Das Ziel der Ziele ist ein ziemlich unspektakulärer Ort. Eine triste, aber einladende Küste, Nadelbäume, ein paar Hänge, Gruben, Suhlen und, etwas unverhofft, ein Wüstenstreifen, der sich beim Betreten selbst zu vergrößern scheint. Der glanzlose Rest bleibt deprimierend wie ein Zeltlager im Sauerland in durchregneten Sommerferien. Und dennoch ist dieser namenlose Fleck am Ende einer langen und von unbändiger Wut gesteuerten Seefahrt Max' fantastisches Reich, das heart of darkness seines kindlichen Zerstörungstriebs. Hier werden die Monster ihn zu ihrem König krönen und sich vor "dem Wildesten von allen" verneigen. Hier wird der Junge sein Berserkertum gemeinsam mit den ungestümen Wuschelriesen mit viel Geheul, unbändigem Spaß und aufgeschlagenen Knien bis zum Exzess treiben. Hier ist er endlich die Sonne, um die alles andere kreist. Und was kann es Erhebeneres für den Größenwahn kleiner Menschen geben als ein Tanz mit den Riesen der eigenen Schöpfung?

Nach Max´ Inauguration braucht das legendäre Kinderbuch mit dem gleichnamigen Titel von Maurice Sendak, – in den Sechzigern erst ein Affront gegen alle Anstandsregeln, schließlich ein Heiligtum für Pädagogen und Kinderpsychologen –, nur noch wenige Seiten um Max wieder in sein Kinderzimmer zurücksegeln zu lassen, in dem ein immer noch warmes Abendessen auf den Ausreißer wartet. In Spike Jonzes (Being John Malkovich) tapferer Adaption aber beginnt nun erst der vorletzte Akt, in dem der Held Regierungsverantwortung übernehmen und lernen muss, was es heißt, erwachsen zu werden. Wenn man schon anderen nach Herzenslust das Toben, Hauen oder Kuscheln befiehlt, so muss man sich auch ihrer Befindlichkeiten annehmen.

Ob er auch die Traurigkeit verscheuchen kann, fragen ihn seine Untertanen und rollen mit ihren tränenglänzenden Augen, ganz so, als zerre der Stimmungskater am Tag nach einer rauschhaften Orgie an ihren Nerven. Hier beginnt der etwas umständliche, langwierige gruppentherapeutische Teil mit den drei Meter hohen Puschel-Puppen. Und Max hat plötzlich alle Hände voll zu tun, alte Kränkungen, abgebrochene Liebesbeziehungen und ungeklärte Männlichkeitsprobleme in seinem angeschlagenen Hofstaat zu sanieren.

Aus einem Text mit (im Deutschen) nur 333 Wörtern, der alle Autoritäten aussperrt, ist ein verfilmter Entwicklungsroman geworden. Jonze, der seinem Max unter anderem eine erschöpfte, alleinerziehende Mutter und deren Verehrer andichtet, der den Protagonisten in ödipale Rage treiben wird, wagt es, den Kinderbuchklassiker weder besonders kinderfreundlich, noch werktreu ins Filmische zu übertragen. Doch bei aller Enttäuschung über die Artigkeit und erzählerische Umständlichkeit seiner Adaption darf man nicht die Magie übersehen, mit der Jonze im Geiste der Vorlage etwas hinzuerfindet. Und das ist eine wunderschöne Melancholie. Seine Monster rollen ihre fürchterlichen Augen und brüllen ihr fürchterliches Brüllen, wie es im Buch heißt. Aber hinter all ihrem Getöse und ihrer Kraft kauert eine Traurigkeit, die so groß und so schwer und so grundsätzlich ist, dass sie selbst den Stärksten unter ihnen das Herz versteinert.

Jonzes Film erzählt etwas, was bei Sendak in den Andeutungen seines feinen Zeichenstrichs bleibt, der an die Illustrationstechniken des 19. Jahrhunderts erinnert und an die Kunst, das Große und das Tragische in einer Gestalt zu vereinen. Er erzählt, dass es keinen Ort, nicht einmal im hintersten Schlupfwinkel der kindlichen Vorstellungskraft gibt, an dem alles harmonisch und problemfrei zugeht. Und kein noch so mächtiger Despot kann die Angst und Traurigkeit wegbefehlen, die ihre Schatten auch in die strahlendste Allmachtsfantasie werfen.

Jonze mag sich im diffusen Kosmos der Monsterseelen verzetteln. Dafür beweist er ein geradezu kinetisches Gefühl für das rabiate, physische Spiel, für die vergnügte Hetzjagd zwischen den Bäumen hindurch, für die Lust am Schubsen, Beinchenstellen und Hinplumpsen. Die Kamera hüpft überall hin, stolpert, duckt sich, nimmt Anlauf. Und man darf sich den Mann, der sie hält (Lance Acord), in diesen Momenten als ein verbeultes, vor Dreck starrendes, fröhliches Kind vorstellen.