwerte<br />

mit sich bringt.<br />

Gewicht ab 6,8 kg /DISC /Sram Red eTap AXS

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